Erwarte nichts, rechne mit allem von Vandra ================================================================================ Kapitel 10: Beschleunigung…? - Teil 3 ------------------------------------- Der andere Dschinn rührte sich nicht, versteinerte nur immer deutlicher, die Arme vor der Brust verschränkt und die Miene genauso bewegungsarm wie der Rest. Dann schüttelte er nur seinen Kopf und meinte trocken: „Er hat euch als Ziel, also wird er nur das Problem früher beseitigen…“ Mit zitternden Lippen wartete er nur einen Augenblick, bis der Druck in seinem Schädel zu groß wurde und Mark nach vorne stürmte. Wütend, außer sich, raste er in Richtung des Angebers, dieses noch schlimmeren Übels, schwang seine Faust noch im Rennen. Der Windhauch wuchs hinter ihm, neben ihm, zu einem regelrechten Sturm an, blies ihn vorwärts, bis er beinahe stolperte und gegen etwas knallte und sich dabei nicht verletzte. So sehr er sich auch bemühte, kam er keinen Schritt vorwärts, keinen rückwärts, gefangen von einer unsichtbaren Mauer. Kalt und heiß gleichzeitig war die Stimme, die: „GIB es mir freiwillig, oder ich zeige dir, warum ich gefürchtet bin. Du bist nichts…“, sagte, seinen Jin zeigte, der die Hand ausgestreckt da stand und dessen Haare in einem wilden Wirbel gefangen waren. Bäume beugten sich gerade gefährlich zur Seite, knarrten, während Sarah noch immer wild kämpfte. „Ich gebe dir nich…“, kam trocken die Antwort, die Marks Geduld endgültig platzen ließ. „Du Monster!“, schrie er, hämmerte gegen die Wand um sich, wollte entkommen, zuschlagen, „Jin soll böse sein? Du bist hier das Monster, lässt und einfach kämpfen, sterben…“ Immer wieder schlug er voller Kraft gegen die Mauer, die wie Gummi nachgab und doch kein Stück verrückte, hielt die Tränen in den brennenden Augen, der Mund aufgerissen, suchte nach einem Ausweg aus dem Massaker, das er nicht sehen wollte. „Jin, gibt ihm was er haben will…“, mischte sich jetzt eine zitternde Stimme ein, „…ich wünsche es mir.“ Julius stand da, strich sich mit einem Finger über die Haare, das Gesicht blass und klapperte dabei bei jedem Wort mit den Zähnen. „Jetzt!“ Die Zufriedenheit wich genau in dem Moment schlagartig aus dem Gesicht des Erddschinns, wurde ersetzt durch ein Brummen, ein Beben, das Mark fast umwarf, in die Mauer drückte, die ihn hielt. Dann schluckte er, versuchte nicht hinzusehen, als sich die Haut des fremden Jins öffnete, die Brust aufsprang und statt Blut nur Erdbrocken hinunterprasselten, ein rot glühendes Inneres offenbarte, das in der Luft anfing die Farbe zu verlieren. Beherzt griff der Dschinn hinein, vergrub seine jetzt schwarze Hand in sich, die Lippen verzogen, bis er einen riesigen Stein herauszog, ihn in der Faust behielt und zudrückte. Es strahlte, glomm darin hervor, Rauch stieg auf, bis sie sich öffnete und einen leicht durchsichtigen, gelblichen Stein offenbarte, der im nächsten Moment mit einem lauten Schrei auf den Kopf seines Jins zuflog. Er trudelte durch die Luft, wurde selbst auf dieser kurzen Strecke immer langsamer, nur um in der ausgestreckten Hand zu landen. „Glaub nicht, dass ich das vergesse“, drohte der fremde Dschinn, während die Bäume nur noch stärker rasselten und sogar die Stämme anfingen sich zu verbiegen, in die Richtung zu deuten. Ohne ihn weiter zu beachten ging Jin ein paar Schritte, sagte in einem eiskalten Ton, der Mark einen Schauder über den Rücken jagte: „Ich sagte es: Dafür wirst du sterben…“ Damit löste sich mit einem leisen Pfeifen die Wand, an der er gelehnt hatte, so dass er nach vorne stolperte, wild mit den Armen wedelte, um sein Gleichgewicht zu halten. Gerade noch konnte er sich fangen, an einem Baum abstützen, der hin und her wackelte und riss dann die Augen auf. Panisch suchte er Sarah, sah sie nicht, sah nur das Monster, dessen rote Fliegenschar sich um eine der Krallen versammelte. Mark erstarrte, hielt die Luft ein, als er die Taube sah, Sarah sah, die sich nicht rührte, von der Blut tropfte und über der ein Schnabel schwebte, Geifer in Massen auf den Boden tropfen ließ. „TU WAS!“, schrie er verzweifelt, krallte sich in die Rinde, zu weit entfernt, das Schauspiel zu hoch. Ungebeten, erbeten kam die Antwort, das Lächeln seines Jins, der den Stein hochhob, in der Hand abwog und dann direkt nach oben schaute. Sein Blick folgte, fand nichts, bis eine Brise zu einem Sturm anschwoll, das Ding in der Hand sich drehte. Der Arm schoss im nächsten Moment hoch, beschleunigte den wirbelnden Stein nach oben, nach oben ins Nichts. Mark wollte schon schreien, etwas tun, als plötzlich ein leises Krachen zu hören war, der Kopf des Monsters sich hob und nach oben raste. Da war jetzt etwas, etwas das glitzerte und eine schwebende Masse zerteilte, die plötzlich erschienen war. Schnüre verbanden einzelne Dinge, unmögliche Quallen, von denen riesige Ketten wie Tentakel hinunter hingen, über die immer wieder Blitze hochzuckten. Und jedes Mal wenn das Glitzern erstrahlte, knallte eines der Seile hinunter, brachte den ganzen Wald aus Ketten dazu hin und her zu schwanken, bis eines dieser Wesen erkennbar wurde, durchsichtiger Körper eine schwabbelnde Masse, immer wieder von Elektrizität durchzuckt. Fast verwirrt starrte das Monster dorthin, zurück zu Sarah, wieder zu der Qualle, unentschlossen. „Ich gebe dir Futter, ermögliche deinen Flug, also lass sie gehen und iss, was du solltest“, befahl Jin, fing dabei ohne hinzusehen den Stein auf, der vom Himmel wieder hinunter raste, direkt auf ihn zu. „JETZT!“, setzte er nach. Mit einem lauten Kreischen ließ das Monster Sarah fallen, flog höher hinauf, sein Kopf hin und her wackelnd wie in einer Verbeugung. Der Stachel bewegte sich auf die Ketten zu, wurde zurückgezogen, nur um dann mit voller Beschleunigung darauf zuzurasen. Mit einem Klirren durchbohrte es eines der Glieder, dessen durchsichtiges Inneres in tausend Splitter zerbrach, und so die ganze Qualle mit sich zog. „UARGH!“, brüllte das Ungetüm, öffnete seinen Schnabel noch einmal stumm, bevor es in den Himmel verschwand. Gefangen in seinem eigenen Körper, noch immer völlig bewegungslos, streifte Marks Blick Sarah, löste so seine Starre. Er biss sich auf die Lippen, setzte einen Fuß nach vorne, einen Schritt weit, und rannte dann zu der Taube, die mit roten Spuren überzogen regungslos am Boden verharrte. „Sarah?“, flüsterte er, als er sie erreicht hatte, sich schuldig fühlte, und schon zusammenbrechen wollte, die Beine so schwer – bis der Kopf sich leicht hob und die Flügel wieder anfingen zu schlagen. „Danke…“, gurrte sie, drehte sich mit leichten Stubsen etwas und richtete sich schließlich auf, flatterte davon, nicht ohne ein „Au“ nach dem anderen von sich zu geben und sich am Ende auf seiner Schulter niederzulassen. „Ich verdient, nicht…?“ Darauf konnte er nicht antworten, konnte nur ein „Danke“ stammeln, hielt sich mit Mühe aufrecht. Alles vorbei, alles zu viel. Obwohl es wohl noch nicht vorbei war. „Mir scheint ihr seid von Verrückten umgeben?“, hörte er eine hochnäsige Stimme, die passenderweise aus Julius Richtung kam und ihm die Möglichkeit nahm zu erfahren, was die Quallen waren, die jetzt über ihnen schwebten. Julius stand noch immer mit der gleichen Gesichtsfarbe da, dessen Jin so versteinert wie er aussah und dahinter, dahinter eine blasse Frau mit Brüsten, die der Schwerkraft deutlich nachgaben. Mark blinzelte, sein Unterkiefer klappte mit einem hörbaren Knack auf. Sie war nackt, völlig und gänzlich nackt und starrte ihn gerade an, warf sich die blau schimmernden Haare mit einer Hand in einer eigenartigen Bewegung um den Hals. „Spanner! Spanner! Er hat Interesse an mir, will sich an mir vergehen, kann seine Augen nicht von mir lassen!“, brüllte sie plötzlich. Ihr Arm raste nach vorne, ein Finger zeigte genau auf ihn, genau in seine Richtung und hinter ihr erschienen zwei Männer, ebenfalls wenig bekleidet. Nur eine Brille und ein Bierbauch verdeckten etwas, nichts, als sie Zombies gleich in seine Richtung schauten und die Füße bewegten. „Ihr liebt mich, also tötet ihn…“, befahl sie, brachte ihn dazu zu stammeln: „Ich…kein Interesse…“ „Du starrst, du bist ein Mann, also hast du Interesse. Kopf ab, Kopf ab!“, schrie sie, beschloss ohne weitere Argumente, eine Hand in ihre Hüfte gestemmt, die sie betont nach außen streckte. „Niemand kann mir widerstehen, alle die mich begehren müssen sterben! Kopf ab!“ „Aber…aber…“, suchte er verzweifelt nach einem Ausweg aus dieser nächsten Verrücktheit; seine Gedanken noch träge, schleppten sich dahin. Panisch schaute er sich um, entdeckte ihn und ließ diesmal seinen Gefühlen freien Lauf: „Ich bin mit ihm zusammen.“ Bei diesen Worten stolperte er ein paar Schritte nach hinten, ergriff Jins Hemd und zog sich hoch, gab ihm einen kurzen Kuss, die Augen starr auf die beiden anmarschierenden Zombies gerichtet, die wie von einer unsichtbaren Mauer gehalten mitten in der Bewegung anhielten. Trotz allem bemerkte er noch das Prickeln, fühlte die Wärme, die sich in ihm ausbreitete, die schon wuchs, nur bei dem Gedanken an die Nähe, die er hier spürte. Sicherheit, Nähe, er versuchte irgendwie einen Teil davon zu unterdrücken, ließ los, drehte sich und lehnte sich beim Anblick der nackten Frau, der Zombies zurück, an die Brust seines Partners, zitterte. Irgendwie hoffe er auf etwas, bis Jin ihn umarmte, an sich drückte. „Wollen heute alle sterben?“, wehte die Stimme seines Dschinns eiskalt an ihm vorbei, während er in der Hand vor seiner Brust den glitzernden Stein bemerkte, der ihn an einen Diamanten erinnerte und in dem er den Widerschein der Ketten über ihm zu sehen glaubte. Mit fester Stimme setzte Jin fort: „Markus ist mein…“, fuhr mit seiner Hand weiter über Marks Brust. „So wie der Stein meiner ist…gib ihn mir wieder!“, kam völlig unpassend eine Zwischenmeldung von Julius Dschinn, der die Zombies giftig anstarrte und sich dann vor sie stellte, der Arm nach vorne gestreckt. „Du meinst den hier?“ Jin stellte zwar die Frage, doch anstatt das Ding in seiner Hand herzugeben, warf er es mit voller Wucht nach oben in die Luft, blies den Stein davon und erntete so einen bösen Blick, als sein Gegner mit einem „Du bist tot“, davon marschierte, die Erde bei jedem Schritt erbeben ließ. „Wirklich dem eigenen Geschlecht zugetan. Dann bleibt der Kopfe dran. Kommt wieder her, meine Lieben“, befahl jetzt die hochnäsige Frau, erntete ein „Angeberin“, von Sarah und hielt den Kopf unbeeindruckt nach oben gestreckt, bevor sie mit ihren Fingern über Julius Arm strich. „Hilf mir doch…“, hörte er noch halb von der Angeberin, bevor sie nur noch wortlos murmelte und ihn nicht mehr beachtete, ihre Begleiter wie vom Erdboden verschluckt waren. Was schon vorher in Mark gebrodelt, sich irgendwo in seinem Innersten aufgestaut hatte, brach mit einem lauten: „WAS ZUM HENKER!“ hervor. Er zitterte, schüttelte vehement den Kopf, stampfte mit dem Fuß auf, bis die Gefühle, lange unterdrückt, hervorbrachen. Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit mischten sich so stark, dass seine Hände zitterten, er seine Finger um die einzige Normalität legte, die es hier gab, sie um Jins Arm schlang und sich daran festhielt. „Wieso muss ich diese ganze Scheiße ertragen, wieso wolltest du nicht dieses Vieh umbringen? Und was zum Henker war das? Das…“, brüllte er, fühlte Müdigkeit, das Streichen über seinen Bauch, das ihn beruhigte. „Das war ein Drache, ein Stadtdrache, der sich von dem ernährt, was da oben schwebt“, ein Finger zeigte nach oben, die Stimme so sanft, so nah an seinem Ohr, dass er die Röte förmlich in sein Gesicht steigen fühlte, zumindest glaubte, „die sich von Magie ernähren, von dem Abfall, der produziert wird.“ „Doch zu viel hier herrscht, zu viel Dschinn…sie sich vermehrt, aneinander gekettet, Nahrung nicht mehr möglich für Drache“, setzte Sarah nahtlos fort, „so Drache sucht nach anderer Nahrung, nach magischen Wesen, nach uns…“ Es machte so wenig Sinn, war so unglaublich, dass er es glauben musste. Er grummelte: „Dann soll es gefälligst ihn fressen! Verdammt, ich habe schon genug…“, und schloss kurz die Augen. Lange währte die Ruhe aber nicht. „Natürlich“, schreckte ihn Julius aus seiner Müdigkeit hervor, stierte ihn mit einem eigenartigen rot-weißen Muster im Gesicht an, hinter ihm der wenig begeisterte braune Jin, der gerade wieder ankam. „Ich muss seit gestern ihr Gefasel ertragen“, dabei zeigte er auf die blaue Frau, „musste vorher aber erst meinen Kopf retten, nachdem sie wie eine Irre auf Drogen immer wieder dasselbe von sich gab und dann…dann dieser Erdwurm. Und wovon hat Barbara die ganze Zeit geredet? Von mir? Nein, natürlich von dir und wie glücklich sie ist, dass du zufrieden bist und wie schrecklich es ist, dass sie dich doch nicht haben kann. Und sie will nichts davon hören, wie man die Welt verbessern könnte…“, hörte er das Schimpfen, war immer kurz davor ihm ins Wort zu fahren. „Von dir will das sicher niemand hören“, konnte er den leisen Kommentar nicht mehr unterdrücken, der doch nur in dem Monolog unterging. „Natürlich, DU hattest es schwer …“, kam das letzte Bisschen, das zu viel war. „Ach ja? Du, du…ICH wurde hier von diesem Vieh gejagt, habe eine sprechende Taube, einen Irren, der mich umbringen wollte, weil ich Jins…was auch immer bin und bin tätowiert. Oh, und jeder verdammte Mensch auf diesem Planeten hält mich für schwul, obwohl ich nur einmal mit…und…vergiss es und verschwinde einfach wieder von hier – für IMMER! Ich will meine Ruhe, selbst wenn sie mit Jin ist!“ Sein ganzer Frust machte sich Platz, suchte sich ein Ventil, irgendetwas, während er die Blicke der umstehenden Menschen, der wenigen die gerade wieder auf den Platz kamen, ignorierte. Die Stimmung war inzwischen auf ihrem Tiefstpunkt, das Schweigen bedrückend und kalt wie der Wind, der scheinbar mit den Erdbrocken spielte, die sich immer wieder beharrlich am Boden formten und so den Weg blockierten. Und dann blieben die braunen Stücke kurz ungerührt, erhoben sich in die Luft und fielen dann allesamt wieder nieder, begleitet von einem zufriedenen: „Jetzt weiß ich es.“ Julius Dschinn starrte ihn an, ein Mundwinkel hochgezogen, ein Auge halb geschlossen. „Du hast ihn nicht nur zu deinem Gefäß gemacht, nein, jetzt ist er auch noch dein Geliebter, dein Auserwählter, mit dem du deinen niederen Instinkten folgst. Deswegen das alles, deswegen sein Leugnen. Verlierst du ihn, verlierst du deinen Halt. Geht er, gehst du mit – und gehst du, dann geht ein Teil von ihm mit.“ Mark verstand nur die Hälfte, wollte fragen, öffnete schon den Mund, doch dieser selbstgefällige Ausdruck und die Hände, die sich um ihn schlangen, ließen ihn innehalten. „Als ob du Ahnung von dem hast, wovon du redest. Du nutzt nicht was du hast und versteckst dich hinter deinem ‚Meister‘, kriechst zu seinen Füßen und leckst seine Sohlen – oder gibst es zumindest vor. Und alles nur zum Besten…du bist ein verlogener Heuchler, Jin, und ich bin der einzig Ehrliche, also steht mir das Paradies weit mehr zu, denn ich werde es mir holen! Duran wird dich schon noch holen und dir zeigen, wo deine Bemühungen enden. Du hattest ja noch nie mit Problemen zu kämpfen…“, entgegnete stattdessen sein Jin, während die Steinbrocken wieder quer durch die Luft wirbelten und gegen Julius prasselten. Die Antwort kam aber nicht wie gedacht, ließ auf sich warten, die selbstgefällige Miene aus dem Gesicht des Dschinns gewichen. „Duran? Der Feurige? Alles nur, weil du…“, murmelte dieser leise, während seine Augen wild hin und her wanderten. Genau in dem Moment hallte ein „Huhu!“, über den ganzen Platz, als Barbara gut gelaunt auf sie zukam. Ihr Ausdruck verdüsterte sich mit jedem Schritt in ihre Richtung und sie blieb schließlich direkt vor ihnen stehen, die Arme vor der Brust verschränkt. Lange dauerte es nicht, bis sie kritisch fragte: „Was habt ihr jetzt wieder angestellt?“ Verlegen, betreten starrte Mark in Richtung Julius, der sich weigerte auch nur einmal in seine Richtung zu blicken, seufzte dann und legte seinen Kopf in den Nacken, sah die goldenen Augen direkt auf ihn gerichtet, so freundlich, so warm wie der Körper, der sich um ihn gelegt hatte, so verführerisch… Mit einem hörbaren Knacken raste sein Kopf wieder vorwärts, stammelte er: „Nichts…unterhalten.“ Verbissen kaute er an seiner Lippe, um Barbaras Blick nicht länger ertragen zu müssen und nicht in Versuchung zu kommen, Jin anzuschauen. „Schön. Wenn du mir nichts erzählen willst…“, schnappte sie ein, „…wenigstens bist du jetzt wohl glücklich.“ Jetzt schien sie irgendwo etwas zu suchen, während eine Träne ihre Wange hinab kullerte und er nicht zusehen konnte. Er presste unter Mühe ein: „Ja...glücklich…“, heraus, das sich viel zu gut anfühlte und gab dann seinen Schuldgefühlen nach: „Tut mir leid…“ Damit schaute sie auf, grinste, was so gar nicht zu der Träne auf ihrer Wange passte, ihn dabei trotzdem beruhigte. „Ich wusste doch, dass du toll bist. So schade, dass du…“ „Wir müssen gehen Barbara…wir werden erwartet…“, unterbrach Julius sie schroff, gerade aufgerichtet und mit dem Kinn hoch in die Lüfte gestreckt. Er ignorierte Mark noch immer. Der Erddschinn war verschwunden, doch die verrückte Frau noch immer hinter ihm, beständig dabei wortlos etwas zu murmeln. „Jetzt“, setzte Julius noch drängend nach. Barbara versteifte sich, drehte sich in seine Richtung. „Wenn du das noch einmal machst, kannst du dich in Zukunft alleine treffen. Ich weiß, wann wir wohin müssen und ich bin kein Weibchen für den Herd.“ Der Angesprochene zuckte bei jedem ihrer Worte zusammen, ließ seinen Kopf Zentimeter um Zentimeter nach unten sinken, seine Schultern nach vorne fallen, bis er schließlich wie ein halbes Häufchen Elend da stand und so Marks Tag Stück für Stück besser machte. „Und jetzt gehen WIR, und du kommst mit!“, befahl sie Julius, stampfte ihn seine Richtung und ergriff ihn am Arm. Mit einem zufriedenen Grinsen zog sie den sich leicht nach hinten lehnenden Julius mit sich, drehte sich im Gehen um und rief Mark ein: „Oh, tut mir leid Mark, aber freut mich wirklich sehr, dass wir kurz reden konnten. Ich rufe deine Großmutter an und: Klasse, dass du endlich gefunden hast, wo du hingehörst. Ciao!“, zu. „Halt…?“, rutschte es ihm zu spät hinaus, erst als er sie in ihr Auto steigen sah und sie schon an ihm vorbeiraste. „Zu spät, mein Markus…und doch noch so früh“, schlich sich das Flüstern im gleichen Moment wie ein warmer Windhauch in sein Ohr, in seine Gedanken und erfüllte seinen Körper mit diesem eigenartigen Gefühl, dem warmen Kribbeln, das sich unten ausbreitete. „Aber…“, wollte er einwenden, etwas fragen, etwas von dem erfahren was hier passiert war, während ihm seinen Kopf den Dienst verweigerte und beharrlich darauf pochte seinen Dienst mehr Richtung Erde zu verlagern. „Die Frau…?“, presste er noch verzweifelt hervor, um das Streicheln über seine Hüfte zu ignorieren, und die Blicke der Passanten, die offensiv wegschauten oder starrten nicht sehen zu müssen. „Ein Geist.“ Wieder das Flüstern an seinem Ohr, begleitet von einer Feuchtigkeit, die kondensierte, sich auf seine Haut legte und zu etwas Festem wurde. Langsam strich es weiter, kitzelte ihn, brachte ihn dazu die Luft erschreckt anzuhalten, als er das Pochen erwachen fühlte, die Zunge seinen Hals hinab wanderte. Unbewusst lehnte er sich hinein in diese Berührungen, in diese Ablenkung von der Welt, sein Herz das einzige was seine Ohren noch mit einem Ton füllte, einem wilden Rauschen. „Ekelhaft…Jugend von heute…“, riss ihn ein giftiger Kommentar aus seiner Versenkung, aus dem so richtigen Gefühl, lenkte seinen Blick auf eine Frau voller Runzeln, in brauner Kleidung. Ekel zeichnete sich in jeder Falte ab, die Oberlippe in Richtung Nase gezogen. Mark stand nur sprachlos da, fühlte Schuld, Angst, wollte nur weg von hier, weg von der Wärme, die ihn anzog und verführte, drückte mit seinen Fingern gegen die Arme, die noch immer um ihn lagen. Die Frau starrte im Vorbeigehen weiter in seine Richtung, murmelte halb zu sich selbst, viel zu laut um es zu überhören: „Dass die sich nicht schämen…“ Im gleichen Moment fing ein Wind an zu blasen, zerrte an ihrem Rock, bis er hochflog, ihre beige Unterwäsche, all die Falten offenbarte und sie errötend verzweifelt versuchte ihn hinunter zu drücken, sich vornüberbeugte, nur um genau da von einem herabfallenden Ast getroffen zu werden. Sie stöhnte auf, sprang hoch und kam genau auf dem rollenden Ast auf, stolperte und fiel. Der laute Knacks hallte über den ganzen Platz, hörte sich so schmerzhaft an, wie der Schmerzensschrei, der folgte. Im nächsten Augenblick saß die Frau wie versteinert auf dem Asphalt, hielt sich mit verzerrtem Gesicht den Fuß und heulte regelrecht auf. Mark blinzelte, wollte nach vorne gehen, helfen, nur zurückgehalten von seinem Dschinn. Er schaute nach hinten, sah das Lächeln, dieses grausame Lächeln und zitterte kurz. „Sie hatte noch Glück. Eigentlich hatte ich auf ihr Genick und nicht ihr Bein gehofft…“ Inzwischen fing sich eine kleinere Gruppe um die Frau zu sammeln an, hielt ihre Hand, während sie unentwegt stöhnte. „Was?“ Geschockt konnte er nicht fassen, was er da hören musste, während er noch völlig fertig von dem Geschehen fortgezogen wurde, ohne eine Antwort zu bekommen. Sarah flatterte auf seiner Schulter, inzwischen ein viel zu gewohntes Gewicht, als er das Auto sah, nach einem Blinkkonzert schon hineingestoßen wurde und die Straßen sich schneller bewegen sah, als er etwas sagen konnte. Irgendwo hinten hörte er ihr Gurren, sah im Rückspiegel, wie Sarah sich putzte. Jin saß hinter dem Steuer, die goldenen Haare in einem wilden Kampf gegeneinander gefangen bis ihn die Augen fixierten und alles stehen zu bleiben schien. „Mein Markus“, fing sein Dschinn an, „schau mir in die Augen. Du weißt genau was du wirklich willst nicht wahr?“ Irgendwie klang es so überzeugend, so richtig und doch so falsch. „Nein, ich…“, startete er einen Versuch, ständig von diesen Fingern auf seinem Hals abgelenkt, die eine Stelle an ihm fanden, die ihm wohlige Schauder über die Haut jagten. Noch einmal zwang er sich an all die Verrücktheiten zu denken, abgelenkt von seinen Gefühlen von zu viel. Tränen in seinen Augen fühlte er etwas in ihm aufsteigen, immer höher. Panisch drehte er sich um, fixierte bemüht die an ihm vorbeirasende Umgebung, während seine Gedanken langsam wie ein Mantra wiederholten, dass er nachgeben sollte, einfach alles vergessen wollte. „Wieso?“, flüsterte er die Frage an Gott, an wen auch immer ihn da draußen hören konnte, an seine Eltern, die ihn mit ihren Überzeugungen verfolgten, immer stärker bedrückten. Plötzlich fing Jin an zu sprechen: „Wer mir in den Weg kommt, wird sterben. Sie hat dir Unsicherheit aufgezwungen, hat dich von mir entfernt, dich unglücklich gemacht. Nur ich allein darf so etwas, niemand anderer wird dich je verletzen.“ und verwirrte ihn damit für Augenblicke. Marks Augen rasten fragend zurück, suchten nach etwas, bis die Erkenntnis ihn traf und er wusste, worüber er redete. Jin war verrückt, so verrückt, dass er wirklich alles für ihn tat, nur um ihn zu bekommen. Erschreckt riss er seine Lider auf, blinzelte und ließ seinen Mund offen hängen. Irgendwie versuchte er das hier zu fassen, die Wärme zu verstehen, die sich in ihm ausbreitete und versuchte den Schluss zu unterdrücken, der sich ihm immer deutlicher aufdrängte. „Ich will nicht krank sein, ich will nicht…ich will nicht schwul sein, ich will nicht schwach sein. Mama wird mich in eine Therapie schicken…ich will nicht…“, murmelte er verzweifelt, Tränen in den Augen, hielt sie zurück, wollte nicht schwach erscheinen. „Männer sind stark, Männer dürfen nicht…“ Eine Hand lenkte ihn ab, fuhr über seine Wange, strich so sanft darüber, dass er aufschauen musste und das Gold vor sich förmlich blitzen sah, die Ruhe, die es ausstrahlte. Um ihn herum schwebten die Haare, versperrten ihm die Sicht auf alles, sperrten jeden Ton außer dem Rauschen aus, das in seinen Ohren pochte. „Vergiss das. Niemand wird dich in Therapie schicken, denn das werde ich nicht zulassen. Du bist mein Gefäß, mein Geliebter und ich bin der einzige, der mit deinem Verstand spielen darf. Und jeder der es wagen sollte, wird seine Strafe zu spüren bekommen…“, hörte er, fühlte das Streichen über seine Wange, die Beruhigung die trotz der Verrücktheit der Worte einkehrte. Die Haare um ihn herum senkten sich langsam, das Rattern des Motors wieder als Geräusch da. „…Männer sind schwach, Verstecken hinter Fassade…“, gurrte Sarah, stoppte plötzlich, als sie seinen Blick bemerkte und lieber:„Nicht hinhören sollst…hab lieber Dschinn lieb…“, sagte. Damit wandte sie sich wieder der Körperpflege zu, bevor ihr Kopf sich direkt an ihren Rumpf legte, der Hals förmlich verschwand und die Augen sich schlossen. „Was hast du zu verlieren?“, lenkte ihn wieder diese tiefe Stimme ab, lenkte seine Aufmerksamkeit wieder zu Jin, der ihn in letzter Zeit so oft gerettet hatte. „Meinen Verstand? Wieso…ich will…alles so wie früher…“, versuchte er es noch einmal, zitterte am ganzen Körper, gefangen zwischen so unterschiedlichen Gefühlen. Jins Kopfschütteln zerbrach etwas, sagte ihm schon mehr als die Worte, die folgten: „Das hier ist die einzige Wirklichkeit, die dir bleibt. Es gibt kein Zurück, es gab niemals eines, denn wer eintritt in die Welt der Dschinns, der bleibt immer dort. Aber du bist mein...und damit sicher.“ Wieder strich die Hand über seinen Hals, bevor sein Gegenüber weitersprach: „Und jetzt könntest du mir endlich die Belohnung geben, die mir zusteht. Ich glaube Claudia hatte da ein paar Spielzeuge gekauft.“ Die Stimmung, so düster sie vorher war, zerfiel in dem Moment in ein schallendes Gelächter von Sarah und ein verschmitztes Lächeln von Jin. „Wa…Was? Du Perverser…!“, brachte er nur noch stotternd heraus, konnte selbst kaum die Erleichterung fassen, die plötzlich wieder da war, die Wärme, die sich jetzt ungehindert in ihm ausbreitete und seinen Verstand verdrängte. Immer deutlicher schwoll die Hitze an, zog Blut mit sich hinunter bei dem Anblick neben sich, den Berührungen auf seinem Körper. Doch er zögerte, widerstand kurz dem wunderbaren Duft in der Luft, den er so liebte. „Du kennst das Gefühl, das wunderbare Gefühl der Vereinigung, also vertrau mir…“, hallte das Flüstern in seinen Kopf wieder, wollte ihn locken, verführen. „Niemand, der es nicht soll, wird davon erfahren. Jeder wird es verstehen müssen, dafür werde ich sorgen. Und du kannst wieder zurück, bist nicht homosexuell nur weil du es magst.“ Die Lüge klang so gut, so glaubhaft für ihn, zog ihn mit sich, seinen Verstand tiefer und tiefer. Er zitterte, das Pochen, der Druck unten groß, so immens, dass er alles vereinnahmte. Wieso nur rieb es so deutlich an dem harten Stoff, so schmerzhaft in dem Gefängnis, in dem es saß? Wieso sollte er das noch länger erdulden, wenn niemand etwas sagen würde, wenn seine Mutter immer sagte, dass Männer ihren Trieben nachgaben? Irgendetwas flüsterte ihm zu, dass er es ausprobieren könnte, einfach nur genießen und dann wieder zurück. Das war keine Schwäche sondern einfach nur normal, er dann noch immer nicht schwul… Kurz nur schloss er die Augen, in Gedanken versunken, fasste den Entschluss und beugte sich vor, als er die Einfahrt zu ihrem Haus nur noch Kilometer weg wusste. Zitternd, unsicher gab er nach, ließ sich weiter treiben und flüsterte: „Dieses eine Mal…“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)