Erwarte nichts, rechne mit allem von Vandra ================================================================================ Kapitel 9: Beschleunigung…? - Teil 2 ------------------------------------ Die Hände gegen seine Hüften gestemmt, schaute er so beleidigt wie möglich, knirschte mit den Zähnen, als er seinen nächsten Zug überlegte. Vor ihm baumelte gerade wie eine Einladung, wie eine Verführung der Schlüssel zur Freiheit, so nah und doch scheinbar unerreichbar. „Ich dachte du wolltest dich umziehen…“, versuchte ihn Jin gerade wieder abzulenken indem er ihn an die mit Erdbrocken verdreckte Hose erinnerte – was nicht funktionierte. „Und wessen Schuld ist es, dass ich so dreckig bin? Ich musste hier den verdammten Garten umgraben und das alles nur, weil du…weil du…zum Henker. Jetzt gib mir endlich den Schlüssel, ich will in die Stadt“, maulte er und startete noch einen Versuch. Seine Augen starr auf sein Ziel fixiert, schoss seine Hand nach vorne, sauste durch die Luft, schlossen sich die Finger um den Schlüssel, wollten es zumindest. Doch da baumelte das widerspenstige Ding im nächsten Moment noch immer über seinem Arm und er stampfte nur wütend mit einem Fuß auf den Boden. „Gib endlich HER!“, verlangte er, schaute verzweifelt, rollte seine Augen und fügte dann ganz leise hinzu: „Du…einen Kuss…“, bevor er sich wieder auf die Lippen biss. Eine von Jins Augenbrauen hob sich, ein abschätzender Ausdruck im Gesicht, bis sich der Dschinn in Bewegung setzte und dabei fast einladend mit dem Schlüssel klimperte. „Wenn das so ist…“, hörte er noch, spürte es fast mehr. Der Atem strich über seine Wange, Haare strichen über seine Haut und er konnte nur noch schlucken. So nah, so furchtbar nah war er ihm, dass er dieses Gefühl nicht los wurde, dieses Kribbeln, diese Hitze, die sich gerade durch jede seiner Poren kämpfte, jede Zelle leise in Brand steckte und sein Herz zum Pochen brachte. Nichts bewegte sich, still verharrte scheinbar jede Sekunde, jeder Lufthauch, während sein Gegenüber ihn ansah, verführte, seinen Willen ausschaltete. Kurz zuckte er zurück, als sein Verstand wieder Einspruch erhob, von Sarahs antreibenden Worten überflutet wurde und sie wieder niederrang, bis er nicht mehr konnte. Er bekam kaum noch Luft, die Verführung zu groß, der Drang es zu probieren, die Ausrede zu nutzen unüberwindbar. Im nächsten Moment schloss er seine Augen, beugte sich vor und sprang fast wieder davon, als er die erste Berührung fühlte. So sanft, fast unwirklich wirkte sie, wie ein Windhauch der ihm die Erinnerung bescherte, seinen ganzen Körper in helle Aufregung versetzte und sein Glied leise zum Leben erweckte. Seine Hände wanderten durch die Luft, fanden etwas Weiches, an dem sie sich festhalten konnten, an dem sie Halt fanden, während seine Lippen sich immer stärker an ihren Gegenpart pressten. Weich, warm, prickelte es in jeder seiner Adern, ein Gefühl wie Watte, halb taub und doch so wunderbar, war alles, was er noch wahr nahm, als es sich nur noch potenzierte, etwas feucht über ihn strich, die beiden Hälften auseinanderdrücken wollte. Er konnte nicht anders, öffnete seinen Mund unter dem Druck, der sanften Aufforderung, spürte, wie etwas hinein glitt, ihn herausforderte und seine Zunge antwortete, entgegnete und anfing zu prickeln. Es war als würden tausend Nerven gleichzeitig explodieren, ein Geschmack da, fester Druck an seinem Kopf, ein Streicheln durch sein Haar. Heiß glühten seine Wangen, beugten sich der Hitze und strahlten förmlich, während er genoss, nur noch genoss und nichts mehr wahr nahm, außer dass er mehr wollte. Verzweifelt, gefangen in diesen wunderbaren Gefühlen, die doch so weit weg waren von dem Ziel, rieb er sein immer stärker pochendes Glied gegen den harten Körper vor sich, gegen die Hose, in der es gefangen lag – und erstarrte. Kälte traf ihn unvermittelt, unterbrach jede Hoffnung, ließ ihn zitternd zurück, im Bewusstsein, was er getan hatte. Irgendetwas tun, irgendetwas sagen war sein einziger Gedanke. „Au…Aus…“, stammelte er, löste seine Finger aus den goldenen Haaren, die sie um sich gewickelt hatten, „Schlüssel…du hast mir den…“ Bevor er noch beenden konnte, legte sich etwas Kühles auf seine Handfläche, seine Finger darauf gedrückt und das Lächeln auf Jins Gesicht im gleichen Moment zu viel für ihn. Wieder frei, beschloss er schnell: „Das hat nichts zu bedeuten…“, um diesen zufriedenen Ausdruck zu zerstören, ein wenig durcheinander zu bringen. Doch wie immer ohne Erfolg, mit dem gegenteiligen Effekt. „Oh mein Markus, natürlich hat es nichts zu bedeuten, wenn du so reagierst…“, triefte die Ironie in jedem Laut seines Dschinns und ließ ihn mit aufgerissenem Mund wie versteinert zurück, bis er sich wieder fassen konnte. Eine Faust ballte sich wie von selbst um den Schlüssel herum, flog im nächsten Moment in einem weiten Bogen auf das Gesicht zu, dieses Gold in Übermaßen das ihn so sehr reizte und traf…Luft. Verzweifelt versuchte er sich zu stoppen, dem Drall zu widerstehen, scheiterte. In der Drehung gefangen raste die Welt an ihm vorbei, schwankte bis er stolperte und fiel. Mit seiner Faust voran segelte er dem Boden entgegen, strampelte vergeblich, hielt die Luft an, bis er einen unerwarteten Ruck spürte und nur Zentimeter von der Erde entfernt anhielt, dort schwebte. Ein Zug folgte, hob ihn hoch, drückte ihn an eine feste Wand, an Jin und genau in diesem Moment schnaufte er, atmete wieder tief ein. Die Kehle trocken, schluckte er fest, mehrmals, bis er wieder so etwas wie Stimme, wie Luft hatte. „Gehen. Wir gehen…“, murmelte er, kämpfte sich dabei aus der Umarmung, drückte die Hände weg und marschierte beim ersten Anzeichen von Freiheit in die Richtung, in der er das Auto vermutete. Hinter ihm war jetzt wieder dieses verfluchte Flattern zu hören, im nächsten Moment ein Gewicht auf seinen Schultern zu spüren, auf das hin Sarah gleich ein „Das war nett…und wohin?“, in sein Ohr gurrte, das er geflissentlich ignorierte. Gerade als er sich fragte, ob die Taube ihre Krallen noch stärker in seine Haut bohren und seine Nackenhaare sich noch mehr aufstellen konnten, sah er endlich den Sportflitzer. Kurz blieb er wie gebannt vor diesem Männertraum stehen, der irgendwo in der Preisklasse „sehr teuer“ rangierte, schüttelte den Kopf und löste sich von den Gedanken. Langsam zogen ihn seine Füße regelrecht in Richtung des Autos, während er auf den Schlüssel drückte und das dezente Piepsen, das aufgeregte Blinken als Antwort bekam. Gleich darauf hatte er die Tür schon geöffnet, starrte einen Moment unentschlossen ins Innere, auf die Lederbezüge, hörte das Flattern und sah etwas am Rand seines Sichtfelds vorbeifliegen. „Vielleicht sollte doch besser ich fahren und du sorgst dich um mich“, schreckte ihn die tiefe Stimme hoch und prallte mit dem Kopf gegen die Seite. Seine Hand schoss zu seiner schmerzenden Stirn, rieb darüber, während er den Schuldigen wütend anstierte. „Du verdammter Dschinn…“, beschloss er und ließ sich mit einer Bewegung in den Sitz fallen, „…du kannst da bleiben…du Perverser…“ Die Tür schlug mit voller Wucht hinter ihm zu und schon wollte er den Schlüssel in das Schloss stecken – nur um in genau dem Moment zu bemerken, dass er ihn nicht mehr in der Hand hielt. „Suchst du das hier?“ Das vermisste baumelte jetzt zwischen zwei Fingern direkt neben ihm, schwang einladend hin und her, bis er danach griff. Doch er schaffte es nicht, erwischte nur Luft, die sich zwischen seinen Fingern so leer anfühlte. Er schnaufte beleidigt, während er versuchte mit Blicken zu töten. Langsam fing der Schlüssel an durch die Luft zu wandern, getragen von Nichts. „Es wäre wohl etwas praktischer, wenn du ihn nehmen würdest und so“, jetzt machte es Klick, Jin neben ihm im Sitz, die kichernde Sarah hinter ihm. Verwirrt fand er im Schloss das vor, was sich ihm die ganze Zeit über entzogen hatte, biss sich auf die Zunge um den bösen Kommentar zu schlucken, schüttelte schließlich seinen Kopf und drehte. Mit einem lauten Brummen sprang das Auto an und sein Griff zur Automatik endete fast damit, dass er den Knüppel abriss. „Mmmmh…Das könnte in Realität schmerzhaft werden. Ich glaube damit solltest du noch etwas üben“, kam der ungebetene Kommentar von der Seite, brachte ihn dazu seine Zähne fest aneinander zu pressen und ein „Natürlich…“, zu knurren, während er schon alleine die richtige Position gefunden hatte und die Bremse löste, aufs Gas stieg. Ungewohnt war alles und der Wagen sprang mit einem Satz vorwärts, gab einen erbärmlichen Laut von sich als ob er überdrehte und starb unter schallendem Gelächter von hinten ab. Ein Windhauch ließ ihn zittern, eine leise Vorwarnung, die seine Härchen aufstellte. „Ich gebe dir gerne Stunden“, strich das Flüstern über seinen Nacken, erreichte seine Ohren und kribbelte dort als ob tausende Finger gleichzeitig über seine Haut strichen. Seine Hand schoss hoch, wollte das Jucken beseitigen, dieses warme Gefühl vertreiben, doch fand nichts vor, startete das Auto noch einmal, murmelte: „Perverser…“ Endlich setzte sich der Wagen in Bewegung, beschleunigte die Auffahrt entlang, raste förmlich an den Bäumen vorbei, als er mit seinem Fuß das Gas nach unten drücke und um die Ecke preschte, die Kurve gerade noch erwischte. „Gefühl, mein Markus…Gefühl…“, mischte sich Jin wieder ein, fing an mit seiner Hand über seine Wange zu fahren, seine Seite entlang zu wandern, bis er sich nur noch mit Mühe zurückhalten konnte und seine Finger fest um das Lenkrad presste, drückte und noch stärker drückte. Gerade als er dachte es überstanden zu haben, kitzelte es. Seine Hand raste von selbst, unbewusst weg von seinem Griff, riss das Rad mit sich, riss das Auto gleich mit. Es schlingerte auf die Seite, presste Mark leicht zur Seite und ließ ihn panisch werden. Mit offenem Mund starrte er Sekundenbruchteile auf die Straße, die Finger wieder auf dem Lenkrad, unfähig zu reagieren, während er wildes Hupen hörte, Scheinwerfer ihn blendeten und er schon sein Leben an sich vorbeiziehen sah. Wildes Rauschen klang in seinen Ohren und übertönte fast alles. Ein letztes Seufzen war ihm noch gegönnt, bevor etwas seine Arme mit sich nahm, das Auto mit sich zog und auf der anderen Seite ein Mann wild mit dem Finger an seinen Schädel klopfte, gerade noch an ihm vorbeischießen konnte. „Scheiße…“, war alles, was er sagen konnte, was er sagte, der Atem stoßweise und der Blick nur noch nach vorne gerichtet. Sein Herz pochte noch immer wie wild und er fühlte sich, als ob seine Glieder zwischen Schweben und Blei gefangen wären, die Hände ein einziges Zittern. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, schien die Straße sicher an ihm vorbeizuziehen. Die Anspannung wich langsam, wich etwas anderem, das ihm die Finger auf dem Lenkrad bewusst machte, die Hand auf seiner Hose, die dort langsam entlang strich und schließlich alles zerbersten ließ. „Du verdammter, beschissener scheiß verrückter Idiot, zum Henker! Wolltest du mich umbringen, du perverser lebensmüder Trottel?“, brüllte er, ließ seine Augen immer nur kurz zur Seite schweifen, um sofort wieder zur Straße zu rasen. Seine Zunge bewegte sich wie von selbst, machte sich Luft. Sein Kopf hämmerte wie wild, als er weiter schrie: „Du…du…bleib mir vom…“ Doch so sehr er sich auch aufregte, so wich das Lächeln nicht aus dem Gesicht seines Dschinns, der noch immer mit seiner Hand Muster in seinen Oberschenkel zeichnete und ihn so nur noch mehr aufregte. Wie konnte sein Körper in diesem Moment darauf reagieren, Blut leise dorthin schicken, wo es nichts suchen hatte? „Mein Markus…“, begann Jin, worauf er ihm wütend ein „Ich bin nicht DEIN…“, entgegen fauchte und versuchte mit seinem Blick zu töten. „Also mein Markus“, ließ sich sein Dschinn nicht stören, das Grinsen noch immer so prominent, „ich würde dich nie umbringen wollen. Damit würde ich mir nur selbst schaden.“ Bevor er darauf etwas entgegnen konnte, ihm ins Wort fahren konnte, hatte sich schon eine Hand über seinen Mund gelegt und verhinderte jeden Einspruch. „Du hast nur auf deine unnachahmliche Art und Weise dezent und doch so deutlich auf meine Berührungen reagiert, bis dich etwas anderes abgelenkt hat“, versuchte er ihn zu überzeugen. Mark schüttelte vehement den Kopf, öffnete schon den Mund um sich notfalls auch einen Weg in die Freiheit zu erbeißen, als er wieder Sarah hinter sich hörte, leise flatternd und aufgeregt kichernd: „Stimmt. Alter Bekannter, Verwandter vielleicht…Fliege das war. Jin dich gerettet…“ Und damit löste sich auch die Hand von seinen geöffneten Lippen, hinterließ wieder dieses eigenartige Gefühl von Kälte, das er hasste. Verwirrt, verzweifelt versuchte er noch ein: „Aber...aber…“, einzuwenden, wobei Wörter sich weigerten etwas Sinnvolles zu formen, als auch noch im selben Augenblick eine Fliege an ihm vorbeisummte. Sein Dschinn nickte nur, die Hand in Marks Haaren vergraben, starrte ihn scheinbar unschuldig an, die goldenen Augen so einnehmend, dass das Auto langsam anfing zu schlingern. „Pass auf die Straße auf“, führte ihn die Stimme wieder auf die Straße, machte ihm seine Dummheit damit mit einem Schlag bewusst; seine Finger legten sich noch enger um das Lenkrad, krallten sich beinahe fest, während er versuchte all die Andeutungen zu ignorieren, die sein Körper ihm gerade mitteilen wollte und nur noch nach vorne schaute. Doch damit hatte er keine Ruhe, wuchs im Gegenteil seine Aufregung bei dem monotonen Bild vor ihm, dem Wald zu beiden Seiten und den stetigen Berührungen nur mit jedem Augenblick stärker an. Bis ihn Jin aus seiner Trance riss. „Ob wir heute noch ankommen?“, fragte dieser, ein Zeigefinger gespielt nachdenklich gegen das Kinn gelegt, während der andere noch merkbar mit Marks Oberschenkel beschäftigt war. „Du fährst doch etwas langsam…“ Jetzt huschte sein Blick kurz zur Tempoanzeige, sein Mund fing dabei wie von selbst an zu reden: „Langsam? LANGSAM? Ich fahre verdammte 140 und hier sind 100 erlaubt…hoffe ich zumindest“, fügte er das Letzte etwas unsicher hinzu. Jin schien sich nur bestätigt zu fühlen und erklärte: „Langsam…“ „Dann fahr doch se…“, rutschte es Mark in dem Moment fast zeitgleich heraus, wurde nur durch den Anblick des glücklichen Gesichtsausdrucks schnell gebremst. Er schüttelte den Kopf und korrigierte versucht überzeugend: „Schnell genug…will keinen Unfall.“ Und damit war für ihn die Sache beendet, doch offensichtlich für seine Mitfahrer noch nicht. Sarah brach in ein Gurrkonzert aus: „Schnell, schnell…selbst ich bin schneller…“, das sich wie ein Kinderlied ständig wiederholte. Immer wieder murmelte er so leise, dass es niemand hören konnte, nur für sich selbst: „Nur auf die Straße achten, nur auf die Straße achten“ und ignorierte mit Mühe, mit zusammengepressten Zähnen die warmen Berührungen, die merkwürdigen Bemerkungen und die zwischen fröhlich und wahnsinnig hin und her pendelnde Stimmung der Halb-Stille. „Wir sind da…“, beendete Jins Erklärung die Qual der Gefangenschaft in dieser Blechkiste, als endlich die ersten Anzeichen der Stadt auftauchten. In Gedanken sah er sich schon im „Gelatto di Venecia“, das auch gleich wie von Zauberhand erschien. Mark schaute sich nach einem Parkplatz um, fand nichts und kurvte immer wieder um die Umgebung des kleinen Hauptplatzes hier. „Wünsch dir etwas, oder lass mich ans Steuer“, verlangte schließlich Jin, der die ganze Zeit über merkwürdig still gewesen war und jetzt eine Hand auf das Steuer gelegt hatte. „Ich finde, was ich haben will…“, setzte sein Dschinn noch nach, strich dabei bedächtig über seinen Oberschenkel, eine warme Brise an seinem Nacken, die ihm einen Schauder bescherte. Ohne nachzudenken zog er die Handbremse an, öffnete die Tür und stieg unter den wütenden Lichthupen eines Autofahrers mitten auf der Straße aus. „Hier“, murrte er und knallte die Tür hinter sich zu, marschierte auf den Gehsteig, während er die deutlichen Anzeichen ignorierte, dass ihn die Leute hier für verrückt hielten, ihn anstarrten wie den Außerirdischen, der eigentlich Jin war. Seine Hände verschränkten sich dabei wie von selbst vor seiner Brust, seine Augen folgten dem Sportwagen, der mit unglaublichem Glück gesegnet worden sein musste. Hier, direkt wo er stand, fuhr plötzlich ein kleines Auto heraus, ließ kaum genug Platz um ein Motorrad einzuparken, doch mit einem leise Quietschen setzte sich der rote Flitzer in Bewegung, schlitterte ein wenig und landete dann mit scheinbarer Leichtigkeit mitten in der Lücke. Der Mund, der sich dabei immer weiter geöffnet hatte, war noch immer offen, als er seinen Dschinn aussteigen sah, sich durch den dünnen Spalt quetschen sah und Sarah hinter ihm herflatterte. Und in dem Moment flog auch schon etwas in seine Richtung. Reflexartig griff seine Hand danach, fühlte den Aufprall, wusste sofort was es war: Der Autoschlüssel. Mit einem Griff piepste der Wagen und verschloss sich endgültig, beendete damit dieses Kapitel, das er schnell vergessen wollte und würde. „Hier“, beschloss er schließlich und streckte mit abgewendetem Kopf seinen Arm wieder in Richtung Jin. Mehr um sich zu überzeugen, murmelte er: „Nimm du, willst sowieso…Angeber“ und marschierte im gleichen Moment unter dem leisen Gelächter von Sarah in Richtung Eiscafé – und erstarrte. Zu seinem Entsetzen saß dort nicht nur Barbara mit einem fröhlichen Gesichtsausdruck, sondern neben ihr dieser unausstehliche Julius, hinter dem eine merkwürdige Gestalt schwebte, die wohl dessen Dschinn sein musste. Doch viel weiter kam er mit seinen Überlegungen nicht, denn Barbara sprang auf, ein Lächeln auf den Lippen und schrie: „Mark!“ Die dabei weniger begeisterte Miene ihres Begleiters hob seine Stimmung gleich wieder um Längen. Er fing gerade an „Barbara“ zu sagen, als ihr Handy gerade anfing zu klingen, sie anhielt und bei den ersten Worten schon erschreckt schaute. Mark suchte einer bösen Vorahnung folgend Jin, formte mit den Lippen ein stummes: „Was zum Henker“, auf das er nur ein Achselzucken erntete, das ihn zu dem größeren Übel führte. Julius zuckte mit den Schultern und zeigte auf eine Stelle am Boden, auf der der Asphalt aufbrach und Erde zum Vorschein kam. Verwirrt nahm Mark dabei wahr, dass die Person dahinter eine Frau war, merkwürdig unbekleidet wirkte und wild gestikulierte, während die braune Masse am Grund gerade anfing sich leicht zu erheben, wieder in sich zusammenzusinken, nur um dann wie eine Flüssigkeit hin und her zu schwappen. Einer Welle gleich richtete sich das Brodeln auf, brach ein und wurde nur noch höher, wuchs immer deutlicher nach oben, während Barbara mit einem „Tut mir leid…Mama…komme gleich wieder“, verschwand. „Das ist der Angeber“, flüsterte ihm Jin ins Ohr, lächelte ein wenig, begleitet von einem warmen Wind, der den Haufen Matsch einstürzen ließ und ein Blubbern entlockte, das verdächtig nach einem Furz klang. Das entsetzte Gesicht von Julius dazu war zu viel. Mark lachte laut auf, lehnte sich alles vergessend dabei an seinen Dschinn, so warm und sicher, ignorierte das kleine Beben und die wütende Figur, die mit einem Tusch wie eine Statue erschien. Ein Grollen erklang, so etwas wie ein „Du vermaledeiter…“, das nicht fortgesetzt wurde, sich wie der andere Dschinn anhörte, der jetzt reglos als Statue da stand, aus dem ehemals blubbernden Matsch erschienen, und plötzlich von einem lauten Kreischen unterbrochen wurde. Ein Geräusch wie tausende kratzende Nägel, eine pure Qual, stoppte alles. Mark zuckte zusammen, ein Schauder nach dem anderen jagte durch seinen Körper, stellte jedes kleinste Härchen auf, die Haut eine einzige kalte Ebene und der Atem stoßweise. Er hatte Angst, Angst vor dem was da kam, spürte eine Gefahr, die er nicht kannte. Panisch drehte er sich im Kreis, sah nichts, sah nur die Blicke der anderen, der merkwürdigen Frau, von Julius und die erstarrten Gesichter der beiden Dschinns, die mitten in der Bewegung verharrten und nach oben schauten. Sarah war die einzige, die sich noch bewegte, immer wilder flatterte und im Sturzflug an allen vorbeirauschte, immer lauter, immer gehetzter: „WEG! Drache! DRACHE!“, schrie. Sein Blick schoss hin und her, raste, suchte, doch da war nichts zu sehen, nur dieses furchtbare Kratzen, dieses Knirschen zu hören, als ob Metall auf Metall rieb, egal wie lange sich Mark auch umschaute. Schon wollte er es vergessen, sich wieder aufrichten und entspannen, bis etwas in seinen Augenwinkeln blitzte. Seine Augen rasten förmlich in die Richtung, blinzelten verzweifelt ob des Anblicks, wollten das nicht wahr haben. Etwas kam auf sie zugerauscht, wurde mit jedem Augenblick, mit jedem Schlag größer und bedrohlicher. Es hielt unbeirrt in ihre Richtung, der Blick aus den schwarzen Facettenaugen gierig auf sie gerichtet. Riesige Flügel wie die einer Libelle, durchzogen von Kabeln, Adern glitzerten im Sonnenlicht, blendeten wie die blaue Haut, an der Striche aus Rot prangten, vielleicht Blut waren, das die Seite langsam hinab rann, schon halb gestockt. Ein rote Wolke schwebte rund um das Vieh, bewegte sich nicht ganz gleichmäßig mit, schwappte wie eine Welle hin und her. Mark stand noch immer wie gebannt, fragte sich, wie dieses riesige, hausgroße Ungetüm sich so elegant durch die Lüfte bewegen konnte, die Flügel hoch aufgerichtet, in Sekundenbruchteilen um beinahe unmögliche Winkel gedreht, so dass es die Richtung sofort änderte. Der dünne Hals, umgeben von unzähligen Dornen, schwankte dabei gefährlich hin und her, scheinbar gehalten von dem Kabeln, die den Kopf mit dem Rumpf verbanden und immer wieder knarzten, während der Schwanz wild ausschlug. Das Monster drehte genau in dem Moment wieder seine langen Flügel, offenbarte seinen schmalen Bauch, streckte seine Krallen, die als einziges an einen Drachen erinnerten in seine Richtung aus und öffnete den Schnabel, aus dem Geifer tropfte. Kreischen, so ohrenbetäubend, hallte über den ganzen Platz, hallte in seinem Kopf wieder, lenkte seine Aufmerksamkeit dabei aber nicht von dem Rasseln ab, dem klapperähnlichen Schwanz, gefährlich gebeugt. Die Spitze war dabei auf ihn gerichtet, ein rotes unförmiges Ungetüm, von dem Fetzen hinab hingen, die hin und her schwangen, sich fast zu bewegen schienen. Jetzt hämmerte es in seinem ganzen Kopf, hämmerte nur noch lauter, als das schnabelförmige Maul sich öffnete, metallene Zähne offenbarte. Noch immer war er unfähig etwas zu tun, aber der Drang viel zu groß, bis Sarah an ihm vorbeirauschte und kreischte. Damit setzte sich endgültig alles in Bewegung. Jetzt sammelte sich etwas in dem Monsterschnabel, tropfte giftig grün hinab, stieg zum Teil auf und ballte sich zu einer Wolke, die da stand und verharrte. Das plötzliche Brüllen erschütterte die Erde, die Bäume bebten wie in einem Sturm und in dem Moment beschleunigte dieser Nebel in seine Richtung. Alle geistigen Ketten, die ihn fest hielten, rissen, der Druck zu groß, die Angst zu immens, denken unmöglich. Sein Körper bewegte sich wie von selbst, glich mehr Luft so wenig wie er ihn spürte, war kaum steuerbar und trotzdem stolperte er nach hinten, drehte sich um und fing an zur Seite zu fliehen. Doch die Wolke änderte mit jedem seiner Sätze, mit jedem Schritt die Richtung, schwebte gefährlich, passte sich an und ließ sein Zittern immer größer werden. Völlig außer Atem hetzte er über den halben Platz, ignoriert und wie verrückt angestarrt von den wenigen Menschen, die hier waren, aus dem Weg sprangen, als er mit aufgerissenen Augen vorbeistolperte. Jede Bewegung scheinbar sinnlos, holte ihn die Wolke so schnell ein, wie er nicht denken konnte, war fast da, die Augen des Monsters starr auf ihn gerichtet, immer kurz hinter dem Ding, bis er stolperte, sich noch im Fall umdrehte und schon sein Ende sah – das nicht kam. Ein heißer Wind fegte direkt vor ihm vorbei, lenkte das giftig grüne Gas mit einem Rauschen ab, ab von Jin, der seine Hand nach vorne gestreckt direkt vor ihm erschienen war. Dort wo die Wolke hindriftete, fielen die Blätter von den Bäumen, lösten sich in Staub auf, die Rinde bald nur noch ein runzliges schwarzes Geflecht, das er nicht mehr erkennen konnte. Mark schluckte bei dem Anblick fest, blinzelte mehrmals mit seinen Lidern, betete um irgendetwas, um einen Traum, während das Monster noch immer da schwebte, seinen Dschinn wütend angeiferte und den Schnabel öffnete. Jetzt waren auch die roten Fliegen zu erkennen, die das Ungetüm umgaben, ihm bei seiner Bewegung verfolgten, umschwärmten wie Motten das Licht, bis sie zur Seite stoben, gefolgt vom Schwanz, der durch die Luft direkt auf Jin zupeitschte. Etwas löste sich, flog in weitem Bogen, nur um direkt neben Mark zu landen. Instinktiv schaute er hin, riss die Augen auf und musste mit dem Reiz kämpfen, seinen Mageninhalt gleich hier hoch zu würgen. Sein ganzer Hals war ein einziger Knoten, verstopft, sein Magen eine sich windende Masse, so gleich den weißen Maden in dem halb verfaulten Stück Fleisch, dass er fast nicht mehr konnte. Eine Hand raste zu seinem Mund, hielt ihn zu, hielt das zurück, was sich gerade hinaufgekämpft hatte, die Säure drinnen, schluckte es hinunter, zitterte und starrte im nächsten Moment nur noch auf Jins Rücken, auf die Normalität hier. „WEG!“, brüllte Sarah im Flug noch, stob direkt vor dem Monster hinunter, die Krallen mutig ausgestreckt und stieß mit voller Wucht in Richtung Kopf. Das Ungetüm ließ seinen Hals nur fallen, entging der Attacke unbeirrt, ließ nur ein Auge in Richtung des neuen Feindes wandern, drehte es in unmöglichem Winkel. Es flog weiter auf den Dschinn zu, vor dem Mund eine grüne Wolke. „WEG, WEG!“, war das Kreischen der Taube jetzt panisch, verstärkte sich noch, brachte Mark dazu seine gummiartigen Beine zu bewegen, sich aufzurichten und mit seiner Hand verzweifelt Jins Jacke zu ergreifen. Der kurze Blick aber, der ihm entgegnete, das Schütteln des Kopfes, brachten den wenigen Mut fast zum Einsturz. Sein Dschinn wandte sich wieder um, eine Hand nach vorne gestreckt, die andere zur Faust geballt und befahl ihm: „Flieh...ich lenke ihn ab“, gab ihm mit einem Windstoß einen Schubs in Richtung Eiscafe, in dem Julius hinter einem Stuhl kauerte. „Nein, aber…“, wollte er einwenden, wusste nicht wieso, fühlte nur einen stechenden Schmerz, wie sich alles in ihm zusammenzog, doch da war es schon zu spät. Er stolperte gestoßen nach hinten, getrieben, sah den Stachel, der wütend die letzten Meter zurücklegte, kurz innehielt und dann nach hinten beschleunigte. Sarah schrie genau in dem Moment, fiel förmlich durch die Luft, landete direkt vor dem Stachel, wo sie plötzlich wieder anfing mit ihren Flügeln zu schlagen und ihre Schwanzfedern nach oben streckte, elegant ihren Weg entlang taumelte, verfolgt von den wütenden Blicken des Monsters. Mitten im Schlag brach es jetzt ab, griff nicht mehr Jin an, sondern richtete seinen Stachel auf Sarah, die Giftwolke direkt vor seinem Maul, und kreischte ihr nach. Kopfschüttelnd starrte Mark auf das Schauspiel, die verzweifelten Versuche von Sarah, die nur dank ihrer Größe dem viel zu geschickten Monster ausweichen konnte, immer wieder scheinbar getroffen taumelte und entkam. Doch mit jedem Augenblick wurde das Ungetüm wütender, schoss mehr und mehr von der giftig grünen Substanz, jetzt immer fester, flüssiger, hinter der Taube her, traf Federspitzen. Seine Hand krallte sich fest, als Sarah von dem Stachel getroffen wurde, scheinbar tot zu Boden schwebte, nur um kurz vor dem Aufprall wieder zu schlagen und über die Bäume zu rasen. „Scheiße…rette Sarah...“, flüsterte er fassungslos, schaute Jin fast flehentlich an, der zu überlegen schien, ihn nicht einmal beachtete. „Zum Henker, bitte! Sie hat dich gerettet, ich…“, flehte er förmlich, die Stirn in eine Sorgenfalte gezogen, die Finger in das Hemd vergraben, bis er Gold blitzen sah und eine Hand durch seine Haare fuhr. Die Stimme beruhigte ihn mit den Worten: „Wünsche zu erfüllen ist nicht immer einfach, mein Markus…ich brauche einen besonderen Stein“, blies seine Aufmerksamkeit förmlich zu dem anderen Dschinn, der mit kritischem Blick hinter Julius stand, der Arm braun in braun. „Also Jin, gib mir einen deiner diamantgleichen Steine, oder ich hole ihn mir…“, verlangte jetzt Jin von dem anderen, die Hand ausgestreckt, über der mehrere Blätter wirbelten, nach oben strebten und wieder zusammenbrachen, während Sarah gerade wild um ihr Leben kämpfte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)