Unexpected Visits von Siberianchan ================================================================================ Kapitel 1: Hospital ------------------- Titel: Unexpected Visits – Hospital Fandom: Fullmetal Alchemist Pairing: Roy/Winry Kommentar: Der erste Teil einer One-Shot-Reihe zu diesem Pairing und einer meiner ersten Versuche, Hetero-FFs zu schreiben – jetzt schaut nicht so angewidert. ;) „Hospital“ spielt direkt nach der TV-Serie Disclaimer: Fullmetal Alchemist gehört Hiromu Arakawa-sensei und Studio BONES, ich verdiene nix, will auch nix verdienen(obwohl…) – aber wer spenden will, gerne. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Unexpected Visits – Hospital Die ersten Tage im Krankenhaus nahm Roy nur vage wahr, ein Nebel aus Schmerzmitteln, Stimmengewirr, Hawkeyes Gesicht, noch mehr Schmerzmitteln, der Erkenntnis, das er nahezu vollkommen genesen würde, sein linkes Auge jedoch unwiederbringlich zerstört war. Es drang noch nicht wirklich zu ihm durch; erst, als Hawkeye ihm ein Stück Stoff um das Gesicht, über das obere linke Viertel legte, ahnte er es. Und Hawkeyes traurige Miene machte es nicht besser. Im Grunde machte sie es sogar noch schlimmer. Immerhin konnte er damit leben, auf der linken Seite blind zu sein. Wenn man es recht bedachte, gab es Dinge, die er mit diesem Auge sogar erschreckend gut sah. Er würde damit leben müssen. Und langsam drangen auch die anderen Nachrichten zu ihm durch. Al war aufgetaucht, ein zehnjähriger Junge, sowohl körperlich als auch geistig, ein Kind, für das die Zeit vor fünf Jahren stehen geblieben sein musste. Dafür war Edward verschwunden. Al war wieder da. Ed war verschwunden. Aber Al war da und er war in einem Körper aus Fleisch und Blut. Glückwunsch, Fullmetal… anscheinend haben wir beide, was wir wollten… Glückwunsch… Zu diesem Zeitpunkt hatte er noch nicht ganz realisiert, dass Edward wirklich und wahrscheinlich endgültig fort war, dass die meisten ihn für tot hielten. Er würde nie daran glauben. Er hatte Ed zu gut kennen gelernt. Ed brachte nichts um. Aber die Erkenntnis, dass er den Jungen wohl nie wieder sehen würde, traf ihn doch schließlich. Sie saß eines Tages an seinem Krankenbett, zusammen mit den Sünden und Fehlern seiner Vergangenheit, in Gestalt eines jungen Mädchens, das nur noch ein, zwei Jahre davon entfernt war, als erwachsene Frau angesehen zu werden. Nichts desto trotz war sie hübsch, helle Haare, klare, blaue Augen, ein gleichmäßig geschnittenes Gesicht, ein hübsches Mädchen, aus dem eine hübsche Frau werden würde. Eines Tages saß Winry Rockbell an seinem Krankenbett, ohne, dass er es bemerkt hatte, war sie eingetreten und hatte sich gesetzt. „Die Augenklappe sieht seltsam aus“, sagte sie plötzlich und er drehte den Kopf so heftig, dass es ihm Schmerzen verursachte. Die Tür zu seinem Zimmer war links von ihm. Kein Wunder, dass er nichts bemerkt hatte. Jetzt starrte er sie an und die blauen Augen starrten zurück. Wenn er sich recht erinnerte, hatten genau diese Augen ihn zum Teufel gewünscht, als sie sich das letzte Mal begegnet waren, sich so angesehen hatten. Aber wer konnte ihnen das verübeln? Er wandte den Blick ab. „Haben sie Ed noch gesehen?“ Schluckend dachte er an das letzte Gespräch mit dem Jungen, bevor er ihn verabschiedet hatte. Es war wirklich ein Lebwohl gewesen, nicht nur eine Floskel… sie hatten beide nicht damit gerechnet, sich noch einmal wieder zu sehen. Warum war ihm das nicht schon vorher ausgefallen… „Er hatte sich verändert“, sagte er langsam. „War sehr… erwachsen. Zielgerichtet… ohne nach links und rechts zu sehen.“ Das Wie ein guter Soldat ließ er unausgesprochen. Winry nickte leicht. „Hat er noch etwas gesagt?“ Der Gedanke an die letzten Worte tat weh. „Wir sind schuld. Also müssen wir dafür grade stehen. So etwas in der Art… nur nicht ganz so knapp.“ Winry lachte gepresst. „Ja… ja, das passt zu ihm…“ Sie senkte den Kopf, Roy sah ihre Schultern leicht zittern, mit fahrigen Händen strich sie sich eine Haarsträhne hinter das Ohr. Die Strähne glitt wieder vor, kaum dass Winry von ihr abgelassen hatte. „Ähm… Miss Rockbell…“ Verdammt. Das Mädchen konnte doch nicht jetzt einfach anfangen, vor ihm zu weinen. Nicht sie… jedes andere Mädchen hätte er mehr oder weniger väterlich in den Arm nehmen und trösten können. Aber Winry nicht… nein, bei ihr fühlte er sich so gar nicht in der Lage, sie zu trösten. „Winry“, sagte sie. Er starrte sie an. Sie blinzelte, wischte sich die Tränen weg, die in ihren Augenwinkeln glänzten. „Mein Name ist Winry, das wissen sie.“ Er konnte nichts sagen und Winry starrte ihn eine ganze Weile lang undeutbar an. Dann, langsam, zögerlich, streckte sie die Hand aus, Roy sah, wie sich die Finger auf seine linke Gesichtshälfte zu bewegten, dann fühlte er warme Fingerspitzen auf seiner Stirn, die nach unten wanderten und über seine Augenklappe strichen. „Wie ist das passiert?“ Er schloss das rechte Auge um nicht die vielen Fragen in Winrys Gesicht sehen zu müssen. „Eine gerechte Strafe für mich.“ Winry gab keine Antwort; wahrscheinlich, so vermutete Roy, fand sie, dass er noch viel mehr verdient hatte, noch weit entfernt von etwas war, das man eine „gerechte Strafe“ nennen konnte. Sie fuhr ihm merkwürdig zögernd über die Wange, dann zog sie die Hand zurück und verschränkte ihre Finger im Schoß. „Ich… ich gehe besser zurück zu Al…“ „Oh… ich hab noch gar nicht gefragt, wie es ihm geht…“, murmelte Roy und fühlte sich mit einem Mal schuldig deswegen. „Er ist durcheinander“, sagte Winry. „Weiß nicht, was los ist… er… kann sich nicht an die letzten Jahre erinnern.“ „Verstehe.“ „Tut mir Leid…“ „Wie?“ Winry schloss wortlos die Tür hinter sich und Roy hob geistesabwesend die Hand an seine Wange. Sie fühlte sich erstaunlich heiß an. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Ich mag dieses Pairing irgendwie. Der erste, sehr kurze Oneshot meines Trios. Edit: Von mir höchstselbst eingelesene Pod-Version gibt es hier: http://www.megaupload.com/?d=WUXM6EZ8 Kapitel 2: Graveyard -------------------- Titel: Unexpected Visits – Graveyards Fandom: Fullmetal Alchemist Pairing: Roy/Winry Kommentar: Der zweite Teil meiner kleinen One-Shot-Reihe zu diesem Pairing – nachdem man mich den ersten hat überleben lassen, denke ich, ich kann euch das nächste zumuten „Graveyards“ spielt zwischen TV-Serie und Movie, ca. ein halbes Jahr nach Ende der Serie. Disclaimer: Fullmetal Alchemist gehört Hiromu Arakawa-sensei und Studio BONES, ich verdiene nix, will auch nix verdienen(obwohl…) – aber wer spenden will, gerne. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Unexpected Visits – Graveyards Al war selten in Resembool, genau wie früher; manche Dinge änderten sich wohl nie, Alchemie hin, Stein der Weisen her und Tore welcher Art auch immer hatten da auch keinen Einfluss darauf. Einen Elric hielt es wohl nie an einem Ort, nicht, so lang er etwas hatte, dem er nachjagen konnte. Und so fand Winry sich wieder allein im Dorf, in ihrem Haus, ihrer Werkstatt, nur selten sahen er und Izumi vorbei, dann waren sie auch schon wieder fort. Im Grunde war es nichts anderes als früher. Sie wartete. Und während sie wartete, gewöhnte sie sich daran, wieder täglich auf den Friedhof zu gehen, anders als früher, wo sie vielleicht zwei, drei Mal die Woche an die Gräber ihrer Eltern gegangen war. Da hatte sie das Gefühl gehabt, mit der Tatsache abgeschlossen zu haben. Ihre Eltern waren ihr entrissen worden, als sie sechs Jahre alt gewesen war, bald sieben. Sie hatte viele Jahre Zeit gehabt, dass sich diese Wunde schloss und vernarbte. Es war gut gewesen, sie war innerlich verheilt. Sie hatte sich damit abgefunden und dann, als es so weit gewesen war, hatte sie beschlossen, alles zu tun, um nicht noch einmal zwei geliebte Menschen zu verlieren. Dieses Mal hatte sie etwas tun können und sie hatte es getan. Sie hatte ihr Möglichstes getan und vielleicht – so redete sie sich ein – waren es ja ihre Automails, die Edward so lange am Leben erhalten hatten. Und vielleicht hätten auch die besten Automails der Welt nicht verhindern können, was passiert war – was auch immer passiert war. Al konnte sich nicht erinnern und dieses Mädchen, Rose, schwieg sich aus. Aber Ed hatte sich für seinen Bruder eingetauscht, das stand fest. Mit Automails hätte man da nichts ändern können. Irgendwann, nach Monaten, hatte Winry aufgehört, darüber nachzudenken, es änderte ja doch nichts. Ed würde von ihren Grübeleien nicht wieder auftauchen und da sie weder das Interesse noch das Talent zur Alchemie aufwies, blieb ihr nichts anderes, als zu hoffen, dass es Al war, der ihn eines Tages fand – und wenn schon nicht das, so doch wenigstens, dass er selbst auf sich aufpasste und gesund blieb. Mehr lag nun einmal nicht in ihrer Macht, aber wenigstens wusste sie, dass das bisschen, was sie tat, genug war. Also konnte sie wieder zum Friedhof gehen, im Versuch, sich um ihre eigenen Wunden zu kümmern, die eigentlich schon vor langer Zeit hätten vernarbt sein sollen. Sie begannen, wieder zu heilen. Der Hass, der im Grunde nie wirklich da gewesen war, seit sie wusste, auf wen sie ihn hätte richten müssen, verrauchte langsam, ganz langsam. Der Schmerz von wieder aufgerissenen Wunden ließ langsam nach. Winry war damals von ihren sechzehn Jahren wieder auf sechs zurück katapultiert worden und jetzt, langsam, fand sie den Weg zurück, wurde langsam wieder zu der Siebzehnjährigen, die sie jetzt eigentlich war. Langsam. Vielleicht wäre es schneller gegangen, wenn sie die Möglichkeit gehabt hätte, zu hassen. Leider hatte sie diese Option nicht. Sie hatte es weiß Gott versucht. Aber es ging nicht, also war das einzige, was sie hatte, die Möglichkeit, zum Friedhof zu gehen. An diesem einen Tag war es sehr warm, fast schon heiß, dafür, dass es schon Spätsommer war. Al hatte sie das letzte Mal vor Wochen bei ihr vorbeigeschaut, ehe er wieder mit Izumi verschwunden war und sie würde ihn wohl erst in ein, zwei Monaten wieder zu Gesicht bekommen. Sie hatte Zeit, zum Friedhof zu gehen. Schon von weitem sah sie eine Gestalt, groß und dunkel hob sie sich gegen den strahlend blauen Himmel ab. Beim näher Kommen erkannte sie, dass die Gestalt selbst blau war, ein dunkles Marineblau, von dem sich die dichten, schwarzen Haare abhoben. „Hätte nicht gedacht, sie hier zu sehen“, meinte sie. Roy Mustang drehte sich zu ihr um und sie überlegte, dass sie sich wohl nie an den Anblick der Augenklappe gewöhnen würde, auch wenn sie ihm auf merkwürdige Art und Weise stand. Sie schämte sich des Gedanken, kaum dass sie ihn gedacht hatte. So sollte sie nicht denken, nicht über diese Augenklappe, nicht über diesen Mann und vor allem nicht an diesem Ort. Roy sah sie aus seinem einen Auge heraus sehr müde an. „Oh. Guten Tag.“ Er schien nicht im Mindesten überrascht, sie zu sehen. Warum auch… aber er war auch nicht verlegen. Winry trat wortlos neben ihn und tauschte stumm den Blumenstrauß vom Vortag in der Vase gegen einen frischen aus. Ihr fielen die Blumen in Roys Händen auf. Weiße Lilien. Typische Friedhofsblumen. Wie originell. „Darf ich?“, fragte sie trotzdem „Oh… ja.“ Er reichte ihr den Strauß und nahm ihr den alten ab. Ein Garten- und Wiesenstrauß, wie der frische in der Vase. Mit dem Unterschied, dass der in der Vase noch nicht von der Sommerhitze gedörrt war. Winry machte sich daran, Roys Lilien einigermaßen harmonisch einzufügen. „Was machen sie hier?“, fragte sie und hoffte, nicht allzu unfreundlich zu klingen. „Hm…“, machte Roy matt. „Grabbesuche.“ „Es ist ungewöhnlich, bei Gräbern vorbeizuschauen, die man selbst verschuldet hat“, bemerkte Winry und schon im nächsten Moment hätte sie sich erstaunlicherweise am liebsten selbst geohrfeigt, als sie sah, wie Roys Miene flackerte. Er fasste sich jedoch schon wieder. „Genau deshalb bin ich ja hier… weil ich schuld bin.“ Winry sah betreten zu Boden. „Tut mir Leid… ich hätte das nicht sagen sollen.“ „Sie haben mehr als jeder andere das gute Recht dazu, Miss.“ Sie biss sich einen Moment lang auf die Lippen. „Ich hab ihnen schon mal gesagt, dass ich Winry heiße.“ Nun war es an Roy, sich auf die Lippen zu beißen und sie schwiegen sich eine ganze Weile an. „Wenn sie Al sehen wollen“, setzte Winry schließlich an, „Den finden sie wieder in Dublith…“ „Ja, er hat sich letztens bei mir gemeldet und mich gewarnt, dort vorbeizuschauen“ In Roys Stimme klang etwas wie Galgenhumor mit. „Seine Lehrmeisterin mag wohl keine Staatsalchemisten?“ „Allerdings… Ed kann ein Lied von singen“, sagte Winry leise. Wieder Schweigen. Winry sah starr auf das Grab ihrer Mutter. „Sagen sie was.“ Roy schwieg und sie fühlte seltsamerweise Wut in sich aufsteigen. „Sag was!“ „Ich kann nichts sagen“, murmelte Roy. Sie sah ihn an und er wich ihrem Blick aus. „Hast du etwa Angst vor mir, Soldat?!“ Jetzt sah er sie doch an, einen Moment lang starrten sie sich in die Augen. Dann sagte er: „Vor Frauen habe ich immer Angst.“ Wieder Schweigen. „Warum bist du hier?“ Roy wunderte es nicht einmal, dass sie ihn mit einem Mal duzte. „Ich…“ Er stockte, doch dann entschied er, dass er Winry gegenüber ruhig ehrlich sein konnte. „Ich gehe in den Norden. In die Briggs-Berge, nahe der Grenze zu Drachma.“ Er wunderte sich, dass sie ihn so schockiert ansah und noch mehr wunderte er sich, dass er hinzufügte: „Ich habe mich degradieren lassen.“ „Kein Oberst mehr?“ Sie klang skeptisch. „Nur noch ein einfacher Soldat.“ Sie nickte langsam. „Nun… sie sind nicht im Norden.“ „Ich wollte vorher noch hier her.“ Sie hob den Blick zu ihm. Und dann gab er zu: „Ich weiß, es klingt makaber… aber ich verdanke ihnen sehr viel.“ Es dauerte eine Weile, ehe sie sagte: „Schauen sie mal vorbei, wenn Baumblüte ist. Im Frühjahr…“ Sie schaffte ein Lächeln, ihre sanften, rosigen Lippen schwangen leicht nach oben. Sie schaffte es tatsächlich, ihn anzulächeln. Mit einem Mal fiel es ihm sehr schwer, den Blick auf ihr Gesicht als Ganzes konzentriert zu halten, zu sehr wollte er sich nur auf ihre Lippen konzentrieren. „Ich weiß nicht, ob man mich ließe.“, sagte er nur. Sie schwiegen wieder. „Briggs also“, sagte Winry dann. „Ja.“ Am liebsten hätte er sie gebeten, doch einmal bei ihm vorbeizuschauen, sich zu melden, irgendetwas… Er verkniff es sich. Sie schleuderte ihm nicht mehr ihren ganzen Hass entgegen, das war mehr, als er je hatte hoffen dürfen. Besser, er verschwand aus ihrem Leben, ehe er ihr noch mehr Schaden zufügte – und ehe er sich noch mehr Gedanken über sie machte, als er es ohnehin schon tat. Er konzentrierte sich auf ihre Augen, die ihn merkwürdig hart und unnachgiebig anblickten. „Sie rennen jetzt also weg?“ Jetzt sprach sie wieder vollkommen förmlich. „Gewissermaßen.“ „Vor was? So weit ich weiß, haben sie doch gar nichts zu befürchten.“ „Hm… vor allem vor dem, was ich angerichtet habe. Was meine Schuld ist…“ Er sah, wie Winry die Hand hob und einen Moment lang fürchtete er, sie wollte ihn schlagen. Sie legte nur wieder die Hand auf seine Wange, wie damals, im Krankenhaus, ihre Finger glitten über den Stoff der Augenklappe. „Ist das hier denn nicht genug?“ Er riss sich zusammen, um nicht der Versuchung nachzugeben. „Ich weiß es nicht… sagst du denn, dass es genug ist?“ Ihre Hand strich ein letztes Mal über seine Wange, ehe sie sagte: „Das kann ich ihnen nicht sagen… ich kann nur niemanden hassen, der sich selbst so sehr quält.“ Nicht-Hassen ist kein Verzeihen, dachte er und wiederholte die Worte in seinem Kopf, um sie sich einzuprägen. Sie wandte sich zum Gehen. „Du fragst gar nicht nach.“ „Tja…“ „Ich weiß, dass du es wissen willst.“ Sie hatte ihm immer noch den Rücken zugewandt. „Heute nicht. Es ist nicht der Tag dafür.“ Und dann ging sie wieder ein paar Schritte, ehe Roy, getrieben von einer albernen, wahnwitzigen Hoffnung sagte: „Hast du irgendwann einmal vor, in den Norden zu gehen?“ Winry gab keine Antwort, als sie ging und er ließ in genau diesem Moment jede Hoffnung fahren, einmal beichten zu dürfen. Sein Blick fiel auf das Grab von Sara Rockbell. Dann auf das ihres Mannes. William Rockbell. „Selbst, wenn sie ihrer Mutter nicht so ähnlich sehen würde“, murmelte er matt, „Verwechslung wäre wohl unmöglich.“ Es musste hier etwas in der Luft liegen, ganz sicher. Irgendetwas musste doch die Menschen aus Resembool zu dem machen, was sie waren. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der zweite meiner hübschen, kleinen Oneshots… Ich liebe Kammerspiele, wie man mal wieder feststellt, was? Pod-Version gibt es hier: http://www.megaupload.com/?d=JFVUNYMY Kapitel 3: Mountains -------------------- Titel: Unexpected Visits – Mountains Fandom: Fullmetal Alchemist Pairing: Roy/Winry Kommentar: Der dritte und letzte Teil meiner kleinen One-Shot-Reihe zu diesem Pairing – und der Punkt, wo das Pairing zu seiner Berechtigung kommen darf. „Mountains“ spielt zwischen TV-Serie und Movie, vielleicht ein weiteres halbes Jahr nach „Graveyards“. Disclaimer: Fullmetal Alchemist gehört Hiromu Arakawa-sensei und Studio BONES, ich verdiene nix, will auch nix verdienen(obwohl…) – aber wer spenden will, gerne. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ b][Unexpected Visits – Mountains In den Briggs-Bergen sah jeder Meter aus wie der andere – weiß. Weiß. Weiß. Weiß. Schneeweiß. Eine endlose Schneelandschaft erstreckte sich vor den Augen des Betrachters – wenn man denn einmal die Chance dazu hatte, etwas zu sehen durch den scheinbar immerwährenden Schneesturm hindurch. Roy genoss es. Still war es hier, so nah an der Grenze, so still und menschenleer. Leer und Still, er war allein und konnte dem Schnee die Namen derer beichten, die er auf dem Gewissen hatte. Ishbarier, viele, viele namenlose Ishbarier. Sara Rockbell. William Rockbell. Viele Ishbarier, die gestorben waren, weil es keine Sara und keinen William mehr gab. Edward Elric. Alphonse Elric. Winry Rockbell. Winry… Es war gut, dass er hier war. Weit weg, weit weg von allen Menschen und vor allem weit weg von diesem Mädchen. Sie hatte ihm die Beichte verweigert, die er nun dem Schnee anvertrauen musste. Wenn sie ihm die Beichte nicht abnahm, war es besser, sie nicht zu sehen. Nein, im Grunde war es ganz allgemein besser, sie nicht zu sehen. Ja, ganz definitiv sogar. Und noch besser war, dass er hier überhaupt niemanden sah, kein Al, keine Winry, niemand, der ihm seine Verfehlungen vor Augen geführt hätte nur durch den Fakt, dass er da war. Im Teekessel kochte Wasser, er warf ein Sieb mit Kräutern hinein. In Letzter Zeit trank er viel Tee, ohne Alkohol natürlich. Obwohl die Flasche immer griffbereit war und immer – so schien es Roy jedenfalls – halbvoll, obwohl er sich nur allzu oft einen Schluck aus ihr genehmigte. Gegen die innere Kälte, wie ein Soldatenspruch sagte, so wie der Tee gegen die äußere war. Er lauschte dem Singen des Kessels, den Blick geistesabwesend aus dem Fenster gerichtet. Schnee. Weißes Treiben, eine schemenhafte Figur, von der er erst viel zu spät Notiz nahm. Eigentlich wurde ihm erst bewusst, dass er sie gesehen hatte, als es an der Tür seiner kleinen Hütte klopfte und selbige Tür geöffnet wurde, ohne, dass er Antwort gegeben hätte. Die Gestalt war vermummt, in dicke, helle Winterkleidung gehüllt, ein cremefarbener Wildledermantel mit Kapuze und felligem Innenfutter, darunter eine Mütze und viele Schichten Schal, die das Gesicht beinahe vollständig verdeckten. Sein Gast hatte sich ganz offensichtlich nach dem Zwiebelprinzip angezogen und war dabei so eifrig gewesen, dass Roy jetzt Probleme hatte, die Körpersilhouette auch nur zu erahnen. „Miss Rockbell“, meinte er und betete, dass seine Stimme nicht allzu sehr zitterte. Sie schüttelte den Schnee ab, den sie mit hereingebracht hatte, ein wenig unbeholfen versuchte sie, zu ihrem Gesicht zu reichen und scheiterte an den vielen Kleidungsschichten. Roy trat zu ihr, zog ihr Kapuze und Mütze vom Kopf, die Haare waren zu einem wirren Dutt, einem Nest hochgesteckt, sie sah ihn an und hob die Arme. Hätte Roy nicht gewusst, wie schlank und hübsch sie eigentlich war, hätte sich ihm der Vergleich mit einem übergroßen Marshmallow aufgedrängt. Einem blonden Marshmallow. Vorsichtig entfernte er jetzt die Schichten Schal und vermied es dabei, ihr Gesicht zu berühren. Seine zitternden Finger erschwerten ihm diese Aufgabe erheblich. Winry atmete tief durch, als er es endlich geschafft hatte. „Ich heiße Winry, wie oft denn noch?“, knurrte sie. Er konnte nicht antworten. „Ähm…“ Sie sah nervös zu ihm hoch, unter ihrem blonden Nest von Haaren. „Ich bräuchte mal Hilfe mit der Jacke…“ Seine Hand zitterte, als er sie ausstreckte und den Reißverschluss aufzog. Darunter kam eine Weste zum Vorschein. Winry streifte den Mantel ab, unter der Weste war ein bunt geringelter Pulli, beides streifte sie ab, darunter noch eine Weste, eine Ski-Latzhose – auch das streifte sie ab, darunter kam eine dicke, eng anliegende Leinenhose zum Vorschein und ein grauer Wollpullover, der weit und kurz bis knapp über ihre Taille flauschte. Dazu der Dutt, den sie eben auflöste. Lange, blonde Haare kringelten nun wirr um ihren Kopf herum. Roy beobachtete sie stumm und schämte sich, einen Moment lang gedacht zu haben, sie würde sich noch weiter ausziehen. Sie betrachtete den Kleiderhaufen zu ihren Füßen, Roy nickte in eine Ecke. „Da.“ Sie nickte, hob die Kleidung auf und schaffte sie dorthin. „Tee?“ „Ja, bitte.“ Sie griff an ihren Hinterkopf und löste den Dutt nun vollständig auf, fuhr sich mit den Fingern durch die blonden Haarsträhnen. Roy indes suchte zwei Tassen heraus, eine war nicht ganz sauber. Die nahm er am besten für sich, beschloss er, als er den Tee eingoss. Sein Blick glitt zu Winry, die sich unsicher umsah, wo sie sich wohl setzen konnte. „Mit ihnen hätte ich nicht gerechnet“, sagte er schließlich ehrlich. „Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mal herkomme“, murmelte sie. „Sie hätten anrufen sollen… jemand hätte sie hergebracht… oder ich hätte sie vom Bahnhof abgeholt…“ Ihre Augen hatten eine beunruhigende Ähnlichkeit mit Edwards in ihrer Art, ihn zu durchbohren. „Lügner.“ Sie fuhr sich durch die langen, blonden Haare. „Sie sollten die Haare öfter offen tragen“, bemerkte er. „Es steht ihnen.“ Sie gab keine Antwort. Roy verfluchte sich. Er war den Umgang mit Frauen nicht mehr gewöhnt, er war vollkommen aus der Übung, was das betraf – und dann musste die erste Frau, die ihm nach Monaten wieder unter die Nase kam, Winry sein. Er schob den alten, schon etwas ausgetretenen Teppich vor das Kaminfeuer. „Ähm… das ist das Bequemste, das ich anbieten kann…“ Von meinem Bett abgesehen, doch auch diesen Gedanken verbannte er verschämt in den hintersten Winkel seines Kopfes. Anscheinend jedoch hatte Winry seine Gedanken gelesen oder bildete er sich ein, dass ihr Blick einen Moment lang zu seinem Bett flackerte? Er bildete sich das sicher nur ein, denn sie ließ sich kommentarlos, dafür aber mit einer eleganten Bewegung auf seinem Teppich nieder(Roy überlegte, dass Frauen wohl ein paar Gelenke mehr haben musste, um sich so verbiegen zu können), nahm ihre Tasse entgegen, trank ein einen zögerlichen Schluck und sie sah dabei furchtbar klein und zerbrechlich aus und so jung, dass Roy über seine eigenen Gedanken vorher erschrak. „Warum bist du hier?“, frage er und ließ sich neben ihr nieder, hielt jedoch Abstand. Sie war ohnehin schon näher bei ihm, als ihm gut tat. „Du hast gesagt, ich solle vorbeikommen“, sagte Winry. „Auf dem Friedhof.“ Jetzt duzte sie ihn wieder. Dieses Mädchen war wirklich verwirrend. Aber in Roy breitete sich dennoch Erleichterung aus. Er durfte also beichten. Er durfte endlich… Doch er schwieg. Winry sah ihn verdutzt an. Er konnte ein unsicheres Lachen nicht unterdrücken. „Ich brauch Anweisungen… eine Frage, was du wissen willst...“ „Soldat.“ Weder Roy noch Winry wussten, ob das nun verächtlich hatte klingen sollen oder nicht. Schließlich fragte sie dann: „Meine Eltern… hast du sie gekannt?“ Ausgerechnet mit der schwersten Frage musste sie anfangen. Seine Finger krampften sich um die Tasse. „Ich habe in Ishbal viel gesehen… und viel getan. Schon davor. Seit ich sechzehn war…“ Er brach ab, um nicht von der Erinnerung zu würgen. Winry starrte ins Feuer und ihre Lippen formten das Wort Sechzehn, ohne ein Geräusch zu machen. Sechzehn. Viel zu jung für den Krieg. Ed war mit zwölf in die Armee gegangen. Er war nie im Krieg gewesen. Sechzehn war zu jung für den Krieg. Gab es überhaupt das richtige Alter für den Krieg? Roy räusperte sich. „Ich hab zu denen gehört, die darüber durchgedreht sind. Das war oft… manchmal hat einer seine Waffe weggeworfen und ist nach vorn gerannt, in den Kugelhagel oder in eine Explosion.“ Er erlaubte den Gesichtern nicht, vor seinen Augen aufzutauchen. Winry fragte schließlich leise: „Und du?“ „Bin zu nah ans Feuer… da war ich neunzehn. Einer der Staatsalchemisten… war auf Bomben spezialisiert. Neben mir ging was hoch, vor mir war eine Flammenwand… und als ich aufwachte, lag ich in einem Krankenzimmer. Vollkommen in Verbänden, kam mir vor wie eine Mumie.“ Jetzt konnte er die Gesichter nicht mehr zurückdrängen. William hatte gemeint: „Erst neunzehn…“ Und sein Gesicht hatte deutlich gezeigt, was er davon hielt. Und Sara hatte später gesagt, als er die Ishbarier gesehen hatte, die sie behandelte: „Du tust deine Pflicht als Soldat, Junge. Wir tun unsere Pflicht als Ärzte. Der Unterschied ist, dass wir nie gezwungen sind, gegen unser Gewissen handeln zu müssen.“ Er hatte nichts erwidern können. Jetzt blickte er Winry matt an. „Deine Eltern haben mir das Leben gerettet… und einen guten Teil meiner geistigen Gesundheit. Nach drei Wochen waren meine Wunden so weit verheilt, dass ich entlassen werden konnte… danach ging es mir zwei Wochen lang gut.“ Winry musste nicht fragen, was am Ende dieser zwei Wochen passiert war. „Der Befehl kam am Vormittag… sie wussten, dass ich wusste, wo sie ihr Hospital hatten und sie wussten dass ich die Ärzte kannte… sie wussten auch, dass ich ihnen mein Leben verdanke.“ „Das ist doch sinnlos“, sagte Winry leise. „Das ist so sinnlos… warum schicken sie jemanden, von dem sie genau wissen, dass er…“ „Disziplinarische Maßnahmen im Feld“, sagte Roy. „Für die, die versuchen, ein eigenes Gewissen zu haben. Bei Nichtbefolgung folgt unverzüglich die Exekution.“ Winry wurde ein wenig übel, sowohl von den Worten, als auch von der Gefühlsleere, mit der Roy sie aussprach. Er stellte die leere Tasse ab, stand auf und ging zu einem Schrank, holte die halbleere Flasche Napoleón heraus. „Auch ein Glas?“ Verdammt, er wusste nicht einmal, ob sie überhaupt schon achtzehn war oder noch siebzehn… so oder so war sie definitiv zu jung, viel zu jung… Er hörte ein „Hm…“ Ein Blick in das Geschirrfach ernüchterte ihn zu ganz praktischen Gedanken. Nur noch ein Glas… Und er fühlte Winrys Blick in seinem Rücken, sie wusste ganz genau, dass er versuchte, Zeit zu gewinnen. Also goss er ein und brachte das Glas zum Kamin und hielt es ihr entgegen. „Stört es dich, dir ein Glas mit mir zu teilen?“ Sie nahm das Getränk wortlos entgegen, kostete und Roy sah ganz deutlich, wie sie versuchte, ihre Mimik unter Kontrolle zu halten. „Beim zweiten Schluck wird es besser“, sagte Roy, nahm ihr das Glas ab und nahm nun seinerseits einen Zug. Sie fragte diesmal nicht. Er musste den Anfang von selbst finden. Mit einem leisen KLONK stellte er das Glas zwischen ihnen ab. „Ich bin also zum Hospital… mit einer Pistole, fünf Schuss. Ich hab die Ärzte…“ Er korrigierte sich, er musste ehrlich zu ihnen beiden sein, „ich habe deine Eltern gefunden… sie wussten, was kommen würde.“ Winrys Finger zitterten, als sie nach dem Glas griff und es an die Lippen führte. Wahrscheinlich merkte sie nicht, was sie trank, das hätte erklärt, warum sie es so einfach hinterkippte. Das Glas war leer, als sie es abstellte. „Sie wussten, was auf sie zukam… und sie haben mit keinem Wort um Gnade gefleht.“ Jetzt konnte er ein Würgen nicht zurückhalten. „Aber… sie haben mich gefragt, ob ich nach meinem Gewissen handle oder als Soldat… ich hab geantwortet, als Soldat. Und dann hab ich deinen Vater erschossen… deine Mutter hat nur gemeint, dass es traurig ist, dass es da Unterschiede gibt… aber dann wären wohl auch keine Kriege. Danach…“ Er stockte kurz. „Jeweils ein Schuss“, sagte Winry. „Beide Male sehr kurze Entfernung, direkt zwischen die Augen.“ Sie klang wie ein Kind, das ein auswendig gelerntes Gedicht herbetete. Roy starrte sie an. „Man hat uns den Obduktionsbericht geschickt. Oma hat damals nur gesagt Ein Glück, dass es wenigstens so schnell ging.“ Sie zog die Knie an den Körper, starrte ins Feuer und Roy sah ihre Schultern beben. Langsam hob er die Hand, legte sie auf ihren Rücken, ein Zittern durchlief den schmalen Körper, er fühlte weiche Haarsträhnen unter seinen Fingern. Sie hob den Blick und sah ihn an; ihre Augen waren zu seiner grenzenlosen Überraschung trocken. Roy war fest davon überzeugt gewesen, dass sie weinte. Er wandte den Blick ab. „Danach wollte ich mir selbst eine Kugel in den Kopf jagen… und selbst dazu musste ich mir Mut antrinken.“ „Ah.“ Mehr nicht. Statt weiterer Worte hörte er ein Rascheln, eine Bewegung und fühlte, wie Winry näher zu ihm herankam. Ein Arm legte sich um seine Schultern, ein anderer um seinen Kopf und er wurde gegen einen warmen, weichen und doch seltsam harten Körper gezogen, hellblonde Haare streiften seine Wange, er Roch Wolle, Schweiß und noch etwas anderes, das er nicht so ganz zuordnen konnte. Etwas Weibliches. Eine Hand strich ihm über die Haare, er fühlte Schwielen, als die Handfläche seine Wange erreichte. Ohne den Blick zu heben, sagte er: „Du solltest mich loslassen... ich tu sonst noch etwas Dummes.“ Wahrscheinlich – sicher – verstand sie ihn, sie war nicht dumm, ganz und gar nicht. Sie ließ ihn trotzdem nicht los und er hob die Arme, legte sie um ihre Taille, zog sie an sich und lehnte den Kopf an ihre Brust. Warm, weich, umfangend, tröstend… vergebend. Er sank ein Stück nach unten, auf ihren Schoß, seine Finger tasteten nach oben, legten sich um ihre Schultern, sie sahen sich an. Ihre Wangen waren rot und glänzten nass. Also hatte sie doch geweint. Und wahrscheinlich hatte sie gedacht, er sah es so nicht. Einen Moment lang verharrten sie, Winry fühlte Roys Atem auf ihrem Gesicht, er roch nach Alkohol und ein wenig nach der Hütte, dem Feuer. Eine Hand legte sich in ihren Nacken, zog ihren Kopf hinunter, sie küssten sich und Roy stellte fest, dass sie genauso schmeckte, wie er. Alkohol. Der Geschmack passte so gar nicht zu ihr. Er löste den Kuss, sie starrten sich wieder an, einen Moment lang spielten beide mit dem Gedanken, nach draußen zu flüchten, in den Schnee, notfalls ins Erfrieren, solang man von dem weg kam, was hier in der Luft hing. Weder schob Roy Winry weg, noch zog sie sich zurück, als seine Hände unter ihren Pullover und das Unterhemd fuhren, dann über ihre Haut nach oben, zu den Schultern. Winrys Finger strichen über sein Hemd, lösten Knöpfe, Roy fühlte ihre Hände zittern. Er hielt die Finger fest und wieder überlegte er eine Sekunde lang, ob er sie nicht doch besser aufhalten sollte – oder besser gesagt sich selbst. Er verwarf den Gedanken sofort wieder. Sie war eine Frau, sie war hübsch und sie war da – und vor allem zeigte sie keinen Unwillen, als er sie umfasste und auf den Rücken legte, sie ließ ihn sie ausziehen, gab sich in seine Leitung, als er ihre Hände griff und über seinen Körper führte. Er selbst nahm sich Zeit, seine Lippen tasteten über weiche, blasse Haut, dann beugte er sich über ihr Gesicht und küsste sie erneut. Die Anspannung von vorher war fort. Er hatte sie unter sich, sie legte die Arme um seinen Rücken. Gut so… das hieß, dass er durfte. Hätte sie nur ein Zeichen von Unwillen gezeigt, hätte er sie sofort gehen lassen. Aber so konnte er sich Zeit lassen. Winry zuckte jedoch zurück, als seine Hand zwischen ihre Beine glitt, sie starrte ihn mit seltsam weit aufgerissenen Augen an. Anscheinend hatte sie doch nicht damit gerechnet, dass er eine solche Gelegenheit nutzte. Roy strich ihr über das Gesicht, fuhr mit dem Finger den Bogen ihrer Lippen nach, küsste sie am Ohrläppchen, dann fühlte sie eine Bewegung in sich hinein – und zuckte kurz zurück. Das Gefühl war ungewohnt. Es war gut, dass sie etwas zum Festhalten hatte. Sie lagen merkwürdig stumm nebeneinander, sagten kein Wort; schließlich setzte Winry sich auf, die Arme vor der Brust verschränkt und sah nachdenklich ins Feuer. Ihre Finger fuhren über eine Stelle auf ihrer linken Brust, die sich vorher unter Roys Lippen rötlich-blau verfärbt hatte. Auf ihrem Gesicht breitete sich ein verwunderter Ausdruck aus. Er hatte etwas sagen wollen, ganz sicher hatte er das – aber nun wusste er nicht mehr, was. Das passierte ihm auch zum ersten Mal. Wie schon früher hob Winry sie Hand und strich ihm wieder über die Augenklappe. „Nimmst du die nie ab?“ „Eigentlich… nein“, antwortete er wahrheitsgemäß. Tatsächlich konnte er sich an keine Gelegenheit erinnern, zu der er sie abgenommen hätte. Vom Waschen einmal abgesehen. Er betrachtete sie einen Moment lang, bewunderte, wie der Feuerschein, ihre Körperkonturen nachzeichnete und wie Licht und Schatten auf den sachten Rundungen spielten. Dann griff er nach ihrer anderen Hand, drehte die Innenfläche nach oben und besah sich die Verhornungen und Schwielen. Ein Mädchen, das anpackte, das arbeitete, das auf seine Art kämpfte. Eine Frau, die stark war, selbstständig und die keinen Mann brauchte. „Was denkst du… hab ich deine Fragen beantwortet?“ „Hm…“ Am liebsten hätte er gefragt, was nun war. Ob sie glaubte, ihm eines Tages verzeihen zu können, wenigstens ein bisschen. Sie wandte den Blick von ihm ab, sah wieder ins Feuer, dann fragte sie, ohne ihre Rechte von seiner Augenklappe zu nehmen: „Was siehst du?“ „Die Gesichter“, murmelte er. „Alle, die meine Dummheit umgebracht hat… oder deren Leben kaputt ist wegen mir…" „Und hört es irgendwann auf?“ Sie beugte sich über ihn, lange, helle Haare strichen kitzelnd über seine Brust. „Nein… nie.“ Winry seufzte leise und kam seinem Gesicht näher, er fühlte, wie sie ihm die Augenklappe fort strich; ihre Finger tasteten behutsam über das vernarbte, hängende, leere Augenlid. Die Braue darüber war eisengrau gebleicht. Roy hielt ihre Hand fest, führte sie kurz an seine Lippen und murmelte ein leises: „Danke…“ „Wofür?“ „Ich hatte das schon so lang sagen wollen… und es war dein Recht, es zu wissen… aber so lang du es nicht wissen wolltest, konnte ich nichts sagen.“ Er seufzte leise. „Du wirst mir wohl nicht verzeihen, dazu hab ich dir zu viel angetan… aber es hat mir eine Last abgenommen, dass ich dir das sagen konnte. Sie zog ihn hoch und wieder wurde er von ihrem Körper umfangen, festgehalten, eingehüllt. „Dummkopf“, murmelte sie. „Ihr Männer seid Dummköpfe, alle miteinander.“ Er zog sie wieder in seine Arme, genoss ihre Nähe, ließ sich davon trösten, einlullen. Schließlich murmelte er: „Du solltest die Haare wirklich öfters offen tragen… es steht dir.“ Sie gab keine Antwort. Es war am Tag danach, dass sie ging, sich wieder in ihre Kleiderschichten quälte und danach Roy unbeholfen die Hand hinstreckte. Er griff zu, Papier raschelte. „Meine Telefonnummer. Falls du sie vergessen hast…“, erklärte sie. „Al ist manchmal in Resembool, du kannst ihn dann bei uns erreichen.“ „Danke.“ Winry kämpfte mit dem Mantel, er half ihr hinein. „Du solltest zusehen, dass du aus der Kälte herauskommst“, bemerkte sie. „Du bist der letzte Mensch auf der Welt, der hierher passt.“ Roy musste lächeln. „Zum Büßen gehen die meisten Leute ins Exil.“ Winry seufzte leise. „Du hast zwei Menschen das Leben gerettet, die ich sehr liebe… ich weiß nicht, was aus ihnen geworden wäre ohne dich.“ „Ed wäre nicht in die Armee gegangen?“, schlug er vor. „Stimmt, stattdessen wär er in Selbstmitleid versunken“, stellte Winry fest. „Und irgendwann eingegangen. Und Al… das male ich mir gar nicht erst aus. Du hast ihnen einen Weg gezeigt, auf dem sie weiter gehen konnten. Danach hatten sie ihr Leben wieder in der Hand.“ „Das klingt fast wie eine Absolution.“ Sie hob die Hand an seine Augenklappe. „Die nützt aber nichts, wenn du dir nicht selbst verzeihen kannst.“ Dazu wusste Roy nichts zu sagen. „Man sieht sich hoffentlich mal, oder?“ In Winrys Stimme schwang etwas mit; Hoffnung? Blieb die Frage, worauf. „Bestimmt“, meinte er. Und dann öffnete sie die Tür und ging, verschwand ebenso im Schneetreiben, wie sie daraus aufgetaucht war. Am Bahnhof holte sie ihren Rucksack aus einem Schließfach, stieg in den Zug und dort begann sie, ihre Kleidungsschichten abzulegen(was ihr zu Anfang viel Mühe bereitete), packte sie weg, dann suchte sie eine Bürste und eine Haarspange heraus, kämmte sich und zwirbelte sich dann die Haare hoch. Auf ihre Züge stahl sich ein selbstzufriedenes Lächeln, nachdem sie dies abgeschlossen hatte; Roy brauchte bloß nicht glauben, dass sie nach seiner Pfeife tanzte, nur weil sie ihm ein Mal in diese Scheißkälte gefolgt war. Nicht, dass er das jetzt mit bekam, weder den Akt an sich, noch ihr Lächeln und schon gar nicht den Hintergedanken. Aber Winry fühlte sich besser dabei und im Moment kam es nur darauf an. Zufrieden lehnte sie den Kopf an die Scheibe des Zugfensters. Zu Hause würde sie sich hinsetzen und an dem Automail arbeiten, den sie neulich erst angefangen hatte. Ein rechter Arm, ein linkes Bein, das dazu passte, hatte sie schon fertig. Hoffentlich kamen sie auch eines Tages an den Menschen, für den sie gedacht waren. Ihre Mundwinkel zuckten ein Stück nach oben. Besser, Ed erfährt das mit Roy nie – nicht, wenn Roy noch ne Weile am Leben bleiben soll. Im Grunde war es doch nicht so schlecht… Vielleicht fuhr sie eines Tages wieder in den Norden. Leise seufzend hob Roy ein paar blonde Haare vom Fußboden, ein anderes pickte er vom Bett auf. Weg ist sie... Aber wenigstens konnte er ihr jetzt in die Augen schauen, sollte sie eines Tages wieder auftauchen. Und das würde sie, da war er sich ganz sicher. In dieser Beziehung war sie genau wie Edward. Ihm schauderte plötzlich. Besser, Fullmetal erfährt davon nichts… nie… nicht, wenn ich in seiner Reichweite bin. Er musste selbst darüber schmunzeln, wie sehr er doch mit Edwards Rückkehr rechnete. Winry war ansteckend. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Abgeschlossen. *seufz* Damit endet diese Dreier-Reihe... ich hoffe, sie hat euch ein bisschen gefallen und ich hoffe, diverse Szenen waren nicht ganz so schlecht. Ich schätze dieses Pairing... mal schauen,vielleicht schreib ich mal wieder was zu den beiden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)