Living a Lie von woaini (Taito) ================================================================================ Kapitel 1: Wie ein Fisch ------------------------ Kapitel 1 Wie ein Fisch ~Yamatos Pov~ Yoshi kam schnell. Der Junge wurde noch schneller ins Auto verfrachtet und zu meiner Wohnung gefahren. Aufsehen oder einen Skandal kann ich momentan nicht gebrauchen. Yoshi fährt und ich sehe mir die Verletzungen des Jungen an. Wieder liege ich falsch, er ist kein Junge mehr. Groß gewachsen ist er, mit wildem, buschigen braunen Haar, das ihm momentan nass ins Gesicht hängt, kräftig gebaut und das Gesicht fein und dennoch maskulin. Dazu noch wunderbar braun gebrannte Haut, wie von der Sonne geküsst. Ich würde gerne mehr sehen, doch ich muss nach seinen Verletzungen schauen. Die Wunde an der Stirn sieht nicht besonders schlimm aus, die am Knie schon eher und das Handgelenk verfärbt sich gerade lila. Hoffentlich sind es nur diese Wunden! Vor meiner Wohnung steht bereits der bestellte Hausarzt, auf seine Diskretion ist Verlass. Gemeinsam mit meinem Manager schleifen wir den fremden Mann in meine Wohnung; er ist ziemlich schwer und dann doch wieder nicht. Schon komisch. Tief atme ich durch. Was für ein Tag. Nur Stress. Die Band, ihre Einstellung, meine Musik, die irgendwie verloren geht, dann noch dieser blöde Unfall! Wieder gleiten meine Gedanken zu dem bewusstlosen Brünetten, den Yoshi gerade mühsam in mein Bett hievt. Besonders warm angezogen ist er ja nicht! Und die Kleidung ist auch schon sehr abgenutzt. „Hey Matt, du ziehst ihm die nassen Klamotten aus und ich suche was in seiner Größe, er kann hier nicht nackt liegen!“, flötet mir mein Manager gut gelaunt zu. Grummelnd schaue ich meinen Manager an; kann nicht glauben, was ich da höre. „Das ist meine Wohnung, ich suche ihm Sachen heraus!“ Nicht, dass ich schüchtern wäre, aber dieser junge Mann hat einige Qualitäten, die ich gerne genauer befühlen würde… Das habe ich schon im Auto bemerkt. Eine recht muskulöse Brust und kräftige Arme und andere nette Details… Schnell versuche ich die aufsteigende Wärme abzuschütteln und schaue finster meinen breit grinsenden Manager an. Mir schwant übles. „Ja, liebster Matt, aber DU hast ihn fast platt gefahren, also wirst DU dich auch um ihn kümmern und ihm helfen, aus den nassen Klamotten zu kommen!“ Das Grinsen wird noch breiter. Viel zu breit. Eine Grimasse. Na super, ich bin gezwungen ihn auszuziehen. Normalerweise ist das ein Vergnügen, aber normalerweise ziehe ich die Männer nur aus, um eine schnelle Nummer zu schieben! Diesen jungen Mann muss ich ausziehen, um zu überprüfen, ob er nicht doch ins Krankenhaus muss. Das ist was ganz anderes! Mühsam pelle ich ihn aus der Jacke. Ist gar nicht so leicht jemanden aus so einem klebenden, nassen Stück Stoff zu zerren, wenn derjenige sich auch nicht ein Stück bewegt und nur schlaff das Bett volltropft. Mehr und mehr Haut sehe ich von ihm. Mehr seidig von der Sonne geküsste Haut. Mehr Muskeln. Kräftige Arme, wie von einem Sportler. Ich muss mich beherrschen nicht zu sabbern, kaum, dass die Jacke verschwunden ist. Ein dünnes Shirt bedeckt den aufregend neuen Körper und mein Puls beschleunigt sich merkwürdigerweise. Er sieht gut aus, keine Frage. Er gefällt mir sehr. Leider… Ich muss schlucken, ehe ich weitermache und den armen Jungen versuche aus dem Shirt zu pellen. Es fängt schon wieder an unter meinen Fingerspitzen zu kribbeln! Erst diese breiten Schultern, dann diese absolut perfekt geformten, rosigen Nippel und ein Waschbrettbauch, der mir die Schamesröte auf die Wangen zaubert. Dieser Kerl ist so hot, dass ich gar nicht weiß, ob ich die Finger nachher auch von ihm lassen kann! Yoshi starrt ihn auch schon schluckend an. Wieder huschen meine Augen über diesen Körper, nur dieses Mal fällt mir auf, dass er recht dünn ist und an den Rippen gut und gerne noch zunehmen sollte. Wieso ist er so dünn? Offenbar ist er ja sportlich, tut viel für seinen Körper, aber warum ist er dann ein Hungerharken und warum kann man seine Rippen so deutlich sehen? Das ist nicht gut, dass weiß selbst ich und ich bin auch schon sehr schlank und eher feminin vom Körperbau her. Fragend wandert mein Blick zu dem hübschen Gesicht unter mir. Er ist wirklich hübsch. Markante Gesichtszüge, dennoch wirken besonders seine Wangenknochen weich, dazu noch fein geschwungene Augenbrauen. Ich wüsste gerne, wie seine Augen genau aussehen. Wenn die Augenfarbe mir nicht gefällt, dann ist der ganze Traumann unter mir nur eine billige Täuschung. Nur schöne Augen lassen diesen Körper noch anziehender wirken. Schnell schüttele ich den Kopf. Ich wusste, dass das passiert. Ich sollte hier nicht diesen Mann anschmachten, ich sollte ihn von seinen nassen Sachen befreien und nach weiteren Verletzungen Ausschau halten. Innerlich zähle ich bis zehn, dann knöpfe ich mit zittrigen Fingern seine Hose auf. Yoshi neben mir fiebert mit, schluckt leicht. „Hilf mir mal, Yoshi! Hör auf zu sabbern! Das ist ernst gemeint!“, keife ich ihn unbewusst an. Die Sache hier ist schon schwierig genug für mich! Zu zweit zerren wir die schlabberige, mit vielen Löchern versetzte und schmutzige Hose herunter, kriegen jetzt eine Vip- Aussicht auf die kräftigen, muskulösen Oberschenkel, dann die Kniescheiben, das linke Knie hat eine kleine Narbe, aber trotzdem wirkt dieser Körper nur noch anziehender auf mich. Nun bleibt nur noch seine ebenfalls schmuddelig aussehende Shorts. Wieder muss ich schlucken und mir Luft zu fächern. „Yoshi, das machst aber du, ich gehe eben duschen!“, schnell flüchte ich. Warum ich plötzlich duschen muss? Sehr zur Freude meines Managers, hat sich mein kleiner Freund gerade dort unten verselbstständigt bei dem Anblick des freundlich und gut aussehenden Fremden, sodass ich nun eine eiskalte Dusche benötige! Nach einer knappen halben Stunde komme ich wesentlich beherrschter wieder aus dem Bad hervor. Der junge Mann liegt mittlerweile mit einer Boxershorts meines Vaters im Bett und wird von dem Hausarzt untersucht und der liebe Manager grinst sich auf dem Sofa im Wohnzimmer gerade wieder einen zurecht. Kaum, dass ich mich neben ihn setzte, da pfeift der liebe Yoshi und hält noch breiter grinsend den Daumen hoch. „Ich hoffe er ist auch schwul, sonst wäre es eine Verschwendung!“, flötet er mir entgegen und lacht hysterisch. Tief seufzte ich, verdrehe innerlich die Augen. Was für ein Tag. Die Arbeit war ein Alptraum, die Band war ein Desaster, die Musik war katastrophal und meine Laune auf dem Tiefpunkt. Dann das schreckliche Wetter, meine emotional abhängigen Fahrkünste und dann dieser Unfall. Nun liegt ein Fremder Junge in meiner Wohnung, argh, nein, falsch! Ein fremder Mann in meinem Bett in sehr, sehr knapper Unterwäsche. Dieser Mann hat Verletzungen, hoffentlich nicht noch schlimmere als die, die er jetzt schon hat. Es ist zum Verrücktwerden! Ich weiß nicht einmal seinen Namen oder seine Adresse! Lange habe ich seine Sachen durchsucht, doch weder ein U- Bahnticket noch ein Portemonnaie oder einen Ausweis gefunden. Nicht einmal Geld hatte er bei sich! Einfach nichts! Leere Taschen! Dass es so was überhaupt heutzutage noch gibt! Frustriert reibe ich mir über den Nacken. Was braucht dieser Arzt solange?! Schon seit über zwei Stunden ist der Arzt bei dem Fremden und noch immer ist sein Zustand ungewiss. Mittlerweile ist es schon ganz früher Morgen, 6 Uhr morgens um es genau zu sagen. Zum Glück habe ich heute frei. Yoshi pennt auf dem Sofa, ich stehe in der Küche und versuche mich mit Kaffee abzulenken. „Ich bin mit der Untersuchung fertig!“, ertönt plötzlich eine Stimme neben mir. Kurz zucke ich zusammen, sehe dem Arzt zu, wie er sich auch einen Kaffee nimmt und sich zu mir setzt. Von der Neugierde gepackt blinzele ich und rutsche dem älteren Mann entgegen. „Und was hat er jetzt?“ Frage ich ungewohnt piepsig. Dieser Mann fasziniert mich. Er ist anders und aufregend neu. „Wo fange ich am besten an? Dafür, dass er mit einem Auto angefahren wurde, sind die Verletzungen gering. Das Knie ist aufgeschlagen, er wird einige Zeit humpeln müssen, dann das Handgelenk ist gebrochen und bereits eingegipst. In einem oder zwei Monaten dürfte das wieder verheilt sein. Dazu hat er noch mindestens zwei Rippen geprellt, auch nicht so schlimm, er sollte nur die plötzlichen Bewegungen sein lassen und sich nicht mehr Prügeln. Zuletzt noch die Kopfwunde, 6 Stiche und sie war zu, vielleicht eine leichte Gehirnerschütterung, aber alles in allem, hatte er echt Glück!“ Ich nicke, doch drängen sich mir gleich noch mehr Fragen auf. „Wieso Prügeln? Sagen sie Doc, können sie mir etwas über ihn sagen? Sein Alter oder etwas dergleichen?“ Hoffend blicke ich den übermüdet aussehenden Mann über den Rand meiner Kaffeetasse an. Ich ernte wieder nur ein Kopfschütteln, ehe er leise antwortet. „Er scheint sich des Öfteren mit mehreren zu prügeln. Viele Abwehrverletzungen und so. Herausfinden, mhm. Der Größe und aufgrund des Körperbaus zu beurteilen, müsste er etwa 18 oder 19 Jahre alt sein. Er scheint nicht oft ausgewogenes Essen zu bekommen und kommt aus ärmlichen Verhältnissen. Er scheint lange nicht mehr im Krankenhaus gewesen zu sein, es fehlen so was wie Impfungen und andere Kleinigkeiten. Trotzdem ist er erstaunlich gesund. Seine Haare stehen ab, zeigen dass er nicht oft kränklich oder dergleichen ist. Seine Fingernägel sind etwas lang und dreckig, ich habe mich darum gekümmert. Frühere, verheilte Knochenbrüche, die anscheinend von jemand gerichtet wurden, aber nicht von einem richtigen Arzt. Mhm, ich glaube, dass war alles, was ich sagen kann…“ Nach dieser Ausführung erhebt sich schon der Ältere, rafft seine Kleidung. „Ich muss nun wieder gehen. Der Junge sollte liegen bleiben und sich schonen. Vernünftig bleiben und etwas Essen. Ruhig was festes. Wenig Stress, wenig Aufregung und ansonsten ist alles in Ordnung. Ich wird mich mal umhören, ob da ein Junge wie er vermisst wird. Guten Tag!“, mit diesen kurzen Worten verschwindet er auch schon. Hinterlässt seinen halb leeren Kaffeebecher. Hinterlässt noch mehr Fragen. Hinterlässt mich und den Fremden. Was soll ich nur machen? Es vergehen Stunden in denen ich so gut wie nichts mache. Ich starre hauptsächlich Löcher in die Luft. Oder starre den immer noch bewusstlosen minutenlang an. Wer bist du? Immer wieder frage ich mich das. Yoshi durchsucht noch etliche Male seine Klamotten, findet aber nach wie vor nichts. Irgendwann wird mir das alles zuviel und ich lege mich schlafen. Die Nacht war lang. Unruhig schlafe ich, fühle mich angespannt und abgehetzt, komme nicht zur Ruhe. Als ich aufwache, ist bereits nächster Morgen. Tief seufzte ich. Yoshi kommt zu mir und hält mir etwas Kaffee hin. „Du hast für den Rest der Woche frei, ich hab das geregelt. Die Band ist eh wieder etwas zu weit hinausgeschossen, da kommen ein paar Tage Abstand voneinander nur gelegen. Unser Dornröschen schläft noch, aber ich glaube er wacht bald auf! Hast du Hunger? Bald ist es Mittag, wir sollten etwas kochen!“ Ich bin dankbar Yoshi zu haben. Er kümmert sich wirklich um alles und das macht er von sich. Müde werkeln wir zusammen in der Küche. Ich habe schon Hunger. Es riecht mittlerweile auch schon köstlich. Wenn ich eines gut kann, dann ist es kochen! Als ich noch bei meinem Vater wohnte, habe ich es mir beigebracht. Was soll ich sagen? Ich bin ein Scheidungskind. Kurz nach der Scheidung nahm mich mein Vater zu sich und von meiner Mutter und meinem kleinen Bruder hörte ich nichts mehr. Kein Anruf zum Geburtstag oder so. Wir, mein Vater und ich, waren für meine Mutter gestorben. Mein Vater hat das Ganze nicht so gut verkraftet. Er hat sich in die Arbeit gestürzt, wollte mir etwas bieten können, aber er zog sich zurück. Ich war fast immer alleine zu Hause. Ich sah ihn nicht mal am Wochenende. Nur 3-vielleicht auch 4-mal im Monat abends kurz. So musste ich lernen für mich selber zu Sorgen. Der Haushalt wurde von mir erledigt. Ich musste alleine in der Schule klar kommen, denn ich hatte kaum Freunde. Ich war der einsame Wolf und nur in meiner Musik blühte ich auf. Ich war sehr einsam. Aber ich konnte meinem Vater auch keinen Vorwurf machen. Er schuftete sich für mich kaputt und ich sollte meckern? Wenn wir uns sahen, stritten wir viel, ich hab ihn früher nicht verstanden, aber nun, wo ich älter bin und selber hart arbeite, verstehe ich es besser. Trotzdem: Ich bin immer noch einsam. Tief seufzte ich. Gelangweilt rühre ich in der Hühnchenpfanne, bin in Gedanken versunken. Yoshi sitzt am Tisch und faltet die Servietten heute besonders auffällig. Synchron seufzen wir. DA! Erschrocken drehen wir uns beide um. Eindeutig hören wir Geräusche und sie kommen nicht von uns! „Dornröschen ist wach und wandelt umher!“, flüstert Yoshi mir zu und wir beide versuchen lautlos den Raum zu verlassen, folgen den Geräuschen, die eindeutig aus dem Wohnzimmer kommen. „Im Wohnzimmer liegen doch noch seine Sachen!“, nuschele ich meinem Manager möglichst leise zu und ernte nur ein begeistertes Nicken. Ich muss sagen, dass auch ich aufgeregt bin. Was wird nun passieren? Leise schleichen wir uns in mein Wohnzimmer. Schon sehe ich ihn, starre ihn an. Der Fremde hebt seine Kleidung auf, kratzt sich am Hinterkopf, nein, hält sich den Kopf und schlüpft fast lautlos wieder in seine mittlerweile trockene Hose. Neben mir höre ich Yoshi enttäuscht aufseufzten. Ein Fehler. Erschrocken dreht sich der Fremde um. Sein und mein Blick treffen sich. Ich fühle mich wie vom Blitz getroffen. Tief dunkle Schokoladenseen blitzen mich fragend und durchleuchtend an. Ich muss schlucken. Verdammt! Jetzt ist er wirklich Mister Perfect! Warum konnte er nicht kackbraune Augen haben?? Mist, jetzt ist er wirklich der attraktivste Kerl, den ich kenne! Mein Manager bemerkt meine Abwesenheit, räuspert sich. „Äh Hallo! Mein Name ist Yoshika, aber nenn mich einfach Yoshi! Das hier neben mir ist Yamato, nenn ihn ruhig Matt! Leider bist du meinem Freund hier vors Auto gelaufen und hast dir ein paar Verletzungen zugezogen, wie du sicherlich schon gemerkt hast, aber der Arzt hat uns versichert, dass es nichts Ernstes ist! Wir hätten ja deine Familie oder so informiert, aber du hattest keinen Ausweis dabei oder eine Adresse dabei, wir wollten warten bis du wieder aufwachst! Nun, deine Sachen sind ziemlich verschlissen und teilweise kaputt… äh…“ Der Junge vor uns sieht uns erst forschend an, ehe er sich seine Sachen mal genauer ansieht. Wie es ein Kind tut, steckt er den Zeigefinger durch die Löcher seines Shirts und zupft fast verlegen an den halb abgerissen Teilen seiner Hose herum. Als sein Blick wieder zu uns wandert, kann ich nicht anders, ich gehe langsam auf ihn zu. Wachsam und auf alles gefasst sieht er mich an, lässt mich keine Sekunde aus den Augen, blinzelt nicht einmal. Wieder bin ich gefesselt von diesen Augen. Dunkel und ein wenig verschlossen, dennoch ausdrucksstark und mit einer unglaublichen Kraft versehen, dass es mir ganz schwindelig wird. Er ist bereits jetzt schon für mich ein Mysterium. Auf der einen Seite stark und erwachsen, fast Furcht einflößend und im nächsten Augenblick ist er fast kindlich, niedlich und wirkt so hilflos. Ich stehe unmittelbar vor ihm, sehe ihn lange an, ehe ich seine Haare beiseite streiche und mir die genähte Wunde ansehe. Er lässt es geschehen, behält mich aber im Auge, als wäre ich Hungerharken eine ernsthafte Gefahr für ihn. „Tut mir Leid, ich hab dich auf der Straße übersehen… Der starke Regen und das fehlende Licht….“, fange ich leise an. Ich will es nicht bemerken, aber ich spüre, wie es in der Hand, die durch sein wunderbar weiches und dichtes Haar streicht, kribbelt. Ich muss mich zusammenreißen. Nehme meine Hand wieder weg. „Du hast sicher Hunger, du warst nämlich einen ganzen Tag bewusstlos…. Yoshi, hol einen Bademantel für ihn und bring ihn in die Küche, ich koche eben zu Ende!“, sage ich eilig und verlasse das Zimmer. Ich höre Yoshi reden, ihre Schritte und bin froh ein paar Minuten nachdenken zu können. Dieser Fremde ist wirklich eigenartig. Warum hat er nichts gesagt? Warum hat er mich so genau beobachtet? Jeden meiner Schritte, meiner Bewegungen? Warum verhält er sich so komisch? Tief seufzte ich, schüttele den Kopf. Vielleicht würde er ja beim Essen auftauen, vielleicht würde er dann etwas von sich erzählen? Schnell richte ich das Essen an, decke den Tisch für eine weitere Person, da erscheint schon mein Manager im Türrahmen. Kurz darauf erscheint mein Fremder in meinem himmelblauen Bademantel, der ihm um etwa 20 Zentimeter zu kurz ist und so knapp unter seinem Knie aufhört. An den Ärmel ist er auch viel zu kurz. Er sieht ganz niedlich aus, besonders mit dem leicht schmollenden Gesichtsausdruck. Seufzend tische ich das Essen auf, gebe jedem seine Portion. Der Fremde deutet ein Danke mit einer kleinen Verbeugung hin, nimmt die Stäbchen und schlägt zu. Einen gesunden Hunger hat er schon mal… Yoshi versucht es noch einmal und spricht den großen Fremden freundlich an. Derweil lehne ich mich zurück und beobachte ihn, vielleicht findet man nur so etwas über ihn heraus. „Na ja, also deine Klamotten kannst du so ziemlich vergessen, die sind Mottenfutter… Leider hat Matt nicht deine Größe… Ich werd sehen, dass ich heute Abend etwas auftreiben kann, versprochen! Aber nun sag doch mal, wie heißt du eigentlich?“ Woher mein Manager nur immer diese geduldige Freundlichkeit hernimmt? Der Mann vor mir legt für ein paar Sekunden die Stäbchen beiseite, mustert uns genau mit diesen alles durchleuchtenden Augen und beschert mir eine kribbelnde Gänsehaut. Eine knisternde Spannung liegt in der Luft und ich spüre, wie alles in mir lechzt seinen Namen zu erfahren. Lange sieht er uns genau in die Augen, in die Seele hinein. Wir sind still und schlucken unsere Anspannung leise hinunter. Ein freundliches Lächeln legt sich auf die rosigen Lippen des Gefragten, doch er antwortet nicht und isst still weiter. Genau jetzt könnte ich platzen! So eine Dreistigkeit! Wütend balle ich meine Hände zu Fäusten, sehe ihn giftig an. Alle unauffälligen Versuche meines Managers mich zu beruhigen schlagen fehl, so bin ich es, der seine Stimme grollend erhebt und mit einer unbedachten Bewegung die Flasche vom Tisch fegt. Ich sagte schon, dass ich leicht ausraste… „Yoshi hat dich was gefragt, du Blödmann?! Antworte gefälligst oder was glaubst du, wer du bist? Ist es so schlimm eine Frage zu beantworten oder was ist mit dir verkehrt? Schmollst du, weil ich dich angefahren habe? Bist du beleidigt, weil wir dir hier versuchen zu helfen? Guck nicht so bedeppert! Du hast mich schon richtig verstanden! Also antworte uns gefällig! Wir sind schon so nett und hilfsbereit und du bist ein absoluter Flegel! Also sag uns wenigstens wie du heißt, oder bist du bescheuert oder nur stumm!?“ Ich muss Luft holen, spüre wie sich die Hitze meiner Wut langsam wieder verdünnisiert, dennoch bin ich ziemlich angepisst. Wieder sieht er mich an. Mit diesen forschenden Augen. Nichts sagenden Gesichtsausdruck. Und dann, dann lächelt er wieder nur blöde und nickt. Er nickt! Aus dem Konzept gebracht starre ich ihn an. „Du bist bescheuert?“, frage ich entsetzt nach, doch ernte nur ein amüsiertes Kopfschütteln. Mit seinem Finger scheint er mir etwas andeuten zu wollen, dreht ihn, als würde er ein kleines Zahnrad weiterdrehen. Auch in meinem Kopf rattert es. Ich verstehe ihn wirklich nicht. Was spielt er uns denn hier vor? Yoshi scheint schneller zu begreifen, springt von seinem Stuhl auf und sieht ihn entsetzt an. „Du bist stumm? Du kannst wirklich nicht sprechen?!“ Ein Nicken, dann ein Schulterzucken. Ich starre ihn mit offenem Mund an. Setze mich langsam und mechanisch hin. Deswegen sagt er also nichts? Weil er nicht sprechen kann? Der Fremde lächelt nur, ehe er weiter isst und uns beide geschickt wieder ausblendet. So ein Mist und ich trete voll ins Fettnäpfchen! Ich lasse den Kopf hängen, fühle mich schlecht, aber ich mag es gar nicht mich zu entschuldigen. Das konnte ich nie und das werde ich auch nie können. Ich wage es gar nicht mehr ihn anzusehen, starre auf den Teller vor mir, der nur halb aufgegessen ist. Yoshi neben mir räuspert sich. „Tut uns Leid… Mhm, aber es muss doch eine Möglichkeit geben, dass du mit uns kommunizierst, oder?“ Hoffnungsvoll blickt er den Jungen an. Schnell ist der Teller aufgegessen, der Fremde schaut hoch, lächelt wie eh und je. Hilfe, ein Strahlemännchen! Ein stummes Strahlemännchen, noch schlimmer! Mit seiner gesunden Hand malt er in die Luft, Linien, wenn ich mich nicht irre. Fragend schauen mein Manager und ich uns an, ehe es Klick bei uns beiden macht. „Was zu Schreiben!“, rufen wir uns gegenseitig zu und schneller als ausgesprochen, wühle ich in einer Schublade herum, finde einen Block und bald darauf einen Bleistift, halte ihm die Utensilien hoffnungsvoll hin. Wieder nur lächelnd nimmt er den Stift und Block an. Wie soll er schreiben mit einem gebrochenen, rechten Handgelenk, schießt es mir durch den Kopf. Der Junge löst das Problem auf seine Art: Er ist Linkshänder und schreibt so automatisch mit links. Schnell sind ein paar Zeilen in einer schlampigen Schrift dahin geschrieben, da präsentiert er uns schon wieder lächelnd den Zettel, den ich auch noch laut vorlese. „Ich heiße Taichi! Danke für das leckere Essen!“ Ok, der Fremde hat einen Namen. Nun hat er sich auch bedankt. Yoshi und ich starren ihn wie blöde an. „Ehm… Hallo Taichi…“, stottert mein Manager und schüttelt kurz Taichis Hand. Ich nicke einfach nur. Der heißeste Kerl, der mir je begegnet ist, ist also stumm und heißt Taichi. Und weiter?! „Du Taichi, wie heißt du denn weiter? Wo wohnst du? Sollen wir deine Familie informieren? Wie alt bist du?“, schneller als Yoshi stelle ich diese Fragen. Fast ohne Punkt und Komma. Ich bin nun sehr neugierig. Als dies mir auffällt, schlucke ich. Was soll das? Warum interessiert er mich? Mein Blick wandert zu seinem Teller. Ratzekahl leer gefressen. „Möchtest du noch einen Nachschlag?“ Wieder ernte ich ein Lächeln. Der lächelt wohl immer. Aber es passt auch irgendwo zu ihm, bemerke ich schmunzelnd. Schnell fülle ich seinen Teller neu auf und er nimmt wieder Block und Bleistift zur Hand. „Yagami. Sag ich nicht. Keine Familie.19. Danke für den Nachschlag, ich verhungere!“, lese ich abgehakt vor. Was ist denn das für eine Antwort! Nun weiß ich fast soviel wie vorher! Grummelnd betrachte ich ihn, wie er Happen für Happen seines Tellers scheinbar genüsslich aufisst. Mein Manager schüttelt nur den Kopf. Als sein Teller leer ist, beginnt er wieder zu schreiben, dieses Mal scheinbar konzentrierter. Bald darauf liegt ein Zettel vor meiner Nase. Scheinbar denkt er, dass ich so was wie der Boss bin. „Ich ziehe mir meine Sachen jetzt wieder an und gehe! Entschuldigung für die Umstände und Danke, dass ich hier pennen durfte!“ Er steht auf, verbeugt sich noch einmal höflich. Der geht doch jetzt nicht wirklich, oder? Das kann doch nicht sein Ernst sein! Schnell halten Yoshi und ich ihn auf. „Warte! Deine Sachen sind doch völlig zerrupft! So kannst du doch nicht raus! Außerdem hast du Verletzungen und der Arzt hat gesagt, dass du dich noch etwas hinlegen sollst!“, beginnt Yoshi, „Willst du etwa vor das nächste Auto taumeln? Du gehörst ins Bett, nicht auf die Straße! Merkst du nicht, dass du ein paar gebrochene Rippen hast? Außerdem humpelst du! Du bleibst erstmal hier! Wir haben noch einige Fragen an dich!“, ende ich. Lange sieht er uns abwechselnd an. Das Lächeln ist verschwunden. Lächelnd war er mir lieber als so ernst. Er schiebt uns zur Seite und widmet sich dem Block, schreibt etwas nieder und hält es uns mit einem dunklen Gesichtsausdruck hin. „Ihr könnt mich hier nicht festhalten! Wenn ich gehen will, gehe ich, merkt euch das!“ Fragend sehe ich ihn an. Wo ist der doof vor sich her lächelnde Idiot von eben hin? Schnell schlucke ich. Überfliege noch einmal die kurzen Zeilen. „Und wenn ich dich bitte hier zu bleiben?“, frage ich vorsichtig, lege den Kopf schief. Yoshi neben mir weiß gar nicht, was er sagen soll, macht es mir nur nach und legt den Kopf schief. Taichis Blick ruht auf uns. Ich starre ihn in die Augen, die mir zuerst so unbeweglich vorkamen, so verschlossen, doch nun, wo ich genauer hingucke, fallen mir viele kleine Bewegungen und Regungen auf. Er scheint mit sich zu ringen. Weiß nicht, ob er uns trauen soll, darf, kann oder will. Bestimmt spürt er den Schmerz, aber er zeigt ihn nicht. Bittend sehe ich ihn an. Ich möchte mehr über ihn herausfinden. Wenn er geht, sehe ich ihn bestimmt nie wieder. Irgendetwas in mir, weigert sich ihn einfach so unvermittelt gehen zu lassen. Taichi blickt auf uns herab. Dann seufzt oder schnaubt er, dreht sich zur Seite und nickt. Perplex sehe ich ihn an. Ist er gerade rot geworden?? „Du bleibst wirklich?!?“, frage ich vorsichtig. Wieder nur ein Nicken. Irgendwie habe ich es geschafft. Doch ich bin nicht so ganz zufrieden. Wo ist das Strahlemannlächeln? Er wirkt verärgert, aber was haben wir denn gemacht? Yoshi führt Taichi wieder ins Bett, redet noch kurz mit ihm, ehe er zu mir zurückkehrt und mir aufmunternd auf die Schulter klopft. „Stumm wie ein Fisch…“, seufzt er. Ich nicke. Na das kann ja was werden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)