Stars von -hoshi- ================================================================================ Kapitel 1 --------- „Ich liebe dich“, flüsterte er, während er sich seinen Mantel anzog, zu dem Mann schauend, der auf dem Mahagoni – Doppelbett lag, halb eingewickelt in den blutroten Bettbezug. Langsam ging er zur Tür und verlies das Apartment, indem sein Freund immer noch schlief. Draußen war es eine eiskalte Nacht und als er nach oben sah, konnte er leuchtende Sterne im klaren, dunklen Himmel sehen, deren Anblick erinnerte ihn an die Nacht in der er den Mann, der momentan in seinem Bett lag, zum ersten Mal traf. Gedankenverloren ging der Dunkelhaarige die Straße entlang, lächelnd. Abwesend wollte er die Straße überqueren, um diese Zeit früh am Morgen würden schon keine Autos fahren. Um diese Zeit fuhren nie Autos hier vorbei, nie. Er setzte seinen Fuß auf den Asphalt, das Motorgeräusch eines näherkommenden Fahrzeugs nicht wahrnehmend. Erst als das Scheinwerferlicht um ihn herum aufflackerte, erwachte er aus seinen Gedanken. Das quietschende Geräusch von Bremsen erfüllte die Nacht, verdrängte die Stille, Sekunden bevor das dunkelblaue Motorrad den Mann frontal rammte. Das nächste, das er fühlte bevor er auf die kalte Straße aufschlug, war ein fürchterlicher Schmerz, der ihn durchströmte. Die Kälte der Straße umschlang seinen Körper und es fühlte sich an, als würde sie all seine Wärme aus ihm herausziehen. Er konnte die braunen Blätter der Bäume, die die Straße säumten auf dem Asphalt liegen sehen, wie sie gegen den Wind ankämpften, um nicht davon geweht zu werden und jedes Mal verloren. Wie jedes einzelne den Kampf aufnahm, obwohl es ihn schon von Anfang an verloren hatte, obwohl es keine Chance hat zu gewinnen. So wie die Menschen gegen das Leben kämpfen um nicht zu sterben, wohlwissend, dass sie am Ende kläglich scheitern werden. Langsam verschwand die Kälte, die ihn umschlossen, gefangen hielt und auch die Bilder der Blätter lösten sich auf im Nichts. „Promise you never leave me“ * Es war eine ziemlich kalte Nacht im Dezember. Die Tatsache, dass es nur noch eine Woche bis Weihnachten war, machte Kai ziemlich depressiv. Der wunderschöne Sternenhimmel verschlimmerte dieses Gefühl, von dem er dachte, dass es endlich verschwunden sei nach der endlosen Therapie und auf Grund der Tonnen von Pillen, die er jeden Tag schlucken musste seit vier Jahren. Seit dem Tag an dem er beschlossen hatte sein Leben zu beenden. Seit dem Tag an dem er sich die Pulsadern mit einer Nagelschere aufgeritzt hatte. Leider hatte seine Mutter ihn gefunden, wie er da in seine schneeweißen Bettlaken, die schon blutbefleckt waren, eingehüllt lag und hatte einen Notarzt gerufen und ihm somit das Leben gerettet. Leider. Leider hatte er sich auch die Adern waagerecht anstatt senkrecht aufgeschnitten, sonst wäre er schneller verblutet, aber das hatte er leider erst in der Therapie erfahren. Anscheinend war er sogar zu dumm sich umzubringen. Eigentlich war Kai geheilt, er war nicht mehr in der Klinik und durfte sogar alleine leben, aber jedes Mal, wenn ihn etwas daran erinnerte, wie allein er wirklich war, verschlechterte sich sein Zustand und das war an Weihnachten nun mal besonders der Fall. Kai war auf dem Weg zum Strand, vorbei an wunderschönen weihnachtlich - geschmückten Apartments, in denen wahrscheinlich glückliche Familien lebten und großen Einfamilienhäusern (umgeben von kilometerlangen Lichterketten) mit wahrscheinlich noch glücklicheren Familien. „ Zeit für mein Antidepressivum“, dachte Kai, als er merkte, dass seine Laune auf dem Tiefpunkt angekommen war, wegen ein paar weihnachtlich dekorierten Häusern. Er setzte sich auf eine Bank vor einem großen unbeleuchteten Gebäude und holte eine Pillendose aus seiner Jackentasche. Geschockt als er feststellte, dass sie leer war. Wie blöd kann man eigentlich sein und vergessen seine Medizin aufzufüllen, seine lebenswichtige Medizin? Ich meine welcher Herzkranke würde seine Herztabletten vergessen, wenn er spazieren geht? Und welcher Diabetiker würde sein Insulin zu Hause lassen? Richtig, keiner. Aber er war so dumm seine Medikamente, an denen sein Leben oft genug hängt, nicht mitzunehmen und jetzt saß er auf einer Bank irgendwo am anderen Ende der Stadt meilenweit weg von seiner Droge, die er jetzt unbedingt brauchte. Er war nicht nur zu dumm zum Sterben, sondern auch zu dumm zum Leben. Nach zehn Minuten stand er auf und ging weiter auf die Klippen zu, sein Atem ging schwer. Er ging dort hin, wo er so oft war als er noch jünger war, um den Sonnenaufgang zu beobachten und als er älter wurde, um den Sonnenuntergang zu sehen, weil er mit der Zeit zu faul wurde so früh aufzustehen. Vielleicht war das was er vorhatte schon lange überfällig, nicht wahrscheinlich sondern sicherlich. Vielleicht war es jetzt an der Zeit, den alles in allem war allein sein nicht so einfach wie er immer Tat, immer versicherte dass alles okay war, immer ein gefaktes Lächeln im Gesicht. Wahrscheinlich werden alle Menschen das aufgesetzte Lächeln irgendwann leid, manche früher und manche später, aber er war definitiv schon so weit. „ Ru – chan. Es tut mir leid. Bitte… du kannst mich doch nicht aus unsrer Wohnung rauswerfen. Ich..“ „ Ich kann schon, Aoi, glaub mir Aoi ich kann, denn eigentlich ist es meine Wohnung, denn ich bezahle die Miete ne?“ „ Aber Ruki, wo soll…“ schrie Aoi heißer durch die geschlossene Tür, wohlwissend, dass egal was er sagt, der andere ihm nicht aufmachen und ihn wieder hineinlassen würde. „Ist mir scheißegal wo du hingehst solange du nur endlich verschwindest. Frag doch Misa. Es hat dich auch das letzte Mal herzlich wenig gestört bei ihr zu schlafen, oder besser mit ihr zu schlafen. Warum fragst du sie nicht nach ‘nem Schlafplatz?“ Aoi hörte die Küchentür zu schlagen, gefolgt von einem seltsamen Geräusch das sich anhörte wie zersplitterndes Geschirr. Ließ Ruki seinen Ärger etwa an seiner Kücheneinrichtung aus? Naya, das würde eigentlich auch nur bedeuten, dass er ziemlich aufgebracht war, was die Wahrscheinlichkeit, dass Aoi wieder eingelassen würde, auf null reduzierte. „Gibt’s irgendein Problem?“ Es war der Typ, der gegenüber wohnte und anscheinend ziemlich genervt von dem wohl zu lauten Streit zwischen Ruki und Aoi war. Aoi wusste nicht mal seinen Namen und er musste gestehen, dass er auch nicht zu interessiert war diesen komischen Typ näher kennen zu lernen. Ich meine welcher normale Mensch trägt ein Tuch über seiner Nase? „ Nein, nichts.“ Aoi drehte sich weg, ging zum Lift und fuhr ins Erdgeschoss. Draußen war es zu kalt um auf einer Parkbank zu schlafen, außer man hatte das Bedürfnis langsam und schmerzhaft zu krepieren und da Aoi pleite war, konnte er sich auch kein Hotelzimmer nehmen. Bei einem seiner Freunde zu übernachten, war auch nicht möglich, da die alle zu weit von seinem (Ruki‘s) Apartment weg wohnten (ohne Geld konnte er auch schlecht den Bus oder die U – bahn nehmen). Der einzige der in der Nähe wohnte, war Uruha, aber zu ihm zu gehen, war so ungefähr das dümmste was Aoi hätte tun können, außer er hätte das Bedürfnis sehr langsam und sehr qualvoll zu Tode gefoltert zu werden und eigentlich war Aoi auch nicht der Meinung, dass Uruha ihn noch als Freund bezeichnen würde. Aoi hatte Uruha sowieso eigentlich nie als Freund bezeichnet, er war halt Ruki’s bester Freund, was nicht hieß das Aoi ihn leiden konnte. Also waren die einzigen Sachen die er machen konnte blöd in der Gegend rumlaufen oder sich in eine Bar setzen und sich betrinken (was zugegeben ohne Geld auch ziemlich schwer ist). Daher entschied er sich für die erste Möglichkeit. Nachdem er zwei Stunden so in der Gegend herumgelaufen war, kam er zu den Klippen. Er erinnerte sich daran, dass man von dort den wohl schönsten Sonnenaufgang sehen konnte, da er mit Ruki einige Male dort gewesen war. Obwohl es noch über eine Stunde dauern würde bis dahin, entschied er sich da zubleiben und zu warten, was anderes hatte er eh nicht zu tun und vom ewigen rumlaufen taten ihm die Füße weh. Als er näher kam, sah er eine dunkle Gestalt am Rand stehen. Sie sah aus wie eine Statue, die in das Meer schaute, wie als ob sie etwas suchte und schien, wie als ob sie sich fort bewegen wollte, aber dazu verflucht war still zu stehen. Wann hatte Gott eigentlich beschlossen, dass heute der schlimmste Tag von Aoi‘s Leben werden sollte? Als ob es nicht schon schlimm genug gewesen war, dass seine Tasche mit all seinem Geld, seinem Handy und seiner Kreditkarte geklaut wurde und dass sein Freund rausgefunden hatte, dass er ihn betrogen hat (mit einer Frau!) und ihn aus der gemeinsamen Wohnung rausgeworfen hatte. Nein, jetzt stand er auch noch hier in der Kälte am Arsch der Welt mitten in der Nacht neben irgendeinem Verrückten, der anscheinend gerade dabei war sich umzubringen. Schwer zu glauben, dass dieser Tag noch schlimmer werden könnte. „Hey, der Himmel ist schön heute Nacht, ne“, fing Aoi an, etwas unsicher wie er diesen Typen davon abhalten konnte in das eiskalte Wasser zu springen. Was er natürlich sofort bereute, denn jetzt konnte er wohl eher nicht mehr weggehen und so tun, als ob er den Selbstmörder nicht gesehen hätte. „Was machst du hier mitten in der Nacht? Man sollte um diese Zeit nicht mehr allein draußen rumhängen.“ „Bist du nicht auch allein hier?“, entgegnete die Statue, während sie langsam ihren Kopf zu Aoi drehte. Richtig, aber eigentlich sollte ich in meinem warmen Bett neben meinem Freund liegen und schmutzige Sachen mit ihm machen, dachte Aoi, grinsend als er sich vorstellte was er mit Ruki machen könnte. „Warum willst du dich umbringen? Glaubst du, du fühlst dich besser wenn du da runter springst?“ Was für eine bescheuerte Frage, wenn er da runterspringt fühlt er gar nichts mehr. „Ich… das verstehst du sowieso nicht. Es ist nur Zeitverschwendung dir das zu erzählen, niemand versteht…“ Die Statue hörte abrupt auf, wie als ob er gerade erst gemerkt hatte, was er dabei war Aoi zu erzählen. „Einfach nur hier zu stehen und ins Wasser zu gucken, ist auch ‘ne ziemliche Zeitverschwendung, ne? Außerdem kann dein Leben so schlecht nicht sein. Wenn jemand eine Grund hat da runterzuspringen, dann ich. Ich wurde ausgeraubt, von meinem Freund dabei erwischt, wie ich ihn betrogen habe und aus unserer Wohnung geschmissen, das ist…“ Warum war er dabei das einem komplett Fremden zu erzählen? Vielleicht hatte die ganze Kälte Aoi’s Gehirn eingefroren. Das alles ging diesen Typen überhaupt nichts an. Warum also redet er mit ihm darüber, er kannte ihn gerade Mal fünf Minuten. Vielleicht sollten sie irgendwo anders hingehen. Aoi konnte diesen Typen nicht alleine hier stehen und seinem Schicksal überlassen. Eigentlich konnte er schon. Naya, also einen Versuch ihn zu retten konnte er ya machen, er hatte eh nichts zu tun. Also beschloss er ihn zu einem Drink einzuladen, das war die beste Möglichkeit ihn von hier wegzubekommen. Hoffentlich hatte der Selbstmörder wenigstens Geld dabei, denn Aoi hatte immer noch keins, aber das musste er dem ya nicht sagen. „Hey, wie wär‘s wenn wir was trinken gehen? Ich mein du stehst hier wahrscheinlich schon ‘ne halbe Ewigkeit. Vielleicht solltest du irgendwo hingehen und dich ein bisschen aufwärmen. Komm, ich lad dich ein.“, und du zahlst, fügte Aoi an, so dass der andere es nicht hören konnte. „Ehm… wo willst du hingehen?“fragte der junge Mann unsicher. „Es gibt da so ‘ne Karaoke – Bar, nicht weit von hier. Dort bin ich früher oft gewesen“, mit Ruki, ergänzte Aoi in Gedanken. „ Es ist schön da, du wirst sehen.“ Der andere Mann nickte stumm, ohne Aoi in die Augen zu sehen. Also liefen die beiden die Straße runter und zurück in die Stadt. Aoi voran, gefolgt von dem Fremden, der einige Schritte hinter ihm blieb, um sicher zu gehen, dass er Aoi nicht in die Augen sehen musste, gedankenverloren mit einer Plastikdose spielend. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)