One Piece - Der Weg zum Piratenkönig von Sirus0 (Eine eigene One Piece Geschichte) ================================================================================ Kapitel 16: Ein neuer Freund ---------------------------- *Am nächsten Tag* „Hier bist du also,“ meinte July und sah zu Tyke, der auf dem Dach eines Hafengebäudes saß und von dort aus auf das weite und schier grenzenlose Meer blickte. Selbst auf die Entfernung konnte sie seinen verträumten Blick erkennen, der von einer Vorfreude ergriffen war, die nur erahnen ließ wie sehr Tyke weiterreisen wollte. Wieder hinaus aufs Meer. In Richtung nächstes Abenteuer. Es war nun bereits ein Tag her, seit seine beiden Freunde den Kapitän und den ersten Maat der Fingerhut-Piraten besiegt und damit sowohl den Bewohnern Acidems, als auch July geholfen hatten. Zum Dank hatte das blonde Mädchen sich um eben diese beiden Helden gekümmert, während die Stadtbewohner ihnen zu Ehren eine große Party vorbereiteten. Nina erholte sich sehr gut von ihrer Vergiftung und schwebte schon seit geraumer Zeit nicht mehr in Lebensgefahr und auch Aisuru hatte sich – nach mehreren Anläufen und Versuchen – von ihr ans Bett fesseln lassen. Schließlich musste er seinem Körper die Chance geben sich regenerieren zu können. Doch hatte das seine Zeit gebraucht, denn der Sturkopf sprach dauernd etwas von seinem Training und das konnte July als Ärztin nicht akzeptieren, geschweige denn zulassen. Sie hoffte – vor allem für den Navigator Aisuru –, dass er sich ihrer Anordnung nicht widersetzt hatte, während sie sich auf die Suche nach Tyke gemacht hatte. „Du hast mich gesucht?,“ fragte der Rotschopf vom Dach aus zurück und blickte zu July hinab, „Wie geht es Nina und Aisuru?“ „Nina erfreut sich schon wieder bester Gesundheit. Sie muss sich nur noch ein wenig von den Strapazen erholen und Aisuru solltest du für längere Zeit in keinen Kampf mehr schicken. Am Besten bindest du ihn während eurer Reise ans Bett, damit er sich selbst etwas Ruhe gönnt. Die inneren Verletzungen, die er hat, sind enorm. Ich habe so etwas noch nie erlebt. Gut, ich hatte auch noch nicht all zu viele Patienten wie euch. Was hat er eigentlich angestellt? Musste er für dich gegen einen Riesen antreten?“ „Nein. Aber danke für die Info. Nur wie soll er im gefesselten Zustand uns navigieren? Und wie sieht es mit Training für ihn aus?“ „Training? Wenn er seinen Arm jemals wieder richtig bewegen will, sollte er gefälligst nicht einmal dran denken! Ich habe ihm striktes Trainingsverbot verordnet,“ meinte July angesäuert und verschwieg lieber, dass sie diese Entscheidung lediglich auf einem Zettel notiert hatte und in einem kurzen, durch Mut beflügelten, Moment ihm an den Kopf gepappt hatte. Schnell merkte sie aber, wie ihre ärztliche Leidenschaft mit ihr durchging, weshalb sie beschämt zu Boden sah, um Tykes Blick nicht begegnen zu müssen. „Das wird ihm nicht gefallen. Ich bezweifle auch, dass er sich daran halten wird. Selbst wenn ich es ihm befehle.“ July seufzte schwer. „Ich bezweifle es auch.“ „Wie hast du es überhaupt geschafft Nina zu kurieren? Dieses Blut-Gift-Gemisch sah eigentlich echt schlimm aus…“ „Es gibt kein Gift auf der Welt, welches ein guter Arzt nicht durch die Heilkräfte der Natur zu kurieren weiß. Ich musste nur herausfinden, wie es wirkte und welche diversen anderen Gifte darin enthalten waren. Der Rest war ein Kinderspiel.“ Tykes Blick richtete sich wieder aufs Meer hinaus und obwohl er sich in luftigen Höhen befand, konnte July dennoch wieder diesen unsäglich glücklichen Ausdruck auf seinem Gesicht erblicken. Es war der Ausdruck vollkommener Glückseeligkeit. Er sehnte sich nicht einfach nach dem Meer. Es steckte wohl mehr dahinter. Vielleicht war Tyke nur geboren worden, um die See befahren zu dürfen. Vielleicht war die See einfach nur seine natürliche Umgebung. „Du liebst das Meer, nicht wahr?“ Er nickte und meinte: „So wie du deine Blumen liebst. Und deinen Beruf als Ärztin. Apropos, hast du dich entschieden?“ „Meinst du ob ich mit dir kommen will?“ Sie erinnerte sich daran, wie er sie mit der Frage den ganzen vorherigen Abend genervt hatte, während sie gleichzeitig – wie bereits erwähnt – versucht hatte den Blauhaarigen zu bändigen. Wie hielt Nina es bei diesen Querulanten nur aus? Wieder nickte er, doch diesmal schwieg der Rotschopf anschließend, um ihre Antwort abzuwarten. „Noch nicht. Versteh mich nicht falsch. Ich möchte auch gerne die Welt sehen und das Meer befahren, aber meine Schwester… Du weißt schon, die Krankheit. Du bist nämlich nicht der Erste, der mich gefragt hat…“ „Schon in Ordnung. Niemand zwingt oder hetzt dich zu einer Entscheidung.“ „Otou-san wollte übrigens, dass ich dich aufsuche. Er möchte dich sehen, um sich bei dir bedanken zu können.“ „Das ist ja sehr lieb, aber ich mag eigentlich…“ „Er möchte sich nicht einfach nur mit Worten bedanken. Er will dir etwas schenken, von dem er glaubt, dass du es sehr gut gebrauchen könntest.“ Verwundert hob sich eine von Tykes Augenbrauen. Nun hatte ihn doch die Neugierde gepackt und so machte er sich schnell auf, von dem Dach des Gebäudes zu gelangen. Natürlich hätte er einfach hinunter springen können, doch die Nutzung der Treppe sah er als eine Form des Trainings an. Es dauerte keine zwei Minuten, bis er keuchend und japsend neben der jungen Ärztin stand, die über das alberne Verhalten des Piraten lachen musste. Wäre das Problem mit ihrer Schwester nicht, hätte sie sich schon längst für das Leben als Pirat entschieden, doch leider Gottes waren die Dinge oftmals nicht so einfach, wie man es sich vielleicht wünschte. Gemeinsam machten sie sich schließlich auf den Weg zurück zur Villa. So dachte Tyke zumindest. Relativ früh, fiel ihm aber bereits auf, dass der Weg, dem sie folgten, nicht ins Stadtzentrum und damit zu Julys Heim führte. „Wo gehen wir hin?“ „Du hast es bemerkt?“ „Ja. Ich habe nicht den besten Orientierungssinn, aber es reicht aus, dass ich mich nicht auf gerader Strecke verirre.“ „Auf gerader Strecke…?“ „Weißt du… Es gibt negative Eigenschaften, die offensichtlich vererbt werden. Und Geschichten, die man in bestimmten Kreisen zu hören bekommt. Man mag es vielleicht nicht glauben, aber scheinbar sind nicht alle Menschen auf der Welt mit einem guten Orientierungssinn gesegnet. Oder überhaupt mit einem…“ Tyke war drauf und dran, wieder in Erinnerungen an sein Leben auf Loris’ Schiff zu schwelgen, was July auch bemerkte. Ohne weiter nachzufragen, setzte die junge Ärztin an einem anderen Punkt ihres Gespräches wieder an: „Ich dachte, wenn ich nicht direkt den Hafen entlang ginge, würde es dir nicht auffallen. Ich habe dich unterschätzt… mal wieder. Tut mir Leid.“ Tyke winkte ab und meinte stattdessen: „Also, was will mir dein Vater geben?“ „Sie selbst,“ July blieb stehen und wies ihn mit einer Geste an, der schmalen Gasse, in der sie sich befanden, bis zum Ende zu folgen. Sie sah die Skepsis in Tykes Blick, doch entschied dieser sich schweigend ihrer Aufforderung folge zu leisten. Als er schließlich das Ende der Straße erreicht hatte, empfing ihn ein überglücklicher Matsu Medica. „Tyke, danke das du gekommen bist.“ „Keine Ursache. Aber was wollen sie mir denn nun geben?“ Man merkte ihm die Ungeduld überdeutlich an. Verständlich, wenn man ihn doch derartig auf die Folter spannte und nicht den kleinsten Hinweis gab. „Die Hafenarbeiter haben mir berichtet, dass du und deine Freunde lediglich mit einem kleinen Boot die Insel erreicht habt. Daher dachte ich mir, dass dir dieses Geschenk gefallen würde,“ der Bärtige deutete dabei mit seinem erhobene Daumen hinter sich. Erst jetzt bemerkte Tyke, dass sie sich auf dem Gelände einer Rederei zu befinden schienen. Genau genommen direkt an einem Trockendock. Und so ahnte der Rothaarige bereits, worauf das Spielchen hinaus lief. Doch konnte er es nicht direkt glauben. „Meine Frau, meine Töchter und ich haben heute Morgen darüber gesprochen und uns dafür entschieden es dir zu überlassen. Ich weiß, es ist nicht genug für das, was du für uns getan hast. Aber vielleicht ist es ein Anfang.“ Auch als Tyke das große Gebilde, verdeckt unter einer weißen Plane, sah, traute er sich nicht es als Tatsache zu akzeptieren. Vielleicht träumte er ja. Gebannt blickte er auf das Objekt vor sich und beachtete Matsus Worte kaum noch. Jedenfalls nicht bis dieser einen entscheidenden Satz sprach. „Darf ich dir vorstellen: Dein eigenes Schiff,“ rief Matsu nämlich lautstark und sofort wurde die Plane von einigen Hafenarbeitern weggezogen. Zum Vorschein kam eine prächtige, überwiegend hellbraune Karavelle. Das schönste Schiff, das Tyke je in seinem Leben gesehen hatte. Das schönste Schiff, weil es ihm gehörte. Sein Piratenschiff. „Wuuuuhuu! Das ist ja unglaublich!,“ rief der Rotschopf begeistert und rannte zu dem edlen Kahn. Mit einem gewaltigen Satz sprang er vom Rand des Trockendocks hinüber zum Schiffsdeck, wo er sicher auf seinen zwei Beinen landete und augenblicklich damit begann sein neues Eigentum zu begutachten. Keine Sekunde ungenutzt und kein Fleckchen des Decks unerforscht. Zuerst lief er nach links, eine kleine Treppe hinauf. Doch als er die letzte Stufe erklomm und vom Bug aus aufs Meer blicken wollte, fiel ihm etwas auf, was seine Stimmung wiederum ein wenig dämpfte. „Hier fehlt aber noch etwas.“ „Ja, die Galionsfigur.“ „Wieso hat unser neues Schiff keine Galionsfigur?!“ Plötzlich stieg eine weitere Person die Treppen empor. Es handelte sich um einen Berg von einem Mann, mit breiten, sonnengegerbten Schultern, einem von Schmutz übersätem, weißem Muskelshirt und kräftigen Armen, die wie geschaffen schienen für schwere Arbeiten. Während er die Treppe erklomm, zog er sein Shirt aus, wodurch Tyke den, in glänzendem Schweiß getränkten, Oberkörper des Fremden sehen konnte. Aber auch sein Gesicht war von der Sonne gezeichnet. Zudem zog sich eine schlecht verheilte Narbe über seine linke Gesichtshälfte und auch über sein Auge, welches daher von einer Augenklappe verdeckt war. Die kurz geschorenen Haare, wirkten wie ausgeblichen, so hell waren sie. Die Haarfarbe ließ sich nur mit „irgendwo zwischen blond und weiß“ definieren. Tyke fiel auch die einst sicherlich schneeweiße Hose auf, die jedoch inzwischen vollkommen verdreckt und mit Öl beschmiert war, ähnlich wie das Shirt zuvor. Außerdem ragten sowohl links und rechts mehrere Tücher aus der verschmutzten Hose heraus. Irgendwie war alles an dieser Gestalt einst weiß gewesen. Im ersten Moment wollte Tyke wissen, wer der Fremde war, doch als er dann den Werkzeuggürtel, der zu einem Großteil von den vielen Tüchern verdeckt war, bemerkte, konnte er sich denken um wen es sich handeln musste. „Tach auch. Ich bin Woody, Chef der Acidem Schiffsbauer. Schön den Retter von July und unserer kleinen, aber feinen, Stadt kennen zu lernen,“ der Hüne warf sich sein Shirt über die linke Schulter, wischte sich seine Hände notdürftig an einem seiner Tücher ab und streckte seine kraftvolle Pranke dem so genannten ‚Retter’ entgegen. Grinsend erwiderte Tyke den Gruß und drückte kräftig zu, um sich und seinem Gesprächspartner zu beweisen, dass er kein Schwächling war. Dennoch knackten seine Finger lautstark unter dem Druck des Schiffsbauers. „’Nen kräft’gen Händedruck haste ja schon mal. Gefällt mir. Herr Medica hat dieses Schiff eigentlich als kleineren Zusatz für seine Handelsgeschäfte bauen lassen. Aber als er hörte, dass du kein Schiff hättest, entschied er sich dazu es dir zu schenken. Is ’n wirklich gutes Schiff. Wir haben lange dran gearbeitet.“ Tyke erkannte dies auch so, ohne das Woody es hätte extra erwähnen müssen, und sah kurz über die Rehling hinweg, zu dem besagten Mann, der glücklich darüber zu sein schien, dass sein Geschenk auch bei dem Piraten ankam. „Er verlangte auch, dass wir die Galionsfigur wieder abmachen.“ „Und warum?“ „Damit du uns sagst, was für eine du haben willst.“ „Was?! Ich darf meine eigene Galionsfigur bestimmen?“ „Japp. So is es. Meine Jungs warten schon begierig drauf los legen zu dürfen. Die haben ’nen extra schönen Holzklotz rausgesucht, aus dem sie dir eine schnitzen wollen. Und einen Namen musste dir auch noch für das Schiff überlegen. Schließlich is doch ein Piratenschiff ohne Namen nichts wert, hab ich nich Recht?“ „Hehe, also eine Idee für eine Galionsfigur hab ich schon. Aber über den Namen muss ich noch nachdenken,“ meinte der Rotschopf und rieb sich mit dem Zeigefinger unter der Nase entlang, „Soll ja ein Guter werden, der dem nächsten Piratenkönig alle Ehre wird!“ * * * * * „Oh man… Mir tut jeder einzelner Knochen im Leib weh. Sogar die, von denen ich nichts wusste,“ ächzte Aisuru schwerfällig und richtete sich vorsichtig auf – zumindest so gut es unter all den Bandagen möglich war. Er hatte schon genug Schmerzen, da brauchte er nicht noch zusätzlich welche. Der Butler der Medicas mit dem Namen Alfred, der zufällig in das Zimmer kam um nach dem Rechten zu sehen, eilte zu dem ehemaligen Magier und wollte ihn bereits wieder ins Bett drücken. „Leg…“ „Alfred, richtig? Vielen Dank, aber ich habe genug geschlafen und rum gelegen. Ich hätte mich nicht von July dazu zwingen lassen. Ich merke schon wieder, wie meine Muskeln versteifen. Wenn das so weiter geht nützt mir alles Training der Welt nichts. Daher möchte ich gerne nur ein bisschen leichtes Aufbautraining absolvieren.“ „Ab…“ „Nichts aber,“ unterbrach Aisuru ihn erneut, „Ich liege nicht gerne faul auf der Haut herum. Und July gegenüber werde ich Ihre Bemühungen erwähnen und die volle Verantwortung für mein Verhalten übernehmen.“ Nun betrat auch Nina das Zimmer, nachdem sie an die bereits offen stehende Tür geklopft hatte, und spottete leicht beim Anblick des halb mumifizierten – oder zumindest genauso mit weißen Bandagen eingewickelt – Navigators: „Na? Auch schon aufgewacht, Dornröschen?“ „Ach sei doch still, blödes Mannsweib. Sag mir mal lieber, wo eigentlich unser Kapitän ist?“ Nina zuckte nur unwissend mit den Schultern und meinte seufzend: „Keine Ahnung. Rennt wohl irgendwo in der Stadt herum. July und ihr Vater sind auch abwesend. Vielleicht sind sie zu dritt irgendwohin gegangen.“ „Na hoffentlich baut er dabei keinen Mist. Ich kenne ihn zwar noch nicht so gut und gerade einmal einen Tag länger als du, aber dennoch habe ich das Gefühl dass er ein lebender Magnet ist, wenn es um Schwierigkeiten geht.“ „Anziehend in vielerlei Hinsicht, hm? Ich denke aber, dass er im Moment wenig anstellen kann.“ „Hoffen wir es mal lieber. Ach ja, wie geht es dir eigentlich?“ „Besser. Dank Julys Behandlung. Das Gift ist neutralisiert und nach ihrer Diagnose zu Folge, brauch ich mir nicht mehr darum Gedanken zu machen.“ „Denkst du sie kommt mit uns mit?“ „Denkst du Tyke lässt ihr eine Wahl?“ Da der Butler merkte, dass man ihn nicht mehr sonderlich beachtete, schlich er sich – mit hängendem Kopf – aus dem Zimmer hinaus. Nur wenige Augenblicke später jedoch, sah sich Nina fragend nach ihm um und meinte überrascht: „Wo ist denn nun der Butler hin? Ich wollte ihn doch bitten für unseren Käpt’n einen Sack Eisenspäne aufzutreiben…“ * * * * * „Geht klar. Das is ’ne Leichtigkeit für meine Jungs,“ meinte Woody und legte seinen schweren Arm, um Tykes Schultern, nur um ihn anschließend kräftig an sich zu drücken, so wie ein stolzer Vater seinen Sohn an sich drückte. Man hätte das Szenario wohl auch am Besten mit den Worten ‚Komm an meine Brust’ kommentieren können, wenn man es gewollt hätte. „Und, wie gefällt es dir?,“ vernahmen die beiden Männer Julys Stimme. Sofort riss sich Tyke von Woody los und rannte an die Rehling. July war ihm inzwischen gefolgt und stand nun neben ihrem Vater. Auf ihrem Gesicht war ebenfalls ein erleichtertes und glückliches Lächeln auszumachen. „Super! Das Schiff ist eine Wucht. Ich freue mich schon damit lossegeln zu können.“ „Das Wichtigste fehlt aber noch,“ meinte July neckend. „Ich weiß. Aber Woody meinte, seine Leute bräuchten schlappe zwei Tage für die Galionsfigur.“ „Das meinte ich nicht.“ „Sondern?“ Statt zu antworten, wies die Blondine nur mit dem Finger nach oben und Tykes Blick folgte ihrem Hinweis. Dabei erklommen seine Augen den Mast bis zur Spitze und da verstand er worauf sie hinaus wollte. „Du hast keinen Jolly Roger. Das Markenzeichen eines jeden Piraten.“ „Hmmm, stimmt. Aber ich kann nicht gut zeichnen und bei Nina und Aisuru bin ich mir auch nicht sicher.“ „Ich kenne aber einen tollen Zeichner. Er ist Kartograph für Otou-san und stellt für ihn oftmals Karten her oder für mich schöne Gemälde. Er ist wirklich sehr begabt.“ „Echt? Dann lass uns mal zu ihm gehen. Vielleicht kann er mir ja einen Jolly Roger zeichnen,“ meinte Tyke, nahm Anlauf und sprang wieder auf den Rand des Trockendocks. Jedoch sprang er diesmal zu kurz, landete lediglich an der Kante und fuchtelte wie wild mit dem Armen um sich, bei dem Versuch nicht rücklings in das Dock zu stürzen. Reflexartig ergriff jedoch July seine Hand und half ihm so das Gleichgewicht zu halten. „Danke,“ meinte er nur verlegen, während Matsu versucht sein hart gegen die Brust klopfendes Herz zu beruhigen und July nur mit dem Kopf schütteln konnte. „Pass besser auf dich auf. So brichst du dir das Genick, noch bevor du die Chance hast ein berühmter Pirat zu werden.“ „Ich versuche mich zu bessern,“ meinte er lachend und folgte ihr, als diese sich aufmachte um ihn zu besagtem Maler zu geleiten. * * * * * „Wieso muss ich dir jetzt eigentlich helfen?“ „Weil du nett bist und ich dich darum gebeten habe,“ erklärte Aisuru. „Ich muss eigentlich selber trainieren.“ „Wozu denn?“ „Hey! Ich habe gemerkt, dass meine Ausdauer auch nicht die Beste ist! Wenn ich daran nichts ändere, werde ich vielleicht meinen nächsten Kampf verlieren.“ „Ach ja?,“ fragte der Blauhaarige überrascht, fügte dann aber noch hinzu: „Hast du Alfred noch gefunden?“ „Ja. Er versprach sich darum zu kümmern.“ „Sehr gut. July hat also Teufelskräfte,“ erinnerte sich Aisuru an die Erzählung von Herrn Medica und lenkte so das Gespräch wieder auf das Thema July und ihrem womöglichen Beitritt. Irgendwie schien er fasziniert von ihr zu sein. Aber vermutlich war dies kein Wunder, nachdem sie ihn mit Hilfe von armdicken Ranken ans Bett gefesselt hatte, um ihn behandeln zu können. Immer wieder hatte der ehemalige Magier nämlich versucht zu fliehen. Schon die leichteste Berührung hatte ausgereicht, dass er wie ein kleines Mädchen zu schreien begann und so war der Ärztin nichts weiteres übrig geblieben, als zu drastischen Maßnahmen zu greifen. Nina musste Grinsend bei dem Gedanken daran. Aisuru als Memme? Aber auch das war verständlich, bei solch immensen Verletzungen. July hatte geschätzt, dass es gut drei Monate zum Verheilen bedürfe, wenn er sich schone. Wie lange würde es wohl nun brauchen, wo er seinen Körper schon wieder zu belasten begann? Nina war auch aufgefallen, dass es beinahe wirkte als habe July eine gespaltene Persönlichkeit. Einmal war sie das schüchterne Mädchen, das beim Anblick eines Mannes reiß aus nahm. Und dann war sie wiederum die Ärztin, der das Wohl der Patienten wichtig war und die eine Behandlung notfalls auch mit Gewalt durchzog. „Was ist los, Blaubeere? Bist du neidisch?“ „Als ob. Ich kann auch ohne Teufelskräfte stark sein.“ „Hey! Willst du damit sagen, ich sei nicht stark?“ Aisuru glaubte so etwas wie Selbstzweifel in der Stimme der schönen Smutje zu hören, weshalb er kurz inne hielt bei seinen Handstandbeugen und Nina bat von seinen Füßen abzusteigen, wo sie bis eben gesessen hatte. Als Beide schließlich auf dem lehmigen Boden des Gartens saßen – welchen er demoliert hatte –, wo sie ihrem Crewmitglied bei seinem Training geholfen hatte – wenn man es so nennen durfte –, und von Alfred eine kühle Limonade gebracht bekamen und den versprochenen Sack mit Eisenspänen, begann Aisuru schließlich mit ernsterer Miene zu sprechen. „Das habe ich niemals behauptet. Ich weiß, dass du stark bist und ich weiß das, wenn du es nicht wärst, nicht Mitglied dieser Bande sein könntest. Tyke hat uns Beide kämpfen lassen, um zu sehen wie wir abschneiden und wo unsere Stärken sind. Er will wissen, ob wir uns auf der Grand Line verteidigen können, oder auf Hilfe und Schutz angewiesen sind. Anders könnte ich es mir nicht erklären. Ich denke, du hast ihm bewiesen, dass mit dir nicht gut Kirschen essen ist. Nutz deine Erkenntnis bezüglich deiner Schwächen und trainiere sie, damit sie zu deinen Stärken werden.“ Ein Lächeln huschte über das Gesicht der Rothaarigen, deren Laune sich ganz offensichtlich wieder gehoben hatte. Obwohl sie sich erst seit kurzem kannten, war sie froh Aisuru als Freund zu haben. Es war seltsam wie schnell man eine Freundschaft aufbauen konnte, wenn man nur wirklich wollte. „Dir scheint er aber nicht soviel Vertrauen entgegen zu bringen.“ Nina bemerkte den verwunderten Blick Aisurus und winkte schnell ab: „Dann habe ich mich wohl getäuscht.“ In Wahrheit wusste sie, dass es nicht so war. Doch dass Aisuru dies nicht bemerkt haben solle, verwunderte sie. Schließlich wurde er bisher von Tyke immer sehr abweisend behandelt. Was war da vorgefallen? Wie hatten sie sich kennen gelernt? Lag darin die Begründung von Tykes Verhalten versteckt? „Wie wäre es mit einem Wettstreit,“ versuchte sie dieses Mal das Thema zu wechseln und die Laune zu heben, „Wer von uns zuerst eintausend Liegestütze schafft. Der Verlierer muss dann die Einkäufe für unser Boot bezahlen. Einverstanden?“ „Das ist Unfair! Ich habe schon hart trainiert und außerdem hätte ich nicht einmal Geld zum einkaufen,“ doch anstatt auf seine Beschwerde zu achten, begann Nina mit den Liegestützen. „Hey!“ * * * * * „Hier wohnt der Kerl?,“ fragte Tyke verwundert und blickte zu der schäbigen Holzhütte vor sich. Er fragte sich, wie diese es bisher geschafft hatte stehen zu bleiben und nicht in sich einzustürzen. Das Holz war morsch. Löcher so groß, dass man seinen Kopf hindurch stecken konnte, zierten die Wände. Und hier sollte ein Künstler leben? Genies waren wohl wirklich immer Exzentriker. Oder einfach nur tierisch faul und unordentlich… „Er mag keine großen, protzigen Hütten. Deshalb lebt er hier,“ erklärte July, so als wäre sie Tyke eine Erklärung schuldig gewesen. Oder vielleicht schämte sie sich auch einfach nur für diesen Künstler? „Mag ja sein, aber diese Hütte ist doch höchst Einsturzgefährdet oder nicht?!“ „So würde ich es nicht ausdrücken. Sie ist… rustikal.“ „Rustikal…? Wie man’s nimmt. Ach ja, wie ist der Name dieses talentierte Künstlers eigentlich?“ „Van Goth.“ „Van Goth?“ „Ja. Vinc van Goth.“ Tykes Blick sprach mehr als es tausend Worte getan hätten, woraufhin July nicht anders konnte, als sich verlegen an der Nase zu kratzen. Sie wollte der unangenehmen Situation entfliehen, indem sie schnell an die Tür klopfte. Als sie diese jedoch zuerst genauer betrachtete, schrie sie entsetzt auf. Holzwürmer. Unzählige Holzwürmer. Machten die kleinen Biester gerade Picknick auf der Tür? Vermutlich, schließlich war es ein relativ angenehmer Tag. „Es ist bizarr, dass gerade du dich vor Holzwürmern ekelst,“ sprach eine monotone Stimme, die sofort in Tyke den Wunsch erweckte sich am nächsten Baum aufzuhängen. War der Klang dieser Stimme etwa die Essenz der Depression in ihrer reinsten Form? Lauter Essenzen in letzter Zeit. Und das auf einer solchen Insel. Der Rotschopf, dessen Blick bisher auf July geruht hatte, drehte sich zur Tür um und stieß nun ebenfalls einen gellenden Schrei aus, während er rücklings zu Boden stürzte. „Der Tod höchst persönlich! Arsens großer Bruder!“ „Rede keinen Unsinn. So gut sehe leider nicht aus und außerdem habe ich keine Brüder.“ „Was zum…“ „Tyke, darf ich dir vorstellen? Vinc van Goth, persönlicher Kartograph meines Vaters und der größte Künstler des gesamten West Blues,“ meinte July, die sich inzwischen wieder etwas beruhigt hatte, „Und Vinc. Das ist Raven D. Tyke, Retter unserer Insel.“ Der Maler war ganz offensichtlich aufgrund von Julys Schrei aus seiner Behausung hinaus getreten und sein Anblick hatte dann schließlich ihren Begleiter erschreckt. Was jedoch wenig überrasche, wenn man aussah wie eine schwarze Moorleiche. Das nachtschwarze Hemd passte sich der ausgefransten schwarzen Stoffhose und den schwarzen Schuhen perfekt an, die jedoch nicht von den schwarzen glatten Haaren und der ganzen schwarzen – zirka zehn Kilo schweren – Schminke im Gesicht ablenken konnten. Einen bunten Paradiesvogel konnte man van Goth definitiv nicht nennen. „Ich finde es immer wieder erstaunlich, meine liebe July, dass du als Naturmädchen mit Seelenverwandtschaft zur Pflanzenwelt und tierischen Liebe allen Lebewesen gegenüber – sogar den ekeligsten Würmern gegenüber – dich ausgerechnet vor Holzwürmern, Blattläusen, Heuschrecken und allen sonstigen Pflanzen fressenden Insekten fürchtest. Aber verzeiht meine ungehobelte Art. Tretet hinein in mein bescheidenes Domizil.“ „Ähm, lieber nicht,“ meinte July mit einem nervösen Blick auf die Holzwürmer – die sich auch auf der Innenseite der Tür tummelten. Wer wusste schon, wie es im Inneren aussah. „Nun gut. Was kann ich dann für euch tun?“ „Die Freude am Leben neu entdecken?,“ schlug Tyke vor, während er ebenfalls sich von seinem persönlichen Schock erholte und sich aufrichtete. „Was Tyke damit meint ist, dass du ihm bitte einen Jolly Roger zeichnest. Otou-san hat ihm ein Schiff geschenkt und er brauch nun für das Segel und die Flagge am Krähennest einen Totenkopf.“ „Eine meiner leichtesten Übungen,“ meinte die düstere Gestalt, entsprungen den traurigsten Ecken der Hölle, während er einen Zeichenblock holte und sich dann vor seine Tür auf den Boden setzte. „Also, was darf es sein?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)