The Healing Touch von MayTanner (This was love at first sight, love everlasting, a feeling unknown, unhoped for, unexpected...) ================================================================================ Kapitel 14: Remembering Remy ---------------------------- . . . „Alors, Du mußt nicht weinen, Du hast es geschafft, ma petite“, sagte der Fremde mit sanfter Stimme und half ihr wieder auf die Beine, um ihr mit einem feuchten Handtuch über das heiße Gesicht zu wischen. Sie schlug seine Hand mit einem letzten Funken von Energie, den sie in sich finden konnte, aufgebracht zur Seite. Sie gab ihm die Schuld, daß sie dieses entsetzliche Erlebnis durchmachen hatte müssen. Am liebsten hätte sie ihn geschlagen oder angebrüllt, aber sie fühlte sich einfach zu schwach dafür, sie hatte sogar Mühe, sich aufrecht auf ihren wackeligen Beinen zu halten. „Lassen Sie mich alleine. Ich komme schon zurecht!“, blaffte sie ihn ziemlich bissig an. Candy drehte sich von ihm weg und stütze sich am Waschbecken ab, um nicht in die Knie zu gehen, da sie sich immer entkräfteter fühlte. Remy lachte nur amüsiert auf: „La politesse n’ est pas nécessaire autours amis, ma petite! Brauchst Du Medikamente oder etwas anderes? Die Sitzung scheint dich ziemlich mitgenommen zu haben.“ (Unter Freunden muß man nicht höflich sein, Kleine!) Candy stöhnte innerlich auf, sie brauchte dringend Energie und sie mußte wohl oder übel die Hilfe dieses Kerls annehmen, wenn sie nicht umkippen wollte. So knapp wie möglich verlangte sie nach etwas Eßbarem wenn möglich mit hohem Zuckergehalt, was der geschniegelte Typ schmunzelnd zur Kenntnis nahm und sie dann endlich allein ließ, damit sie sich frisch machen konnte. Sie hatte sich im Badezimmerschränkchen umgeschaut und zu ihrer Freude eine noch verpackte Zahnbürste entdeckt, mit der sie sich bestimmt fünf Minuten lang die Zähne putzte, um den sauren Geschmack der Galle loszuwerden. Als sie aus dem Bad trat, wartete Mèmène auf sie und wies ihr den Weg durch eine enge Diele zur Küche, aus der verlockende Düfte kamen, die Candy gierig durch die Nase zog. Wenn sie nicht bald etwas zu essen bekam, dann würde sie einfach über den Kühlschrank der Frau herfallen und alles in sich hineinstopfen, was ihr in die Hände fiel. Und das würde bestimmt kein schöner Anblick werden! An einem einfachen Holztisch saß schon der junge Mann und sah ihr lächelnd entgegen: „Setz dich, Maman wird uns gleich mit ihrem Bread Pudding verwöhnen.“ Candy fragte nicht nach, was das sein sollte, sie würde jetzt alles essen. Mèmène stellte eine Auflaufform auf den Tisch, dessen Inhalt mit einer karamelisierten Kruste überzogen war. Bald hatte Candy einen Teller mit einem großen Stück der Spezialität vor sich stehen und schob sich probeweise eine Gabel des Backwerks in den Mund. Der süße Geschmack explodierte in ihrem Mund und der Alkohol schoß sofort in ihre Adern, wo er für etwas Ruhe in ihrem Nervensystem sorgte. Sie verputzte das köstliche Mahl in Rekordzeit und bemerkte erst, als ihr Teller leer war, daß Remy und Mèmène sie amüsiert beobachteten. Die Frau sagte irgendetwas zu Remy, was ihn zu lautem Lachen veranlaßte und legte ihr gleich noch ein Stück vom Bread Pudding nach. Candy warf alles Schamgefühl über Bord, in den Augen des Mannes konnte sie eigentlich nicht mehr viel Peinlicheres anstellen als ihren Ausbruch im Bad. „Das Zeug schmeckt phantastisch“, murmelte sie und schob sich eine weitere, voll beladene Gabel in den Mund. Als Normalsterblicher bekam man von diesem Dessert bestimmt einen Schwips, denn es war regelrecht mit Whiskey durchtränkt, doch es schmeckte einfach göttlich. Remy grinste breit: „Mèmène kocht noch typisch auf die alte Cajun Art, ihr gehört die Kneipe die sich im Erdgeschoß befindet, die „Cachette“. Ihr Bread Pudding ist heiß begehrt. Verrätst Du uns deinen Namen?“ „Ich heiße Candy“, gab sie kurz angebunden zurück, im Moment war die Nahrungsaufnahme wichtiger. Remy zog eine Augenbraue hoch und er taxierte die junge Frau genauer, dabei fiel ihm auf, daß ihre Frisur irgendwie nicht zu dem legeren Kleid passen wollte. „Sehr passend, wenn ich so deinen Appetit betrachte, ma chère. Hast Du noch etwas vor?“ Candy sah ihn irritiert an und verstand ihn erst, als seine Hand kurz über ihre kunstvoll zusammengesteckte Haare fuhr, die wie ein Wunder nicht allzu sehr durcheinander geraten waren. (…und die Frisur hält… *g*) „Mein Gott!“, rief sie aus und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Es war gerade mal eine Stunde vergangen, seitdem sie das Hotel verlassen hatte, dennoch kam es ihr vor als wäre sie schon Stunden hier. Sie war schon viel zu spät dran! „Ich muß sofort zurück zum Hotel, verdammt. Ich werde zu spät zum Ball kommen.“ Candy sprang auf die Füße und sah Remy auffordernd an. „Ich muß sofort zurück. Wie komme ich wieder zum Hotel?“ Remy erhob sich und setzte seine Sonnenbrille wieder auf, die er in der Innentasche seines Mantels versteckt hatte, den er immer noch trug. „Mach dir keine Sorgen, ich bringe dich, ma petite. Das ist doch das Mindeste, was ich tun kann pour la compensation (Wiedergutmachung)“, erwiderte er charmant. Mèmène schloß sie zum Abschied kurz in ihre Arme und drückte sie an ihren großen Busen. „Wenn ich irgendwann einmal etwas für dich tun kann, Du brauchst nur zu fragen, fillette. Du hast Bella zwei Mal das Leben gerettet, Du mußt etwas ganz Besonderes sein.“ Candy wehrte alle weiteren Dankesbezeugungen ab, dennoch war sie gerührt, daß die Frau sich nun doch von der herzlichen Seite zeigte. Sie bedankte sich in ihrem besten Schulfranzösisch und folgte dann Remy wieder nach draußen. Als sie sich dem Hotel näherten, nahm er sie fest an der Hand und führte sie sicher durch die tobende Menge, bis sie das Foyer ihres Hotels betraten. Candy lief zielstrebig zum Empfang und fragte nach, ob der bestellte Chauffeur sie schon erwartete. Sie mußte ihn um eine halbe Stunde vertrösten, denn sie wollte noch duschen und sich umziehen. „Soll ich bei den Roy-Desjardins Bescheid geben, daß Sie sich zum Dinner verspäten werden, Miss Genova?“, fragte der Portier hilfsbereit. „Das wäre sehr nett, vielen Dank“, gab Candy zurück und hoffte, daß ihre Verspätung nicht zu sehr ins Gewicht fiel. Sie würde sonst irgendeine Lüge erfinden müssen und sie verabscheute Unehrlichkeit, auch wenn sie in ihrem Fall wohl gerechtfertigt war. Sie drehte sich um und lief in Remy hinein, der überraschenderweise immer noch da war. Sie hatte sich bei ihm fürs Zurückbringen bedankt und gedacht, daß er gleich danach verschwinden würde. „Hoppla, nicht so stürmisch. Du gehst also auf einen großen Ball, wer hätte das gedacht!“ Candy stockte der Atem, als er sie fest in die Arme nahm, doch sie konnte noch erwidern: „Ich hab’s eilig, Remy. Ich werde erwartet und bin schon zu spät dran.“ „Eh bien, poulette (Hühnchen im Sinne von Schätzchen)! Dann sollten wir uns nun verabschieden.“, meinte er mit einem leichten Lächeln auf seinem schön gezeichneten Mund, dessen Form Candy erst jetzt auffiel, nachdem sie ihm so nah war. „Au revoir!“, sagte Candy und betonte die Wörter bestimmt, damit er sie endlich los ließ und sie in ihr Zimmer kam. Remy zog nur seine Brille ab und sah ihr tief in die Augen. „Ma chère, das ist doch kein Abschied. Vielleicht sehen wir uns nie wieder!“, flüsterte er einschmeichelnd. Candy wollte ihm an den Kopf werfen, daß sie das auch schwer hoffte, daß er sich seine blöden Kosenamen sonst wohin stecken konnte, doch irgend etwas in seinem Blick brachte sie zum Schweigen. Ihre Lippen öffneten sich leicht, doch sie fand keine Worte, versank in dem bezwingenden Blick seiner bemerkenswerten, rotschwarzen Augen. Als sich sein Mund auf ihren senkte und die Berührung wie ein Stromschlag durch sie hindurch schoß, war es, als würde er ihr damit ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen und sie ließ seine warme Zunge in ihren Mund dringen, ohne daran zu denken, daß sie im Foyer eines Hotels stand und jedermann ihnen zusehen konnte. Am Ende hielt Remy ihr glühendes Gesicht umfaßt und lächelte auf sie herunter, denn er war über einen Meter achtzig groß und überragte Candy um mehr als zwanzig Zentimeter. „Das war ein Abschied, à bientôt!“, flüsterte er neckend und ließ sie dann vollkommen durcheinander in der Eingangshalle des Hotels stehen, wo er bald aus ihrem Blickfeld verschwand, nachdem er das Hotel über den Haupteingang verlassen hatte. Candy riß sich mit aller Macht zusammen und stürmte zu den Aufzügen, sie hatte keine Zeit, sich um diesen elenden Casanova Gedanken zu machen und konnte trotzdem sehr zu ihrem Unmut keine Sekunde aufhören, an ihn zu denken. ° ° ° Justins Familiensitz war überwältigend, ein weißes Gebäude noch aus der Kolonialzeit, das im Antebellum Stil gebaut war, den wohl jedes Kind noch aus dem Film „Vom Winde verweht“ kannte. Beim Anblick des Hauses erwartete man regelrecht, eine Südstaatenschönheit mit einem weit schwingenden Reifrock und einem kecken Sonnenschirmchen über der Schulter auf der Veranda flanieren zu sehen. Als sie die Allee in der eleganten Limousine, die ihr Justin ins Hotel geschickt hatte, entlang gefahren war, bemerkte sie, daß die Straße extra für diese Veranstaltung abgesperrt worden war, und damit keine ungebetenen Gäste sich dem Anwesen nähern konnten, wurden sogar Personenkontrollen durchgeführt. Ihr Chauffeur lud sie am Haupteingang ab, wo schon sehr viele Gäste in kleinen Gruppen draußen auf der Terrasse standen und die laue Nacht genossen. Viele waren in erlesenen Kostümen gekleidet und die Damen trugen dazu ihren wertvollsten Schmuck, der im Schein der Lichter bei jeder Bewegung funkelte. Candy hätte am liebsten Bilder gemacht, doch die Kamera lag im Hotelzimmer, sie wäre kein passendes Accessoire für ihr elegantes Abendkleid gewesen. Es war aus dunkelrotem Samt und hatte sie bei der Anprobe ein wenig an das weltbekannte Kleid von Scarlett O’Hara erinnert, die berühmte Szene mit den herunter gerissenen samtenen Vorhängen, und sie fand es passend für ein Fest in New Orleans, das wie Georgia ja auch zu den Südstaaten zählte. Das Essen hatte sie natürlich verpaßt, aber die strahlende Madison in einem Originalkleid aus der Kolonialzeit hatte es ihr zum Glück nicht übel genommen. Zumindest entnahm sie das dem glücklichen Lächeln und dem kleinen Zwinkern, die ihr die Braut geschenkt hatte, als sie in den Armen ihres frisch angetrauten Ehemannes an ihr vorbei geschwebt war. Candy nippte an ihrem Champagner und ihr Blick glitt über die vorbei tanzenden Gäste, die ein Kaleidoskop an Farben vor ihren Augen aufblitzen ließen. „Mademoiselle? Würden Sie mir den nächsten Tanz gewähren?“, flüsterte eine Stimme von hinten in ihr Ohr, die ihr einen wohligen Schauer den Rücken hinunterjagte. Sie drehte sich abrupt um und starrte zu Remy hoch, der zu seinem eleganten Smoking eine verspiegelte Sonnenbrille trug und verboten gut aussah. „Remy! Was machst Du hier?“, entfuhr es Candy überrascht. Er nahm ihr das Champagnerglas aus der Hand und stellte es einem der Kellner aufs Tablett, die die Gäste beständig mit einem Strom alkoholischer Getränke versorgten. Dann nahm er ihre Hand in seine und hauchte einen galanten Handkuß darauf, der Candy ein Kribbeln in der Magengegend verursachte. Er lächelte sie spitzbübisch an: „Ich bin dein Begleiter, Chérie!“ Er nahm sie in die Arme und dirigierte sie unbarmherzig in die tanzenden Gäste hinein, wo er sich dann geschickt in die Tänzer einreihte und sie schwungvoll über die Tanzfläche führte. Candy hatte keine Chance zur Gegenwehr, denn Madison tanzte in der Nähe und bedeutete ihr mit einem verschwörerischen Lächeln, daß sie Candys Begleiter äußerst attraktiv fand. Candy setzte ein Lächeln für die Umgebung auf, zischte dem eingebildeten Kerl jedoch erbost zu: „Was fällt dir ein! Justin ist ein sehr mächtiger Mann, wenn ich auf seiner Party einen Skandal provoziere, kann das böse Konsequenzen für mich haben!“ Remy drückte sie nur fester an sich und erfreute sich an dem Aufblitzen ihrer besonderen Augen, die wie kleine silberne Seen aussahen. Es wäre interessant zu sehen, wie sich ihre Augen veränderten, wenn sie sich der Leidenschaft hingab. „Übrigens heiße ich Remy LeBeau, wenn dich jemand fragen sollte. Und mach dir keine Sorgen, ma chère, ich werde die Brautleute nicht stören.“ Candy schnaubte aufgebracht, der Kerl hieß doch tatsächlich LeBeau, der Schöne, mit Nachnamen? Das war wirklich der Gipfel! Kein Wunder, daß er so eingebildet war! Was wollte Remy hier auf diesem Ball? Wie hatte er die strengen Sicherheitsvorkehrungen überhaupt unbehelligt überwinden können? Ihretwegen war er bestimmt nicht gekommen, da war sie sich sicher. Bei diesem Gedanken runzelte sie verärgert die Stirn, da ihr Herz bei seinem Anblick vorhin tatsächlich einen kleinen Satz gemacht hatte. Ihr Verdacht wurde bestätigt, als er sie von den Tänzern wegzog und ihren Arm durch seine Armbeuge zog. Das sah für die Umstehenden vollkommen entspannt aus, aber er hielt ihre Hand fest umklammert, damit sie sich ihm nicht entziehen konnte. Sie probierte es, doch er machte nur einen leisen schnalzenden Laut. „Remy, was soll das?! Laß mich los!“, verlangte Candy genervt, doch er ließ nicht locker. Sie liefen durch das Haus und Remy führte sie eine Treppe nach oben, wo er zielstrebig auf eine verschlossene Tür im hinteren Teil des Hauses zuging, die von zwei Bodyguards in dunklen Anzügen flankiert wurde. Der eine streckte die Hand abwehrend aus, um sie aufzuhalten, doch Remy hatte blitzschnell ausgeholt und den Mann mit einem Kinnhaken niedergestreckt und mit einem Kick seines Beines den anderen zu Boden geworfen. Die Männer blieben ziemlich benommen liegen, während Candy mit einem erschrockenen Aufschrei zurückgewichen war, doch Remy packte ihre Hand und öffnete die Tür, dann zog er sie mit in den Raum hinein. Hier drinnen hielten sich weitere Gäste auf, die scheinbar dem Glücksspiel frönten, einige saßen an Roulettetischen, andere an Tischen mit Baccarat- oder Pokerrunden. Die meisten Spieler blickten nicht einmal auf, als sie das Zimmer betraten, sie waren viel mehr an den hohen Einsätzen auf den Spieltischen interessiert. Remy ging zielstrebig auf einen Mann mit langen dunklen Haaren, die eindrucksvoll über seine Schulter fielen, zu. Er saß in einem Stuhl mit hoher Lehne und eine provokant gekleidete Asiatin mit einer aufgetürmten Pompadour-Frisur beugte sich eben zu ihm herunter, um ihn eine Zigarre anzuzünden. Der Ausschnitt ihres Corsage-Oberteils war so tief, daß Candy jede Sekund erwartete, der Busen der Frau würde herausfallen, wenn sie sich weiter so tief über den Mann beugte. Als sie den Mann fast erreicht hatten, stürzten die Bodyguards in den Raum und wollten sich auf Remy werfen, doch der Mann mit der Zigarre hob nur kurz die Hand und die Männer zogen ab, obwohl sie mit den Zähnen knirschten und ihre Körperhaltung von schwer unterdrückter Angriffslust kündete. „Impulsiv wie immer Remy, mon ami! Das wäre doch auch wesentlich eleganter zu lösen gewesen“, meinte der Mann und paffte seelenruhig auf seiner Zigarre weiter, während um sie herum die Spieler ihre Einsätze machten und keinerlei Notiz von ihnen nahmen. „Tessa*, laß das sein!“, meinte Remy und warf der asiatischen Schönheit, die ihre Hände in die Hüften gestützt hatte und ihn nicht aus den katzenhaft betonten Augen ließ. Die Asiatin zuckte nur mit den Schultern und grinste Remy keck an. Candy fragte sich, was Remy gemeint hatte, aber sie wagte es kaum, einen Atemzug zu nehmen, während sie ihr Gegenüber abschätzend taxierte. Das Auftreten des Mannes machte den Eindruck, als wäre er sehr mächtig und skrupellos, sein Gesicht sah aus wie aus Bronze gegossen und seine schwarzen Augen blickten verschlagen. „Ich wollte dem schwarzen König nur persönlich ausrichten, daß sein Anschlag mißglückt ist. Bella geht es gut. Was ein Glück für dich ist, Shinobi*, denn sonst wärst Du ein toter Mann.“ Dieser Shinobi war also auch ein Asiat, Candy hatte schon überlegt, ob er wohl von amerikanischen Ureinwohnern abstammte, da dunkel getönte Haut und hohe Wangenknochen hatte. Wieso nannte ihn Remy den schwarzen König? Hatte das etwas mit der Tatsache zu tun, daß der Mann einen fetten Siegelring am rechten Ringfinger trug, auf dem eine dunkle Schachfigur abgebildet war? Shinobis Mund verzog sich zu einem schmallippigen Lächeln: „Wieso glaubst Du, ich hätte etwas mit einem Anschlag auf deine Ex-Frau zu tun? Remy, das ist einfach nicht mein Stil.“ Die Asiatin hielt ihm in einer devoten Geste einen silbernen Aschenbecher hin, wo der Mann seelenruhig die Zigarrenasche abstreifte. Remy lachte trocken auf: „Weil sie Marius’ Tochter ist und Du noch eine Rechnung mit dem Anführer der „Thieves Guild“ hast.“ Candy verstand kein Wort von dem, was die beiden Männer da besprachen. Anführer einer Innung von Dieben? Wo gab es denn so etwas? Konnte man die etwa in den Gelben Seiten nachschlagen? „Mais non! Das Problem ist erledigt, ich denke, daß ein übereifriges Mitglied hier am Werk war. Richte Marius aus, daß ich mich darum kümmern werde. Du mußt dir angewöhnen, weniger hitzköpfig zu handeln. Wir regeln im Hellfire Club die Probleme immer auf zivilisierte Weise. Und nun solltest Du die Party genießen, Du ängstigst deine entzückende Begleitung nur unnötig, wenn Du solche wüsten Drohungen ausstößt.“ Candy trat unwillkürlich einen Schritt näher an Remy heran, als der Blick des Mannes erneut auf sie fiel. Sie hätte ihm gerne gesagt, daß er seine Untergebenen sehr schlecht unter Kontrolle hatte, wenn die einfach Mordanschläge auf wehrlose Opfer verübten, doch sie wußte auch, wann man besser den Mund hielt. Zwischen Remys Fingern der rechten Hand blitzte plötzlich eine Spielkarte auf, die er mit einer eleganten Bewegung aus dem Handgelenk schießen ließ, so daß sie auf dem Schoß des Mannes landete, der erschrocken zurückzuckte und fast seine Zigarre fallen ließ. Es war das Pik As, die Karte des Todes. „Wenn Bella etwas passieren sollte, wird die nächste Karte dich entmannen, das verspreche ich dir, Shinobi. Ich werde nicht durch so zivilisierte Anwandlungen, wie sie dich heimsuchen, davon abgehalten werden. Paß also auf deine hirnlosen Lakaien auf. Komm Candy, ich bin sicher, daß dir die Party unten besser gefallen wird.“ Er legte einen Arm um ihre bloßen Schultern und verließ mit ihr das Spielzimmer. Candys Herz klopfte bis zum Hals, weil sie fürchtete, dieser Shinobi würde sie aufhalten lassen, doch die Bodyguards ließen sie, wenn auch mit ziemlich saurer Miene unbehelligt passieren. Nach einem Blick in ihre versteinerte Miene beschloß Remy mit Candy nach draußen zu gehen, damit sie sich wieder fassen konnte, ohne von jemandem dabei beobachtet zu werden. Draußen waren die Bäume mit Lichterketten geschmückt worden, so daß er den Weg zu einem kleinen Pavillon im Park fand, in dem einige bequeme Gartenmöbel standen. Candy ließ sich auf einen gepolsterten Stuhl fallen und nahm einige tiefe Atemzüge, um ihren galoppierenden Herzschlag zu beruhigen. „Was ist dieser Hellfire Club und hat Justin etwas damit zu tun?“, fragte sie nach einigen Augenblicken und sah mit großen Augen zu ihm auf, deren Pupillen immer noch schreckgeweitet waren. Remy lehnte sich an einen Pfeiler des Pavillons und spielte gedankenverloren mir einer anderen Spielkarte, die er irgendwie aus seinem Ärmel gezaubert hatte. „Je nachdem, wie Du das meinst. Der Hellfire Club ist nach außen hin mit dem Rotary-Club vergleichbar. Viele angesehene Geschäftsleute sind Mitglieder dieses Clubs. Es gibt aber einen Inneren Kreis, zu dem Shinobi Shaw gehört, dessen Mitglieder, sagen wir, sich nicht scheuen, ihren Gewinn auch mit skrupellosen Geschäften zu vergrößern. Ich denke nicht, daß dein Freund davon weiß, der Innere Kreis lebt von der Geheimhaltung. Die meisten reichen Gönner werden als Aushängeschild benutzt, um die geheimen Machenschaften zu verschleiern.“ Candy atmete innerlich auf, sie hätte Madison ungern mitgeteilt, daß ihr Mann ein Verbrecher erster Güte war. Remy wartete auf ihre weiteren Fragen, die wohl unweigerlich kommen würden. Er hatte der Frau in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft schon ziemlich viel zugemutet. Aber sie war sein Trumpf in diesem Spiel gewesen, er hatte nur riskieren können, Shinobi zu konfrontieren, weil er wußte, daß Candy ihn wieder zusammenflicken konnte, wenn der schwarze König den Befehl gegeben hätte, ihn liquidieren zu lassen. „Warum hatte Shinobi solche Angst vor einer einfachen Spielkarte?“, fragte Candy weiter. Remy grinste breit und gab eine kleine Vorstellung, indem er die Karte die er in der Hand hielt, leicht auflud und dann in die Dunkelheit warf, wo sie in einem kleinen Funkenregen leise explodierte. „Das geht natürlich auch viel heftiger, ma petite. Damit kann ich jemanden sehr wehtun oder sogar töten, und es muß nicht einmal eine Spielkarte sein, ich könnte das mit der Gabel des Mannes machen, ohne daß er es bemerkt und beim nächsten Mahl explodiert sein canard à l’ orange ihm mitten im Gesicht.“ „Oh!“, entfuhr es Candy ehrfürchtig, diese Vorstellung würde sie auch zu Tode erschrecken. „Hast Du keine Angst, daß der Mann dich für diese Provokation tötet? Ich meine, er schien mir, als würde er vor nichts zurückschrecken.“ Remy lächelte leicht: „Machst Du dir Sorgen um mich? Brauchst Du nicht, ich werde gut auf mich aufpassen, es ist nicht die erste Morddrohung für mich.“ Candy schüttelte den Kopf, sie wußte nicht, ob sie seine Haltung bewundern oder für total hirnlos halten sollte. Sie erhob sich von dem Gartenstuhl und trat neben ihn, da er an der Säule neben dem Eingang lehnte. „Wie geht es deiner Ex-Frau? Ich habe in der ganzen Aufregung vergessen, nach ihr zu sehen, bevor ich ins Hotel zurück bin.“ Remy verzichtete darauf, Candy darüber aufzuklären, daß sie genau genommen noch verheiratet waren, obwohl sie seit Jahren getrennt lebten. Das Ganze wäre einfach zu kompliziert gewesen. „Bella geht es gut, als ob nie etwas passiert wäre. Ich habe sie bei ihrem Vater abgesetzt, bevor ich hierher gekommen bin. Die Familie Boudreaux würde dir gerne für dein Eingreifen danken. Kann ich ihnen ausrichten, daß Du sie Morgen besuchen kommst?“ Candy nickte: „Ja, ich bin sowieso noch zwei Tage in der Stadt. Ich sollte jetzt wieder reingehen, ich habe noch gar nicht mit dem Brautpaar gesprochen.“ Sie wollte an ihm vorbei gehen, doch er hielt sie am Oberarm auf. „Nicht so hastig, Mademoiselle! Ich werde dich begleiten.“ Seine Hände umfaßten ihre nackten Oberarme und zogen sie näher an sich heran, bis sie an seine muskulöse Brust stieß und ihn bei jedem Atemzug spürte. Sie wollte sich gegen ihn stemmen, doch ihre Hände entwickelten ein Eigenleben und glitten über seine Brust um seinen Hals, wo sich ihre Finger in sein weiches Haar gruben, das er länger trug als die Vertreter der eleganten Gesellschaft. Diesmal machte Candy den ersten Schritt und küßte ihn hungrig auf die Lippen, die ihrem Ansturm sofort nachgaben und sich ihrer Zunge öffneten. Der Mann hatte irgendetwas an sich, das sie bis in die Zehenspitzen elektrisierte und ihre Barrieren einfach zu Boden riß. Etwa zehn Minuten später betraten beide wieder das Haus und suchten nach den Brautleuten, damit Candy ihre gesellschaftliche Pflicht erfüllen konnte. Gegen Mitternacht verließen sie gemeinsam den Ball und wurden von der Limousine zum Hotel gefahren, in dem Candy wohnte. Entgegen ihrer sonst so strengen Prinzipien ließ sie es einfach zu, daß Remy sie auf ihr Zimmer begleitete und verbrachte sogar die Nacht mit ihm… ~ ~ ~ „Candy? Was ist los?“ Logans dröhnende Stimme riß Candy aus ihrer Versunkenheit und sie wurde rot, als sie bemerkte, daß die Augen aller Anwesenden auf sie gerichtet waren. Was hatte Logan gesagt? Wie lange hatte sie eben vor sich hingeträumt? Sie starrte hoch zum Monitor, wo sie ein neues Bild entdeckte. Da stand Remy wieder bei einer unbekannten Person, diesmal trug er sogar diesen Trenchcoat, der seinerzeit sein Lieblingsstück gewesen war. „Wir haben leider festgestellt, daß dieser Mann keinem vom Team bekannt ist. Hast Du jemanden auf den Bildern erkannt?“, fragte Scott freundlich, der sich vorstellen konnte, daß Candy sich unter ihrer ersten Teamsitzung wohl etwas Aufregenderes vorgestellt hatte als eine ergebnislose Diashow. Sie kannte einfach zu wenig Mutanten, um ihnen in diesem Fall behilflich sein zu können, da wären seine Gedanken wohl auch abgeschweift. Sie sah kurz zu Logan rüber, der im Begriff war sich zu erheben und platzte dann einfach raus: „Der Mann heißt Remy LeBeau!“ Logan plumpste auf seinen Stuhl zurück, der unter seinem Gewicht ächzte, und die anderen starrten Candy sprachlos mit großen Augen an. „Welcher Mann?“, hakte Logan nach und die Härchen in seinem Nacken stellten sich auf, wie immer, wenn er eine ungute Vorahnung hatte. „Na, derjenige, der die Marauders zusammengestellt haben soll. Er ist es bestimmt. LeBeau ist auch ein Mutant, er kann leblose Objekte mit Energie aufladen und diese explodieren dann bei Kontakt. Am liebsten benutzt er Spielkarten und dieser Trenchcoat gehört zu seinen Markenzeichen.“ Candy wurde immer leiser beim Sprechen, weil Logans Miene immer finsterer wurde. Sie sah in die Gesichter ihrer Kollegen, die jedoch eher freudig erregt wirkten als aufgebracht. Ihr wäre wirklich lieber gewesen, wenn sie nicht diejenige gewesen wäre, die den Mann identifizieren konnte. Wieso ausgerechnet Remy, ging ihr immer wieder durch den Kopf. „Remedy, würdest Du uns erklären, woher Du diesen Mann kennst?“, fragte der Professor in die erdrückende Stille hinein und benutzte ihren Codenamen, um ihr zu zeigen, daß es sich um eine offizielle Teambesprechung handelte und keiner hier ein Interesse daran hatte, in ihre Privatsphäre einzudringen. Was sollte Candy darauf erwidern? „Es ist schon eine Weile her, über fünf Jahre, Professor Xavier. Ich habe Remy in New Orleans während des Mardis Gras kennen gelernt. Ich habe seine Frau geheilt, als sie damals angeschossen wurde. Danach habe ihn nur noch einmal in New York wieder gesehen.“ Candy hatte ihre Worte sehr sorgfältig ausgewählt und absichtlich erwähnt, daß sie Remys Frau geheilt hatte. Logan blickte jedoch keineswegs besänftigt und in den Augen einiger X-Damen konnte sie erkennen, daß sie mehr hinter ihren harmlosen Worten vermuteten. „Ich nehme nicht an, daß Du eine Adresse von ihm besitzt?“, fragte Scott hoffnungsvoll. Candy schüttelte den Kopf: „Nein, das nicht. Aber ich kenne jemanden in New Orleans, zu dem Remy regelmäßigen Kontakt hält. Und dann wäre da noch die Familie seiner Frau.“ Der Professor lächelte zufrieden: „Dann ist unser nächster Schritt klar. Remedy und Logan fliegen nach New Orleans, um diesen Mutanten aufzuspüren, der zumindest Kontakt zu den Marauders hat, wenn er nicht der Kopf der Bande ist. Es wäre ein großer Durchbruch für uns, wenn wir seiner habhaft werden könnten. Das wäre alles, wir warten die Ergebnisse der Reise ab und sehen dann weiter.“ Die Versammlung löste sich auf und die X-Men verließen in Grüppchen das Besprechungszimmer, bis nur noch Logan und Candy übrig waren. Sie blieb unschlüssig neben ihrem Stuhl stehen und sah ihn unsicher an, während er noch am Computer saß und konzentriert einige Daten eingab. „Wir fliegen Morgen sehr früh, ich will nicht in den dichten Flugverkehr kommen, wir treffen uns um sechs am Hangar.“, sagte er über seine Schulter zu ihr. „Ich werde da sein, Logan. Ich will dich nicht länger stören, wenn Du noch zu arbeiten hast. Vielleicht sehen wir uns später beim Abendessen?“ „Ja, vielleicht.“, gab er kurz angebunden zurück und sah nicht einmal in ihre Richtung. Er hatte ihrer Stimme angehört, daß sie gerne mit ihm geredet hätte, daß seine schroffe Abfuhr sie verletzt hatte, doch er brachte es im Moment nicht über sich, ihr entgegenzukommen. Candy betrachtete traurig seine gespannte Kinnlinie und den verkrampften Rücken. Das stand groß und breit: Do not trespass! Sie seufzte leise und wählte den schweigenden Rückzug, sie mußte selbst erst einmal ihre Gedanken sortieren, bevor sie mit Logan über ihre Vergangenheit sprach. Fortsetzung folgt… *Anmerkung der Autorin: Die erwähnten Charas wie Shinobi und seine Assistentin Tessa stammen aus dem X-Comic-Universum und gehören dem "Hellfire Club" an. Der Club wurde später von Emma Frost angeführt, der "White Queen", die sich öfters mit den Comic-X-Men angelegt hat, aber das ist eine andere Story... Die Verwicklungen, daß Shinobi Ärger mit Bellas Dad hat, habe ich einfach erfunden, weil es mir so in den Kram gepaßt hat. Auch die Thieves Guild gibt es im Comic, und Remy wurde von deren Anführer großgezogen. Falls ihr euch wegen dem kleinen "Schlagabtausch" zwischen Remy und Tessa wundert, sie ist ein leichtes Psi-Talent und hat versucht, Remy zu beeinflussen, doch er kennt ihre Tricks ja. Tessa und Shinobi haben nur einen kleinen Gastauftritt, deshalb habe ich ihre Fähigkeiten nicht weiter erklärt. So sieht der Leser die Konfrontation durch Candys unwissende Augen. P.S.: Remys Steckbrief ist unter Charaktere unter Punkt 8 nachzulesen. Hosted by Animexx e.V. 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