15 Jahre von SweeneyLestrange (..träumte ich, zu Frau und Kind zurückzukehren) ================================================================================ Kapitel 4: Die List ------------------- Die letzten Tage vor dem Gerichtsverfahren schienen für Benjamin eine Ewigkeit zu dauern und gleichzeitig waren sie wie im Flug vorüber gezogen. Unruhe hatte sich seiner bemächtigt, wenn er daran gedacht hatte, endlich Newgate verlassen zu können und doch war da auch Angst gewesen - die Furcht, die sich schleichend in ihm ausbreitete, trotzdem für schuldig befunden zu werden. Selbst sein unerschütterliches Vertrauen, das alles handle sich um einen Irrtum, hatte ihr nichts anhaben können und so hatte es ihn in den letzten Tagen immer mehr zermürbt, bis er sich schließlich dazu gezwungen gesehen hatte, nur noch die Möglichkeit eines Missverständnisses in Betracht zu ziehen. Etwas anderes gab es einfach nicht! War weit von seiner Vorstellungskraft entfernt… Und dann kam der Tag, an dem die Zellentür für das Gerichtsverfahren geöffnet wurde. Mehrere Wärter traten ein und trieben die Insassen dazu, sich in Reih und Glied aufzustellen. Anschließend wurden ihnen Handfesseln angelegt und sie wurden zum Gericht geführt. Benjamin erfuhr, dass alle nacheinander ihren Prozess erhalten würden und so blieb ihm nichts anderes übrig, als unter der Aufsicht der Wärter mit den verbliebenen Gefangenen auf sein Verfahren zu warten. ~*~ Büttel Bamford betrat das Zimmer des Richters und ließ unwillkürlich seinen Blick durch den gemütlichen Raum schweifen. Aufgemalte Bilder zierten die Teile der Wand, die nicht von einem der hohen dunklen Bücherregale verdeckt wurden. Es waren Bilder, deren dargestellten Bildnisse auf manch einen Betrachter obszön wirken mussten, doch nicht so auf Richter Turpin. Dieser saß in einem der großen Ledersessel und versuchte, in der wenigen Zeit, die ihm noch bis zum Gerichtsverfahren blieb, zu entspannen. Es gelang ihm jedoch nicht. Allein der bloße Gedanke daran, dass er Benjamin in wenigen Stunden los sein würde, bereitete ihm eine ungemeine Freude und weckte seine Unruhe. Schließlich winkte er mit einer knappen Handbewegung den Büttel, welchen er herbestellt hatte, zu sich. Bamford eilte sogleich herbei und fragte eifrig: „Was wünschen Sie, mein Herr?“ „Ich will, dass Sie Lucy, die Frau des Barbiers, vom heutigen Gericht fernhalten! Es ist mir gleichgültig, wie Sie das anstellen werden. Versuchen Sie dabei aber bitte so höflich und freundlich wie möglich zu sein“, erklärte der Richter bedeutungsvoll und erhob sich, in Gedanken schon längst beim Gerichtsverfahren, das bald beginnen würde. Nicht mehr lange und ihm allein würde Lucy gehören. Niemand würde ihm dann noch im Wege stehen. „Wie Sie befehlen“, riss der Büttel ihn wieder aus seinen Gedanken und buckelte mehrmals. Dann wandte sich Bamford mit einem knappen Wort des Abschieds ab und machte sich auf den Weg, den Wunsch Turpins zu dessen Zufriedenheit zu erfüllen. Er konnte sich denken, was sein Herr damit bezweckte… Es dauerte nicht lange und Büttel Bamford hatte die Fleet Street erreicht. Er eilte, so schnell es ihm möglich war, zum Laden des Barbiers, wo er heftig gegen die Tür klopfte. Eine zurechtgemachte Lucy öffnete ihm. Sie hatte ihr bestes Kleid angezogen, was nur bedeuten konnte, dass sie vorhatte, das Gerichtsverfahren mitzuverfolgen und das durfte Bamford auf keinen Fall zulassen! Doch er brauchte sich nicht lange zu überlegen, wie er das Lucy erklären sollte, da diese, kaum dass sie die Tür geöffnet hatte, auch schon rief: „Oh, Sie sind es! Gibt es Neuigkeiten von meinem Mann? Komme ich zu spät und das Gerichtsverfahren hat schon längst begonnen? Oh bitte sagen Sie mir, dass Benjamin nichts zugestoßen ist.“ „Gute Frau, bitte beruhigen Sie sich“, versuchte der Büttel die aufgelöste Lucy zu beschwichtigen. Jedoch hatte sie ihn auf eine Idee gebracht und er fuhr fort: „Ihrem Mann geht es bestens, Sie brauchen sich freilich keine Sorgen um sein Wohlbefinden zu machen. Und seien Sie unbesorgt, das Gerichtsverfahren hat noch nicht begonnen. Ich soll Ihnen aber eine Bitte von Ihrem Mann ausrichten. Ihm ist es unangenehm, wenn Sie ihn vor Gericht sehen, deshalb wäre es ihm lieb, würden Sie hier auf seine Rückkehr warten.“ Etwas verständnislos starrte Lucy ihn an. Dann reckte sie trotzig das Kinn. Sie hatte nicht quälende Wochen durchgestanden, nur um dann vom Büttel gesagt zu bekommen, dass sie noch länger warten sollte, bis sie endlich ihren geliebten Mann wieder sehen konnte! Ihr war es dieses Mal beinahe egal, was die anderen sagten. Sie wollte einfach nur ihren Mann wiedersehen, das war doch nicht zu viel verlangt! Der Büttel erkannte, dass sich Lucy nur schwer überreden ließ. Nun lag es an ihm, ihr überzeugend vor Augen zu führen, warum sie warten sollte und dabei konnte das Gerichtsverfahren jeden Augenblick beginnen! Dessen war sich auch Benjamins Frau bewusst. Abwartend starrte sie Bamford an. Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte die Hände in die Hüfte gestemmt und ungeduldig mit dem Fuß aufgetreten. „Mrs Barker, Sie müssen doch verstehen, wie unangenehm es für Ihren Mann ist, zu wissen, dass seine geliebte Frau zusehen muss, wie er für ein Verbrechen beschuldigt wird“, erklärte Büttel Bamford. „Ich kann Ihnen versichern, dass es nicht lange dauern wird, bis das Gerichtsverfahren beendet ist. Ist es da von Ihrem Mann zu viel verlangt, wenn Sie etwas Geduld haben und um seinetwillen noch ein kleines bisschen länger warten?“ Es hatte keinen Zweck. Auch wenn Lucy es sich nur ungern eingestand, so hatte der Büttel recht und sie wollte nicht durch ihren Egoismus Benjamin traurig stimmen, indem sie seiner Bitte nicht nachkam. Also gab sie seufzend nach und sagte schließlich: „Nun gut, mein Mann wird sich dabei etwas gedacht haben. Ich danke Ihnen sehr, dass Sie mir seine Nachricht überbracht haben, Büttel Bamford.“ Mit diesen Worten schloss Lucy wieder die Tür und wartete vergebens auf ihren geliebten Mann. Erleichtert darüber, dass er Lucy am Ende doch noch dazu hatte bewegen können, nicht zum Gerichtsverfahren zu gehen, machte sich Bamford auf den Weg zum Gericht. Er erreichte es gerade rechtzeitig und schaffte es noch, vor dem Richter den Saal zu betreten, wo er nun die verschiedenen Prozesse verfolgen würde, bis schließlich der von Benjamin Barker an die Reihe kommen würde. ~*~ Ungeduld hatte Benjamin gepackt. Nach und nach war ein Angeklagter nach dem anderen in den Gerichtssaal gerufen worden und nicht wieder zurückgekehrt. Nur noch er war dazu gezwungen zu warten. Allmählich gesellten sich Zweifel zu seiner Ungeduld. Was, wenn er noch länger als diese vier quälend langen Monate, die er bereits in Newgate verbracht hatte, würde warten müssen? Und was, wenn letztlich doch ein Irrtum vorlag und er nicht mehr vor Gericht musste? Die anfänglichen Hoffnungen, die bei diesem Gedanken in Benjamin erwachten, wurden jäh zerstört, als ihm befohlen wurde, nun den Gerichtssaal zu betreten. Sofort schlugen seine törichten Hoffnungen in eine furchtbare Angst um und auf einmal war es ihm viel lieber, müsste er nicht vor Gericht treten. Jedoch hatte er keine Wahl und so ließ er sich schicksalsergeben in den Saal führen. Grob zerrten ihn die Wärter in eine Art Absperrung für den Angeklagten und zogen sich dann in den Hintergrund zurück. Zögernd wagte Benjamin sich umzugucken. Links von ihm waren Tische aufgestellt, an denen Männer mit weiß gepuderten Lockenperücken saßen und das Gerichtsverfahren verfolgten. Über ihm waren an den Wänden entlang Ränge angebracht, auf denen sich die Schaulustigen befanden, die sogar Eintrittsgeld gezahlt hatten, um in den Genuss eines Gerichtsverfahrens kommen zu können. Und direkt vor ihm befand sich das große hohe Pult des Richters, an dem Turpin saß und auf den Barbier herabsah. Ein schreckliches Gefühl der Erniedrigung stieg in Benjamin hoch, als er das Duftsäckchen, das auf dem Pult des Richters lag, oder die mit Parfum getränkten Taschentücher sah, die sich die meisten Zuschauer demonstrativ vor Mund und Nase hielten. Er wusste genau, was sie zu bedeuten hatten. Es war der bestialische Gestank nach vier Monaten Haft in Newgate, der an ihm klebte und auch das Essig, mit dem man ihn dürftig eingerieben hatte, nicht zu vertreiben vermochte. Hinzu kam sein jämmerlicher Anblick, denn die Wochen waren wahrlich nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Sein dunkles Haar hing ihm in fettigen verfilzten Strähnen ins bleiche Gesicht, dunkle Schatten umrahmten seine braunen Augen, die nun tief in den Höhlen lagen und seine Kleidung war so schmuddelig, dass es sich nicht mehr gelohnt hätte sie zu waschen. Benjamin war sich seines kläglichen Erscheinungsbildes bewusst und wollte dennoch nichts unversucht lassen, wenigstens einen halbwegs würdevollen Anblick darzubieten. Mit Mühe straffte er die Schultern und kämpfte darum, eine aufrechte Haltung zu bewahren. Es war jedoch viel schwerer als gedacht. Die teils neugierigen, teils abfälligen Blicke der Anwesenden, die auf ihn gerichtet waren, schienen ihn zu erdrücken. Benjamin hatte das Gefühl, jeden einzelnen spüren zu können und verspürte den Wunsch, sich ganz klein zu machen, sodass sie ihn nicht mehr finden konnten. Nur war das nicht möglich. Schließlich begegnete er dem Blick Turpins, der ihn schier zu durchbohren schien. Ein Ausdruck von Genugtuung trat in dessen Gesicht, als er erkannte, wie eingeschüchtert der Angeklagt bereits war. Unruhig ließ dieser seinen Blick durch den Saal schweifen und hoffte inständig, dass das Gerichtsverfahren schnell gehen und sich alles klären würde. Dann schlug Richter Turpin zweimal kräftig mit dem Hammer aufs Pult. Schlagartig verstummte das Raunen, das bis dahin den Saal erfüllt hatte und eine erwartungsvolle Stille trat ein. „Allen Anwesenden dürfte bekannt sein, weswegen wir uns hier befinden“, begann Richter Turpin das Verfahren. Zustimmendes Gemurmel kam auf. Der Richter fuhr fort: „Es geht um die Anklage gegen Benjamin Barker. Ihm wird Mordversuch vorgeworfen.“ Benjamin hatte das Gefühl, als stünde die Zeit still. In seinem Kopf wiederholte sich immer wieder ein und dasselbe Wort: Mordversuch, Mordversuch, Mordversuch… Das konnte nicht sein! Nie hatte er je den Gedanken gehegt, jemanden umzubringen und nun wurde ihm ausgerechnet diese Tat vorgeworfen. Zu Unrecht. Doch wie konnte Benjamin dies dem Richter erklären? Welche Beweise gab es überhaupt für seinen angeblichen Mordversuch? Oder verwechselte man ihn tatsächlich mit einem anderen Barbier? Ungläubig starrte der Barbier zum Richter hoch und wollte gerade zu einem Protest ansetzen, als er sich wieder besann. Es wäre wohl besser, wenn er sich nicht einfach ungefragt zu Wort meldete. So wartete er stumm ab, was als nächstes geschehen würde. „Was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen, Mr Barker?“, fragte da Richter Turpin. „Ich versichere Ihnen, Euer Ehren, nie habe ich auch nur den bloßen Gedanken gehegt, der mich zu solch einer Tat bewogen hätte“, sprudelte es aus Benjamin hervor. „Sie müssen mir glauben, dies alles kann sich gar nicht anders als um ein Missverständnis handeln.“ „Die Beweise sprechen in der Hinsicht gegen Sie“, erklärte der Richter sachlich und gab dem Büttel, der in der Nähe des Podestes stand, einen Wink. Sogleich verschwand dieser, nur um im nächsten Moment mit einem Zeugen wiederzukehren. Mr Brooks. Benjamin erstarrte, als er Mr Brooks sah. Ungläubig starrte er den Mann an, der als Zeuge den Raum betreten hatte und gegen den Barbier aussagen würde. Das konnte nicht sein! Das alles konnte nur ein Albtraum sein, nichts weiter als ein grässlicher Albtraum, der bald ein Ende haben musste. Doch dem war nicht so. Es sollte sogar noch schlimmer kommen. __________________________________________________________________________ Und so kommt es, dass Benjamin seine Lucy wohl nie wiedersehen wird...(und eigentlich war diese Szenen gar nicht vorgesehen-_-) Das Kapitel wurde immer länger und länger, weshalb ich das jetzt aufgeteilt habe hier für Animexx, damit ihr nicht so lange warten müsst^^; Na ja ich werde mich mit dem nächsten Kapitel auf jeden Fall beeilen. Hat jemand schon ne Idee, was Mr Brooks als Zeuge betrifft? lg -Hakura Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)