Wie lange noch...? von abgemeldet (Die Geschichte eines jungen Prostituierten) ================================================================================ Kapitel 34: Aus der Sicht von Jamie ----------------------------------- Jamie saß auf seinem Bett. Jemand hatte es während seiner Abwesenheit gemacht und dennoch sah es schon fast wieder so zerwühlt aus, wie vor ein paar Stunden noch. Bis auf eine kleine Nachttischlampe war kein Licht im Zimmer an und die schummrige Stimmung machte ihn müde. Jamie unterdrückte ein Gähnen. Das Abendessen mit den anderen war schön gewesen und so ungezwungen und freundlich wie Steve und Jack sich ihm gegenüber benommen hatten, war auch seine Anspannung langsam einem widerwilligen Glücksgefühl gewichen. Ein leises Klopfen an der Tür schreckte ihn aus seinen Erinnerungen hoch und als er „Herein!", gerufen hatte, schlüpfte ein grinsender Ethan durch die Tür und huschte auf das Bett zu. Wohlig seufzend warf er sich auf die Decke und schloss die Augen. „Ich bin so satt, das glaubst du gar nicht!" Jamie sah den entspannt schmatzenden Schwarzhaarigen zufrieden an und fühlte dem eigenen Sattheitsgefühl hinterher. „Bei diesen Massen an Essen, frage ich mich, wie du es geschafft hast, nicht rund und fett zu werden", bemerkte Jamie trocken und fing sich daraufhin einen Knuff von Ethan ein. Sich aufsetzend grinste Ethan ihn an und antwortete lachend: „Es gibt ja nicht jeden Abend so ein Festmahl. Nur heute Abend war eben ein besonderer Anlass." Jamie runzelte die Stirn. „Ein besonderer Anlass?" Ethan schnaubte und schüttelte den Kopf. „Natürlich, du hast dich das erste Mal seit Monaten aus deinem Zimmer gewagt, das ist in Jacks Augen ein besonderer Anlass." Jamie verzog unwillig seine Mundwinkel und Ethan lachte. Schweigen legte sich über sie und Jamie sah aus dem Fenster. „Also", Jamie räusperte sich und sah Ethan auffordernd an, „dann fang mal an zu erklären, ich bin gespannt." Ein Schatten huschte über Ethans Augen und er stand auf und ging zu einem der Fenster. Zuerst sah er eine Weile hinaus, dann öffnete er es und atmete tief die angenehm kühle Nachtluft ein. Jamie sah ihm dabei zu und wartete. Er wusste nicht genau, ob er wirklich wissen wollte, was in dieser einen Nacht passiert war, denn irgendetwas war augenscheinlich schief gegangen und Jamie wusste, dass falls Ethan etwas damit zu tun hatte, er nicht umhin kommen würde, ihn für Lucas eventuellen Tod verantwortlich zu machen. Schließlich schloss Ethan das Fenster wieder, seufzte und setzte sich gegenüber auf das Bett. „Weißt du noch den Tag, als Steve, Jack und Derrick bei uns Im Club aufgetaucht sind?" Jamie nickte. „Steve und ich...", Ethan errötete ein kleines Bisschen, „haben diese Nacht-... haben uns da kennen gelernt. Und naja, wir haben uns danach noch ein paar Mal auf diese Art getroffen und er hat mich irgendwann gefragt, ob ich nicht raus will. Raus aus diesem elenden Leben." Ethan sah ihn an und Jamie nickte erneut und schaute stumm auf die Bettdecke hinab. „Und du hast Ja gesagt, oder?" Nun war es an Ethan zu nicken und er sah ihn nervös und gleichzeitig auch leicht furchtsam an. Jamie musterte die Miene seines Freundes und dachte über die Bedeutung des eben gehörten nach. „Das heißt, hättest du abgelehnt, wäre das alles nicht passiert?" „Ja", antwortete Ethan leise und sah ihn an. Ein wohlbekannter Schmerz stieg in Jamies Brust auf und er presste die Lippen zusammen. Gegen aufkommende Tränen ankämpfend ballte er die Fäuste ins Laken und schluckte mehrmals. „Weiter, ich will wissen, wie es weitergegangen ist." Und Ethan begann zu erzählen. „Nachdem ich Ja gesagt hatte, begann Steve immer öfter von dieser Möglichkeit zu sprechen und aus meinem Traum wurde mehr und mehr Realität. Ich wusste, dass du eigentlich auch weg wolltest, du aber nicht freiwillig gehen würdest. Das „Vouge" war deine Heimat und die Jungs da deine Familie. Doch als Steve mir vorschlug, mich als einzigen da rauszuholen, habe ich ihm klargemacht, dass ich ohne dich nicht gehen würde. Er hat daraufhin Jack mit in den Plan eingeweiht und der hat uns angeboten mich und dich, Luca und wenn nötig auch Steve bei sich aufzunehmen." Ethan fuhr sich kurz durch die Haare und sprach dann weiter. „Weißt du, Jack hat einen ziemlich einflussreichen Vater und der hat ziemlich viele Freunde deren Söhne alle bei ihm arbeiten. Nun ja, sie waren bereit gegen eine kleine Entlohnung ein bisschen Radau im „Vouge" zu veranstalten, sodass Steve uns unbemerkt da rausholen können würde... ." Jamie gab einen bitteren Laut von sich und Ethan sah auf. „Ein bisschen? Dann ist etwas in eurem tollen Plan wohl gänzlich schief gegangen." Ethan biss sich auf die Lippe und nickte. „Unter den Männern, die Jack in den Plan eingeweiht hatte, war wohl ein Verräter. Der hat die Polizei benachrichtigt, dass ein paar Minderjährige im „Vouge" arbeiten und dass dort wohl am 28. Januar ein Überfall geplant wäre." In Jamies Kopf fügten sich alle Teile nun zu einem Großen Ganzen zusammen und er verstand, was in dieser einen, unglückseigen Nacht passiert war. Wie benommen stand er auf und ging zu einem der Fenster hinüber, legte seine Hand an die Scheibe und starrte sein eigenes Spiegelbild an. Dann begann er leise zu sprechen. „Die vermummten Männer waren Jacks Gefolgsleute und die in Uniform die Polizisten." Es war eine Feststellung keine Frage. „Die Polizisten haben alles angezündet, damit wir nicht raus und entkommen können?" Er wandte sich zu Ethan um, der mit hängenden Schultern auf dem Bett saß und ihn traurig ansah. „Nein, das waren die Männer in Jacks Mannschaft, die sich gegen ihn gewandt haben. Sie haben einfach verrückt gespielt, haben alles kurz und klein geschlagen und sind dann abgehauen. Das Feuer war nicht geplant." Jamie holte tief Luft und nickte den Tränen nah. Ethan stand auf, kam auf ihn zu und nahm ihn in den Arm. Jamie schluchzte auf und versuchte die Bilder, die schon wieder vor seinem Inneren Auge aufblitzten zu verdrängen. Dann löste er sich aus der Umarmung und schaute wieder in die dunkle Nacht hinaus. „Und dann? Dann haben die Polizisten die Zimmer gestürmt und sich die Jungen gegriffen?" Ethan schüttelte den Kopf. „Nein, nach Jacks Informationen sind nur einige wenige geschnappt worden. Aber die, die sie bekommen haben wurden alle abgeholt." Auf Jamies fragenden Blick hin, fügte er hinzu: „Von Viktors Gefolgsleuten natürlich." Jamie nickte. Jeder von ihnen hatte bei seiner Ankunft im „Vouge" einen Namen, eine Geschichte und eine Adresse eingebläut bekommen, die sie bei einer eventuellen Festnahme angeben sollten. Er wusste, dass er sich nur unnötigen Schmerz einhandelte, wenn sich die Hoffnung als falsch erweisen würde, doch er musste es wissen. „Das heißt-... Luca könnte noch leben?" Ethan schüttelte den Kopf. „Jamie, es ist Winter und auch wenn er aus dem „Vouge" hat fliehen können, er hätte kein Dach überm Kopf und nichts zu Essen gehabt. Er wäre erfroren, bevor er hätte verhungern können." Jamies Beine knickten ein und hätte Ethan ihn nicht gepackt, dann wäre er ohnmächtig geworden. Tränen hatte Jamie keine mehr, nur noch diese unaufhaltsame Leere in seiner Brust, die ihn schier zu zerreißen schien. Wie oft hatte er in den Nächten wach gelegen und sich vorgestellt, Luca hätte überlebt und würde irgendwo in London nach ihm suchen. Träume in denen Luca nach ihm rief und ihm sagte, dass er es noch rechtzeitig geschafft hatte, hatten ihn ebenso häufig heimgesucht, wie die Wahnvorstellung von Lucas brennendem Körper, der leblos und zwischen zerbrochenen Möbeln eingeklemmt dalag. Luca war tot. Musste tot sein. Konnte nicht überlebt haben. ...war tot. Jamie spürte den weichen Teppich unter sich und Ethans Arme, die ihn aufrecht hielten. Seine Augen irrten umher und blieben an dem schwachen Schein der Nachttischlampe hängen. Lange Zeit, und Jamie wusste später nicht mehr wie lange, saß er dann einfach nur noch da und starrte ins Leere. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)