Beautiful Fate von Herzkirsche (Sakura & Sasuke) ================================================================================ Prolog: Beautiful Mistake ------------------------- Prolog - Beautiful Mistake Der einzige Weg, eine Versuchung loszuwerden, ist, ihr nachzugeben. (Oscar Wilde) Unter einem One – Night – Stand hatte ich bisher verstanden, dass man diesen Unbekannten traf, sich gemeinsam volllaufen ließ, dann hemmungslos heißen Sex hatte und am nächsten Tag mit einem Kater aufstand und nur noch eine blasse Erinnerung an diesen Typen hatte, weil er zum Glück bereits weg war. Um ehrlich zu sein, hatte sich diese Theorie in den letzten Jahren als äußerst realistisch bewiesen. Ich war immer alleine aufgewacht. Immer. Ein weiterer positiver Nebeneffekt war, dass ich so jedem gezwungenen Smalltalk aus dem Weg ging, denn niemand war unkommunikativer als ich, wenn es vom Morgen danach handelte. Wie auch immer, ich brauchte einen Notfallplan. Denn nichts war so gelaufen, wie es hätte müssen! Ich biss mir meine Lippe wund, während ich überlegte, was ich nun am besten unternahm. Mein Blick war an die weiße Decke geheftet, als er sich neben mir das erste Mal bewegte. Obwohl ich es hatte lassen wollen, wandte ich den Kopf nach rechts und musterte ihn erneut. Zwar hätte ich es niemals öffentlich zugegeben, aber er war ein Sechser im Lotto, jedenfalls wenn es nach meinen Ansprüchen ging. Er hatte schwarze, längere Haare, die ihm wahrscheinlich in jeder Situation elegant ins Gesicht fielen, einen heißen Körper und eine Haut, die keinen stärkeren Kontrast zu den Haaren hätte bilden können. Sein Gesicht hatte diese feinen Züge, dass ich ihn am liebsten angefasst hätte und allein für diesen Wunsch hasste ich mich. Vielleicht war es auch ein Fehler gewesen diesen Lottogewinn mit ins Bett zu nehmen. Mein Fehler, aber da ich zu eitel war, um mir eigene Fehler einzugestehen, traf diesen Typen die meiste Schuld, denn der schlief ja lieber aus, anstelle nachhause zu gehen. Und daran war wahrscheinlich sein Charakter Schuld. Selbst wenn er nichts weiter tat, als zu schlafen, wirkte er cooler als George Clooney oder Brad Pitt. Aber vielleicht war ich auch einfach nur zu albern und verklärt. Zu spät realisierte ich, dass er die Augen geöffnet hatte und mich ansah. Mein Herzschlag setzte augenblicklich aus und diese dunkelblauen Augen zogen mich in ihren Bann. Als ich mich endlich losreißen konnte, schienen Minuten vergangen zu sein. Er seufzte und fuhr sich durch die Haare, dann stand er auf. Ohne Decke. Ich war dem Jubeln nahe. Meine andere Hälfte, die nicht nur auf Sex aus war, war von seinem Verhalten jedoch in kleinster Weise angetan. „Dir auch einen guten Morgen.“ Er hielt inne und drehte sich ohne ein Wort zu mir um. Ich musste mich zusammen reißen, um ihm in die Augen zu sehen und nicht an anderen bestimmten Körperteilen hängen zu bleiben. Sein Blick sagte klar und deutlich, dass ich ihn in Frieden lassen sollte. Dumm nur, dass ich in solchen Momenten, selbst wenn ich einen Kater hatte, zur Labertasche mutierte. „Denkst du nicht, wir sollten der Etikette halber, wenigstens etwas trockenen Smalltalk halten?“, fragte ich und setzte mich auf, jedoch nicht ohne mir die Bettdecke sorgsam umzuwickeln. Er schien wenig begeistert und antwortete mit einem: „Tse.“ Diesen Kommentar hasste ich mehr als alles andere. Ich öffnete gerade meinen Mund, als mir mein schwarzes Minikleid direkt ins Gesicht geworfen wurde „Danke.“, murmelte ich beschämt und stand nun vor dem Problem, mich anzuziehen, ohne dass er noch mal meinen Körper sah. Er schien es zu merken. „Ich hab dich bereits nackt gesehen. Ich bin hart im nehmen, tu dir keinen Zwang an.“ Seine Stimme triefte vor Coolness und Gelassenheit und ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen. Ich schluckte meinen Wutanfall über diese Beleidigung meines Äußeren herunter, suchte jedoch trotzdem nach etwas, das ich nach ihm werfen konnte. „Wow, du redest, ich weiß allerdings nicht, ob ich mich über Beleidigungen freuen soll, aber immer wieder schön, neue Formen des Smalltalks kennenzulernen.“ „Ich rede halt nicht mit den Weibern von der letzten Nacht.“, meinte er gelassen und sein Grinsen wurde aufgrund meines Gesichtsausdrucks noch breiter. „Wenn ich mich mit dir beschäftige, dann fragst du mich nachher noch, ob du meine Handynummer kriegst und auf diesen Kleinmädchen Scheiß kann ich verzichten.“, erklärte er und warf in mir die Frage auf, ob ich wirklich so naiv und dumm rüber kam, wie er mich darstellte. Mir fehlten die Worte und ich zog mir das Kleid über den Kopf, um wenigstens etwas zu tun zu haben. Komischerweise war er es, der als Nächster sprach. „Wie heißt du eigentlich?“ „Ich dachte, du hast kein Interesse an den Weibern von letzter Nacht?“ „Ich muss eh absolut breit gewesen sein, wenn ich was mit’ ner Pinkhaarigen angefangen habe, also kann ich keinen noch größeren Fehler machen.“ Darauf wusste ich nichts zu erwidern und trotzdem fühlte ich mich seltsam besonders. „Sakura. Und dein Name?“ Er grinste, was ihm einfach nur wunderbar stand. „Sasuke.“ Ich nickte, weil ich mich zu mehr nicht in der Lage fühlte. In so einer Situation hatte ich mich noch nie zuvor befunden. Wie gesagt, noch kein Mann war so dreist gewesen und hatte länger geschlafen als ich…. „Darf man hier drin rauchen?“, riss mich Sasuke aus den Gedanken und hatte bereits eine Packung Zigaretten in der Hand. „Nein, ich glaube nicht.“ Es verwunderte mich nicht, dass er es trotzdem tat. Eine viertel Stunde später standen wir vor dem Hotel und mein Gesicht wurde die Farbe einer reifen Tomate nicht mehr los. Mein Kleid war für den normalen Alltag ungeeignet und die Blicke, die uns in der Lounge gefolgt waren, hatten das bewiesen. Außerdem war es seltsam, neben Sasuke irgendwo lang zulaufen. Ihn schien das zu amüsieren. „Wo musst du lang?“, fragte er feixend und setzte sich trotz strahlendem Sonnenschein seine Kapuze auf. „Links. Du?“ „Rechts.“ Natürlich. Ich lächelte. „Also wie verabschiedet man sich nach so einer Nacht? Noch nie war ein Kerl so dreist und hat länger geschlafen als ich.“, grummelte ich und sah ihn an. „Keine Ahnung, wie gesagt, ich rede nicht mit den Weibern.“ „Meine Haarfarbe bringt mir ungeahnte Vorteile. Toll.“ „Für den Moment, aber ich denke nicht, dass New York uns noch mal zusammen führt und auf pink steh ich normalerweise auch nicht.“ „Okay, das mit New York ist wahrscheinlich richtig. Dann wünsch ich dir noch ein schönes Leben, Sasuke.“ Er grinste verschmitzt und ich hätte am liebsten ein Foto gemacht, um vor meinen Freundinnen mit ihm anzugeben. „Dir auch, Sakura.“, sagte er, steckte sich wieder eine Zigarette an und winkte dann derart lässig einem Taxi, wie ich es noch nie bei einer Person beobachtet hatte. Leicht schüttelte ich den Kopf. „Da drin darfst du auch nicht rauchen!“ rief ich ihm nach, aber er hörte mich nicht mehr und anscheinend bildete er eine Ausnahme zum Rest Manhattans. Kopfschüttelnd ging ich die Straße entlang, weil ich nicht mehr genug Geld für ein Taxi hatte. Wahrscheinlich stand es 50:50, dass ich mein eigentliches Hotel wiederfand. Und ich schloss einen Pakt mit meinem Gewissen, nämlich dass mir zuhause nie wieder so etwas passieren würde wie heute Nacht. Auch weil ich höchstwahrscheinlich keinen besseren Lover wie diesen Sasuke finden würde. Er hatte Wiederwillen einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen. Fast bedauerte ich es, dass ich ihn nie wieder sehen würde. Aber so war das Leben. ~~~ Kritik, Verbesserungsvorschläge und Lob gern gesehen! x3 Kapitel 1: Beautiful Homecoming ------------------------------- 1. Kapitel – Beautiful Homecoming "Warum musst du immer aus dem Rahmen fallen?" fragt die Mutter. "Warum hast du mich eingerahmt", fragt die Tochter. "Bin ich ein fertiges Bild?" Einen Monat später. Woodbury Mein Elternhaus umrahmte eine hell gestrichene Fassade, die mir bei meinem letzten Besuch noch nicht aufgefallen war. Wahrscheinlich war sie erst in den letzten zwölf Monaten gestrichen worden. Das Weiß versprühte einen Hauch von Luxus und Reinheit. Doch beides traf nicht unbedingt auf die darin Wohnenden zu. Ich würde sogar sagen, diese Farbe hatte etwas Hypnotisierendes, Täuschendes. Vielleicht klingt der Vergleich weit hergeholt, aber er fiel mir just in diesem Moment ein, als ich vor dem Haus stand, in dem ich groß geworden war – und das damals noch in einem hellen grün erleuchtete. Ich dachte an das Märchen „Hänsel und Gretel“. Waren die beiden etwa nicht von einem mit Süßigkeiten überzogenen Haus angelockt worden, von dem sie schließlich naschten? Wie passte zu solch einer genialen Vorstellung eines Hauses ganz aus Süßigkeiten eine alte herpeserkrankte Hexe? Und genau diesen Kontrast bildeten meine Eltern. Ein schönes Haus und ein schönes Auftreten, einen guten Ruf und genügend Geld, aber einen seltsamen, manipulierenden Charakter. Selbst aus einiger Entfernung, um genau zu sein, von der anderen Straßenseite aus, wirkten die Fenster strahlend geleckt, wie es zu meiner Kindheit immer der Fall gewesen war. Meine Mutter war nie arbeiten gegangen und hatte deshalb den gesamten Haushalt übernommen, nebenbei Stadtfeste und Teepartys organisiert und immer darauf geachtet, den guten Ruf zu bewahren. Nur leider wurde ich älter. Mein Vater dagegen war der beste Anwalt Woodburys, hatte seine eigene Kanzlei gegründet und konnte sich ausrechnen, wie viel Überstunden er machen durfte, wenn ihm meine Mutter von den neusten Trennungen berichtete, die er dann alle übernahm. Woodbury war eine Kleinstadt, bei der man nie an Skandale gedacht hätte, wenn man sich aber die Akten meines Vaters durchlas, dann wurde man schnell eines besseren belehrt. Und nun war ich wieder hier. Ich mochte die Stadt, die vielen skurrilen Gestalten, die mich damals sooft erinnert hatten, dass es nicht nur meine Roboter-Eltern gab, sondern auch echte Menschen, und trotzdem zog es mich nur in Notfällen hierher. Ich trank meinen Kaffee aus und warf ihn beim Überqueren der Straße in die penetrant nach Maß gezupfte, grüne Hecke unseres Vorgartens, damit meine Mutter sich bei der Gartenarbeit aufregen konnte, und öffnete gerade das Tor, als mich jemand am Ärmel packte. „Man darf nicht einfach so die Straße überqueren.“, zeterte eine gebrechliche, alte Dame auf mich ein und ich musste aufpassen, dass ich nicht anfing zu lachen. Zum einen waren die Straßen in Woodbury alles andere als gefährlich und zum anderen erkannte ich in diesem Augenblick die Frau. „Mrs. Brown?“, fragte ich amüsiert und verwandelte mein aufkommendes Lachen in ein Husten. Wie in Zeitlupe griff die Alte zu ihrer dicken Brille und schob sie sich höher auf die Nase. Sie blickte mich intensiv an und dann schien bei ihr der Groschen zu fallen. „Die kleine Sarah!“, rief sie erfreut und drückte mich sofort an sich. Sie roch nach Motten gemischt mit zu viel Rosen- Parfüm. Schon als kleines Mädchen hatte ich diese Arten von Begrüßung gehasst. „Sakura.“, verbesserte ich und versuchte mich aus ihrer Umarmung zu befreien. „Ach ja, dieser seltsame koreanische Name.“, murmelte die Alte und kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Eigentlich ist er aus dem Japanischen, aber egal. Ähm, wie geht es denn Mr. Brown?“, fragte ich höflich und nach allgemeiner Etikette, um meine Mutter nicht sofort für die nächste Teeparty bloßzustellen. „Tot“, krächzte die Alte und ich verspürte abermals ein Zucken in meinen Mundwinkeln, selbst wenn Mr. Browns Tod nicht lustig war, sondern eher wie seine Frau dies verkündete. „Oh. Mein herzliches Beileid, das muss sehr hart für Sie gewesen sein.“ Ich wünschte mir augenblicklich, nichts gesagt zu haben, als in Mrs. Browns Gesicht ein Fragezeichen zu erscheinen schien und sie nicht so wirkte, als wäre dieser Todesfall ein sehr großer Verlust für sie. „Der Tod holt uns alle.“, meinte sie ruhig und zog etwas hinter ihrem weiten, dunkelroten Rock hervor, dass sie dann die Straße entlang hinter sich herzog. Es war eine Katze, eine Katze an einer Hundeleine. „Komm Smokey, komm los. Machs gut, Sarah!“, verabschiedete sich Mrs. Brown und ließ mich breit grinsend zurück. Ja, Woodburys Menschen hatte ich vermisst, aber nun holte mich wieder mein eigentliches Anliegen ein und vorsichtig betrat ich unseren Vorgarten. Es würde mich nicht wundern, wenn jeder Grashalm abgemessen worden wäre, denn so wirkte der Vorgarten auf mich. Meine Mutter liebte die französischen Gärten. Zuhause in Hartford benutzte ich eine Karte aus ihrem Urlaub in Frankreich mit einem dieser Gärten als Untersetzer … Nervös tradierte ich mich vor der breiten – ebenfalls weiß gestrichenen – Haustür und drückte auf den Klingelknopf. Es war ein langgezogener in Schallen endender Laut, der ebenfalls neu eingestellt sein musste, da ich ihn nicht mit meiner Kindheit identifizierte. Es dauerte nicht lange, da hörte ich Schritte, die sich unaufhaltsam näherten, und schließlich wurde mir die Tür geöffnet. Zuerst dachte ich, sie erkenne mich nicht, aber dann verzog sie ihren sorgsam nachgezogenen roten Mund zu einem leichten, wenn auch verwirrtem Lächeln. Ich kannte meine Mutter zu gut, um diesen Blick als herablassend zu deuten, den sie mir schenkte. Gleich würde sie spitz werden, ich ahnte es. „Ist schon Weihnachten, Sakura? Ach nein, verzeih, du kommst ja nicht mal an diesem Tag deine Eltern besuchen.“ Mir fehlten die Worte. Ich war immer wieder bei den seltenen Treffen mit meiner Mutter überrascht, wie schnell sie in den Ring stieg. Die erste Runde hatte ich verloren. „Hi Mum.“, murmelte ich unsicher und räusperte mich kurz, damit meine Stimme wieder ihren natürlichen Klang annahm. „Darf ich reinkommen?“, fragte ich schließlich, da es mir ja niemand anzubieten schien. „Selbstverständlich“, meinte meine Mutter und trat zur Seite, sodass ich an ihr vorbei in den hellen Flur laufen konnte. Ohne etwas zu sagen, deutete sie in Richtung Wohnzimmer; eine Geste, die sie nicht gebraucht hätte, weil ich mich noch sehr gut an den Raum erinnern konnte, in dem vor fast zehn Jahren das Familiengericht getagt hatte. „Willst du einen Kaffee?“, fragte sie distanziert, nachdem ich mich auf eines der roten Sofas gesetzt hatte. „Lieber einen Martini.“, versuchte ich zu scherzen, allerdings blieb mir der Satz im Halse stecken, als ich ihren Blick auffing. „Kaffee klingt gut.“, verbesserte ich mich hustend und blickte Richtung Boden. Einen neuen Teppich hatten sie also auch. Mum verschwand in der Küche und kam kurz darauf mit zwei kleinen Tassen Kaffee zurück, bei dessen Anblick mir klar wurde, dass dies zu wenig Koffein für ein Gespräch mit meiner Mutter war. „Ich habe deinen Vater soeben angepiept. Er wird gleich da sein.“, berichtete sie mir und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. Sie hatte sich in einen der beiden Sessel gesetzt - die Beine angewinkelt wie eine der Royals. Allein vom Zusehen taten mir die Beine weh. Die nächste halbe Stunde, bis sich mein geliebter Vater durch die Haustür schwängen würde, war zäh wie Gummi. In der Sympathie meiner Mutter war ich meilenweit gefallen, als ich im letzten Jahr nicht an Weihnachten nach hause gekommen war. Sie schien sich nicht sonderlich für mein Leben zu interessieren, weshalb ich ihr auch keine Passagen daraus erzählen wollte. „Hast du die Karte von deiner Tante Magda zum Geburtstag bekommen?“, fragte sie irgendwann, als selbst ihr die Stille unerträglich schien. Ich hätte mit allem gerechnet, nur nicht mit Tante Magda. „Ja, hab ich bekommen.“, antwortete ich langsam und verkniff mir ein Grinsen, als mir einfiel, dass sie ebenfalls als Untersetzer genutzt wurde. „Sie wusste nicht, ob du sie bekommen hast. Sie war ja, wie du weißt, auf Hawaii.“ In diesem Moment drehte sich der Schlüssel im Schloss und mein Vater betrat das Haus. „Daddy!“, rief ich erleichtert und sprang auf, um den Fängen meiner schlecht gelaunten Mutter zu entgehen. „Hallo mein Schatz“, murmelte er, stellte seine Aktentasche auf dem Boden ab und musterte mich erfreut, bis er zu meinen Haare kam und sie ein paar Sekunden lang fassungslos fixierte. „Ist das rosa?“ „Oh ja, stimmt, du kennst mich noch nicht mit der Frisur, ich hab sie aber schon über ein Jahr. Gefällts dir?“ Mein Vater runzelte die Stirn, aber dann nickte er langsam. „Farbenfroh wie Vivienne Westwood!“, kommentierte er mit seiner tiefen Stimme und schälte sich aus seinem Jackett. „Wo wir schon beim Thema wären.“, murmelte ich und auf die Stirn meines Vaters legte sich ein bedenklicher Ausdruck; wir schienen beide an meine Mutter zu denken. „Nun Sakura, es ist an der Zeit, dass du deiner Mutter und mir den Grund deines Besuches nennst.“, begann mein Vater, als er, frisch umgezogen, mir gegenüber Platz nahm. Meine Mutter zu seiner Rechten schwieg beharrlich und musterte ihre Gardinen. „Ich bin hier,“, erklärte ich und achtete sorgsam auf meine Formulierungen. „weil ich eure Unterstützung brauche, denn ich will nicht als Zimmermädchen oder Kellnerin enden, denn das bin ich jetzt.“ Meine Eltern warfen sich kurz gegenseitig einen Blick zu und richteten ihre Augen dann vollends auf mich. Ich nutzte den Moment ihrer vollen Aufmerksamkeit, um eine Mappe aus meiner Tasche zu holen, die ich ihnen feierlich übergab. Mein Vater nahm sie mir aus der Hand und begann sie durchzublättern, meine Mutter konnte ihr Interesse nicht verbergen und sah ihm über die Schulter. „Das sind Entwürfe, die ich vor kurzem gezeichnet habe. Ihr werdet euch bestimmt noch an Hinata und Ino erinnern, meine Freundinnen aus der Schule. Hinata studiert mittlerweile in Harvard und Ino in Yale. Beide meinten, dass ich große Chancen hätte, ebenfalls angenommen zu werden, weil ich Talent hätte. Ino hat sogar einem Professor aufgelauert, der davon Ahnung hat, und auch er schien angetan. Dad, Mum, ich will Modedesign studieren.“ Meine Stimme hatte sich fast überschlagen, so schnell hatte ich geredet. Die beiden sahen mich einen Moment lang verständnislos an, bis meine Mutter das Wort ergriff: „Wir haben das Gespräch schon einmal geführt, Sakura. Dein Vater und ich sagten damals, dass wir ein ernsthaftes Studium wie Jura oder Medizin unterstützen, darunter fällt aber nicht Modedesign.“ „Ich würde auch Grafikdesign belegen und das nur nebenbei machen, so könnte ich, falls es nicht klappt, in die Werbung oder-“ „Auch Grafikdesign unterstützen wir nicht.“, schlug meine Mutter den Vorschlag ab. Ohne es zu wollen, wurde ich langsam aber sicher wütend. „Wenn ich mich Recht erinnere, Mutter, dann habt ihr mich damals, als ich es gewagt hatte, Schande über unsere Familie zu bringen, kurzerhand auf eine Privatschule nach Hartford gesteckt, damit ich keine Probleme machen konnte. Ihr habt damals nicht einmal gefragt-“ „Und du bestrafst uns seit zehn Jahren dafür, Sakura! Nie rufst du an, besuchst uns nur, wenn du Geld brauchst und-“ „Ich arbeite als Zimmermädchen! Ich habe seit Jahren nicht mehr nach Geld gefragt, obwohl ich total mies verdiene. Endlich habe ich die Möglichkeit aufzusteigen, an einer Universität angenommen zu werden und immer noch wollt ihr mich nicht unterstützen? Ich verstehe euch nicht.“, schrie ich und stand ohne ein Wort des Abschieds auf. So schnell es ging, verließ ich das Haus und den grässlichen Vorgarten und stürmte Richtung Zentrum, irgendwo dort saß Ino in einem Café und wartete auf mich. Wütend betrat ich ein Café, dass sich seit meiner Kindheit nicht viel verändert hatte und ich daran erkannte, da es zu Inos Beschreibung passte: „Kitschig“. Sofort stieß ich mit einem der Kellner zusammen, dachte jedoch nicht daran mich zu entschuldigen und sah mich um. Ich erkannte eine blonde, junge Frau, die an einem der hinteren Tische saß, durch ein Frauenmagazin blätterte und ein Stück Kuchen und Kaffee neben sich stehen hatte. Ich marschierte zu ihr rüber und meinte schlecht gelaunt: „Lass uns fahren.“ Zum Glück fragte Ino mich nicht aus. „Das ist ja so dämlich!“, keifte Ino im Auto, nachdem ich mich dazu herabgerungen hatte, ihr von dem miesen Treffen mit meinen Eltern zu erzählen. Ich nickte nur. „Also, wenn ich solche Eltern hätte, ich würde sie nicht mehr mit meinem Arsch-“ „Hast du aber nicht!“, zischte ich und sah sie wütend an. Ino hatte Eltern, die ihre Tochter bei ihren Vorhaben unterstützten. Sie hatten einen Blumenladen in Hartford und als Ino ihnen erzählt hatte, dass sie Journalismus studieren wollte, hatte sich ihr Patenonkel, in dessen Hotel ich arbeitete, sich bereiterklärt, für Yale zu bezahlen. Ino wusste nicht, wie es war, Probleme mit den Eltern zu haben. „Ach, na ja, wir kriegen das schon hin.“, meinte Ino, klang aber wenig überzeugt. Ich seufzte niedergeschlagen. „Seit ich sie kenne, ist meine Mutter nur auf ihren Ruf bedacht.“, murmelte ich und lehnte mich im Sitz zurück. Es war heiß und Inos Auto, das sie liebevoll Schrottkarre nannte, hatte keine Klimaanlage. Ich fächelte mir Luft zu, ohne dass diese Tätigkeit irgendetwas brachte. „Viele Frauen sind nur auf ihren guten Ruf bedacht, die anderen werden glücklich.“, lächelte Ino und verwirrt sah ich sie an. „Josefine Baker“, erklärte sie ihr Zitat und auch ich musste grinsen. „Glaubst du daran?“, fragte ich verständnislos und Ino nickte überzeugt. „Natürlich tue ich das. Übrigens muss ich demnächst erneut nach New York.“ „Schon wieder von Yale aus?“ „Ja, wegen der Fashionweek. Unser Prof will mich und ein paar andere Mädchen an den Trubel gewöhnen, den man als Moderedakteurin hat. Du könntest mitkommen und deine Sachen ein paar Designern zeigen.“ Ino schien von ihrem eigenen Plan ganz angetan zu sein. „Denkst du denn, dass geht so einfach?“, fragte ich misstrauisch und bekam prompt die Antwort in Form eines Grinsens. „Nein, das wird es bestimmt nicht.“, lachte sie und warf sich die Haare aus dem Gesicht. „Aber manchmal muss man ins kalte Wasser springen.“ „Bestimmt ist es wärmer, als das Wasser, in dem meine Eltern schwimmen.“, seufzte ich. Ein Besuch bei meinen Eltern reichte wirklich, um mich eine Woche außer Gefecht zu setzen. Aber mir war klar, dass ich einer langen Zukunft als Zimmermädchen gegenüber stand, also konnte ich auch noch mal springen … ~~~ Herzlichen Danke an alle fleißigen Schreiberlinge, die sich beim Prolog zu Wort gemeldet haben!^^ Damit habe ich am allerwenigsten gerechnet und deshalb tut es mir auch umso mehr Leid, dass ihr so lange auf das 1. Kapitel warten musstet! Ich freue mich trotzdem auf eure Meinungen zum Kapitel!^^ Kapitel 2: Beautiful Abstinence ------------------------------- 2. Kapitel - Beautiful Abstinence Die Straße zum Erfolg ist lang. Wer sie einschlägt, sollte sie auch bis zum Ende gehen. Die rot leuchtenden Ziffern meines Radioweckers veränderten sich zur vollen Stunde mit einem leisen „plop“ und als ich das nächste Mal meinen Blick von der Decke nahm, war es bereits o6.o3 Uhr morgens. Meiner Empfindung nach waren es nicht nur drei Minuten gewesen. Ich seufzte genervt und starrte erneut an die Decke. Die Geräusche von nebenan ließen mich nicht ruhen. Beängstigenderweise schienen sich die Wände zu bewegen und ich stand weder unter Alkoholeinfluss noch dem irgendwelcher Drogen. Ich holte einmal tief Luft und hoffte, somit meine Gemütszulage entspannen zu können, wie Ino es immer versuchte, jedoch gelang es mir noch weniger als ihr. Dieser Tag war bedeutend für meine Karriere außerhalb der Zimmermädchen Branche und zu einer angesagten Modenschau einer jungen Modedesignerin würde ich mit zentimeterdicken und geschwollenen Augenringen kommen, weil es mir untersagt war zu schlafen! Ich wiederholte das Ein- und Ausatmen schneller und kam mir vor wie eine Schwangere in den Wehen. Dabei krallte ich meine Hände in die Bettdecke, um nicht in Versuchung zu kommen, mit der Faust gegen die benachbarte Wand zu schlagen. Aber die Geräusche intensivierten sich und meine Wut stieg unaufhaltsam. „Poppen“, flüsterte ich in die Stille meines dunklen Zimmers hinein und meine Stimme klang äußerst beherrscht für diese Uhrzeit. Es war wohl ein Zeichen von deutlichem Unbehagen, ein Selbstgespräch am frühen Morgen zu führen, aber ich fühlte mich so, als würde ich jeden Moment explodieren, weshalb ich dies gerechtfertigt sah. „Ich liebe es.“, fügte ich den McDonalds Slogan hinzu. „Ich tu es, aber ich hab keinen Freund, was wiederum meine Mutter zur Ohnmacht treiben würde, wenn sie davon wüsste. Aber nein, eigentlich habe ich es schon ewig nicht mehr getan, weshalb mich diese Bekloppten von gegenüber auch dementsprechend nerven. Klar, sie sind frisch verheiratet, aber ist das ein Grund dafür, mitten in der Nacht loszuvögeln?“ Meine Stimme überschlug sich und da ich intensiv Richtung Decke redete, also meiner Meinung nach in Richtung Himmel, wandelte sich das Selbstgespräch meines Erachtens in ein Zwei-Augen-Gespräch mit Gott. „Das ist alles Kakashis Schuld!“, knurrte ich und wartete vergeblich darauf, dass mir jemand Recht gab. Denn mein Chef Kakashi Hatake hatte bei der Mitarbeiterbesprechung vor zwei Jahren verkündet, den Dachboden auszubauen, nämlich zu zwei hochexklusiven Suiten, also Zimmern, in denen man frei und nach Lust und Laune sexuell aktiv werden konnte. So in etwa erklärte Kakashi das auch den Gästen, die die Zimmer bezogen. Dabei ließ er außer Acht, dass auf dem Dachboden noch eine weitere Person in einer Abstellkammer hauste. Nämlich ich, das Opfer dieser leidenschaftlichen Nächte ohne jegliche Hemmungen oder Lärmpegelgrenzen. In diesem Moment erklang ein lautes Stöhnen zweier Menschen aus dem Nebenzimmer. Was sollte das werden, ein Porno? Widerwillen wurde ich rot, schloss einen Moment beschämt die Augen und schüttelte den Kopf, um dieses Geräusch aus meinem Kopf zu vertreiben. Wenn sie es ohne Kondom gemacht hatten, dann freute ich mich schon darauf, das Bett neu zu beziehen. Wenigstens hatte das Bett aufgehört zu quietschen und auch die Wände blieben an ihrem gewohnten Platz. Ich konnte kaum glauben, dass letzteres nur Einbildung gewesen sein sollte. Vielleicht brachte die Frau im Nebenzimmer auch Wände zum wackeln wie Uma Thurman als >Super ExOhhh< gewesen, aber dazu kam ich nicht, weil Ino gleich fortfuhr. „Damals habe ich vielleicht über Josh Hartnett gelacht, aber nun kann ich diese Situation einfach nur nachvollziehen, wenn man keinen Sex hat, ihn aber will. Und bei mir sind es nun schon über vierzig Tage und Josh hatte ja wenigstens diese Kleine da, du weißt schon.“ Ino brach bockig ab und zog einen Schmollmund. „Ohhh.“, machte ich, weil mir einfach nichts Besseres einfiel. Ino grinste wegen meines Tones und fragte: „Aus welchem Teeniefilm hast du das denn?“ „Auf der Straße aufgeschnappt.“ „Gangster“, lachte Ino und ich tat es ihr gleich. Wie zu erwarten standen wir im Stau. Es war eine ewige Prozedur, in der ich Ino so manches Male verflucht hatte, weil diese ja unbedingt mit der Schrottkarre hatte fahren wollen. Dann hatten wir den Fehler begangen und den Wagen an unserem heruntergekommenen Hotel in Brooklyn abgestellt, um uns ein Taxi zu dem Theater in Manhattan zu nehmen, in dem heute Abend die Show stattfinden sollte. Zu denken, mit dem Taxi wären wir schneller, war die Mischung aus blond und rosa. Extrem gestresst kamen wir schließlich an der angegebenen Adresse an und mussten sofort zu Inos Professor, der seinen Schützlingen und mir diese Modenschau ermöglicht hatte. Wir saßen nicht in der ersten Reihe, was nicht anders zu erwarten war, da diese oft für die Redakteure von Modemagazinen reserviert wurde, aber das war weniger von Belang, weil wir eine der Longen über dem Catwalk besetzen konnten. Soweit ich es überschauen konnte, genossen wir damit ein besonderes Privileg, weil die Besucher der Show wie üblich rings um den Catwalk Platz nahmen. Allerdings hatte es auch seine Nachteile, von oben auf das Geschehen schauen zu müssen, da ich mir bei der jungen Designerin auch Anregungen holen wollte und nun Angst bekam, nicht genügend zu sehen. Am Ende des Laufsteges war eine schwarze Leinwand tradiert, auf der mit großer Wahrscheinlichkeit die Show größer übertragen wurde. Je näher die Show rückte, umso aufgeregter wurde ich. Die freien Plätze füllten sich schnell und ein angenehmes Summen lag in der Luft - ein Effekt der unzähligen Gespräche unter uns. Es war eine elektrisierte Spannung und ich hoffte von Herzen, irgendwann einmal selbst in den Genuss zu kommen, eine eigene Modenschau zu haben. Ich lehnte mich über die Brüstung und sah auf den Laufsteg, der schwarz glänzte. Ich erkannte ein paar Leute, die regelmäßig die Klatschspalten der Zeitungen ausfüllten und zur High Society gehörten, sowie echte Stars, von denen ich jedoch nicht überzeugt war, dass sie es wirklich waren. Ino kämpfte sich durch die anderen Studenten auf den freien Platz neben mir und ließ sich seufzend zurücksinken. „Hast du gesehen? Leonardo DiCaprio ist auch hier.“ „Das ist er wirklich?“ „Wahrscheinlich läuft seine Freundin hier mit.“, schätze Ino und reichte mir Popcorn. „Du hast ja echt an alles gedacht.“, lachte ich begeistert und Ino nickte atemlos. „War auch nicht einfach, das hier rein zu schmuggeln. Aber egal, was kannst du mir über die Show erzählen?“, begann sie ihr Fragerei, weil sie sehen wollte, ob ich mich vorbereitet hatte. „Die Designerin heißt Temari Sabakuno, sie ist 23 Jahre alt und ihre erste Kollektion heißt >Lady Marmelade<.“ „Ausbildung?“, gab mir Ino das Schlagwort und ich schluckte beim bloßen Gedanken daran. „Praktika unter anderem bei Chanel oder Versace. Wie kann ein Mensch nur soviel Glück haben?“, fragte ich Ino missmutig. „Ihre Mutter ist eine ehemalige Broadway Schauspielerin und ihr Vater berühmt in der Medienwelt, sie wurde also mit dem Goldlöffel im Mund geboren. Solche Kinder kriegen alle Möglichkeiten - wir werden gleich sehen, ob sie auch Talent hat.“, antwortete die Blondine und zückte professionell ihren Notizblock. „Wie ich sehe, bist du mal wieder viel besser informiert als ich.“, stellte ich fest und verglich Ino einmal mehr mit dem kotzenden Gör, das ich vor zehn Jahren kennengelernt hatte. „Na ja, der Prof hat die letzten Stunden auch so einiges dazu beigetragen. Sie hat noch zwei Brüder, aber über die ist nur weniges bekannt. Der große arbeitet für den Vater und der jüngere schläft sich durch die Welt.“ „So hat er es gesagt?“ „Nein, aber so formulier ich es. Wie gesagt, man weiß nicht viel über sie.“ Ino verstummte, denn langsam dämpften sich die Lichter. Wir lehnten uns vor und auf der schwarzen Leinwand erschienen nacheinander die Buchstaben >Lady Marmelade< in einem fiebrigen Rot. Die Farbe wechselte in einem immer schnelleren Tempo und die Musik setzte ein. Ich kannte die Melodie, allerdings fiel mir nicht ein woher. Es war keinesfalls die von dem Song >Lady Marmelade<. Ino schien dasselbe Problem zu haben, sagte aber nichts. Die ersten Models betraten den Laufsteg und sofort war es mir unmöglich, den Stil der Kleidung zu beschreiben. Sie war nicht aufmüpfig, wie man es bei dem Thema vielleicht gedacht hatte, aber auch nicht von makelloser Eleganz. Die meistauftauchenden Farben waren schwarz und rot, immer in anderer Konstellation. Je mehr Zeit verstrich umso weniger alltagstauglich wurden die Kleider, aber es gefiel mir, auch wenn ich einige Dinge anders gemacht hätte. Trotzdem bekam ich Angst. Angst davor, es nicht zu schaffen und kläglich zu scheitern. Die Designerin betrat zum krönenden Abschluss den Laufsteg. Sie sah sehr jung aus, hatte dunkelblonde, kürzere Haare und einen ebenso ausgeflippten Style wie ich, was man jedoch in ihrer Kollektion nicht genau mitbekommen hatte. Sie bedankte sich und war ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht war. Inos Idee war gewesen, Temari Sabakunos Feedback einzuholen und je mehr sie aus meinem Blickfeld verschwand, umso unruhiger wurde ich. Niemals würden wir sie alleine antreffen. „Komm“, sagte Ino in diesem Moment und zog mich mit sich. „Was versteht ihr an einem >NEIN< nicht?“, fragte ein schätzungsweise drei Meter großer, kräftiger Türsteher und verschränkte die Arme vor der Brust, um seine Autorität zu untermauern. Ino stellte sich zur vollen Größe auf, jedoch wirkten ihre 1,75 m gegen diesen Bodybuilder leider nicht. Ihr Oberschenkel war mit seinem muskulösen Oberarm gleichzusetzen. „Wir sind Freundinnen von Temari Sabakuno!“, zeterte sie weiter und ich griff automatisch zu ihrem Jackenärmel, um sie festzuhalten, sollte sie vorhaben, sich auf ihn zu stürzen. „Sorry Mädels, versucht es bei der After Show Party und nun verschwindet.“ Ich hatte mich damit abgefunden, schon als wir vor zehn Minuten vor diesem Typen aufgetaucht waren und er uns mit diesem Blick angesehen hatte, als kenne er Leute wie uns wie seine Westentasche. Aber Ino hatte nicht aufgegeben. Schließlich war ich es, die sie den erleuchteten Theatergang weiter zog und durch den Hintereingang schleppte. „Du kannst doch nicht einfach so aufgeben!“, schrie Ino aufgebracht und gestikulierte wie wild in Richtung des Bodyguards. „Und du glaubst doch wohl nicht wirklich, dass die Sabakuno meine Entwürfe angesehen hätte?“, meinte ich entnervt und entdeckte eine Mülltonne nicht weit von dem Ausgang entfernt. Ich schmiss unsere Snacks von der Show hinein und drehte mich zu meiner besten Freundin um, die geschlagen auf mich zu stöckelte – und stecken blieb. „Oh Scheiße, jetzt trete ich auch noch in Hundescheiße!“, heulte die Blondine, lehnte sich an die schmutzige Mauer des Theaters und begann mit einem Taschentuch ihren Schuh zu retten. Es gab Momente in unserer Freundschaft, in denen wir uns gegenseitig hassten, was jedoch nur die Liebe zueinander stärkte. Dies war so ein Moment. Ich sah mich um und rümpfe angeekelt die Nase. Der Hinterhof und die gesamten weiteren Straßen auf der anderen Seite des von vorne so edel wirkenden Theaters schienen die schmutzigsten überhaupt zu sein. Müll häufte sich, sodass ich mir gar nicht die Mühe hätte machen brauchen, unseren wegzuschmeißen. Ich widerstand dem Drang, mich einfach gegen die Mülltonne sinken zu lassen. Ino fluchte leise vor sich hin. Plötzlich ging die grüne Stahltür auf, durch die ich uns eben geschleust hatte, was dem Schmutz nach zu urteilen, nicht meine beste Idee gewesen war. Gelächter drang uns entgegen und drei Personen stolperten heraus. Sie beachteten uns nicht oder sahen uns nicht, beides war mir relativ egal. Böse betrachtete ich die drei, wie sie unbeschwert lachen konnten. Ino hatte sich aufgerichtet und blickte den Leuten verwirrt nach. Unsere Blicke trafen sich und Inos Lippen formten einen Namen: „Temari“ Meine Gehirnzellen fingen in eben diesem Moment an zu registrieren, wer diese Person war. Ich wandte den Kopf in die Richtung des unbeschwerten Gelächters, als die drei unter einer Straßenlampe hinwegtauchten und mir der Atem stockte. Das Licht fiel auf schwarzes, verwegenes Haar und auf die Kontrast bildende helle Haut einer der männlichen Begleiter Temari Sabakunos. In diesem Augenblick war sie mir genauso egal wie der rothaarige Mann neben ihr. Ich blinzelte. Eine Limousine hielt vor den dreien und sichtlich angetrunken stiegen sie ein. In diesem Moment schrie Ino: „Hey!“ Und der Schwarzhaarige drehte sich zu ihr um. Sein Blick schweifte über Ino und blieb an mir hängen. Seine Miene verriet nicht, ob er mich erkannte oder nicht. Ohne uns weiter zu beachten, verschwand er in dem schwarzen Fahrzeug. Es kam mir surreal vor in einer Stadt mit acht Millionen Einwohnern und doch war es passiert. Fortsetzung folgt… ~~~ Würde mich über Feedback freuen! Besonderen Dank an –Riri-. Du weißt warum. Kapitel 3: Beautiful Disaster ----------------------------- Beautiful Disaster Das Schicksal des Menschen ist der Mensch. (Bertolt Brecht) Um ehrlich zu sein, war es von geradezu absehbarer Wahrscheinlichkeit gewesen. Nur meine und Inos gut ausgeprägte Naivität hatte die offensichtlichen Tatsachen verschleiert, so dass wir tatsächlich angenommen hatten, dass unser kleiner Ausflug nach New York ohne pikante Zwischenfälle verlief. Welch glorreicher Fehler unsererseits. Ich rümpfte die Nase, als wir an dem nächsten Container vorbeikamen und mir erneut ein undefinierbarer, aber eindeutig abartiger, Geruch entgegenströmte. Die schmutzige Gasse – nebenbei war es ein weiterer Fehler gewesen, diesen Weg einzuschlagen, man hätte ja bedenken können, welchem Geschlecht man angehörte – lag in einem undeutlichen Dunkel und man konnte von reinem Glück sprechen, dass wir noch keinem alkoholisierten Penner über den Weg gelaufen waren. Die meisten Straßenlaternen waren kaputt und so spendeten uns nur drei der unzähligen in diesem Moment Licht. Ich mochte diese Art der Dunkelheit nicht. Allgemein mochte ich keine nächtlichen Orte, die ich nicht kannte. Ich hätte es extrem lockerer aufgefasst, wenn helles Tageslicht unseren Weg klarer gemacht hätte, aber dies war leider nicht der Fall. Ino teilte unterdessen mein Unbehagen keineswegs. Sie fluchte leise vor sich hin und manchmal, wenn sich ihre Absätze in Müll oder ähnlichem verharkten, schrie sie ebenso gedämpft auf. Ino hatte die Angewohnheit, andere für eventuelle Missgeschicke verantwortlich zu machen, weshalb ich in diesem Moment die Schuld trug, dass sie in Hundekacke gelatscht war und vor sich hin stolperte. Allerdings hatte die Blondine diesen unheilvollen Weg eingeschlagen, weshalb ich inständig hoffte, sie besäße einen Funken Orientierungssinn, was das betraf und würde uns nicht in den nächsten Abgrund treiben. In solchen Momenten mochten Ino und ich uns nicht besonders, denn sie machte mich unausgesprochen für die Gesamtsituation verantwortlich, was mich wiederum böse werden ließ und es bloß eine Frage der Zeit war, wann sich die Spannungen entladen würden. Staub wirbelte auf, als ein Windzug uns in die richtige Richtung drückte, und spiegelte sich im Licht der Laternen wieder. Es war sehr still und nur von weit entfernt drangen die Geräusche spärlich vorbeifahrender Autos an mein Ohr. Ich zitterte, nicht unbedingt vor Angst, weil ich ein Mensch war, der sich schnell mit seinem Schicksal – in diesem Fall der Tod nach Zusammenkunft mit einem Pädophilien – abfand, sondern eher weil die Temperaturen drastisch gefallen waren. „Weißt du noch, als wir mit den Jungs aus dem Dorf die Straßenlampen ausgetreten haben?“, knurrte Ino in diesem Moment und überraschte mich mit diesem offensichtlichen ersten Schritt auf mich zu einmal mehr. „Die Typen haben sie ausgetreten, nicht wir. Wir haben zugesehen und aufgepasst, dass wir gerade stehen bleiben konnten, ohne rückwärts in den nächsten Bach zu fallen.“, stichelte ich und sah aus den Augenwinkeln, wie Ino das Gesicht angewidert verzog. „Komischerweise weiß das Opfer von alledem nix mehr, aber dafür noch genau, wie jemand anderes die Straßenlaterne für den Macker gehalten und mit ihr Intimitäten ausgetauscht hat.“ Ino grinste mich herausfordernd an. „Mag schon sein, aber du musst zugeben, dass der echte Typ damals nicht unbedingt die hellste Leuchte war. Verwechslungen mit Lampen in der Hoffnung, er habe mehr Grips als vorerst angenommen, also nicht ausgeschlossen.“, rechtfertigte ich mein Techtelmechtel mit einer Straßenlaterne und grinste Ino ebenfalls herausfordernd an. Mein einstiges Thema wollte ich dann doch nicht so schnell vergessen. „Ach ja, meine Freundin Hinata hat übrigens ein Foto von dem Bachunglück gemacht und droht jetzt immer noch damit, es als Weihnachtskarte zu verschicken, weswegen ich besonders still wäre, Ino!“ „Weißt du überhaupt, wo du hingehst?“, fragte Ino und wechselte so das Thema auf beunruhigende Weise. Abrupt blieb ich stehen und drehte mich entsetzt zu ihr um. „Weißt du denn nicht, wo es langgeht?“, fragte ich hysterisch und Ino wurde in den wenigen Teilen ihres Gesichts, die nicht im Dunklen lagen, ganz bleich. „Nicht wirklich.“, gab sie zu und ihr schien das Ausmaß dieser Situation bewusst zu werden. „Was machen wir denn jetzt, verdammt!“ Panisch blickte ich mich um und bemerkte, dass wir fast die belebte Straße erreicht hatten, die uns wenigstens an der Außenwelt teilhaben ließ. Aber die Blondine gestikulierte plötzlich aufgeregt mit Händen und Füßen, als ihr unsere Rettung in den Sinn kam. „Moment, also der Bodyguard hat uns gesagt, dass wir es auf der Aftershowparty versuchen sollen, also müssen wir die jetzt nur noch finden.“ „Schön, dass du zusammengefasst hast, was schon jeder weiß, Ino.“, grummelte ich. Ino sagte nichts, sondern schien angestrengt weiter zu überlegen. Minuten später konnte ich den Blitz förmlich in sie einschlagen sehen, der dann alles um sie herum erhellte, vor allem ihr Gesicht. „Ich rufe einfach meinen Prof an!“, verkündete Ino, sah mich stolz und einen Hauch überheblich an und holte ihr Handy aus der Tasche. Ich pfiff erleichtert Luft aus und wartete, während Ino das Telefon an ihr Ohr drückte und sich zusätzlich noch die Hand aufs andere Ohr legte, um besser hören zu können. Einige Zeit passierte nichts, bis Ino anfing, laut und schnell loszuplappern. „Gott sei Dank! Hören Sie zu, bitte, es ist mega wichtig! Sie müssen mir sagen, in welcher Straße die Party stattfindet!“ Es war Inos letzter Satz, bevor sich ihr Gesicht dunkelrot färbte. Ich hätte zu gern gewusst, was am anderen Ende der Leitung vor sich ging und drückte mich kurzerhand mit dem Ohr an die Rückseite von Inos Telefon. „Ja?“, meldete sich gerade eine mir vollkommen unbekannte Männerstimme und Ino drückte ihre Fingernägel voller Anspannung in meinen Unterarm. Fast hätte ich geschrien, aber das ließ sich abwenden. „Hey, ähm, kannst du mir die Straße nennen, in der die Party stattfindet und am besten noch wo dort genau und wenn du gleich den Weg beschreiben könntest, wäre das auch hilfreich!“ Ich merkte, wie Ino über sich selbst den Kopf schüttelte und hörte, wie der Mann am anderen Ende der Leitung lachte. „Wie heißt du denn?“, wollte er wissen und Ino antwortete perplex mit der Wahrheit. Ich lehnte mich zurück und ging einen Schritt von meiner Freundin weg, weil ich das unangenehme Gefühl bekam, dass sich aus diesem Gespräch ein Flirt entwickelte. Unwillkürlich musste ich an den schwarzhaarigen, jungen Mann denken, der dem Kerl aus einer meiner anderen New York Nächte zum verwechseln ähnlich gesehen hatte. Ich glaubte mittlerweile nicht mehr, dass es sich in diesem Fall um den gleichen Sasuke handelte. Die Vorstellung war geradezu absurd und allgemein die Möglichkeit in Erwägung gezogen zu haben, war mir erschreckend peinlich. Mir kam die Zeit, in der ich nicht mehr an Sasuke gedacht hatte, vor wie eine Ewigkeit. Eigentlich konnte man sogar sagen: Aus den Augen, aus dem Sinn, denn mehr war es bei mir auch nie gewesen. Unser beider Standpunkt war schließlich von vornherein klar gewesen und dieser hatte sich auf getrennte Wege bezogen. Nichts außer Inos helles Gelächter und entfernt vorbeifahrende Fahrzeuge war zu vernehmen und einerseits beruhigte diese Tatsache mich ungemein, doch andererseits bekam ich nur wenige Anhaltspunkte, über die es sich lohnte nachzudenken, so dass ich einen Abend aufrollte, der mich den letzten Monat über nicht interessiert hatte. Ewigkeiten später klappte meine Freundin ihr Handy zu. „Und?“, grummelte ich, aber Ino grinste unablässig vor sich hin. „Ich habe mit einem charmanten, jungen Mann geredet, der mir nebenbei auch den Weg erklärt hat. Mein Prof hat mich an den nächstbesten weitergegeben, den er in Reichweite hatte und zuerst dachte ich, er wolle mich verarschen, allerdings können wir froh sein, dass er alkoholisiert diese Geste geschafft hat, das Handy überhaupt weiterzureichen.“ Mit neu gewonnener Kraft zog Ino mich die letzten Meter bis zur Hauptstraße und winkte mit einem Elan ein Handy, wie ich es bisher nur im Fernsehen verfolgt hatte. Ino hätte wunderbare Chancen auf eine Modelkarriere gehabt und doch hatte sie sich gegen den Rummel um die eigene Person gewandt. Ich presste bei diesen Gedanken meine Tasche mit all meinen gesammelten Entwürfen an mich und hoffte auf ein wenig Unterstützung vom Schicksal und eine Portion Glück. Temari Sabakuno war meine einzige Fahrkarte hinaus aus der Zimmermädchenbranche. „Dieser Uzumaki wollte vor dem Gebäude auf uns warten.“, seufzte Ino, fuhr sich aufgeregt durch die blonden Haare und begann in ihrer Tasche nach Make-up zu kramen. „Der Mann, mit dem du telefoniert hast.“, stellte ich trocken fest und beobachtete Ino bei den Versuchen, in einem Taxi ein Make Over durchzuführen, oder wie immer man solche Triebe auch nannte. „Ich habe ein gutes Gefühl bei der Sache.“, murmelte Ino und öffnete den Mund, als sie sich die Wimpern tuschen wollte - eine Angewohnheit, die neben mir, auch jede andere Frau verfolgte. „In meinem Fall oder was deinen persönlichen Durchbruch der unabsichtlich selbst auferlegten Abstinenz verspricht?“, fragte ich und umklammerte hoffnungsvoll meine Mappe, die sich klar in der Tasche abzeichnete. „Beides“, meinte Ino und klappte ihren Taschenspiegel endlich zu. Den Schauplatz dieses Szenarios spielte ein Club in einer Straße, die ich alleine niemals gefunden hätte und die auch zu Fuß nicht erreichbar gewesen wäre, jedenfalls nicht mit den Schuhen, die wir trugen. Das Gebäude war typisch für Manhattan, wenn ich mir als Kleinstadtkind ein Urteil darüber genehmigen durfte. Sehr groß und wuchtig. Mehr als die Hälfte des Hauses wurde tagsüber von einer Firma genutzt, wie mir ein Schild verriet, dass ebenso eine beachtliche Größe hatte, wenn auch das Verhältnis zum Gebäude ein anderes war. Einen Mann davor auszumachen, der uns erwartete, stellte sich als einfacher heraus, als vorerst angenommen. Seine Haare waren von einem hellen Blond. Die Haarfarbe war trotz der Tageszeit fast überdeutlich zu erkennen und er war mehr groß und schlaksig, als besonders durchtrainiert. Er trug einen schwarzen Anzug, der ihm den Titel eines FBI Agenten gerecht gemacht hätte, und strahlte eine ebenso Besitz ergreifende Coolness aus, wie man es von eben diesen erwartete. Wie er dort an der Wand lehnte, dachte ich an meine in Harvard studierende Freundin Hinata, die diese Art von Mann buchstäblich vergötterte. Er war nach Inos Auswertung ein charmanter, witziger Kerl und ich nahm an, dass er ohne Anzug auch als perfekter Beachboy oder Skater durchgegangen wäre. Ja, Hinatas Geschmack hätte er getroffen und doch war ich mir bewusst, dass Ino nicht unbedingt Hinatas Geschmack vertrat. Manchmal kam es mir so vor, als hätte selbst Ino keine genaue Vorstellung von ihrem Traummann, höchstens, was er nicht haben oder wie er nicht sein sollte. „Hey, Uzumaki!“, grinste Ino auch schon und sprach bereits so, als würden wir uns alle schon jahrelang kennen. „Höchstwahrscheinlich bist du Ino. Nüchtern hoffe ich.“, entgegnete der junge Mann süffisant lächelnd und gab Ino zu deren vollendeter Verwirrung einen Kuss auf die Wange. Ich fragte mich einen Moment lang, ob das in New York Trend war und kam mir vor wie ein Bauerntrampel. „Und du bist Sakura, die, die hoch hinaus will.“ Ich bildete mir eine Doppeldeutigkeit in seinen Worten ein, aber genau dieselbe Starre wie bei Ino ergriff mich, als er sich zu mir lehnte. Ich war außerstande seinen Geruch zu identifizieren, aber er kam mir bekannt vor, wenn er auch in meiner Vorstellung hundertmal besser gewesen war. „Ich würde sagen, Ladys, wir beginnen unser Spiel.“, meinte Uzumaki und sah abwechselnd Ino und mich herausfordernd an. Angst war es nicht, die sich in mir breitmachte, eher die Tatsache, dass ich nicht wusste, was mich in diesem Spiel alles erwartete. „Gibt es Spielregeln?“, ging Ino auf seine Aussage ein und versuchte, nicht allzu viel ihrer Verwirrung nach außen dringen zu lassen. „Natürlich.“, antwortete der Blonde, als wäre Inos Frage überflüssig gewesen. „Aber sie sind nicht so extrem wichtig, dass man sagen kann, ich müsste sie erwähnen. Jeder von euch hat eine Aufgabe, Sakura deine ist, denke ich, klar?“ Wie er meinen Namen aussprach, gefiel mir nicht. Ich hatte diesen Mann noch nie gesehen und doch hielt er einen Teil meines Schicksals in den Händen, was meinen Bauch und vor allem meinem Kopf extrem missfiel. „Ich denke, du wirst der Selene gerecht, atemberaubend schön, alles sehende Augen- deine sind von einem geradezu hypnotisierendem grün- und natürlich ebenso klug.“ Mein Blick triefte wahrscheinlich vor Unbehaglichkeit und Unwissen, so dass er sich noch einmal dazu herabließ, uns mehr zu erklären. „Selene ist die griechische Mondgöttin. Du kannst also davon ausgehen, dass du besonderer Maßen in deinen Vorhaben unterstützt wirst.“ Er hob die Hand und zeigte auf den hellleuchtenden Vollmond, der mir bisher nicht sonderlich aufgefallen war. Ich sah bestürzt zu Ino, die aussah, als wolle sie jeden Moment anfangen zu schreien, konnte es aber aus einem unbefindlichen Grund nicht. Mir kam dieser Kerl ebenfalls immer absurder vor, wenn er von dem Spiel sprach und ich hätte an seiner geistigen Zurechnungsfähigkeit gezweifelt, wenn er nicht so klar und angenehm gesprochen hätte. „Temari befindet sich momentan auf der Terrasse, Selene.“, fügte er hinzu und wendete sich an Ino. „Aphrodite, deine Aufgabe ich einfacher und ich werde sie dir am besten anhand deines Opfers näher bringen.“ „Psychopath.“, hauchte Ino hilflos. Uzumaki lachte leise und murmelte: „Ich versüße euch eure Wünsche nur anhand eines kleinen Spieles. Und die griechische Mythologie dürfte euch auch nicht so unbekannt sein.“ „Pah, okay, wir spielen mit!“, knurrte Ino wütend und schlug in die Hand des Blonden ein. Mir kam das wie ein bitterböser Pakt vor, was wahrscheinlich an zu vielen Filmen lag, die ich gesehen hatte, und ich zwang mich, meinem Aberglauben keine Überhand gewinnen zu lassen. Aber mit der Unterdrückung dieser Gefühle wurde ich umso wütender. „Dann lasst das Spiel beginnen. Aphrodite du kommst mit mir, Selene, du solltest den Aufzug nehmen. Ihr könnt mich übrigens Naruto nennen.“, grinste er und ich assoziierte ihn in diesem Moment mit einem reichen Schnösel, der nichts Besseres zu tun hatte, als Mädchen in ein dämliches und sinnloses Spiel zu verwickeln. Ich nahm doch den Aufzug. In diesem Augenblick achtete ich weder auf die Verzierungen im Inneren des Fahrstuhls, noch auf andere eventuelle Besonderheiten der Umgebung. Mein Körper war wie elektrisiert und alle meine Züge schienen mir wie die einer Figur auf einem Schachbrett. Ich war zu einer Marionette geworden, dachte ich missmutig. Die Türen des Aufzugs begannen sich zu schließen und ich lehnte mich an die Spiegelwand hinter mir. Ich bemerkte die Finger nicht, die sich zwischen die beiden Türen drückten, so dass sie erneut aufgingen. Gehetzt trat jemand herein, drückte auf ein Stockwerk und bemerkte mich erst einen Bruchteil später. Der Fahrstuhl setzte sich langsam in Bewegung und ich sah perplex auf die Person, bei der es sich nur um einen Traum oder pure Einbildung handeln konnte. Ich blinzelte, aber er verschwand nicht und mein Puls begann zu rasen. Konnte es sein, dass er der Wirklichkeit angehörte? Eine beängstigende Vorstellung. Er sah mich an, stundenlang so schien es mir. Und dann gab es einen abrupten Ruck. Das Licht flackerte, ging aus und dann wieder an. Der Aufzug war stehen geblieben. Irgendwo. Mein Gehirn spulte überirdisch schnell alle Vorkommnisse des Abends ab und eine erdrückende Übelkeit ergriff mich. Ich versuchte, den Brechreiz zurückzuhalten, bekam daraufhin aber keine Luft mehr. Ich sank zu Boden und drückte meine Wange an die Kühle einer der Spiegel. Das war zufiel. Der Aufzug steckte fest, es konnte Stunden dauern, bis man uns fand. Ihn und mich, und diese Konstellation war schon unmöglich. Von allen Menschen, denen ich in New York begegnen konnte, hatte es mich erneut mit ihm zusammengeführt. Meine Wangen glühten und meine Kehle begann zu brennen, ich hatte die letzten Stunden nichts mehr getrunken. Das waren zu viele Zufälle mit einem Mal, diese Stadt brachte mir kein Glück. Panik überrollte mich. Nun konnte ich die gesamte unterdrückte Portion Angst nicht mehr aufhalten. Ich verfluchte dieses Spiel, welches mich hierher getrieben hatte. Ich spürte, wie er sich bewegte, öffnete aber nicht die Augen. Dass er nicht sprach, verunsicherte mich und machte mir gleichzeitig noch mehr Angst. Unerwartet sank er neben mich, sein schwarzes Haar fiel ihm ins Gesicht und gleichmütig begann er sein Hemd aufzuknöpfen. In mir machte sich das Gefühl breit, dass wir mehr als nur ein paar Minuten eingesperrt bleiben würden und müde rollte ich mich auf dem Boden zusammen. Ich träumte von einem bösen Schicksal, das den Namen Naruto Uzumaki trug. |Fortsetzung folgt| ~~~ Die übliche Rede. ;) Kapitel 4: Beautiful Conversations ---------------------------------- Ich wünsche noch einmal allen Lesern von Beautiful Fate ein 'Gesundes Neues Jahr' und hoffe, dass ihr alle den Rutsch gut überstanden habt. :D Ich möchte dieses Jahr mit der FF wirklich Lack machen und denke, dass es nach dieser Hürde, die dieses Kapitel mit sich gebracht hat, schneller vorangehen wird. Ich bin nur mäßig damit zufrieden und habe die Rohfassung, die seit Monaten auf dem PC hängt, letzte Nacht unter erheblicher Koffein-Zufuhr vollendet. Ich bin sehr froh, dass im nächsten Kapitel einer neuer Tag anbricht!! Danke für eure zahlreichen Kommentare zum letzten Kapitel und die über 300 Favoriten! Liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen! Beautiful Conversations Gespräche sind wie Reisen zu Schiff. Man entfernt sich vom Festland, ehe man es merkt, und ist schon weit, ehe man merkt, dass man das Ufer verlassen hat. (Nicolas Chamfort) Der Club entpuppte sich als unterirdisches und verwinkeltes Labyrinth. Es war erdrückend voll und im Takt der Musik wogende Menschenmassen kamen wellenartig auf sie zu geschwappt und entfernten sich ebenso tänzerisch. Die Töne um sie herum schienen zu explodieren, waren laut und dumpf, ergaben ihrer Ansicht nach keinen Sinn und waren einfach nur belastend. Dröhnend ergoss sich die Musik aus den Boxen und ein Ende dieses Schreckens schien ihr kaum in Sicht. Ihre Stirn war feucht, ihr Haaransatz wie nach dem Joggen nass, ihr Oberteil schien an ihrem Körper zu kleben. Heiße Luft legte sich wie ein Mantel auf sie, den es ihr nicht gewillt war, von sich zu reißen, und ein beklemmender Geruch von Rauch und Schweiß hüllte sich um ihre Lungen. Sie atmete geräuschvoll - und dennoch gnadenlos in der vorherrschenden Lautstärke untergehend - aus, blieb auf dem Absatz stehen und schloss einen Moment die Augen, um sich zu beruhigen, doch im nächsten Augenblick drückten sich bedrohlich viele Menschen um sie, so dass sie ihre Flucht schleunigst fortsetzte. Dieser Trip wurde immer mehr zu einem Fiasko, je näher sie dem neuen Tag kamen, schoss es ihr durch den Kopf und schwindelerregende Gefühle stoben in ihr hoch. Kerngesund war sie angereist, das stand außer Frage, und trotzdem schien ihr Kopf seit geschätzten zwei Stunden immer stärker zu pochen, ohne einen ersichtlichen Grund. Hilfesuchend klammerte sie sich an den Nächstbesten und ließ sofort wieder los, als sie merkte, was sie getan hatte. Schwankend glitt sie weiter durch die nie enden wollende Menschenmasse auf der Suche nach dem Ausgang aus diesem unsympathischen Loch. Als sie hörte, dass sich der Club unterhalb des Gebäudekomplexes befand, hätte sie sofort flüchten sollen, denn die Idee hatte ihr überhaupt nicht zugesagt. Wer hatte ihr das erzählt? Der blonde Junge, dessen Name dir nicht mehr einfällt, antwortete ihr Unterbewusstsein und am liebsten wäre sie auf der Stelle in ihr Bett gestiegen und hätte geschlafen. Er hat dich Aphrodite genannt. Ein Stechen belebte ihre Stirn und machte den Schmerz unerträglich. Die Augen offen zu halten und nicht sofort zusammenzusinken, erwies sich als immer schwerer. Irgendwann drückten sich ihre Finger schließlich auf eine kühle Tür, über der ein grün leuchtendes Schild prangte, und sie schwang nach ein paar kläglichen Versuchen auf. Irgendetwas hatte sie ihrer Kräfte beraubt. Aber sie hatte lediglich… wie viel getrunken? Prinzipiell achtete sie auf ihren Alkoholkonsum, zu oft waren ihr unangenehme Dinge in ihrer Jugend widerfahren, als das sie leichtsinnig und unachtsam mit einundzwanzig Jahren derart weiter verfahren würde. Hatte sie sich vielleicht einen Virus eingefangen? Der sich anschließende Gang war menschenleer, in einem warmen gelb gestrichen und klassisch weiß gefliest, wahrscheinlich weil es einfach die billigste Variante war, falls übermütige Partygänger sich hier ihres Abendessens…. Nicht weiterdenken!, mahnte ihr diese Stimme, die Ino am liebsten ausgeschalten hätte. Sie atmete tief durch und lehnte sich kraftlos an die Wand; die Luft und Atmosphäre gefielen ihr hier eindeutig besser. Nur noch halblaut und dumpf schlichen sich die Töne der elektronischen Musik in ihr Ohr. Sie hatte diese Musikrichtung noch nie gemocht. Sie schlich bis zur nächsten Damentoilette, aber als sie den Raum betrat und ein Mitleid heischendes Stöhnen und gleichsam unverhohlene Würgegeräusche an ihr Ohr drangen, entschied sie eine andere Toilette aufzusuchen. Es erschien ihr wie ein ewiges Herumirren. Wahrscheinlich befand sie sich mitten in dem Keller des Gebäudes und würde erst in ein paar Stunden an die kühle New Yorker Nachtluft treten können. Wenn sie bis dahin nicht schon längst in irgendeiner Ecke zusammengesunken wäre. Sie hustete und strich sich mühsam die langen Haare aus dem Gesicht, die sich fettig und zerzaust anfühlten. Ihr Bauch verkrampfte sich und zwang sie gebeugt weiterzulaufen. Nie wieder, dachte sie, nie wieder. Was auch immer. Nie wieder! Schließlich erreichte sie den Treppenabsatz, der sie aus dem Keller hinaus führen würde, und eine beachtliche Viertelstunde später sank sie erschöpft auf einem rot ausgelegten Teppich zusammen. Aber sie sah die verglaste Forderfront des Gebäudes, die sie so beeindruckt und bei deren Anblick sie sich gewünscht hatte, nach der Uni durch ebenso ein Gebäude zu ihrem Arbeitsplatz zu schlendern. Geschäftsmäßig. In Versace oder Gucci. Prada oder…. Das Licht in dieser Etage war gedämpft und schimmerte blau. Es machte sie schläfrig. Der Arbeitsplatz einer Empfangsdame und eines Sicherheitsbeamten lag leer und tot da. War es möglich, dass sie gar nicht hier sein durfte? Waren Sicherheitsbeamte in einem Gebäude wie diesem nicht eigentlich Pflicht? Kameras, flötete diese unerträgliche Stimme die Antwort und Ino beschlich leises Unbehagen, als sie daran dachte, gerade auf einer Kamera gesehen zu werden. Man würde glauben, sie hätte sich kaputt gesoffen. Würde man sie suchen und aufsammeln, auf die Straße setzen oder ihr ein Taxi rufen? Ein paar Passanten erfüllten sogar um diese Uhrzeit die Straßen und liefen eilig und ohne einen Blick hinein zu werfen an dem Gebäude vorbei. Sie hatte New York schon immer geliebt. Beinah hätte sie sich in diesem Anblick verloren. Bis ein Lachen die Stille zerschnitt. Ihr Kopf begann automatisch stärker bei diesem hohen Geräusch zu schmerzen und ihre Finger versuchten sich in den Teppich zu klammern, fanden aber keinen Halt. Sie fühlte sich verdammt schwach. Und hörte eine angeheiterte Frau über den glänzend hellen Marmorboden stöckeln, der sich in der Vorhalle anschloss. Sie hatte das Lachen an diesem Abend schon einmal gehört, nur ihr fiel nicht ein, wann und in welchem Zusammenhang. Nun setzte auch ein anderes, männliches Lachen ein. Heiter. Belustigt. Sie drehte den Kopf in die Richtung dieses angenehmeren Geräusches, sah aber nur die Beine des Paares. Sie standen eng nebeneinander und sich augenscheinlich gegenüber. Wahrscheinlich küssten sie sich. Er flüsterte etwas und sie murmelte verständlicher: „Ich dich auch.“ Ino drehte den Kopf weg, ihr war es peinlich, auf dem Boden zu liegen und bei diesem intimen Moment zu lauschen. Zu ihren Schmerzen schlich sich eine Leere, die sie nicht definieren wollte. Erneut schloss sie die Augen und plötzlich sagte der Mann etwas, das sie zurück in die Wirklichkeit zog. „Temari, du fällst noch hin.“ Es klang tadelnd. Wie man normalerweise mit einem kleinen Kind sprach. Aber es war der Name, den er nannte, der an ihrer Erinnerung rührte und als sie förmlich vom Blitz getroffen wurde, glitt die Glastür ins Schloss. „Nein!“, schrie Ino hilflos und rappelte sich so abrupt auf, dass ihr erneut schwarz vor Augen wurde. Nein, nein, nein, dachte sie und beschleunigte ihre Schritte bis ihr die kalte Nachtluft ins Gesicht peitschte und sie verzweifelt alle Richtungen nach dem Paar absuchte. Wenn Temari gerade eben das Gebäude verlassen hatte, wo war dann Sakura? „Sakura“, murmelte Ino und schämte sich, dass sie ihre beste Freundin dermaßen vergessen hatte. Dass sie nicht viel schneller umgeschaltet hatte! Ihr wurde noch schlechter bei dem Gedanken, die einzige Person aus den Augen verloren zu haben, die sie in dieser Stadt kannte. Wo zum Teufel konnte sie sein? „Mist verdammter!“, brüllte sie gen Himmel und stampfte wütend mit dem Fuß auf. Das Adrenalin, das durch ihre Adern geflossen war, verflüchtigte sich und langsam kam der Schmerz in ihren Gliedern zurück. „Ich hasse New York!“, brüllte Ino weiter und es war ihr egal, ob sie den paar Menschen nun auffiel oder nicht. Schon immer hatte es sich als eine Erleichterung gezeigt, alle Gefühle hinauszubrüllen. „Scheißt doch auf Temari Sabakuno und scheißt doch auf New York! Hab ich erwähnt, dass ich diese Stadt hasse?“ „Vor drei Sekunden, ja.“, antwortete eine Stimme, in der der Sarkasmus förmlich bei jeder Silbe gewollt oder ungewollt mitklang. Aber es war ein angenehmer Klang, viel schöner als der von Temaris peitschend hoher Stimme oder der ihres Liebhabers. Nüchtern. Feststellend. Amüsiert? Ino leckte sich über die Lippen und wusste nicht, ob sie bereit war, sich umzudrehen. Langsam begann auch das Schwindelgefühl sie wieder einzuholen und ihre Knie begannen unansehnlich zu zittern. Ihr fiel keine Antwort ein. Sie hatte immer eine für unpassende Anmachen oder Blondinenwitze auf Lager. Aber ihr fehlten die Worte. Na ja fast. „Ich hasse New York. Und diese Stiefel, die heute Nacht soviel mitgemacht haben, dass ich sie morgen wegschmeißen kann, und diese verdammten Teile waren teuer. Okay, ich hab sie billiger bekommen, aber ich hab nicht sonderlich viel Geld, weil ich nur eine arme Studentin bin. Wäre ich doch einfach übers Wochenende in Yale geblieben, wenn man von den neureichen Schnöseln absieht, die nichts draufhaben, aber trotzdem von Papi auferlegt bekommen haben, dort zu studieren, dann ist es sehr angenehm dort zu leben. Ach ja, diese ganzen Reichen hasse ich auch.“ Die Worte waren aus ihrem Mund gesprudelt, bevor sie in der Lage gewesen war, sie aufzuhalten. Nun schwieg sie beschämt und verwirrt zugleich. Es kam keine Antwort und sie war sich sicher, dass sie diesen angenehm klingenden Mann in die Flucht geschlagen hatte. Sie sah ja auch schrecklich aus. Doofes New York City. Ino biss auf ihrer Unterlippe herum, bis sie unaufhörlich zu zittern begann und beschloss doch lieber zurück zu gehen, um… was eigentlich? Seufzend drehte sie sich auf dem Absatz um und ihr Blick verfing sich in tief grünen Augen. Perplex ging sie einen Schritt zurück. Die frische Luft klärte ihre Sinne ungemein, so dass sie sich ihrer Peinlichkeit sofort bewusst wurde und beschämt die Augen nieder schlug. Der Typ schüchterte sie mit seinem Blick ein und er nahm ihn partout nicht von ihr. Ein paar Sekunden vergingen, bis Ino beschloss, nicht klein beizugeben und ihren Blick erneut hob, nur um noch mehr erschreckend anziehende Merkmale an ihrem Gegenüber festzustellen. Wie sollte sie es benennen, ohne dem schlimmsten Vorbild nachzugehen und wie eine Liebeskranke in einem schlechten Buch zu klingen? Sie war ja nicht verliebt, aber sie vergaß trotzdem einen Moment alles um sich herum, als sie in dieses Gesicht blickte. Sie hatte an diesem Abend schon einmal eine Person gesehen, die derart elegant gekleidet gewesen war und der auf sie wie ein FBI Agent gewirkt hatte. Nur Uzumaki wirkte wie ein Witz im Gegensatz zu ihm. Seine Augenbrauen verzogen sich fragend in die Höhe, als sie ihn so dermaßen krank anstarrte, als hätte sie noch nie zuvor ein männliches Wesen gesehen. Ihm schien ihr bohrender Blick unangenehm und seine Hand fuhr durch das rote Haar, welches ihr glatt den Atem raubte. Er war in ihren Augen ein Werk der Vollkommenheit, das sie nicht gewappnet war, zu beschreiben. Langsam schüttelte sie ihren Kopf ohne den Blick abzuwenden. Sie war das genaue Gegenteil, vor allem im Augenblick und selbst gestylt konnte sie es nie mit ihm aufnehmen. „Du hast Vorurteile gegenüber Reichen. Du hasst New York. Aber du bist in einem Bonzen Club und in eben dieser Stadt.“, stellte er fest und seine vollkommenen Lippen verzogen sich zu einem ungläubigen Lächeln. „Meine Freundin wollte zu Temari Sabakuno.“, antwortete Ino schwach und nur halb so melodisch wie ihr Gegenüber. Ihre Stimme klang wie die einer alten Kräuterhexe. Jedenfalls stellte sie sich deren Stimme so krächzend vor. „Ich bin natürlich dem größten Spieler New Yorks zum Opfer gefallen, obwohl ich mich kaum erinnern kann, was der nun eigentlich mit mir angestellt hat.“ „Viel für einen Abend.“ War sein Kommentar und sie wusste nicht, ob er gezwungen von ihrer Offenheit antwortete oder wirkliches Interesse an ihrer Geschichte zeigte. Und doch gefiel ihr diese Antwort. Sie lächelte schwach und blickte die lange verlassene Straße auf und ab. „Wahrscheinlich hat mir der Typ etwas in den Drink gemischt, denn ich bin buchstäblich krabbelnd hier hoch gekommen.“ Wie zum Beweis begannen ihre Beine erneut zu zittern und ein neues Pochen erfüllte ihren sonst klaren Kopf. Sie suchte nach dem nächstbesten Gegenstand, an dem sie sich festhalten konnte, ignorierte bei der Auswahl jedoch den Rothaarigen beflissentlich. Sie würde sich nun nicht auch noch wie eine Ertrinkende an ihn klammern, obwohl ihr die Vorstellung gefiel. Allerdings schloss sich seine Hand fest um ihren Arm, gerade in dem Moment, als sie drohte, wie ein nasser Sack das Gleichgewicht zu verlieren und um zu fallen. „Danke.“, flüsterte sie und spürte, wie ihr heiß wurde. Das war nicht gut, sie musste hier schleunigst weg. „Ich…“, begann sie im selben Moment, als er ansetzte zu sprechen und erneut verstummte. Ihr wurde immer unbehaglicher und die Stelle, um die sich sein Arm geschlossen hatte, brannte fürchterlich. „Ino.“, schloss sie leise und ihre Stimme hörte sich fremd und kläglich an. Verletzlich. Oh Gott, was machte sie denn nur für einen bescheuerten Eindruck? Er grinste sie leicht schräg von oben herab an. „Gaara.“ Sie nickte knapp und blickte wieder auf den Asphalt. Ihre Beine schienen nun aus einem ganz anderen Grund zu zittern. „War wohl ein langer Tag.“, entschuldigte sie sich und fühlte sich verpflichtet hinzuzufügen: „Ich steh normalerweise nicht auf der Straße und brülle mein Seelenleid hinaus in die Welt. Und ich bin auch normalerweise nicht so negativ eingestellt, ich frag mich nur, wo meine Freundin ist und ach, ich bin normalerweise auch schlagfertig und sehe besser aus!“ Letzteres lies das Grinsen breiter werden und Ino röter. „Normalerweise.“, entgegnete er, amüsiert über ihren häufigen Gebrauch des Wortes. „War ein langer Tag.“, fügte er hinzu und zwinkerte ihr zu, so dass ihre Knie drohten durchzubrechen. Oder so ähnlich. Sie nickte schwach und ließ sich von ihm ein Stück weiterziehen. „Welches Hotel?“, fragte er sie und Ino glaubte einen Augenblick, er wolle sie begleiten. Wollte er? Sie nannte ihm den Namen und er winkte mit einer unbeschreiblich lässigen Geste ein Taxi heran, verfrachtete sie auf den Rücksitz und drückte dem Fahrer ein paar Scheine in die Hand. Dann öffnete er erneut ihre Tür und beugte sich zu ihr hinunter. „Überdenk deine Einstellung gegenüber Reichen, ich denke, sie ist tödlich. Außerdem gibt es auch einige in Yale, die aufgrund außerordentlicher Leistungen und - nebensächlich - reicher Eltern dort studieren. Schlaf schön, Ino.“ Irgendwo schlug eine Uhr Zwölf. Und einen unbeschreiblich kurzen Moment lang spürte Ino seine weichen Lippen auf ihren, bevor die Autotür zugeworfen wurde und das Taxi sich immer weiter von ihm entfernte und in den Tiefen New York Citys verschwand. -- Es war schon immer eine meiner größten Ängste gewesen, in einem Fahrstuhl stecken zu bleiben. In meiner Vorstellung war ich nicht allein gewesen, sondern hatte immer einen meiner Erzfeinde - fünf Jahre lang hatte ein Mädchen namens Amy diese Liste angeführt - bei mir gehabt, was das Ganze noch eine Spur abscheulicher gemacht hatte. Aus diesem Grund nahm ich auch lieber die Treppe als den Aufzug, so wie ich auch lieber mit dem Flugzeug oder dem Auto reiste, als eine Kreuzfahrt zu tätigen und auf dem Meeresboden zu sinken, wie es einst der Titanic widerfahren war. Ino und ich waren damals sechsmal ins Kino gegangen, hauptsächlich wegen Jack. Zu dieser Zeit hatten wir auch die Wände unseres Zimmers mit Postern von Leonardo DiCaprio tapeziert und uns geschworen, keinem Jungen mehr Beachtung zu schenken, sondern auf unseren persönlichen Jack zu warten oder gleich Leo zu ehelichen. Irgendwann hatten sich diese Vorsätze verloren. Wahrscheinlich hätte ich mit Amy in dieser Situation noch ein Gespräch über Schuhe oder sonstige belanglose Dinge führen können und in mir wuchs der Gedanke, dass es doch nur halb so schlimm gewesen wäre, mit ihr eingesperrt zu sein, als mit einem Typen, der einen nackt gesehen und eine ganze Nacht lang ungemein befriedigt hatte und der obendrein kein Wort sprach, sondern kalt wie ein Stein da saß und von dem man überzeugt gewesen war, ihn niemals wiederzusehen. Wie konnte es möglich sein, gleich zweimal seinen One-Night-Stand zu treffen? Zuhause in Woodbury wäre das höchstwahrscheinlich passiert, in dieser Gemeinde blieb nichts lange geheim, ganz zu schweigen, dass jede Seele sich penetrant gut kannte. Wäre ich also mit dem Bäckersohn Kevin in die Kiste gesprungen, na gut, dann wäre meine Mum ein gesellschaftliches Wrack gewesen und monatelang Klatsch und Tratsch Thema ihres Frauenvereins, dann wäre die Kanzlei meines Vaters in Verruf gekommen und ich hätte ihr Leben mit einem Schlag mehr geschadet als ohnehin schon, aber wie konnte das in einer Stadt wie New York passieren? Ich hätte es sogar verkraften können, ihm auf der Straße entgegen zu laufen, den Kopf zu senken und so zu tun, als hätte ich ihn nicht bemerkt, aber niemals wäre mir die Möglichkeit in den Sinn gekommen, mit ihm eine zweite Nacht lang eingesperrt zu sein! Dieser Abend wurde wirklich immer absurder und dieser Gedanke brachte mich dazu, über die erste Nacht nachzudenken, in der ich dem Mann begegnet war, der nur wenige Zentimeter neben mir saß und den ich hätte streifen können, ohne mir Mühe zu geben oder mich groß zu bewegen. Ich atmete seinen Duft ein und fühlte mich einige Sekunden lang wirklich benebelt. Er roch so gut und komischerweise hatte ich seinen Geruch als allererstes vergessen. Nicht das verschmitzte Lächeln zum Abschied, obwohl ich, ehrlich gesagt, keinen weiteren Gedanken an ihn verschwendet hatte, nachdem er einmal in sein Taxi gestiegen war und auch später nicht, weil er nie mehr für mich als eine Nacht bedeutet hatte, eine einzige Nacht. Spaß. Ohne Liebe, auch wenn ich wirklich einen kleinen Gott um den Finger gewickelt hatte. Keinen Gedanken hatte ich ihm hinterhergeschickt, nur einmal, als ich Ino von meinen Erlebnissen erzählte, hatte er sich in meine Gedanken geschlichen. Oder irrte ich mich? War er öfters da gewesen? Hatte ich andere Männer mit ihm verglichen, ohne es zu merken? Nein, wahrscheinlich nicht. Welche Männer hatte ich in den letzten Monaten schon kennen gelernt? Es gab nichts zu vergleichen. Ich war mir sicher, Sasuke vergessen zu haben, bis ich ihn heute Abend mit Temari hatte wegfahren sehen und die Bilder waren in diesem Moment einfach erstaunlich scharf zurückgekehrt. Und dann war auch noch dieses Fiasko mit dem Fahrstuhl geschehen. Schicksal. Wie ich es hasste. Irgendwann, es vermochten Stunden gewesen zu sein, hielt ich diese Stille nicht mehr aus, die in diesem beengten Raum lastete und mich zu ersticken schien. „Glaubst du an das Schicksal?“, fragte ich tonlos und meine Zunge schien tagelang außer Gebrauch gewesen zu sein. Ich leckte mir über die trockenen Lippen und traute mich nicht den Kopf in seine Richtung zu drehen. Ich hatte Durst und mir fiel erleichtert die Wasserflasche in meinem Beutel ein, so hatte ich wenigstens gleich etwas zu tun und musste nicht nur verlegen rum sitzen und Däumchen drehen, mir Gedanken machen, warum er mir nicht antwortete und- „Nein, aber ich glaube daran, dass einen das blanke Unglück verfolgen kann. Wer hätte ahnen können, dass es pinke Haare hat.“ „Du erinnerst dich an mich.“, stellte ich überrascht fest und meine Augen wurden von seinem Profil magisch angezogen. Er war wirklich ein geiler Typ. Und er hatte mich nicht einmal vergessen. „Ich lasse mich normalerweise nicht auf Pinkhaarige ein.“ „Und du redest nicht mit Weibern von letzter Nacht.“, fügte ich lächelnd hinzu, als ich an den Satz dachte, der sich damals wie ein roter Faden durch unsere Unterhaltung gezogen hatte. „Deine Haarfarbe bringt dir ungeahnte Vorteile.“, murmelte er und meine Verwirrung wuchs mit jeder Silbe. War es reiner Zufall gewesen oder wusste er, dass ich diesen Satz ebenfalls schon einmal von mir gegeben hatte? „Ich glaube daran. Ich meine an das Schicksal, aber ich verstehe es nicht. Ich weiß nicht, ob es nur Probleme mit sich bringt oder auf abstrakte Art und Weise etwas Gutes bewirken will.“, flüsterte ich nach einer Weile und war erstaunt, dass ich es so von mir gab, wie ich es wirklich dachte. „Du solltest nicht zu viel darüber nachdenken, sonst kommst du noch zu dem Schluss, dass wir füreinander bestimmt sind und ich werde dich nicht mehr los. Ich glaube zwar nicht an Gott, aber das wäre ein guter Grund zum Beten.“, entgegnete er emotionslos, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Betete er jetzt etwa tatsächlich, dass wir uns nach dieser Nacht nie wiedersehen würden? „Das war jetzt bestimmt mit Abstand das Längste, was du je von dir gegeben hast.“, vermutete ich und er zuckte mit den Schultern. Erneut legte sich eine Stille über uns und das Schweigen verstaubte unser zuvor begonnenes Gespräch. Zehn Minuten vergingen. Fünfzehn. Zwanzig. Dreißig. „Was treibt dich nach New York?“, fragte er nach exakt einunddreißig Minuten, in denen mir die Stille wieder so beklemmend vorgekommen war, dass ich überlegt hatte, was ich ihn als nächstes fragen wollte. „Ich wollte Temari um Unterstützung bitten. Das klingt wahrscheinlich kindisch, aber ich hatte gehofft, wenn ich ihr meine Entwürfe zeigen und sie von meinem Talent überzeugen könnte, dann würde sie vielleicht etwas in die Wege leiten, dass ich auch bei ihrem alten Lehrmeister Claude in die Lehre gehen kann und vielleicht auch eine eigene Kollektion bekomme… . Na ja, aber anscheinend will das Schicksal nicht, dass ich Modedesignerin werde, sonst hätte es mich hier nicht eingesperrt. Also werde ich bis zu meinem Tod ein Dienstmädchen bleiben u-“ „Wo kommst du her?“, fiel mir seine nächste Frage ins Wort und ich musterte ihn mit unverhohlener Neugier. Warum interessierte ihn das denn? Wollte er einfach nur unterhalten werden oder es wirklich wissen? „Geboren bin ich in Woodbury, aber meine Eltern sind alles andere als verständnisvoll und deshalb bezeichne ich mich gern als geächtet. Ich arbeite in einem Hotel in Hartford als Dienstmädchen.“ Ich schluckte und überlegte, ob ich noch etwas hinzufügen sollte, aber ich erzählte so wieso viel zu viel über mich selbst, sodass ich mein sicheres Ufer schon längst verlassen hatte und irgendwo auf dem offenen Meer trieb, also entschloss ich mich, die Gegenfrage zu stellen. „Was machst du so?“ „Nichts.“ Ich nickte, glaubte ihm jedoch kein Wort. Er war in seinem Anzug viel zu gut gekleidet, um nichts zu tun. „Ich wette, du hast einen reichen Papi und Opi und wirst irgendwann, wenn du dein Studium abgeschlossen hast, Papis und Opis Firma übernehmen.“, vermutete ich frei heraus und verfing mich in seinem Blick, der mir eine Kälte offenbarte, die mir eine Gänsehaut über den Köper schickte. „Ich habe in etwa dasselbe Verhältnis zu meinen Eltern wie du zu deinen.“, meinte er und nahm mir somit alle Luft aus den Segeln. Da treib ich nun und fand nicht zum Ufer zurück. Und wieder war da diese Stille, die ich dermaßen verabscheute, wenn er neben mir saß. „Du solltest nach New York ziehen, das bietet dir weitaus mehr Möglichkeiten entdeckt zu werden.“, meinte er unvermittelt und meine Überraschung erreichte in dieser Nacht ihren Höhepunkt. Einige Sekunden lang blickte ich ihn einfach nur an und versuchte diese Fassade zu durchdringen. Er half mir, aber ich konnte mir kein Lächeln von ihm stehlen. Es war eindeutig eine schwierige Angelegenheit, sich in Sasukes Gedankenwelt zu fühlen. „Ich kann mir keine Wohnung leisten. Aber danke für den Tipp.“ Ich sah ihn immer noch unentwegt an und er drehte seinen Kopf so schnell in meine Richtung, dass ich zurückschrak. Es war verdammt noch mal nicht fair, so eine Ausstrahlung zu haben. „Miabelle Ama sucht eine neue Mitbewohnerin. Sie wohnte mit Temari zusammen, aber die ist vor kurzem ausgezogen und nun ist noch ein Zimmer bei ihr frei. Die Wohnung liegt in Greenwich.“ „Dem Künstler-Viertel!“, hauchte ich und mein Herz machte bei der bloßen Möglichkeit, dort zu leben, einen kleinen Sprung. „Ja, obwohl es dort viel mehr gibt als nur Künstler.“, meinte Sasuke müde und ehe ich noch an mich halten konnte, griff ich nach seinem Gesicht, zog es zu mir und küsste ihn stürmisch auf die Lippen, ohne recht zu wissen, was ich tat und was mich dazu getrieben hatte. Wahrscheinlich dieses aufkeimende Glücksgefühl, das Gefühl doch noch eine Chance zu haben. Seine Lippen schmeckten wie beim ersten Mal und wieder roch ich eine Spur von Rauch. Elender Kettenraucher. Er begann den Kuss zu erwidern und biss mir sanft in die Unterlippe im selben Moment, als der Fahrstuhl einen Ruck machte und sich wieder in Bewegung setzte, als wäre nichts geschehen. Als wäre er nie stecken geblieben. Ich rutschte augenblicklich von Sasuke weg und nur wenige Sekunden später öffnete sich der Aufzug und das gedämpfte blaue Licht der Vorhalle strahlte mir entgegen, zusammen mit den Umrissen eines großen Mannes, dessen Züge sich schnell präzisierten. Er hatte rotes Haar, ein verschmitztes Grinsen auf dem Gesicht und lehnte derart lässig im Rahmen des Fahrstuhls, als wäre er dort festgewachsen. „Ich hoffe, ich hab euch nicht unterbrochen.“, grinste er und stand in seinem schwarzen Anzug den anderen mir an diesem Abend begegneten Männern in nichts nach. Na ja es waren auch nur zwei gewesen. Mit ihm drei. „Halt die Fresse, warum hat das so lange gedauert?“, erwiderte Sasuke, stand auf und hielt mir auffordernd seine Hand hin. Ohne zu Zögern griff ich danach und versuchte mich zu erinnern, ob er bei unserem ersten Treffen auch schon so nett gewesen war. „Ohne ihre kleine Freundin wäre ich nicht mal darauf gekommen, dass Sasuke Uchiha in einem Fahrstuhl gefangen sein könnte.“, antwortete der Rothaarige lässig. „Ino? Wo ist sie?“, fragte ich begierig und stürmte auf ihn zu. Perplex wandte er sich mir zu. „Ja, ich glaube, so hieß sie. Sie ist zu eurem Hotel gefahren, als sie dich nicht gefunden hat, augenscheinlich hatte sie Bekanntschaft mit einer kleinen Arznei gemacht, die Uzumaki gerne verteilt, sie sah sehr schlecht aus.“ „Oh Gott, dieser Typ kam mir gleich so komisch vor.“, murmelte ich mehr zu mir selbst und stürmte davon, es gab so vieles, das ich Ino unbedingt erzählen musste! Bevor ich durch eine der verglasten Türen in die Nachtluft treten konnte, kam mir doch noch etwas in den Sinn, was mich dazu brachte, mich noch einmal umzudrehen. „Ach ja, Uchiha? Meine Haarfarbe bringt mir wirklich ungeahnte Vorteile und ich weiß sie zu schätzen.“ Ich war mir ziemlich sicher, dass der Schwarzhaarige das als ‚Danke’ akzeptieren würde. Er hatte ja sogar schon einen Kuss bekommen. ~ Gebetate Version online: o7.o1.2oo9 Kapitel 5: Beautiful Greenwich ------------------------------ Viel Spaß beim Lesen, wünscht die Autorin! :D Beautiful Greenwich Village Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, kann man Schönes bauen. Johann Wolfgang von Goethe Das größte Haus ist eng, das kleinste Haus ist weit, wenn dort ein Gedräng und hier Zufriedenheit. Martin Luther Trotz des weichen Bettes und der wohligen Stille, die über den Raum gebetet gewesen war, als ich mitten in der Nacht, um genau zu sein 2:44 Uhr, den Fuß in unser kleines Hotelzimmer gesetzt hatte, reichte es leider Gottes bei Weitem nicht aus, um mich in tiefe Träume sinken zu lassen. Dabei möchte ich behaupten und bin mir auch ziemlich sicher, dass es nichts mit der blumenübersäten und äußerst kitschigen Bettwäsche zu tun gehabt hatte, denn nach den Stunden im Fahrstuhl glich ich wirklich einem Wrack und die Muster meiner Decke waren mir ausnahmsweise egal. Es war - bis auf die Tatsache, dass sonstige New Yorker Nächte weder so früh noch alleine endeten - alles in bester Ordnung gewesen, hätte es nicht derart familiär, blumig und falsch gerochen. Vielleicht bekam ich mit einundzwanzig Jahren schon Verfolgungsängste und traute bald keiner Menschenseele mehr über den Weg, verwandelte mich in eine alte, missmutige Schabracke und bekam daraus folgend nie einen Mann ab, allerdings hätte ich schwören können, dass meine Mutter in meinem Hotelzimmer gewesen war. Absurd und total unrealistisch wie mir Sekunden später bewusst wurde und trotzdem schwebte Chanel No. 5 in der Luft umher, durchtränkte mich sogleich und spülte vergeudete Möglichkeiten und unerfüllbare Wünsche meiner Mutter mit an, die allesamt an mir nagen und mich meiner Schande bewusst werden lassen sollten. Der Anflug von Paranoia verfolgte mich sogleich ins Badezimmer und ließ mich später in einen unruhigen Schlaf ab. Trotzdem war der erste Gedanke, den ich an diesem Morgen fasste, einer an meine Mutter. Und natürlich hatten mir die paar Stunden Schlaf meinen - an diesem Morgen - miesepetrigen Verstand zurückgebracht, der sogleich mögliche Erklärungen für den unliebsamen Geruch herausfilterte. Wahrscheinlich hatte einfach eines der Zimmermädchen diese Duftnote für sich entdeckt, schließlich gab es viele Frauen, die Chanel No. 5 auftrugen. Zwar reichte mein Verdienst als Zimmermädchen nicht dafür aus, mir dieses Parfüm oder gar ein anderes zu leisten - leben und gut riechen tat ich auch mit Erdbeer-Vanille Shampoo -, aber vielleicht verdienten sie in New York besser als in Hartford. Bevor meine Erklärung schließlich vollständig in sich zusammenfiel, versuchte ich meine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Allerdings landete das Produkt erneut bei meiner Mutter, wanderte zu meinem Vater und endete auf dem malerischen Marktplatz Woodburys. Ich war eine lausige Tochter. Änderte jedoch auch nicht viel an meiner Einstellung oder bemühte mich, ihrem Wunsch zu entsprechen, meine Eltern und ich waren nun mal grundverschiedene Menschen. Sie hatten mehrfach bewiesen, dass sie mich nicht unterstützten. Und taten das Eltern nicht normalerweise, wenn sie ein gutes Verhältnis zu ihrem Kind aufrechterhalten wollten? Ich überlegte, wann ich mich das letzte Mal dazu durchgerungen hatte, Mutter anzurufen und konnte mich nicht daran entsinnen. Es war wohl schon eine kleine Ewigkeit her. Fast ein Monat war nach meinem letzten freiwilligen Besuch in Woodbury vergangen, der mich gelehrt hatte, nicht versuchen zu wollen, meine Eltern an meinem Leben teilhaben zu lassen. Seither hatte ich nicht mehr angerufen. Doch müsste ich es ihnen sagen, wenn ich wirklich nach New York ziehen sollte. Soviel Tochter steckte noch in mir, auch wenn es der winzigste Teil meines Selbst war. Ich lauschte auf das gleichmäßige Geräusch der Dusche. Ino hatte die penetrante Angewohnheit, sich immer als Erste das Bad zu krallen und sich dann eine Stunde darin zu verbarrikadieren. Vielleicht leistete sie sich neuerdings auch Chanel No. 5? Ich verwarf den unangenehmen Gedanken an meine Familie und schaltete ohne allzu große Erwartungen den Fernseher an. Die nächsten Minuten vergingen in Zweisamkeit mit dem Frühstücksfernsehen. - Schweigend saßen Ino und ich etwa eine Stunde später an einem der sorgsam gedeckten Tische unseres kitschigen und kleinen, aber immerhin billigen Hotels und aßen Pancakes, deren Konsistenz jedoch ekelerregende Gefühle in mir hochkommen ließ, weswegen ich auch nur angewidert in meinem Frühstück herumstocherte, als die Gabel den beschwerlichen Weg hinauf zu meinem Mund zu führen. Meine Mutter hätte mein Verhalten missbilligend zur Kenntnis genommen und mich mit Verachtung gestraft. Ich warf einen Blick zu Ino, die ebenso missmutig vor ihrem Teller saß und sich nun ihre Kaffeetasse nahm, daran nippte und dann das Gesicht verzog. Es wunderte mich, dass sie bisher weder geschimpft noch geflucht oder sich mir sonst irgendwie anders mitgeteilt hatte. Ich hätte bohrende Fragen erwartet oder gar die Ino, die morgens aufstand und sofort begann, ohne Unterlass zu quasseln. Aber das Einzige, was ich an diesem Morgen von ihr vernommen hatte, war ein gequältes Stöhnen gewesen, bevor sie ins Bad gewankt war. Diese momentane Ruhe roch dennoch gefährlich scharf und ich konnte nicht ausschließen, dass Ino auch sauer auf mich war oder mir die Schuld an ihrer jetzigen Verfassung gab, da wir nur durch mich in der vergangenen Nacht auf Uzumaki getroffen waren, der ihr augenscheinlich irgendeine Partydroge verabreicht hatte, die Ino nicht sonderlich gut vertrug. Trotzdem durchbrannten mir meine eigenen Erlebnisse fast die Zunge und ich hätte alles dafür getan, die Leinen loszulassen, mit denen ich meine Worte fesselte, und ihr einfach nur von dem Fiasko berichten zu können, das mir wiederum widerfahren war. Natürlich stand es mir frei, die Stille zu durchbrechen, aber ich hielt mich zurück. Nicht weniger effektiv hätte Ino mir zeigen können, dass ihr kein Sinn nach Konversation stand, als gänzlich zu schweigen. Ich seufzte leise und probierte ebenfalls von dem Kaffee, aber bereits als ich die Minitasse zum Mund hob, bereute ich diesen Entschluss. Er schmeckte widerlich und ich fragte mich, was so schwer daran war, anständigen Kaffee zu kochen, der die Lebensgeister meiner Freundin wecken würde und mir Stress ersparte. Mein Blick wanderte in dem Speisesaal umher und ich bemerkte, dass Ino und ich wohl zu den Jüngsten gehörten und diese Umgebung eher eine Kulisse der älteren Generationen bildete. Vielleicht waren die Pancakes deshalb so schleimig. Zisch und weg. Die korpulente Frau, die ich an der Rezeption gesehen hatte, kam auf unseren Tisch zu geeilt. Sie hatte ihr Haar streng nach hinten geschnürt und schaute griesgrämig drein, was sie nicht zu einer attraktiven Frau machte. Sie glich von ihrem Auftreten her wie eine Diktatorin und ich stellte fest, dass sie wohl stark den Beruf verfehlt hatte und ihr Glück beim Militär hätte suchen sollen. Ihr Blick erdolchte mich und ich schlug die Augen nieder, weil sie mein abschätzendes Mustern offenbar bemerkt hatte. „Sakura Haruno?“, fragte sie, als sie an den Tisch getreten kam und ihre Stimme klang männlicher, als einer Frau gut tat. „Das bin ich“, meldete ich mich nach einem kurzen Augenblick der Verblüffung zu Wort und hoffte, dass sie mich nicht gleich zu hundert Liegestütze verdonnern würde. „Sie also.“ „Ja“, antworte ich herausfordernd und bemerkte, wie Inos Blick ungläubig zwischen ihr und mir hin und her huschte. „Ich mag es nicht, wenn man mich beschimpft. Und noch weniger mag ich es, wenn man mir arrogante Befehle erteilt!“ Oh Gott, hatte ich etwa laut gesprochen, als ich sie gemustert hatte? War ich schon dermaßen labil, dass ich es nicht mehr mitbekam, wenn ich laut redete? „Kommen Sie zur Sache.“, knurrte Ino währenddessen und warf der Frau einen belächelnden Blick zu, den sie außerordentlich gut beherrschte und der keinen Hehl daraus machte, was meine Freundin von ihrem Auftreten hielt. „Ich habe soeben ein interessantes und aufschlussreiches Gespräch geführt und wenn ich Ihnen einen Rat geben darf-“ „Dürfen Sie aber nicht!“, sagte Ino und setzte ein arrogantes Grinsen auf. „Dann kann ich Ihnen nur raten, nie wieder diese schöne Umgebung mit Ihrer Anwesenheit zu besudeln.“, ließ sich das Mannsweib nicht unterbrechen und fuhr sogleich fort: „Dies hier soll ich Ihnen geben. Und normalerweise spiele ich nicht Postfrau und überbringe Liebesbriefe, das ist nämlich nicht meine Berufung!“ Ich hörte ihr schon nicht mehr zu, als sie mir den kleinen zusammengefalteten Zettel hingeworfen hatte, auf dessen Fläche niemals zwei ganze Sätze gepasst hätten. Schließlich stellte ich überrascht fest, dass die Nachricht auch nur aus wenigen Worten bestand. Ein paar Buchstaben, reichlich Zahlen. Es mühte mich nicht sonderlich, die krakelige Schrift zu entziffern, denn im Hotel durfte ich mich oft mit der Handschrift meiner Kollegen auseinandersetzen, was wahrlich kein Vergnügen war. Als ich endlich verstand, was diese Nachricht bedeutete, kannte meine Verblüffung jedoch keinerlei Grenzen. Ein Lächeln schlich sich das erste Mal an diesem Tag auf mein Gesicht und als ich den Kopf von dem Stück Papier hob, blickte ich in Inos neugierige Augen. Zufrieden legte ich den Zettel beiseite und stocherte motivierter in meinen Pancakes herum, wohl wissend, wie schnell Ino ihrer Neugier erliegen würde. Und wieder einmal zahlten sich meine jahrelangen Studien über die Anatomie der Ino Yamanaka aus. „Man sollte sich über die Schrulle beschweren gehen, so unfreundlich darf man schließlich nicht mit seinen Gästen umgehen“, begann die Blondine und nahm - ohne die Qualität zu bedenken - einen Schluck von ihrem Kaffee. „Ja, sie war ziemlich verbittert“, willigte ich ein und schob das Essen auf meinem Teller hin und her. „Was steht auf dem Zettel?“ Ich hob grinsend den Kopf und erwiderte: „Eine Adresse in Greenwich Village.“ Ino rutschte vor Überraschung die Gabel aus der Hand und ich begann endlich von meinen Erlebnissen der vergangenen Nacht zu berichten. „Wow, das ist harte Kost“, meinte Ino schließlich und lehnte sich nach Fassung suchend in ihrem Stuhl zurück. Ich gab ihr Zeit, ihre Gedanken zu ordnen und ließ mich ebenfalls zufrieden zurücksinken. Es hatte geholfen, sich die Ereignisse von der Seele zu reden, die wahrscheinlich hohen Anteil an meiner schlaflosen Nacht gehabt hatten - neben Chanel No. 5 selbstverständlich. „Das ist wirklich unglaublich, dir begegnet in einer Stadt wie New York zweimal der gleiche attraktive Kerl. Ich glaube nicht an Gott, also müssen es wohl Schicksalsfügungen sein….“ Die Erwähnung des Wortes Schicksal ließ mich die Augen verdrehen, denn zwar schienen sich die Dinge positiv zu entwickeln, aber war der Mensch nicht selbst für sein Handeln und Tun verantwortlich? Oder gab es wirklich Etwas oder Jemanden, der es für uns engagierte? Mir kam die Vorstellung gruselig und unangenehm vor, die Spielpuppe für irgendetwas zu sein. „Vielleicht sollte ich mein Schicksal auf einen Kaffee einladen und es davon überzeugen, sich nicht mehr in mein Leben einzumischen. Ich komme auch gut ohne Nächte in Fahrstühlen und einem ketterauchenden One-Night-Stand klar.“, entgegnete ich säuerlich. „Oh ja, spendiere bei der Gelegenheit gleich mal meinem Schicksal ein Eis, damit es so gütig ist und mich beim nächsten Mal - wenn mir mein absoluter Traummann über den Weg läuft, was wahrscheinlich nie mehr sein wird, weil ich meine Absolute-Traummann-Notfallkarte gestern Nacht aufgebraucht habe - nicht wie eine Vogelscheuche durch die Gegend laufen lässt.“, ergänzte Ino schnell und sarkastisch und nun lag es an mir, ihrer Geschichte ungläubig zu lauschen. - Nach dem Auschecken und einem lieblichen Abschiedsgruß zu dem unentwegt missmutigen und bösen Mannsweib, gab ich Inos Drängen nach und beschloss sofort nach Manhattan zu fahren, um Miabelle Ama von meinen Qualitäten als Mitbewohnerin zu überzeugen. „Wenn du magst, schreib ich dir positive Reverenzen, schließlich habe ich dich damals jahrelang als Mitbewohnerin ausgehalten“, schlug Ino liebherzig vor und lud sich gleichzeitig dazu ein, mich nach Greenwich zu begleiten. „Die Uni kann warten. Mein Bücherstapel wird mir bestimmt nicht weglaufen, dafür ist er zu schwer und ich denke, ausreißende Bücher würden auffallen.“ Ich zeigte nicht gänzlich, wie froh ich doch war, dass sie mich begleitete. Ehrlich gesagt, hatte es mich zuvor noch bei keinem Ausflug nach New York gleichsam nach Greenwich Village verschlagen. Jedenfalls nie für länger. Greenwich galt als abgedrehtes Künstlerviertel, lockte mit tausenden Ausstellungen, chilligen Kaffees und dem Bedürfnis, seiner Kreativität sofort freien Lauf lassen zu wollen. Es war ohne Frage in den letzten Jahren zu einem teuren Vergnügen geworden, hier zu leben und doch strömten uns im Washington Square Park, an dem wir uns bereitwillig von unserem Taxi verabschiedet hatten, die unterschiedlichsten bunten Charaktere entgegen. Es war ein wunderschöner Tag und der wärmste in diesem Jahr, was den Sommer wohl nicht mehr so fern deutete. Ino blieb fasziniert bei einer Gruppe Straßenkünstler stehen und beobachtete ihr Spiel. Viele Touristengruppen taten es ihr gleich, jedoch wurde meine Aufmerksamkeit mehr von den unzähligen Einheimischen angezogen, die nicht unterschiedlicher hätten sein können. Ich sah Studenten, Leute mit ihren Hunden, Radfahrer, Skater und hunderte mehr, die alle in ein harmonisches Bild zu passen schienen. Ein paar Meter entfernt hatte sich eine Gruppe von Jugendlichen angesammelt, die bedächtig einer Person lauschten, die sich für ihre Rede erhoben hatte und nun über den Rest herausragte. Ich beobachtete das Mädchen bei ihren antreibenden Gestiken ohne ein Wort zu verstehen, aber es schien ihren Zuhörern zu gefallen. Sie alle bildeten eine Einheit und das war es wohl, was mich am meisten beeindruckte, diese ungeschönte aber wundervolle Reflexion des Lebens in Greenwich Village, Manhattan, New York. Zwar war ich in diesem Moment nur ein stiller Beobachter, allerdings wuchs der Wunsch mit jedem Augenblick, sagen zu können, dass ich dazugehörte. Es war der Wunsch, ein Teil dieses Ganzen sein zu können. Und ich wusste plötzlich, wo ich hingehörte. Ino zog mich zu einem Hot Dog Stand und wir genossen unser Mittagessen mehr als ein paar Stunden zuvor das Frühstück. Wir setzten uns auf eine der vielen Bänke, die einen einmaligen Beobachtungsstützpunkt boten und ich sah, dass Inos Wangen vor Begeisterung gerötet waren. Sie wirkte freier und glücklicher, wie ich sie in den vergangenen Monaten selten gesehen hatte. Aber ich unterließ es, ihre Unbefangenheit zu hinterfragen und ließ ihr das Glück des Augenblicks. „Ist das nicht ein perfekter Tag?“, fragte sie und strich sich eine verirrte Haarsträhne hinters Ohr. Lächelnd zog sie ihren Trenchcoat aus und streckte das Gesicht der Sonne entgegen. „Ja. Es ist sehr schön.“, murmelte ich nachdenklich und schluckte den letzten Bissen meines Essens hinunter. Ino seufzte leise. „Ich will endlich raus.“, murmelte sie und mir war nicht klar, ob sie wirklich mit mir sprach oder mit sich selbst. „Ich will endlich raus und leben. Yale ödet mich an. Ich will frei sein und ich hatte schon immer eine eigene Meinung, es wird Zeit, sie endlich einmal aufzuschreiben. Ich will schreiben, selbst wenn es die Arbeit eines brotlosen Künstlers wäre und ich keine Karriere machen werde, wozu soll ich noch zwei Jahre studieren, wenn mir niemand eine Garantie gibt, danach wirklich aufzusteigen?“ „Du hast sehr viel Glück, in Yale studieren zu dürfen.“, entgegnete ich knapp, weil ich schon seit je her etwas Neid gegenüber Inos Chancen gehegt hatte, die mir verwehrt geblieben waren. Manchmal war es ungerecht, obwohl ich wusste, dass die Worte für Ino zu tanzen schienen, wie sie es nie für mich getan hätten. Sie hatte es verdient. Aber ich auch. „Ich dachte auch immer, es wäre das Tollste überhaupt, ein Yalie zu sein. Aber die Uni ist mittlerweile voll von arroganten, reichen Kindern, die nicht aufgrund ihres Könnens, sondern wegen Papi-“ Sie verstummte abrupt und ich fragte nicht warum. - „Hier muss es sein, ich bin mir zu neunundneunzig Prozent sicher!“, wiederholte Ino, blickte erneut auf den kleinen Zettel mit der angegebenen Adresse und deutete die Straße entlang, welche von so vielen Menschen bevölkert war, dass es mich an ein buntes Markttreiben erinnerte und es mir schien, als wäre ganz New York auf den Beinen. Viele Cafés reihten sich die Straße entlang, zahlreiche Boutiquen und Geschäfte zogen die Leute in ihren Bann. Ich zog Ino an dem nächsten und übernächsten Schaufenster vorbei und blickte suchend die hohen, braunen und weißen Gebäude hinauf, auf der stetigen Suche nach einer Ziffer oder einer Orientierung. Meine Blicke wanderten in die Seitenstraßen und auf die Häuser im berühmten Federal Style und meine Aufregung wuchs mit jedem Schritt. Die lauten Motorengeräusche, das unaufhörliche Hupen der Taxis und Autos und der momentan schleppend fortschreitende Verkehr klangen in meinen Ohren wieder, ohne mich zu belästigen. Nichts an alledem störte mich. Ich hatte mich mit den Verhältnissen arrangiert, ohne es wirklich gemerkt zu haben. Hartford war im Endeffekt einfach zu ruhig gewesen und ich sehnte mich nach Abwechslung. Meine Augen huschten über die Menschen in den Cafés und wieder zurück auf die belebte Straße und mein Blick verfing sich plötzlich mit dem eines entgegenkommenden, jungen Mannes, dessen Gesicht mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Aber er war mir schnell aus den Augen und noch schneller aus dem Sinn. Ino ergriff schließlich erneut die Initiative und zog mich in eine der abzweigenden Straßen, bis wir vor einem malerischen Haus standen, an dem sogar eine geschwungene Siebzehn prangte. Es war eines dieser typischen Brownstones mit einer großen Vortreppe und mehreren Etagen. Es waren somit mehrere Wohnungen und plötzlich hatte ich einen Anflug von Angst, nie hier einziehen zu können, weil es einfach zu teuer war. „Das werde ich mir nie leisten können.“, seufzte ich niedergeschlagen von der Schönheit und des Hauses und der unangenehmen Erkenntnis. „Wollt ihr jemanden besuchen?“, fragte eine angenehm weich klingende Stimme und wir drehten uns beinah gleichzeitig zu der lächelnden jungen Frau um, die voll gepackt mit Stoffbarren und Tüten eilig über die Straße kam. Sie war unbestreitbar hübsch. Ihr Haar war von einem dunklen Braun und zu einem lockeren Knoten hochgesteckt und ihre Haut war ebenso leicht gebräunt wie der Stich in ihren Augen, die sonst gänzlich in einem anderen Grün erstrahlten als die meinen. Ich wusste augenblicklich, dass irgendetwas - vielleicht wieder das Schicksal oder Inos momentaner Orientierungssinn - uns zu der echten Miabelle Ama geführt hatten. Als nächstes bemerkte ich ihren ausgefallenen Stil; sie trug ein hellblaues Kleid, dass einen ähnlichen Schnitt wie eines aus den Sechzigern hatte und dazu ungemein hohe Schuhe mit Plateau Absatz, die in grellem Gelb erstrahlten und in denen ich mir die Beine gebrochen hatte. Jede Wette, dass Inos Augen in dem Moment ebenso an den augenscheinlich teuren Klamotten hingen und eine Spur von Neid aus dem Blau blinzelte. „Wir möchten zu Miabelle Ama.“, sagte ich schließlich und lächelte zaghaft. „Oh, nennt mich Tenten. Meine Mutter strafte mich mit Miabelle, einem Namen, den nicht jeder hat und ich legte ihn auch recht schnell wieder ab.“, erzählte sie lachend und ging mit Sack und Pack vorsichtig die Vortreppe hinauf. Ino folgte ihr wie selbstverständlich sofort und schließlich balancierte sie die Hälfte der Last, als Tenten die Tür aufschloss. „Sasuke hat mich schon vorgewarnt, dass du wahrscheinlich auftauchen wirst.“, meinte sie beim Gehen und blickte über ihre Schulter zurück zu mir. Ich fragte mich, ob ein Mädchen wie Tenten normalerweise in Sasukes Beuteschema passte, da er ja fast fortwährend hergebetet hatte, nicht auf rosarote Haare zu stehen, aber ich verwarf den Gedanken an den Schwarzhaarigen ebenso schnell, wie er gekommen war. „Ich kann euch nichts anbieten außer Kräutertee ohne Zucker und Leitungswasser.“, rief Tenten uns wenige Minuten später aus der Küche zu und meinte entschuldigend: „Ich esse meistens auswärts und vergesse immer einkaufen zu gehen, Temari hat das damals immer gemacht. Irgendwie ist mir das jetzt peinlich.“ Ich hörte sie lachen, was aus ihrem Mund wie eine Befreiung klang und nie aufgesetzt wirkte. Sie schien oft zu lachen und ein sehr ausgeglichener Mensch zu sein. „Wir probieren mal den Kräutertee.“, rief Ino zurück und zog bei ihren Worten eine Grimasse. Wir beide tranken so gut wie nie Tee, Kaffee war unser Allheilmittel. Mein Blick wanderte durch die ordentliche Wohnung. Sie war groß und bunt, aber sehr gemütlich. An den breiten Flur mit den glatten Holzdielen hatte sich an der einen Seite die geräumige Küche angeschlossen, während sich auf der anderen Seite keine Türen befanden, sondern der größte Raum offen fort ging und zwei Stufen hinab ins Wohnzimmer führten, deren zentraler Punkt die zwei gemütlichen Sofas bildeten. Ino und ich hatten von dem Sofa aus, dass den Fenstern den Rücken bot, ungehinderte Sicht auf Tenten, die durch die Küche eilte, und auf das sorgsam hellblau gestrichene Geländer zu beiden rechten Seiten des Flurs, bevor sich in der Mitte die kleine, ins Zimmer führende Treppe anschloss. Die Wohnung hatte viele Fenster und an diesem Tag schickte die Sonne ihre schönsten Strahlen in die Räume. Zahlreiche abstrakte und moderne Bilder hingen an den Wänden und ich glaubte sogar auf dem einen oder anderen in TenTens grün-braune Augen zu blicken. Ob sie die Muse von jemandem war? Auf dem Couchtisch ergoss sich ein Sammelsurium von Frauen- und Modezeitschriften und ein an der bilderlosen Wand stehendes Regal offenbarte eine ganze Sammlung von CDs, wie ich sie bisher nur bei Kakashi zuhause gesehen hatte. Ich hatte nie wirklich viel Musik gehört, aber in diesem Haus schien es einer Passion ähnlich. Alles in allem begegneten mir bei jedem zweiten Blick neue Wunderlichkeiten, die meine Vorfreude jedoch eher wachsen als drosseln konnten. Bald darauf kam Tenten mit dem Tee zurück. „Also, generell habe ich nichts dagegen, wenn du hier einziehen würdest. Temari ist mit ihrem Freund zusammengezogen und manchmal ist es recht einsam, wenn nicht sogar zu teuer, hier alleine zu wohnen.“, sagte die Braunhaarige ohne Umschweife und brachte mich zum lächeln. „Allerdings müsstest du dir einen Job suchen oder zwei oder drei, denn die Miete ist kein Klacks. Ich hab jedoch ein relativ gutes Verhältnis zu unserem Hausmeister und der ist von meinen weiblichen Argumenten so angetan, dass er uns die Miete später zahlen lässt, sollten wir es gegen Monatsende nicht schaffen.“ Sie nickte mir aufmunternd zu und Ino schaltete sich ein: „Was machst du denn so beruflich? Hast du auch zwei oder drei Jobs gleichzeitig?“ Ich hätte Ino für ihren misstrauischen Ton schlagen können, aber ich wusste, dass sie sich unterschwellig nur um mich sorgte. Tenten grinste verschlagen. „Ja, natürlich. Zum einen bin ich wie Temari bei Claude in der Lehre, aber weil ich bei der Ausbildung kein Geld bekomme, arbeite ich als Trainerin im Fitnessstudio und am Wochenende öfters als Barkeeperin in ein paar Clubs, nebenbei leite ich einen Kurs, wo Frauen lernen sich zu verteidigen - dringend notwendig in Greenwich - und mache dies und das, was so anfällt. Bin die Muse von einem Junkie oder Nebendarstellerin in einer Low Budget Produktion. Aber mein Ziel ist eigentlich der Broadway.“ Sie schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. „Und dein Tag hat mehr als vierundzwanzig Stunden?“, fragte Ino perplex und wir verfielen in mädchenhaftes Gelächter. „Ich mache ja nicht alles an einem Tag.“, räumte Tenten ein und wählte ihre Worte sorgsam aus, als sie fortfuhr: „Ich will nur deutlich machen, dass es kein Zuckerschlecken ist. Man muss aus allem das Beste machen, selbst aus den unschönsten Steinen. Man muss sich die Arbeiten suchen, die Spaß machen und einem liegen, bei denen man sich nicht quält, sondern trotzdem noch lachend aufstehen kann. Und manchmal muss man auch unangenehme Sachen machen.“ Ich nickte ernst und fragte mich sogleich, als was ich wohl arbeiten werden müsste. Als Zimmermädchen hatte ich Erfahrung, aber womit sonst? „Ich bin zum Beispiel ziemlich sportlich, weswegen ich auch Sport und Fitness zu meinen Teilzeitjobs habe werden lassen. Allerdings dulde ich keine Prostitution.“ „Nein, ich auch nicht.“, hustete ich, weil ich mich bei der unausgesprochenen Unterstellung verschluckt hatte. Ino lachte ausgelassen. „Tenten, kannst du mir sagen, wo die Toilette ist?“, fragte sie lieb und ich betete, dass Ino jetzt nicht im Bad nach Drogen oder ähnlichen Beweisen suchte, die meinen Einzug auf die Probe stellen würden. „Ich würde auch gerne bei Claude eine Lehre beginnen.“, sagte ich schließlich und hob den Blick von meiner Tasse. „Ja, du willst Modedesignerin werden.“, entgegnete sie, als wäre es mir auf die Stirn geschrieben. „Aber Claude nimmt keine neuen Schüler mehr auf, du kannst es höchstens für das Semester im Herbst versuchen. Oder anderweitig.“ Ich nickte zerknirscht und sah wieder auf meine Tasse. „Da fällt mir ein, die nächsten zwei Monate kannst du dein Geld sparen, Temari war so großzügig und hat ihren Teil der Miete vorgestreckt, weil ich es sonst nicht geschafft hätte, alles alleine zu bezahlen. Und was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß.“ Sie zwinkerte und ich musste lächeln. „Danke.“ Es klingelte just in diesem Moment an der Tür und die Braunhaarige ließ mich allein zurück. Kurz darauf hörte ich eine Stimme, die mir seltsam bekannt vorkam. Männlich, jedoch erinnerte sie mich nicht an mehr. Wo blieb eigentlich Ino? War sie ins Klo gefallen oder sortierte sie gerade den Medizinschrank neu? „Ja klar.“, lachte Tenten von der Tür her, die mir verborgen blieb, und eilte durch den Flur, sprang die zwei Stufen hinab und ging lächelnd an mir vorbei zu einer Tür, die vom Wohnzimmer abzweigte und augenscheinlich ihr Zimmer war. „Ich habe zwar grad Besuch, aber für dich habe ich doch immer Zeit.“, rief sie und ich widerstand dem Drang aufzustehen und zu sehen, wer an der Tür war. Allerdings schob sich keine Sekunde später eine Gestalt in mein Blickfeld, die mir noch gut im Gedächtnis haften geblieben war. Dort stand niemand geringeres als Gaara. Ich stellte schnell meine Tasse zurück, bevor ich sie fallen ließ und nickte ihm knapp zu, ohne etwas zu sagen. Ich wusste nicht, ob er es überhaupt gesehen hatte. Aber ich folgte seinem Blick, der den Bruchteil einer Sekunde über mein Gesicht streifte und dann kaum länger an den drei Teetassen hängen blieb - ebenso schnell schien er zu schlussfolgern, was drei Tassen bedeuteten. Wenn ich jetzt losrennen würde und Ino…. Mein Gott, wo blieb das Mädchen? Sortierte sie die Ohrenstäbchen? Tenten kam aus ihrem Zimmer zurück, in den Händen einen beigefarbenen Stoff, der schrecklich teuer aussah, und drückte ihn Gaara in die Hände. „Danke.“, murmelte er und stand weiter unschlüssig im Raum, bis Tenten leicht genervt fragte, warum er immer noch da stehe, wenn er doch so dringend weg müsste. Das, was Gaara darauf antwortete, konnte ich nicht verstehen, weil Tenten ihn schon zur Tür hinausschob und sie laut ins Schloss fiel, aber ich vermutete, dass es eine schlagfertige bis bissige Bemerkung gewesen sein musste. Natürlich kam keine Minute später Ino zurück, wirkte höchst zufrieden mit sich und flüsterte mir zu, dass ich ruhig einziehen könne, das alles in bester Ordnung sei. Ich seufzte. „Hey Mädels, ich hab schrecklich Hunger, soll ich Pizza bestellen?“, fragte Tenten und angelte nach dem Telefon. Inos Magen rumorte wie zur Antwort. Schließlich ließ ich alle Vorsicht fallen. „Gaara war eben geschlagene sechs Minuten hier!“, meinte ich und Ino wandte sich blitzschnell mir zu. Ungläubig starrten ihre blauen Augen in die meinen. „Was?“, fragte sie, obwohl sie bestimmt genau verstanden hatte, was ich gesagt hatte. „Woher kennt ihr denn Gaara?“, schaltete sich Tenten ein und ließ das Telefon sinken. „Ich hab ihn gestern Nacht kennen gelernt, war in bemitleidenswertem Zustand und jetzt will mein Schicksal nicht, dass ich meinen Traummann wieder treffe, weil ich meine Traummann-Notfallkarte letzte Nacht verspielt habe!“, antwortete Ino in der Kurzfassung. „Gaara, ein Traummann? Soso.“, meinte die Braunhaarige nachdenklich und hielt dann inne, da sie anscheinend zum Pizzaservice durchgedrungen war. Sie bestellte alles mögliche und viel zu viel, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Ino lenkte. „Ich war mit Gaara und Sasuke in der Schule.“ Ich hätte schwören können, sie sah beim letzten Namen mich durchdringend aber kurz an. „Sie waren meine besten Freunde, ich weiß nicht, kennt ihr auch Naruto Uzumaki?“ Ino grunzte missbilligend und Tenten lachte. „Ja ich war schon immer lieber mit Jungs zusammen als mit Mädchen, die fand ich alle doof. Ihre Traummann-Qualitäten müssen sie wohl irgendwann nach der Schule entwickelt haben, ich habe selten etwas Derartiges mitbekommen.“ „Du hattest also nie was mit ihnen? Eine Beziehung oder so?“, platzte ich heraus und Tenten schüttelte entsetzt den Kopf. Ich war irgendwie sehr erleichtert. „Aber erzähl, wie hast du Gaara kennen gelernt? Er ist so gut wie nie in New York aufgrund seines Studiums.“ Ino begann die Geschichte erneut zu erzählen und wurde bei manchen Passagen von Tentens lautem Lachen unterbrochen, die nach ihren Worten ‚Gaara selten um ein Mädchen besorgt’ gesehen hat. Später kam ich an die Reihe und durfte gleich zwei Begegnungen mit Sasuke Uchiha schildern, die Tenten dazu brachten, das Schicksal als launischen Begleiter zu beschreiben. Es war ein lustiger Abend und Tenten schien uns bald eine jahrelange Vertraute zu sein. Die Geschichten, die sie über die beiden Männer auf Lager hatten, waren allesamt goldwert und ich fühlte mich so wohl, als wäre ich endlich Zuhause angekommen. Als hätte ich endlich meinen Platz gefunden. ~ Beta Version online: o7.o2.2oo9 Kapitel 6: Beautiful Visit -------------------------- Beautiful Visit Eine Mutter, die zu ihren Kindern gelangen will, verfügt über genauso viel Listen wie ein junges Mädchen, das eine Liebesgeschichte zu gutem Ende führen möchte. (Honoré de Balzac, franz. Erzähler) Es verging der launische April, der mir Zeit gab, mich in der neuen Umgebung einzugewöhnen, und schließlich zog selbst der Mai schneller als ein Wimpernschlag an mir vorbei; schon bald brach der Juni in all seiner Herrlichkeit an, was nicht nur die Meinige sondern auch die Stimmung aller Bewohner Greenwichs seltsam ins Positive zu wandeln schien. Im Winter sehnte ich mich meist nach der Wärme des Sommers und als endlich der Frühling kam, glaubte ich mit jedem weiteren Tag schon meine Lieblingsjahreszeit riechen zu können. Es war perfekt. Und ich nutzte dieses Wort äußerst selten im Zusammenhang mit meinem Leben, aber dieses eine Mal schien alles vollkommen zu sein, und ich verglich es sogar mit einem Puzzle, bei dem ich endlich das Stück in New York gefunden, was ich jahrelang ohne Erfolg gesucht hatte. Mir war unmissverständlich klar, dass wir Menschen verschiedene Ansichten von dem ‚Perfekten Leben’ hatten, hielten und fortführten und selbst wenn ein Millionär den Standard, den ich mir leistete, als absurd und für nicht lebensfähig erachtet hätte, so war mein Leben, wie ich es nun führte, doch vollends ohne Fehler und für mich, ein Mädchen von einundzwanzig Jahren, einfach perfekt. Wie lange hatte ich mich nach dem Großstadtleben und der Metropole New York verzehrt, während das Bettmachen und Staubwischen meine Hauptattraktion an einem Tag gebildet hatte? Seit ich denken konnte. Und jeden Morgen stand ich mit dem Gedanken auf, es doch irgendwie über die Türschwelle geschafft zu haben - zwar erst mit einem Bein, aber das andere würde ich hinzuholen, sobald mich Claude in seinem Kurs aufnahm. Dass meine natürliche Sturheit, meine Ausdauer - wenn es nicht gerade mit Sport zu tun hatte - und mein selbstverständliches Durchhaltevermögen mir noch einmal einen Weg ebnen würden, der mich hinauf ins Modeimperium führte, hätte ich wohl zuletzt erwartet, doch hatte ich es mir zur Aufgabe gemacht, jeden Morgen vor einem riesigen und entsprechend teurem Apartmentkomplex in der Nähe der Columbia zu stehen und auf den Modeguru und Designer Claude zu warten, um ihn von meinen Qualitäten als Schülerin zu überzeugen und ihm das Versprechen abzunehmen, ab nächsten Semester seinen Kurs besuchen zu können. Claude war ein Frühaufsteher, weshalb ich mich zu unchristlichen Zeiten aus dem Bett quälen musste, aber er war in allem was er tat außerordentlich konsequent, schlussfolgernd konnte man seine Uhr danach stellen, wann er die verglasten Türen dieses Gebäudes schwungvoll öffnen und die Straße hinunter zur Universität eilen würde. Er war schätzungsweise fünfzig, verriet jedoch niemandem sein wahres Alter und gab offen zu, dass ihm schon einmal die Stirn geliftet werden musste, auf Grund von ‚Einkerbungen’, die das Alter schrieb. An der folgenden Ecke hatte er bis vor kurzem immer einen Zwischenstopp eingelegt und das Starbucks betreten, nur um Sekunden später mit einem extra großen Kaffee wieder herauszukommen. Man konnte sagen, dass ich ihm diese Aufgabe abgenommen hatte, indem ich ihn jeden Tag mit einem extra großen Starbucks Becher erwartete. Auch an diesem Mittwoch stand ich vor dem modernen Gebäude, das auf den ersten Blick nur aus Glas gebaut zu sein schien, und wartete. Im Warten hatte ich mir ebenfalls eine ungemeine Ausdauer antrainiert und es gehörte zu meinem unliebsamsten Sport überhaupt, doch ich war lieber immer früher da, als das Risiko einzugehen, dass Claude vielleicht eher aufbrach, nur um mir zu entwischen. Ein paar Minuten später und auf die Minute genau sah ich ihn durch die marmorne Eingangshalle schreiten und auf mich zu kommen. Sein Gesicht verriet keinerlei Regung und er verließ eilig das Gebäude, ohne mich beim Vorbeigehen eines Blickes zu würdigen. „Morgen Claude“, begrüßte ich ihn fröhlich und nahm sofort seinen Laufschritt auf, den er noch zusätzlich beschleunigte. Am Anfang war ich schnell hinter ihm zurückgefallen, doch mittlerweile hatte ich mich an den morgendlichen Sprint gewöhnt. Claude setzte sich seine schwarze Sonnenbrille auf und blickte stur nach vorne. Seine Lippen bildeten einen dünnen Strich und obwohl es ihm anzusehen war, dass ich ihn über alle Maßen nervte, sagte er nichts. „Heute Armani wie ich sehe. Hier, Ihr Kaffee“, ich reichte ihm den warmen Becher und wir überquerten im flinken Gleichschritt die Straße. „Herzlichen Dank“, sagte er verbissen und seine Stimme klang stark beherrscht, doch auch damit hatte ich Erfahrung. Seinen dunklen Trenchcoat hatte er sich über den linken Arm gelegt und in der rechten trug er wie jeden Morgen die aus feinem Krokodilleder gefertigte Aktentasche. „Ich habe ein paar neue Entwürfe und würde Sie bitten, einmal einen Blick darauf zu werfen. Dabei lasse ich Ihnen keine Wahl, Sie werden sie ansehen müssen, sonst verschwinde ich nicht wieder.“ Ich kramte bereits in meiner Tasche nach meiner Kunstmappe, in der ich seit geraumer Zeit meine neusten Kreationen umher trug. „Es ist dieses Mal ganz schön flippig, aber ich denke-“ Claude drehte sich schwungvoll zu mir um und ich rannte fast in ihn hinein, konnte das Schlimmste jedoch noch abwenden. Normalerweise geriet er nicht so schnell aus der Fassung. „Schätzchen, was versteht du nicht an dem simplen Satz: ‚Mein Kurs ist voll’?“, fragte er und schob daraufhin sofort den Ärmel seines Jacketts prüfend hoch, um auf die Uhr sehen zu können. Was auch immer sie ihm sagte, brachte ihn dazu, den Sprint wieder aufzunehmen. „Oh, diesen Satz verstehe ich selbstverständlich, nur möchte ich mir vorab schon einen Platz in Ihrem neuen Kurs nächstes Semester sichern. Und diesen Sommer nutze ich dafür, um Ihnen meine Qualitäten unter Beweis zu stellen.“ „Schätzchen mit dem rosa Haar, du hast Style keine Frage, aber kein Geld. Wie willst du also an die Columbia geschweige denn in meinen Kurs? Beides ist kostspielig.“ „Das weiß ich, aber mit Ihrer Unterstützung könnte ich bestimmt-“ „Kennst du den Ausspruch: Das Leben ist kein Ponyhof? Weshalb sollte ich dir also helfen?“ „Weil ich Talent habe.“, antwortete ich hitzig und bekam Seitenstechen. „Das haben viele, Mädchen.“ „Sehen Sie sich doch wenigstens die Entwürfe an, sonst muss ich Sie die nächsten Wochen immer mitschleppen, bevor Sie sich sowieso von mir erweichen lassen.“ „Schätzchen, das Semester geht zu ende und ab morgen bin ich weg. Auf und davon. Vom Winde verweht. Paris ruft nach mir und ich werde wohl einen Monat oder von mir aus auch zwei dort bleiben. Temari hat mich schon zum Brunch eingeladen.“ „Aber“, begann ich entsetzt, jedoch unterbrach er mich schnell. „Es gibt in diesem Fall kein ‚aber’, Prinzessin. Wenn du diesen Sommer genug Geld auftreibst, um bei mir in die Lehre zu gehen, dann lasse ich noch mal mit mir reden. Dann bist du zwar von Anfang an das schwarze oder rosane Schaf zwischen denen, die wirklich studieren, aber was soll’s.“ „Aber ich verdiene niemals soviel Geld, ich meine ich habe zwei Jobs, aber-“ „Schätzchen, du musst für deinen Traum kämpfen! Wenn du bei mir in die Lehre willst, bezahle dein Geld oder mache etwas anderes damit, aber ich werde dich nicht einfach so unterstützen und in einen Nobody investieren. Diese Welt wird von Geld regiert. Kapitalismus und derartige Gesellschaftssysteme. Ich passe mich lediglich an.“ Und damit ließ er mich stehen und trat in das Gebäude, dessen Türen mir wohl auf ewig verschlossen bleiben würden. __ Der unvorhergesehene Schock, dass Claude im Sommer gar nicht in der Stadt sein würde, beschäftigte mich den ganzen Vormittag. Ich war von der Columbia aus zuerst nach Hause und dann ins Café Blueberry gependelt, in dem ich arbeitete und das mich mit dem gemütlichen Ambiente gleich angelockt hatte. Es war der kleine Treffpunkt einiger orientierungsloser Künstlerseelen und im Herzen Greenwichs. Ich kellnerte gerne dort und arbeitete fünf Tage die Woche immer in Schichten, die jedoch meistens auf dem Mittag oder Nachmittag lagen. Vor mehreren Wochen hatte mich Tenten, die sich in punkto Mitbewohnerin als pflegeleichter und ausgeglichener herausgestellt hatte, wie Ino es je gewesen war, versuchsweise mit in ihr Fitnessstudio genommen, wo man ziemlich leicht an einen Job kam, so lange man hübsch und charmant war. Ein weiterer beeindruckender Charakterzug Tentens war ihre Sportlichkeit, wahrscheinlich weil ich nicht einmal einen Ball fangen konnte, ohne ein Unglück vom Zaun zu reißen, und sie alle ihre Tätigkeiten und Kurse mit einer Leichtigkeit vollzog, als wäre sie nicht von dieser Welt oder treffender ausgedrückt, als wäre sie kein richtiger Mensch. Wahrlich schien ihr alles, was sie tat, zu gelingen und ohne Kompromisse Spaß zu machen. Sie hatte mich nach stundenlanger und auf höchstem Level geführter Überredungskunst dazu gekriegt, an ihrem Yoga Kurs teilzunehmen und vielleicht selbst als Trainerin im Studio anzufangen. „Tanzen kann schließlich jeder, also könntest du einen Tanzkurs für die ältere Generation betreuen oder so.“ Tja, nur war aus diesem kleinen Plan nichts geworden, denn auf unerklärliche Weise hatte ich es geschafft, den halben Kurs von den Füßen zu reißen, als ich eine seltsam verrenkungsnotwendige Entspannungsübung imitiert und sogleich mein Glück verspielt hatte, jemals dort arbeiten zu können, ohne meine Kunden in Lebensgefahr zu katapultieren. Da lag mir das Kellnern schon mehr, das mir jedoch nicht so viel Geld einbrachte, sodass ich jemals die Kosten für ein Semester bei Claude hätte bezahlen können. Als mich Tenten dann schließlich - wenn auch voreingenommen - an meinem ersten richtigen Wochenende als New Yorkerin mit in den Club genommen hatte, in dem sie gelegentlich jobbte, profitierte ich wieder von einigen Vorkenntnissen, die ich durch die Arbeit im Hotel erlangt hatte. Diesen Nebenjob zu bekommen und tatsächlich zu behalten, gelang mir in der ersten Nacht, auch wenn ich im Nachhinein feststellen musste, dass für unseren Chef wohl mehr das Aussehen als das vorhandene Talent zählte. Trotz alledem reichten mein Geld und beachtliches Trinkgeld selten für mehr als das Nötigste aus und doch erschien es mir als gut, so wie es war. Zwar sehr anstrengend, aber damit hatte ich gerechnet. Tenten selbst hatte vorgeschlagen, es ruhiger angehen zu lassen und vorerst darauf verzichtet, dass ich ebenfalls drei bis vier Jobs annahm, um die Miete zu stemmen. Manchmal bekam sie etwas zusätzliches Geld von ihrer Großmutter, die jedoch selbst viel zu wenig zum Leben hatte, weshalb mir jeder Gedanke daran, dass ich von diesem kleinen Sümmchen mit lebte, einen Stich versetzte. Es wäre so einfach gewesen. Oder es hätte so einfach sein können. Wenn meine Eltern meine Taten nur unterstützt hätten. Allerdings verflogen die Gedanken an diese beiden Harunos fast ebenso schnell wie sie gekommen waren, vielleicht auch aus dem winzigen Grund heraus, dass ich es bisher nicht geschafft hatte, ihnen von meinem Umzug zu erzählen. Ich schob dieses Telefonat immer weiter weg und mein schlechtes Gewissen wurde immer größer, wenn ich daran dachte, dass schon bald drei Monate vergangen sein würden und ich es nicht für nötig gehalten hatte, ihnen das mit New York zu erzählen. Und meinem neuen Leben. Sie würden sich furchtbar aufregen und mir unweigerlich Vorwürfe machen, dass ich sie ins Grab schaufeln würde und darauf konnte ich getrost verzichten. Das kleine Glöckchen über der Tür ließ mich aufhorchen und mein Blick flog hinüber zum Eingang, um schließlich seufzend wieder den Boden zu mustern. Es kamen fast jeden Tag dieselben Leute vorbei und ich kannte so gut wie jede Geschichte zu jeder einzelnen Seele hier. Eine Frau beispielsweise, die pausenlos hier zu sein schien und immer geschäftig auf ihren Laptop hämmerte, schrieb an ihrem neusten Roman und konnte wortwörtlich nirgends einen klaren Gedanken fassen als im Blueberry. Ihrem Mann tischte sie die Notlüge auf, auf Geschäftsreise zu sein, während sie die Nacht im Hotel zubrachte. Obwohl der Gedanke so fern war, wusste ich doch, dass, wenn ich einmal heiraten sollte, meine Ehe nie so werden sollte. Beziehungsweise hoffte ich es stark, dass sie kein Trapez aus Lügen sein würde. Aber neben allen erheiternden und manchmal traurigen Geschichten war mir keine so unlieb wie die desjenigen, der so eben das Café betreten hatte. Am liebsten hätte ich mich nach hinten verzogen, wie ich es manchmal tat, wenn er das Etablissement beanspruchte, nur leider führte ich den Laden an diesem Tag allein und konnte schlecht die Kundschaft zurück lassen, also biss ich mir schmerzhaft auf die Unterlippe und hob wieder den Kopf in seine Richtung. „Sakura, welch unerwartete Freude dich hier zu treffen!“, rief der junge Mann mir entgegen und sofort hüllte mich eine Wolke aus dem widerlichen Geruch tausender Pfefferminzbonbons ein. Ich unterdrückte ein Würgen und verzog meine Lippen zu einem leichten, wenn auch bedrohlich angehauchten, Lächeln. „Ich bin immer um diese Zeit hier, Lee“, erwiderte ich knirschend und stöhnte fast unhörbar auf, als sich Lee geradewegs auf den Stuhl am Tresen setzte, der mir genau gegenüber stand. Leider hatte ich nie viel mehr Alternativen gehabt, als ihn ‚Lee’ zu nennen, denn bereits als er mich das erste Mal gesehen und mir persönlich schon der Fehler dieses Blickkontakts den Rücken hinunter gelaufen war, hatte er sich mir lediglich als ‚Lee’ vorgestellt und war seit diesem grauenvollen Tag jeden weiteren durch die Eichentür geschritten. Er wollte unmissverständlich flirten, jedoch war er ein miserabler Zeichenleser oder wollte einfach nicht wahr haben, dass ich kein Interesse an ihm hatte, denn sein entnervendes Spiel - Augenbraue hoch, vermeintlich cooler Blick, Augenbraue runter, Lächeln, wieder Augenbraue hoch und ganz leicht geformter Kussmund - machte mich weniger als an. Es machte mich krank und nicht selten verspürte ich den Drang, die Polizei zu alarmieren. „Einen Zitronentee, meine Süße“, sagte Lee und vollführte das erste Mal an diesem Tag sein lästiges Augenbrauen-Spiel, welche ohnehin zu buschig waren, um einen Funken Attraktivität auszusenden. Ich drehte ihm augenblicklich den Rücken zu und machte mich daran, seinem Wunsch nachzukommen und den Tee aufzubrühen, als ich erneut das Glöckchen über der Tür vernahm, mich jedoch nicht traute, den Blick zu dem zu drehen, der immer noch hinter mir lauerte. Als ich nach langen fünf Minuten schließlich den Tee unwiderruflich fertig hatte - im Übrigen hasste ich Zitronentee - saß jemand neben Lee, dessen Oberkörper und Kopf hinter einer Tageszeitung verborgen waren. Ich hatte diese Person noch nie hier gesehen und wandte mich dann der Schlagzeile zu. „Was kann ich Ihnen bringen?“, fragte ich und ignorierte Lees auf und ab wandernde Augenbrauen. „Ein Kaffee wäre nicht schlecht.“, murmelte die männliche Person hinter der Zeitung und gesegnet widmete ich mich meiner neuen Aufgabe. „Meine Herzensdame, wie wäre es mit einem Date diesen Freitagabend im Cats?“, säuselte Lee, um meine Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, und als ich ihn verwirrt anblickte, vollzog er noch eine Zugabe seines Spiels. „Ich hab noch nie von diesem Lokal gehört“, entgegnete ich, die Möglichkeit auf sein Angebot einzugehen jedoch schon weit über Bord werfend. „Das ist ein Transenschuppen in der Christopher Street.“, ertönte die männliche Stimme hinter der Zeitung feixend und ich besah mich gegenüber einem Lee, dessen Gesicht plötzlich mehrere Schattierungen von einem dunklen Rot annahm. „Was reden Sie denn da?“, erzürnte sich der Schwarzhaarige in eben diesem Augenblick und schien von seinem Nachbarn mehr zu sehen, als es mir vergönnt war. Die bloße Vorstellung, dass ich einen Abend mit Lee in diesem Cats verbringen würde, entlockte mir ein erheitertes Lachen, welches mir jedoch im Halse stecken blieb, als der unbekannte Mann die Zeitung sinken ließ. Wahrscheinlich hätte ich nicht sagen können, wer bei diesem Anblick ehrfürchtiger dreinblickte, doch da der arrogante und vor Selbstbewusstsein strotzende Blick aus diesen dunklen Augen Lee galt, vermag ich zu behaupten, dass ich nicht annähernd in ähnlicher Gefahr schwebte wie mein vermeintlicher Stalker. Ich schätzte den jungen Mann, der nun mit herausragender Wirkung die Zeitung neben sich legte, auf dreiundzwanzig - aber niemals älter, wenn auch um ein paar Jährchen älter als meine Wenigkeit - und doch war es sein Erscheinungsbild, welches mich letztendlich den Worten unwürdig machte, die dieses Aussehen treffend beschreiben sollten. Ich gehe keinesfalls davon aus, dass allen Mädchen einmal ein Typ begegnet, dem dieses Bad Boy Image auf den Leib geschneidert zu sein scheint, denn dem konnte nicht so sein, weil fast alle meine bisherigen Bekanntschaften dieser Art gewesen waren und sie doch schlussendlich in meinem Bett landeten, als in dem eines frommen kleinen Vorstadtmädchens, das alle Prinzipien erfüllte, wie es genau ihre Aufgabe war. Zwar war ich selbst einmal aus einem Dörflein im nicht minder erwähnenswerten Connecticut aufgewachsen, doch ebenso schnell daraus ausgebrochen. Und obwohl dieser Kerl mit seinem unwiderstehlich verschlagenem Aussehen, der lässigen Attraktivität und dem süffisanten Grinsen doch allen dieser Sorte Mann glich, in die ich ohne Umschweife, einfach gesagt, vernarrt war, hatte er doch etwas, was ihn aus der Masse hervorhob und mich seltsam zu hypnotisieren schien. Er hatte Tattoos, die ich bis zu diesem Moment nur erahnen konnte, und eine Hand voll Piercings im Gesicht, die allesamt seiner Unwiderstehlichkeit keinen Abbruch taten. Um genau zu sein, waren Ino und ich uns gänzlich einig gewesen, diesen gepiercten Trotteln mit Löchern im Gesicht keine Chance zu geben. Allerdings war das etwas anders und ohne, dass ich es unterdrücken konnte, schlich sich ein entzücktes Lächeln in meine Mundwinkel und ich verspürte den komischerweise sehr starken Drang, diesem Unbekannten durch das intensiv rot schimmernde Haar zu fahren. Plötzlich bemerkte ich meinen beschleunigten Pulsschlag und diese verhasste Wärme, die sich meinen Hals entlang hocharbeitete. Das wiederum machte mir beinah Angst; ein alle Rekorde brechender Herzschlag in einer Stadt wie New York, in einer Stadt, wo es tausende und noch mehr Männer gab - kaum erwähnenswert auch die Tatsache, dass dieses Gefühl der Anziehung so urplötzlich gekommen war. Nun spürte ich diese unaufhaltsame Röte, die sich so gnadenlos auf meine Wangen legte und schließlich war es Lee, der mich aus diesem Tagtraum riss. „Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber wohin ich meine Damen ausführe, belangt nicht Ihrer Erörterung!“ Lee versuchte nun unverhohlen über seinen geschwollen Ausdruck eine gesellschaftliche Distanz zwischen sich und seinem Nachbarn zu schaffen, in der er zwar augenscheinlich höher angesiedelt, aber bei Weitem weniger attraktiv war. Mein Blick wanderte zurück zu dem Unbekannten und zwar rührte die Art und Weise, wie er sich halb grinsend eine Zigarette anzündete, an meinen verworrenen Gedanken, jedoch verwarf ich diese kleine Ähnlichkeit schnell wieder. Er sah ja so verdammt gut aus. Seine Züge waren so männlich, während Lees Gesicht eher blasiert wie das eines Babys wirkte. Augenscheinlich gelang es mir eher, diesen Rothaarigen zu beschreiben, wenn ich ihn mit Lee verglich…. „Wenn es sich um die Sicherheit einer so hübschen Lady handelt“, entgegnete er lässig und blies dem perplexen Lee den Zigarettenrauch geradewegs ins Gesicht. Ich fand diese Szene äußerst beeindruckend und hoffte in dem Moment, als er mir ein schmallippiges Lächeln schenkte, dass ich nicht so offen zu lesen war wie ein Buch oder diese Zeitung, die immer noch auf dem Tresen lag. „Wollen Sie damit ausdrücken, ich würde meine Herzensdame in Gefahren bringen?“, fragte Lee entgeistert, nachdem er das aufkommende Husten praktischerweise sehr schnell unterdrückt hatte. Irgendwie tat er mir fast ein bisschen Leid. „Herzensdame, soso“, murmelte der junge Mann feixend und meine Wangen wurden mit jeder Silbe einen Ton röter, was bestimmt wunderbar zu meinen rosafarbenen Haaren passte. „Interessieren Sie sich fürs Theater?“ Die unerwartete Frage ließ mich zusammenzucken und am liebsten hätte ich mir - auf diese dämliche Tat - selbst eine runter gehauen. Ich musste wirklich so blöd aussehen. „Ja“, hauchte ich und meine tonlose Stimme war das erschreckende Zweite, was mich im Stillen den Kopf schütteln ließ. „Gut, wenn ich dann noch ihre Nummer bekomme, nehme ich sie mal mit ins Lucille Lortel Theater.“ Es schwang noch so viel mehr mit in diesem einen leicht daher gesagten Satz, dass ich sofort wusste, dass es nicht nur bei diesem Theaterbesuch bleiben würde. Dieser Kerl war wirklich nach meinem Geschmack. Und der Gedanke daran, dass er genau die Art Mann war, den meine Mutter an meiner Seite über alles fürchtete, brachte mich schließlich lächelnd dazu, meine Handynummer aufzuschreiben, die Lee nur sehnsüchtig beäugte. __ „Oh lala, das klingt heiß!“, rief Ino aufgebracht und ich hörte im Hintergrund Stimmengewirr, was auf meiner Seite der Leitung nicht viel anders sein konnte. Ich schlenderte gerade durch den Washington Square Park und unterrichtete meine beste Freundin über die Ereignisse der letzten drei Tage. Die Geschichte mit Pein, so nämlich hieß meine Bekanntschaft von vor zwei Tagen, hatte ich mir dabei bis zum Schluss aufgehoben. In Inos Stimme klang unverhohlen der Neid mit und ich feixte insgeheim über meinen grandiosen Fang. „Ja, wer weiß, vielleicht wird es etwas Ernstes“, meinte ich und wich einem Skater aus, um mich auf eine Bank niederzulassen. „Und wenn nicht, dann wird es wenigstens Sex!“, erwiderte meine Lieblingsblondine erfreut. „Du musst mir einfach alles erzählen, ich hatte ewig nicht mehr.“ Ich hörte den enttäuschten und gequälten Unterton aus ihrer Stimme heraus und fühlte mich gleichsam schlecht, so präzise über jede Faser vom Körper meines baldigen Bettgenossen geredet zu haben. „Hast du eigentlich noch eine Prüfung vor dir?“, wechselte ich das Thema und wandte mein Gesicht der strahlenden Sonne zu. „Hm, morgen früh aber dann ist endlich Schluss. Ich werde dann wohl mal für eine Woche oder so nach Hause fahren.“ „Du bist mutig“, entgegnete ich beeindruckt, da Inos Mutter zwar nicht annähernd so schlimm wie meine, allerdings auch ein ziemlich emotionales Wrack war. „Ja, und ich melde mich sogar einmal die Woche bei meiner Familie“, versetzte Ino mir einen giftigen Stich und ich konnte ihr breites Grinsen fast durch mein Handy hindurch spüren. „Das tat weh, danke“, murrte ich und fädelte an meinem leichten T-Shirt herum, dass trotz allem noch zu viel Stoff für diese heißen Tage war. „Gern geschehen. Übrigens, wie wäre es, wenn ich nach dieser Überlebenstrainingswoche mit meiner Mum nach New York kommen würde?“ „Hofft da etwa jemand einen gewissen Rothaarigen wiederzusehen?“, fragte ich scheinheilig und konnte Inos Augenverdrehen beinahe sehen. „Nein, seltsamerweise nicht. Das ist Geschichte. Ich wollte eigentlich vorschlagen, mal wieder mit dir und Hinata nach Florida zu fahren, so wie damals, Urlaub vom ganzen Stress.“ Der Gedanke an unsere bisherigen Ausflüge nach Florida zauberten mir ein kleines Lächeln ins Gesicht und zwar konnte ich mir nicht vorstellen, dass meine schüchterne Freundin Hinata allzu angetan von der Idee war, jedoch wollte ich sie unbedingt wieder sehen. „Wenn ich Urlaub bekomme, warum nicht. Und wenn es nicht allzu teuer ist.“ „Lass das mal meine Sorge sein, mein Patenonkel schuldet mir noch was.“, lachte Ino und ich unterließ es, weitere Fragen zu stellen. Plötzlich unterbrach ein in regelmäßigen Abständen wiederkehrendes Piepen unser Gespräch und ich seufzte bei dem Gedanken, wieder so viele Kilometer von meiner besten Freundin entfernt zu sein. Wir hatten beide nicht genügend Geld, um jeden Tag zu telefonieren und das beeinträchtigte meine Stimmung des Öfteren gewaltig. Ohne Ino war es seltsam und damals war sie fast jedes Wochenende vorbeigekommen. Vor meinem Umzug und vor ihren Abschlussprüfungen. „Ino, ich hab noch jemanden auf der anderen Leitung, tut mir Leid, aber der gibt gar keine Ruhe“, sagte ich betrübt und natürlich unterließ es Ino, mich anzuflehen, noch länger mit ihr zu sprechen. Also beendete ich das Gespräch und nahm das Neue ab. Vielleicht Pein… „Hallo?“ „Oh, sieh an, sie lebt noch und klingt vollkommen gesund und munter! Fragt sich doch nur, was sie bewogen hat, sich zwei Monate lang nicht zu melden!“ Eine sofortige Gänsehaut bildete sich auf meiner unbedeckten Haut beim bloßen Klang dieser Stimme und ich schluckte schwer in der Hoffnung, der Kloß in meinem Hals würde sich lösen. Mist. Verdammter Mist! „Mutter?“, fragte ich zaghaft und hoffte, es würde sich doch alles als ein schlechter Scherz herausstellen, allerdings mit dem Wissen, dass es pure Realität war. „Wer sonst, denkst du der Weihnachtsmann?“, meckerte die wohlbekannte Stimme am anderen Ende der Leitung und ich verspürte den Drang, mein Handy in die nächste Mülltonne zu werfen. Nur gut, dass ich mich vor wenigen Minuten auf eine Bank gesetzt hatte, der Schock hätte mich so oder so in die Knie gezwungen. Ich rang nach Fassung. „Ist… ist irgendwas passiert? Warum rufst du an?“ Ich hörte regelrecht das erzürnte Schnauben durch den Höher, welches vergleichbar war mit dem eines wütenden Stieres. „Sag mir, Sakura, haben wir dich mit so wenig Anstand erzogen, dass wir uns einander nur melden, wenn es um Krankheit und Tod geht? Du bist umgezogen und hieltest es nicht für nötig, deinem Vater und mir Bescheid zu geben! Nichts, keine Nachricht, Kein Brief, keine Postkarte, keine Friedenstaube, keinen Boten oder sonst irgendetwas, was uns davon unterrichtet hätte, dass du deine Anschrift gewechselt hast!“ Ich gab es zwar nicht gern zu, allerdings hatte ich die Angewohnheit geerbt, mich in Rage zu reden und je mehr Sätze ich sprach, umso lauter zu werden. Das laute Geschimpfe meiner Mutter schien mein Trommelfell ernsthaft in Mitleidenschaft zu ziehen. „Ich wollte ja, aber….“ Denk nach, denk nach, denk nach. Leider wollte mir keine passende Erklärung einfallen. „Mir geht’s gut und euch?“, sagte ich zerknirscht und hoffte, das Thema wechseln zu können. „Wir möchten deine Wohnung sehen“, überging meine Mutter gekonnt diesen miserablen Schachzug und ich seufzte niedergeschlagen. Das hätte ich mir denken können. „Okay, dann machen wir mal einen Termin aus, in zwei, drei Wochen-“ „Nein, Kindchen, dein Vater und ich sind in der Stadt. Heute Nachmittag um Drei sind wir bei dir und wir werden nicht eher gehen, ehe du uns deine Wohnung gezeigt hast. Gott sei Dank war dieser Kakashi so gut und hat uns deine neue Adresse gegeben.“ Darauf fiel mir einfach nichts mehr ein. Also, ich meine so wirklich nichts mehr ein. Mein Kopf war leer, gänzlich leer und ohne irgendeinen belanglosen Inhalt. Es gelang mir nicht einmal Kakashi zu verfluchen. Bei ihrem nächsten Satz hörte ich das zufriedene Lächeln bereits aus ihrer Stimme heraus. „Bis um Drei, Tochter!“ __ Ich fühlte mich, als würde ich geradewegs auf ein Schafott zu schreiten. Geradewegs in den unaufhaltsamen Tod. Blieb mir noch eine weitere Möglichkeit? Selbstverständlich konnte ich die Stadt verlassen, doch meiner Mutter war es zuzutrauen, so lange hier zu bleiben, bis ich glaubte, die Luft sei wieder rein von Gefahren. Die fünfzehnte Stunde rückte penetrant näher und ich hätte wirklich nie gedacht, dass ich noch einmal den Wunsch nach Lees Gesellschaft haben würde. Also, wenn ich mich entscheiden müsste zwischen ihm und meiner Mum. „Es wird schon nicht so schlimm werden“, lachte Tenten ausgelassen, als sie sich ihre kurze Jacke übergeworfen und die Schuhe angezogen hatte, bevor sie zu ihrer Theaterprobe gependelt war. Tenten hatte gut Reden, immerhin war sie nicht da und kannte nicht alle Macken und Angewohnheiten meiner Mutter, die allesamt das Negative bewiesen. Ich saß sprichwörtlich wie auf heißen Kohlen, rannte durch die Wohnung und räumte auf, wischte Staub und saugte - was generell viel zu sehr vernachlässigt wurde - und alles in allem gab ich mir ziemlich viel Mühe, dafür, dass ich hoffte, sie schnell wieder loswerden zu können. Allerdings nahm ich nichts von den Zeitschriften weg, die anrüchige Artikel versprachen, oder von den Kissen, die der Wohnung Gemütlichkeit gaben, obwohl ich natürlich mit dem Gedanken gespielt hatte. Vielleicht sollte ich ihnen einmal wirklich zeigen, wie ich lebte. Mit allem drum und dran. Auch wenn ich wusste, dass es ihr nicht gefallen würde. Pünktlich um Drei hörte ich das sonst so angenehme Klingeln der Haustür und ließ sie mit einem kleinen Gebet zu Gott, der endlich einmal seine Präsenz zeigen sollte, eintreten. Sie hatten sich beide nicht verändert seit diesem Tag, an dem sie mir einmal mehr verkündet hatten, dass sie mich nicht unterstützen würden. „Sakura“, grüßte meine Mutter, weit entfernt von einem Wort namens Herzlichkeit und trat an mir vorbei in die Wohnung. „Mum, Dad.“ Mein Vater lächelte mich warm an und drückte mich kurz und fast schon mechanisch an sich, was mir schrecklich unangenehm war, weil wir zwar eine bessere, aber keine allzu gute Beziehung hatten. Wen wundert’s. Ohne große Worte inspizierte meine Mutter auch schon das Wohnzimmer, setzte sich auf die Couch und betrachtete mit einem leichten Blick der Abneigung die bunten und abstrakten Bilder an den Wänden, während ich noch darüber nachdachte, ob sie wohl auch dahinter kam, dass meine Mitbewohnerin auf einigen davon abgebildet war. Abstrakt, jedoch in unchristlicher Pose. Mir war die ganze Situation unangenehm und ich begann eine vermeintlich beruhigende Melodie zu summen, die mir aus undeutlichen Kindertagen im Kopf geblieben war. Plötzlich bemerkte ich, dass mein Vater verschwunden war und sah nur noch meine offene Zimmertür. Oh, von welch dreister Menschenart ich doch abstammte. War mein Verhalten da so verwunderlich? Müsste ich je zu einer Therapie, dann hätte ich wenigstens schon einmal die Schuldigen für mein Fehlverhalten entlarvt! „Sehr rustikal, aber auch gemütlich“, urteilte meine Mutter nach langen fünf Minuten und ihre Augen wanderten noch einmal durch den Raum. „So wie es dir gefällt.“ Zwar wunderte es mich, dass sie zu wissen glaubte, was mir gefiel, aber ich unterließ es, eine Diskussion vom Zaun zu reißen. Mein Vater trat zurück ins Wohnzimmer und steckte gerade seine Brille zurück in sein Jackett. „Sieht doch alles ganz sauber aus, siehst du, Sakura, jetzt weiß deine Mutter wenigstens, dass du in keinem Loch wohnst.“ „Weil ein Loch ja auch so gut zu mir passt“, murmelte ich säuerlich und hörte gleichsam wie sich ein Schlüssel im Schloss drehte. Verwundert wanderte mein Blick zur Tür, denn ich stand immer noch mitten im Flur, und was ich als nächstes sah, ließ meinen Herzschlag für einen Moment aussetzen. Natürlich konnte es nicht Tenten sein. Meine grünen Augen lagen perplex auf den wohlbekannten Zügen eines äußerst attraktiven jungen Mannes, der seltsamerweise einen Schlüssel zu meiner Wohnung zu haben schien und nun wie angewurzelt im Türrahmen stand, ohne sich von der Stelle zu bewegen. Sein schwarzes Haar fiel ihm genau mit derselben Nonchalance in die Augen wie in meiner Erinnerung und meine Knie waren plötzlich so weich, dass ein leichter Windzug mich wohl umgeblasen hätte. Musste ich noch erwähnen, dass mich eben dieser Kerl einmal nackt gesehen hatte und ganz unsichtbar zu so viel mehr geworden war, als zu einer bloßen Nacht ohne Verpflichtungen? Wegen ihm war ich hier, konnte ich hier sein und gleichsam war er über zwei Monate nicht da gewesen, hatte sich verhalten, als gäbe es ihn nicht und mir meinen Dank nicht abgenommen. Und nun gerade jetzt, wo meine Eltern auf meinem Sofa saßen, war er wieder da. Ich stieß hörbar die Luft aus und wandte meinen Blick schnell ab und wieder zur Couch, die jedoch leer war. Knisternd spürte ich gleichzeitig die Anwesenheit meiner Eltern direkt neben mir. Oh nein. Ich ahnte bereits diese Flutwelle des Bösen auf mich zu treiben und traute mich nicht, ins Gesicht meiner Mutter zu blicken. „Ist das dein Freund?“, hörte ich ihre Stimme interessiert und mein Vater räusperte sich, ganz so, als wolle er Sasukes Absichten erfahren. Mussten sie jetzt wirklich Eltern spielen? Ich erwiderte seinen Blick, der leicht fragend und vollkommen verwirrt auf mir lag und als ich ein kleines Lächeln zu Stande brachte, dass eine Art Entschuldigung sein sollte, weil er natürlich nicht wissen konnte, was ihn erwartete, hob sich eine seiner Augenbrauen in die Höhe, was Lees Spiel so in den Schatten stellte. „Nein, nein, ist er nicht. Nein. Das ist Sasuke.“, sagte ich schnell und fuchtelte mit den Händen vor dem Gesicht meiner Mutter herum, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. „Aber er hat einen Schlüssel zu deiner Wohnung“, bemerkte meine gerissene Mutter und sah mich an, als hätte sie mich geradewegs einer Lüge enttarnt. „Tja, wer weiß, von wem er den hat. Von mir nicht!“ „Also laufen hier noch mehr junge Männer rum, die einen Schlüssel zu deiner Wohnung haben?“, fragte meine Mutter und ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als sie mir die Antwort vom Gesicht las. „Oh, ich glaube, das Ganze lässt sich am Besten bei einem Abendessen besprechen“, begann meine Mutter und nahm ihre Jacke vom Gardarobenständer, ein listiges Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Aber-“ „Nein, Sakura, deine Mutter hat Recht. Du scheinst uns zu viele Dinge verheimlicht zu haben, die Eltern über ihr Kind wissen sollten. Dein Freund-“, mein Vater brach seine Erläuterungen ab und deutete auf Sasuke, wobei seine Handbewegung gleichzeitig seine Trauer über diesen Fang deutlich werden ließ. „Genau. Essen im Hilton, da wohnen wir nämlich die nächsten Tage, und heute Abend um Sieben erscheint mir passend“, lächelte meine Mutter und legte sich die Jacke über den Arm. Mir fehlten die Worte, als sie sich langsam auf die Tür zu bewegten. Sasuke, der es nicht für nötig hielt, ein Wort zu sprechen, trat zur Seite und gab sich Mühe, unter dem Blick meiner Mutter nicht einzuschrumpfen. Sie blieb geradewegs vor ihm stehen und sah gebieterisch zu ihm hoch. „Ach ja, und Sie kommen natürlich auch.“ Dabei tippte sie ihm auf die Brust, als wäre er eine Schachfigur, die es sich lohnte zu verschieben und verließ die Wohnung. Sasuke und ich standen uns eine Weile wortlos gegenüber, bevor mir bewusst wurde, dass Teil Eins der Show nun vorüber war. Part Zwei konnte nur noch schrecklicher werden. ** Mal ein Nachwort Mir hat dieses Kapitel großen Spaß gemacht, zu schreiben, aufgrund der Fülle neuer Charaktere, die irgendwie alle mit hier rein mussten, was dann letztendlich wieder so ein langes Kapitel entstehen ließ. :D Endlich sind wir in New York angekommen und ich finde, dieses Kapitel enthält eine enorme Anzahl versteckter Hinweise auf den weiteren Verlauf der Story. Ich würde mich wie immer über Feedback freuen und bin jedesmal halb entsetzt und halb erstaunt, wie viele neue Leser noch in diesem Stadium hinzukommen. Herzlichen Dank! Mehr ist nicht zu sagen, wir sehen uns dann beim 'Beautiful Dinner'. :D Beta-Version Online: 22.O2.2OO9 Kapitel 7: Beautiful Legacy --------------------------- Beautiful Legacy Wie teuer du eine schöne Illusion auch bezahlt hast, du hast doch einen guten Handel gemacht. (Marie von Ebner-Eschenbach) Dieser Moment war ein Unikat seines Selbst. Mir fiel keine vergleichbarere Situation ein, kein Bild aus längst zurückliegenden Tagen purer Unterdrückung, kein Funken Erkenntnis, bereits in der Vergangenheit Zeuge einer derartigen Situation geworden zu sein. Keine einzige ähnliche Erinnerung wollte mir in den Sinn kommen, sich aufbauen und mir darlegen, wie viel dominanter, schlechter Charakter meiner Mutter sich eben in diesem Raum gezeigt hatte. Dafür rutschten mir andere schlimme Erinnerungen in die Gedanken, jedoch wollte keine zu der eben hier abgelegten passen. Sie hatte ja schon so viel getan, so unnennbar viel, wie es eine Mutter eigentlich nicht tun durfte und letztendlich hatte sie mich auch noch vor einem dämlichen One Night Stand blamiert, beziehungsweise die sich ihr darbietende Szene von Grund auf falsch interpretiert. Setzen, sechs, Mutter. Und mein Vater, der starke, hochgewachsene Mann, an dem sich das Alter langsam bemerkbar machte, hatte dieser Show auch noch geglaubt! Ich hatte es an seinen Augen gesehen, den Blick dem er dem Schwarzhaarigen zuwarf, der immer noch ein paar Meter entfernt von mir stand, unsagbar nahe für eine einmalige Nacht, deren Wirkung wir jedoch schon längst außer Kraft gesetzt hatten. Mein Vater hatte ernst gewirkt, ähnlich einem hochwohlgeborenen Mann aus etwaigen Filmen, die allesamt den Verlobten, Bräutigam, Lebensgefährten, Freund, Mann ihrer Tochter musterten, als wollten sie ihm geradewegs den Kopf abreißen oder mindestens sicher gehen, dass er eine gute Partie sei, wohl wissend, dass keiner perfekt genug für das kleine, beschützerbedürftige Töchterchen wäre. Ich war allerdings weder eine dieser prinzipiengetreuen Töchter, denen es schwer fiel, auch nur einen Finger zu krümmen, noch entsprach Sasuke einem dieser Männerbilder - jedenfalls nicht für mich. Er war mein One Night Stand, der sich zu einem Two Night Stand entwickelt hatte, ohne dass wir ein weiteres Mal miteinander geschlafen hatten und würden wir das fortführen, so wusste ich, würde es in einem Fiasko enden. Denn immerhin war schon etwas schrecklich aus dem Ruder gelaufen, als ich ihm ausgerechnet in New York wieder begegnet war. „Das war meine Mum“, flüsterte ich in die Stille hinein und hob beinah ängstlich den Blick, um in die anziehenden, dunklen Augen zu schauen, die bei meinen Worten einen bitteren Zug annahmen und sich zusätzlich unheilvoll zu verdunkeln schienen. Ich schluckte und mit einem Mal wurden mir so viele unheimliche Konsequenzen bewusst. Denn falls dieser Typ mich nicht zum Essen begleiten würde, weil es immerhin sein gutes Recht war, der Aufforderung meiner durchgeknallten Mutter nicht nachzukommen und mich alleine in die Höhle des Löwen ziehen zu lassen, dann würde das meinen sicheren Untergang bedeuten. Und es bildete einen meiner Charakterzüge, daraufhin, allein aus der Schwäche und dem Gefühl heraus, keine verdammte Wahl zu haben, außer ihn anzuflehen, mich zu begleiten, die Wut in mir empor steigen zu spüren. Dabei richtete sich die Hälfte davon gegen Sasuke Uchiha, der die Dreistigkeit besessen hatte, einen Schlüssel zu meiner Wohnung zu haben, wobei immer noch unklar war, woher er diesen überhaupt bekommen hatte. Genauer betrachtet, war keine Antwort seinerseits noch ein Grund mehr, weshalb sich die Säuerlichkeit bis ins Unermessliche aufbaute. Und dann wider Erwarten, nach Sekunden der Stille, murmelte der Schwarzhaarige: „Das hätt’ ich mir fast gedacht.“ Seine raue Stimme verhallte im Flur und ich erinnerte mich dunkel an ein Gefühl des Wiedererkennens; an einen Moment, in dem eben diese Stimme mir ins Ohr geflüstert hatte, so nah und mit der erschreckenden Wirkung, mir die Sinne zu rauben. Meine Hand fuhr hinauf, um ungeduldig eine rosane Haarsträhne aus dem Gesicht zu streichen und ich verlagerte mein Gewicht abwechselnd von einem auf den anderen Fuß, hauptsächlich um etwas zu tun zu haben. „Und kommst du mit?“, fragte ich zögerlich und wusste, dass jede falsche Antwort meines Gegenübers mich zum explodieren bringen würde. „Warum sollte ich?“, knisterte die uninteressierte Gegenfrage in meinem Ohr und ich ballte beherrschend meine Hände zu kleinen Fäusten, wohl wissend, an mich halten zu müssen, um ihn nicht ernsthaft zu verletzen. „Weil du verdammt noch mal Schuld an der ganzen Geschichte bist! Du kommst einfach hier rein spaziert und machst dir dann nicht mal die Mühe, meiner Mum zu erklären, dass wir keinesfalls eine Beziehung haben!“, stieß ich entnervt hervor und fuchtelte wild mit meinen Händen in der Luft herum, was wohl albern aussah, aber meiner Hilflosigkeit in diesem Augenblick den passenden Anstrich gab. Ich sah, wie sich eine seiner Augenbrauen herablassend hob, eine Geste die so unvergleichbar war, dass es mir beinahe töricht vorkam, diese mit beispielsweise Lee in Zusammenhang zu setzen. Und wäre die Situation nicht so drastisch gewesen, so wäre in mir vielleicht ein Funken Triumph aufgekommen, mit diesem Kerl eine Nacht verbracht zu haben. „Ich schulde dir gar nichts“, meinte er arrogant und bei diesem Satz huschte ein selbstgefälliges Grinsen über sein makelloses Gesicht, was mich zum kochen brachte und das in nur einer einfältigen Sekunde. „Du!“, schrie ich aufgebracht und überbrückte in zwei Schritten den Abstand zwischen uns bis uns nur Millimeter voneinander trennten. „Das kannst du nicht machen! Das kannst du mir nicht antun. Du weißt ja verdammt noch mal nicht, wie sie sind, du arroganter, hässlicher Schnösel!“ Meine Hand schlug nun unablässig auf seine Brust ein und meine Verzweiflung entlud sich vollends. Dabei wusste ich bereits, dass ihm meine Schläge wahrscheinlich nichts ausmachten und ich alles versuchen konnte, und doch nur alleine heute Abend zu dem Essen gehen musste. Wahrscheinlich noch mit einer gebrochenen Hand. Ich konnte ihn leider Gottes nicht dazu zwingen und Gefälligkeiten waren wohl nicht seine Stärke. Mistkerl. Dann bemerkte ich, dass er keine Anstalten machte, die Verrückte - mich - von sich loszueisen, sondern immer noch unverwüstlich auf derselben Stelle stand und mich mit einem kalten Blick beobachtete, was mich dazu bewegte, inne zu halten und krampfhaft zu versuchen, unter der herablassenden Mimik seinerseits nicht zusammenzuschrumpfen. Ich schluckte das kratzende Gefühl in meinem Hals hinunter und zog die Hand geschlagen von seiner Brust. Ein seltsam beklemmendes Gefühl breitete sich in meinem Körper aus und ich fragte mich, warum ausgerechnet bei mir alles schief lief, warum es nicht einmal alles glatt laufen konnte. Andere hatten doch auch soviel Glück mit ihren Eltern oder sogar einen Freund, der länger bei ihnen blieb als nur eine Nacht. Die Gedanken schüttelten mich und mein Blick wurde glasig, was meine Verzweiflung nur noch mehr anschwellen ließ. Nicht heulen, bloß nicht anfangen vor dem zu heulen, dachte ich gezwungen und als die erste Träne langsam über meine Wange rollte und sich keinesfalls zurückhalten ließ, drehte ich mich peinlich berührt auf dem Absatz um und stürmte ohne ein weiteres Wort und ohne einen Blick zurück in mein Zimmer. Ich wollte sein Gesicht nicht sehen und vielleicht einen Ausdruck darin lesen, der mir bedeutete, dass ich mir vollends die Blöße gegeben hatte. Wobei es natürlich fraglich war, ob er überhaupt eine Emotion zeigen würde. Wohl eher nicht. Ich lag auf meinem Bett und starrte an die weiße, wenn auch in einer anderen Farbe schimmernde Decke, die Helligkeit des strahlenden Sommertages hatte ich trotz der zugezogenen, roten Vorhänge nicht verschwinden lassen können, so dass alles in einem angenehm schummrigen Rotorange leuchtete. Es war etwa eine Stunde vergangen und ich hatte gehört, wie die Wohnungstür ins Schloss gefallen war, was bedeutete, dass er nicht mehr da war. Ich wusste nicht, was mich daran traurig werden ließ, aber wahrscheinlich war es nicht unbedingt Sasuke, sondern allgemein das Gefühl, niemanden zu haben. Das Selbstmitleid suhlte mich ein, doch es war mir egal. Natürlich ging es mir gut und ich hatte Freundinnen, Ino, Tenten und Hinata, aber irgendetwas fehlte. Es war ja nicht er, der fehlte. Nicht unbedingt. Ich dachte an Pein und daran, dass meine Mutter ihn missbilligen würde, was mich einst dazu bewegt hatte, ihm meine Nummer aufzuschreiben. Warum konnte nicht alles funktionieren? Wieso konnte sie nicht den akzeptieren, der nun mal mein Herz hatte oder wenigstens meine Achtung und den ich mochte? Es klopfte an meine Zimmertür und kurz darauf stand auch schon eine schwer atmende Tenten im Zimmer, was mich dazu bewegte, mich fragend und verwirrt aufzusetzen. Sie schüttelte den Kopf, als ich den Mund öffnete und gebot mir somit, dass sie anfangen würde zu reden, sobald sie wieder Luft bekam. „Was hat er getan?“, brachte sie schließlich hervor und ließ sich auf meiner Bettkante nieder, während sie sich aus den Schuhen und der dünnen Jacke schälte. „Wer?“, fragte ich ahnungslos und wusste doch im nächsten Moment, von wem sie sprach. Tenten verdrehte die Augen und antwortete: „Sasuke natürlich!“ „Meine Eltern waren da“, erwiderte ich das, was sie schon wusste und erzählte ihr dann auch den Rest des Massakers. Sie nickte ein paar Mal und wickelte sich dabei eine braune Haarsträhne um die Finger, während sie fast träumend einen Punkt in meinem Zimmer fixierte und einfach nur zuhörte. „Er klang fast aufgewühlt am Telefon und schon das lässt ihn total aus dem Rahmen fallen, was ist also noch passiert?“, warf sie ein, als ich endete, ohne ihr von meinem Ausbruch zu erzählen und ich wurde augenblicklich leuchtend rot. Die Wärme in meinem Gesicht strömte auf meinen ganzen Körper aus und ich fühlte mich sehr unwohl. „Ähm, ich hab angefangen zu heulen, als er meinte, er komme nicht mit und dann bin ich auch schon davon gestürmt.“ Die Peinlichkeit dieser Aktion schlug in meinem Magen Saltos. „Er hat richtig ‚Nein’ gesagt?“, fragte Tenten nach und sah mich nun mit einem undurchdringlichen Blick in den haselnussbraunen Augen an. Ich versuchte mich direkt an das Gespräch und die Wortwahl zu erinnern und als mir der Wortlaut wieder einfiel, machte irgendetwas in meinen Eingeweiden einen gefährlichen Stups. „Na ja, nicht richtig, also nicht so direkt ‚Nein’, eben zwischen den Zeilen. O man, ich war so verzweifelt wegen meiner schrecklichen Mum, die alle Menschen in ihrem Umfeld hervorragend manipuliert, dass ich mir nicht mehr so sicher bin“, endete ich schließlich kleinlaut und Tenten seufzte. „Er wird kommen, da bin ich mir sicher“, sagte sie halb lächelnd und in ihren Augen schimmerte etwas, was mir vermittelte, total unerfahren im Punkt Sasuke Uchiha zu sein. „Wieso sollte er das tun?“, erwiderte ich und vergrub mein Gesicht in den Händen. „Er hat nicht direkt ‚Nein’ gesagt, deshalb“, klammerte sie sich an eine Aussage, die ich total ohne Beweise oder Sicherheit getätigt hatte, selbst wenn etwas in mir bei dem Satz Hoffnung schöpfte. „Hast du was passendes zum Anziehen für heute Abend?“, fragte Tenten auch schon und wechselte galant das Thema. Ich hob meinen Blick nicht von den Händen und schüttelte missmutig meinen Kopf. Sie stand kichernd auf und zog mich dann ebenfalls mit erstaunlicher Kraft auf die Füße, bevor sie mich in ihr Zimmer zog, um mich einzukleiden. „Und tut mir übrigens Leid, aber wegen den Proben konnte ich nicht die Lieferung neuer Stoffe abholen, also hab ich Sasuke darum gebeten, sie vorbeizubringen - dabei hab ich total vergessen, dass du ja zu Hause bist.“ Wenigstens hatte ich jetzt meinen Schuldigen an der ganzen Geschichte, dachte ich säuerlich, als mir bereits das erste Kleid ins Gesicht flog. Ich stand vor dem großen Spiegel im Flur und zupfte an meinem Kleid herum, das mich doch eher so kleidete, als wolle ich die Oscar Verleihung besuchen und nicht nur zu meinem Leichenschmaus gehen. Tenten hatte eine Fülle von Abendkleidern geschneidert und ich war ihren Klauen zwei Stunden lang keinen Schritt entkommen, so dass ich jedes einzelne Kleid hatte anziehen müssen. Dabei durfte ich letzten Endes nicht einmal selbst entscheiden, welches es in die engere Auswahl geschafft hatte. Hatte ich schon erwähnt, dass ich mich in Kleidern unwohl fühlte? Ob es nicht auch eine einfache Jeans getan hätte? Jedoch erübrigte sich die Frage, als Tenten mir einen Blick zuwarf, als könne sie meine Gedanken genau lesen. Ich trug ein aufwändig mit Perlen besticktes Kleid, wobei die kleinen, runden Accessoires ein Muster von dem eng anliegenden Oberteil zu dem unteren Teil des Kleides bildeten und es zu funkeln und glitzern schien, als das Licht der Stehlampe des Flures auf sie fiel. Meine Hände strichen unsicher über den schwarzen Stoff mit den silbernen Akzenten und ich war froh, dass wenigstens mein Wille bei den Haaren berücksichtigt worden war. Tenten hatte sie kunstvoll hochstecken wollen, doch das hatte ich nicht mit mir machen lassen und nun glitten die erstaunlich langen Haare, die ich die meiste Zeit nur zusammengebunden trug, über meinen Körper und bildeten mit ihrer auffälligen Farbe den Kontrast zu dem dunklen Kleid. „Nimm das noch“, meinte Tenten und tauchte direkt hinter mir auf, um mir ein ebenfalls schwarzes, mit kleinen Perlen besticktes Band in die Haare zu stecken, was mir ein Seufzen entlockte. „Wie war das mit dem ‚Meine Haare sind tabu’?“ „Also wenn du eines meiner Kleider trägst, dann muss das Gesamtpaket stimmen! Und nun zieh deine Schuhe an“, befahl sie und hatte sich natürlich die halsbrecherischsten meiner ganzen Schuhsammlung ausgesucht, die, die ich am wenigsten trug, weil sie unermesslich hoch waren, was nur einen Krankenhausaufenthalt zur Folge haben würde. Ich sah zur Uhr und bemerkte leicht panisch, dass es bereits halb Sieben war. Und er war noch nicht da. Zweifel an Tentens Prognose kamen in mir auf und ich wischte meine schwitzigen Hände an dem Stoff ab, was Tenten ein missbilligendes Hüsteln entlockte. Wie meine persönliche Assistentin bemühte sie sich nun eifrig die schwarzen Stiletos zu schnüren, wobei ich gerne anmerken würde, das mir die Worte für das fehlten, was sie eigentlich tat. Denn bevor ich mich recht versah, drehte sie auch schon eine kleine Ansammlung Perlen zwischen die Riemchen der Schuhe und ich hoffte inständig, das Gewicht nicht allzu sehr beim Gehen spüren zu müssen. „Muss das sein?“, quengelte ich gestresst und beugte mich sacht vor, um mein Gesicht im Spiegel zu betrachten. Wenigstens konkurrierte ich hier nicht mit einem Model, das in wenigen Minuten über den Catwalk schreiten würde, sondern war relativ ‚nude’ geblieben, höchstens die grünen Augen hatte Tenten betonen wollen. „Du brauchst das Auge für Details, wenn du groß rauskommen willst, Mädchen“, imitierte die Braunhaarige ernst die Stimme ihres Lehrmeisters Claude und ich fragte mich, ob ich auch je zu seinem Kurs gehören würde. „Bei meiner späteren Kollektion sicherlich, aber doch nicht, wenn ich zu einem einfachen Essen mit meinen Eltern gehe! Ich bin total overdressed“, grummelte ich und verschränkte die Arme vor der Brust, während ich auf Tentens Startsignal wartete, endlich den Fuß bewegen zu können. „Nö, Darling, bist du nicht“, erwiderte sie und kicherte verhalten. „Was ist los?“, fragte ich skeptisch und blickte an mir herab. „Ich musste nur gerade daran denken, dass das nicht nur ein Essen mit den Eltern ist, sondern auch die Vorstellung deines Liebhabers, bald Verlobten oder baldigen Ehemannes, jedenfalls denken sie in diese Richtung. Ich finde die Vorstellung süß. Und jetzt werd nicht rot, das sieht aus, als hätte ich dir zuviel Rouge verpasst!“ „Wenn er denn überhaupt auftaucht“, murmelte ich und war mir dessen nicht sicher. „Bestimmt, aber mit der Pünktlichkeit hat er’s nicht so“, entgegnete sie zuversichtlich. „Ten, mal’ ne Frage“, begann ich vorsichtig und achtete auf jede ihrer Bewegungen. „Hast du eigentlich so etwas wie einen … Liebhaber?“ Die Geschichte mit dem festen Freund fiel weg, weil nichts in dieser Wohnung auch nur annähernd auf einen Mann schließen ließ und sie diesen mit Sicherheit erwähnt hätte. Tentens Gesicht schien einen Augenblick zu erstarren, bevor sie die Fassung wieder fand. „Ich habe viele Liebhaber, Sakura. Die Männer mögen mich als ihre Musen, so verdiene ich einmal Geld und habe gleichzeitig meinen Spaß. Das sind zurzeit etwa Drei. Zwei davon sind brotlose Künstler, die von Erfolgen träumen, und der eine versucht sich als Produzent, in seinem Theaterstück wirke ich mit.“ Ich schluckte nach der gänzlichen Offenheit und war seltsam beeindruckt, zwar hatte ich das nicht erwartet, aber als ich an das progressive Bild im Wohnzimmer dachte, bei dem ich schon öfters an meine Mitbewohnerin gedacht hatte, lichtete sich das unklar Bild. „Und Liebe…?“, stellte ich die nächste Frage und Tenten stand langsam aus der Hocke auf, gleichzeitig kam ich mir schrecklich naiv vor. Immerhin konnte ich über Liebe auch keine allzu hohen Reden schwingen. „Ist vergänglich, denk ich. Bisher habe ich auch noch keinen gefunden, der mich eines Besseren belehrt hat“, seufzte sie und sah sich nun zufrieden das Kunstwerk an. Ich wog die Richtigkeit dieser Antwort ab und die nächste Frage stellte ich mir selbst, nämlich ob man diesen Jemand überhaupt finden konnte zwischen sechs Milliarden Menschen. Dann klopfte es an der Tür und meine Gedanken drehten sich augenblicklich um den Ernst der Lage. Viertel vor Sieben. O mein Gott, wir würden hundertprozentig zu spät kommen. Ich atmete tief durch und öffnete dann schwungvoll die Tür, nur um in der nächsten Sekunde jeglichen Elan zu verlieren und das unbehagliche Gefühl zu verspüren, als würde mir alle Luft aus den Lungen gepresst werden. Letztendlich erinnerte ich mich daran, wie die Kunst des Atmens funktionierte. Er lehnte lässig im Türrahmen, während ihm vereinzelte, schwarze Haarsträhnen mit fast würdevoller Eleganz ins Gesicht fielen. Der schwarze Anzug wirkte wie für ihn gemacht und unterstreichte zusätzlich die unverhohlene Coolness seines Auftretens, so dass ich mir plötzlich wie eine Witzfigur im Vergleich zu ihm vorkam. Gab es viele Männer auf der Welt, die das weibliche Geschlecht gänzlich in den Schatten stellen könnten? Bestimmt gab es gerade mal eine Hand voll, die es wirklich schafften und welch Ironie, dass diese Person ausgerechnet mir begegnete. Ich beobachte seine Reaktion auf mein Auftreten, während ich ihn ganz offensichtlich musterte, und bemerkte beinahe stolz, wie seine dunklen Augen über mein Erscheinungsbild huschten und sich seine blassen Lippen zu einem kleinen Grinsen verzogen. Sasuke legte leicht den Kopf schief und in seinem Blick lag ein Hauch der Anerkennung, der mich innerlich frohlocken ließ. Ich grinste zurück, bevor mir vielleicht schneller als recht die Intensität dieses momentanen Augenkontakts bewusst werden und die Röte sich in mein Gesicht zaubern würde. Plötzlich riss mich ein helles Licht und ein nur allzu vertrautes Geräusch aus den Gedanken und während Sasukes Miene sich verfinsterte, suchte ich nach der Ursache für den Blitz und besah mich einer Tenten gegenüber, die entzückt die Digitalkamera in Händen hielt und gleich zwei, dreimal hintereinander abdrückte, was letzten Endes nicht gut aussehen konnte. Wahrscheinlich würde Sasuke noch mit der Kälte seines jetzigen Ausdrucks unwahrscheinlich gut aussehen, allerdings blendete mich das grelle Licht ernsthaft. „Gute Wahl, ich habe gehofft, dass du den anziehst, weswegen ich extra das schwarze Kleid genommen habe, obwohl jedes meiner Stücke sie ungemein gekleidet hat“, erklärte die Braunhaarige breit grinsend Sasuke, der jedoch kaum interessiert wirkte. Ich bemerkte, wie das Amüsement in ihren Augen aufblitzte und ahnte, dass eine Spitze folgen würde. „Sakura, du musst mir versprechen, dass ich dein Hochzeitskleid schneidern darf und Sasuke kann’s dann bezahlen.“ Das war das Zeichen dafür zu gehen und ich war schon aus der Tür hinausgestürmt, als Tenten kreischte, sie wolle noch ein weiteres Foto machen. Ich lachte sie bereits aus, weil sie das nach dieser Aussage sicherlich nicht bekommen würde, als ich an der Taille herumgerissen wurde und ausgerechnet Sasuke mich festhielt, um Tenten … was? Eine Freude zu machen? Ich verdrehte mich linkisch in seinen Armen, ohne loszukommen, während schon die nächsten Schüsse fielen. Schließlich gab ich nach und versuchte halbherzig meine Gesichtsmuskulatur zu einem Lächeln zu bewegen. Dabei wanderte mein Blick hinauf zu ihm und das gezwungene Lächeln, das ich bei ihm sah, ließ mich losprusten. Tenten schoss etwa hundert Bilder und wahrscheinlich hätte sie nie aufgehört, wenn ich nicht drängelnd auf die Uhr gedeutet hätte. Ich war erleichtert, als ich mich in die Polster der Rückbank des Taxis lehnen konnte und den ersten Todesmarsch überlebt hatte. Diese Schuhe zu tragen, war wahrlich kein Spaß und Sasuke hatte mich - ganz zu meinem ins unermessliche wachsenden Schamgefühls - gleich zweimal auffangen müssen. Dabei hatte er das so schweigend hingenommen, wie man beispielsweise auch nichts gegen das Wetter ausrichten konnte, wobei ich wiederum nicht wusste, ob das nun gut oder schlecht war. Um genau zu sein, hatte er noch kein einziges Wort zu mir gesagt und das Glücksgefühl wegen dem anerkennenden Blick seinerseits verpuffte. Ich betete meine Clutch auf meinem Schoss und vermied den Blick auf die Uhr. Ich drehte meinen Kopf zu Sasuke und winkte seinen Kopf mit der Fingerspitze leicht zu mir, fast überrascht, als er sich tatsächlich zu mir neigte. „Weißt du, wenn man dich klonen würde, wäre die Kommunikation in dieser Welt bald ein Fremdwort“, flüsterte ich ihm ins Ohr, nur um eine Sekunde später seine Lippen so verdächtig nah an meinen wieder zu finden, dass es mir den Atem raubte. Ich wusste nicht, ob er mir seine Macht demonstrieren wollte oder vielleicht sogar überrascht von meiner Offensive war, jedoch ging er ohne zu zögern auf das Spielchen ein. „Was willst du denn hören?“, entgegnete er und ich merkte unterschwellig, dass ich selten eine so anziehende männliche Stimme gehört hatte. Ich zuckte mit den Schultern und blickte einen Moment lächelnd hinaus in die lebende, volle Stadt, während wir Greenwich hinter uns ließen und nun auch die Gebäudetypen immer größer wurden. Die Atmosphäre in diesem Taxi schien eine gänzlich andere als die, dessen Bild sich vor meinem Auge in diesem Moment bildete und ich fragte mich, wie vielen es in New York in diesem Augenblick vielleicht ähnlich erging wie mir. „Du siehst atemberaubend aus“, murmelte er irgendwann und ich wusste einmal mehr nicht, wie ich das zu deuten hatte. War es nun ehrlich gemeint oder fühlte er sich verpflichtet, das zu sagen. War es ihm schwer über die Lippen gekommen? Ich brauchte ein Lexikon für diesen Mann. Der Atlas erübrigte sich, dachte ich grinsend. Wir kamen tatsächlich nur zehn Minuten zu spät und ich ahnte bereits das Schlimmste, jedoch war ich gleichsam froh, als ich in die kühlere Luft trat und die knisternde Atmosphäre, die im Taxi geherrscht hatte, hinter mir lassen konnte. Widererwarten standen meine Eltern vor dem Hotel und meine Mutter musterte griesgrämig die vorbeilaufenden Menschen, während mein Vater in der New York Times las. Sie gaben ein albernes Bild ab. Sasuke lief währenddessen dicht neben mir und als meine Mutter uns kommen sah, schlich sich ein entzücktes Lächeln in ihr Gesicht. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel. „Mum, dachtest du, wir finden das Restaurant nicht?“, begrüßte ich sie und war misstrauisch zugleich. Sie verdrehte die Augen und mein Vater ließ amüsiert die Zeitung sinken. „Sie hat sich mit dem Personal angelegt und nun sind wir ins Plaza gewechselt, aber da du das nicht wissen konntest, Sakura, haben wir beschlossen, dich hier abzuholen.“ „Wow, du bist ein paar Stunden hier und legst dich mit halb New York an, das ist eine Leistung“, sagte ich zu meiner Mum, die mir wiederum nur einen mahnenden Blick zuwarf. „Lasst uns endlich ein Taxi nehmen, ich hab Hunger“, warf mein Vater ein und schlichtete somit den aufkommenden Zank. „Wir nehmen wohl besser ein eigenes Taxi, Dad“, erwiderte ich, als er kurz darauf den Anschein erweckte, dass wir uns zu viert in eines quetschen sollten. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er Sasuke offenbar nicht bemerkt oder nicht bemerken wollen, jedenfalls verdüsterte sich sein Blick zusehends, als er öffentlich von der Anwesenheit des Schwarzhaarigen Notiz nahm. Normalerweise war es meine Mum, der man nicht über den Weg trauen konnte, allerdings schien diese ganz hin und weg von Sasuke und mein Vater bildete nun die eigentliche Quelle der Missbilligung. Zögernd und hoffentlich mein Mitgefühl aussendend suchte meine Hand nach seiner und die Kälte, als ich sie fand, überraschte mich nicht sonderlich. Sie passte zu ihm wie sein perfekt sitzender Anzug. Er verkrampfte sich kaum merklich und fast fürchtete ich, dass die Fassade auffliegen würde, allerdings tat sie das nicht und ich spürte einen sanften Druck an meiner Hand. „Fahrt uns einfach nach, Kinder“, meinte meine Mutter angetan von unserer Show und kurz kam ich in die Versuchung einfach ‚Nein’ zu sagen, aber ich riss mich zusammen. „Fahren Sie dem Taxi einfach nach“, riet ich dem Fahrer unseres Taxis, der sich daraufhin jedoch fast genervt zu mir umdrehte. „Woll’n Sie mich verarschen? Wissen Sie nicht, wie schwer dat ist? Geben Sie mir’ ne Adresse oder steigen Sie wieder aus.“ Ich blickte ihn verwundert über die bissige und feindselige Antwort an und öffnete meinen Mund, um diesem fetten Typen etwas zu erwidern, als mir jedoch nichts einfiel und ich ihn unverrichteter Dinge wieder schloss. „Fahren Sie dem Taxi nach“, befahl Sasuke mit einer so selbstverständlichen Autorität, dass ich meine Bewunderung nicht zurückhalten konnte. „Ich brauch keinen Beschützer“, meinte ich leise und lehnte mich zurück, dabei berührten sich unsere Schultern und mir fiel auf, dass er näher saß als die Fahrt davor. „Was hast du dagegen, wenn du diese Nacht einen hast?“ „Nun lasst euch endlich ansehen!“, rief meine Mutter verzückt, als wir unsere Mäntel einem der Kellner zur sicheren Aufbewahrung reichten und bevor ich in der Lage war, eben diesem den Auftrag zu geben, mir persönlich den restlichen Abend immer das Martini Glas aufzufüllen. Als mein Blick dem meiner Mutter begegnete, las ich einen Ausdruck in ihrem Gesicht, als plane sie bereits die Hochzeit. Mir war die bloße Vorstellung davon schon zuwider, zu dem verunsicherte mich ihr Verhalten. Selten hatte sie etwas in Bezug auf mich ernsthaft zum Strahlen bewegt. Weshalb nur Halbwahrheiten? Eigentlich nie seit ich das Privileg zu denken besitze. Und nun war sie ein ganz anderer Mensch, eine Mutter, die sich freute und ganz verzaubert schien von meinem Begleiter, der nicht mehr war als mein Begleiter und von dem sie dachte, er sei viel mehr. „Gott, Sakura, seit wann kannst du dir solche Roben leisten? Welches Label ist das denn?“ Hätte sie die Möglichkeit gehabt, so war ich sicher, hätte sie nach einem Etikett gesucht und an mir rumgezupft, doch zum Glück besaß sie die Gelegenheit nicht mehr, seit ich zwölf gewesen war. „Ähm… Miabelle Ama?“, erwiderte ich zögernd und wusste genau, dass meine Mum sich darunter bestimmt nichts vorstellen konnte. Wir wurden zu unserem Tisch in dem ohnehin schon gut besuchten Restaurant geleitet und mein Unwohlsein wuchs mit jeder Sekunde. Sasuke lief stumm neben mir her und hatte bis auf die formale Begrüßung meiner Eltern vor wenigen Minuten kein weiteres Wort gesagt. Ich hoffte inständig, er würde mich die Konversation nicht gänzlich alleine führen lassen. Ich ließ mich auf den unbequemen Stuhl nieder und fummelte nervös an meiner Handtasche herum, bevor ich sie, nach einem scharfen Blick meiner Mutter, schließlich neben mich sinken ließ. „Wir freuen uns wirklich, dass ihr hier seid“, säuselte Mrs. Dracula glücklich und ich traute dem unentwegten Lächeln nicht ganz über den Weg. „Wir hatten ja auch keine Wahl“, entgegnete ich säuerlich und der Blick meiner Mutter bohrte sich missbilligend in den meinigen. Sasuke hüstelte, ganz so, als wolle er mich an meine Manieren erinnern und seufzend schluckte ich den Rest meiner Liste voller Anschuldigen hinunter, nur um mich kurz darauf gegenüber einer Frau sitzen zu sehen, die vom Einfluss meines Freundes angetan schien. „Sasuke, sagen Sie-“, begann meine Mutter auch schon hellauf begeistert - wahrscheinlich träumte sie bereits davon, zu Hause mit ihrem Schwiegersohn in spe angeben zu können -, als mein Vater sie mit kurz gehobener Hand zum Schweigen brachte. Ihr Gesichtsausdruck wechselte von freundlich zu bitter und ihre Mundwinkel verzogen sich leicht nach unten, als käme nun das, was sie am liebsten unter den Tisch kehren wollte. Meine Neugier wuchs daraufhin beständig, denn ich wusste immerhin, wann meine Mutter diesen Ausdruck annahm, als läge ihr etwas schwer im Magen, und ich dachte seltsamerweise auch, Sasuke im folgenden Punkt ausschließen zu können. „Ja, Vater?“, fragte ich süßlich und lächelte ihn herzlich an. Meinen Vater, der die Macht hatte, meine Mutter zum Stillschweigen zu bringen - mein neuer Gott! „Sakura, ich wollte lediglich mit dem Geschäftlichen verfahren, bevor der erste Gang serviert wird und wir zu privaten Angelegenheiten wechseln“, verkündete er und setzte sich seine Brille auf, wie ich es schon zahllose Male zuvor gesehen hatte, wenn er die Akten seiner Klienten durchgegangen war. Er verwandelte sich in Sekundenschnelle zum Geschäftsmann. Zum knallharten und routinierten Anwalt. Ich nickte und mein Blick flog kurz bedächtig zu meiner Mutter, die sich nur verdrießlich ihr Glas Wasser nahm, wohl wünschend, es wäre härtere Kost. „Und zwar ist dein Tantchen Justine vor mehreren Wochen verstorben“, erklärte mein Vater langsam und sah mich über den Tisch hinweg ernst an, während ich aufrichtig geschockt war. „Was?“, stieß ich entsetzt hervor und fingerte ebenfalls nach meinem Glas. „Warum hat mir das keiner erzählt?“ Bei der Frage sah ich meine Mum vorwurfsvoll an, die bestimmt bei dem Szenario ihre Finger im Spiel gehabt hatte. Diese verdrehte entnervt die Augen und meinte verhalten: „Wenn wir es doch eher erfahren hätten. Meine liebe Schwester wollte jedoch, dass ihr Tod einen mysteriösen Zug annimmt und so wurde die Familie erst vor vier Tagen unterrichtet.“ Meine Mutter und ihre ältere Schwester Justine hatten das schlechteste verwandtschaftliche Verhältnis, das ich je gesehen hatte. Ihre gegenseitige Abneigung kannte keinerlei Grenzen und während Tante Justine in ihrer Flowerpower Phase stecken geblieben war, hatte meine Mutter ihre Pflicht, zu heiraten und im Beruf der Ehefrau aufzugehen, erfüllt. Sie waren vollkommen unterschiedliche Pole gewesen und ihre Begegnungen waren selten gut ausgegangen. Das letzte Mal hatte ich Tante Justine getroffen, als ich elf oder zwölf Jahre alt gewesen war und das Familiengericht getagt hatte; wobei sie die Einzige gewesen war, die hinter mir gestanden hatte. Ich glaubte zu wissen, dass ihr mein jetziges Leben gefallen hätte. „Die Frau hat den Befehl gegeben, ihre Leiche sofort verbrennen und keine Beerdigung stattfinden zu lassen. Wahrscheinlich weil sie wusste, dass niemand um sie trauert.“ „Mum!“, herrschte ich sie an und wandte mich dann wieder gänzlich meinem Dad zu. „Wie du sicherlich weißt, Sakura, haben deine Mutter und ich damals beschlossen, deinen Treuhandfond so anzulegen, dass du das Geld erst mit fünfundzwanzig Jahren ausgezahlt bekommst.“ „Nachdem die Flaggen auf Halbmast gehisst und das Familiengericht getagt hatte“, erwiderte ich tonlos und erinnerte mich genau an den Tag, der so vieles verändert hatte. „Sei froh, meine Familie hat beschlossen, mir das Geld erst auszuzahlen, sobald ich verheiratet bin“, flüsterte mir Sasuke leise zu und ich erkannte in diesem Punkt doch einen Vorteil an meiner Situation. Schließlich hatte ich nicht unbedingt vor, jemals zu heiraten. „Ähm, ja“, murmelte mein Vater und fuhr fort: „Jedenfalls ist nun im Testament von Tante Justine ein Konto aufgetaucht, dass sie vor geraumer Zeit extra für dich angelegt hat und nun ja, meine Pflicht als dein Anwalt ist es, dich darüber zu informieren und dir zu verkünden, dass du erben wirst.“ „Und was?“, fragte ich verblüfft und mir wurden die Worte meines Vaters erst schleppend deutlich. Ein seltsames Gefühl kam in mir hoch. „Du bist die Alleinerbin, demnach alles.“ Ich fragte mich unwillkürlich, ob mein Tantchen reich gewesen war, ohne zu einer befriedigenden Antwort zu gelangen. Ich hatte sie ja nicht einmal richtig gekannt. ___ BETA VERSiON ON2iNE: 14.O3.O9 Kapitel 8: Beautiful Dinner --------------------------- Beautiful Dinner Das Paar, das gar keines war. Es gab diese speziellen, unheilschwangeren Fragen, deren heranpreschen man schon roch, Sekunden und Minuten bevor sie sich zeigten, weil es seltsam verräterisch in der Nase kitzelte. Manche Menschen waren immun dagegen, bemerkten den süßlich gefährlichen Geruch nicht und wurden dann von der Wucht und der intensiven Welle, die diese simple Frage an Problemen mitriss, schlichtweg überrascht. Und bevor sie noch zu mehr in der Lage waren, als sich bewusst zu werden, was sie da soeben gehört hatten, war die Katastrophe bereits ins Rollen gekommen und zog zig - das Opfer immer mehr pikierende - Nachfragen mit sich, aus dem es keinerlei glimpfliches Entkommen gab. Wenn meine Eltern im Inbegriff waren, derartige Erkundigungen einzuziehen, die doch allesamt das Merkmal trugen, gleichsam einen verbrannten Geruch zu tragen, und zudem noch die Angewohnheit hatten, das ahnungslose Opfer auszuziehen und alle Fehler des Seins auflegen zu wollen, dann war man schlichtweg dem Teufel persönlich ausgeliefert. Oder eben seinen teuflischen Handlangern - meinen Eltern. Demnach konnte Sasuke sich mit dem pünktlichen Eintreffen des Hauptgangs glücklich schätzen, dass ich neben ihm saß, und nach einem beunruhigenden schnuppern an meinem Martini Glas, das ganz und gar nicht abgestanden oder verbrannt roch, wusste ich, dass es soweit war. Denn ich hatte die Nase. Die einzige Wunderwaffe im Kampf gegen Wilhelmina Haruno, ihres Zeichens die rechte Hand des Teufels, war mein geübtes Näschen. Allerdings vermochte es auch nur mir zu gelingen, den unheilschweren Tsunami anzukündigen, obgleich nicht vorauszusagen, in welcher Form das Unheil heran ritt. Gleichsam hatte ich keine Lösung, wie dem am besten entgegenzutreten wäre. Ganz zu schweigen davon, dass Sasuke höchstwahrscheinlich von seinem vermeintlichen Glück keinerlei ahnte. Obwohl es mir hätte bewusst sein müssen, dass wir bis zum Hauptgericht alle Smalltalk würdigen Themen ausgeschlachtet und bis aufs Genaueste interpretiert haben würden, beunruhigte mich der vertraute Geruch des Unglücks nach so langer Zeit und mit ihm in der Nase ließ ich meine Gabel unter den Tisch fallen, natürlich um Sasuke irgendwie vorzuwarnen, ohne dass meine Eltern davon allzu viel Wind bekamen. Allerdings blieb ihnen das laute Geräusch, als sich meine Gabel in das sorgsam verlegte Parkett bohrte, nicht verborgen und mich strafte sofort der peinlich berührte Blick meiner Mutter, den ich ihr am liebsten aus dem Gesicht gekratzt hätte. „Ups“, entfloh es mir scheinheilig und ich tauchte unter dem gedeckten Tisch ab, die helle Tischdecke lag schwer auf meinem Kopf und das bodenlange Kleid machte dieses Unterfangen ebenfalls nicht einfacher. Ich betrachtete die übereinander gelegten Beine meiner Mutter, bevor ich langsam nach der Gabel tastete und samt wunderschönem Kleid zu Sasuke hinüberrutschte. „O“, glitt in diesem Moment eine hektische Stimme auf meinen Gehörgang zu und fragte beinahe hysterisch: „Brauchen Sie neues Besteck, Madame?“ Es war der Kellner, der mir bereitwillig und zuvorkommend seit dem Beginn des Dinners immer wieder das Martini Glas aufgefüllt hatte. Ich schätzte seine Dienste sehr und glaubte sogar, dass ihm meine Haarfarbe sehr gefiel. Mehr als es eigentlich sollte. Ein kleines Kichern konnte ich mir nicht unterdrücken, als meine Hand sich auf Sasukes Bein legte, was zur Folge hatte, dass dieser sich total verkrampfte und sogleich wieder entspannte, und ich dem zuvorkommenden Kellner entgegen rief, dass neues Besteck wohl angebracht wäre. Gegenüber meinem vermeintlich festen Freund saß mein Vater, der nun ungeduldig mit den teuren Schuhen über den Boden fuhr. Ich hörte, wie meine Mutter missbilligend mit der Zunge schnalzte, da mein Abtauchen augenscheinlich so viel Interesse geweckt hatte, obgleich der nette Kellner mich schon die ganze Zeit heimlich beobachtet hatte. Trotzdem war es ratsam, das Ganze schnell über die Bühne zu bringen. Ich klopfte vehement, wenn auch lautlos, auf Sasukes Oberschenkel, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, da offenbar die Diskussion über die Luftfeuchtigkeit in NYC wieder aufgenommen worden war. Kaum Sekunden vergingen, als seine Hand auch schon unter den Tisch schoss und sich um meine legte. Ich rutschte noch ein Stück auf ihn zu und hörte eilige Schritte, die von rechts auf unseren Tisch zukamen. „Hier ist das Besteck“, sagte der Kellner und arrangierte freundlich mein Gedeck neu, während Sasuke den Moment nutzte, in dem nicht alle blasierten Mienen auf ihm lagen; die helle Tischdecke nach oben zog und ich den blanken Ausdruck offenbarer Verwirrung auf seinem Gesicht bemerkte. „Was soll das denn?“, fragte er hitzig und noch immer lag sein fester Griff um mein Handgelenk, dass hundertprozentig einige Blessuren davontragen würde. „Es riecht nach pikierenden und penetrierenden Fragen“, informierte ich ihn so sachlich, wie es eine Frau, die unter einem Tisch hockte, um einen Mann vor ihren Eltern zu warnen, tun konnte. Sasukes Miene verfinsterte sich zusehends und sein Blick schickte mir einen kalter Schauer über den Rücken. „Komm hoch.“ „Nur für das spätere Protokoll“, zischte ich, während ich wieder die allgemeine, zu verkehrende Ebene erklomm und mich auf den Stuhl sinken ließ. „Ich habe dich gewarnt.“ „Sie können sich so glücklich schätzen, Sasuke, dass meine Tochter ohne Widerworte auf Sie hört“, bemerkte meine Mutter amüsiert über meine - ihr aus unbekannten Gründen erfolgte - Kapitulation. Ich griff nach meinem Weinglas und der sauberen Gabel, ohne sie auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen. Letztendlich wartete ich auf den Moment, der dem gelassenen Schwarzhaarigen die Luft aus den Segeln nehmen würde. Zwar war ich mir vollends bewusst, dass er bei beiden unserer bislang längeren Zusammentreffen äußerst professionell und erfahren auf mich gewirkt hatte; doch ein Dinner mit den Schwiegereltern wollte in meine Vorstellung von Sasukes bisherigen Leben nicht passen, wonach er auch nicht das Ausmaß der elterlichen Version von Wahrheit oder Pflicht kannte, bei der ausschließlich Wahrheit genutzt wurde. „Widerworte ihrerseits gibt es bei jeder handfesten Diskussion“, erwiderte Sasuke knapp und ich versuchte ihn unter dem Tisch zu treten, allerdings war das Kleid zu eng und mein Bein zu kurz. Ich beschloss, ihn in das Unheil laufen zu lassen, das da mit Messern bewaffnet stand, während ich in dem Fisch herum stocherte, der offenbar als Delikatesse gehandelt wurde. Mein Blick musste nicht auf ihr ruhen, um zu erahnen, wie angetan meine Mutter doch war und der Geruch nach verbrannten, unheilschwangeren Fragen, die ihr auf der Zunge lagen, kitzelte nun auch meinen Nacken. „Studieren Sie, Sasuke?“ Die Gabel fiel mir erneut - doch dieses Mal unabsichtlich - aus der Hand und geräuschvoll auf den Teller. Soeben hatte es begonnen. Mein Vater warf mir einen irritierten Blick über den Tisch hinweg zu und ich nahm mein Besteck wortlos wieder auf, während die Sekunden lautlos verstrichen. Es war eine dieser Fragen, die ich bis aufs Äußerste gefürchtet hatte. Die Fragestellung, die für meine Mutter unwiderruflich klärte, ob sie Sasuke nach diesem Essen mochte oder nicht, ob er eine gute Partie war oder nicht. Und gleichsam fiel mir auf, wie wenig ich selbst über den Schwarzhaarigen wusste. „Ich studiere Jura in Yale, um genau zu sein Wirtschaftsrecht.“ Es war der Moment, in dem ich meinen Kopf drehte, weil mir aus den puren Worten heraus nicht klar wurde, ob es eine einfach über die Lippen gekommene Lüge gewesen war oder die blanke und nackte Wahrheit. Tenten hatte nicht oft über ihn gesprochen, eigentlich nie, insofern ich nicht selbst die Sprache auf Sasuke gebracht hatte, was ich nicht oft tat, weswegen ich nun auch nicht wusste, ob er wirklich studierte oder nicht. Aber dennoch glaubte ein Teil von mir, dass Tenten etwas Derartiges erwähnt hätte. Skeptisch wandte ich den Blick von seinen Zügen und zurück auf meinen kaum angerührten Teller. Soso, wenn dem so wäre, dann würde er als Anwalt fungieren. Es stand außer Debatte, dass ein Advokat in der Familie Haruno mit offenen Armen empfangen wurde. Die Reaktion meiner Mutter war wie folgt: „Noch ein Jurist in der Familie! Wie wunderbar.“ Selbst mein Vater brachte ein offenes, leicht positiv überraschtes Lachen zustande und meine Eltern tauschten einen erfreuten Blick, so aufeinander abgestimmt, wie er nach dreißig Ehejahren nur sein konnte. Falls Sasuke pokerte, dann tat er das hoch, gefährlich und verdammt erfolgreich, schoss es mir durch den Kopf und da mein Weinglas nun leer war, kam ich auf den Martini zurück. „Sie haben eine Kanzlei in Woodbury?“, fragte Sasuke nun nach und ich war überrascht, weil er diese Information besaß. Ich hatte ihnn mit Sicherheit nicht davon unterrichtet. Mein Vater wirkte ebenso erstaunt und der Schwarzhaarige fügte gelassen hinzu: „Sakura spricht oft davon.“ Das war eine aalglatte Lüge und während sich die Gesichtszüge meines Vaters entspannten und nun fast weich wurden, da er begann, von seinem Lebenstraum zu erzählen, wurde meine Wenigkeit in noch größere Verwirrung gezogen, weil Sasuke Dinge wusste, die ich ihm nicht erzählt hatte und ihm obendrein die Halbwahrheiten nicht anzumerken waren. Aber spielten wir an diesem Abend nicht überhaupt nur eine große Show? Wir beide, Sasuke und ich, vor meinen lieben Eltern? Plötzlich hatte ich das Bedürfnis aufzuspringen und ihnen die Wahrheit entgegenzubrüllen, die sie nicht hatten hören wollen, nämlich, dass Sasuke niemand von Bedeutung für mich war. Aber ich konnte nicht. Und gleichsam wusste ich nicht, weshalb es mir Leid tat, dass die Hoffnung meiner Eltern wuchs, ihre einzige Tochter könnte ihr großes Glück gefunden haben. Vielleicht weil ich es mir selbst irgendwo wünschte, es aber nur ein riesiger Fehler war, überhaupt darüber nachzudenken. „Was machen Ihre Eltern beruflich?“, fragte nun mein Vater interessiert und ich beobachtete die beiden Männer, die offenbar mit dem gefundenen Thema auf einer Wellenlänge lagen. Als mein Blick auf meine Mutter fiel, sah ich ihr zufriedenes Gesicht und ein seltsames Glitzern in ihren Augen, deren intensive Farbe ich geerbt hatte. Ich verwettete meine ganzen Habseligkeiten darauf, dass sie in diesem Moment schon die schneeweiße Kutsche vorfahren sah, mich in einem blütenweißen Kleid, das herrlich aufbauschte und grenzenlos teuer war und der Zeremonie beiwohnte, die im ebenso weißen Rondell Woodburys auf dem Platz ihren Höhepunkt erreichen würde. Und neben mir sah sie Sasuke. „Mein Vater hat die Kanzlei der Familie übernommen, er war Rechtsanwalt, ist momentan aber nur noch der Kopf und repräsentiert. Meine Mutter geht seit unserer Geburt nicht mehr arbeiten.“ „Darf ich fragen, wie dein Vater heißt?“ Offenbar waren sie nun per du. „Fugaku Uchiha“, antwortete Sasuke so lässig, das ich mir sicher war, den Namen hätte kennen zu müssen, allerdings tat ich das nicht. Nun allerdings war es mein Vater, der seine Gabel fallen, und den Namen angetan über die Zunge rollen ließ. „Der Fugaku Uchiha?“, wiederholte meine Mutter atemlos und ich glaubte, die samtene Rotfärbung in ihrem Gesicht Schritt für Schritt mitverfolgen zu können. Meine Eltern schienen über die Neuigkeit vollkommen hin und weg und ich fürchtete beinahe, meine Mutter würde entweder aufspringen und einen Jubelruf ausstoßen oder einfach gleich kollabieren. „O mein Gott, Sakura, lass diesen Mann nie wieder los!“, herrschte sie mich an und nun war es an mir, rot zu werden und den Blick vehement nach unten gerichtet zu lassen, während mein Vater und Sasuke lachend einfielen. Ich verstand nicht, was dieser Fugaku Uchiha so Großartiges getan haben sollte, dass ihn meine Eltern derart ehrfürchtig betrachten. Tenten würde es wissen, dem war ich mir sicher. Sie würde mich aufklären. „Deine Familie kam also auch aus Japan hierher?“, fragte mein Vater nun und ich fühlte mich plötzlich so erschöpft, dass ich mein Gehirn versuchte auszuschalten. Mehr schlecht als recht. Die Urgroßeltern meines Vaters waren zu ihrer Zeit in die Staaten gekommen, geradewegs aus einer noch kleineren Siedlung als es selbst Woodbury war. Sie hatten nichts gehabt und doch wieder so viel, wie mein Großvater immer das Märchen erzählt hatte. „Entschuldigt mich“, murmelte ich, schnappte mir meine Handtasche und stand auf, um die Toilette aufzusuchen. Meine Mum warf mir einen Blick zu, der mir versicherte, dass meine schweigsame Gesellschaft bestimmt nicht fehlen würde und seufzend setzte ich meinen Weg fort. __ Ich liebte die edlen Toiletten dieser riesigen, sternenbehafteten Hotels. Sie waren mehr wert als unsere ganze Wohnung, was zwar deprimierend war, allerdings vertrieb ein genauerer Blick in den Spiegel diese Gedanken ziemlich schnell. Ich war heilfroh, alleine zu sein, denn mein Anblick musste jeden halbwegs normalen Menschen verschrecken. Wie ein einziges Essen mich derart zurichten konnte, war mir ein Rätsel und dessen Lösung waren nichtsdestotrotz simpel ausgedrückt: Meine Eltern. Allein meine Mutter würde eine Horde wilder Stiere außer Gefecht setzen. Seufzend begann ich meine Haare zu richten, die nach dem Abtauchen unter dem Tisch einiges hatten aushalten müssen, und suchte in meiner Tasche nach dem Make-up. Dabei fiel mir mein Handy geradewegs in die Finger und nachdem ich mich vergewissert hatte, dass ich Empfang besaß, wählte ich mit der Kurzwahltaste die Nummer zu einer mir vertrauten und momentan sehr erwünschten, weiblichen Person. Ich griff nach dem Mascara, während ich wartete. «Hi Darling», meldete sich die feuchtfröhliche Stimme meiner besten Freundin und ich konnte das Grinsen, das sich auf mein Gesicht schlich, nicht unterdrücken. Die Welt konnte noch so schlimm sein, wenn man mit Ino in Verbindung stand, lichtete sich selbst der tiefste Nebel. Allerdings brauchte es nicht lange und ich erinnerte mich daran, weshalb ich angerufen hatte. Aus welchem Grund. Der mich gleichsam dazu verführt hatte, an diesem wunderbaren Abend hier in einer Toilette zu stehen und heimlich zu telefonieren. „Dieser verdammte Arsch namens Sasuke Uchiha studiert in Yale Wirtschaftsrecht und ist gerade dabei meine Eltern zu verzaubern!“ «Ähm, ich fürchte, ich hab den Startschuss verpasst», erwiderte Ino schnell und ich konnte förmlich sehen, wie sie sich aufrecht hinsetzte - wo immer sie auch war - und sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht strich. Neugierig. Mit einem gewissen Grad an Vorfreude. „Meine Eltern haben sich angekündigt, heute, nachdem unser Gespräch unterbrochen wurde. Sie sind vorbeigekommen und Sasuke war seltsamerweise da, hat irgendwas für Tenten vorbeigebracht und hatte natürlich auch noch einen Schlüssel für die Wohnung!“, ereiferte ich mich und die Wut kroch nun beständig meinen Nacken hinauf. «Ups», kommentierte Ino und ihre Stimme klang derart gedämpft, dass ich fürchtete, sie säße da und würde sich behände das laute Lachen über meine Situation verkneifen. Was sie höchstwahrscheinlich auch tat, weshalb ich ohne weiter darüber nachzudenken, fortfuhr. „Sie haben ihn also gesehen und meine Mum war hin und weg, wollte mir natürlich nicht glauben, dass er nicht mein fester Freund ist und hat uns kurzerhand zum Abendessen verpflichtet. Hier erzählt dieser Kerl dann munter drauf los, dass er Jura in Yale studiert und sein Vater Fugaku Uchiha ist - als ob man den kennen müsste-, und meine Eltern sind selbstverständlich total verliebt in Sasuke, planen schon die Hochzeit und ich bin mir sicher, dass alle meine folgenden Partnerschaften dank dieses Abends nie zustande kommen werden, da niemand so ist wie Sasuke Uchiha! Nebenbei bin ich noch die Alleinerbin des fragwürdigen Vermögens meiner verstorbenen Lieblingstante, die ihren Tod geheim halten wollte. Vielleicht erbe ich aber auch nur einen Berg voller Schulden.“ Es war einen Augenblick lang still, während ich nach Luft schnappte, da ich im Eiltempo alle Geschehnisse des Abends heruntergerattert hatte, die Ino offenbar zu verdauen versuchte. «O man, mein Leben ist ja so langweilig», seufzte die Blondine schließlich und ich hörte sie durch die Leitung hindurch gehemmt auflachen. «Also ich gäbe etwas für diese Action.» „Es ist nicht so wunderbar, wie du vielleicht glaubst“, seufzte ich leise. «Hm, vielleicht. Und Sasukes Vater ist wirklich der Typ, der diesen Serienkiller rausgehauen hat?» „Wie bitte?“, entgegnete ich überrascht und hätte wirklich nicht damit gerechnet, dass Ino Sasukes Vater kennen würde. Weil ich schlichtweg noch nie von ihm gehört hatte. «Warte, ich google den Kerl mal, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es der berühmte Strafverteidiger war, der in seiner Jugend einen Serienmörder, für den die Beweislage erdrückend war, dank seines Könnens in die Freiheit entlassen hat.» „Sasuke studiert aber Wirtschaftsrecht“, warf ich ein und konnte spüren, wie Ino den Schopf schüttelte, während die Antwort ihre Lippen verließ. «Ich schätze, es ist gut für die Staaten, dass nicht zu viele Serienkiller durch hervorragende Arbeit wieder auf freien Fuß kommen. Schau dir doch Sasuke an, er wäre bestimmt so knallhart und attraktiv, um eine ganze Horde Geschworener von seiner Meinung zu überzeugen.» Dem war wirklich nichts mehr hinzuzufügen. Etwa eine Minute verstrich, in der Ino keinen Ton von sich gab, bis sie schließlich - ich dachte schon an die beängstigende Telefonrechnung -, einen triumphierenden Laut von sich gab. «Ich hab’s doch gewusst! Der Vater deines Kerls ist dieser berüchtigte Strafverteidiger. Wir hatten den Fall mal in einem der Kurse besprochen.» „Er ist nicht mein Kerl“, erwiderte ich zänkisch und merkte, wie angespannt ich überhaupt war. Mein Nacken tat weh und dank der hohen Schuhe auch der Rest meines Körpers. «Dann eben nicht. Aber wirklich, ich hatte keine Ahnung davon, dass Sasuke hier studiert. Ich bezweifle auch, dass ich je alle Studenten gesehen habe, dafür ist Yale einfach zu groß.» „Klar, das werfe ich dir auch gar nicht vor. Tut mir Leid, das Ganze stresst mich nur ungemein“, gab ich kleinlaut zu und blickte dann auf den Display meines Telefons, um geschockt festzustellen, wie viel Zeit bereits verflogen war. Zehn gute Minuten. «Verständlich», meinte Ino gelassen. «Erklär mir das mit dem Erbe genauer, denn das könnte ja wohl alle deine Probleme lösen.» „Würde ich liebend gerne, aber ich will nicht riskieren, dass mir meine Mutter auflauert, weswegen ich wohl langsam-“ Meine Stimme brach, als sich die Tür öffnete, durch die ich schreiten würde, um mein persönliches Unglück zu besiegeln, und eine bildhübsche Frau eintrat. Sie verschwand sofort in einer der Kabinen. Ihr Anblick riss mich kurz aus dem Gespräch und schließlich hatte ich meine Wort soweit vergessen, dass sich nur noch das Telefonat vollenden ließ mit den Worten, ich gäbe Ino einen ausführlichen Bericht am darauf folgenden Tag. Diese wirkte trotz allem nicht zufrieden, aber wünschte mir neckisch einen wunderschönen Abend. «Und Sakura, wenn du die Gelegenheit hast, dann nimm den heißen Kerl einfach mit nach Hause, bitte», kicherte sie und ich tat gut daran, mein Handy einfach zuzuklappen. Meine Finger zückten den Lippenstift und ich beugte mich ein Stück näher zum Spiegel hinüber, um die Konturen meiner Lippen nachzuzeichnen, während ich hinter mir vernahm, wie sich die Tür zur besagten Kabine öffnete und einen Moment später die junge Frau neben mir ihren Platz einnahm, ebenfalls den blutroten Stift zückte und ihr Make-up auffrischte. „Ein Notfall?“, fragte sie mich unvermittelt, während ich meine Utensilien wieder in der Handtasche verstaute. Ich sah sie überrascht an. „Nur das Übliche“, erwiderte ich und lächelte. „Die Eltern, der Verlobte, Mord und Totschlag.“ „Ihre Eltern sind die potenziellen Mörder ihres Mannes?“, hakte die Frau freundlich nach und plötzlich lagen ihre durchdringend dunkelblauen Augen auf mir. „Nein, es wird wohl eher meine Beerdigung. Meine Mum wird mich erdolchen und dann glücklich meinen Platz einnehmen, da ich Beziehungen meist eh in den Sand setze und auf mich kein Verlass ist“, entgegnete ich wahrheitsgemäß und konnte dem Bedürfnis nicht entkommen, hinzuzufügen: „Sie sind ganz vernarrt in ihn.“ Die junge Frau lachte und strich sich durch die wallend rote Haarmähne. „Wenn er ihr Verlobter ist, wird die Beziehung wohl mit dem Wunsch behaftet sein, das halbe Leben miteinander zu verbringen“, korrigierte sie die Aussage, dass ich überzeugt war, die Beziehung nicht aufrechterhalten zu können. Ich hatte es lediglich spüren wollen, wie es war, vom Wort ‚Verlobter’ Gebrauch zu machen und als mein Blick zurück von dieser schönen, natürlichen Frau auf meinem Spiegelbild fiel, wusste ich, dass es gefährlich gewesen war, überhaupt dieses Synonym zu gebrauchen und die damit verbundene Bedeutung zu schmecken. Denn es gefiel mir. Und das durfte es nicht. Nicht wenn ich ‚Verlobter’ in Zusammenhang mit Sasuke Uchihas Gesicht verwendete. Weshalb ich mich entschloss, nichts Unnötiges mehr zu sagen. „Das ist übrigens ein tolles Kleid, welches Label?“, fragte sie mich lächelnd und ihr Blick flog beeindruckt über das kostbare Stück, das meinen Körper zierte. Mit etwas Genugtuung fiel mir auf, dass ich etwas schmaler war als sie, was ich mir unwillkürlich als Pluspunkt anrechnete, obgleich manche Männer auf Kurven standen. „Miabelle Ama“, sagte ich und nahm mir vor, Tenten von den positiven Reaktionen, was ihre Arbeit betraf, zu erzählen. „Eine Freundin von mir.“ „Ich wünschte, eine meiner Freundinnen wäre Designerin.“ „Es ist ganz praktisch, vor allem wenn der elterliche Besuch ansteht und die Mutter das Auftreten im Müllsack missbilligen würde.“ Sie lachte und strich sich erneut die einzelnen roten Haarsträhnen aus dem Gesicht, bevor sie mir ihre dünne Hand reichte. „Karin Prado.“ Ihr Händedruck war beeindruckend fest und ich erinnerte mich sogleich an ein Buch, das Ino einmal gehabt hatte, in dem man alles über die Körpersprache in Zusammenhang zum Charakter eines Menschen hatte nachlesen können. Ich schätzte, dass sie eine sehr zielstrebige, dominante, unabhängige Frau war. Prinzipiell nicht schlecht in NYC. „Sakura Haruno“, stellte ich mich vor, nahm meine Handtasche und verschwand mit einem Winken aus der Toilette. __ Gegenüber der Damentoilette lehnte eine mir nur allzu bekannte Person, deren Blick sich zusehends verdunkelte, als ich lächelnd heraus trat. „Was zum Teufel hast du da drin so lange getrieben?“, fragte Sasuke gestresst und fuhr sich mit der freien Hand beständig durch das schwarze Haar. Irgendwie sah er mitgenommen aus und ich wusste nicht, ob ich wirklich Mitleid hegen sollte, denn schließlich hatte ich versucht, ihn vorzuwarnen. „Ich dachte, ich könnte dir das Ruder ein paar Minuten überlassen, da sie dich ja so vergöttern“, sagte ich wahrheitsgemäß. Seine Miene lag ausdruckslos auf mir und ich sah das glitzernde Feuer der Wut hinter seinem Blick fast tanzen. „Du warst fast zwanzig Minuten weg“, murmelte er beherrscht und reichte mir dann widerwillig, so als kämpfe der Wütende in ihm gegen den Gentleman an, seinen Arm. „Wie weit gingen die Fragen denn noch?“, flüsterte ich leise und noch immer standen wir in dem leeren Gang, umgeben von dämmrigem Licht und fernab des Stimmengewirrs im Restaurant, das mit fortschreitender Zeit immer lebhafter und lauter wurde. „Als sie mich fragten, wie viele Kinder wir in wie viel Jahren planen, habe ich mich charmant mit der Pflicht verabschiedet, dich suchen zu müssen“, erklärte er und ich lachte erheitert, während ich mir vorstellte, wie meine Mutter ihm wissbegierig, was unsere gemeinsame Zukunft betraf, auf die Pelle gerückt war. Kurz huschte ein Grinsen über seine Lippen, bevor es wieder der normalen, undurchschaubaren Fassade wich, auf der mein Blick nun gespannt verharrte. Inos Aufforderung lag mir vehement in den Ohren und sogleich versuchte ich, ihre quietschende Stimme zu verbannen. Obgleich ich selbst nichts gegen seine nächtliche Gesellschaft haben würde. „Ich hab ja soviel nicht gewusst“, murmelte ich schließlich, während meine Augen immer noch auf seinen Zügen lagen. „So gesehen bin ich der Loser in der Beziehung.“ Es fiel mir weder leicht, dies zuzugeben, denn Sasuke war einfach auf der Karriereleiter höher und hatte mehr Zukunftsperspektiven als ich, noch war es besonders erfreuend. Ich legte den Kopf schief und sah ihn weiterhin an, als ich aus den Augenwinkeln sah, wie sich die Tür zur Damentoilette ein weiteres Mal auftat. „Wenn das nicht Sasuke Uchiha ist.“ Die Erkenntnis mit der Spur Amüsement lag noch in der Luft, gesprochen von der melodischen Stimme einer Frau, die nun, mit der Clutch bewaffnet da stand und mit einem klitzekleinen Lächeln im Gesicht die Szenerie beobachtete. Sasukes Kopf drehte sich langsam zu ihr um und aufgrund der Tatsache, dass er sich seltsam nah an mein Gesicht herangebeugt hatte, streiften schwarze Strähnen mein Gesicht. Zum zweiten Mal in meinem Leben. Wahrscheinlich weiteten sich meine Augen irritiert, doch konnte ich mit der Situation keinerlei anfangen oder einen glorreichen Schluss aus dieser Begegnung ziehen. Nur, dass sie sich offenbar kannten. „Hey Karin“, begrüßte Sasuke sie lässig und hob kurz die Hand, während die Rothaarige eine Augenbraue in die Höhe hob und ihr Lächeln zusammen fror. In diesem Augenblick verlor sie einen Funken ihrer Attraktivität, das Glitzern der Sympathie, das ich auf Anhieb für die empfunden hatte. Nunmehr wirkte sie auf mich älter und da die Züge sich so verhärtet hatten, erinnerten sich mich gleichsam an Adjektive wie beispielsweise böse, hinterlistig. „Ich hatte ja keine Ahnung, dass du es in Betracht ziehst, zu heiraten, Sasuke. Wäre ich eingeladen gewesen?“ Glühend heiß fiel mir die Lüge ein, die ich der Frau nichts ahnend auf der Toilette unterbreitet hatte, nämlich, dass Sasuke mein Verlobter war. Dass wir im Inbegriff waren zu heiraten. „Selbstverständlich. Wenn ich heiraten werde, stehst du ganz oben auf der Liste“, grinste er ihr charmant zu, was in jeder normalen Frau wahrscheinlich die Eifersucht zum Kochen gebracht hätte, doch ich hielt die sprühenden Funken in mir zurück, da ich immerhin nicht dazu berufen war. Das war eine Show für meine Eltern gewesen und nun bettete sich Sasuke auf eine meiner kopflosen Aussagen und zog eine bildhübsche Frau mit in das Spinnennetz aus Lügen, wonach wir für drei Menschen in dieser Stadt spielten. Das Paar, das gar keines war. Allerdings schien Karin Prado nach Sasukes Worten beschwichtigt, ihre Gesichtsmuskeln lockerten sich und wieder zierte ein ehrliches Lächeln ihr Gesicht, als sie sich die Clutch unter den Arm drückte und einen Schritt auf uns zukam. „Du überraschst mich immer wieder, Sasuke Uchiha“, sagte sie aufrichtig und ihr Lächeln wurde warm. Ich wusste, dass ich diese Frau hätte hassen müssen, dafür, dass sie soviel von meinem vermeintlichen Verlobten wusste und ganz klar die Grazie versprühte, eine Frau zu sein, von der mir Sasuke in der Beziehung noch nichts erzählt hatte. Aber ich konnte nicht. Nicht, nachdem sie mir ein ebenso warmes Lächeln zum Abschied schenkte und verschwand. „Wir sollten gehen“, murmelte Sasuke dann und ich nickte wortlos, da mir mein Mund nicht mehr gehorchen wollte. Vielleicht würde ich irgendwann die Sprache darauf zurückführen oder einfach Tenten nach einer Karin Prado befragen. Sie würde es wissen. Doch in diesem Moment sah ich meine Eltern, die griesgrämig auf ihren Plätzen saßen und sich offenbar versetzt fühlten. Ein Gefühl der Schuld konnte ich nicht unterdrücken. Meine Mutter wandte ihren Kopf in unsere Richtung und ihr Blick durchbohrte unsere Fassade. Nur sah sie nicht die Wahrheit hinter dem Bild. Meine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln und ich nahm Sasukes Hand, mehr für sie als für mich. Und auch sie lächelte. Glücklich. Und ich merkte, dass es mir gefiel. Beides. Kapitel 9: Beautiful Events --------------------------- Beautiful Events - Good friends don't let you do stupid things - not alone. « Gott, du glaubst nicht, was ich soeben herausgefunden habe! Hoch motiviert - da dein Leben gerade aus seinen Verankerungen springt - habe ich gestern Abend mal wieder den guten Kakashi angerufen, um ein bisschen Geld für unseren Trip nach Florida locker zu machen, als der Kerl mir doch tatsächlich verkündet, er gäbe für diese sinnlosen Saufgelage kein Geld aus! Es sind die Fetzen geflogen, denn das lasse ich schließlich nicht auf mir sitzen, und ich hab meine Mum angerufen. Die meinte dann wiederum, dass der werte Kakashi sich bereits von meiner Familie Geld gepumpt hätte, was mich - aus einem flauen Magengefühl heraus - dazu bewegte, der Sache auf den Grund zu gehen, weshalb damals im Hotel, als ich die Abrechnung gemacht hatte, auf ganz mysteriöse Weise Geld verschwunden war. Beziehungsweise an ein Konto übertragen wurde, dessen Inhaber auf so geheimnisvolle Weise nicht erkennbar war. Heute Morgen habe ich dann mithilfe der Kontonummer und ein paar flirtenden Telefongesprächen mit einem kleinen Bankangestellten den Namen des Kontoinhabers herausgefunden, der jeden Monat ein stattliches Sümmchen Kohle kassiert. Und jetzt halt dich fest, das Konto gehört einem gewissen Naruto Uzumaki! Tja, man sieht sich wohl doch immer zweimal im Leben. Ruf mich an, Schlafmütze, und ich hoffe, du liegst grad nicht allein im Bett!» Die Mailbox samt der hysterischen Stimme, die sich in ihrer überhöhten Geschwindigkeit fast gänzlich überschlagen hätte - insofern die Anrufende nicht derart trainiert in der Disziplin des Redens gewesen wäre-, verstummte und doch hallten die letzten Klänge der vertrauten Laute noch sekundenlang an den kahlen, an diesem Vormittag in sanftes orangerot getauchten, Wänden wieder. Die ruhige Atmosphäre war durchbrochen worden und Inos vermeintliche Präsenz ließ sich nicht mehr aus den vier Ecken verscheuchen, sondern setzte sich dort fest und fokussierte mich, als wollte das Gefühl ihrer momentanen nachklingenden Gegenwart mich dazu bewegen, das Handy neben meinem Ohr in die Hand zu nehmen und sie ohne Umschweife zurückzurufen. Allerdings würde ich es an diesem Morgen nicht tun. Denn um ehrlich zu sein, nahm ein Teil von mir diese soeben erhaltenen Informationen gar nicht wahr; sie hatten es zwar in mein Gehör geschafft, doch kämpften sie noch erfolglos darum, meine Haut oder gar Membranen in mir zu durchdringen, die mich dazu bewegt hätten, den Ernst der Lage mit Inos Augen zu teilen. Das Gehörte nachzuvollziehen und zu verstehen; die Schlüsse daraus zu ziehen und zu erkennen, was es im Endeffekt bedeutete. Doch die von Ino stumm betitelte Familientragödie, die vor Jahren mit der Geburt des mittlerweile jungen Mannes ihren Ursprung gehabt haben musste und eine fast Vierteljahrhundert lang existierende Verschwörung anbei zog, interessierten mich an diesem Tag praktisch wenig. Ich lag bewegungslos auf meinem großen Bett, die Hände ineinander geschlungen und auf meinen Bauch gebettet, starrte die weiße Decke an und lauschte den natürlichen Geräuschen, welche von der belebten Straße eines Samstagvormittags gedämpft zu meinem Zimmerfenster hoch schlichen und gegen die Scheibe klopften, sich mit dem zwitschernden Vogelgesang vermischten und dem unnatürlichen Ton eines leise schlafenden Mannes buchstäblich die Hand reichten. Mein Mund war geschlossen, die Unterlippe locker nach vorn geschoben - welche Haltung mein Kinn leicht zum kräuseln brachte - und ich trug wohl denselben Ausdruck in meinem Gesicht, wie wenn ich in den seltenen Genuss kam, ein Gemälde zu betrachten und dabei äußerst geschickt und gelehrt im Umgang mit Kunst wirken wollte. Dabei blinzelte mir lediglich die weiße Decke zurück, bis mein Verstand den Mut fand, das Kopfkino anzuschmeißen und ich mir zum wiederholten Male den Vorspann des vergangenen Abends zeigte, folgend dem Besuch in einer Bar - nachdem meine Eltern zu Bett gegangen waren-, zählend die zahllosen alkoholischen und leeren Gläser auf einem dreckigen Tisch, bis zu dem Höhepunkt eines gefühlt grandiosen Kusses und einer noch benebelnder Nacht. Es glich einem Déjà Vu. Obgleich beim zweiten Mal eine gewisse Vertrautheit existiert hatte - die ich zuvor noch bei keinem Mann erlebt hatte - war der Morgen danach dennoch von einer Niedrigkeit geprägt, die mir ganz und gar nicht gefiel, mir noch nie gefallen hatte und bei der ich simpler weise geglaubt hatte, sie passierte mir kein weiteres Mal - da kein Mann dieser Welt sich die Dreistigkeit nehmen und länger schlafen würde als Sakura Haruno selbst. Irrtum, jedenfalls wenn man erneut mit Sasuke Uchiha im Bett landete. Doch wenn ich es recht bedachte, so hatte er sich das Ausschlafen wirklich verdient. Vorsichtig spähte ich hinüber zu dem schlafenden Mann, der meine Eltern so restlos begeistert hatte, dass Mum nicht lange fackeln und sofort den kleinen Kiosk in Woodbury leer kaufen würde, sodass alle erdenklichen Hochzeitsmagazine auf dem sonst so peniblen Couchtisch liegen würden und eine ihrer Freundinnen, die vorbeikämme, um neugierig zu erfahren, was Klein-Sakura aus ihrem Leben gemacht hatte, sie zweifellos sehen und ich wiederum das Klatsch Thema Numero Eins sein würde - doch diesmal aus einem Grund, der meine Mutter mehr als alles andere rührte. Und schon bald würde sie auch den Namen meines Verlobten durchsickern lassen - ganz zufällig natürlich - und mich und Sasuke einladen, während bei unserer Ankunft alle Nachbarn und Bekannte, sogar die Unbekannten, sich an ihre sauber polierten Fensterscheiben drücken würden, um einen Blick auf meinen Freund zu erhaschen. Mein Blick wanderte über seinen Rücken und ich war mir sicher: Sie würden sich in ihn verlieben, ebenso… O mein Gott, hatte ich das soeben wirklich gedacht? Dass ich ihn liebte? Ihn? Meine Augen weiteten sich entsetzt und ich versuchte sogleich ein Stück von ihm zu rutschen, doch dann wäre ich unweigerlich aus dem Bett gefallen, weswegen ich mich eines Besseren belehrte und mich entschloss, diese wirren Gedanken mit einem Schwall kalten Wassers direkt in mein Gesicht zu vertreiben. Langsam setzte ich mich auf, schwang die Beine aus dem Bett und war sorgsam darauf bedacht, ihn nicht zu wecken, da ansonsten der peinliche Teil dieser Szenerie begonnen hätte und diesen wollte ich hinauszuzögern, solange es ging. Als ich die Tür meines Zimmer leise hinter mir schloss, erhaschte ich sofort den freien Blick auf meine Mitbewohnerin Tenten, die auf dem Teppichboden saß inmitten eines Sammelsuriums aus Zeitungsausschnitten und bunten Bildchen aus Katalogen und anderen Heftchen. Vor sich hatte sie ein großes, unbeflecktes Plakat ausgebreitet und schien so vollkommen in Gedanken zu sein, dass sie mich zuerst gar nicht im Türrahmen bemerkte, wonach es mir gelang, sorgsam darüber nachzudenken, was ich nun am besten tun sollte. Denn das Problem war, dass Tenten und ich bisher keine Gelegenheit gefunden hatten, über den Männerbesuch zu sprechen. Denn es hatte bislang nicht zur Debatte gestanden, weswegen ich auch nicht mehr groß darüber nachgedacht hatte. Unbehaglichkeit befiel mich und ich trat zögerlich einen Schritt aus dem Türrahmen. „Morgen“, murmelte ich unsicher und war mir schlagartig bewusst, dass ich diesem Gespräch einfach nicht entkommen konnte. Denn wenn ich Sasuke nicht einfach aus dem Fenster schmeißen wollte, was unweigerlich tödlich enden würde, dann würde sie ihm hundertprozentig begegnen. Es war immerhin ihre Wohnung. Und wenn ich einschätzen müsste, wie lange sie noch auf dem Boden verweilen würde, dann handelte es sich - den jetzigen Stand ihrer Arbeit betrachtend - noch um Stunden. Tenten blickte auf, strich sich eine der losen, braunen Strähnen zurück und flötete: „Einen Wunderschönen.“ Sie schien meine Unsicherheit zu spüren, weshalb ihr Blick noch einige Sekunden mehr auf mir haften blieb, bis sie mich ihren durchdringenden Augen endlich entkommen ließ. Ich unterdrückte das Seufzen, das mir die Kehle hinauf kroch und ließ mich auf dem Sofa nieder, von wo aus ich einen guten Ausblick auf sie und ihre Arbeit hatte, der sie sich nun wieder halb zuwandte. „Ähm, Ten“, begann ich nach kaum verstrichenen zwei Minuten und legte mir meine Worte akkurat zurecht, während ich erneut all ihre Aufmerksamkeit bekam. „Wir konnten noch nicht klären, wie das mit Bettbekanntschaften läuft.“ Verlegen haftete sich mein Blick gen Boden und noch während ich die Holzdielen dieses Abschnitts der Wohnung erfasste, spürte ich genau, wie mir die blanke und schonungslose Röte in die Wangen stieg. Eigentlich wäre es mir niemals so peinlich gewesen, insofern der Mann in meinem Bett irgendein Mann gewesen wäre. Doch es war einer ihrer Schulfreunde! Vielleicht sogar Kindergartenfreunde! Und sie wusste, dass ich bereits einmal mit Sasuke Uchiha im Bett gelandet war. Ich versank vor Scham in den gemütlichen Kissen des Sofas und wünschte mir sogleich, gänzlich darin zu verschwinden. Tenten sprang vom Boden auf und musterte mich mit einem breiten Grinsen, während sie in den Sessel glitt, der mir am nächsten stand. „Du hast einen Mann in deinem Bett?“, fragte sie und ich hörte das unterdrückte Lachen in ihrer Stimme genau, allerdings beruhigte mich die Tatsache, dass sie nicht sauer oder ärgerlich über mein Mitbringsel zu sein schien. Noch nicht. „Ja. Das war nicht geplant oder so, rein zufällig.“ Ich beließ es dabei und verkniff mir die lahmen Ausreden, die mir sofort in den Sinn kamen, geschickt. Widererwarten erhob sich Tenten und noch während ich ihr verwirrt nachsah, verschwand sie in der Küche und steckte einen Moment später auch schon wieder den Kopf durch den Türrahmen. „Was sitzt du da noch rum? Komm her, ich möchte alles bei einer Tasse Kaffee genießen!“ Ich entschied mich neben dem Kaffee für ein Glas Wasser, indem sich sprudelnd ein Aspirin auflöste. Wir setzten uns auf die klapprigen, bunten Stühle, die Tenten irgendwann einmal aus Langeweile heraus optisch mit Farben und Schnickschnack verschönert hatte und noch während ich unmotiviert nach einer herumliegenden Frauenzeitschrift griff, überraschte mich die Brünette, sodass es unweigerlich zu einem Massaker geworden wäre, hätte ich bereits einen Schluck von meinen Getränken genommen. Oder gar etwas Essbares im Mund gehabt. „Du hast also einen Uchiha in deinem Bett?“ Tenten grinste mich so wissend an, dass ich unweigerlich verstand, nicht zu versuchen zu brauchen, dem irgendetwas entgegenzuhalten. Ich kapitulierte und zuckte mit den Schultern, doch unabwendbar bildete sich ein schmales Lächeln auf meinem Gesicht. „Und Sasuke Uchiha schläft erneut länger als Sakura Haruno“, murrte ich und Tenten lächelte versonnen. „Das gibt’s doch nicht. Ich kenne kein Mädchen, mit dem er sich zweimal abgegeben hätte.“ Obgleich Tenten wohl die Person war, die den Uchiha besser als jede andere Frau kannte, konnte ich mir eine weitere Bemerkung, die wahrscheinlich nur so vor Skepsis und einem Funken Eifersucht tropfte, dennoch nicht verbeißen. „Und was für eine Rolle spielt Karin Prado in seinem Leben?“ Ich wurde augenblicklich Zeuge, wie sich das Gesicht meiner brünetten Freundin - kaum hatte ich den Namen über die Lippen gebracht - verdunkelte. Ich mochte ihr Lächeln auf jeden Fall lieber. „Was ist los?“, fragte ich sie zögerlich und ahnte doch, dass es nichts Gutes sein konnte. „Woher kennst du denn den Namen?“ „Ich habe sie gestern Abend getroffen und nachdem wir uns nett unterhalten hatten, fiel sie in meiner Gunst, als sich herausstellte, dass sie mit Sasuke per du ist. Er erwartete mich, also lief sie ihm genauso in die Arme wie ich und die Szene, die sich mir dann zeigte, ließ mich daran zweifeln, dass sie lediglich alte Freunde waren.“ Ich hielt es für nötig, mitsamt meiner Worte und der passenden Betonung derer zu unterstreichen, dass ich Karin Prado nicht mochte. Denn immerhin schien sie auch nicht gerade in Tentens Gunst zu stehen und meine Loyalität gebührte doch ohne Umschweife meiner Mitbewohnerin. Leichthin griff ich nach dem Glas und stürzte mir das Wasser - inklusive der Kopf klärenden Medizin - hinunter, während Tenten offenbar nach den richtigen Worten suchte und dabei die Tischplatte erforschen musste. „Ich meine,“, setzte ich schließlich an, nachdem sie keinerlei Anstalten getätigt hatte, die mich hätten inne halten lassen, „wir haben uns wirklich nett unterhalten und sie war mir sympathisch - sie hat sogar nach meinem Kleid gefragt und wo ich es her habe, aber als sie dann so Sasuke gegenüber stand ... Da muss etwas gewesen sein“, vermutete ich weiter und Tenten fiel mir wiedererwarten ins Wort. „Sie hat nach deinem Kleid gefragt? Wirklich?“ Überrascht zog ich eine Augenbraue in die Höhe und erinnerte mich an meinen Vorsatz, Tenten von den vielen positiven Reaktionen bezüglich ihrer Mode zu berichten. „Alle fanden es toll und den ganzen Abend durfte ich den Leuten erklären, dass du es entworfen hast. Ich habe ständig mit deinem Namen um mich geworfen“, lächelte ich und freute mich sogleich, als sich ihre Miene wieder erhellte, „Ich habe auch dieser Karin deinen Namen gesagt, doch sie sagte lediglich, dass sie auch gerne eine Freundin hätte, die Modedesignerin ist.“ Tenten schnaubte ärgerlich und verdrehte die Augen, als wäre das Karins Standardantwort auf alle Problematiken. Auffordernd und neugierig blickte ich sie an, welches die Brünette wiederum seufzend dazu bewog, mich in ihre Geschichte samt Miss Prado einzuweihen. „Also pass auf, erstens kann sich dieses Weib so ziemlich alles leisten, das käuflich ist, weswegen ich auch nicht denke, dass ihr mein Kleid besser gefallen hat als eine extravagante Robe von Armani oder dergleichen.“ Ich nickte knapp, da ich doch auf die eigentliche von Intrigen und Missgunst geplagte Geschichte wartete und hoffte inständig, indem ich stumm meine Zustimmung betitelte, dass sie fortfahren würde. „Karin Prado ging auf dieselbe Schule wie Sasuke, Gaara, Naruto und ich“, erklärte Tenten schließlich achselzuckend und ich musste bei einem bestimmten Namen sofort unbehaglich an eine hysterische Ino denken, die wahrscheinlich immer noch auf meinen baldigen Rückruf wartete. Wenn man es so betrachtete, dann war die Welt wirklich klein. „Ich mochte sie nicht - also wirklich gar nicht -, doch irgendwie hat sie auch meine ganze Beziehung zu den Jungs zu verschulden, weshalb ich ihr das damalige Verhalten fast als positiv werte.“ „Was hat sie denn getan?“, fragte ich interessiert und erneut sah ich, wie Tentens Miene sich verdüsterte. „Sie hat mich aus der Mädchen Basketballmannschaft vertrieben. Angeblich war ich zu hart und nachdem ich einige Male Nachsitzen hinter mir hatte und immer noch zart besaitete Mädchen bei der Krankenschwester landeten, schob Karin mich zu den Jungs ab.“ Obgleich ich einen weitaus spannenderen Grund für ihre Abneigung gegen Karin Prado begrüßt hätte, schien diese ganze Feindschaft - obwohl diese Bezeichnung nun wieder unpassend erschien - lediglich auf einem Sport zu basieren. Tenten schien meine Gedanken hören zu können, weswegen sie schnell hinzufügte, dass sie aber auch so nicht mit Karin und den anderen Mädchen ausgekommen wäre und sich immer schon besser mit Jungen verstanden hätte. „Karin war während meiner Schulzeit wirklich ein rotes Tuch für mich. Wir schikanierten uns, wo wir nur konnten, und als sie im Abschlussjahr eine Beziehung mit Sasuke einging, da hätte ich sie wirklich ermorden können. Nicht, weil ich glaubte, das wäre nur, um mich zu stressen, nein, sie war schon jahrelang hinter ihm her gewesen und hatte letztendlich ihren Willen bekommen.“ Tenten verzog bei diesem Gedanken angewidert den Mund. „Und ständig hing sie uns an der Backe, wirklich, Gaara und Naruto waren von ihr ebenso genervt wie ich - sie war einfach zu anhänglich.“ Also doch! Am liebsten wäre ich triumphierend aufgesprungen, da mich meine Vermutung nicht getrübt hatte, doch zu schnell holte mich eine Woge der Missbilligung ein, sodass ich den Drang verspürte, in mein Zimmer zu rennen und Sasuke aus dem Bett zu prügeln. Beziehungsweise ihn raus zuwerfen. Oder alles beides. „Wie ging es aus?“, fragte ich merklich angespannt und nahm einen Schluck aus meiner Tasse Kaffee. „Karin übernahm die Firma ihres Vaters, nachdem der urplötzlich gestorben war, und scheint ihre Sache ganz gut zu machen. Tja, die Welt steht auf junge, heißblütige Geschäftsfrauen, die über Leichen gehen, um ihren Willen zu bekommen.“ „Und mit Sasuke?“, hakte ich nach und spannte mich zusehends an, das Tenten jedoch verborgen blieb. „Die beiden trennten sich ziemlich bald nach der Beerdigung. Sasuke wollte wenigstens etwas sein Leben genießen, wenn er denn schon dasselbe studieren musste wie sein Bruder und Vater. Da passte eben keine Freundin rein - zudem seine Mutter schon die Hochzeit plante.“ Tenten verdrehte vielsagend die Augen, um mir zu verdeutlichen, wie wenig sie von einem solchen Verhalten hielt, doch dieses Thema rührte an etwas in meiner Erinnerung und glühend heiß fiel mir mein ganz persönliches Missgeschick ein. „O mein Gott, ich habe Karin erzählt, dass Sasuke mein Verlobter ist!“, schrie ich entsetzt auf und Tenten brach daraufhin in ausgelassen schallendes Gelächter aus. Offensichtlich hatte sie kein Mitgefühl, sondern schien ganz entzückt von meinem Fehltritt. „Umso besser“, kommentierte Tenten schließlich berauscht, „Weiß diese dumme Pute wenigstens, wie der Hase läuft.“ Ein schmales Lächeln legte sich auf mein Gesicht, bis ich schließlich in Tentens Kichern mit einfiel, obgleich es von böser und hinterlistiger Natur war. Es war schließlich ein Räuspern, das mein Lachen zum ersticken und das Grinsen auf meinem Gesicht zum erfrieren brachte. Tenten drehte sich auf ihrem Stuhl um und warf dem Uchiha, der lässig im Türrahmen lehnte und uns beide - noch sichtlich verschlafen - musterte, einen spöttischen Blick zu. „Na, hat der kleine Sasuke ausgeschlafen?“, grinste sie und mir wurde erneut unsagbar warm, als er sich oberkörperfrei neben mir auf einem Stuhl niederließ - doch nicht, ohne der schreienden Tenten den Arm zu verdrehen. Nach dieser Tat blieb die Brünette eine Weile schmollend und ruhig auf ihrem Platz sitzen, während mir die Situation immer unbehaglicher wurde und Sasuke zuweilen herzhaft gähnte. Er drehte seinen Kopf zu mir und, unterdessen ich versuchte, den Blick von seinem Oberkörper oder den Oberarmen zu nehmen, grinste mich an, was mich fast zum Dahinschmelzen reizte. Das war nicht gut. Keinesfalls war das gut. „Krieg ich noch Frühstück?“, fragte er dann und ich ignorierte das wütende Schnauben von Seiten Tentens, sondern sprang sogleich auf, sichtlich froh, etwas zutun zu haben. „Kein Thema, ich mach uns Eier.“, schlug ich vor und war ganz enthusiastisch, als er nickte. „Ja, die müssen eh weg.“, sagte Tenten leichthin und kicherte. „Nur das Beste für dich, mein Freund.“ Sasuke knurrte leise, doch ich konnte förmlich spüren, wie Tenten nur die Augen verdrehte. Offensichtlich gehörten Neckereien dieser Art zu ihrer Freundschaft dazu. „Kannst du dir eigentlich nichts anziehen?“, stänkerte die Brünette weiter und stillschweigend pflichtete ich ihr in diesem Punkt bei. „Gefällt dir der Anblick nicht?“, entgegnete Sasuke grinsend und fuhr sich gerade durch das schwarze Haar, als ich ihm einen kurzen Blick zu warf, den er sich ohne Umschweife packte. Und wieder wurde ich rot. „Ja“, meinte Tenten entschieden. Nein, dachte ich. Er macht lediglich verrückt. „Soll ich dir ein Shirt leihen?“, fragte sie zuckersüß, doch Sasuke schnaubte nur verächtlich. In diesem Moment unterbrach ein Klingeln die kurze Antwort und ich zog Tenten vom Stuhl und stellte sie auffordernd vor den Herd, bevor ich zur Wohnungstür stürzte. Hauptsache ich entfloh der seltsamen Atmosphäre, die in diesem Moment in der Küche herrschte. Und noch während ich an meinen knappen Shorts herum zupfte, bereute ich es, nicht Tenten an die Tür geschickt zu haben. Diese sah wenigstens nicht so aus, als wäre sie gerade aus dem Bett gefallen. Missmutig schloss sich meine Hand um die Türklinke und einen Moment später erstarb fühlbar jede weitere Emotion in meinem Gesicht. „Pein. Hi“, stieß ich überrascht hervor. Das konnte doch nicht wahr sein! Ich versuchte meine Miene überrascht, doch erfreut wirken zu lassen, wusste jedoch nicht, wie erfolgreich dieses Vorhaben war. Er schien meine Bestürzung offenbar nicht zu bemerken, stellte ich erleichtert fest. Pein. Er war da. Und Sasuke saß in der Küche. Ohne recht zu überlegen, schubste ich Pein aus dem Türrahmen und trat ebenfalls einen Schritt vor, um die Haustür hinter mir zuziehen zu können. Fast erleichtert atmete ich aus. Nun war alles gut. „Pein“, wiederholte ich, ernsthaft überrascht und lächelte. „Was treibt dich so früh hierher?“ Er zog eine Augenbraue in die Höhe, was ihm überaus gut stand und mir wurde zusehends bewusst, wie groß er doch eigentlich war. „Es ist halb eins.“ Mein Lächeln entgleiste augenblicklich. Halb eins? O man, wieso hatte ich nicht einmal vorher auf die Uhr sehen können? „Fühlt sich früher an“, murmelte ich und meine Wangen verfärbten sich zartrosa - ich spürte es genau. „Lange Nacht gehabt?“ „Meine Eltern waren in der Stadt und das gemeinsame Abendessen war Pflicht. Wenn sie da sind, dann bin ich am nächsten Morgen wie gerädert“, erklärte ich leise und hoffte inständig, dass er meine sorgsam gewählten Worte nicht bemerkte. Ich wollte ihn nicht belügen, doch die Wahrheit war einfach zu hart. Und wie recht er doch eigentlich hatte, das musste er ja nicht unbedingt erfahren. Meine Mutter einen Abend lang zu ertragen, hatte in etwa dieselbe Wirkung wie eine Flasche Wodka am Morgen danach. Doch dass ich beides gemischt hatte, das musste Pein nun wirklich nicht wissen. Er nickte verständnisvoll und nachdem ich seine Piercings eine Weile betrachtet hatte, stellte ich mir vor, wie der Abend wohl geendet wäre, insofern ich Pein mit zu dem Dinner genommen hätte. Diese Vorstellung sah allerdings nicht rosig aus und ich vertrieb sie schnell aus meinen Gedanken. „Um ehrlich zu sein,“, begann ich zaghaft, „hätte ich nicht damit gerechnet, dass das noch mal etwas mit dem Wiedersehen wird.“ Er legte den Kopf schief und grinste. „Tut mir Leid, ich hatte eine Menge zutun. Aber ich habe dich nicht vergessen.“ Und mit diesen Worten zauberte er eine rosafarbene Rose hinter seinem Rücken hervor. Überrascht sah ich ihn an und griff nach der Blume, die er mir hinhielt. Sie war hübsch. Und ich mochte Rosa. „Ich fliege im Sommer mit ein paar Freunden nach Europa“, erklärte er und beugte sich leicht zu mir vor. „Doch ich kann keine zwei Monate auf unser Date warten.“ „Was machen wir denn da?“, überlegte ich spielerisch und musste lachen. „Hast du heute Abend Zeit?“, fragte Pein und ich nickte leicht. „Dann …“ Er beugte sich noch näher zu mir herunter und seine Lippen streiften ganz langsam über meine Wange, sodass mir heiß wurde und die Röte unweigerlich zunehmen musste. Bis plötzlich ein kalter Windstoß um meine nackten Beine fegte und ich zu spät realisierte, dass die Tür hinter mir aufgegangen sein musste. Pein verharrte in der Bewegung und ich wagte kaum zu atmen. Zwar konnte ich nicht nachvollziehen, was es genau war, jedoch spürte ich Sasukes Präsenz augenblicklich und wusste sofort, dass er hinter mir stand. Vielleicht wusste ich es, weil Tenten schon längst etwas gesagt hätte. Vielleicht aus ganz anderen Gründen. „Essen ist fertig“, knurrte Sasuke und seine Stimme zerriss so ungemein scharf die Stille, dass Pein sich leicht und kaum merklich straffte und ich hörbar Luft ausstieß. O nein. Das durfte doch nicht wahr sein. Ich beobachtete, wie Pein sich aufrichtete und halbgrinsend den Kopf schief legte. Der Blick, mit dem er Sasuke strafte, war alles andere als freundlich. Arroganz lag darin. Und selbst wenn er verwirrt war über das Auftauchen eines anderen Mannes aus meiner Wohnung, so zeigte er es dennoch nicht. Ich erwischte mich bei dem Gedanken, wie viel Verachtung wohl in Sasukes Blick lag, doch führte den Gedanken nicht zu ende. Ich wollte es besser gar nicht wissen. Noch immer konnte ich mich nicht bewegen, was unweigerlich zu einem Problem werden könnte. Die Erbin, die für immer vor ihrer Haustür erstarrte. „Ich hole dich etwa gegen acht ab“, sagte Pein ruhig und beobachtete Sasuke weiter, bevor er mich mit einem sanften Blick bedachte. Leicht zuckte ich zusammen, als er sich erneut zu mir beugte. Nicht vor Sasuke, flehten meine Augen, doch er schien sie nicht zu verstehen. Er war nur noch wenige Millimeter von mir entfernt, als sich ein eiserner Griff um meine Taille legte und mich in die Wohnung zog. „Das Essen wird kalt“, meinte Sasuke nonchalant und warf mit einem lauten Knallen die Tür ins Schloss. Ich erhaschte nur noch einen kurzen Blick auf den offensichtlich verärgerten Pein. Perplex starrte ich zu Sasuke hoch, während meine Hände sich auf seinen Unterarm legten. „Was sollte das?“, fragte ich merklich verwirrt, wenn auch seltsamerweise nicht wütend. Geschmeichelt. Irgendwo. Doch er schien mich gar nicht zu hören, sondern starrte verächtlich auf die rosafarbene Rose in meiner Hand, deren Blüte sanft seinen Arm streifte. „Von mir würdest du nicht nur eine bekommen“, schnurrte er mir ins Ohr, bevor er mich losließ und zurück in die Küche schlenderte. „Okay, gerade noch rechtzeitig, das Rührei ist fertig“, rief Tenten erfreut. Ich hingegen verstand die Welt nicht mehr. « Sakura Haruno, hier spricht Howard Temple, ein Kollege ihres Vaters. Ich hoffe, es ist Ihnen recht, dass er mir Ihre Privatnummer gab, um telefonisch alles weitere bezüglich Ihres Erbes der kürzlich verstorbenen Justine Brooke zu regeln. Ihre Tante hat Ihnen ein Grundstück in den Hamptons vererbt. Herzlichen Glückwunsch, meine Frau liegt mir seit Jahren mit einer solchen Immobilie in den Ohren. Rufen Sie mich schnellstmöglich zurück, denn es gibt einiges, das sich nicht mit Ihrer Mailbox besprechen lässt.» __ Zwei Wochen später Ich konnte das nicht glauben. Nein, das war doch nicht wahr. Ich träumte. Ganz bestimmt! Mein Blick wanderte hinüber zu Ino, die sich zu meiner Linken postiert hatte, und der beständig ein kleines Grinsen über die Lippen fegte, das sie jedoch - kaum übermahnte es sie - galant von ihrem Gesicht verbannte. Ihre blauen Augen waren hinter den dunklen Gläsern einer Sonnenbrille verborgen und dennoch sah ich sie stumm feixend. Umso ruhiger sie bei diesem Anblick von außen wirkte, umso heftiger wütete es in ihrem Inneren. Ihr Mundwinkel zuckte bedrohlich, doch sie beherrschte sich weiterhin und am liebsten hätte ich mich schmollend in die nächste Ecke verzogen. Sie war meine beste Freundin und sollte sich verdammt noch einmal richtig mit mir über meinen tollen Fang freuen. So unschön dieser auch im ersten Augenblick wirkte. Hilfesuchend wanderte mein Blick zu Hinata, die rechts von mir stand, und offensichtlich einmal mehr in ihrem Leben versuchte, das Positive an einem Sachverhalt zu erfassen. Doch irrte ich mich oder fiel es ihr wirklich schwer? Ich beobachtete, wie meine Freundin leicht den Kopf in die Schräglage drehte, um mein Erbe objektiv wie ein Gemälde zu betrachten. Dabei hatte sie die Augen leicht zusammengekniffen und die Stirn gekräuselt, welche Haltung sie wirklich professionell wirken ließ. Das war wohl der gravierendste Unterschied zwischen uns - Ino und mir - und Hinata. Denn was bei Ino und mir meist mehr Schein als alles andere war, das war bei Hinata Sein. Echt. Hinata hatte es noch nie über sich gebracht, etwas vorzugeben, zu sein, dass sie gar nicht war. Während Ino und ich uns so manches Mal mit dieser Taktik durchs Leben geschlagen hatten. Oder eben geschlafen hatten. Ich fühlte mich gedrängt, etwas zu sagen, nachdem Hinata immer noch eingehend das Objekt betrachtete und Inos Nerven offenbar zur Genüge damit strapaziert waren, ihre gleichgültige Miene aufrecht zu erhalten, hinter der ein Atomkrieg aus Lachanfällen wütete. „In dem Haus steckt ihr ganzes Geld.“ „Viel hatte sie wohl nicht“, kommentierte Ino und prustete los, während auch Hinata ein leises Kichern ausstieß und mich sogleich entschuldigend anblickte. Ich fühlte mich genötigt, passender weise zu schmollen, da meine Freundinnen sich nicht mit mir darüber freuten, dass ich ein Haus geerbt hatte. „Bekomm du erst mal ein Haus in East Hampton“, schnalzte ich missbilligend, worauf Ino nur mit den Schultern zuckte. „Du hast ausgerechnet die Bruchbude der Hamptons bekommen. Ich hätte niemals gedacht, dass so etwas“, und sie gestikulierte vielsagend in Richtung Haus, „hier überhaupt stehen darf. Also, dass es nicht mal irgendein Gesetz gibt, dass sowas Hässliches verbietet.“ „Hässlich ist es nicht“, fuhr Hinata geschickt dazwischen, bevor mich Inos Worte gänzlich zerstückeln konnten. Auffordernd sah ich die zierliche Gestalt an, doch nachdem Hinata begriff, dass ich darauf wartete, sie möge etwas Positives zu dem Haus finden, erstarben ihre lächelnden Züge. „Es ist schön groß“, sagte sie langsam und Ino kicherte erheitert. „Und zudem sehr grün. Natur ist wichtig und dieses Haus hat sehr viel davon.“ „Ich wette, man schläft nachts auch mit einigem Getier im selben Bett“, ließ Ino negativer weise verlauten und ich warf ihr einen tadelnden Blick zu. „Mach uns mit deiner miesen Laune die Ferien nicht zunichte!“ Ino seufzte entnervt und schob sich die Sonnenbrille in das blonde Haar. „So wie die Bruchbude aussieht, fängt der Urlaub erst an, wenn wir aufgeräumt haben.“ Mutig ging ich auf das Efeu bewachsene Ungeheurer zu, während mir das lange und offenbar noch nie zuvor gemähte Gras um die Knöchel fegte. Ich stellte mir am besten gar nicht erst vor, wie viele Krabbeltiere sich hier wohl befinden mochten. Und unweigerlich hatte Ino mit ihrer Aussage Recht - es war wirklich eine Bruchbude. Doch nicht mehr die meiner Tante Justine sondern nun meine. Ich sollte das Positive sehen. Genau. Ich hatte ein Haus! War doch egal, wie es aussah, ich würde ein bisschen putzen und Rasen mähen und schon wäre es ein Palast. Kaum hatten wir das Haus betreten, kam uns ein elender, gar verwesender Geruch entgegen, was Ino veranlasste, mich zu fragen, ob die Leiche meiner Tante vielleicht noch irgendwo herumlag. Tat sie selbstverständlich nicht. Doch es war der Moment, der auch mich zum Lachen brachte. Einer der Momente, die ich so unsagbar stark mit meinen beiden Mädchen vermisst hatte. Zusammen öffneten wir alle Fenster im Erdgeschoss, doch entschieden sogleich, uns die Überraschungen, die uns erwarten würden, wenn wir die alte, höchstwahrscheinlich knarrende Treppe hinaufstiegen, doch lieber solange aufsparen würden, bis uns die Müdigkeit übermannte. Um ehrlich zu sein, sehnte ich mich nicht einmal nach dem Obergeschoss. Obgleich ich positiv überrascht war, wie groß das Haus zu sein schien. Denn von außen hatte es keinesfalls so gewirkt. Allerdings war wirklich alles heruntergekommen, wonach Ino erneut Recht behalten hatte, und mottenzerfressen. Zudem waren alle Vorräte mehr oder weniger verfault, was den Gestand verursacht hatte. Offenbar hatte meine Tante nicht mit ihrem schnellen Ableben gerechnet. Nachdem die frische Luft unsere Sinne geklärt und Ino weiterhin bemängelt hatte, dass es keinen Pool gab, welches ich mit einem „Der Strand ist kaum zwanzig Meter entfernt“ parierte, warf sich die Blonde auch schon relaxend auf die riesige, wenn auch mit einem äußerst unmodernen Überwurf geschmückte Couch und klappte ihren Laptop auf. Ein weiterer kleiner Zeitvertreib, mit dem sie die Langeweile der Ferien aus ihrem Gedächtnis vertrieb, war neuerdings das Internet. Ino hatte mir erzählt, schon während des ersten Telefonats, das wir bezüglich des geheimnisvollen Naruto Uzumakis geführt hatten, dass sie den Typen, der immerhin fähig war, Kakashi dazu zu bewegen, ihr das Geld für Florida zu streichen - weshalb sie ja wohl oder übel mit meiner Bruchbude vorlieb nehmen musste -, gegoogelt hatte. Dabei war sie auf eine Website des Kerls gestoßen, die offenbar für junge Mädchen bestimmt war, die Naruto Uzumaki vergötterten. Eine Art Fanclub, in dem man mit seinem Liebsten chatten konnte und die dieser offenbar dazu gebrauchte, um Frischfleisch anzulocken, das ihm dann hemmungslos verfiel. Das hatte mich dann wirklich überrascht. Und noch mehr die Tatsache, dass meine beste Freundin sich bei dieser Seite angemeldet hatte, nur um Naruto aufs Glatteis zu führen. Hinata blickte Ino interessiert über die Schulter, während diese schnell auf ihre Tastatur tippte und ihr währenddessen ein Bild ihres Chatpartners zeigte. „Der ist doch ganz süß“, befand Hinata und Ino schnaubte verächtlich. „Nein, er ist nicht süß, wenn er dich verarscht, Liebes.“ „Komm Hina, lassen wir Ino mit ihrem vermeintlichen Liebsten alleine und suchen etwas zu essen“, schlug ich vor und wir verschwanden in einem der Gänge, die zu der geräumigen Küche führten. „Übrigens hat mein vermeintlicher Liebster auch ein paar Photos in seiner Galerie, die deine Bettbekanntschaft zeigen“, rief Ino uns feixend hinterher und ich verdrehte die Augen. Es interessierte mich nämlich nicht. Okay, eigentlich schon, aber ich würde mir in einer ruhigen Minute Inos Laptop schnappen - wenn sie ihn denn mal aus der Hand legte - und mir die Photographien heimlich ansehen. „Davon musst du mir noch erzählen“, warf Hinata lächelnd ein und ich wusste, dass dies ein langes Gespräch werden würde. Eine Stunde später saßen wir auf dem harten und zugleich kalten Küchenboden und redeten. Über alles. Hauptsächlich über Sasuke. Und doch über alles. Zwischen uns stand eine Schüssel Jelly Beans, die Hinata abgöttisch liebte und der sie schon zu unserer Schulzeit verfallen gewesen war. Es war entspannend, auf dem Boden zu sitzen und einfach nur zu reden. Hinata erzählte mir von Harvard Männern und ein paar Dates, aus denen jedoch nicht mehr geworden war. Noch ein Punkt, den ich an Hinata schätzte und liebte, war, dass sie beständig und ohne Zweifel an die wahre und große Liebe glaubte. Genau da, wo mein Glauben aufhörte und Inos schon längst, da setzte Hinatas Glauben ein. Es war kostbarer als alles andere, sie zur Freundin zu haben. Bis uns plötzlich hektische Absätze auf dem Steinboden inne halten ließen und kaum eine Sekunde später Ino in die Küche stürzte, ihr Lieblingsaccessoire unter den Arm geklemmt. Sie sah unnatürlich blass aus und ich ahnte bereits, dass uns etwas Schreckliches erwarten würde. „Also, passt auf“, begann Ino zögerlich und sah kurz zwischen Hinata und mir hin und her, was mein Herz langsam in unbestimmte Regionen wandern ließ. Es war immer dasselbe - wenn wir drei zusammen waren, so war Ino jedes Mal diejenige, die das Unheil heranzog. „Er war im Chat und da er offensichtlich auf Mia steht,“, Mia war der Name, den Ino sich schnell überlegt hatte, als sie sich damals anmeldete, „wollte er wissen, was ich in den Ferien so mache, also habe ich geschrieben, dass ich momentan in den Hamptons bin.“ Hinatas Lächeln wurde schwach, während ich bereits stöhnte aufgrund Inos Dummheit. Ich musste gar nicht mehr hören - der Geruch des Unglücks war offensichtlich. „Und tada, er ist auch in den Hamptons“, seufzte ich tonlos. „Er will ein Treffen.“ „Aber Ino, verdammt, er kennt uns beide doch“, rief ich entnervt. „Aber Hinata kennt er noch nicht.“ * Hosted by Animexx e.V. 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