The Elusive Ryders von MayTanner (It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife. (Jane Austen)) ================================================================================ Kapitel 1: Meet Thy Fate ------------------------ Herzogtum Albany, Cambridgeshire, Februar 1819 „Tante Alberta… Ich würde gern einen Spaziergang machen. Habe ich Ihre Erlaubnis, Madam?“, fragte Miss Amy Graham beinahe wie beiläufig, während sie ihren Blick nicht von dem Stickrahmen anhob, an dem sie mit ihrer jüngeren Cousine Melody arbeitete. Die Damen saßen seit Beendigung des Frühstücks im Morgenzimmer beisammen und Amy wurde die Stille in dem Raum immer unerträglicher. Sie mußte beständig die Stiche von Melody auflösen, weil die junge Frau wenig Geduld für so feine Näharbeiten aufbrachte, egal wie oft man sie ermahnte, kleinere Stiche zu setzen. Sie war nun schon seit über einem Monat hier in Pelham Hall zu Besuch, aber wenigstens hatte sie die Weihnachtsfeiertage bei ihrer Familie verbringen dürfen, bevor ihre Stiefmutter Lady Alicia sie sozusagen aufs Land verbannt hatte. Lady Alberta Pelham war nicht ihre leibliche Tante, aber ihr Vater Viscount Barrington war mit deren jüngeren Schwester Alicia verheiratet. Wenn ihre Stiefmutter sie nicht um sich haben wollte, wurde Amy einfach zu Lady Pelham aufs Land geschickt, die immer eine Verwendung für eine unbezahlte Gesellschafterin fand, die ihr gekonnt die häuslichen Pflichten abnahm. Amy mochte einen Makel in ihrem Stammbaum aufweisen, aber sie war zu einer jungen Dame erzogen worden, die später einem herrschaftlichen Haushalt vorstehen sollte, wenn es nach den Plänen ihres Vaters ging. Amy dagegen schwebte ein ganz anderes Leben vor, weil sie schon lange den Glauben an die Institution der Ehe verloren hatte… Es war zwar kalt, aber glücklicherweise lag kein Schnee, so daß Amy ihre Tante Alberta davon überzeugen konnte, einen Spaziergang außerhalb des heimischen Grundstückes machen zu. dürfen. Über einen kleinen Pfad, der von einem Seitenportal von Pelham Hall aus zu erreichen war, suchte Amy Zuflucht im angrenzenden Wald. Dort hatte sie bei einem ihrer letzten Aufenthalte hier eine kleine Holzfällerhütte entdeckt, die zu dieser Jahreszeit leer stand, weil die Arbeiten im Winter natürlich ruhten. An diesem verlassenen Ort konnte sie in Ruhe ein Buch lesen oder vor sich hin träumen, wenn ihre Tante zu anstrengend wurde. Bei der Kälte würde sie auch ein Feuer im Kamin anzünden können. Amy hatte das letzte Mal genug trockenes Holz gesammelt, so daß es bestimmt für einige Stunden brennen würde. In ihrem kleinen Täschchen, das sie um ihr Handgelenk trug, hatte sie Zündhölzer bei sich. Sie war keine hundert Meter von der Hütte entfernt, als sie einen Schuß hörte und nach einigen Augenblicken fielen fast gleichzeitig zwei weitere Schüsse, die in dem stillen Wald widerhallten und in ihren Ohren dröhnten. Amy fuhr erschrocken zusammen, weil gerade keine Saison für die Jagd war, und huschte ins Unterholz, um sich an die Hütte heranzuschleichen. Ihr Buch ängstlich an die Brust gepreßt duckte sie sich hinter einen dichten Brombeerbusch und sah wie zwei Männer und eine Frau sich über einen am Boden liegenden Mann beugten. Sie war aber zu weit entfernt, um die Worte zu verstehen, die sie miteinander wechselten. Augenblicke später hörte man das Aufschlagen von Pferdehufen, dann kamen vier Reiter auf die kleine Lichtung herangaloppiert. Jeder der Männer war groß gewachsen, breitschultrig und wirkte sehr dominant. Amy wußte nun, wer da vor ihr stand. Es mußten die berüchtigten Männer des Ryder Clans sein, von denen ihr Lady Pelham erzählt hatte. Tante Alberta hätte jeden einzelnen von ihnen nur zu gerne an der Seite ihrer Tochter Melody gesehen. Allerdings trugen sie ihren Spitznamen nicht umsonst. Bis auf das Familienoberhaupt, Sheldon Ryder, dem sechsten Duke of St. Albans, hatte bisher keiner der Herren irgendwelche Heiratsabsichten gezeigt. Die Männer beratschlagten über den auf dem Boden liegenden Körper hinweg etwas, dann nahmen zwei den inzwischen Verstorbenen bei den Armen und schleiften ihn in die Hütte. Die anderen entledigten sich ihrer Oberbekleidung und bald schlugen sechs halbnackte Männer die Holzhütte kurz und klein, während die junge Frau draußen auf einem Schaukelstuhl sitzend zusah. Amy wagte nicht, sich zu bewegen, was würden die Männer mit ihr machen, wenn sie wüßten, daß sie ihnen zusah? Sie hatte nie noch zuvor Männer gesehen, die so wild und gefährlich aussahen, obwohl sie doch angesehene Mitglieder der Gesellschaft waren. Alle sechs blickten grimmig und entschlossen, ihre Aufgabe zu Ende zu bringen. Sie fühle sich an die Abenteuergeschichten erinnert, die ihr kleiner Halbbruder so gerne las. Amy wollte sich nicht einmischen, aber sie konnte doch nicht zulassen, daß ein Mensch einfach umgebracht wurde. Genau genommen war sie vollkommen machtlos. Würde ihr überhaupt jemand glauben, wenn sie die Ryders einer solchen Tat beschuldigte? Inzwischen hatten die Männer die Hütte angezündet und die Flammen loderten auf und leckten gierig an dem trockenen Holz. Amy atmete tief durch, sie mußte sofort unbemerkt von hier fortkommen und wieder nach Hause zu ihrem Vater fahren, egal was ihre Tante dazu sagte. So leise wie möglich schlich sie davon, um schon am Abend ihre Rückreise zu verkünden, obwohl Lady Pelham sie nur ungern ziehen ließ, da sie Melody so gut beschäftigte. ~~~ September 1819 Amy war froh, daß die Londoner Saison zu Ende war und sich die Familie endlich aufs Land begab, wo die Jagdsaison begangen werden würde. Ihre Stiefmutter, Lady Alicia Graham, hatte versucht, sie mit jeden Mann, der auch nur das geringste Interesse an ihr gezeigt hatte, zu verkuppeln. Dabei war es der Dame völlig egal gewesen, daß einige der Herren gut und gerne ihr Großvater hätten sein können. Lady Alicia wollte sie anscheinend sehr gerne loswerden, obwohl Amy alles tat, um sich mit ihr anzufreunden. Seit fast fünf Jahren nun führte Amy ihr nun den Haushalt und kümmerte sich um ihre Kinder. Sie tat das gerne, sie liebte Kinder über alles und betete ihre drei Halbgeschwister förmlich an. Peter, der Erstgeborene war inzwischen elf und war nun wieder zurück am renommierten Winchester College, von dem er nur in den Ferienzeiten nach Hause kam, die kleineren Geschwister Christian, er war sieben, und Annabelle, die gerade vier geworden war, blieben vorerst bei ihren Nannies in der Stadt. Amy hatte sie nur ungern zurückgelassen, aber ihre Stiefmutter wollte, daß sie ihre Aufmerksamkeit darauf richtete, den Haushalt ihres Vaters für die geladenen Gäste vorzubereiten. Lady Alicia sonnte sich derweil in der Aufmerksamkeit der Londoner Gesellschaft und genoß die Besuche der zahlreichen Gentlemen, die um ihre Gunst warben. Amy selbst mußte nur noch eine Saison überstehen, dann hatte ihr Vater ihr fest versprochen, daß sie von ihm eine Apanage erhalten würde, mit der sie sich ihren Traum endlich erfüllen konnte. Sie wollte sich in ihr Heimatdorf zurückziehen und dort eine Schule für Bauernkinder und andere von der Gesellschaft Benachteiligte gründen, um ihnen Bildung zu vermitteln oder wenigstens Grundkenntnisse, damit sie einmal ein besseres Leben führen konnten. Das waren nicht unbedingt die Pläne einer feinen Dame, aber sie lagen in ihrer Kindheit und ihrer frühen Erziehung begründet. Das Schicksal hatte sie in Kreise gehoben, denen sie sich noch nie zugehörig gefühlt hatte. Als Amy zwölf geworden war, hatte ihr Vater unerwarteterweise den Titel des Viscount geerbt, weil es einige überraschende Todesfälle in der Erblinie der Grahams gegeben hatte. Bis dahin war er nur der jüngere Sohn gewesen, der in Oxford als Aushilfspfarrer arbeitete. Dort hatte er auch Amys Mutter kennen und lieben gelernt. Die Verbindung wurde jedoch von der Familie nicht anerkannt, da Amys Mutter in ihren Augen von zweifelhafter Herkunft war und zudem noch sehr kränkelte. Solange er nur der arme Geistliche war, kümmerte sich die ehrenwerten Grahams nicht um ihre kleine Familie, die zwar nicht gerade mit weltlichen Gütern gesegnet gewesen war, dafür aber umso glücklicher in ihrer Freiheit, sich nicht den Diktaten der Gesellschaft unterwerfen zu müssen. Man zwang ihren Vater, den Tod seiner ersten Frau bekannt zu geben, bevor sie nach sieben Monaten wirklich verstarb. Amy blieb bei ihr, während der neue Viscount Barrington an der Saison teilnahm, die ihm seine Verwandten aufdiktiert hatten. Ihr Vater tat dies nur, weil er nur auf diese Weise genug Geld aufbringen konnte, um die letzten Monate seiner Frau lebenswert zu machen. Die Behandlungskosten hatten die Familienfinanzen schon vor Monaten erschöpft gehabt, so daß ihm keine andere Wahl blieb, als das Geld seiner Familie im Gegenzug zu seinem Eingehen auf ihre Anforderungen einzugehen. Ein schäbiger Kompromiss, der seither schrecklich auf seinem Gewissen lastete und den ihm seine verstorbene Frau jedoch niemals vorgeworfen hatte. Ihr Vater heiratete nur kurz nach der Beerdigung eine Debütantin reinen Blutes, die ihm gesunde Erben gebären würde, um das Fortbestehen der Familie zu sichern. Die junge Lady Alicia wollte sich nicht um die Stieftochter kümmern, deshalb wurde Amy nach der Hochzeit auf verschiedene Internate auf dem Festland geschickt. Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres kehrte sie aus der feinen Pariser Schule nach Hause zurück. Ihr Vater war ihr inzwischen völlig fremd geworden, da sie ihn während der Schulzeit höchstens vier Mal zu Gesicht bekommen hatte. Sein schlechtes Gewissen veranlaßte ihn, Amy in die Gesellschaft einzuführen. Sie vermisste die traute Zweisamkeit mit ihm, die langen Gespräche über Themen, die ihnen beiden am Herzen lagen. Nach außen hin schien Curtis Graham, Viscount Barrington, der perfekte Gentleman, der völlig in der Rolle aufging, die ihm seine gesellschaftliche Stellung aufdiktierte. Amy indessen hatte während ihrer Saisons die Erfahrung gemacht, daß Männer in ihr nicht die unwiderstehliche Sirene sahen, sondern eher eine Freundin, der sie sich anvertrauten oder mit der sie sich unterhalten konnten, ohne sich zu verstellen. Ihre häufigsten Verehrer waren erfahrene Lebemänner, die keine ernsthafte Bindung eingehen wollten sondern eine geistreiche Unterhaltung suchten. Amy war durch die Jahre in der Schweiz und in Paris viel weltgewandter als andere junge Frauen ihres Alters, die nur eine Erziehung im englischen Zuhause erfahren hatten. Oft genug mußte sie auch die abgelegten Verehrer ihrer Stiefmutter trösten, die über die Stieftochter an sie heranzukommen versuchten. Einige waren in ihrem Alter gewesen und hatten sich tatsächlich an ihrer Schulter ausgeweint. Sie hatte Dinge erfahren, die sie schockierten und die sie niemandem anvertrauen durfte, schon gar nicht ihrem Vater. Ein Skandal würde nur ihren Geschwistern schaden, deren Zukunft Amy bestimmt nicht ruinieren wollte, nur um sich an Lady Alicia zu rächen. Die Kinder konnten schließlich am allerwenigsten dafür, daß ihre Mutter das Sakrament der Ehe mit Füßen trat. Amy versuchte sogar, sie ein wenig zu verstehen. Lady Alicia war mit siebzehn mit einem doppelt so alten Mann verheiratet worden, dessen Interessen den ihren völlig widersprachen. An ihrer Stelle hätte Amy vielleicht auch versucht, aus dieser Verbindung auszubrechen… Allerdings zeigte Lady Alicia keinerlei Verständnis für sie, wenn es darum ging, sie an den Nächstbesten zu verheiraten. Amy konnte nicht anders, als die Tage zu zählen, bis sie ihren 25. Geburtstag feiern würde, der der Beginn eines neuen freien Lebens für sie bedeuten würde. Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)