Gegen den Rest der Welt von Bara (German Runaways) ================================================================================ Kapitel 1: Eisige Zeiten ------------------------ Die Nacht vom 22. zum 23. Januar war die Kälteste, die Alex je erlebte hatte. Bibbernd lag die 15-Jährige in ihrem Bett und zog die Decke höher. Ihre Heizung lief auf fünf; die Blonde hatte sich bereits eine Wärmflasche ins Bett geholt und fror trotzdem unerbittlich. Die Schülerin eines Gymnasiums öffnete ihre Augen einen Spalt und sah auf ihren Radiowecker. 02:23. Sie musste endlich schlafen. Morgen stand eine Mathearbeit an. Wenn sie morgen nicht richtig fit war, würde alles in die Hose gehen. Es nützte nichts. Alex drehte sich um. Sie musste endlich schlafen. Wenn es nur nicht so kalt wäre. 10 Minuten später stand Alex auf. Sie wollte heiß duschen, damit ihr warm wurde. Ihre Füße und Hände taten ihr vor Kälte weh. Sie machte zitternd das Licht an und sah auf´s Zimmerthermometer. 23°C. Das konnte doch gar nicht sein! Warum fror sie so? Hatte Alexandra etwa Fieber? Sie fühlte selbst? Nein, auch ihre Stirn war kalt. Schatzi, das weiße Kaninchen der Schülerin begann Heu zu fressen. Die Blauäugige tat frisches Kraftfutter in den Napf des Kaninchens und ging duschen. 03:06. Mit nassen Haaren betrat Alex wieder ihr Zimmer. Sie hatte fast 30 Minuten unter der Dusche gestanden. Das Badezimmer teilte sie sich mit ihrem Bruder, der im Nachbarzimmer schlief. Er hatte von der Duschaktion nichts mitbekommen. Die Dusche zeigte nicht die gewünschte Wirkung. Zitternd zog Alexandra ihren Jogginganzug an. Drüber zog sie einen weiten, roten Fliespulli. Schüttelfrost, da war sich Alex sicher. Sie sah zur Uhr. 03:15. Wenn sie schon nicht schlafen konnte, konnte sie genauso gut lernen. Schatzi tat sich am Kraftfutter gütig. Irgendwie vermittelte ihr das weiße Kaninchen zumindest etwas geistige Wärme. Alex kniete nieder und öffnete die Gittertür zum Käfig, was ihr sehr schwer fiel, da sie kaum Gefühl in ihren Händen hatte. Sie wollte Schatzi herausnehmen und etwas streicheln und dann etwas Mathe lernen. Noch ehe Alex Schatzi völlig im Nacken gepackt hatte, merkte sie das etwas nicht stimmte. Schatzi wurde stocksteif und bewegte sich nicht mehr. Die Haare fühlten sich seltsam hart an und weißer Rauch stieg von dem Kaninchen auf. Für einen Moment blieb Alex´ Herz stehen. In der Nacht zum 23. Januar hatte sich Alex´ Mutation manifestiert und sie hatte ihr geliebtes Haustier schockgefrostet. 05:37 Schatzi war auf die Seite gefallen und bereits angetaut. Alex saß vor dem Käfig. Sie saß im Schneidersitz da und wippte vor und zurück. Ihr Kopf raste. Sie hoffte zu träumen. Aber diese grausame Kälte, die ihr in die Knochen gezogen war, ließ sie wissen, dass dem nicht so war. Was sollte sie jetzt tun? Dieser Gedanken hüllte für einige Minuten ihren Kopf aus. //Sie werden mich hassen. Ich habe Schatzi getötet. Ich habe mein Kaninchen getötet. Ich bin ein Monster. Ich habe Schatzi umgebracht.// Ein Streit vom vorherigen Abend kam Alex in den Sinn. Der Vater hatte sich beschwert, dass sie in Mathe nachgelassen hatte. Aber sie konnte doch jetzt nicht in die Schule gehen, nachdem das passiert war. Was sollte jetzt geschehen? Würden ihre Eltern sie trotzdem lieben? Was werden die Nachbarn sagen? Alex´ Mutter machte sich viel daraus. Nebenan klingelte ein Wecker. 5:45 Simon musste zur Arbeit. Er machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann. In einer 3/4 Stunde würde Alex´ Mutter hereinkommen, um sie zu wecken. Die Blonde sah auf ihre Hände nieder. Sie waren weiß und gefühllos. Im Bad begann Simon zu duschen. Alex sprang auf. Sie musste hier weg! WEG! Einfach weg. Sie sah mit glasigen Augen auf Schatzi nieder. Was, wenn sie als nächstes ihre Mutter tötete? Wie von Sinnen suchte Alex ihre Turnschuhe. Der Rechte lag unter dem Bett. Wo war der zweite? Sie konnte den Turnschuh gar nicht richtig anfassen, so taub waren Alexandras Finger. Eine Tasche! Alex holte ihre Trainingstasche heraus und leerte die Karatesachen auf dem Bett aus. Kaum hatte sie die Tasche berührt wurde der Stoff steif und zäh, aber dennoch biegsam genug, um den Reißverschluss zu öffnen und die Tasche zu nutzen. Unterwäsche. Bürste. Deo. Was sie überhaupt noch in der Lage zu schwitzen? Der Lieblingsteddy aus dem Kindergarten. Kopflos sah sich Alex nach dem zweiten Turnschuh um. Simon verließ das Bad. Alexandra öffnete knarrend die Tür, stahl sich ins Bad, mit nur einem Schuh an. Sie sammelte zwei große Handtücher und Zahnpasta zusammen. Duschgel und Haarkur. Die Flüssigkeiten gefroren augenblicklich und dehnten sich aus. Aber das Plastik hielt stand. Shampoo und Zahnbürste vergaß sie. 06:13 Von unten sah sie Licht in den Flur scheinen, als sie auf diesen trat. Die Mutter deckte unten in der Küche den Tisch. Alex konnte die Kaffeemaschine hören und Geschirr klappern. Sie verzog sich wieder ins Zimmer. Knarrend schloss sie die Tür ab, was mit den tauben Händen gar nicht so leicht war. Die blonde Schülerin war überascht, wie viele Dinge trotz eisige Kälte noch nutzbar waren. Selbst das Schloss verweigerte seinen Dienst nicht. Sie stopfte alles in die Tasche, was ihr brauchbar erschien. Einen Kalender, ihr Tagebuch, die Wolldecke, eine Flasche Cola, die auch sofort gefror, 2 Pullis, ihre Schulsachen, eine Hose. Die Sporttasche quillte bereits über. Um 6:30 klopfte es an der Tür, jemand drückte die Türklinke herunter. "Aufwachen, Flocke. Steh auf." klang es fröhlich, dann "Warum schließt du dich ein." Alex wurde hysterisch. "Bin schon wach. Komme gleich." rief sie zitternd. Schritte entfernten sich von der Tür. Wo war der zweite Schuh? Es klopfte wieder. "Soll ich dich mitnehmen?" Es war Simon. "Nein, danke!" antwortete Alex. "Ich wünsche dir einen schönen Tag!" "Ich ... dir auch." "Mach´s gut." fügte Alex leise hinzu und räumte chaotisch die Schulsachen wieder aus der Sporttasche. Sie fiel um. Schnell schob Alex den verlorenen Inhalt wieder rein. Hektisch versuchte sie den Reißverschluss zu zuziehen, als sie den zweiten Turnschuh unter dem Schreibtisch sah. Eine Stimme der Vernunft befahl ihr noch Handy, Schlüssel, Portemoine, Handschuhe und eine halbe Packung Flips einzupacken. Ein Blick zu Schatzi, dann ging sie zur Tür, hielt den Atem an und lauschte. Kein Mucks, dann ein Auto, dass losfuhr. Simon fuhr zu Arbeit. Von unten rief eine Stimme: "Alex, beeil dich!" Die Stimme klang genervt. Die blonde Gymnasiastin schlich über den Flur und die Treppe herunter. Die Treppe endete an der Küche. Ihre Mutter stand mit dem Rücken zu ihr und schmierte Pausenbrote. Rechts ging es zu Hintertür raus. //Es gibt kein Zurück.// Ohne sich umzusehen, schlich Alex zur Hintertür. Plötzlich kam eine fragende Stimme von hinten. Es war der Vater, der die Treppe herunter gekommen war. "Alex? Was hast du mit der Tasche vor?" Die 15Jährige begann zu rennen. Die Hintertür raus, durch den Garten, durchs Gartentor auf die Straße. Hinter sich hörte sie die Mutter kreischen. Atemlos rannte sie die Straße runter. Sie war eine gute Sprinterin. Um die Ecke. Der Bahnhof war nicht weit. 7:15 Die Regionalbahn 89 Richtung Soest fuhr gerade in den Bahnhof ein. Alex ließ den Bahnsteig des ersten Gleises hinab. Sie erreichte die hintere Tür. Pendler stiegen gerade aus, andere wollten einsteigen. Sie drängte sich vorbei, sehr darauf achtend niemanden zu berühren. "Hey, geht´s noch?" beschwerte sich ein junger Mann. Alex ging quer durch den Zug und ergatterte einen freien Platz. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung. Hier würde keiner Fahrkarten prüfen, der Zug war viel zu voll. //Ich bin gerade von zuhause weggelaufen.// stellte Alex überrascht fest. Die Frau gegenüber musterte sie abschätzig. Blauer Jogginganzug unter rotem Fliespulli mit goldenen Turnschuhen. Aber es war ihr egal, denn ihr bisheriges Leben hatte sich gerade aufgelöst. Fortsetzung folgt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)