Strandurlaub von NaokoSato ================================================================================ Kapitel 2: Sturmwarnung ----------------------- Vorwörtchen: Tut mir leid, aber es muss so sein: Es geht weiter! Sonst ist alles wie gehabt. Also Charas, Handlung usw. sind allein meinem kranken Kopf entsprungen. Und ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen ^^ Sturmwarnung „Warum hast du mich mitgenommen?“ Häh… was ist los? Mitgenommen? Was hab ich mitgenommen? Warum ist es so hell? Warum darf ich nicht weiter von den Rettungsschwimmern in Spanien letzten Sommer träumen? Egal, erst mal den Wecker ausfindig machen und zerstören, damit ich weiterschlafen kann. Dazu sollte ich aber die Augen öffnen, oder? Gedacht, getan. Mehr oder weniger elegant, wie man es halt nennen will, wenn man gleich wieder unter der Decke verschwindet. „Tut mir leid, dass ich dich wecke, aber ich muss es wissen.“ Wer muss was wissen? Mal überlegen… Getrunken hab ich gestern Kakao, Cola und Kaffee, gegessen… irgendwelche Fertiggerichte, genau das richtige für talentlose Hobbyköche wie mich. Also am Alkohol oder irgendwelchen anderen Drogen liegt es nicht, davon hatte ich nämlich nichts in den letzten zwei Wochen. Aber blaue Augen hatte ich… Nein, ich nicht, aber… Ben! Der hat solche Augen, der hat… hier übernachtet. „Bitte, ich weiß, dass du wach bist…“ Und der hatte so eine Stimme, so eine traurige, dünne Stimme. Und Probleme, genau, die hat er auch. Langsam schiebe ich also doch noch die Decke nach unten, bis zum Kinn muss aber reichen. „Was denn?“, frage ich, meine Stimme schläft vermutlich noch. „Warum hast du mich mitgenommen?“ Er steht am Fußende des Bettes, direkt vorm Fenster, und sieht mich todernst an. „Darf ich erstmal wach werden bevor wir die essentiellen Fragen des Lebens erläutern?“ Ich hätte dich nicht dabehalten, würdest du nicht immer so süß gucken, egal welchen Blick du drauf hast… Nein, das ist nicht einmal mit Übermüdung zu entschuldigen, das grenzt an Selbstzerstörung. Der Kleine vor dir steht vor einem Trümmerhaufen und hat mit anderen Dingen zu kämpfen und du denkst nur daran, wie süß er doch ist. „Der Kaffee ist fast fertig, also würde ich mich an deiner Stelle beeilen.“ Und weg ist er. Aber er hat doch Kaffee gesagt, ja? Da bin ich doch dabei… und lege mich beim Versuch aufzustehen fast wieder hin, diesmal auf den Boden. Also, das Bein links, das rechts, und jetzt… Geht doch, sehr schön, Glückwunsch! Ich sollte echt lernen, schneller aufzuwachen. Fürs erste muss etwas kaltes Wasser im Gesicht reichen, duschen kann ich nach meiner morgendlichen Koffeindosis immer noch. Unten trifft mich dann fast der Schlag, fast. Auf dem Küchentisch steht KEIN Kaffee, obwohl noch deutlich Kaffeespuren in der Luft liegen. So was rieche ich auf 500 Meter gegen den Wind. Aber von irgendwoher weht da was… Kaffee, genau, aus der Richtung, in der das Esszimmer ist. Juhu, also doch keine Verarsche. Ich folge also der Kaffeewolke und finde meinen Geliebten, soll heißen den Kaffee, auf dem Esstisch vor, in Mitten von frischen Aufbackbrötchen, Croissants, Wurst, Käse, Marmelade, Milch, Honig, einem aus markenrechtlichen Gründen nicht zu nennenden Nuss-Nougat-Brotaufstrich und diversen anderen Kleinigkeiten, die zu einem ausgewogenen Frühstück zu gehören scheinen. Ich persönlich kenne mich da nicht wirklich aus, da ich schon seit längerem gleich von Kaffee pur zum Mittagessen springe, also seit der neunten Klasse ungefähr. „Wann hast du das denn gemacht?“, frage ich Ben vollkommen verwirrt. „Naja, ich bin vor drei Stunden aufgewacht und wollte mich nützlich machen. Mit Mephisto war ich auch schon draußen. Aber setz dich erstmal, ich würde gern mit dir reden.“ Er guckt immer noch total ernst, was ihm wirklich verdammt gut… nein, das tut es nicht, Idiot. Ich setze mich also und greife mir eine Tasse meiner Lieblingsdroge. „Worüber denn?“ „Warum hast du mich mitgenommen?“, wiederholt er seine Frage von vorhin. „Du wärst erfroren da draußen, das konnte ich nicht zulassen.“ „Nimmst du immer Fremde mit in die Häuser deiner Verwandten?“ „Nein, du bist eine Ausnahme.“ „Warum hast du mir erlaubt, hier zu übernachten? Ich hätte dich töten und das Haus ausräumen können.“ „Hast du nicht.“ „Ich hätte es tun können.“ „Ich habe dir eben vertraut. Meine Freunde haben schon immer gesagt, ich hätte ein zu großes Herz und wäre viel zu vertrauensselig.“ „Woher weiß ich, dass du mich nicht auch verarschst, so wie alle anderen?“ „Ich verarsche dich nicht, ich will dir helfen, das musst du mir glauben. Du kannst mir vertrauen.“ „So wie du einem dahergelaufenen Fremden vertraust?“ „Genau so.“ „Du bist verrückt.“ Falsch, du machst mich verrückt, Ben. So wie du mich mit diesen Augen ansiehst, dieser Blick treibt mich noch in den Wahnsinn, da bin ich mir sicher. „Nein, aber wenn es dir hilft, ich würde gerne mehr über diesen dahergelaufenen Fremden erfahren, der mir gegenüber sitzt.“ „Da gibt es nicht viel zu erfahren.“ „Doch. Warum zum Beispiel haben diese Typen dich gestern in dieses Kostüm gesteckt?“ „Weil sie hirnlose Idioten sind, intolerant und vollkommen in ihrer kleinen Welt gefangen.“ „Und der Auslöser? Wenn ich fragen darf…“ „Alex. Der ist der Anführer bei denen, alles was er sagt wird gemacht, seit die sich kennen. Seit dem hacken sie auch auf mir rum.“ „Aber seid ihr nicht Brüder? Das ist doch…“ „Krank? Ja, aber in meiner Familie bin ich sowieso das schwarze Schaf.“ „Wieso? Du siehst doch ganz harmlos aus.“ „Denkst du vielleicht jetzt, aber das ist schon lange so. Alex und ich waren als Kinder unzertrennlich, doch als wir älter wurden, entwickelten wir uns in vollkommen gegensätzliche Richtungen.“ „Bei Brüdern ist das doch nicht so ungewöhnlich, oder?“ „Auch bei Zwillingen? Zweieiig, das sieht man ganz leicht, Alex hat viel hellere Haare als ich und ist einen halben Kopf größer. Um ehrlich zu sein, haben wir nicht einmal das gleiche Geburtsdatum.“ „Häh? Wieso das denn nicht?“ „Er wurde zehn Minuten vor Mitternacht geboren, ich zehn Minuten danach. Und ich fürchte, das gestern war seine Vorstellung von einem gelungenen Geburtstag.“ „Du hattest gestern Geburtstag?“ Eine irgendwie überwältigende Mordlust bahnt sich gerade den Weg durch mein Gehirn, so einen Bruder würde ich ohne zu zögern im Schlaf ersticken. „Nein, aber er. Und er dachte wohl, es wäre ein fantastischer Höhepunkt für seine Party, mich… naja, du weißt schon.“ „Wer legt denn bitte den Höhepunkt einer Party auf drei Uhr nachmittags?“ „Jemand, der schon mittags angefangen hat zu trinken?“ Scheiß auf das Frühstück, am liebsten würde ich den Kleinen jetzt quer über den Tisch ziehen und ganz fest drücken, ihn knuddeln und lieb haben. Vielleicht würde das ja die Tränen stoppen, die ihm über die Wangen laufen. Doch er wischt sie sich gleich wieder weg. „Vergiss es, eigentlich ist das… vergiss es einfach, ja?“ Ich nicke nur. „Da… da ist noch etwas anderes, was ich dich fragen wollte…“ „Was denn?“ „Ich glaube, es wäre besser, wenn ich meine eigenen Sachen holen würde, denkst du nicht auch?“ „Schon, aber müsstest du dann nicht nach Hause? In die Höhle des Löwen quasi?“ „Die müssen alle Arbeiten, den ganzen Tag. Da ist keiner.“ „Wenn das so ist, holen wir deine Sachen. Meine Tante hat praktischerweise ihr Auto hier gelassen, aber du müsstest fahren.“ „Ich hab meinen Führerschein gar nicht dabei.“ „Toll.“ „Wie meinst du das?“ „Na ja, wenn du ihn nicht dabei hast, bedeutet das, dass du einen hast.“ „Du nicht?“, fragt er und schaut mich an als wäre ein Führerschein das Normalste auf der Welt. „Nein.“ „Okay, ich fahre.“ Immer noch dieser verständnislose Blick. Ich hätte nicht gedacht, dass so ein kleines Stückchen Plastik einen so aus der Bahn werfen kann. Eine Stunde später sitzen wir im Auto vor einem kleinen unscheinbaren Haus in einer noch unscheinbareren Gegend. „Das ist es“, murmelt Ben neben mir, steigt aus und holt unter einem Stein einen Schlüssel hervor. „Hallo Benjamin!“, ruft eine ältere, lächelnde Frau plötzlich über den Zaun aus dem Nachbargrundstück. „Alles in Ordnung?“ „Hallo, Frau Jansen. Ja, alles in Ordnung, ich habe nur meinen Schlüssel vergessen“, ruft Ben freundlich lächelnd zurück. Es ist das gleiche Lächeln, das meine Mum aufsetzt, wenn sie in ihrem Laden steht und eigentlich mal wieder keinen Bock auf die ganzen Idioten hat, die sich Kunden nennen. „Na dann. Einen schönen Tag noch“, kommt es von der Grinsefrau zurück. „Danke, Ihnen auch“, ruft Ben noch zu ihr rüber und öffnet die Tür. „Komm rein.“ Ich folge ihm durch den Flur und die Treppen hoch und alles aber auch wirklich alles stinkt förmlich nach Mittelmaß. Die langweiligen Familienbilder an den Wänden, die typischen Möbelhausmöbel, die eintönig hellen Tapeten. „Hier rein“, meldet sich Ben plötzlich wieder zu Wort und reißt mich aus meinen Betrachtungen dieser innenarchitektonischen Katastrophe. Er steht vor einer offenen Tür, die nach außen von einem riesigen „KEEP OUT OR YOU’LL DIE“-Schild geschmückt wird. Die Frage, ob er sich erst nach diesem Schild von seiner Familie wegentwickelt hat oder ob das Schild eine Folge davon war, verkneife ich mir lieber. Im Zimmer sieht es nicht anders aus als im Rest des Hauses, die Wände sind in dezentem Hellblau gehalten und die Möbel frisch aus einem Möbelhauskatalog entsprungen (und zwar nicht aus dem schwedischen mit den vier Buchstaben). Zugegeben, die schwarzen Vorhänge und die Kritzeleien an den Wänden fallen ein bisschen aus der Rolle, aber sonst… Warte mal. Kritzeleien an den Wänden? Überall bis fast zur Decke? Und alles in Englisch, Französisch oder Latein? Dazwischen sind hier und da kleine Fledermäuse, Drachen und Spinnen gemalt, durch die Luft weht ein Hauch wie von Räucherstäbchen, die auf dem Boden verstreuten Klamotten sind ausnahmslos schwarz und nicht das erste Mal wirkt der helle Pullover meines Onkels, den Ben trägt, fehl am Platz. „Ich bin gleich fertig“, sagt Ben, der schon fleißig am rotieren ist während er Sachen aus dem Schrank holt und vom Boden aufsammelt um dann alles zusammen in einen auf dem Bett platzierten Koffer zu stopfen. Ich lese mir unterdessen die Wände durch. Es sind einzelne Sätze, Satzbrocken, halbe und ganze Gedichte, alles ist düster und verbreitet eine Art Endzeitstimmung. Da mein Französisch sich allerdings auf ein paar Sätze aus unserem letzten Urlaub am Atlantik beschränkt, nehme ich einfach mal an, dass sich die Inhalte insgesamt nicht viel nehmen. „Lass dich davon nicht abschrecken, alles in allem schätze ich mich als umgänglicher ein als den Rest meiner Familie“, meint plötzlich eine Stimme neben mir. „Warum steht hier alles in irgendwelchen Fremdsprachen?“ „Damit niemand es lesen kann. Abgesehen von mir, sind alle Mitglieder meiner Familie Nieten, was Fremdsprachen angeht. Und außerdem… ein paar Worte stehen hier auch auf Deutsch.“ „Echt? Wo?“ Ich suche die Wand vor mir ab. „Da“, antwortet Ben und zeigt auf seinen Nachttisch. Darüber steht echt etwas auf Deutsch. „Papierschnee für den Weltfrieden…“, lese ich leise vor und schaue wahrscheinlich mit einem unübertroffen blöden Gesichtsausdruck zu Ben. „Klar, wofür sonst?“, fragt der nur Schulter zuckend. „Stimmt auch wieder, aber wie kommt man auf solche Erkenntnisse?“ „Indem man als unschuldiger Zehnjähriger dazu verdonnert wird, Schneeflocken aus Papier auszuschneiden, die dann für die Klassenzimmerdeko bestimmt sind. Ich allerdings habe schon damals den Sinn solcher Aktionen in Frage gestellt, und naja, das war der einzig plausible Grund, den ich finden konnte.“ „Schon daran gedacht, dass das Zimmer dadurch schöner gemacht werden sollte?“ „Es sah hinterher schlimmer aus als vorher, zumindest war und ist das meine Meinung.“ „Also ich fand undekorierte Klassenzimmer immer katastrophal, viel zu kalt.“ „Ich bin Minimalist. Gib mir eine weiße Wand und ich bin glücklich, da hab ich wenigstens Platz für Notizen.“ „Ähm… ja. Wie weit bist du mit Packen?“ „Fertig.“ „Sehr schön. Dann…“ „Lass uns gehen, genau.“ Er lächelt traurig und wirft einen letzten Blick auf sein Zimmer bevor er den Koffer vom Bett zieht und zur Tür geht, die er mir aufhält. „Ich trage den, okay?“, sage ich und nehme ihm gleich mal den Koffer ab, schließlich hat er in der anderen Hand noch einen Rucksack und einen Mantel. Das ist eindeutig zuviel auf einmal. „Danke.“ Er macht die Tür hinter sich zu und geht mir voraus wieder nach unten. Kurz vor der Haustür dreht er sich allerdings um und rennt wie von der Tarantel gestochen wieder nach oben. Ein paar Minuten später kommt er wieder und stopft etwas, das nach einer Waschtasche aussieht in seinen Rucksack. Dann scheint ihm noch etwas einzufallen und er stürmt in ein Zimmer, das ich durch die halboffene Tür als Wohnzimmer identifiziere. Mit einem Schokoweihnachtsmann und zwei Umschlägen bewaffnet, schmeißt er mich diesmal fast um, als ich ihm nicht schnell genug ausweichen kann. „Sorry, aber man sollte nichts verkommen lassen“, meint er grinsend und lässt das Zeug der Waschtasche folgen. „Nur noch meine eigenen Schuhe und dann war’s das.“ „Gut, ich bring den Koffer schon mal ins Auto.“ Wenn man sich von seinem Elternhaus verabschiedet, sollte man immer eine Minute für sich haben, danach kann man sich die Tränen oder das zufriedene, endlich glückliche Lächeln wieder aus dem Gesicht wischen und so tun als wäre alles wie immer. „Nimmst du den bitte gleich mit?“, fragt Ben und hält mir den Mantel entgegen. „Klar.“ Für dich doch immer, Süßer. Nein, nicht wieder damit anfangen, Triebe im Zaum halten und warten bis das Leben dieses Jungen nicht mehr ganz so kaputt ist. Bessere Idee! Er hat Geburtstag, oder? So was muss man doch feiern. Genau, irgendwas Gutes muss ich ihm heute noch tun, schließlich ist es gerade mal Mittag. Aber erst muss ich mal diesen blöden Koffer in den Wagen hieven, Mantel darüber und die Windschutzscheibe vom frisch gefallenen Schnee befreien. Dann warten und mich schließlich von einem deprimierten Ben zurück fahren lassen. „Ich hab mir da etwas überlegt…“, beginne ich vorsichtig als wir fast wieder am Haus meiner Tante sind. „Ach ja, was denn?“, fragt mein Fahrer tonlos und starrt weiter auf die Straße. „Ja. Heute Abend lade ich dich zum Essen ein!“ „Tust du nicht.“ Widerworte? Das wagt er? Nicht mit mir! „Doch, das tue ich. Du hast doch Geburtstag, wenn ich dich richtig verstanden habe. Das muss gefeiert werden.“ „Ich will aber nicht feiern.“ „Wie alt wirst du?“ „Zwanzig.“ „Also doch ein Grund zu feiern, ein runder Geburtstag. Du hast gar keine Wahl.“ „Meinetwegen“, seufzt er und parkt das Auto. „Aber ich komm nur in meinen eigenen Klamotten mit.“ „Klar, nichts lieber als das.“ Gut, also am Abend sitze ich im Wohnzimmer und warte. Nachdem wir angekommen waren, ist Ben mit seinem Gepäck in seinem Zimmer verschwunden und hat auf mein Klopfen und meine Ansagen im Stile von „Ich geh kurz mit Mephisto raus.“ ziemlich einsilbig geantwortet. Genau wie auf den Satz „Ich habe uns für acht Uhr einen Tisch reserviert.“ Ein einfaches Okay war die Erwiderung gewesen. Nun ist es also 19:30 Uhr und wir sollten langsam los, da ich eigentlich vor hatte zu laufen. Das Restaurant ist zwar eines der Teuersten hier, aber das ist mir egal. Ich finde, Ben hat es verdient. Außerdem liegt es nur zehn Minuten zu Fuß entfernt, sodass wir nicht mal fahren müssen, also wir beide auch ordentlich anstoßen können. Schnee fällt auch keiner mehr und der Himmel ist schon fast sternenklar, das heißt, es wird vielleicht kalt, aber wenigstens nicht nass. 19:35. Ben lässt sich echt Zeit und ich hab das Buch, dass ich vor zwei Stunden angefangen habe schon fast wieder durch. Zugegeben, ist ziemlich dünn, noch nicht mal ein richtiges Buch, aber was soll’s. 19:40. So, fertig. Lange braucht man für 100 Seiten ja nicht wirklich. Und da ich mich aus reinem Übermut schon am Nachmittag umgezogen habe, ist mein Hemd mittlerweile auch wieder zerknittert, juhu! „Da bin ich.“ Ben steht in der Tür und mir fällt die Kinnlade auf die Brust. Jetzt weiß ich wenigstens, warum er nicht in einen weißen Pullover passt! Seine Farbe ist Schwarz! Schwarz getünchte Augen, schwarzes Hemd unter schwarzem Jackett, schwarze Hosen, selbst seine Haare wirken schwärzer als vorher. Er ist perfekt, süßer und gleichzeitig heißer als noch vor ein paar Stunden und irgendwie fühle ich mich nicht in der Lage, ihm viel länger zu widerstehen. „Gut, dann sollten wir los“, sage ich und stehe auf, unfähig meine Augen von ihm zu nehmen. „Ist alles in Ordnung, du bist auf einmal so blass“, stellt Ben fest und ich kann nichts weiter machen als nur zu nicken. „Wirklich?“ „Ja, wirklich. Gehen wir.“ Ich gehe an ihm vorbei, wobei ich mich wirklich zusammenreißen muss. Ja, Ben nicht anzufallen ist wirklich Schwerstarbeit. Am besten also gar nicht hinschauen, zum Glück haben meine Schuhe Schnürsenkel, bei denen ich mir Zeit lassen kann, und den Mantel muss ich auch zuknöpfen und ein Schal und Handschuhe… das alles braucht Aufmerksamkeit… Wir gehen also Essen und der Abend wird ein voller Erfolg. Wir reden und lachen. Ben wehrt sich gegen alles und jeden. Gegen das Restaurant, gegen die drei Gänge und den Wein, dagegen, dass ich die Rechnung übernehme. Es scheint ihm gut zu gehen und das wiederum macht mich glücklich. Ich rede den ganzen Abend, von meinem Studium, Josie und Charlie, meinem bekloppten Mitbewohner und allem, was mir sonst noch so einfällt. Er erzählt mir von seinem Job in einem hiesigen Café, seinen Studienplänen, aber im Großen und Ganzen bleibt er allgemein und gibt nur wenig von sich preis, fast als hätte er Angst, ich würde es gegen ihn verwenden. Trotzdem lächelt er. Und wie er lächelt… und seine Augen. Das Schwarz bringt sie erst recht zum Vorschein und jedes Mal, wenn ich sie sehe, hauen sie mich aufs Neue um. Ich bin wirklich nicht mehr zu retten. Dank des Weins ist es auch nicht mal so kalt, wie ich gefürchtet hatte als wir uns auf den Heimweg machen, obwohl es schon weit nach Mitternacht ist und bestimmt um die minus zehn Grad kalt. Vollkommen von unserem Übermut überrumpelt, machen wir noch einen kleinen Umweg über den Strand und brauchen auf diese Art ungefähr eine dreiviertel Stunde für den Zehn-Minuten-Weg. Meine Ohren sind schon ganz taub als wir wieder im Haus sind und uns lachend gegenseitig aus unseren Mänteln befreien. Vor seiner Zimmertür macht Ben noch einmal Halt und dreht sich mit geröteten Wangen zu mir. „Danke“, lächelt er. „Das war wahrscheinlich der beste Geburtstag, den ich je hatte.“ Wir stehen nicht mal einen Meter voneinander entfernt und mein Herz rast schon wieder. „Keine Ursache“, erwidere ich leise und mache noch einen Schritt nach vorn. „Happy Birthday!“ Und ja, ich tue es, ich küsse ihn. Etwas, das ich die ganze Zeit vermeiden wollte. Und nein, er wehrt sich nicht. Okay, etwas überrascht scheint er zu sein, aber er lässt sich darauf ein, macht mit, zieht mich mit sich in sein Zimmer, auf sein Bett… Eigentlich wollte ich mich doch zurückhalten, oder? Auch egal, wo wir schon mal hier sind… und wie heißt es so schön? So jung (und heiß) kommen wir nicht mehr zusammen… Ende Kapitel 2 (Bevor ihr mich zum Abschuss freigebt, dürft ihr gerne noch einen Kommi hinterlassen *zwinker*) Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)