Supernova von maykei ================================================================================ Prolog: 0.Prolog - [EIS] ------------------------ Nebel. Nichts als weißer Nebel. Auf seine anderen Sinne vertrauend ging er weiter. Der Wiederhall seiner Schritte schallte hohl und wurde dann regelrecht von den weißen Schwaden verschluckt. Er spürte hier nichts. Kein Lebewesen, nicht einmal Gegenstände. Einfach nur eine weite, unendlich erscheinende Landschaft aus Weiß, von der sich mal mehr und mal weniger dichter Nebel, wie ein kaum erkennbares Puzzelspiel, abhob. Genau so sah es aus, wenn man in einem eisig kalten Zimmer durch seinen warmen Atem die Scheibe beschlug und sich nach einem weiteren Atemzug ein neuer Film über den noch nicht ganz verloschenen legte. Und so verhielt es sich auch mit dem Nebel. Er verblasste und wurde von einer unsichtbaren Kraft erneuert, kurz bevor er sich völlig in nichts auflöse. Das machte es um so schwerer, sich zu orientieren. Verflucht, nicht nur seine Fähigkeit Dinge und Lebewesen zu erspüren ließ ihm im Stich, sondern auch noch seine eigenen Augen! Das war ja zum verrückt werden. Weiter irrte der dunkelhaarige, groß gewachsene Mann durch den Nebel, seine Hand fuhr immer wieder zu der Schwertscheide an seiner Seite, doch sie war leer. Der Nebel hatte langsam Besitz von dem edlen Schwert ergriffen und immer mehr an Konsistenz verloren, bis es letztendlich ganz erloschen war. Dennoch konnte der Ninja das Gewicht an seiner Seite spüren. Spüren konnte er jedoch auch das taube Gefühl, das langsam von seiner linken Hand Besitz nahm und ein Blick nach unten bestätigte, dass sich mehrere dünne Nebelfäden um seine Hand geschlungen hatten, so dass es mehr an das Werk einer riesigen Spinne erinnerte als an ein Naturphänomen. Ärgerlich versuchte Kurogane den Nebel abzuschütteln, aber er konnte ihn nicht einmal berühren und hartnäckig wickelten sich nur weitere Schwaden um seine Hand und sein Handgelenk. Verflucht, das konnte doch nicht..! Plötzlich durchbrach eine etwas rauchige Frauenstimme die unheimliche Todesstille um ihn herum und sie kam ihm verdächtig bekannt vor. “Du kannst nicht wieder „dorthin“ weiterreisen. Du hast nichts wertvolles mehr, was du als Preis geben könntest.“ Schnellen Schrittes lief er auf die Quelle der Stimme zu und tatsächlich entdecke er im Nebel die Umrisse einer hochgewachsenen Frau mit hochgesteckten Haaren. Die Hexe der Dimensionen, also. Hätte er ja gleich drauf kommen können. Immer wenn etwas unheimliches passierte, steckte garantiert diese Halsabschneiderin dahinter. Noch ein paar Schritte und er konnte Yuuko tatsächlich erkennen. In einem langen engen Rock und einem Oberteil mit einem Ausschnitt, wie ihn nicht einmal die Prostituierten in seinem Land zu tragen wagten, stand sie mitten im weißem Nichts, die Arme verschränkt und mit strengem Blick in eine besonders dichte Nebelwand starrend. “Oi! Hexe! Verdammt noch mal, erklär mir was der Mist hier soll!“ Doch sie reagierte nicht auf seine Worte, sondern sprach unbeirrt weiter mit dem Nebel. „Aber wir könnten eine Wette eingehen.“ Mit wem sprach sie da?! Plötzlich streifte ein leichter Windhauch seine Wange und wuchs zu einer Böe an, bis er die Hexe erreicht hatte. Wild flatterten ihre Haare im Wind und die Spange, die die schwarze Haarpracht zusammengehalten hatte, fiel klirrend zu Boden, von ihr nur mit einem wissendem Lächeln registriert. Doch der Wind hatte auch etwas anderes offenbart. Eine hochgewachsene Gestalt, Kurogane schätzte sie, anhand Größe und Körperbau, auf einen Mann. Doch es war kein gewöhnlicher Mensch, mehr ein Umriss aus hellem weiß-blauen Licht, matt glänzend, als wäre er nicht mehr als eine Eisfigur. Doch er bewegte sich leicht, den Kopf nach unten gebeugt, seine Brust hob und senkte sich, als hätte er einen langen Lauf hinter sich. Aufmerksam verfolgten rote Augen die Szenerie. Die Gestalt ballte in einer hilflosen Geste die linke Hand und rotes Blut quoll dickflüssig zwischen seinen Fingern hervor. Auch er bemerkte ihn nicht. Er wollte gerade ansetzten etwas zu sagen, als sie fortfuhr. „Wenn du jedoch etwas riskierst, was mehr wert ist als das, was du dir wünschst, und du die Wette gewinnst, bekommst du den Preis ohne Gegenleistung.“ Wie eh und je, die kalte Geschäftsfrau. Er konnte sie immer weniger leiden, falls er sie jemals gemocht hatte. “Etwas, was mir mehr wert ist als das?“ Die Stimme der Eisgestalt klang fremd und doch auf eine unheimliche Weise unglaublich bekannt und war gleichzeitig nicht fassbar. Es erinnerte ihn an die Stimme seiner Gedanken. Scheinbar stumm, aber dennoch redete sie ohne dass man ihre Stimme irgendwie beschreiben konnte. “Ja, aber ________________________ ist nicht genug, ich fordere auch noch etwas anderes.“ Was bitte? Konnte diese Kuh nicht so sprechen, dass er auch alles verstand?! Es schien, als hätte der Nebel einen Teil ihres Satzes verschluckt. “Dann setzt ich zusätzlich mein Leben.“ Einen Moment schwiegen die beiden sich an, denn auch ihre Lippen bewegten sich nicht. “Das ist beeindruckend, aber dein Leben reicht nicht.“ “Warum, verdammt noch mal!?“ , schrie die Gestalt jetzt und er konnte sie nur zu gut verstehen. ‚Weil sie eine verfluchte Halsabschneiderin ist’, beantwortete Kurogane in Gedanken die Frage für den Kerl. “Es ist nicht das, was dir wichtig ist.“ “Natürlich ist es das, sonst würde ich hier nicht stehen!“ “Hm...“ , nachdenklich legte sich die Hexe einen Finger auf die Wange, “Ich verlange folgendes: Wenn du versagst, wirst du ihn nicht von seinem Schicksal bewaren. Auch wenn du daneben stehst und es könntest. Das ist meine Bedingung und ich lasse nicht mit mir handeln.“ Die Gestalt schwieg eine ganze Weile und starrte nach unten auf ihre Hand. Das Blut war von seiner Haut gelaufen, wie von einer gläsernen Oberfläche und tropfte mit dem Schmelzwasser zu Boden und durch diesen hindurch, als wäre dort überhaupt kein Hindernis. „Du kannst immer noch gehen.“ , informierte ihn die Hexe. “Was bringt dir dieser Preis?“ „Das ist etwas, was du nicht verstehen kannst. Also, akzeptierst du die Bedingungen, oder nicht?“, ihre Stimme war unerbittlich und allmählich straffte die Gestalt die Schultern und blickte ihr entschlossen, fast etwas abfällig ins Gesicht. “Ich nehme an!“ Yuuko kommentierte dies nicht weiter und die Gestalt öffnete ihre Hand. Zwischen all dem Blut befanden sich die Überreste eines an einer silbernen Kette befestigten roten Steines. Kurz hielt sie ihre Hand über den Stein und ein silbernes Licht erstrahlte zwischen ihren Händen. Das Bild verblasste bereits, als sie ihre Hand zurückzog und augenblicklich verwandelte sich die Gestalt zu Wasser und fiel mit einem Platschen in sich zusammen. Mit einem undeutbaren Lächeln auf den Lippen blickte die Hexe auf die Pfütze zu ihren Füßen. „Viel Glück diesmal.“ 1. Kapitel - (Fließende Straßen) -------------------------------- Kommentar: So, hier nun das 1. Kapitel von Supernova. Die FF wird wahrscheinlich um die 20 Teile haben, doch das ist noch nicht sicher, weil sie ja noch geschrieben werden muss~ Was zur Timeline: Nach Piffle World und dieser komischen Hasenwelt, aber bevor sie in Shurano getrennt werden. Copyright: TRC und die Charaktere, solange sie nicht meine freie Erfindung sind, gehören CLAMP und ich verdiene kein Geld hiermit. __________________________________ Als er die Augen aufriss starrte er in einen orange-roten, dreckigen Himmel, umgeben von einem Rahmen aus groben schwarzen Formen. Geblendet vom Licht schloss er kopfwehgeplagt wieder die Augen und legte sich erschöpft eine Hand auf die Stirn. Was war passiert? Einen Moment ließ ihn sein Gedächtnis tatsächlich im Stich, doch dann erinnerte er sich wage, dass sie wieder einmal von dem weißen Ding aufgesaugt worden waren, um in die nächste Welt zu reisen. Das letzte Bild, an das er sich vor seiner offensichtlichen Bewusstlosigkeit erinnern konnte, war eine braun-grünliche Brühe, in der er sich verzweifelt nach oben kämpfte, ohne überhaupt zu wissen, wo oben oder unten war. Unwillig gab er ein schweres Seufzen von sich. Wie hatte er nur so Panik geraten können? Er hätte doch eigentlich spüren müssen, wo sich die Wasseroberfläche befand. Doch irgendetwas musste davor geschehen sein, denn er erinnerte sich nur noch daran, sehr aufgewühlt gewesen zu sein. Seinen eigenem Atem lauschend versuchte er sich zu erinnern. Hatte er sich selbst ans Ufer gekämpft oder hatten ihn die anderen gerettet? Es musste wohl letzteres gewesen sein, denn er konnte sich nicht erinnern hier her gekommen zu sein. Er lag auf einem kaltfeuchten, harten Untergrund und um ihn herum war es empfindlich kalt. Unverständliches Rauschen drang gedämpft an seine Ohren und es stank. Es stank fürchterlich nach abgestandenen Wasser, Abfällen und Fäkalien. So schrecklich stank es nicht einmal in den Großsiedlungen und Soldatenlagern in seiner Welt. Wieder die Augen aufschlagend stellte er fest, dass der Himmel mittlerweile einen schwarz-braun-violetten Farbton angenommen hatte, der ihn irgendwie an die Farbe einer zwei Tage alten Prellung erinnerte, und der schwarze Rahmen war kein Rahmen, sondern in der Dämmerung nur als klobige Schatten erkennbare Hochhäuser. Schwerfällig richtete er sich auf, ignorierte seinen brummenden Schädel und sah sich um. Er befand sich in einer mit seltsamen grünen Behältern vollgestellten, verdreckten Seitengasse und mit einem leisen Sirren ging über ihm gerade eine flackernde, längliche Lampe an. Seine Klamotten klebten klamm an seinem Körper und hatten schon den modrigen Geruch der Umgebung angenommen, demzufolge lag er hier schon ziemlich lange. Kurogane beschloss diese Welt absolut nicht zu mögen und hoffte, dass sie die Feder bald fanden und weiterreisen konnten. Apropos Feder, wo waren eigentliche die Blagen und dieser nutzlose Magier? Etwas wankend kam er auf die Beine. In seinem Kopf schepperte es katerverdächtig und einen Moment wurde die Welt vor seinen Augen dunkler. Er fühlte sich kraftlos, ausgelaugt und merkte, wie die schwere Luft in seinen Lungen brannte, während er zur Seite taumelte und sich an der kaltfeuchten Häuserwand abstützte. Seinen Atem zur Ruhe zwingend sammelte er sich, wie er es in jahrelangem Training gelernt hatte. Als er sich wieder aufrichtete war sein Stand sicher und er beschloss erst einmal die Umgebung zu erkunden. Aus der Seitenstraße hervortretend wollte er sich die erstbeste Person auf der Straße packen und von ihr erst einmal erfahren, wo er hier überhaupt war und ob sie die anderen gehen hatte. Doch es war durchaus schwer jemanden von der Straße zu zerren, wenn es gar keine Straße gab. Statt dessen schlängelte sich ein kleiner, grünlicher Fluss zwischen den Bordsteinkanten des baufälligen Bürgersteiges entlang und nur hier und da waren angerostete Metallstege angebracht. Meist an den Stellen, an denen der Gehweg völlig weggebrochen war. Kurogane konnte nur staunen. Ob nun der Waghalsigkeit wegen sein Haus genau an einem Fluss zu bauen, der bei Regen garantiert über die Ufer steigen würde, oder ob der Ignoranz der Bewohner dieser Stadt. Denn ignorant musste man sein, um diesen unglaublichen Gestank auszuhalten. Die einzigen Lichtquellen in der Umgebung waren die unnatürlich grellen Lampen [1], von denen die meisten leise sirrend flackerten. Auf dem Gehweg, beziehungsweise den begehbaren Teil davon, war keine Menschenseele zu sehen, also beschloss der Ninja erst einmal dem Wasserlauf zu folgen. Nach gut 20 Minuten sah die Umgebung etwas vertrauenserweckender aus und er sah den ersten Menschen. Mit ein paar schnellen Schritten war er bei der Gestalt und packte sie am Arm. „Hey, sag mir mal bitte, wo ich hier bin.“ Die Gestalt fuhr regelrecht zusammen und unter der braunen Kapuze hervor sahen ihn zwei große grüne Augen recht verängstigt an. Verwirrt ließ Kurogane das Mädchen los und wollte gerade zu einer Entschuldigung ansetzten als sie eilig den Ärmel ihres braunen Mantels hochkrempelte und ihm ihren Unterarm hinhielt. Noch verwirrter und nicht wirklich etwas auf dem Arm des Mädchens erkennend starrte er auf die helle Haut und dann wieder in ihr Gesicht. „ChuNyan?!" Das konnte nicht sein, aber das Mädchen vor ihm sah aus wie eine ca. 15 Jahre alte Version der 11jährigen aus Koryo. Unverstehend sah sie ihn an und sagte etwas in einer Sprache, die er wiederum nicht verstand. Das schien sie jetzt auch zu bemerken, denn sie kramte eilig aus ihrer Tasche ein kleines, längliches Gerät und stellte irgendetwas darauf ein. Danach lächelte sie ihn überhaupt nicht mehr verstört an. „Verstehst du mich jetzt?“. Erleichtert nickte Kurogane, das Ding war wohl eine Art Übersetzter. Aber das er so etwas brauchte hieß, dass zumindest das weiße Onigiri sehr weit weg war, denn sonst hätte er sie von Anfang an verstanden. „Ich gehe dann mal davon aus, dass du kein Wächter bist, oder?“ "Wächter?“ “Bist fremd hier, kann das sein?“ Wieder nickte der Ninja. „Gerade erst angekommen. Hast du vielleicht meine Reisegefährten gesehen? Ein Mädchen mit braunem Haaren, ein Junge in etwa ihrem Alter und ein dürrer, großer Mann. Vermutlich hatten sie auch noch ein weißes, rundes Tier dabei.“ Energisch schüttelte sie den Kopf. „Das hätte ich gewusst. Hier kommt nie jemand vorbei, ohne dass es die Bewohner nicht mitbekämen. Aber ich kann dich zum Marktplatz führen. Er ist ganz in der Nähe und dort befinden sich nachts immer viele Menschen!“ Die nächsten 40 Minuten ließ Kurogane sich an der Hand durch unzählige Gassen zerren und lernte von seiner kleinen Begleiterin auch wie man als normaler Mensch über diese, überall durch die Stadt fließende, Brühe kam. Am Uferrand der Gehweges befanden sich Metallschnüre, mit denen man die verstreut angebrachten Metallstege auf seine Seite ziehen konnte. Diese knarrten bei jedem Übergang bedenklich und Kurogane fand sie nicht sonderlich vertauenserweckend. Besonders, weil sie oft auf andere Stege ausweichen mussten, da viele zerstört und nutzlos waren und vergessen im Fluss trieben, nur noch von einem dünnen Drahtseil gehalten oder in sonstigen sperrigen Müll verharkt. Allgemein schienen die Leute hier den Fluss als Müllhalde zu benutzen, stellte Kurogane angeekelt fest. Auf einen weiteren Ausflug ins stinkende Nass konnte er wirklich verzichten. Nach einer Weile zupfte sie ihn am Ärmel. „Hm?“ "Wie fremd bist du hier?“ Er fand die Frage zwar komisch, antwortete aber dennoch. „Fremder kann man nicht sein, glaub mir.“ "Dann schau bei Gelegenheit im 'Bambushain’ vorbei.“ Bambushain? Er konnte sich zwar nicht vorstellen, dass es so etwas hier überhaupt geben konnte, aber er versprach es ihr. Auf das, was sie nach ein paar weiteren Minuten erreichten, war er bei all dem Dreck und Verfall, den er hier bereits besichtigen durfte, nicht vorbereitet. Vor ihm erstreckte sich ein riesiger Platz, der an einen noch viel größeren See grenzte, welcher im Norden scheinbar zum Meer auslief. Es stank hier immer noch ein wenig, aber verrückterweise war das Wasser hier klar und von unzähligen Lampen unter der Wasseroberfläche beleuchtet, die bei weitem nicht so unangenehm wie die flackernden, grellen Lampen in den Seitengassen waren. Alles in allem, erinnerte diese Kulisse an Piffle World [2]. Die Türme wandten sich in den verrücktesten Formen in den Himmel, umringt von schwarzen klobigen Schatten anderer Hochhäuser. Die Luft war erfüllt von irgendwelchen fliegenden Maschinen und überall prangten Fernsehbildschirme oder Hologramme, die laut und in den verrücktesten Farben irgendetwas für ihn unverständliches in den Nachthimmel posaunten. Doch das unglaublichste an dieser ganzen Szenerie war, dass auf dem Wasser Menschen unterwegs waren. Von jenen, die eilig über die - um Weiten stabiler erscheinenden - Stege huschten, bis hin zu denjenigen, die geradezu lässig auf seltsamen, gepolsterten Schuhen über die Wasserfläche schlenderten, war auf dem Wasser regelrecht Gedränge. Dazu kamen kleine Händlerboote, überladen mit Waren, Flöße, die viel zu viele Menschen transportierten, und auch Wohnboote, samt flatternder Wäscheleinen. Auch an den Ufern um ihn herum befanden sich unzählige Händler und an die Menschenmassen, die sich ständig an ihm vorbeischoben, musste er sich erst einmal gewöhnen. Staunend in den taghell erleuchteten Nachhimmel starrend, über den auch immer wieder lautlose Mini-Luftboote flogen, setzte sich der Ninja erst mal auf die nächstbeste Sitzgelegenheit. Das war ja überwältigend! Nach einigen Minuten des Staunens drehte er sich wieder zu seiner Begleiterin um, doch diese war wie vom Erdboden verschwunden. Obwohl sich der Ninja sicher war, dass sie, so abgelenkt wie er gewesen war, auch mit Glöckchen behangen unbemerkt hätte verschwinden können. Er stellte er fest, dass er auf einer Bank vor einem in die Szenerie überhaupt nicht passenden Gebäude saß. Es war bei weitem nicht so groß wie die anderen und unnötig verziert, noch dazu mit kleinen, verstaubten, bunten Fenstern ausgestattet. Die Feuchtigkeit hatte die Fassade deutlich angegriffen, denn überall blätterte die Legierung ab und teilweise waren Steine herausgebrochen. Seufzend zu der neben der Bank stehenden Statue aufsehend, die genau so entstellt und undefinierbar war, wie das Gebäude selbst, fragte er sich mit einem leichten Anflug von Verzweiflung, wie er in diesem Chaos nur die anderen finden sollte... Den Kopf auf den Händen aufgestützt beobachtete er jetzt nicht mehr wirklich aufgeregt das Treiben und versuchte die Aura der Kinder und des Magiers zu spüren. Warum waren sie eigentlich getrennt worden? Er hatte dieser Saug-auf-Technik des plappernden Manjuu ja noch nie viel Vertrauen geschenkt und unbequeme Bruchlandungen schienen ja sowieso zu seinen 108 geheimen Fertigkeiten zu gehören, aber das ging wirklich zu weit! Dem Ding würde er erst mal die Ohren lang ziehen! Während Kurogane in Gedanken versunken war, was er dem weißen Manjuu antun würde, wenn er es erst mal in die Finger bekam, eilte Fye mit typisch beschwingten Schritt an ihm vorbei. Moment, Fye? Irritiert sah der Ninja dem Magier nach, sprang dann aber auf und lief ihm eilig hinterher. „Verdammt noch mal, bleib stehen!“ Mit einem Lächeln drehte sich Fye zu ihm um und sagte etwas zu ihm, was er absolut nicht verstand. Einen Moment starrte Kurogane in das von einer wirren blonden Mähne umrahmte Gesicht, bevor er den Magier wütend an der Schulter packte, denn die Sprache kam ihm ZU bekannt vor. „Hör auf in deiner Sprache mit mir zu reden, verdammt noch mal!“ Fyes Lächeln wurde eine Spur breiter – machte der Magier sich über ihn lustig? – und er sagte wieder etwas in dieser Sprache. Ohne, dass es der Ninja wirklich bewusst wahr nahm, blickte der Magier auf seine Brust, als würde er irgendetwas suchen. „Verdammter Magier..! Fye! Das ist wirklich nicht lustig. Ich hab keine Nerven für solche Spielchen! Ich weiß genau, dass du mittlerweile genug Japanisch kannst, um wenigstens 'ich verstehe nicht' zu sagen!“ Beim Klang seines Namens trat nun auch in Fyes Gesicht ein absolut verwirrter Ausdruck. Genervt ließ Kurogane los. Das letzte was er jetzt noch vertragen konnte, waren die blödsinnigen Einfälle des Magiers. Aber vielleicht verstand er ihn wirklich nicht, schließlich konnten sie sich nur verständigen, wenn Mokona in der Nähe war, aber deswegen musst der andere sich doch nicht gleich -- aus dem Staub machen. „VERDAMMT NOCH MAL!“ Ihm hinterherspurtend wäre Kurogane beinahe ins Wasser gefallen als Fye geschickt über den wankenden Steg und die seltsamen Platten auf der Wasseroberfläche tänzelte. Aber Kurogane wäre nicht Kurogane, wenn er das nervige Bündel eines Blondschopfs nicht doch noch zu packen bekommen hätte. Grob wirbelte er den Magier herum, presste ihn gegen das Geländer und flüsterte in einem tödlich angenervten Ton, von dem selbst Fye kapieren musste, dass er jetzt absolut keinen Spaß mehr vertrug „Lass. Den. Scheiß.“ Die Drohworte gerade ausgesprochen, wurde er auch schon an der Schulter gepackt und mit einem geschickten Wurf ins Wasser befördert, von dem er an diesem Abend eigentlich schon mehr als genug hatte. Als er auftauchen wollte, traf ihn ein Stiefel genau vor der Stirn und das letzte, was er sich fragte während ihm tiefer sinkend schwarz vor Augen wurde, war, seit wann der Magier so stark war. Dass er ihm mit seiner geschauspielerten Schwäche öfters was vormachte, war ihm immer schon klar gewesen, aber dass er selbst ihn überrumpelt konnte... Er war sich bewusst, dass er jetzt nicht einschlafen durfte, aber sein Körper hatte offensichtlich andere Pläne. Und wenn er hierbei starb hatte sein Geist auch andere Pläne. Nämlich Fye aus Rache den Rest seines Lebens in den Wahnsinn zu spuken. Nein, er mochte diese Welt wirklich kein bisschen. _____________________________________________________ Zu den Anmerkungen: zu [1] Das sind einen Art Neonlampen. Natürlich kennt Kurogane den Begriff nicht. [2] Wer denkt sich bloß immer diese ernsthaft bescheuerten Namen aus? Ah.. ich vergaß: CLAMP XD 2. Kapitel - (Der eiserne Bambushain) -------------------------------------- Als der Ninja das nächste mal die Augen aufschlug lag er schon wieder auf etwas hartem und der Himmel über ihm war schon wieder dreckig orange-rot, seine Klamotten wieder nass und irgendetwas hinter seinen Schläfen pochte unangenehm. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Der Platz schien wie ausgestorben und es war regelrecht ruhig, denn auch die Fernsehbildschirme waren auf stumm geschaltet. Den Kopf weiter in den Nacken legend sah er wieder diese unförmige Statue, die ihm vorhin schon aufgefallen war und in der natürlichen Helligkeit der Dämmerung hatte sie beinahe ein Gesicht. Nicht, dass ihn solche Dinge kümmern würden, aber irgendwie überkam ihn ein seltsames Déjà-vu-Gefühl, welches er einfach nicht deuten konnte. Seine Kopfschmerzen waren noch schlimmer als bei seinem ersten Erwachen, doch als Krieger war er schlimmeres gewohnt. Während er seinen Brummschädel zur Seite wand, sah er gerade den Magier mit einer Plastikflasche von einem der Straßenhändler wiederkommen, die jetzt nur noch weit verstreut auf dem wenig begangenen Platz saßen und meist schon ihre Wahren zusammen räumten. Wenn er das alles hier so betrachtete, schien es fast unmöglich, dass vorhin hier noch so ein Chaos geherrscht hatte. Vor der Bank in die Hocke gehend sagte Fye wieder etwas in dieser fremden Sprache zu ihm, offensichtlich erfreut, dass er aufgewacht war, und Kurogane wünschte sich einfach nur, er würde die Klappe halten. Entgegen seiner Befürchtung hatte er nicht sofort das Bewusstsein verloren und noch mitbekommen wie zwei Hände kurz nach seinem Sturz nach ihm gegriffen und ihn aus dem kalten Wasser gezogen hatten. Wenn er sich die feuchten Ärmel des fremdländischen Gewandes, das Fye trug, ansah, dann wusste er auch wer es gewesen war. Das Gewand war in einem schimmernden blau-grau gehalten, ging Fye bis zu den Oberschenkeln, und ein Stück davon wurde gerade zweckentfremdet, in dem Fye es mit dem frisch gekauften Wasser tränkte, um seine Stirnwunde abzutupfen. Idiot. Warum stieß er ihn dann überhaupt rein? Er hatte noch nie erlebt, dass der Magier so überreagierte. Überhaupt hatte er ihn noch nie so gewalttätig gesehen, selbst in Kämpfen mit Dämonen wich er mehr aus, spielte seine Gegner gegeneinander aus oder benutzte Stäbe und Wurfgeschosse, aber die Aktion hatte ihn mehr als überrascht. Der Wurf ins Wasser war ja als Überreaktion abzutun, aber dass der Kerl danach auch noch zutreten musste.... Gefährlich ruhig schloss der Ninja wieder die Augen und wich so Fyes besorgten und entschuldigenden Blick aus. Er war wütend. Nein, er KOCHTE vor Wut! Und er hatte gerade nicht übel Lust[1], diesen zweitklassigen Magier in tausend Stücke zu zerreißen! Ein Art Knurren kam ihm unbewusst über die Lippen und Fye, gerade dabei ihm die Flasche an die Lippen zu setzten, blickte etwas beunruhigt zu dem größeren Mann auf der Bank. Er stellte die neben der Bank ab, legte den Kopf auf die Arme und Kurogane fühlte sich plötzlich unheimlich beobachtet. Langsam öffnete er die Augen und sah grimmig in Fyes blaue. Doch irgendetwas an diesem Blick ließ Kuroganes Wut ein wenig abklingen. Der Ausdruck darin war nachdenklich, irgendetwas in seinen suchend und ernsthaft besorgt. Irgendetwas war anders als sonst, doch der Ninja konnte es noch nicht ganz fassen. Nicht dass es ihn auch nur im geringsten interessiert hätte, ob der Magier Schuldgefühle hatte! Seine Wut bei Seite schiebend, um sich auf die aktuellen Probleme zu konzentrieren, richtete er sich wieder auf und blickte über den immer leerer werdenden Platz. Die Sonne war mittlerweile ganz aufgegangen, erhellte den Platz auf natürliche Art und der Anblick des leeren Sees- mal von den ruhig auf dem Wasser treibenden Wohn- und Händlerbooten- kam ihm fast friedlich vor. In seinem Heimatdorf seiner Welt hatte es auch solch einen See gegeben. Er konnte sich kaum an die Zeit erinnern, weil er damals noch sehr jung gewesen war, aber eine Erinnerung hatte er immer noch klar vor Augen. Es war kühl und er fror sich fast die Füße ab, als er im Wasser umhertapste. Seine Mutter saß am Ufer und wusch eigenhändig etwas im Fluss, darunter auch ein edles rotes Kleidungsstück, das für sein baldiges 4jähriges [2] bestimmt war, und sie ermahnte ihn nicht zu weit vom Ufer wegzugehen, weil es weiter draußen viele unsichtbare tiefere Stellen gab. Staunend hatte er beobachtet, wie der nagelneue Stoff etwas ausblutete und die rote Farbe wie Rauch im Flusswasser verlief. So in seinen Gedanken versunken merkte er kaum, wie ihn etwas in die Wange piekste und er schlug es unwillig weg. Ein munteres Lachen war zu hören, welches mehr an ein Kichern erinnerte, und Fye presste abermals seinen Finger gegen seine Wange. Der Ninja zuckte gefährlich. Der Magier sollte es nicht zu weit treiben, sonst landete ER diesmal in dieser übelriechenden Brühe! Als er sich endlich zu Fye umdrehe hielt dieser ihm ein neues Oberteil hin, ganz ähnlich dem seinem, nur in schwarz, und eine jeansartige Hose, wie auch er sie trug. Dann setzte Fye dieses typisch sorgenfreie, verspielte Lächeln auf und plapperte schon wieder drauf los. Mit einem ergebenem Seufzen und ohne sich zu bedanken, nahm Kurogane die Klamotten entgegen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Endlich in trockenen Kleidern packte ihn der Magier an der Hand und hatte es auf einmal sehr eilig von diesem Platz fortzukommen, der mittlerweile fast menschenleer war. Kurogane ließ sich einfach mitziehen und beschränkte sich darauf nicht zum dritten mal Bekanntschaft mit dem, ihm immer verhasster werdenden, nassen Element zu machen. Sicher führte ihn Fye über unzählige Stege und allmählich vom See selbst fort. Nach gut 25 Minuten waren sie in einem Stadtteil, der dem der vorigen Nacht wenig ähnelte. Er sah sich umzingelt von unzähligen in den Himmel ragenden, glänzenden Hochhäusern und Geschäften. Es stank nicht mehr, sondern roch nach allemöglichem: Zitrone, Himbeere, Essen, Shampoo etc. Nach allem eben, nur nicht natürlich. Und irgendwo auch noch nach Wasser. Zielsicher zog ihn Fye durch das anlaufende Gedränge, an großen Fernsehbildschirmen vorbei und Ständen, an denen Waren angeboten wurden, denen er nur so viel Beachtung schenkte, um zu realisieren, dass es von Früchten, über Kleider bis hin zu Hightech hier alles gab. In einer anderen Welt, von der er nur noch wusste, dass sie einen recht bescheuerten Namen gehabt hatte, waren sie zu fünft einmal auf einer sogenannten „Hightechmesse“ gewesen und es hatte ihn damals regelrecht umgehauen. Jetzt beeindruckte ihn das ganze weniger. Irgendwann gewöhnte man sich an solche Anblicke und Kulturschocks, wenn man durch so viele Welten reiste wie ihre Gruppe. Das Einzige, mit dem er sich in solchen Welten rumschlug, waren Motoren und irgendwelchen sonstigen Fortbewegungsmittel. Zwangsmäßig. Die Blagen waren meist zu jung für alles und Fye... würde er nie wieder ein Steuer in die Hand geben. Er konnte sich nur zu gut an die letzte Bruchlandung erinnern. Der Magier hatte zwar in Piffle World (schon wieder so etwas abartiges süßes) im Rennen einen recht guten Eindruck gemacht, aber so was wie „Autofahren“? Einmal die Konzentration verloren vor lauter Quatschen und Herumalbern, landeten sie mit 100%er Wahrscheinlichkeit (wieder) in einem Graben. Er hasste so etwas. Total in seinen Gedanken versunken hatte er nicht mitbekommen, wie der Magier ihn irgendwann einfach vor einem riesigen Fernsehbildschirm in irgendeiner so und so vielten Etage des Einkaufszentrums- wohl eher Palastes- abgestellt hatte und verschwunden war. Kurogane hoffte inständig, dass sie auf dem Weg zu den anderen waren und sich sicher, dass der verplante Magier irgendwann wiederkommen würde –vorrausgesetzt er verirrte sich nicht-, setzte er sich einfach an Ort und Stelle auf den Boden unter den Bildschirm, auf dem ihm eine nur knapp bekleidete Frau irgendetwas verkaufen wollte. Natürlich in einer für ihn unverständlichen Sprache. Vorsichtig untersuchte er seine Stirnwunde. Die Situation kam ihm lächerlich bekannt vor. Das letzte Mal als er mitten in einer Menschenmasse geduldig auf jemanden gewartet hatte, war als er noch klein war und die Hand seiner Mutter ständig auf dem Markt verlor. Was war bloß los mit ihm, dass er dauernd an früher dachte? Normalerweise waren die Gedanken an seine Kindheit düsterer und den blutigen Anblick seiner Mutter damals würde er niemals vergessen. Schwer seufzte er und hoffte inständig hier SCHNELL wieder weg zu kommen. Dünne Jeansbeine stellten sich plötzlich in sein Gesichtsfeld und im nächsten Moment hatte er fast Fyes blonde Haare im Gesicht. Sein unwilliges Grummeln verstummte jedoch als ihn Fye etwas in die Hand drückte. Es war aus Plastik und in ihm befand sich irgendetwas weißes, was ihn an Joghurt erinnerte. Wenn das was Süßes war, dann würde er den anderen erwürgen. Gerade als Fye ihn auch noch einen weißen Plastiklöffel, der sich noch in einer durchsichtigen Verpackung befand, in die Hand drückte, brummte sein Magen in einer beachtlichen Lautstärke und Fye fing an zu lachen. Er setzte sich neben ihn unter den Bildschirm und sie aßen schweigend, während sie die Menschenmassen beobachteten, die selbst so früh am Morgen geschäftig wie Ameisen durch die 17 Stockwerke des Einkaufszentrums huschten. Eine ganze Weile verging, in der sie einfach nur hier saßen. Kurogane fragte sich, ob Fye die anderen schon gefunden hatte, aber er bezweifelte es. Auch Mokona schien nicht in der Nähe zu sein, da sie sich immer noch nicht verstanden. Nachdenklich musterte er den anderen. Fye schien sich hier mittlerweile recht gut auszukennen und sah gut aus, nur dass er offensichtlich etwas übermüdet war. Seufzend lehnte er sich zurück und schmiss den leeren Plastikbecher zielsicher in ein einen Behälter, den er für einen Mülleimer hielt. Es war tatsächlich Joghurt gewesen. Aus den Augenwinkeln sah er, wie ihn jetzt auch Fye musterte. Irgendetwas stimmte hier wirklich nicht. „Was?“, fuhr er den Blonden an, einen Moment vergessend, dass sie sich eh nicht verständigen konnten. Der Magier erwiderte leise auf seiner Sprache etwas, was Kurogane eh nicht verstand. Und scheinbar war es auch nicht wirklich für seine Ohren bestimmt, denn Fye winkte einfach ab, als er ihn fragend ansah. Als auch Fye seinen Becher bis auf den letzten Rest genüsslich ausgekratzt hatte, deutete der Magier auf seine Stirnwunde. Kurogane winkte ab. Machte sich aber eine innerliche Notiz den Magier noch gehörig auszupressen und sich dieses Verhalten erklären zu lassen, wenn sie wieder die selbe Sprache sprachen. Aber hier und jetzt mussten sie sich auf anderes konzentrieren. Mit einem Seufzen wand er sich an den Magier und versuchte es einmal ganz rudimentär: “Sakura? Shaolan? Wo sind sie ?“ Zumindest die Namen musste er verstehen und wenn der Magier wenigstens etwas Grips hatte, konnte er auch schlussfolgern, was wohl Kuroganes erste Frage sein würde. "Sakura? Shaolan?“ Pures Unverständnis. So konnte man sich irren. „Mokona.“ Verzweifelt formte er mit den Händen ein eiförmiges Ding, das etwa in Mokonas Größe sein dürfte. Fye legte den Kopf schief. Deutete dann auf ihn und fragte: „Mokona?“ Das war ja nicht zum aushalten! Energisch schüttelte Kurogane den Kopf und formte an diesen mit den Händen lange Schlappohren. „Mokona. Pyuuuu~." Der Magier sah ihn einen Moment an, als wäre er nicht richtig im Kopf, deutet dann auf sich selbst und meinte „Fye.“ Was sollte das, er wusste wie der andere hieß! Sich seinem Schicksal ergebend, er hatte ja dank Fye de Flourite sehr viel Übung darin, deutet er auf sich selbst und sagte: „Kurogane.“ Fye strahlte auf einmal wieder über das ganze Gesicht und umarmte ihn kurzerhand. „Kuro-piii!“. Sich gar nicht erst aus der Umarmung lösend vergrub der Ninja das Gesicht in einer Hand. Egal in welcher Sprache, Fye würde seinen Namen immer verunstalten. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sie gingen. Mal wieder. Langsam fiel Kurogane für diese Stadt und ihre Bewohner nur noch eine Bezeichnung ein: Rastlosigkeit. Fye passte erschreckend gut hier hin. Die Umgebung hatte sich nicht viel geändert, nur das sie sich jetzt wieder durch abgelegene, wenig belebte Seitengassen bewegten. Fye hatte seine Hand gehalten, um ihn in den Menschenmassen nicht zu verlieren und bisher nicht losgelassen. Noch dazu wich er seinem Blick aus. Was war den jetzt schon wieder los? Langsam wirbelten so viele Fragen in Kuroganes Kopf rum, dass er die Antworten schon gar nicht mehr wissen wollte. Wenigstens waren seinen Kopfschmerzen verschwunden, was auch immer Fye ihm auf die Stirn geschmiert hatte, es wirkte mehr als gut. Auf einmal versperrte ihnen jemand den Weg. Oder etwas. Wenn es ein Mensch war, dann war er von oben bis unten in einer seltsamen Rüstung gekleidet. Er selbst hatte sein Schwert mit einem Gurt immer noch am Rücken befestigt und wenn es Ärger geben sollte, war er nur zu gerne dabei. Er brauchte gerade eh einen Kampf, in dem er seine momentane Frustration entladen konnte. Doch statt ihm auch nur eine Chance zu geben, ließ Fye plötzlich seine Hand los und ging wortlos auf den Mann/das Ding zu, krempelte den Ärmel hoch und zeigte ihm irgendetwas. Moment, das hatte er doch schon mal gesehen? Ein leises Piepen waren zu vernehmen als der Mann/das Ding mit einem klobigen Handschuh über Fyes Unterarm fuhr, erst den einen Arm, dann denn anderen. Eine Spannung lag auf einmal in der Luft, doch Fye drückte dem Mann/dem Ding unauffällig ein kleines Fläschchen mit rötlichen Flüssigkeit in die andere Hand. Unauffällig, aber nicht unauffällig genug für den Ninja. Doch Fyes Plan schien nicht aufzugehen, denn der andere schüttelte nur den Kopf und hielt Fyes Arm fest. Mit einem Seufzen und dem typischen Lächeln im Gesicht griff Fye wieder in seine Tasche und beförderte ein zweites Fläschchen hervor und verzog keine Miene, als sich eine klobige Hand auf seine Hüfte legte. Kurogane Hand zuckte leicht zu seinem Schwert, doch ein warnender Blick von Fye ließ ihn einfach weiter beobachten. Das Ding – Kurogane entschied sich, dass es wohl ein Mensch war, aber zu unförmig, um als einer bezeichnet zu werden- deutete auf ihn und Fye erwiderte ruhig etwas in dieser unverständlichen Sprache. Doch er sah nur zu deutlich, dass die Körperhaltung des Magiers angespannt war. Die Diskussion ging weiter und als die klobige Hand nach unten auf Fyes Hintern rutschte, hatte Kurogane genug und zückte sein Schwert. Souhi wurde ihm fast aus der Hand gerissen, als etwas hartes dagegen donnerte, abprallte und ein Loch neben ihm in die Wand bohrte. Doch bevor Kurogane überhaupt zum Angriff ansetzten konnte, hatte Fye seinem Gegenüber auch schon den Helm abgerissen und das Knie in sein Gesicht gedonnert. Benommen taumelte ein schwarzhaarige Mann nach hinten und Kurogane hatte fast Mitleid, wusste er doch mittlerweile wie hart Fye zutreten konnte. Einen Sekunde später war er vorgeschnellt, ein Zischen war zu hören, gefolgt von einem dumpfen Aufprall und eilig zerrte Fye den nun bewusstlosen Körper in eine Seitengasse. Kurogane hatte den Kerl nur mit dem Schwertknauf bewusstlos geschlagen, obwohl er wirklich Lust auf andere Dinge hatte. Aber so ein schwacher Gegner war nicht würdig getötet zu werden und er würde deswegen nicht die Wirkung des Fluches auslösen. Hastig durchsuchte der Magier den Bewusstlosen und beförderte ein längliches schwarzes Gerät zutage, auf dem er eilig herumtippte. Kritisch zog Kurogane die Augenbrauen zusammen. Der Magier kannte sich etwas zu gut aus. Entweder war er sehr lange ohnmächtig gewesen oder dies hier war gar nicht der Fye, den er kannte, sondern der aus dieser Welt. Das würde einiges erklären, z.B. warum er seinen Namen oder den der Kinder nicht wusste oder ihn angegriffen hatte. Andererseits hatte er Kurogane mit seinen typischen Lieblingsspitznamen „beglückt“, was wieder für den Fye sprach, den er kannte. Bevor er weiterdenken konnte, schnappte dieser wieder seine Hand und rannte mit ihm los, schlüpfte durch versteckte Winkel und Geheimtüren, kletterte mehr oder weniger geschickt über Zäune und irgendwann gingen sie einen großen unterirdischen Gang entlang, der an einen halb verfallenen – wie hießen diese Dinger noch einmal, versuchte sich Kurogane krampfhaft zu erinnern, ah U-Bahnen- U-Bahntunnel erinnerte. Hier und da strahlte helles Sonnenlicht in den Gang und unzählige Stäbe und eingebrochene Geländer ließen die Umgebung in seinem Geiste zu einem verrückt anmutenden, metallenen Bambushain werden. Immer wieder beobachtete er wie Fye unauffällig und in Gedanken versunken mit den im Sonnenlicht tanzenden Staubflocken spielte, sie durch seine Finger gleiten ließ, um sie dann fast sehnsüchtig mit seinen Blick zu verfolgen. Irgendwann auf ihrem Weg hatte Fye nicht mehr nach seiner Hand gegriffen und Kurogane war das auch nur recht. Er wusste immer noch nicht, was er davon halten sollte. Allerdings gab es momentan einfach zu viele Fragen, sodass dieses Verhalten einfach nur ein weiteres großes Fragezeichen in seinem Kopf bildete. Plötzlich blieben sie vor einer halb zugestellten, angerosteten Metalltür stehen und Fye – oder doch nicht Fye, wie auch immer – sah ihn einen langen Moment prüfend an. Wieder fiel ihm dieser seltsame Unterton in den, im halbdunkel grau erscheinenden, Augen des Magiers auf. Dieser nickte mehr zu sich selbst und drückte gegen die schwere Metalltür, die mit einem lauten Knarren aufging. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ [1] Meine Betaleserin hatte Sorge, dass das manche nicht verstehen könnte, weil es ja kein Hochdeutsch ist. "Nicht übel Lust“, bedeutet nicht etwa „keine Lust“, sondern ungefähr „Er fühlte sich nicht abgeneigt ihm jetzt den Kopf abzureißen“. Ich wollte es nicht rausnehmen, weil ein wenig Umgangssprache meiner Meinung nach zu Kuro passt. [2] In Japan ist das 4jährige ein ganz besonderer Tag, an dem die Kinder in die feinsten Klamotten geschmissen werden, in den Tempel gehen und so etwas wie einen göttlichen Segen bekommen, wenn ich mich recht erinnere. Korrigiert mich bitte, wenn ich hier falsch liege. 3. Kapitel - (Das Lager der Namenlosen) ---------------------------------------- Das, was sich hinter der Metalltür befand, überraschte Kurogane. Sein erster Gedanke war, dass es groß war. Sein zweiter, was diese Leute hier wohl hergetrieben hatte. Der Ort ähnelte einer weitaus kleineres Version des Einkaufszentrums, in dem sie gerade noch gerastet hatten, doch war weitaus zerfallener. Trat man durch die Eisentür, befand man sich auf einem kleinen Platz. Am Ende des Platzes erhob sich eine Front aus sieben offenen Gängen mit ihren Geschäften und ein fast völlig zerfallener, inaktiver Springbrunnen trohnte, vor einem Gang, der weiter in das Innere führte. Überall von den Gerüsten hingen bunte Stoffe und Menschen waren auf ihnen unterwegs oder hangelten sich über die Provisorien. Viel war zerstört, wie nach einem Bombenangriff und deswegen befand sich auch fast alle fünf Meter ein Seil oder Steg als Hilfe. Leitern waren überall angebracht und schienen der einzige Weg, um in ein anderes Stockwerk zu kommen. Die hohe Decke wölbte sich gefährlich nach unten und war vielerorts nur notdürftig repariert. Die riesigen Fensterfronten, die in den sonstigen Einkaufszentren mit wunderschönen bunten Gläsern geschmückt waren, waren glaslos und dahinter war nichts außer eine Wand aus Geröll zu sehen. Scheinbar hat man die neuen Einkaufszentren einfach über dem alten gebaut. Und überall waren Menschen, Stimmen und es brannten kleine Lagerfeuer, denn in dem Gewölbe war es empfindlich kalt, da es unter der Erde lag, dazu auch noch meist ohne Beleuchtung. Nur hier und da hingen ein paar Petroleumlampen. Offensichtlich gab es hier unten keinen Strom. Kurogane hatte sein Katana schon gezogen und an die Kehle des braunhaarigen Mannes gepresst, der ihm gerade eine Waffe an dem Kopf hielt, bevor das leise Klicken der entsicherten Sicherung überhaupt zu hören war. Gut zehn andere Männer, ebenfalls schwer bewaffnet, standen um sie herum und sahen ihn grimmig an. Aus dem Augenwinkel erkannte er auch noch ein paar Schützen auf den Geländern und hier gab es keine Deckung. Ruhig ließ er das Schwert wieder sinken. Er wusste, wann er sich auf einen sinnlosen Kampf einließ. Das alles geschah in Sekundenschnelle und Fye wedelte sofort mit den Händen und sprach auf den Schützen ein. Der musterte den Blonden kritisch, scheinbar kannten sie sich, und maulte dann etwas unverständliches, aber garantiert unfreundliches, zurück. Der Blick, den er Fye zuwarf, sagte alles und Kurogane konnte es dem Kerl nicht mal verübeln, dass er Fye nicht mochte. Man brauchte ja schließlich auch gute Nerven, um den hyperaktiven Quälgeist auszuhalten. Fye schien nach einem kurzem Streit, den die anderen Männer nur zurückhaltend beobachteten, als Sieger hervorzugehen, denn der Kerl nickte und machte den Weg frei. Gerade wollten sie losgehen als er sie doch wieder anhielt und auf sein Schwert deutete. Fye schüttelte den Kopf und schon hatte der Kerl nach Souhi gegriffen. Der dachte doch nicht, er würde ihm sein Schwert überlassen? Doch schon lag Fyes Hand auf seiner, drückte zu und zischte den Mann wütend an. Überrascht sah Kurogane zu dem Magier. Das waren ja mal ganz neue Töne. Nachdem der Kerl Fye noch etwas warnendes zugezischt hatte, tollte er sich tatsächlich davon. Erleichtert atmete der Magier durch und gab sein charakteristisches „Fiuuuu~“ von sich. Nachdenklich sah Kurogane dem Kerl hinterher. Er hatte eine üble, frische Wunde quer über dem linken Auge gehabt. Woher die wohl stammte? Bisher hatte er diese Welt für recht friedlich gehalten, nirgendwo hatte er streitende Leute gesehen und nicht einen einzigen Taschendieb im Einkaufszentrum. Doch diese Menschen waren schwer bewaffnet. Fye führte ihn weiter und mehr Leute strömten jetzt auch auf den Platz mit dem Brunnen. Scheinbar waren sie durch irgendwelche Sicherheitsvorkehrungen gewarnt worden, doch jetzt wurden sie, oder vielmehr er, nur kritisch aber nicht wirklich ängstlich beäugt. Den Gang hinter den Brunnen durchquerend kamen sie in eine weitere Halle. Sie war kleiner, rund und mit vielen kostbar aussehnenden Tüchern behangen. Überall auf dem Boden lagen Decken oder standen zeltartige Gebilde und auch hier brannten zahlreiche kleine Lagerfeuer, die verrückter Weise keinen Rauch entwickelten, oder bildete er sich das nur ein? Auch hier war lebhafter Betrieb und hier und da schliefen Menschen. Meist Kinder oder Ältere. Wieder nahm Fye ihn an der Hand und zerrte ihn in eines der größeren Zelte. Das Zelt war mit Decken ausgelegt und hier und da standen ein paar Bücher in den Ecken, die das Gebilde aber mehr zu stabilisieren schienen als zum Lesen gedacht zu sein. Allgemein schienen es die Leute hier recht bunt zu mögen. Die Zeltwände, wie auch die Decken und Kissen waren aus vielen verschiedenfarbigen Stoffen zusammengenäht und meist kunstvoll verarbeitet, auch wenn teils schon recht ausgeblichen und alt. Über einer Schüssel mit einer grünlichen Flüssigkeit gebeugt saß ein älterer Mann mit einer verstaubten Brille und langen grau-schwarzem Haaren, die zu einem Zopf gebunden bis zu seiner Hüfte reichten. An manchen Stellen war er jedoch schon kahl, was ihm, Kuroganes Meinung nach, einen etwas zusammengeflickten Eindruck verlieh. Doch man sollte Menschen, vor allem ältere, niemals nach dem Aussehen beurteilen, hatte Kurogane schon früh in seiner Ausbildung gelernt und offensichtlich schien dieser Kerl so etwas wie der „Älteste“ zu sein. Erst jetzt viel ihm auf, dass er seit seiner Ankunft oben keinen Menschen gesehen hatte, der älter als 40 wirkte. Überrascht sah der Alte von der Schüssel auf und strahlte Fye regelrecht an, sah kurz zu Kurogane und plapperte dann drauf los. Na, die beiden passten ja zusammen. Nachdem er dem Gespräch, in dem der Alte wie im Takt nickte und Fye ihm offensichtlich erzählte was es mit dem Ninja auf sich hatte und dabei immer wieder zu ihm sah, brummte diesem – nicht zum ersten Mal, seit er in dieser Welt gelandet war- der Schädel und er blickte immer unverstehender drein. Es war auch ein Fluch nichts verstehen zu können. Zum ersten Mal wünschte er sich das weiße Wollknäuel her. Irgendwann hatte der Alte ihn einfach nur getätschelt und beide hatten Kurogane angestrahlt als hätten sie ihm verklickert, dass er bald Vater werden würde. Danach hatte Fye ihn wieder aus dem Zelt geschoben und nun saßen sie mit ein paar anderen um ein größeres Lagerfeuer auf ein paar Decken herum und aßen Mais. Kurogane, der seit seiner Ankunft nicht viel gegessen hatte, war dankbar und konzentriert mit seinem Maiskolben beschäftigt und auch Fye schien einmal den Mund zu voll zu haben, um zu reden. Der Schwarzhaarige wurde zwar noch immer von allen Seiten neugierig und teilweise kritisch gemustert, was aber ein paar kleine Kinder nicht davon abhielt quer über ihr Lager zu stürmen und beinahe die Schale mit dem Mais, der für die Gemeinschaft zugänglich an das Lagerfeuer gestellt war, wieder in die Flammen zu befördern. Irgendwo schollt eine Mutter, aber sonst schien sich niemanden daran zu stören. Der Kerl mit der Narbe beobachtete sie bereits die ganze Zeit und ließ ihn keinen Augenblick aus dem Augen. Er konnte ihn verstehen, wenn er für die Sicherheit für solch ein Lager verantwortlich wäre, würde er auch keinen Fremden mit Waffe unbeaufsichtigt lassen. Nach dem Essen verstreute sich die Essgemeinschaft allmählich wieder und auch Fye, der sich nach dem Essen neben dem Ninja zusammengrollt und ein wenig vor sich hingedöst hatte, schien wieder in Hochform zu sein. Der Magier schien über seine Anwesenheit regelrecht euphorisch zu werden und führte ihn überall herum. Die ehemaligen Geschäfte waren meist mit Leder- oder Stoffplanen abgehangen und stellten scheinbar Wohnräume und Lagerhallen für Waffen und Nahrung dar, waren jedoch auch jedermann zugänglich. Gerade wollte sich Kurogane durch ein weiteres Stück des Stoffdschungels schlagen, als Fye ihn am Arm festhielt und auf eine blassrote Blume deutete, die vor dem Eingang lag, bevor er ihn wegzog. Mancherorts wurde laut plappernd abgewaschen und an manchen Feuerstellen auch noch gegessen. Hier und da wurde auch trainiert oder Kleider geflickt, Stege repariert, Kinder versorgt und es gab sogar einen recht großen Raum, der eine Art provisorisches Hospital darstellte. Über dessen Eingang prange gerade noch erkennbar ein grelller Schriftzug, der von einem kleinen Karikaturmännchen mit Kochmütze auf dem Kopf mit Spiegeleiern beworfen wurde. Irritiert schüttelte der Ninja den Kopf. Der Blonde wollte gerade weitergehen als ihn jemand zurückrief. Mit Schwung drehte der Magier sich um und sah sich um, bis er ein braunhaariges Mädchen entdeckte, das an der Eingangstür lehnte und sich auf eine Plastikkrücke stützte. Überrascht zog Kurogane scharf die Luft ein. „SAKURA?“. Verstört sah das Mädchen den großen dunkelhaarigen Fremden an und blickte dann unsicher zu Fye. Der lächelte nur fröhlich und sagte etwas in einem beruhigenden Ton, während er auf sie zu ging, sich runterbeugte und ihr brüderlich gegen die Wange stupste. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass die anderen hier sind, du Idiot!“ Einen Blick nach unten werfend stellte Kurogane fest, dass sie sich wohl den Fuß verstaucht hatte oder ähnliches, denn ein dicker Verband war um ihren rechten Knöchel gewickelt: Wo war eigentlich Shaolan? Erfahrungsgemäß nie weit von der Prinzessin entfernt. Plötzlich räusperte sich jemand hinter ihm. „Ich bitte Sie hier nicht so laut rumzubrüllen. Meine Patienten brauchen absolute Ruhe und es herrscht auch so schon genug Lärm in diesen Gewölben.“ Kurogane fuhr herum. Jemand der seine Sprache sprach! Hinter ihm stand ein dünner, nicht besonders hochgewachsener Mann Mitte dreißig, mit einer kleinen runden Brille auf der Nase, einen langen weißen Kittel und schwarzen, glatten Haar, welches mit einer blauen Kordel notdürftig zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden war. „Dr. Kyle?!“ Dieser räusperte sich beherrscht. „Leiser bitte.“ Irgendwo hinter ihm kicherten Fye und Sakura, aber Kurogane fuhr in der gleichen Lautstärke fort. „Wie kommt es, dass du mich verstehen kannst?“ „Ich erschieße sie, wenn sie nicht gleich ruhig sind,“ bemerkte der Arzt gefährlich ruhig. Der Ninja verstummte, darauf wollte er es dann doch nicht unbedingt anlegen und der Doktor fuhr fort. „Ich kann jede Sprache verstehen und sprechen, weil ich die nötige Übersetzungssoftware besitze. Das ist in meinem Beruf notwendig, da ich auch Patienten behandle, die aus anderen Städten kommen oder nur die Fachsprache der Industriellen kennen.“ Software? Industrielle? Irgendetwas klingelte in seinem Kopf, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, wo er diese Begriffe schon einmal gehört hatte. War wohl so etwas wie bei Mokona, das ihnen die Verständigung ermöglichte. „Ah.. und wo bin ich hier?“, fragte er leiser. „Im Bambushain“, flüsterte Kyle im übertrieben, verschwörerischen Ton zurück, während er sich ganz nah zu ihm lehnte und ein Gesicht machte, als würde er ihm das größte Geheimnis überhaupt erzählen. „Sieht für mich nicht wie ein Bambushain aus.“ „Das liegt daran, dass mindest drei Einkaufszentren darüber gebaut wurden. Aber haben Sie nicht draußen vor dem Eingang die vielen Röhren und Stangen gesehen, die den U-Bahnschacht regelrecht durchspießen, wie ein großes schlangenhaftes Ungeheuer? Der Gründer dieses Lagers hat sich daran sofort an einen Bambushain an seiner Kindheit erinnert und seitdem heißt dieser Ort 'Der eiserne Babushain'. Obwohl mir viele ältere Leute sagen, dass es einem Bambushain nicht im geringsten ähnlich sehen soll. Aber das kann ich nicht beurteilen, ich habe noch nie einen gesehen.“ Die Kleine war mit Fyes Hilfe mittlerweile zu ihnen gehumpelt und sah von einen zum anderen. Fye grinste wie üblich und Kurogane fragte sich, warum der Kerl so geschwollen reden musste. Leise sagte der Magier etwas zum Doktor und der Ninja wurde aufmerksam. Hatte er da gerade die Namen Sakura und Shaolan herausgehört? Der Doktor lächelte wohlwollend und wand sich wieder an ihn. „Er hat mich gefragt, ob ich Ihnen etwas über zwei Personen namens 'Shaolan' und 'Sakura' erzählen könnte, aber ich muss gestehen mir ist so jemand nicht bekannt.“ „Aber, da steht sie doch...“, gab Kurogane verwirrt zurück und deutete auf Sakura. „Es muss sich um seine Verwechslung handeln, das hier ist Hime... -chan.“ Kyle hatte etwas gestockt, als hätte er sich erst noch überlegt, welchen Suffix er verwenden könnte. Sakura sah ihn mit ihren typisch freundlichen und naiven Augen an und Kurogane beschloss sie im Blick zu behalten, auch wenn sie eventuell die Sakura aus dieser Welt war. Mittlerweile hatten sich Kyle und Fye unterhalten. „Sie werden sicher Morgen eines der frisch gelieferten Übersetzungsprogramme bekommen, dann können Sie sich auch mit den anderen kommunizieren, aber bis dahin sollten sie uns hier nicht verloren gehen! Am besten, Sie bleiben immer in der Nähe von Fye-....“, wieder eine Denkpause. Warum ließ er's nicht einfach weg, wenn er damit mit ihnen nicht zurecht kam? Wie wurde das überhaupt übersetzt?, „ –kun. Er verläuft sich zwar ständig, aber weiß sich durchzuschlagen. Und jetzt entschuldigen Sie mich. Ich muss einen Arm annähen.“ Und schon war der Mediziner wieder im Hospital verschwunden. Fye hatte mittlerweile die Kleine Huckepack genommen und sie in ihr Bett zurück gebracht, ließ sich noch einen Schmatzer auf die Wange geben und kehrte dann, Sakura noch zum Abschied zuwinkend, zu seinem Begleiter zurück und zog ihn weiter. Er traf weitere bekannte Gesichter wieder, wie z.B. Souma, die mit einem angenervten Blick und einem schreienden Blag auf dem Arm an ihm vorbeistürmte, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Wie sie schon oft festgestellt hatten, waren die Personen die selben und doch nicht die selben. Doch das „Herz“ blieb das selbe, auch wenn die Personen in völlig anderen Welten lebten, völlig andere Lebensumstände und Vergangenheiten hatten. Behauptete zumindest die Hexe. Nun, dann konnte er ja nur inständig hoffen, dass Kyle seine Patienten nicht heimlich entführte wie die Kinder in Jade World. Drei Stunden später hatte Kurogane eindeutig genug und sie gingen zurück zu ihrem Lager. Sofort ließ Fye sich in die Decken fallen, murmelte unverständliches in den Stoff, während zwei große eisblaue Augen müde zu dem Ninja aufblinzelten. Kurogane war nicht weniger erschöpft. Sie waren den ganzen Tag herumgelaufen und zwei Ausflüge ins kalte Wasser hatten seinen Körper ausgelaugt. Sein Katana in Griffweite streckte er sich ebenfalls auf den Decken aus und wunderte sich als Fye ihn regelrecht glücklich schläfrig ansah. Beschließend nicht darüber nachzudenken, schloss Kurogane die Augen und wäre fast weggedriftet, doch er spürte, wie sich jemand über ihn beugte. Er nahm seine Aura wahr und brauchte nicht einmal die Augen zu öffnen, um zu wissen, dass es Fye war. Mit einem Seufzen schob er ihn weg, drehte ihm dem Rücken zu und konnte endlich ein wenig Ruhe finden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kommentar: Reichlich kurz dieses Kapitel, dafür ist das nächste um so länger ^^ Falls sich jemand an ihn erinnern, Kyle war der Arzt aus Jade World, der die ganzen Kinder entführt hatte, um an Sakuras Feder zu gelangen! Souma dürfte klar sein, oder? Der Vollständigkeit halber, da es ja keine Charakterprofile gibt: Souma ist eine Ninja aus Kuroganes Welt, die mit ihm zusammen Prinzessin Tomoyo beschütz und in RG Veda einer der Sterne. 4. Kapitel - (Spinnen) ---------------------- Irgendwann im Halbschlaf wurde er an der Schulter geschüttelt. Unwillig brummte er im Schlaf, war es doch sicher eines der Kinder oder dieser nutzlose Magier. Die genaue Aura konnte er im Halbschlaf nicht erfühlen, aber es reichte zu erkennen, dass sie vertraut war. Halb wieder wegdösend, merkte er, wie er auf den Rücken gedreht wurde. Die sollten seine Finger von ihm wegnehmen, sonst hätten sie seinen Fuß im Gesicht oder sein Schwert in der Brust! Doch plötzlich wurde es angenehm weich und warm. Offensichtlich hatte ihn jemand eine Decke übergelegt. Er beschloss jetzt doch die Augen zu öffnen, starrte jedoch in fast absolute Dunkelheit. Überall war nur noch leises Flüstern zu vernehmen, fernes Schnarchen und das Atmen unzähliger Menschen, auch der Atem der Person vor ihm strich ihm kurz über die Wange als diese ihm die Decke bis zu den Schultern zog. Alle Feuer waren gelöscht worden und es war empfindlich kalt. Nur die Konturen einer schlanken Gestalt neben sich konnte er sehen, die gerade ihre eigene warme Decke um ihre Schultern schlang. Die Person, die ihn zugedeckt hatte, stand gerade wieder auf und schemenhaft konnte er weiße Zähne erkennen, als sich weiblich volle Lippen zu einem Lächeln verzogen und sie weiterging, um scheinbar noch den anderen Decken zu bringen. “Oh~ so weich!“, freute sich Fye gerade neben ihm, währen Kurogane noch der jungen Kriegerin hinterher sah, und kuschelte sich um so mehr in die Decke. Kuroganes Augen hatten sich mittlerweile an die Lichtverhältnisse gewöhnt, denn irgendwo an der Decke brannte noch schwach und einsam eine Petroleumlampe. Kleine Kältewolken bildete sich vor Fyes Lippen, es war wirklich eiskalt und Kuroganes nackte Arme schon fast taub. „Seit wann kann ich verstehen, was du sagst?“ “Muss an Souma gelegen haben, sie hat einen Übersetzer mit weitreichender Strahlung“, breit lächeln beugte Fye sich zu dem Dunkelhaarigen. „Du bist die Kälte nicht gewohnt, oder?“ Fye kam eh aus einem Land, in dem es dauernd schneite, doch in Kuroganes Welt Japan war Schnee eine Seltenheit und dann auch nur in der Nähe der Berge. „Ich kann es aushalten, bin schlimmeres gewohnt.“ Unsicher schwieg Fye und Kurogane legte sich wieder hin, sich möglichst so in die Decke rollend, dass nichts von der kalten Luft hereindrang. Warum mussten die auch hier Nachts das Feuer ausmachen?! Gerade wollte er Fye nach dem Grund fragen, als dieser sich neben ihn legte, unter seine Decke schlüpfte und umständlich seine eigenen über sie beide zerrte. “Was wird das?“, fragte Kurogane kritisch. „Körperwärme.“ „Mir ist aber nicht sooo kalt.“ „Du zitterst. Außerdem ist mir kalt.“ „Dann geh zu jemand anderen. Wie kommst du auf die Idee, dass ich dich so nah bei mir schlafen lasse?“ Grob schob er den Blonden weg und ärgerte sich, dass dadurch die ganze kalte Luft unter die Decke drang. “Aber machen wir das nicht immer...?“, unsicher sahen ihn eisblaue Augen an und rote starrten ungläubig zurück. „Wie kommst du bitte darauf?!“ „Nicht?“, es klang fast enttäuscht. “Nein!“ Mit einem kaum hörbaren Seufzen legte sich Fye wieder auf seine Seite ihres Lagers und starrte in die Dunkelheit. “Seit wann bist du schon hier? Du scheinst dich gut auszukennen.“ Erst reagierte Fye gar nicht und starrte nur an die Decke. Doch dann drehte er seinen Kopf zu Kurogane und graublaue Augen sahen ihn unglaublich verloren an. Diesen Blick kannte er. Kannte er von Sakura, wenn sie meinte, dass niemand hinsah und wenn sie jemand zuvor auf ihre verlorenen Erinnerungen angesprochen hatte. „Was ist los, Magier?“ Fye schüttelte einfach nur den Kopf und deutete auf seinen Kehlkopf, bevor er etwas in dieser unverständlichen Sprache sagte. Souma war zu weit weg und sie konnten sich nicht mehr verständigen. „’Wakaranai’ heißt das.“, informierte ihn Kurogane in einem etwas sanfteren Ton. Dieser Blick verwirrte ihn. War der Magier jetzt tatsächlich gekränkt, dass er nicht bei ihm schlafen konnte? Er war doch kein kleines Kind! Obwohl...vom Verhalten her manchmal schon. “’Wakaranai?“ Kurogane nickte. Wenigstens konnte er es vernünftig aussprechen. „Das bedeutet 'ich verstehe nicht' in meiner Sprache.“. Fye nickte ebenfalls, obwohl er ihn höchst wahrscheinlich kein Stück verstand. Deswegen legte Kurogane einen Finger auf Fyes Hals, genau über den Stimmbändern und deutetet dann auf seine eigenen Ohren und schüttelte den Kopf. Verstehen blitze in den Augen des anderen auf. „Wakaranai.“ Gut, sie verstanden sich zumindest so weit, dass sie sich einig waren, sich nicht zu verstehen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Erschrocken fuhr die Kleine zusammen, als sie im Dunkeln gegen einen Steg prallte. Tief atmete sie durch und hielt dann, lauschend, die Luft an, scheinbar hatte niemand den Krach bemerkt. Darauf bedacht kein Geräusch mehr zu verursachen, humpelte sie weiter. Wenn Dr. Kyle sie erwischte würde er sicher schimpfen und ihr das schmerzlindernde Medikament nicht mehr geben. Dr.Kyle war den Bewohnern zu folge zwar ein exzellenter Arzt, konnte aber auch genau so grausam sein, wenn sich seine Patienten wiedersetzten. Sie sollten still sein und ihm vertrauen, dann würde er sie mit höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich wieder zusammenflicken, so sagte er immer. Normalerweise half sie ihm bei dieser Aufgabe auch, aber sie hatte auf einem wackeligen Gelände das Gleichgewicht verloren und sich den Fuß verstaucht. Auch jetzt wankte der Steg gefährlich und sie kniff die Augen zusammen. Einen Fall aus dem fünften Stockwerk auf den Steinboden würde sie nicht überleben. Als sich ihr ängstlich schlagendes Herz beruhigt hatte, humpelte sie weiter, kletterte die Leiter herunter. Unten angekommen, brach das Mädchen beinahe zusammen und ihr Fuß schmerzte höllisch. Aber sie wollte zu Fye! Wenig später war sie endlich in der ehemaligen Lagerhalle angekommen und es dauerte auch nicht lange, bis sie den Schlafenden nahe an einer erloschenen Feuerstelle fand. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Scharf brannte etwas in seinen Lungen und hinter seinen Schläfen pochte es unangenehm. Dieses Deja-vu-Gefühl gefiel ihm wirklich nicht. An seinem Rücken war es angenehm warm, aber in seinem Gesicht und an seinen Füßen gleichzeitig eiskalt und eine Spannung lag in der Luft, die ihn augenblicklich hellwach werden ließ. Gefahr. Rote Augen starrten gegen eine leicht schwingende Petroleumlampe an der Decke, die ihr schwaches Licht nur spärlich in der großen Halle verbreitete und sein eigener, gemäßigter und kaum zu hörender Atem bildete schwach erkennbare Rauchwolken vor seinem Gesicht. War es noch kälter geworden? Neben ihm bewegte sich der blonde Magier im Schlaf und die durch die Bewegung verrutschte Decke verursachte ein dumpfes Geräusch, welches sich gerade noch an der Grenze des Wahrnehmbaren befand. Sonst war es totenstill. Zu totenstill für eine Halle voller Menschen. Langsam und lautlos griff Kurogane nach seinem Schwert und befreite sich von dem blonden Mann, der im Schlaf doch näher zu ihm gerückt war. In der Position hatte sein Atem die ganze Nacht gegen seinen Nacken gestrichen, was erklärte warum sich die Stelle dort warm und etwas feucht anfühlte. Die Wärme war also von Fyes Körper gekommen, doch ganz vertreiben konnte sie die eisigen Temperaturen, die mittlerweile in der Halle herrschten, auch nicht. Unwillig hielt sich Fye etwas an ihm fest, als er ihn wegschieben wollte, und wollte ansetzen im Schlaf zu protestieren, wie er es immer tat. Fye redete sogar im Schlaf und aus Erfahrung wusste Kurogane, dass der Magier oft unwilliges Murmeln oder wehleidige Laute im Halbschlaf von sich gab, wenn er ihn bewegte oder mit dem Fuß aus dem Weg schob. Besonders schlimm war es natürlich, wenn die Gruppe mal wieder viel zu tief ins Glas gesehen hatte. Doch statt die Stille mit einem unsinnigen Laut zu durchbrechen und sie somit womöglich zu verraten- denn irgendetwas stimmte hier definitiv nicht- bewegten sich die schmalen Lippen nur lautlos und im nächsten Moment musterten ihn müde aussehende und verhangende Augen. Einen Moment schien Fye tatsächlich wieder weiterschlafen zu wollen, denn er zog die Decke fester um sich und warf Kurogane einen vorwurfsvollen Blick zu, als wäre es eine Unmöglichkeit gewesen ihn von seiner Wärmequelle wegzuscheuchen. Doch dann riss er plötzlich erschrocken die Augen wieder auf und richtete sich gezwungen langsam und vorsichtig auf. Erst jetzt bemerkte der Ninja, dass noch eine dritte Person auf ihrem Lager lag. Sakura, beziehungsweise in dieser Welt 'Hime', lag dicht an den schmalen Rücken des Magiers geschmiegt, die Augen ängstlich zusammengepresst und die Arme um Fyes Brust geschlungen, als wäre er ein Rettungsanker und sie eine Ertrinkende auf hoher See. Selbst als Fye sich aufrichtete klammerte sie sich noch an ihn. Beruhigend strich er der Kleinen durchs Haar und durchsuchte mit wachem Blick die Dunkelheit. Kurogane konnte erkennen, dass er nur zu deutlich atmete, denn die Kältewolken vor seinem Mund kamen in schnellen Abständen, aber es war kein Ton zu hören. Nicht einmal ein Herzschlag. Das einzige, was dank jahrelangen Training fast lautlos die absolute Stille durchbrach, war sein eigener Atem und sein Herz, das im gezwungen ruhigem Takt in seinen Ohren wiederhallte. Das war doch verrückt! Auf einmal hörte er ein Klicken. Metallisch und hoch, wie das Entsichern einer Waffe und leises, regelmäßiges Piepen durchbrach die Dunkelheit. Kurogane sah zur Decke, das Geräusch kam von oben. Den Schwertgriff fester packend, wollte er aufstehen, doch der Blonde hielt ihm am Arm fest und legte einen Finger auf seine Lippen. Die Kleine hatte sich mittlerweile noch fester angekrallt und atmete sichtbar heftig. Doch wieder war kein Ton zu hören. Hätte Kurogane nicht das leise Geräusch von Stoff vernommen als Fye ihn zurück auf ihr Deckenlager drückte, hätte er wetten können, er wäre taub. Doch auch das immer lauter und schriller werdende Piepen korrigierten diesen Eindruck. Bildete er sich das nur ein oder kam das Piepen näher? Was machte Fye nur? Wenn es ein Dämon oder sonst etwas ähnliches war, war Liegen eine wirklich ungünstige Angriffsposition! Doch unerbittlich und mit einer überraschenden Kraft, die er ihm nicht wirklich zugetraut hätte, presste ihn Fye runter, löste Sakura von sich und gab ihr Handzeichen, mit denen sie in einer erstaunlichen Schnelligkeit antwortete. Beinahe wäre Kurogane ein überraschtes Aufkeuchen entwichen als sich der lange Körper des Magiers auf ihn legte - der zwar relativ leicht war, aber dennoch ein gewisses Eigengewicht hatte - doch der Laut wurde von Fyes Hand erstickt, die sich vorher vorsorglich auf Kuroganes Mund gelegt hatte. Anschließend rutschte auch noch die Kleine auf ihn und bedeckte so die Seite, die Fye durch ihre unterschiedlichen Statur nicht bedecken konnte. Das konnte doch nicht wahr sein! Er spürte, dass ein Feind hier war und die beiden hielten eine Schmusestunde ab! Doch irgendetwas im Blick seines Reiskameraden hielt ihn davon ab, sich auch nur einen Millimeter zu rühren. Und dann hörte er es: Leises metallisches Trommeln, als würden unzählige metallene Spinnen auf sie zukommen. Augenblicklich spannte sich der Körper über ihm an und auch 'Hime' versteckte ängstlich das Gesicht an seiner Schulter, zitterte unmerklich. Das metallische Trommeln kam näher und vorsichtig wand er den Kopf, um zu erkennen was es war. Unweit von ihnen entfernt befanden sich fünf von ihnen. Sie waren nicht größer als eine Hand und hatten Ähnlichkeit mit Spinnen. Einen runden, oder bei manchen Exemplaren länglichen Kopf, und acht lange spinnenartige Füße aus Metall waren scheinbar das Einzige, woraus diese Viecher zusammengebaut waren. Eifrig huschten die Spinnen über die Decken und Schlafenden, verschmierten die Asche der erloschenen Lagerfeuer, als sie durch die Feuerstellen warteten und hinterließen in der Dunkelheit kaum wahrnehmbare, schwarze Spuren auf dem Steinboden. Oder Blut, denn danach stank es plötzlich regelrecht. Kurogane konnte es nicht erkennen und in der Dunkelheit schienen eh alle Farben schwarz oder grau. Ein Wesen kam näher und lautlos legte Fye ihm eine Hand auf die Wange, um seinen Kopf zu sich zu drehen. Sie lagen jetzt fast Stirn an Stirn und Fyes blonde Haare kitzelten unangenehm in seinem Gesicht und warmer, gezwungen ruhiger, Atem strich immer wieder über seine Lippen, wie ein paar Stunden zuvor über seinen Nacken. Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie angenehm Fye roch. Leicht nach Zitrone und etwas Frischem, wie diese komischen Kaugummis in irgendeiner Welt, vermischt mit dem Unterton von Mais. Doch er wurde aus seinen irrationalen Gedanken gerissen als eines der Dinger plötzlich über sie zu krabbeln begann und Kurogane spürte wie die Kleine ihn auch noch eine Hand auf den Kopf legte. Jetzt verstand er! Scheinbar war er der Einzige, den diese Viecher hier wahrnehmen konnten, denn den Rest der mindestens 70 Menschen in der Halle ignorierten sie, wie die Decken und die sonstigen Gegenstände, die auf dem Boden zerstreut lagen. Fye und Sakura – nein, Hime – bezweckten wahrscheinlich ihn zu verdecken! Es kostete ihn sehr viel Selbstbeherrschung nicht einmal zu zucken als kalte, metallene Spinnenbeine seinen Bein hoch krabbelten und eine dünne Nadel schmerzhaft in seine Wade stach. Doch statt dessen schloss er einfach nur die Augen und reduzierte alle beeinflussbaren Körperfunktionen auf ein Minimum. Doch er konnte spüren wie Fye unruhig wurde als er wie tot unter ihm lag. Der Kerl sollte jetzt ja nichts Dummes tun! Doch wie war es anders zu erwarten, denn immer wenn er inständig hoffte, der Magier würde nichts Dummes und Unüberlegtes machen, wurde er eines Besseren belehrt. Nämlich, dass Fye schon grundsätzlich das tat, was er nicht tun sollte! Denn in diesem Moment richtete sich der ehemalige Magier langsam auf und lehnte sich in Zeitlupe zu dem eifrig mit seinem Bein beschäftigten Tierchen, packte es und brach ihm mit einer geschickten Bewegung den Kopf ab. Eine rötliche Flüssigkeit lief über Fyes Hände und Kurogane begriff, dass es sein eigenes Blut war. Regungslos verharrten sie noch mindestens 10 Minuten in dieser Position, doch keine weiteren Krabbeltiere kamen in ihre Nähe. Kurogane hatte Insekten noch nie gemocht. Vor allem, wenn sie sich an heißen Sommertagen in seinem Proviant gemütlich gemacht hatten. Irgendwann waren keine Spinnen mehr zu sehen und auch das Piepen brach abrupt ab. „ .... ....“ Mit einem Schlag ging das Licht wieder an und erleichterte Seufzer raunte durch den ganzen Raum. Sakura blieb einfach erschöpft und nun wirklich zitternd auf ihm liegen und auch Fye gab ein erleichtertes, albernes „Fiuuuuu~“ von sich. Seine Hände waren blutverschmiert und die Spinne in ihre Einzelteile zerfallen, wie ein kaputt gegangenes Spielzeug. Missmutig betrachteten eisblaue Augen wie die dickflüssige Masse ein Loch in die Decke ätzte als sie von seiner Hand runtertropfte. Tat das nicht weh? Offensichtlich schon, denn gerade in diesem Moment schmiss der Blonde das Ding zur Seite und gab ein wehleidiges „kyuuuu~“ von sich. Hime richte sich auf und sagte - wie sollte es anders sein, für ihn unverständlich- etwas zu dem Magier, doch der schüttelte mit seinem typisch falschen, beruhigenden Lächeln den Kopf und rief einer der Vorbeieilenden etwas zu. Kaum zu glauben, dass diese Augen einen Augenblick zuvor absolut selbstsicher und warnend gewesen waren. Zwar lag auch eine gewisse Angst und Anspannung in ihnen, aber wenn er jetzt beobachtete, was für ein Theater der andere Mann machte als einer von Dr. Kyles Assistenten seine Hand verarztet bekam, während ihr Chef an seinem eigenen Bein herumdokterte (oder es eher halb brach), war es kaum vorstellbar, dass er ihm gerade wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. Durchdringend sah er den Doktor an, einer der wenigen, die hier seine Sprache sprachen. „Was zur Hölle WAR das?!“ "Bitte seien Sie still, ich versuche gerade was aus Ihnen herauszubekommen. Sie wissen gar nicht wie infektiös diese verfluchten Dinger sein können!“ Infektiös? Das hörte sich nicht wirklich gut an. „Fye!“, unwirsch und irgendwie verärgert drehte sich der Doktor zu den jammernden Patienten hinter ihm um. „Welche Art?“ Der Angesprochene sah etwas ratlos drein. „Keine Ahnung, ist so was wichtig?“ “JA, verdammt noch mal!“ Kurogane war ein wenig beunruhigt. Gift also. „Was für ein Gift ist es?“ “Ein Gift dass Ihnen wahrscheinlich die Eingeweiden wegfressen wird, junger Mann“, ignorierte Dr. Kyle den Fakt, dass er so alt nicht war und stocherte mit einer Nadel in seiner Wunde herum. „Ich fürchte das Bein müssen wir amputieren.“ "Amputieren?!“ “Das heißt abnehmen, mein Lieber.“ Geschockt starrte ihn der Ninja an. Das war doch nicht sein Erst, oder?! Plötzlich räusperte sich jemand hinter ihm und im nächsten Moment bekam Kyle seine Arzttasche gegen den Hinterkopf gedonnert. „Verdammt noch mal, du Sadist! Mach deinen Patienten nicht so eine Angst und gib ihm endlich das Gegengift!“ Souma stand hinter ihnen und wenn Kurogane eines über den Charakter der jungen Frau wusste, dann dass dieser Blick bedeutete, sich schnellstens nach einer Fluchtmöglichkeit umzusehen oder sich auf einen erbitterten Kampf einzustellen. Dieser entfachte dann auch zwischen Kyle und ihr, allerdings nicht so, wie er es von der Kriegerin gewohnt war, sondern mit einem Wortgefecht, bei dem er diesmal wirklich froh war, kaum etwas verstehen zu können. Besorgt sah er auf sein Bein und den Bluterguss, der sich um die Einstichstelle gebildet hatte. Es war etwas kühl, aber weh tat es nicht. Nachdenklich sah er auf das Mäppchen mit diversen Spritzen und Fläschchen neben ihm. Eines davon schien er zu brauchen, aber es sah nicht so aus, als würden Kyle und Souma irgendwann einmal fertig werden. Fye, mittlerweile versorgt und die Hand in einem straffen Verband gewickelt, krabbelte zu ihm und lächelte ihn an als wären sie gerade von einem Picknick zurück und hätten sich nicht eine geschlagene halbe Stunde von diesen Viechern bekrabbeln lassen. “Wisch dir dieses bescheuerte Grinsen aus dem Gesicht. Sofort.“ Er war WIRKLICH nicht in Stimmung das jetzt zu ertragen. Doch der Angesprochene grinste nur etwas breiter. „Aber Kruo-nyooo~“ Beinahe hätte er seine Faust im Gesicht gehabt, aber angesichts der Tatsache, dass er ihn gerade gerettet hatte, beschloss er ihm für den Moment nicht die Nase zu brechen. Statt dessen beobachtete er kritisch, wie Fye einer der Spritzen nahm und mit einer Nadel herumhantierte, die einfach nicht auf die Kanüle passen wollte. „Was tust du da?“ Die Frage beantwortete sich selbst, als Fye sich mit einem „Enemenemuh und raus bist du“ für das Fläschchen mit der gelben Flüssigkeit entschied. „Was wohl, dir das Gegengift spritzen!“ “Nie im Leben, du siehst aus als hättest du keine Ahnung davon!“ “Habe ich auch nicht und jetzt Bein her!“ Eilig zog Kurogane seinen Bein zurück. „Nie. Im. Leben.“ “Vertraust du mir nicht?“ “Noch viel weniger, wenn du eine Spritze in der Hand hast.“ Der Magier grinste jetzt übers ganze Gesicht. „Etwa Angst vor Spritzen, Schwarzer?“ “DAS IST ES NICHT!“ Doch in dem Moment hatte sich Fye schon seinen Fuß geangelt und die Nadel nicht gerade sanft nahe seiner Wunde versenkt. Er würde ihn...! Endlich schien auch Dr. Kyle die Szenerie zu bemerken. „Fye!“ Gott sei Dank. „ Hörst du auch gar nicht zu? Die Nadel muss schon tiefer, sonst wirkt es viel zu langsam!“ Bei allen Göttern... er wollte am liebsten ohnmächtig werden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Sieh es endlich ein..“ , er hasste es, wenn diese Stimme so resigniert klang. Eisblaue Augen sahen ihn nur wissend und fast ein wenig spöttisch an, als er ihm ins Gesicht schlug. “Ist das alles?“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Scheinbar war er das auch wirklich geworden. Resigniert machte er gar nicht erst die Augen auf, sondern dachte lieber über seinen Traum nach. Er fühle sich eh total benommen. Irgendetwas an diesem Traum war anders als seine sonstigen Träume. Er hatte nicht nur unglaublich real gewirkt, sondern auch... irgendwie... es hatte sich angefühlt als hätte er den Magier wirklich geschlagen und ein klammes Gefühl von gerade erst erloschener Wut blieb zurück. Sein Gedankengang wurde jäh unterbrochen, da ihm jemand auf die Nase stupste. „Na, endlich aufgewacht?“ Über ihm hing Fyes Gesicht und sein Grinsen versuchte mal wieder der hier unten nicht vorhandenen Sonne Konkurrenz zu machen. „Ich habe geträumt dir eine Backpfeife zu verpassen“, informierte er den Blonden. Das Strahlen verminderte sich kein Stück. „Das ist aber gar nicht nett!“ Beherrscht schloss Kurogane die Augen und ein unheilvolles Grinsen trat jetzt auch auf seine Lippen. „Beug dich mal mehr runter.“ Der Magier tat es, wich aber geschickt seinem Schlag aus. Ihm zulächelnd als wäre er ein kleines Kind, das er gerade noch davor bewahrt hatte seine Hand auf eine kochende Platte zu legen, hielt er sein Handgelenk fest und wuschelte ihm mit seiner freien Hand durchs Haar. Erst jetzt realisierte Kurogane, dass er offensichtlich im Schoß des Magiers lag. „Nanana, Kuro-chan! Nur weil du dich schämst, wegen der Spritze ohnmächtig geworden zu sein, musst du doch nicht gleich aggressiv werden!“ Wegen der Spritze? „Verflucht noch mal, ich bin ohnmächtig geworden, weil ich nicht zusehen wollte wie du mich umbringst!“ „Und weil er dir ein Schlafmittel gespritzt hat“, kicherte der Sakura-Verschnitt neben ihm. Kurogane wunderte sich, warum er sie verstehen konnte. Auch realisierte er, dass jemand anderes an seinem linken Arm herumdokterte. „Hey...“ Shaolan sah auf und lächelte ihn beruhigend zu. „Gleich fertig.“ Kurogane seufzte. Dieser Shaolan war auf dem rechten Augen nicht blind, also nicht die Version, die er suchte. Kritisch beobachtete er wie der Junge fachmännisch eine kleine schwarze Platte unter seine Haut schob, an deren Ende viele dünne Kabel befestigt waren. „Keine Sorge, Kuro-pii! Er hat Ahnung.“ “Im Gegensatz zu dir. Wolltest du mich umbringen?!“ „Keine Sorge“, informierte ihn die Kleine. „Fye wusste schon was er tat. Er hat dir nur ein Schlafmittel gespritzt, weil das eigentliche Gegengift sehr schmerzhaft ist. Du hast auch fast zwei Tage durchgeschlafen. Soll ich dir was zu Essen holen, du hast sicher Hunger!“ Faszinierend wie ähnlich sich die beiden waren, aber das war ja eigentlich nicht verwunderlich, schließlich waren sie rein theoretisch die selbe Person. Shaolan werkelte weiter an seinem Arm, was er da tat würde schon seinen Grund haben, schließlich war es Shaolan, und der Magier strich Kurogane immer wieder sanft durchs Haar, als wollte er ihn beruhigen. Grob packte er seine Hand und zog sie weg. „Verdammt noch mal! Was ist nur los, dass du mich die letzte Zeit dauernd befummeln musst?!“ „Entschuldige“, dieses Grinsen straften seine Worte Lügen „Ich war nur einen Moment fasziniert wie weich das ist.“ Leicht zupfte er mit der anderen Hand in seinem Haar herum und mal wieder wünschte der Ninja sich den nervigen Magier einfach abschalten zu können. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Mit flinken Fingern werkelte Shaolan an seinem Arm herum, während er seinen gebackenen Reis aß. „Und du bist sicher, dass du nicht Sakura heißt?“. War ja eigentlich egal aber er wollte sicher gehen, dass sie es auch wirklich war. “Ja... ich.. die Leute hier haben mir den Namen gegeben als ich klein war..“ „Sie ist meine Schwester. Wir haben sie aufgenommen, als sie ungefähr vier war“, informierte ihn Shaolan, stopfte sich auch eine Portion Reis in den Mund und arbeitete dann konzentriert weiter. Wie Kurogane erfahren hatte an einem Ding, welches seine Verständigungsproblem ein für alle mal beseitigen würde. Diese sogenannten „Übersetzer“ machten es ihm möglich, je nach Version, verschiedene Sprachen zu verstehen. „So fertig!“, zufrieden grinsend strich sich Shaolan die Haare aus dem Gesicht und verschmierte dabei etwas Reis auf seiner Stirn, den Hime kichernd wegwischte. „Danke.“, kritisch begutachtete der Krieger seinen Arm. Nur wenn man darüber strich konnte man die Platte spüren und die rötlich schimmernde Schnittwunde heilte dank einer Salbe auch recht schnell. „Und wie funktioniert das?“ „Ich hab dir einen eingebaut, der sich automatisch auf die Sprache deines Gegenübers einstellt, da Fye meinte, dass du es nicht gewöhnt bist solche Technik in deinem Köper zu haben und zu kontrollieren. Normalerweise kannst du dich auch verständigen, wenn dein Gegenüber selbst keinen Übersetzer hast, allerdings muss man das bei den meisten Geräten manuell einstellen.“ „Hat Fye aus so ein Ding?“ „Nein, er braucht es nicht. Er spricht die Sprache so.“ „Tut er wirklich ?“ "Warum nicht?“ „Wo ist dieses wandelnde Bündel Hyperaktivität eigentlich?“ Kurogane beschloss einfach, nicht darüber nachzudenken, vielleicht hatte der Magier die Sprache irgendwann früher schon gelernt. „Vermutlich beim Alten, ähm, Ältesten. Da solltest du vielleicht auch hin. Dass er dich mitgebracht hat, hat viel Trubel verursacht.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ 5. Kapitel - (Schwarz- weiß (Tag) ) ----------------------------------- Kurogane benötigte nicht lange, um das Zelt des 'Ältesten' wiederzufinden. Zwar benötigte er länger als gewöhnlich, da sich sein Bein immer noch unangenehm taub und kalt anfühlte, aber er hatte keine Schmerzen. Sich an den Blutgestank der gestrigen Nacht erinnernd, sah er sich unauffällig nach weiteren Verletzten um. Er fand keine, das Einzige, was er hier und dort auf dem immer noch mit dünnen Aschelinien verzierten Steinboden entdeckte, waren vereinzelte dunkle Flecken, die sich kaum von dem dunklen Untergrund anhoben. Wie am Abend zuvor herrscht auch jetzt ein reger Betrieb auf den Gängen und in der Halle, als wäre das Ereignis vor zwei Tagen schon längst vergessen. Und vielleicht war es das ja auch. „Und du bist sicher, dass er uns nicht schaden will? Oder ein Spion der Industriellen ist?“, vernahm er die etwas kratzige Stimme des Alten aus dem bunten Zelt. "Ja, bin ich.“ “Du weißt, dass die Kontrolle gestern erst kurzfristig geplant schien und er ein hohes Sicherheitsrisiko darstellt?“ „Weiß ich~“, kam summend die Erwiderung und er hatte dabei Fyes Gesichtsausdruck regelrecht vor Augen. „Und er ist da!“ Schon tauchte der Kopf des Blondschopfes zwischen den bunten Vorhängen des Zelteingangs auf, lächelte ihn freudig an und zog ihn dann in das Zeltinnere. Hier sah noch chaotischer aus als bei seinem ersten Besuch und wieder stand die Schüssel mit der grünen Flüssigkeit in nächster Nähe. „Kurogane also“ lächelte ihn jetzt auch der Alte erfreut an. Kritisch musterte Kurogane die beiden. „Hmm..“ Fye lachte auf. „Gesprächig wie immer, nicht wahr?“ Ihm einen genervten Blick zuwerfend wand Kurogane sich dem Alten zu. „Was hatte das letztens zu bedeuten?! Und was ist das hier für ein Ort?“ Der Gesichtsausdruck des Alten wurde noch eine Spur sanfter. „Ich kann verstehen, dass du viele Fragen hast, mein Junge.“ Kurogane überhörte diese unpassende Anrede einfach geflissentlich, „aber erst mal möchte ich, dass du meine Fragen beantwortest, danach werde ich dir alles erklären, was du möchtest.“ Langsam beugte er sich über die Schüssel und nahm einen tiefen Atemzug. Wedelte sich dann mit der Hand selbst etwas Luft zu und wand sich mit einem großväterlichen Lächeln wieder an den Ninja. „Zunächst, woher kommst du?“ „Aus Japan“, antwortete er wahrheitsgemäß. Vielleicht konnte er mit Hilfe dieses Alten den Aufenthaltsort der anderen herausfinden und eventuell auch den der Feder selbst. Denn momentan wünschte er sich nichts mehr als aus dieser verrückten Welt zu verschwinden. Überhaupt hatte er langsam genug von diesem Spielchen, unzählige Welten zu durchqueren, immer auf der Suche nach den Federn, die ihn eigentlich nichts angingen, und wieder und immer wieder war es nicht seine Welt Japan. Wofür hatte er der Hexe der Dimensionen seinen wichtigsten Besitz, das Schwert seines Vaters, als Preis gezahlt, wenn sein Wunsch eh nicht erfüllt wurde? Manchmal verbrachte er Nächte mit dieser Frage und die Wut auf diese Halsabschneiderin und auch auf Prinzessin Tomoyo ließ ihn Tage lang gereizt reagieren. Insbesondere auf die lächerlichen Aktionen des scheinbar immer gut gelaunten Magiers, der ihn eher selten seine Ruhe ließ, war er mal in Gedanken versunken. Schon wieder leicht wütend werdend konzentrierte er sich lieber auf das Gespräch. „Ah, Japan also! Solch ungewöhnlichen Besuch haben wir selten“, der Alte wirkte begeistert. Ungläubig starrte ihn der Schwarzhaarige an. “Ihr kennt diesen Ort?“ “Nur aus Erzählungen. Früher hatten wir mal Handelsbeziehungen zu diesem Land, aber die sind schon lange abgebrochen.“ Nachdenklich beobachtete er den grünlichen Rauch, der von der dickflüssigen und etwas streng riechenden Flüssigkeit ausging. „Ist Euch noch etwas über dieses Land bekannt?“ Überlegend legte der Alte die Stirn in Falten. „Es gibt dort eine hinreißend niedliche Prinzessin...wie war ihr Name noch gleich?“ Immer noch grübelnd, lehnte er sich abermals über die Schüssel und inhalierte einen tiefen Zug des Duftes. „Ah... nein..“ “Tomoyo-hime?“, schlug Kurogane hoffnungsvoll vor, auch wenn er nicht wusste, warum er sich solche Hoffnungen machte. Die Welten, in die sie reisten, konnten ähnlich sein und die Menschen das selbe Gesicht haben und nur, weil es hier ein Land namens Japan gab, mit möglicherweise einer Prinzessin Tomoyo, hieß das dennoch nicht automatisch, dass es auch seine Welt war. Vielleicht machte er sich auch nur solche Hoffnungen, weil er langsam genug hatte. „Ich kann mich nicht erinnern.“ War das Resultat einer weiteren langen Phase des Nachdenkens und Kurogane wollte es schon aufgeben. Wenn sie Mokona fanden, würde es ihm sicher sagen können, ob dies seine Welt war. Obwohl er noch nie von einer Stadt wie dieser gehört hatte. Aber Welten waren groß und Japan auch nur eine Insel mit zwar weitreichenden Handelsbeziehungen, aber dennoch gab es noch unzählige unerforschte Gegenden und Länder, warum also auch nicht auch so eine hoch entwickelte Stadt? „Aber ich erinnere mich an etwas anderes! An einen jungen Lord, einen sehr sympathischen Mann!“ Aufmerksam sah Kurogane ihn an und bemerkte dabei, wie ihn der Magier musterte und dem Gespräch aufmerksam lauschte. „Sein Name war.. ich weiß, dass er der Lord eines Gebietes namens Suwa war!“ Alarmiert starte ihn der Ninja an, auf weitere Informationen hoffend. Suwa war tatsächlich das Gebiet, das sein Vater als Lord beschütz und verwaltet hatte. „Eine entzückende Familie kann ich nur sagen! Einen kleinen Jungen hatten sie, der zwar den Mund oft zu voll nahm, aber ich erinnere mich noch wie stürmisch und voller Kampfgeist er steckte! Hach, er hat mich damals so sehr an meinen eigenen, mittlerweile leider verstorbenen, Sohn erinnert!“ Unter wachen roten Augen fächerte sich der Alte abermals den grünen Rauch entgegen und seufzte erleichtert auf „Und die Tochter erst! Herzallerliebst!“ Was immer das grüne Zeug war, es musste irgendetwas Berauschendes sein, denn der Alte fing an begeistert zu kichern und von dem 'bezaubernden Mädchen' zu erzählen. Seufzend verwarf er den Gedanken, dass dies tatsächlich seine Welt sein könnte wieder. Er hatte nie eine Schwester gehabt. „Und was war das vorgestern Abend?“ Der Alte hörte auf zu kichern, strich sich ein paar Strähnen des grau-schwarzen Haares aus dem Gesicht und wurde plötzlich wieder ernst. “Wir nennen sie 'Phagen'. Sie sind eigentlich nur Kontrollsysteme, die nach für die Bewohner der Stadt schädlichen Lebensformen suchen. Leider fallen auch wir unter die Kategorie 'schädlich'. Sie sind in der Lage Proben zu nehmen und wenn diese einen ihnen bekannte Zusammensetzung besitzen, spritzen sie eine Substanz, die den Fremdkörper eliminiert. Eigentlich sind sie auch für uns sehr nützlich, da sie auch diese Gewölbe von Krankheitserregern und Pilzen reinigen. Wir haben die nötige Software, um nicht von ihren Sensoren erkannt zu werden und wissen meist, wann sie hier vorbeischneien.“ Der Alte warf einen leicht verstimmten Blick zu Fye. „Normalerweise. Ich weiß nicht, ob sie dich gespürt haben, schließlich warst du regelrecht ein Peilsender für sie, aber..“, der Alte hatte einen ernsten Ton angenommen und auch das Lächeln des Magiers war verschwunden. „ - aber es ist ja noch mal alles gut gegangen!“, strahlte sein Gegenüber ihn auf einmal wieder an. Überrascht nickte Kurogane einfach nur und beobachtete, wie der Alte sich schon wieder ausführlich der grünen, immer schärfer riechenden Flüssigkeit widmete. „Noch Fragen?“ “Ja.“ “Dann wird sie dir Fye beantworten, jetzt raus hier.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Dass er selbst allmählich ein wenig benebelt war, stellte Kurogane erst fest als er das Zelt verlassen hatte, er die stickige Luft einatmete und es sich für einen Moment die Umgebung auf den Kopf stellte. Ein helles Lachen war neben ihm zu hören. „Warte hier, ich hol dir schnell Wasser, dann lässt die Wirkung nach.“ Nach ein paar Minuten kam der Blonde mit einer Tasse wieder und drückte sie ihm in die Hand. Das Wasser schmeckte etwas abgestanden, tat aber wirklich gut und einen Augenblick später fühlte sich wieder klar. „Was zur Hölle war das für ein Zeug?“ „Keine Ahnung, ich werde davon auch immer benommen. Es hilft, wenn man nicht schlafen kann, aber sonst macht es mir nur Kopfschmerzen. Aber wir hatten Glück, normalerweise lässt er Fremde hier nicht einfach bleiben.“ Das Lager war leerer geworden und kaum jemand schlief noch auf den meist zusammen gerollten Deckenlagern. Hier und da brannte noch ein Feuer und wie immer wurden sie beobachtet. Der Kerl mit der Narbe war wirklich gut, hätte er nicht gewusst, dass er ihn beobachtete, hätte er seine Aura unter all den Menschen auch übersehen können. Hell erleuchtet war nun fast das ganze Lager und erst jetzt stellte Kurogane fest, wie verfallen viele Ecken aussahen und wie verloren man sich in dieser eigentlich nicht mehr als eine große unterirdische Höhle fühlen konnte. „Was die Leute wohl hier her gezogen hat?“ „Ich weiß es nicht“, antwortete ihm der Magier, während sie über Leitern ins zweite Stockwerk kletterten. Wieder entging es Kurogane nicht, wie sicher sich Fye bereits über die Provisorien bewegte und wenn er seine sonstige Tollpatschigkeit berücksichtigte, dann musste er schon sehr lange hier sein. Allerdings war der Magier auch nicht längst so ungeschickt, wie er vorgab zu sein. Warum gab es in seinen Gedanken eigentlich immer ein 'aber' wenn er über diesen Kerl nachdachte? „Wie lange bist du hier schon?“ Der Blonde kam auf einem mit Seilen befestigten Gelände zum Stehen, welches ein Stück des weggebrochenen Bodens der zweiten Etage überbrückte, und schwieg einen Moment. „Zwei Monate, warum fragst du?“ Kritisch starrte der Ninja auf den schmalen Rücken. Die Antwort war gepresst und irgendwie unsicher gekommen und Fyes Haltung verriet Anspannung. Wieder erinnerte er sich an Fyes seltsames Verhalten, als sie sich in dieser Welt wieder getroffen hatten und langsam ging er auf den Blonden zu. „Fye,“, erwartungsgemäß zuckte der Andere beim Klang seines Namens zusammen. Er nannte ihn selten bei seinem richtigen Namen. Eigentlich hatte er ihn vor dieser Welt noch nie so genannt. Der Steg knarrte bedrohlich als auch Kurogane ihn betrat, dicht hinter dem Anderen stehen blieb und eine Hand auf seine Schuler legte, um zu verhindern, dass er ihm entwischte, einen Fall vortäuschte oder sonst etwas tat, um mal wieder seinen Fragen auszuweichen. „Was ist hier los? Warum hast du mich angegriffen und warum wusstest du nicht wer Shaolan und Sakura sind?“ Fye verspannte sich augenblicklich unter seiner Berührung und starrte den Gang hinunter, so dass er seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen konnte. „Warum fragst du so etwas... Kuro- pii...“. Entnervt schnaubte der Dunkelhaarige. „Warum? Weil ich gerne Antworten hätte, warum ich wegen dir fast ertrunken wäre und weil wir schleunigst die anderen finden müssen? Tu nicht so, als wüsstest du nicht wovon ich rede!“ Langsam fuhr eine schlanke Hand zu seinem Handgelenk und versuchte schwach seine Hand wegzudrücken, doch Kurogane hielt den Blonden unerbittlich fest. „Das ergibt keinen Sinn, Schwarzer.“ Er konnte immer noch nicht in sein Gesicht sehen, aber seine Stimme klang ungewöhnlich ernst, auch wenn sie diesen Unterton hatte, mit dem man normalerweise kleine Kinder belehrte. Doch den war er ja, leider, von Fye gewohnt. „Erst willst du Erklärungen, weil ich nicht weiß wer die anderen sind und dann schreist du mich an und sagst, dass ich es wissen müsste.. ich bin selber durcheinander. Seit meiner Ankunft hier ist sehr viel passiert, also hör auf mich anzuschreien...“ Überrascht ließ der Ninja los. Er konnte diesen resigniert und enttäuschten Unterton in der Stimme des Magiers einfach nicht einordnen. Sofort setzte dieser sich in Bewegung, doch Kurogane griff schnell nach seinem Handgelenk und zog ihn zurück. Er wollte jetzt wissen, was hier los war. Er würde sich auch um einen etwas sanfteren Ton bemühen, wenn sein Gegenüber wirklich so durcheinander war wie er behauptete. Doch bevor er auch nur ansetzen konnte etwas zu sagen, zerrte Fye heftig an seiner Hand. „Hey“, versuchte er ihn zu beruhigen und erstarrte als er in zwei wütend blitzende, himmelblaue Augen sah. „Lass mich los!“ „Jetzt hör doch mal zu!“ Bei diesem Blick lief es ihm kalt den Rücken hinunter. Das war der gleiche bedrohliche Blick, den er bei ihrer Ankunft dem Kerl mit der Nabe zugeworfen hatte, aber Kurogane kannte den Blonden zu gut, um sich davon einschüchtern zu lassen und lockerte seinen Griff etwas, allerdings ohne loszulassen. „Hör zu“, versuchte er es etwas sanfter. „Ich will dich nicht anschreien, sondern nur so schnell wie möglich die Kinder finden, um endlich hier weg zu kommen.“ Mit einem Seufzen senkte Fye den Blick und starrte nachdenklich auf Kuroganes Füße. „Ich will Shaolan, Sakura und Mokona doch auch finden.. aber..“ „Aber?“ Langsam ließ Kurogane sein Handgelenk los, was sich einen Augenblick später jedoch als Fehler herausstellte, denn der Magier strahlte ihn plötzlich wieder mit einem vergnügten Lächeln an und drehte sich in einer beschwingt tänzelnden Bewegung um. „Aber wir müssen jetzt erst einmal zum Doktor~!“ Innerlich verdrehte Kurogane die Augen und hatte ihn im nächsten Moment wieder geschnappt. Mit kleinen Kindern umzugehen stellte er sich leichter vor, nicht dass er jemals wirklich viel Umgang mit welchen gehabt hätte. „Hör auf damit das Thema zu wechseln, VERFLUCHT noch mal !!!“ Warum verlor er dank dem Blonden eigentlich immer wieder die Beherrschung? Und warum wurde er in dieser Welt ständig von Deja-vu-Gefühlen geplagt? Denn schon sah er Fye zu einem Tritt ansetzen, doch diesmal war er darauf vorbereitet und konne ihn abwehren. „Was ist los mit dir?! Seit wann bist du so aggressiv?“ Sich merklich wieder beruhigend sah ihm Fye nach einer Weile in die Augen, die Wut war verklungen. „Es tut mir Leid.. ich fühle mich nur irgendwie... gehetzt“, kam nach einer kurzen Pause und Kurogane konnte an seinen Augen sehen, dass er ihn diesmal nicht anlog. „Seit ich hier bin habe ich so ein seltsames Gefühl und auf dem Marktplatz habe ich dich einfach im ersten Moment nicht erkannt, sondern für einen Wächter gehalten..“ Immer noch Fyes Handgelenk haltend blickte er auf den etwas kleineren Mann hinunter. „Und deswegen hast du mich angegriffen.“ Den Begriff 'Wächter' hatte er schon bei ChuNyan gehört und da sowohl sie bei ihm als auch der Magier bei diesem perversen, gepanzerten Typen so seltsam reagiert hatten, ging er davon aus, dass ihre damalige Bekanntschaft auch so ein Wächter gewesen sein musste. Fye antwortete nicht auf seine rhethorische Frage und sie mussten wohl schon einige Sekunden hier gestanden haben als Fye mit einem verlegenen Lächeln fragte, ob Kurogane jetzt vielleicht sein Handgelenk loslassen könnte. Mit einem ergebenen Seufzen tat er es, auch wenn ihm noch viel zu viel unbeantwortete Fragen auf der Zunge brannten und sie gingen den restlichen Weg schweigend zur Krankenstation, wo Dr.Kyle in seiner charakteristischen geschwollenen Sprachweise vergeblich versuchte ein Gespräch mit dem nachdenklich schweigenden Ninja anzufangen. _____________________________________________________________________ Eine Stunden später durfte er die Krankenstation wieder verlassen und überall brannten wieder Feuer und es wurde gekocht. Auch waren die meisten Lager wieder ausgebreitet und überall saßen Menschen beisammen, aßen und redeten. Manche, vor allem Kinder, schliefen auch unbeeindruckt von dem Lärm, der zusätzlich von den hohen Steinwänden wiederschallte. Nachdenklich an ein Geländer gelehnt beobachtete er das Treiben. Hier schien die Zeit irgendwie still zu stehen und er hatte überhaupt kein Zeitgefühl. War es schon wieder Abend? Er hatte die letzten Tage zu unregelmäßigen Zeiten geschlafen und jeder Versuch die Tageszeit zu schätzen, scheiterte. Und dieser Ort... Einerseits war es unangenehm nicht unter freiem Himmel zu sein und die grauen Steinwände wirkten regelrecht erdrückend, die Luft war schwer, dank dem Atem hunderter Menschen und egal wo man sich befand, ein ewiger Lärm drang an seine Ohren. Andererseits bemerkte er auch, wie die Leute hier ihren ganz eigenen Regeln folgten und sich gegenseitig akzeptierten. Es erinnerte ihn an eine Großfamilie und auch er wurde mittlerweile nicht mehr als Fremdkörper betrachtet. Früher wäre ihm so etwas nie aufgefallen, aber man bekam einen Blick für so etwas, wenn man dauernd fremd in jeder Welt war. Seufzend vergrub er das Gesicht in seiner Handfläche und bemerkte mal wieder, wie wenig Lust er auf diese Reise hatte. Am Anfang war es ein Abenteuer gewesen und er musste zugeben, trotz aller Scherereien, er mochte seine Reisekameraden und als Shaolans Lehrer hatte er sogar eine Aufgabe, mit der er sich ein wenig ablenken konnte... dennoch ging ihm Tomoyo-hime nicht aus dem Kopf. Warum schickte sie ihn auf eine Reise ohne mögliche Wiederkehr? Eigentlich wusste er die Antwort: Um ihm die Möglichkeit zu geben, stärker zu werden. Aber.. Diese trüben Gedanken bei Seite schiebend richtete er sich wieder auf und machte sich auf den Weg nach unten. Diese Reise hatte ja auch gute Seiten und so begegnete er wenigstens Gegnern, die mal eine Herausforderung darstellen und irgendwann würden sie schon in Japan landen. Aber jetzt musste er sich erst mal um andere Dinge kümmern. Nämlich seinen knurrenden Magen. Ob die hier auch Alkohol hatten? Er brauchte etwas, um die doch etwas unfachmännischen Methoden Dr. Kyles zu verarbeiten. Es dauerte nicht lange bis er ihr Lager erreichte und überrascht stellte er fest, dass der Kerl mit der Narbe, den Fye ein paar Tage noch zuvor nicht gerade freundlich zurrecht gewiesen hatte, neben Fye am Lagerfeuer saß, sich leise mit ihm unterhielt und dabei kritisch sein Handgelenk betrachtete. Jedoch nicht die verwundete linke Hand, sondern die rechte, an der er ihn heute Mittag festgehalten hatte. Hatte er es etwa beobachtet oder hatte Fye es ihm erzählt? In diesem Moment zog der Blonde die Hand weg, lächelte leicht und schüttelte den Kopf. Das Gespräch verstummte als Kurogane hinzukam und er wurde wütend von dem Kerl mit der Narbe angefunkelt. „Kuro-chama!“, offensichtlich erfreut zog ihn Fye neben sich, „ich dachte schon Dr.Kyle hätte dich umgebracht.“ “Er hat’s versucht“, erwiderte der Ninja finster, sah aber dabei kritisch den Narbenmann an, der ihn nicht weniger freundlich musterte. Einen Moment entstand angespanntes Schweigen zwischen den beiden, bis eine wedelnde Hand ihren Blickkontakt löste. „Hey~, bitte kein Mord und Totschlag am Essenstisch!“ und wieder strahlte Fye sie an und fast gleichzeitig drehten beide genervt den Kopf weg. Der Kerl mit der Narbe stand auf und murmelte: „Du änderst dich nie, kann das sein?“ „Wer war das?“, fragte Kurogane als der Kerl verschwunden war und er sich gerade etwas Reis mit undefinierbaren Gemüse zu Gemüte führte. Amüsiert beobachtete der Magier die Essversuche des Ninjas. Denn in dieser Welt war es genau umgekehrt wie sonst immer. Hier gab es keine Essstäbchen, sondern nur Gabeln und diesmal war es Kurogane der seine Probleme hatte, den Reis in den Mund zu bekommen. “Sein Name ist Storm.“ „Storm also?“, versuchte Kurogane davon abzulenken, dass es doch nicht so einfach zu sein schien mit dem Zeug umzugehen wie er gedacht hatte. “Soll ich dich füttern?“, Fye beobachtete das Ganze leicht amüsiert, das Kinn auf die Hände gestützt. „Wage es ja nicht!“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Diese Nacht blieben die Feuer an. Fye hatte ihm erklärt, dass sie meist wussten, wann die Phagen kamen oder sonstige Kontrollen stattfanden und deswegen sich immer darauf einstellen konnten. Dennoch konnte er nicht schlafen, sondern starrte jetzt nur schon seit Stunden an die hohe Decke, während Fye ruhig neben ihm atmete. “Willst du morgen nach den anderen suchen?“, durchbrach irgendwann Fyes weich klingende Stimme die Stille. “Du schläfst noch nicht?“ Müde blinzelnd kämpfte sich der ehemalige Magier unter seinen Decken hervor und wischte sich ein paar wirre Strähnen aus dem Gesicht. „Du bist zu unruhig als dass ich schlafen könnte.“ Nachdenklich sah er zu dem Zelt des Ältesten und plötzlich trat ein verschmitztes Grinsen auf seine Lippen. „Vielleicht sollten wir etwas von dem grünen Zeug inhalieren oder nach oben gehen und Alkohol kaufen.“ Mit einem Schaudern dachte er daran, wie Besäufnisse mit dem Magier grundsätzlich endeten. „Bitte nicht!“ “Warum?“, es klang fast enttäuscht. „Weil du nach einer halben Flasche bereits anfängst dich wie ein Irrer zu benehmen! Dir Ohren aus Papiertaschentücher bastelst und rollige rollige Katze miemst!“ „Wenn dann schon rolliger Kater, Kuro-rin“, wurde Kurogane korrigiert, aber dennoch wurde Fye leicht rot. „Außerdem vertrage ich Alkohol eigentlich recht gut!“ Kritisch sah ihn Kurogane von der Seite an und schloss dann die Augen. „Na wenn du’s sagst. Gute Nacht.“ Über der Tatsache, dass Fye schon wieder seinen Namen verstümmelte, regte er sich mittlerweile gar nicht mehr wirklich auf. Allerdings über die Tatsache, dass der Magier nach einer halben Stunde schon wieder etwas näher rückte als er dachte er wäre eingeschlafen. Leise knurrte er. „Wenn es kalt ist, ist das okay aber sonst nicht, verstanden?“ Er bekam nur ein Seufzen zur Antwort und der Magier drehte ihm den Rücken zu. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Anmerkung: Ich weiß, dass es in ADP auch einen Charakter namens ‚Storm’ gibt und es tut mir Leid, falls das Verwirrung stiftet. Aber dieses Charakter hatte ich schon entworfen und das Kapitel geschrieben, bevor ich angefangen habe ADP zu lesen~. Also sorry Flyinglamp, wenn du deinen Charakter entführt siehst, aber es ist wirklich nur der Name und der störrische Kerl will keinen anderen! Außer vielleicht Scar, wie der aus FMA, aber irgendwo finde ich es dann doch idiotisch einen Kerl mit einer Narbe „Scar“ zu nennen. Außerdem erinnert mich das an König der Löwen.. Ai mai, ich laber schon wieder Ewigkeiten. Hoffe dieses Kapitel hat gefallen. 6. Kapitel - (Schwarz-weiß (Nacht) ) ------------------------------------ Er konnte nicht schlafen diese Nacht. So oft er sich auch auf seinem Lager hin und her drehte, hinter seinen geschlossenen Augenlidern und in absoluter Dunkelheit, rasten seine Gedanken in Richtungen, in die er nicht folgen konnte. Sein ganzer Körper schien unter Strom und unruhig öffnete er immer wieder die Augen und starrte ins Feuer. Irgendetwas stimmte hier nicht. Neben ihm bewegte sich Fye leicht im Schlaf und murmelte irgendetwas. Sein Schlaf war scheinbar genau so unruhig wie sein Wachen. Das Feuer flackerte in rot, gelb und kaum wahrnehmbaren blau. In das Feuer, so hatte ihm Fye erklärt, wurde eine besondere Chemikalie gestreut, die Rauchbildung verhinderte, die in diesen abgeschlossenen Räumen den Bewohnern den Sauerstoff entzogen und zusätzlich den Kontrollsystemen ein Zeichen von Leben vermittelt hätte. Langsam schloss er seine schweren Augen und konzentrierte sich nur auf die Wärmestrählung des Feuers. Doch es half nichts, das Rauschen in seinen Ohren wurde nur noch lauter und abermals brannte es in seinen Lungen, wie schon bei seinem ersten Erwachen in dieser Welt. Neben ihm wurde das Murmeln etwas leiser, doch der plötzliche leise Schrei ging in dem natürlichen Lärm, den so viele Menschen an einem Ort verursachten, unter. Müde beobachtet Kurogane wie der Blonde seine Finger fast krampfhaft in die Decken krallte auf denen er lag, seine eigene hatte er längst von sich geschleudert, sein Gesicht verzerrt und sein Atem schwer. Er hatte den anderen noch nie so unruhig schlafen gesehen.. Langsam, sehr langsam, fasste er nach dem Magier, fuhr mit dem Zeigefinger so gemächlich wie unruhig und rastlos er sich fühlte, über die Stirn des Schlafenden und schob ein paar feuchte, wirre Strähnen aus seinem Gesicht. Es war nicht wirklich aus Interesse oder Fürsorge und auch nicht, weil er den anderen beruhigen wollte, sondern einfach nur weil... .. weil er sich lustlos fühlte und jede andere Handlung als in das Feuer zu starren und sich schlaflos auf dem Lager hin und her zu winden willkommen hieß. Sie waren jetzt schon seit fast vier Tagen hier und obwohl er zwei davon bewusstlos gewesen war, ermüdeten ihn diese grauen Wände, der fehlende Himmel, die Feuer, der Lärm, diese Zeitlosigkeit in diesen Gemäuern allmählich. Und auch, dass aus Fye nichts heraus zu bekommen war. Er schleppte ihn von einem Ort zum anderen, aber es schien alles belanglos und es interessierte ihn auch eigentlich nicht, wie die Leute hier unten lebten. Ihn interessierte nur, wo die Kinder waren und möglichst schnell hier weg zu kommen. Wenigstens hatte er am Kampftraining teilnehmen können, es gab hier zwar niemanden, der das Schwert einigermaßen gut beherrschte oder auch nur wusste, was das überhaupt war, aber dafür konnte er sich im unbewaffneten Nahkampf etwas üben und seine Wut und Frustration heraus lassen. Er schloss die Augen wieder und als Fye unter seiner Berührung wirklich ruhiger wurde, fand er, dass er seine Hand auch noch etwas länger dort liegen lassen konnte. Das Einzige, was der verfluchte Magier grundsätzlich auf seine Forderungen nach oben zu gehen und nach den Kindern zu suchen erwiderte war, dass es momentan zu gefährlich wäre wegen irgendwelchen –hatte er vergessen, was für ein bescheuerter Ausdruck, irgendetwas mit Großkontrolle und ID Nummern scannen und was für n Scheiß- diesen Ort zu verlassen und dass sie die Bewohner gefährden würden. Nur noch ein paar Tage, hatte er gesagt. Es war zum wahnsinnig werden, als kümmerte es ihn einen Scheiß, was mit den Leuten hier passierte.. warum versteckten diese Menschen sich eigentlich? Und von wem kam die Gefahr dieser ewigen Kontrollen und verrückten spinnenartigen Maschinen? Der Atem an seiner Seite wurde wieder etwas regelmäßiger und allmählich nahm er die Hand wieder weg, führte sie kurz vor sein Gesicht und leckte über seine Fingerspitzen. Salzig, wie erwartet. Angstschweiß. Wohl ein Alptraum. Eigentlich war er noch wütend auf ihn und den ganzen Abend hatten sie sich angeschwiegen, nachdem er den ganzen Tag mal wieder versucht hatte Antworten von ihm zu bekommen, doch der andere war ihm immer wieder geschickt ausgewichen. Er wollte wissen, warum Fye sich so komisch benahm, warum ihn hier alle zu kennen schienen, was diese seltsame neue Anhänglichkeit sollte und vor allem: Wollte er nicht mehr hier unten Wurzeln schlagen, sondern endlich die Blagen, das weiße Ding und diese scheiß Feder finden, um endlich hier weg zu kommen, hoffentlich bald nach Japan. Bleiernd fuhr sein Blick über das Lager ohne an etwas Bestimmten hängen zu bleiben. Zahlreiche Feuer brannten und nahe genug, um sich nicht zu verbrennen, schmiegten sich Menschen eingewickelt in Decken an die Wärmequelle. Vielerorts lagen sie nah beieinander, wie frisch geborene Katzenbabys, die er und Sakura in Otou einmal hinter einem Schaufenster hatten. Nun, eigentlich eher sie, erinnerte er sich mit einem schweren, gelangweilten Seufzen. Er hatte jeden Moment erwartet, dass sie ihn fragte, ob sie eins kaufen könnten, aber ihr schien damals selbst klar gewesen zu sein, dass sie sich auf ihrer Reise nicht noch um eine Katze kümmern konnten. Ein "Kater" und die Prinzessin waren zumindest ihm genug. Und außerdem hätte ihnen die Hexe der Dimensionen für den weiteren Reisgefährten sicher auch noch etwas abverlangt und darauf konnte wahrlich verzichten. Verfluchte Halsabschneiderin.. irgendwie erinnerte ihn das an etwas. .. Scheinbar war dies Art sich warm zu halten im Lager normal, was dennoch Fyes neuste extreme Schmuseattacken nicht erklärte und vor allem nicht warum er Fragen wie “ Aber machen wir das nicht immer?“ stellte. Was sollte das? Oder war das nur wieder ein neues, sinnentleertes Spiel des Idioten? Schon wieder „wenn“ und „aber“. Aber was erwartete er? Es war immer so, ging es in seinen Gedanken um den blonden Magier. Er dachte nicht wirklich schlecht über Fye –jedenfalls insgesamt gesehen- aber seine Laune war mittlerweile auf ihren Tiefpunkt angekommen und außerdem verbarg der Magier etwas und dieses Bewusstsein ließ ihn in ständiger Alarmbereitschaft. Hinter diesen ewig fröhlich und amüsiert scheinenden Augen lag etwas, was er nicht fassen konnte, aber genau so wenig zu dem ersten Eindruck passte, den man von dem Magier hatte, wie das leise gequälte Stöhnen, dass er gerade im wieder unruhiger gewordenen Schlaf zwischen heftigen Atemstößen von sich gab. Er hasste diese Schwäche, diese Lügen und erst recht das leise Schluchzen, das in diesem Moment erklang. Der einzige Weg zu überleben war seinen Schmerz in Stärke zu verwandeln und sich nicht von ihm krank machen zu lassen.. Er wusste von Anfang, dass etwas mit dem Magier nicht stimmte, trotz seiner ständigen lächerlichen Performance war das selbst für einen schlechteren Beobachter irgendwann zu deutlich. Er lachte einfach zu oft. Der einzige Grund, warum Fye so viele Menschen täuschen konnte, war wahrscheinlich schlicht und einfach die Tatsache, dass Menschen nur das sahen, was sie sehen wollten. Doch er würde ihm nicht helfen. Wie auch, er redete ja nicht mal mit ihm und er wusste auch nicht, ob er zuhören wollte. Er konnte es vielleicht gar nicht und der andere wollte es auch sicher nicht einmal. Noch dazu war er, Kurogane, für solche Sachen nicht zuständig. Es reichte schon, wenn er dauernd darauf achtete, dass ihn der Magier nicht aus purer Ungeschicklichkeit und Nachlässigkeit wegstarb, aber das meiste davon war ja auch nur Show. Ah.. schon wieder ein „aber“, langsam bekam er davon Kopfschmerzen. Aber eine Aura der Trauer umgab den Magier, das spürte er nur zu deutlich. Vor allem wenn er lachte und scherzte. Doch auch war ihm aufgefallen, dass Fye dieses Schauspiel nicht immer abzog, seit sie in dieser Welt waren, sondern auch oft einmal echte Emotionen durchblitzen ließ. So wie vor Dr. Kyles Krankenstation, wo er offensichtlich wütend war und offen gesagt hatte, dass er sich hier gehetzt fühlte. Aber was meinte der andere damit, dass viel seit seiner Ankunft geschehen sei? Wieder wanderte sein Blick zu dem Schlafenden. Sich einzureden, dass ihm sein Reisegefährte völlig egal war, hatte er schon lange zuvor aufgegeben, aber unbedingt beschäftigen musste es ihn ja auch nicht dauernd. Deswegen stand er auf und ohne noch einen Blick auf den Träumenden zu werfen verließ er ihr Lager und wanderte ziellos umher. Vielleicht würde ihn das ablenken und ihm endlich ermöglichen Schlaf zu finden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Während seinem Spaziergang beobachtete Kurogane die Menschen, erkundete die Etagen und entdeckte auch noch einen anderen Gang, gut versteckt hinter bunten Vorhängen und Tüchern und nur erhellt von einer einzigen Petroleumlampe. Warum war dieser Gang so verborgen? Neugierig geworden schob er den Stoff bei Seite und schritt in den Gang und sofort fiel ihm der ungewöhnliche Geruch auf: Es roch abgestanden und nach frischer Erde und wieder lag dieser intensive Blutgeruch, vermischt mit dem beißenden Gestank von Toten, in der Luft. Lautlos schlich er weiter den dunklen Gang entlang und was er dahinter erblickte, ließ seinen Atem stocken: Eine Halle, halb so groß wie die, in der sie schliefen. Voll von frischer, brauner Erde, aus der hier und da Pflanzen und Sträucher sprossen. Doch das wirklich Erschreckende war, dass es regelrecht nach Blut stank und hier und da blau-weißlich gefärbte, starre Körperteile aus der Erde ragten. Was geschah hier? „Du darfst eigentlich nicht hier sein“, erklang eine bekannte Frauenstimme hinter ihm und als er sich umdrehte erblickte er die Souma dieser Welt. “Was ist das hier?“ Mit einem ernsten Gesichtsausdruck kniete sie sich hin und fuhr etwas über die braune Erde. „Unser Friedhof.“ Kritisch betrachtete der Ninja die Szenerie. „Könnt ihr eure Toten nicht vernünftig vergraben?“ „Das ist nicht nötig. Die Masse nimmt sich schon, was sie braucht.“ Bevor er nachfragen konnte zeigte sie auf eine Stelle, von der gerade ein schmatzendes Geräusch zu hören war und tatsächlich, die Haut in unmittelbarer Nähe der Erde begann zu schmelzen und einige Sekunden später war kein Hinweis mehr zu erkennen, dass dort jemals eine Leichte gelegen hatte. Mit einem bitteren Lächeln auf den Lippen stand Souma wieder auf und flüsterte ein kaum wahrnehmbares „Auf Wiedersehen..“, lachte etwas bitter über ihre eigene Wortwahl und nahm dann den Ninja dann am Arm und führte ihn zurück in den Gang. Während sie langsam zurück gingen musterte er das vertraute, aber in dieser Welt dennoch fremde Gesicht. “Du willst Erklärungen, nicht wahr? Ich vermute mal, dass Fye dir nicht besonders viele gegeben hat.“ Sie konnte den Magier anscheinend recht gut einschätzen, dafür dass sie sich erst seit zwei Monaten kannten. Aber die Souma seiner Welt hatte auch eine gute Menschenkenntnis besessen und ohne sich weiter darüber zu wundern, nickte er. „Wir sind gezwungen unsere Toten der Masse zu übergeben, anstatt sie zu begraben. Der Geruch und die Zusammensetzung der Erde würde uns über lang oder kurz verraten, außerdem“, sie trat einmal leicht gegen den harten Steinboden, „ist es hier unmöglich jemanden zu begraben. Aber immerhin können wir noch auf irgendeine Art und Weise bei unseren Toten sein, das können die Menschen 'oben' nicht.“ “Und warum seid ihr alle hier unten? Werdet ihr verfolgt?“ „Nein, aus freien Stücken.“ Sie waren am Ende des Ganges angelangt und beide nahmen erst einmal einen tiefen Zug von der frischeren Luft. „Ist Fye wirklich erst seit zwei Monaten hier? Er benimmt sich als würde er das hier viel länger kennen.“ Sie lächelte etwas undeutbar. „Vor zwei Monaten kam er hier an.“ Irgendwas verbarg sie, da war sich Kurogane sicher, doch er konnte nicht weiter nachfragen. Aufgeregt kam eine sehr junge Frau angelaufen, die ein weinendes Kleinkind auf den Armen trug, welches diesen Krach auch erst einstellte als Souma es auf den Arm nahm und leicht wiegte. Ob das ihr eigenes Kind war? Irgendwie konnte er sich das nicht vorstellen. Doch auch wenn ihr nackter Oberkörper seit langem der schönste Anblick war, den er gesehen hatte und sich langsam wieder bewusst wurde, dass er gewisse 'Bedürfnisse' viel zu lange vernachlässigt hatte, er musste NICHT zusehen, wie sie ihr Oberteil hochschob und das Blag stillte. Und so machte er sich schnell und ohne ein weiteres Wort auf dem Weg zurück zu seiner Schlafstätte, denn mittlerweile war er wirklich hundemüde. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Schon von weitem sah er, dass jemand über dem Blonden beugte und als er näher kam erkannte er den Kerl mit der Narbe wieder. Dieser hob den Bewusstlosen gerade hoch und warf Kurogane einen eindeutig feindlichen Blick zu. "Wohin bringst du ihn?“, wollte Kurogane misstrauisch wissen. Er vertraute diesem Kerl und seinem schizophrenen Verhalten Fye gegenüber kein Stück. „Das geht dich nichts-“ Ein leises Murmeln war zwischen ihnen beiden zu vernehmen und müde blickte ein Paar verwirrt dreinschauende blaue Augen zu ihnen hoch. „Was.. ?“ Kritisch musterte Kuroganes das Narbengesicht als dieser zu Fye herunterlächelte. „Du hast so geschrieen, deswegen hielt ich es für besser dich mit ins Zelt zu nehmen, bevor du noch die anderen weckst.“ Dieser sanfte Gesichtsausdruck sah irgendwie albern aus und warum behandelte er ihn wie ein kleines Kind? Langsam kam er zu dem Schluss, dass die Leute in diesem Lager alle einen Knall hatten. Erst Kyle, dann der schnüffelnde Alte, dieser Friedhof und dann dieser Affe, der sich nicht entscheiden konnte, ob er sich um Fye sorgen oder ihn verächtlich angucken sollte. [1] Immer noch schlaftrunken und noch nicht bei vollem Bewusstsein strampelte der Magier leicht in den Armen des anderen. „Lass mich runter... es ist alles in Ordnung.“ Erschöpft fuhr der Blonde sich mit der Hand über das etwas blasse Gesicht, es schien ihm wirklich nicht gut zu gehen, vielleicht hätte er doch da bleiben oder ihn zumindest wecken sollen. „Nein.“ Und schon hatte sich Storm umgedreht und sich in Bewegung gesetzt. „Storm!“/“Hey, du Idiot!“ Kam es von dem Magier und Kurogane gleichzeitig und während der Ninja den Mann noch wütend anblitzte, machte sich Fye los und wurde endlich herunter gelassen. Ein wenig verstimmt blitzte er den anderen an. „Ich komm schon selber, wenn ich was brauchen sollte und hör auf dauernd über meinem Kopf hinweg zu entscheiden, nur weil du mir einmal geholfen hast. Ich komme auch alleine klar.“ Wieder diese eiskalte, bedrohliche Ton, den er schon bei der ersten Begegnung aufgelegt hatte bei der Kurogane dabei war und dieser fragte sich grade wirklich, was für ein Verhältnis die Beiden zueinander hatten. Noch dazu war ein unfreundlicher Fye nach wie vor ein ungewohnter und irgendwie unpassender Anblick. Denn egal wie viel er zu verbergen schien, Kurogane hatte oft beobachtet wie sanft er mit anderen Menschen umging. Sowohl mit seiner Stimme als auch mit seinen Händen. Misstrauisch wurde Kurogane von dem Kerl angesehen, bevor dieser sich wieder Fye zu wandte. „Der Alte will, dass du bei dem nächsten 'Ausflug' dabei bist.“ “Ja, ja, bitte geh jetzt“, gab Fye jetzt gar nicht mehr so biestig zurück. Was war das? Sein Blick wirkte fast weich, nachgebend. Eigentlich nichts ungewöhnliches, aber nach diesem Ausbruch gerade? Sie beide noch einmal wütend anfunkelnd drehte sich das Narbengesicht – der ja eigentlich nur eine frische über dem Auge hatte- um und verschwand. Müde taumelte Fye währenddessen zu seinem Schlafplatz zurück, ließ sich darauf fallen und zog die Decke bis zum Kinn. „Kommst du Kuro-pii, oder gehst du wieder weg?“, fragte er leise und mit einem ergebenen Seufzen legte Kurogane sich wieder neben ihn und schloss die Augen. Sofort kam Fye etwas näher gerückt, berührte ihn jedoch diesmal nicht. Wirklich zum verrückt werden mit diesem Idioten. Besonders kühl war es in der Höhle, und vor allem so nah am Feuer, diese Nacht auch wieder nicht. ~~~Kapitel 6. Ende.~~~~~ [1] *HUST* erinnert uns dieser „Affe“ nicht ein wenig an Kurogane XD? Anmerkung: Sorry an alle noch mal, die n Schreck wegen der Löschung bekommen haben oO sie war auf einmal weg! Danke an alle, die sich die Mühe gemacht haben, sie wieder zu finden. 7. Kapitel - (Kleine Wahrheiten über Herzen) -------------------------------------------- Er wurde durch das leise Kichern der Prinzessin wach. Warum mussten die Kinder auch so laut sein? Seit langer Zeit hatte er den Schlaf einmal wirklich nötig gehabt, denn ganz auskuriert war er immer noch nicht, obwohl er es eigentlich nicht zu geben wollte, und erschrocken stellte er fest, dass er diese Nacht völlig schutzlos gewesen war. Was war nur los, dass er sogar so etwas instinktives vergessen konnte? Zwar wäre er sicherlich wach geworden, wenn sich irgendetwas Ungewöhnliches um ihn herum ereignet hätte, aber Sakuras gerade geflüstertes „Du bist wieder dran!“ sagte ihm, dass das Treiben um ihn herum schon etwas länger ging. „Ich versteh die Regeln immer noch nicht ganz.." "Hast du die Proben dem Alten gegeben?“ “Shao! Du guckst in meine Karten!“ „Ne, mach ich nachdem ich gewonnen habe.“ “Tu-tu ich gar nicht! "Er wird sicher wieder sauer, wenn du so trödelst.“ "Einem hübschen Mädchen wie mir, ist er nie lange grimm!“ “Hahaha! Stimmt.“ „Schon wieder ein AS?! Wie viele hast du davon, Shao?“ “Hahaha, er gewinnt~“ „Ich zeig’s dir!“ Die eine Mädchenstimme gehörte Sakura – Hime, korrigierte er sich in Gedanken. Die zweite Stimme kam ihm wage bekannt vor. Er machte endlich die Augen auf und funkelte den Magier, Shaolan und die zwei Mädchen neben sich etwas verstimmt an. “Na endlich aufgewacht, Langschläfer?“, begrüßte ihn Fye grinsend und deutete auf das Kartenspiel vor sich. „Willst du mitspielen?“ Ah. Er erinnerte sich. Das Mädchen kannte er. „ChuNyan?“ Fye ignorierte er, darin hatte er Übung. Das Mädchen mit dem zu einem dicken Pferdeschwanz gebundenen, schwarzen Haaren grinste ihn einfach nur an. „Hast den Weg zum Hain ja gut gefunden, Schwarzer.“ “Ich heiße Kurogane, verdammt noch mal“, erwiderte er nur genervt und tatsächlich sagte sie darauf nichts mehr, sondern konzentrierte sich etwas scheu wieder auf ihre Karten. “Mach ihr doch nicht so eine Angst, Kuro-pon!“, kam es grinsend tadelnd von dem Magier, der sich durch diesen Ton leider wie gewöhnlich nicht beeindruckt zeigte. Darauf gab er nichts zurück. So kurz nach dem Aufstehen hatte er wirklich keine Nerven sich über so etwas aufzuregen und ohne ein Wort verließ er die Gruppe und ging in die dritte Etage des Einkaufszentrum, wo sich doch tatsächlich so etwas wie Duschräume befanden. Diese etwas verfallenen, aber dennoch sauberen Räume waren nur ein weiteres Fragezeichen in seiner mittlerweile recht großen Sammlung dieser. Wo bekamen diese Menschen so viel sauberes Wasser her und warum wurden sie dadurch nicht entdeckt? Zumindest für ihn war es logisch, dass so ein hoher Wasserverbrauch viel auffälliger war als das bisschen Rauch, den die Feuer verursachten. Das kühle Wasser- warmes gab es hier nicht - tat gut und klärte etwas seine Sinne. Heute würde er nach oben gehen, egal was der Magier dazu sagte und ob er mitgehen wollte. Nachher konnte diese weiße Nervenbelastungsprobe es nicht mehr aushalten und die Kinder reisten ohne sie weiter. Er würde es ihnen zwar nicht zutrauen, aber irgendetwas an dieser Welt nährte eine böse Vorahnung in ihm und er wollte ihr lieber heute als morgen den Rücken kehren. Ein Seufzen verklang ungehört in den Wassermassen und nach einigen Minuten drehte er den Wasserhahn wieder zu, sah einen Moment nichts, da ihm die Wassertropfen aus seinem Haar immer wieder ins Gesicht liefen. Doch er brauchte auch nichts zu sehen, seine Präsenz hatte er bereits vorher wahrgenommen. Nicht einmal beim Duschen wurde er hier alleine gelassen, nahm der Kerl seine Aufgabe nicht etwas zu ernst mit der Überwachung? „Übertreibe es mal nicht, ich habe nicht einmal mein Schwert bei mir.“ Genervt aber ruhig drehte er sich zu der an der anderen Wand lehnenden Gestalt um. Storm erwiderte unbeeindruckt den finsteren Blick den er ihm zuwarf. „Ich bin nicht deswegen hier. Der Alte hat beschlossen, dass ihr heute nach oben könnt, um wen auch immer zu suchen. Also halte dich in zwei Stunden bereit und denk ja nicht daran früher abzuhauen, du gefährdest so schon das ganze Lager.“ Ohne einen Kommentar drehte ihm Kurogane den Rücken zu und griff nach einem der Handtücher, doch der Kerl verschwand nicht. Langsam ging es ihm wirklich auf den Senkel. „Was denn noch?“, fragte er unfreundlich. Der Kerl war bei weitem nerviger und aufdringlicher als es der Magier hin und wieder sein konnte. “Pass auf ihn auf, wenn ihr oben seit.“ Innerlich verdrehte er die Augen. Das war ja unmöglich. „Er kann auf sich selbst aufpassen. Er ist stärker als es den Anschein hat.“ Storm kam näher und Kurogane drehte sich wieder um, konnte und wollte ein gefährliches Funkeln in seinen Augen gar nicht unterdrücken. “Du hast keine Ahnung, wie gefährlich es hier sei kann.“ “Ich werde damit fertig“, erwiderte er, „und Fye anscheinend auch. Er scheint sich hier sowieso viel zu gut auszukennen, dafür dass er hier erst seit zwei Monaten ist.“ Vielleicht bekam er ja von dem Kerl, egal wie unsympathisch er ihm war, ein paar Antworten, die ihm der Magier partout nicht geben wollte. Einen Moment zu lange schwieg sein Gegenüber als dass seine nächsten Worte für Kurogane eine glaubhafte Erklärung waren. Log ihn hier eigentlich jeder an? Fye, Souma und jetzt auch noch dieser Kerl? “Ich habe ihm alles gezeigt, als er hier ankam.“ „Jaja.“ Entnervt von dieser Antwort griff er nach seiner Hose und zog sie an. Er wollte seine Ruhe vor diesem Kerl und schon gar nicht länger nackt hier rumstehen, denn wie fast überall in diesen Gewölben war es wieder einmal empfindlich kalt. „Und noch etwas“, bevor er ging sah er das Nabengesicht doch noch einmal an. So hässlich war er gar nicht, aber seine Antisympathie ließ nicht zu etwas Positives über ihn zu denken. Außerdem interessierte ihn das nur insofern als dass der Kerl seine Finger von dem Magier lassen sollte. „Lass ihn einfach in Ruhe, du siehst doch, dass es ihn nervt, wenn du dich dauernd um ihn kümmerst. Du bist nicht seine Mammi. Schnapp dir lieber eins der unzähligen Blagen hier, um deine weibliche Seite auszuleben.“ Irgendwo ging es ihm wirklich auf den Piss, dass der Kerl nicht nur immer in seiner Nähe, sondern auch in der des Magiers war, was dieser offensichtlich nicht einmal wirklich begrüßte und auch wenn ihn das Fyes Verhalten in letzter Zeit einfach nur griechisch vorkam, wirkte bei diesem Kerl sein Beschützerinstinkt gegenüber seinem Reisegefährten. Vielleicht war es einfach auch nur ungewohnt, dass sie mal mit anderen Menschen näheren Kontakt hatten. Sonst waren sie immer untereinander und auch wenn sie jemand anderen kennen lernten, die Zeit in der sie in den verschiedenen Welten verweilten, war einfach zu kurz um engere Bindungen mit jemand zu knüpften. Nicht dass er Interesse daran hatte oder es sich lohnen würde, aber alleine die Tatsache, dass der andere schon wieder offensichtlich etwas vor ihm verbarg und Storm auch noch mehr darüber zu wissen schien als er, machte ihn wirklich wütend. Wütend war offensichtlich auch sein aktueller Gesprächspartner, denn im nächsten Moment wurde er gegen die kühl feuchten Fliesen gepresst, einen Arm an seiner Kehle, den anderen an seiner Brust. Der Kerl war wirklich stark. „Du hast keine Ahnung, also reiß die Klappe nicht so auf. Ich verletzte ihn wenigstens nicht in einem Stück. Und denk daran, du bist nur für kurze Zeit hier erwünscht.“ Aber nicht stark genug. Mit einem abfälligen Lächeln packte er den Arm, mit dem Storm ihn am Hals gegen die Wand presste und schob ihn weg, drückte schmerzhaft das Blut ab, während er seinen Gegenüber bedrohlich ansah. Storm war stark, aber selbst ohne sein Schwert würde Kurogane locker gegen ihn gewinnen, sollte es zu einem Kampf kommen. „Aha? Und warum ist Fye hier so erwünscht? Er ist auch ein Fremder. Oder vielleicht doch nicht? Wenn du mich fragst, kennt er sich hier ZU gut aus, kennt hier jeden, kann nebenbei auch noch die Sprache und benimmt sich auch sonst reichlich seltsam. Hier stimmt etwas nicht und wenn ich herausfinden sollte, dass du irgendetwas damit zu tun hast, wird die Narbe über deinem Auge noch das schönste sein, was du sehen wirst, wenn du das nächste mal in den Spiegel schaust.“ Nach diesen Drohworten ließ er den Arm des anderen los, stieß ihn weg und wollte gerade gehen als auf einmal Soumas Stimme erklang. “Das gibt es doch nicht! Wegen solcher Kinkerlitzchen blockiert ihr die Dusche so lange!?“ Die beiden Streithähne wütend anfunkelnd und nur mit einem sehr knappen Handtuch bekleidet, stemmte sie die Hände in die Hüften. Augenblicklich wurde Kurogane bei diesem Anblick etwas rot. Waren hier Männer- und Frauenduschen nicht getrennt?! „Wir sind schon fertig“, brummte das Narbengesicht, schritt zurück und verließ ohne sie noch eines Blickes zu würdigen die Dusche. Souma sah ihm hinterher, wand sich dann aber mit einem frechen Grinsen an den immer noch leicht erröteten Kurogane. „Warum so rot, Schwarzer?“ Schnell fing er sich wieder und zog sein Oberteil an. „Ich ging davon aus, dass die Duschen geschlechtergetrennt wären.“ Ihr helles Lachen klang wunderbar vertraut in seinen Ohren und ihm wurde bewusst, wie sehr er seine Welt vermisste. Nicht dass er sich solche Sentimentalitäten bewusst erlauben würde. „Nein, das machen wir hier unten nicht. Oben sind die Leute so eigen in der Hinsicht, schon aus diesem Grund haben wir beschlossen es hier unten nicht so zu machen.“ Daran musste er sich wirklich noch gewöhnen und er versuchte sie nicht anzusehen als er an ihr vorbei nach draußen ging. Es roch wieder nach Essen, scheinbar war es Frühstückszeit. Darüber, woher die Leute hier unten das ganze Essen hatten, stellte er fest, hatte er sich auch noch keine Gedanken gemacht. “Wartest du einen Moment auf mich, dann können wir gemeinsam frühstücken.“ “Ah.“ Souma war wenigstens eine zumeist stille und angenehme Gesellschaft und er sehnte sich nach etwas aus seiner Heimat, auch wenn es eine andere Souma war, ihr Verhalten war zumindest ähnlich. Er musste auch nicht lange warten und sie kam mit nassen Haaren (und angezogen) aus der Dusche und zusammen schlenderten sie zur 5ten Etage, holten sich ihr Essen und zogen sich dann in einen Raum zurück, der scheinbar ihr gehören zu schien. „Setzt dich schon mal“ Mit diesem Worten verschwand sie hinter einem Tüchervorhang, während er sich auf die Sitzkissen nieder ließ, und kam nach einigen Minuten umgezogen wieder zu ihm. Die rote Bluse, die sie gerade erst noch zuknöpfte und der schwarze Rock standen ihr gut. Ob sie mit nach oben ging? Die Menschen waren hier meist warm und praktisch gekleidet, solche Outfits hatte er nur an den Mädchen im Einkaufszentrum gesehen. „Was zu trinken? Ich hab auch Alkoholisches hier.“ So früh am Morgen? “Ja.“ Die hohen Schuhe klackten auf dem Boden als sie zu einem durchgehangenen Regal ging und eine Flasche mit einem orange-roten Etikett herausholte. Seltsamer Anblick. Die Souma seiner Welt war nicht einmal von seiner Prinzessin dazu zu bewegen typisch feminime Klamotten anzuziehen und er bemerkte, wie er die junge Frau etwas zu sehr musterte. Wenn das so weiter ging kam er noch auf Gedanken, die in der momentanen Situation gar nicht gebrauchen konnte. ´Scheiß drauf´, dachte er sich nur noch als Souma sich von hinten über ihn beugte, etwas zu nah und ihm ein Glas in die Hand drückte. Manche Bedürfnisse hatte er seit ihrer Reise wirklich zu sehr außer acht gelassen und bevor sie sich aufrichtete, legte er ihr sanft eine Hand in den Nacken und sah ihr in die Augen. Sie lächelte nur leicht. Wenigstens die Körpersprache zwischen Mann und Frau schien in allen Welten gleich zu sein und erst einmal vorsichtig presste er seine Lippen auf ihre. Sie erwiderte leicht, drückte ihn dann aber mit einem fast neckischen und irgendwo triumphierenden Lächeln weg. Er wurde aus der Kriegerin, egal in welcher Welt, einfach nicht schlau. „Tut mir leid, aber an so was bin ich nicht interessiert.“ Oh. “An Männern allgemein nicht.“ Anscheinend gab es doch größere Unterschiede zwischen den Welten. War eh eine schlechte Idee gewesen. Warum hatte sie dann eigentlich mit ihm geflirtet? Nun, wenigstens seine etwas angeknackste Würde konnte er mit ihrer Erklärung wieder herstellen. Doch dann fiel ihm etwas ein. „Aber du hast doch ein Kind.“ “Tja, aber ungewollt. Deswegen sagte Storm auch, du sollst gut auf Fye aufpassen. Er ist hübsch.“ Verwirrt sah er sie an und bevor er reagieren konnte, hatte er seinen Gedanken ausgesprochen. „Er kann doch gar nicht schwanger werden.“ Etwas perplex sah sie ihn an und er hätte sich am liebsten geschlagen.. Zeit, dass sein Blut zurück in seinen Kopf fand. „Ich weiß schon wie du es meinst...“, murmelte er mit einem Hauch von Verlegenheit. Wusste er das wirklich? Da sie nicht freiwillig mit Männern schlief und dennoch ein Kind hatte, konnte nur eines bedeuten. Dass diese Welt scheinbar völlig moralisch verrottet war, hatte er schon bei der Begegnung mit dem Wächter beobachten können, aber waren solche Belästigungen in dieser Welt wirklich so normal und sogar schlimmeres? Irgendwie wurde ihm davon übel. Ihr bitterer, trauriger Blick schien ihm eine Antwort zu geben und sie schien zu wissen, was gerade in seinem Kopf vorging. „Wenn du kein registrierter Bürger irgendeiner Stadt bist hast du hier keine Rechte und das wird leicht ausgenutzt, trotz Bestechungen. So ist es nun einmal. Du hast Glück gehabt überhaupt unbeschädigt hier her gekommen zu sein, die Wächter hätten dich ohne Probleme töten dürfen.“ Sie hätten es ja versuchen können, geschafft hätten sie es nicht, dachte sich Kurogane finster. Er hatte keine Sorge sein Leben zu verteidigen. Die Sorge um die Kinder hingegen stieg immens und gleichzeitig machte sich Erleichterung in ihm breit, dass der Magier diesen Ort scheinbar schnell genug gefunden hatte. „Storm hat ihn hier hergebracht, oder?“, riet er einfach mal ins Blaue und er sollte recht behalten, denn sie nickte. Vielleicht sollte er ihm doch etwas dankbarer sein, denn auch wenn er ihn nicht leiden konnte, er hatte einen seiner Reisegefährten beschützt und tot wollte er den Magier wirklich nicht sehen. Vielleicht etwas leiser, aber nicht tot. Entschlossen stand er auf. Langsam sollte er den Magier suchen, sie brachen bald auf. Der Appetit war ihm eh vergangen. „Danke.“ “Für was auch immer,“ erwiderte sie mit einem sanften Lächeln und sah ihm nach als er aus dem Raum ging. „Für die Erinnerung, besser auf wichtige Dinge aufzupassen.“ „Kein Problem. Manchmal muss man eben an Dinge erinnert werden, sonst sind sie einem nicht bewusst, obwohl man die Wahrheit kennt.“ Irgendetwas war an dem Satz komisch. “Was meinst du damit?“ “Denk drüber nach.“ ~~~~~Kapitel Ende~~ Anmerkung: So, das war einmal ein sehr heteroes Kapitel, aber es hat Spaß gemacht! *grins* 8. Kapitel - (Die Ruhe vor dem Sturm) ------------------------------------- Kurogane konnte nicht anders als für einen kurzen Moment seinen schlechten Eindruck über diese Welt zu korrigieren und entspannt die Augen zu schließen. Tief ließ er sich in den bequemen Stuhl sinken und genoss seit langen mal wieder die warmen Strahlen der Sonne, die auf sein Gesicht schien und endlich, endlich, die absolute Ruhe um ihn herum. Selbst der für gewöhnlich immer plappernde Magier hielt mal die Klappe und genoss scheinbar selbst den Ortswechsel. Diese Ruhe war nach dem natürlichem Lärm im Lager und den ewig belebten Einkaufsstraßen der Stadt eine wahre Wohltat und über einen versteckten Lautsprecher schallte sogar Vogelgezwitscher. Souhi war unter einem langen, schwarzen Mantel verborgen, der momentan neben ihnen halb über einem Stuhl hing. Denn Waffen waren „oben“ - wie die Bewohner des „Bambushains“ den normalen Teil der Stadt nannten - nicht nur ein seltener Anblick, sondern auch strikt verboten. Selbst Reisende wurden bei ihrer Ankunft genauestens untersucht und mögliche Waffen abgenommen. Dabei waren die meisten Waffen gar nicht so offensichtlich wie ein Schwert, sondern meist Elektroschocker in irgendwelchen Implantaten oder Geräte mit denen man, ohne angeschlossen zu sein, andere Geräte beeinflussen konnte, wie z.B. die Kontrollluftboote, die ständig über den Hochhäusern der Stadt kreisten. Diese Implantate wurden dann einfach entfernt, jedoch war niemand so „verrückt“, wie es jemand aus dem Lager ausgedrückt hatte, tatsächlich eine so altmodische und auffällige Waffe mit in die Stadt zu nehmen und deswegen war es auch nicht schlimm, dass ein Stück der kunstvoll verzierten Schwertscheide unter dem schwarzen Stoff hervorblitze. Man würde es für eine Attrappe halten und noch dazu boten die zwei, vor einem Café gemütlich in der Sonne sitzenden, Gestalten zwar ein kontrastreiches, aber absolut friedliches und unauffälliges Bild. Fye, ebenfalls halb in seinem Stuhl liegend, mit einem Katzengrinsen im Gesicht und einen halb ausgetrunken Eiskaffee vor der Nase, öffnete blinzelnd ein Auge als sich ein Vogel auf seinen Finger setzte, die Singstrophen aus dem Lautsprecher leiser wurden und nur noch eine Vogelstimme im Vordergrund sang. “Hey..“, murmelte er leise und bewegte seinen Finger etwas. Der kleine Vogel mit strahlend grünen Gefieder und einem großen roten Punkt am Hals stakste geschickt auf den schlanken Fingern herum und flog dann auf Fye Schulter. Kritisch beobachtete Kurogane die Szene und auch wie Fye plötzlich glücklich und versunken lächelte. Ein Lächeln, das er nur selten an ihm sah. Eigentlich noch nie, aber er achtete auch nicht sehr darauf, dieses Theater mit seiner ewig gespielten guten Laune und alles verbergenden Lächeln ging ihm dazu zu sehr auf die Nerven. Es musste gespielt sein, denn selbst der fröhlichste Mensch konnte nicht immer so gut drauf sein, wie Fye es vorgab zu sein und so unbekümmert war er offensichtlich auch nicht. Für einen Moment schweiften seine Gedanken zu den Ereignissen in und vor der CLOVER Bar ab, doch dann schob er auch sie bei Seite. „Früher...“, begann der Magier und nahm einen tiefen Schluck von seinem Eiskaffee und trotz der Bewegung flog der Vogel nicht weg, „hatten meine Eltern..“, kurz wurde seine Stimme unsicher, „einen riesengroßen Vogelkäfig, so groß, dass er fast den ganzen Innenhof einnahm. Ich habe gerne mit ihnen gespielt und ich glaube ich habe immer sehr viel Ärger bekommen, weil ich sie dauernd frei gelassen habe...“ Nicht wirklich interessiert, aber überrascht, dass der Magier mal etwas über sein Vergangenheit erzählte, fragte Kurogane: „Warum hast du sie frei gelassen, wenn du so gerne mit ihnen gespielt hast?“ Das Lächeln wurde einen Moment etwas bitterer. „Sie haben mir Leid getan.. Vögel sollten nicht eingesperrt sein, sie gehören in den Himmel.“ Bevor Kurogane über diese abgedroschene Antwort die Augen verdrehen konnte, wurde ihr Gespräch von einem blonden Kellner im altmodischem Frack unterbrochen. „Wünschen die Herren noch etwas? Ihre Zeit läuft ab, wollen sie verlängern?“ “Jap, und noch einen Fruchtcocktail für die finstere Gestalt da drüben“, und schon hielt Fye ihm Kuroganes Handgelenk hin und in einer dezenten Bewegung scannte der Kellner mit seiner Hand darüber. Eine Weile noch genossen sie schweigend die Atmosphäre. Wahrscheinlich brauchten die Leute solche Orte, um in dieser verrückten, lauten und überfüllten Stadt überhaupt klar zu kommen, denn auf ihrem Weg hatten sie unzählige solcher Cafés gesehen. Kurogane fand es eigentlich kitschig, unglaublich kitschig. Die Sonne schien auf diesen Platz wie im Hochsommer und dennoch waren die Temperaturen dank einer leichten Briese angenehm. Durch die Technik dieser Welt drang kein Laut des Stimmengewirrs der nahen Einkaufsstraße zu ihnen und dieses kleine Café strotze nur so vor exotischen Pflanzen, sogar die gesamte Häuserwand war mit Efeu bedeckt, dazu sangen und flogen überall Vögel. „Hier, probier mal. Das ist Eiskaffe, schmeckt total lecker!“, und schon schob Fye das hohe Glas mit der bräunlichen Flüssigkeit neben den rot-gelben Cocktail des Ninjas. Doch dieser beugte sich nur vor und nahm einen weiteren Schluck von seinem eigenem Getränk. „Nein danke, ich bleib' lieber beim Alkohol, der macht diese Welt gleich ein wenig erträglicher.“ Ein leises Sirren war zu hören, der Vogel auf Fyes Schulter spielte nicht mehr mit ein paar blonden Haarsträhnen, sondern löste sich in der Bewegung erstarrt auf und schon saßen sie wieder vor einem unscheinbaren Café mit spiegelblanken Fassaden, die mindestens noch 15 Stockwerke nach oben erstreckten und der gewohnte Lärm drang an ihre Ohren. Schwer seufzte Kurogane, schüttete den Rest des Cocktails auf ex herunter und stand aus dem bequemen Stuhl auf. Auch wenn es alles nur Hologramme waren, kam er nicht umhin, diese Atmosphäre genossen zu haben. Der Magier streckte sich ausführlich. Sie waren den ganzen Vormittag in der Stadt herumgelaufen und hatten nach den Blagen gesucht, doch ohne Erfolg. Irgendwann hatten sie sich, immer noch ohne einen Anhaltspunkt, in dieses Café gesetzt und eine Pause gemacht. „Lass uns weitersuchen, Kuro-rin!“ “Lass die Spitznamen.“ Breit grinste ihn der Magier an. „Aber wieso denn, ich find sie süß!“ “ICH bin aber nicht süß und du bist gleich einen Kopf kürzer, wenn du so weiter machst.“ „Mensch, immer bist du so muffelig~“ Und so weiter. Eben die Konversation, die sie schon den ganzen Vormittag führten. Als hätte er nicht andere Dinge zu besprechen, doch um Antworten, schien sich der Blonde immer noch meisterhaft drücken zu können. Immerhin lief es wenigstens wieder ein wenig normaler zwischen ihnen. Ohne auf das weitere Gebrabbel des Magiers zu hören, zog er ihn einfach wieder in die Menschenmasse. “Eigentlich war es dumm von mir..“, murmelte der Magier als sie irgendwann in eine nicht ganz so laute und belebte Gasse einbogen. “Was war dumm von dir?“ Es war so unglaublich hoffnungslos in dieser Riesenstadt unter diesen unzähligen Menschen die Kinder zu finden, aber eine andere Möglichkeit als diese hatten sie einfach nicht. “Die Vögel frei zu lassen.“ “Hm.“, unwillig zuckte er mit den Schultern. Er war es gewohnt, dass der Magier ihn voll quatschte und der andere war es gewohnt dabei ignoriert zu werden. Doch es überraschte und verwirrte ihn zugleich, dass der Magier auf einmal bereit war, so viel über seine Vergangenheit zu erzählen. Oder war das wieder nur eine Vertuschungsaktion? Seit dem Gespräch mit Souma wusste er gar nichts mehr. Weder ob er den Magier glauben konnte, noch was in ihm selbst vor ging. „Dort wo ich herkomme, ist es sehr kalt, weißt du? Jedenfalls im Winter..“, wieder wurde seine Stimme so unsicher, aber schnell schien der Magier sich zu fassen. “Ja,ja“, brummte Kurogane nur. Eine Weile schwieg der Magier, doch dann redete er weiter. „Ich ließ sie irgendwie nie im Sommer frei, wenn sie noch Richtung Süden, in die wärmeren Gebiete hätten fliegen hätten können... sie sind sicher alle gestorben.“ Einen Moment sah er ihn aus den Augenwinkeln an. „Manchmal muss man sich eben zwischen Freiheit und Leben entscheiden.“ „Ja.. muss man. Aber ist es so verrückt beides zu wollen?“ „Ich vermute es ist ganz normal.“ „WOAH!“ “Was?“ Strahlend packte ihn der andere an der Hand. „Eine Konditorei! Kuro-pii, lass uns da rein! Ich kann den ganzen Mais und Reis nicht mehr sehen und in von der Firma gibt es soooooo leckere Quarktaschen! Und Puddingteilchen! Und Schoko-Croissants !!“ “Aha, hat dir wohl dieses Narbengesicht gezeigt oder kanntest du das auch schon vorher? So wie du die Sprache bereits konntest?“, konterte der Ninja etwas verächtlich, doch der Magier schien keineswegs darauf einzugehen, sondern zog ihn nur mit einem „Hier lang~“ in das Geschäft und orderte gleich zwei Teilchen, eine Tasse Kakao mit Sahne und „etwas bitteres zum Trinken“ für Kurogane. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Es war dunkel geworden und sie hatten nicht mal ansatzweise Erfolg gehabt. Lustlos kaute der Ninja an einem pappigen „Fastfood“ – Brötchen herum, welches man einfach nicht essen konnte, ohne dass der Belag aus vermatschter Tomate, irgendeiner Soße, ein plattes Stück Fleisch und eine jämmerliche Entschuldigung von Salat halb herausrutschte. Der große Platz vor ihnen, auf dem sie sich auch in dieser Welt das erste Mal begegnet waren, füllte sich langsam wieder mit Menschen und auch die Händler hatten ihre provisorischen Geschäfte wieder aufgebaut. „Was machen wir, wenn wir sie nicht finden?“, murmelte der Magier nachdenklich und selber etwas k.o. gegen eine leere Pommestüte, die er gelangweilt musterte, zusammenfaltete und zum wiederholten Male die Webung darauf las. “Wir müssen sie finden, oder wir bleiben ewig hier.“ Frustriert schmiss Kurogane den halb aufgegessenen Fraß in eine nahe Mülltonne und starrte finster in die Menge. Das war doch nicht zum aushalten! Sie saßen wieder auf dieser Bank, vor diesem seltsamem Gebäude und neben dieser halb verfallenen Statue und wieder einmal hatte er Kopfschmerzen. „Kurogane..?“, kam nach einer ganzen Weile des Schweigens, in denen sie gedankenversunken der Menschenmasse beim Vorbeiziehen zugesehen hatten und Kurogane hin und wieder den Blick in den Himmel gerichtet und die kaum erkennbaren Luftboote beobachtete hatte. „Was sind das eigentlich für komische fliegende Dinger da oben?“, unterbrach er den Magier. “Ich weiß es nicht, ich glaube Teil der Kontrollsysteme.“ „Hm..“ Wieder Schweigen. “Was wolltest du vorhin-“, doch dann brach er mitten im Satz ab. Was interessierte ihn es auf einmal, was der andere sagen wollte? Erfahrungsgemäß würde er ihn eh zulabern, egal ob er etwas sagte oder nicht. “Sagen?“, ergänzte der Blonde. “Hm.“ “Nichts wichtiges.“ Ein verächtlichen Schnaufen war die einzige Antwort, die Fye darauf bekam. Für wie blöd hielt er ihn eigentlich? „Was?“ Es klang sanft, wie immer. „Manchmal frage ich mich, wie lange du mir noch etwas vormachen willst.“ Schweigen. Der Magier sah bedrückt zu Boden und dann die Statue an. Irgendetwas blitze in seinen Augen auf, etwas unglaublich trauriges, aber auch wieder etwas, was er nicht fassen konnte, und unglaubliche Verwirrtheit. Eine Antwort bekam er nicht. “Hey, Magier.“ Aus seinen Gedanken gerissen sah ihn der andere Mann an. Der Ausdruck lag immer noch in seinen blauen Augen, die im Spiel aus Schatten und bunten Licht einen seltsamen dunkelblauen Farbton angenommen hatten. Fast wie der Abendhimmel, den man über dieser Stadt nicht sah. “Ich habe dich gefragt, wie lange du mir noch etwas vormachen willst.“ Fye senkte den Blick und das was er nun sah, verwirrte Kurogane noch viel mehr, als alles was er in dieser Welt bisher gesehen hatte. Weinte der andere? Irgendwie erschreckte ihn diese Tastsache. “Fye...?“ Doch als er aufsah, war da Traurigkeit, aber keine einzige Träne. “Hm?“ Er wusste nichts darauf zu sagen und mit einem Seufzen drehte er den Kopf weg. “Kuro-pon?“ “Hm..“ “Mach mal die Augen zu.“ “Warum?“ Auch hierauf bekam er keine Antwort, also tat er es nach einem kurzem Moment einfach und im nächsten Moment spürte er wie Fyes Stirn sich gegen seinen Oberarm lehnte. Mehr nicht. Einfach nur ein leichtes Anlehnen, ihre Körper waren sich nicht einmal besonders nahe, dennoch kam ihm diese Geste irgendwie intim vor. Doch er bewegte sich nicht, sondern ließ den anderen gewähren. „Nicht mehr lange.. bitte hör einfach auf Fragen zu stellen.. “ Ergeben seufzte er. Er würde so oder so keine Antworten bekommen, wenn der Magier nicht bereit war, sie ihm zu geben. Warum sollte er dann nicht auch noch etwas warten? Er öffnete die Augen und löste Fye etwas von sich. „Okay, okay.“ Ein leichtes Lächeln stahl sich auf die Lippen seines Gegenübers. „Kuro-chama vertraut mir!“ “Davon habe ich NIE etwas gesagt!“ Warum musste der Blonde ihn immer wieder so auf die Palme bringen? “Aber in der Hinsicht schon, oder?“, drängte Fye weiter. “Was bleibt mir anderes übrig?“ “Also tust du es?“ “JA VERDAMMT“, maulte er den anderen jetzt wirklich an. Das ging zu weit! Gerade war er der Magier noch fast so etwas wie angenehme Gesellschaft gewesen und schon brachte er ihn wieder zur Weißglut. Doch der sein Gegenüber sagte gar nichts mehr, sondern sah nur mit einem zufriedenen Lächeln nach oben, in den durch Werbung, Luftboote und das Licht der Hochhäuser kaum zu erkennenden Himmel. ~~~~~~~~~~~ Kapitel 8~~ Ende~~ 9. Kapitel - (EX) ----------------- Bereits die zweite Nacht nach ihrem Gespräch und nun schon der dritte Abend, an denen sie erfolglos von ihrer Suche nach Sakura, Shaolan und Mokona in den Hain zurück gekommen waren. Frustriert schmiss Kurogane die dicke, schwarze Jacke, die ihm jemand nach einer „Lieferung“ in die Hand gedrückt hatte und die er seit dem oben trug, in die nächste Ecke. „Das kann doch nicht wahr sein! Langsam habe ich das Gefühl, sie SIND gar nicht in dieser Welt!“ Fye zuckte nur mit den Schultern und schwieg wie immer, wenn Kurogane auf dieses Thema zu sprechen kam. Oder vielleicht lag es diesmal auch an etwas anderem, denn die letzten Tage war der Blonde immer blasser und stiller geworden und auch nachts geschah es oft, dass Kurogane entgegen seiner üblichen Gewohnheit vor dem Magier einschlief. Gefragt hatte er ein Mal, keine Antwort erhalten, also ging es ihn nichts an. Kritisch beobachtete er, wie der Blonde die Jacke wieder aufhob und nahm sie ihm aus der Hand. „Kuro-pon, sie ist weg, wenn du sie überall liegen lässt.“ “Ist vermutlich eh geklaut“, knurrte er schlecht gelaunt und ging in die Richtung , in der es um die Zeit noch Abendessen gab. 2 Stock. Langsam kannte er sich hier aus. Schnell war Fye wieder neben ihm und sah ihn tadelnd an. „Ist es nicht. Erstanden durch fairen Tauschhandel. Nur weil hier nicht alles legal abläuft, ist das hier dennoch kein Haufen Krimineller!“ “Warum verteidigst du sie eigentlich dauernd?“, fragte er, während er die Leiter zum ersten und danach zweiten Stock hochkletterte. „Es sind gute Leute, sie haben mir geholfen und mich aufgenommen..“ „Du freundest dich auch mit allem an, sogar mit deformierten Plüschhasen.“ [1] Verwirrt kletterte jetzt auch Fye von der Leiter auf ein wankendes Provisorium. War hier eigentlich alles kaputt?! “Wo sind hier Plüschhasen?“ “In diesem Wald, mit dem Tornado und den komischen Hasen, die dich und Shaolan essen wollten.“ Er fixierte sein Gesicht genau, aber dennoch konnte er nicht sagen, ob das Erkennen, das auf einmal in das blassere Gesicht trat, echt war. „Ach das! Ja, die waren aber auch lustig und knuffig!“ Innerlich die Augen verdrehend, wies er den Magier an sich schon mal zu den anderen zu setzten, während er das Essen holte. Er wollte nicht, dass der Blonde noch umkippte und er sah mittlerweile wirklich danach aus, das hatte er schon bei ihrer Suche oben bemerkt. Als er zurück kam, redete Fye gerade mit Souma und spielte dabei gedankenverloren mit einem Blag, soweit er erkennen konnte ihrem, auf seinem Schoß. Der Ninja setzte sich und in dem Moment stand sie auf und nahm das Kind. „So, es wird Zeit, dass wir dich füttern, mein Süßer“, verkündete sie dem Jungen sanft und begeistert patschte er ihr in den Haaren herum. Zum Glück fütterte sie das Kind nicht hier, sondern ging, nachdem sie Fye noch einmal sanft angelächelt und ihm ein „Versuch es einfach“ zugemurmelt und Kurogane ein Lächeln geschenkt hatte. „Was sollst du versuchen?“, fragte er im desinteressierten Ton, während er dem ehemaligen Magier ein Glas Wasser und eine Schale Curry in die Hand drückte und besorgt die leichten Augenrringe bemerkte, welche die blauen Augen irgendwie trübe erscheinen ließen. “Wirst du vielleicht noch sehen“, grinste der Magier ihn an und machte sich hungrig über das Essen her. Typische Antwort. „Da bin ich ja mal gespannt“, entgegnete Kurogane ironisch. “Ich auch~!“ Plötzlich verstummte das Gerede am Feuer und ehrfürchtig wurde Platz gemacht, als sich der Älteste hinzugesellte. Sogar einmal ohne seine grüne Drogenschüssel, stellte Kurogane fest. Der Alte humpelte etwas und wurde von einem hübschen, jungen Mädchen gestützt, das ihm aus keiner Welt bekannt vor kam. Ganz in ihrer Nähe ließen sie sich nieder und er wurde wieder einmal großväterlich angelächelt. „Und mein Junge, schon Erfolg gehabt bei eurer Suche?“ Kurogane nahm noch einen Schluck von seinem Wasser, bevor er den Kopf schüttelte und auch Fye guckte ziemlich resigniert drein. „Nun, ihr werdet sicher noch Erfolg haben“, versicherte er ihnen und fischte seinen schwarzen Zopf mit einem Murren aus seinem Curry. „Noch sind die Pforten ja offen.“ “Pforten?“, fragte Kurogane aufmerksam. Ach ja, sie hatten ja nicht mehr all zu viel Zeit die Kinder zu finden, denn zu bestimmten Zeitpunkten wurde das Lager abgeriegelt und niemand konnte herein und heraus. “Du merkst schon, wir haben hier alle einen Faible für die alte Sprache“, kichernd schob der Alte sich einen Löffel Kartoffeln in den Mund, bevor er weiter erzählte. „'Die Pforten schließen' bedeutet nichts anderes als dass wir das Lager für eine Weile zu machen müssen.“ “Und weder ein Mäuslein oder Spinnchen kommt herein~“, summte jemand hinter dem Ninja, der trotz des Tones und dem immensen Sinngehalt der Worte, nicht Fye war, sondern der Doktor. Mit Schwung ließ er sich auf Soumas Platz nieder und nahm einem Kind, mit einem Tätscheln auf dessen Kopf, die Schale mit dem Essen ab und begann selbst zu essen, bedacht mit einem tadelnden aber stummen Blick des Ältesten, der sich aufhellte als kurze Zeit Souma mit ihrem Kind hinzu kam. „Souma!“, rief er, als hätten sie sich Jahre nicht gesehen. „Ihr seid hier?“, erwiderte sie offensichtlich überrascht und höflich. „Ja, ich dachte es wird Zeit mich unter das junge Gemüse zu mischen, bevor ich völlig senil werde und nicht mehr weiß, wer ihr seid!“ Allgemeines Lachen ging durch die Runde, bevor die genau so giftgrünen Augen wie die Brühe, die er dauernd schnüffelte, kritisch zu Kyle und dann zu Souma sahen. „Ich weiß es ist erfreulich, dass er aus seinem Krankenzimmern heraus kommt, aber kannst du deinem Mann nicht wenigstens die grundlegendsten Manieren eintrichtern, meine Liebe?“ Kurogane verschluckte sich beinahe an seinem Essen. „Ihr seid verheiratet?“, fragte er entsetzt bis verwirrt. „Aber..“ Lachend unterbrach sie ihn. „Wir gehörten früher zu den 'Industriellen' und wurden von unseren Eltern verheiratet bevor wir flüchteten und hier her kamen.“ “Deswegen ist Kyle auch so ein guter Arzt“, fügte Fye mampfend hinzu. Das alles verwirrte Kurogane nur noch mehr. „Klärt mich auf“, forderte er. Kyle ging auch sofort darauf ein. „Also, da gibt es die Bienchen, das sind wir Männer wobei der Phallus*[2]durch den Stachel der Brummmänner symbolisiert werden. Die Frauen, das sind die schönen bunten Blumen. Wobei das eigentlich unsinnig ist, denn Blumen haben sowohl weibliche Geschlechtsteile, die Stempel, wie auch männliche, die Pollen, wären damit eigentlich Zwitter-“ Entnervt hielt Souma ihm den Mund zu. „Heb dir die Erklärung für den Kleinen auf.“ Empfahl sie ihm und drückte ihm das Kind auf den Schoß, das zu dem Arzt mit großen, unschuldigen und nichtswissenden Augen aufsah. „Niaouli[3] war früher ein ganz anderes Land wie jetzt. Doch als die Monarchie gestürzt wurde, herrschte Chaos und Bürgerkrieg im ganzen Land und hinzu kam noch eine wahrliche Katastrophe“, begann Souma zu erzählen, währen sie nachdenklich ins Feuer sah. „Der Planet wurde absolut lebensfeindlich... es lag an keiner Strahlung, nicht an der Sonne oder sonst irgendetwas, was man feststellen konnte. Er schien seine Bewohner einfach krank zu machen.. sehr viel früher-“ „Selbst vor meiner Zeit!“, warf der Älteste ein, der irgendwoher doch wieder seine Schüssel bekommen hatte, aber statt zu schnüffeln aufmerksam zuhörte, damit Souma auch nichts vergaß, während sie weitererzählte. „.. beherrschten viele Menschen hier auch Magie, doch selbst diese konnte uns nur kurz schützen. Deswegen begannen wir nach Wegen zu suchen uns durch Technik und die Natur zu schützen und der Stand der „Industriellen“ bildete sich heraus. Wir sind ihnen eigentlich zu Dank verpflichtet, denn sie haben diese Städte entworfen, hier sind wir sicher von den schädlichen Einflüssen und sind versorgt. Alles was wir brauchen können wir selbst produzieren und es fehlt uns an nichts...“, ein ironisches Lächeln bildete sich auf den meisten Gesichtern der Bewohnern. „Außer vielleicht ein wenig an Menschlichkeit. "Doch obwohl wir am Anfang alle zusammen gearbeitet haben, denn man braucht ja nicht nur kluge Köpfe, sondern auch fleißige Hände, um all das zu bauen, wurden sie die absolute Elite und übernahmen die Kontrolle über die vereinzelten Städte und danach auch in der mittlerweile eh völlig korrupten Politik..“ „Wenn man nach ihrer Pfeife tanzt oder die richtigen Eltern hat, dann hat man nichts zu befürchten..“, mischte sich jetzt auch eine blonde Frau mit fast so blauen Augen wie Fyes ein, „aber sobald man ihre Methoden kritisiert oder wagt anders zu leben, steht man auf der Abschussliste und darf von jedem getötet werden. Freiwild sozusagen, wobei der Tod noch der beste aller Fälle ist, wenn du Pech hast, kommst du in die Labore. Sie sind es auch, die die ganze Stadt überwachen ... für sie sind wir nicht nur eine Bedrohung für die Bürger und Schmarotzer, sondern auch eine Bedrohung für ihre Machtstellung, denn viele Leute sagen trotz der Gefahr ihrem alten Leben oben auf Wiedersehen und kommen hier runter.“ “Sie verlieren ihre Arbeitsbienen“, kommentierte jetzt auch Kyle. „Kann sie verstehen, ich werd’ ohne meine gehorsamen Handlanger auch immer kirre.“ Jetzt konnte er sich wenigstens einige Dinge zusammenreimen. Seufzend sah Kurogane zum Magier, der diese Geschichte zwar offensichtlich schon kannte, aber dennoch interessiert zugehört hatte. „Und wie kommt ihr beide hier hin? Auch freiwillig?“, fragte er Souma in seinem typischen sanften Ton. Wenn er so darüber nachdachte, konnte sich Kurogane auch nicht vorstellen, was zumindest ihren Ehemann hier runter getrieben haben könnte. „Kyle war einer der führenden Forscher für „Humanmedizin““, die junge Kriegerin sprach das Wort sehr verächtlich aus, so als handelte es sich um etwas völlig anders. Der Ninja kannte das Wort zwar nicht aber aus „Human“ und „Medizin“, konnte er sich schon zusammen reimen worum es ging. „In der Hauptfirma, der „EX“. Jedoch wurde es selbst ihm irgendwann zu viel und nachdem er viele „Patienten“ für Verhaltensforschungen mit nach draußen genommen hatte und sie dort „zufällig verlor“, bekamen wir Ärger. Ich kannte die Leute vom Hain schon länger, wie auch wir jetzt eine menge Informanten und Freunde, die sich nicht trauen sich so extrem gegen die „Industriellen“ zu stellen, haben und dadurch wussten wir natürlich wo wir Unterschlupf finden konnten.“ Eine ganze Weile herrschte nachdenkliches und teils betretendes Schweigen. Also waren diese Leute hier größten Teils Flüchtlinge und Menschen, die oben nicht mehr Leben wollten. Oder Kinder, die hier einfach geboren wurde, dachte sich Kurogane, als er auf das Blag sah, das sich unbeeindruckt von der allgemeinen Stimmung fröhlich auf Kyles Schoß herumwand. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der nächste Morgen sah aus wie der Abend, mal davon abgesehen, dass mehr Menschen in Bewegung waren. Nach dem er duschen war, mittlerweile daran gewohnt, dass Männer und Frauen dies zusammen taten, ging er zurück und weckte Fye verhältnismäßig sanft mit einem vorsichtigen Rütteln an der Schulter, statt einem lauten „Hey“ und im besten Fall harten Schütteln. Der andere hatte die Nacht schon wieder so schlecht geschlafen, aber diesmal kam das Narbengesicht nicht um Mama zu spielen und nachdem er ihm ein paar Mal mit einem kalten Lappen übers Gesicht gefahren war und ihm noch etwas Alkohol eingeflöst hatte, war er endlich ruhiger geworden. Ohne auch nur das Frühstück angesehen zu haben, tapste ein sehr blasser Fye mit ihm Richtung Ausgang, bleib dann plötzlich stehen und murmelte etwas von „Bin gleich wieder da..“, bevor er schnell verschwand. Mit einem Anflug von Besorgnis folgte ihm Kurogane und fand ihm beim „Friedhof“, der komischen Masse, wo auch die Toten begraben wurde und wie er unfreiwilligerweise erfahren hatte, auch Fäkalien entsorgt und Pflanzen angebaut. Nun.. in seiner Welt benutze man so etwas auch als Dünger, aber dennoch fand er es etwas.. unpassend... seine Angehörigen sozusagen in Scheiße zu begraben. Aber da es die Masse fast sofort aufnahm und umwandelte, hatte er sich schnell überwunden, dennoch sorgenfrei sein Abendessen ins sich zu schaufelnd. Essen war Essen und es gab Schlimmeres. Er fand den etwas kleineren Mann in einer Ecke, sich den Bauch haltend und die Seele aus dem Leib kotzend, was die Masse regelrecht gierig entgegen nahm. Kurogane lehnte sich an die Wand und wartete geduldig bis er fertig war. Als die Würgegeräusche für längere Zeit nicht mehr zu hören waren, sah er Fye an und fragte ruhig: „Fertig?“ Schwach nickte der Magier und wischte sich den Mund ab. „Ich denke.... wir können los.“ Das glaubte er doch wohl selber nicht. Entschieden schüttelte der Ninja den Kopf. „Denk nicht mal dran, ich suche alleine.“ „Das darfst du nicht.“ „Und du kannst nicht. Geh zurück und leg dich hin.“ Fye versuchte auch wirklich aufzustehen, sah aber aus, als würde er gleich wieder zusammen brechen, zitterte am ganzen Körper und diese Gesichtsfarbe brauchte langsam schon eine neue Bezeichnung. Mit einem entnervten Seufzen ging er auf den Blonden zu, packte ihm am Arm und wurde groß angesehen, als er sich runter beugte und ihn an den Kniekehlen griff und noch ein Stück verwirrter, als er ihn mit Schwung hochnahm und ihn zurück in die Halle brachte. Doch dann stahl sich ein Lächeln auf Fyes Lippen und zufrieden lehnte er den Kopf gegen die Brust des Kriegers, schloss die Augen und schien fast enttäuscht als ihn der Schwarzhaarige vorsichtig auf ihr Lager legte. Müde murmelte er ein „Danke...“ und schloss die Augen. Bevor er wegdriftete bat er Kurogane jedoch nicht alleine los zu ziehen, sondern Hime mitzunehmen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Eigentlich wollte er nicht, aber wissend, dass Fye wirklich Ärger bekäme, machte er sich auf die Suche nach der Kleinen, die mittlerweile wieder gut laufen konnte. Die Medizin war hier wirklich fortgeschrittener, als in seiner Welt. Kyle ließ sie ungern gehen. aber da er eigener Aussage a) eh einen Kater und b) keine Patienten, die ihm die nächsten Stunden wegsterben würden, hatte, ließ er sie gehen. Shaolan bestand darauf mit seiner Adoptivschwester mitzugehen und so waren sie nun zu dritt unterwegs. Ein Papa mit seinen zwei Kindern, hätte die blonde Nervensäge jetzt sicher wieder den Anblick kommentiert, aber dieser war zum Glück gerade nicht da. Die Kinder sahen etwas verwirrt drein aber nicht so sehr, wie sie angesichts der Anweisung nach Leuten zu suchen, die exakt wie sie aussahen, sein sollten. Sakura war keine wirkliche Hilfe, obwohl sie sich sehr große Mühe gab. Doch ständig war sie abgelenkt von dem Trubel, der um sie herrschte und hier und da ließ sich Kurogane auch erweichen mit ihr in ein Geschäft zu gehen. Vor allem die Tierhandlungen hatten es ihr angetan. Deswegen erbarmte sich der Ninja auch und machte eine Pause in der Tierabteilung eines Einkaufszentrum, in dem es nicht nur gewöhnliche Haustiere gab, sondern neben Katzen, Hunden, Schweinen, Kaninchen auch exotische Skorpione, Käfer, Kängurus, Raubkatzen, Pinguine und Tiere, die er noch nie gesehen hatte. Und zu allem Überfluss waren diese nicht einmal hinter Glas. Etwas beunruhigt beobachtete er, wie Sakuras Double mit einem Leoparden spielte und bewegte sich keinen Millimeter, während ein schwarzer Skorpion über seinen Fuß krabbelte und ein rosa Schweinchen durch ständiges Anstupsen um seine Aufmerksamkeit bettelte. Das hier war keine Tierhandlung, sondern ein Streichelzoo für Lebensmüde, stellte der Ninja gezwungen ruhig fest und war erleichtert einen Verkäufer zu entdecken, um ihn zu bitten das giftige Insekt von seinem Fuß zu nehmen, bevor er es mit seinem Schwert aufspießen würde. Mit einem Lächeln tat es der junge Mann mit der Brille auch und betrachtete den Skorpion liebevoll. „Sie brauchen keine Angst zu haben. Den Tieren ist ein Chip implantiert, der verhindert, dass sie Menschen angreifen.“ Aus den Augenwinkeln beobachtete er Hime, die gerade von der angeblichen Raubkatze mit den Pfoten zu Boden gedrückt wurde und dabei immer noch lachte. „Technik kann doch auch mal versagen, oder?“ Erschrocken sah sich der Verkäufer um, stellte fest, dass es niemand gehört hatte und beugte sich dann zu ihm runter. „Seien Sie vorsichtig mit solchen Äußerungen könnten sie hier Ärger bekommen.“ “Yukito? Bedienst du grad jemanden? Könntest du mir mal helfen? Die Boa ist ausge~risseeeen. WAH!“, erschallte es irgendwo aus der hinteren Ecke des Ladens. Schnell wuselte der Blonde hin. „Halt’s aus Toya, ich komme!“ Kopfschüttelnd sah er ihm hinterher. In Sakuras Welt, so hatte er erfahren, waren die beiden König und Priester, hier arbeiteten sie in einer Tierhandlung. Noch bevor er darüber nachdenken konnte wie er die Schmusekatze von der Kleinen wegbekommen konnte, erschallte draußen ein Scheppern und Stimmen wurden laut. “Was Fällt dir ein du, Bengel?! Lass deine dreckigen Finger von den Besitzern dieser Stadt, wenn du sie behalten willst! Wo ist dein Erziehungsberechtigter?“ Eilig verließ Kurogane das Geschäft und sah nach was da los war. Shoalan, der sich draußen umsehen wollte, während er mit Sakura im Geschäft war, lag in den Scherben der Überreste eines Schaufensters, über ihm ein Wächter in einer ähnlichen Panzeruniform, wie der, dem er an seinem ersten Tag in dieser Welt begegnet war. Nur trug dieser ein schwarz-dunkelblaues Logo auf seiner Unform, unter dem weißen Großbuchstaben „EX“ stand. Gerade griff eine behandschuhte Hand brutal in Shaolans braunes Haar und zog ihn hoch. „Ich frage ungern noch einmal, wo sind deine Erziehungsberechtigten?“ “Er gehört zu mir.“ Gefährlich funkelnd ließ der Wächter Shaolan zurück in die Scherben fallen und warf einen finsteren Blick in die Runde, worauf die Schaulustigen in Rekordzeit verschwanden oder krampfhaft woanders hinsahen. Scheinbar hatten die Wächter die Leute wirklich gut im Griff und vorsichtshalber fuhr Kuroganes Hand unauffällig zum Knauf seines Katanas. Wäre doch ein Witz, wenn er es mit ihm nicht aufnehmen können würde! “Bist du sein Erziehungsberechtigter?“ “Ja.“ Was auch immer das war. „Er hat es gewagt die Gäste des Vorsitzenden von EX zu beschimpfen und auch noch anzugreifen.“ Das konnte Kurogane sich bei dem höflichen Verhalten, das Shaolan meist an den Tag legte, zwar nicht vorstellen, aber er versicherte dem Wächter dennoch, dass er ihn dafür dafür bestrafen würde. Offensichtlich nur unwillig ließ es der Wächter auf sich beruhen, scheinbar war ihm langweilig und er suchte den Konflikt regelrecht. Doch zu einem Kampf kam es nicht als auch Sakura aus dem Geschäft herausgerannt kam und weinend sich an Kuroganes Arm klammerte. „Daddy, Daddy! Wir verpassen noch, wie die kleinen Löwenbabys gefüttert werden, du hast es mir versprochen! Versprochen hast du es mir!“, quälte sie ihn in einer schmerzhaften Tonlage, doch der Ninja kapierte die Taktik, schnappte sich Shaolan mit einem „Du wirst zu Hause noch Ärger bekommen!“ am Ohr und schleppte beide zurück ins Geschäft, wo ihnen Toya auch gleich den Weg zum Hinterausgang zeigte. Das war knapp gewesen! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Als sie das Lager erreichten war das Mittagessen gerade vorbei. Angesichts der Tatsache, dass Shaolan ein paar üble Schnittwunden von seinem Flug durch die Schaufensterscheibe davon getragen hatte und dazu noch eine Kopfwunde, hatten sie beschlossen zurück zum Hain zu gehen. Shaolan hatte er vorsichtshalber getragen und setzte ihn nur an der Krankenhausstation ab. Dr. Kyle verdrehte nur die Augen. „Leiht sich meine Gehilfin aus, bringt sie glücklicherweise wieder, weiß diesen freudigen Umstand aber zu trüben, indem er Arbeit mitbringt. Haben Ihnen Ihre Eltern keine Manieren beigebracht?“ Den Kommentar über seine Eltern überhörend beobachtete er, wie der Arzt die Schnittwunden nähte. „Wie ist das eigentlich passiert?“ “Ich habe die gesehen, die du suchst. Ein Mädchen, das aussieht wie Hime und ein Junge, der mein Zwilling sein könnte.“ Kyle zeigte sich unbeeindruckt und nähte weiter. “WAS?! Warum verdammt noch mal hast du das nicht früher gesagt?!“ „Der Wächter..“, erwiderte der Junge schuldbewusst, „außerdem waren sie schon weg. Aber ich glaube du kommst nicht an sie ran. Sie waren mit dem Oberhaupt von EX zusammen, dem führenden Konzern in de Stadt.“ Doch der Erwachsene hörte gar nicht mehr zu. Das bedeutete, die Kinder waren in der Stadt. Und auch gar nicht so weit entfernt, denn das Einkaufszentrum lag im selben Stadtviertel wie der Hain. Doch warum konnten sie sich dennoch nicht verständigen, grübelte er, während er nach unten kletterte, um nachzusehen, wie es dem Magier ging. Versuchsweise stellte er den Übersetzer aus, wenn der Blonde ihn dennoch nicht verstehen würde, hieße das, dass das weiße Manjuu irgendeinen Defekt hatte. Scheiß Ding, konnte auch nichts richtig machen. Doch er vergaß seine Wut wieder, als er zu ihrem Lager kam. Eng in zwei Decken gerollte schlief der Magier in Soumas Schoß, die ihm immer wieder durch das Haar streichelte. Offensichtlich schlief er noch unruhiger als sonst und Schweiß schimmerte auf seiner Stirn. Erleichtert lächelte die braunhaarige Frau, als sie ihn erblickte. „Gut dass du da bist, momentan schläft er still, aber sobald niemand in der Nähe ist, wird es schlimmer. Ich muss mich um meine Aufgaben kümmern, es gibt noch mehr Leute, denen es so schlecht geht.“ Verwirrt setzte sich der Ninja auf die Decken? „Noch mehr ? Vielleicht ist es ansteckend?“ “Nein, nein, das liegt vermutlich an der Neumondwende. Da geht es vielen elendig“. Und schon war sie verschwunden und er mit dem Kranken alleine. Etwas unentschlossen nahm er den kalten Lappen, den Souma ihm dagelassen hatte und fuhr seinen schlafenden Reisegefährten über die Stirn. Er hatte ja schon gehört, dass manche Menschen, vor allem Frauen, bei bestimmten Mondphasen Probleme hatten, aber das hier fand er übertrieben. Stunden vergingen. Kurz war Fye wach und übergab sich und geduldig wischte ihm Kurogane immer wieder übers Gesicht, was anscheinend wirklich beruhigend wirkte, auch wenn er Fyes Kopf nicht in seinen Schoß legte, wie Souma es getan hatte. Er wünschte die Blagen wären hier, um das zu übernehmen, er wusste wirklich nichts mit dem kranken Fye anzufangen, aber sie waren nicht hier und so blieb er und die Sorge, weil er absolut nicht wusste, was los war. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Irgendwann in der Nacht war er eingeschlafen. Das Licht war angesichts der vielen Kranken gedämmt und eine Hand lag immer noch an Fyes Wange, da Körperkontakt das einzige Mittel schien, welches den Magier davon abhalten konnte, sich wild herum zu werfen. Blaue Augen fixierten ihn benommen und erschreckt stellte er fest, dass sich ein paar Tränenspuren auf Fyes Wange abzeichneten. „Heulsuse.“, sagte er sanft und Fye lächelte schwach. „Weißt du warum du dich so schlecht fühlst? Hat es was mit deiner Magie zu tun?“ Von seiner Mutter wusste er, dass Magie sehr stark auf Mondphasen reagierte, wie auch Dämonen bei Vollmond auf dem Höhepunkt ihrer Kraft waren. Verwirrt sah sein Gegenüber ihn an und deutete dann zittrig auf seinen Hals, dann auf seine Ohren und flüsterte ein „Wakara.. nai.“ Das Übersetzungsgerät. Ärgerlich schaltete Kurogane es wieder ein. Souma hatte er aufgrund ihres eigenen Übersetzers verstehen können, aber Fye besaß keinen und konnte kein Japanisch. Aber das weiße Manjuu war in der Nähe... oder hatten das die Kinder auch verloren? Es war langsam zum Verrückt werden. Plötzlich fiel ihm etwas auf, was ihn aus seinen Gedanken riss. “Hey Magier, deine Fingernägel sind ganz blutig.“ Benebelt sah dieser auf seine Hände und zuckte mit den Schultern. So stark, wie dieser sich in die Decken und den darunter liegenden Steinboden gekrallt hatte, sollte ihn das nicht verwundern, dennoch erschreckte ihn der Anblick und Kurogane wischte die Fingerspitzen vorsichtig mit dem nassen Tuch ab. „Schlaf. Und beweg dich nicht mehr so.“ “Ich kann nicht..“, flüsterte der Blonde. „Alpträume..“ Seufzend sah Kurogane ins Feuer. Wenn sein Patient keinen Schlaf fand, dann er sicher auch nicht. „Was kann ich tun, damit du schlafen kannst und keine bekommst? Soll ich dir das grüne Zeug vom Alten besorgen? Alkohol?“ Der benommene Blick wand sich von ihm ab. „Das willst du eh nicht.“ “Was?“ “Mich in den Arm nehmen, dann würde ich besser schlafen.“ Nun... “Es ist nicht kalt und du willst meine Nähe nicht, das hast du selbst gesagt.“ “Unsinn.“ Und schon wurde das durchgeschwitzte und kranke Bündel gepackt und mit den Rücken vorsichtig an Kuroganes Brust gepresst. „Schüttelfrost zählt als Kälte.“ Mit einem leichten Lächeln schloss Fye die Augen, spürte den tiefen, regelmäßigen Herzschlag des Ninjas an seinen Rücken und den schweren Arm um seine Seite. Beruhigt stellte Kurogane fest, dass der Magier eingeschlafen war. Und diesmal handelte es sich um einen ruhigen, erholsameren Schlaf. ______________ [1] Die Viecher aus Band 8. [2] Fachausdruck für das (erregte) Glied des Mannes. (XD) [3] Annfall von Kreativität. Wie auch Styrax-City aus dem Kräuterbuch meiner Mutter entnommen XD 10. Kapitel - (Steel) --------------------- Anmerkung: Ich hoffe dieses Kapitel ist nicht all zu verwirrend, da die Story ja bisher linear erzählt wurde. Doch es gab einen Zeitsprung, doch dieser wird später wieder eingebettet. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nun stand er hier und blickte eine verspiegelte Hauswand hinauf, die scheinbar im dunklen Nachthimmel verschwand und so jemanden mit Phantasie den Eindruck erwecken könnte, bis in den Himmel zu reichten und dort mit ihm verschmelzen. Nun, er hatte keine Phantasie, jedoch musste auch er zugeben, dass ihre schemenhafte Reflektion in dem verdunkelten und verzerrten Spiegelglas der Fassade etwas Unheimliches an sich hatte. Aber mehr die Art von Unheimlichkeit einer Vollmondnacht und absoluter Stille in Zen-Gärten, die ihren Betrachter aufgrund ihrer Ruhe, Bewegungslosigkeit und Schönheit einen Schauer über den Rücken jagen. Auf der riesigen Schlossanlage in seiner Heimatwelt gab es einen prachtvollen Tempel mit eben solch einen Garten. Seit er Prinzessin Tomoyo begonnen hatte zu dienen, war er oft dort gewesen. Immer bei Nacht, in Ruhe und fernab von dem Betrieb des Tempels. Die Luft war nachts reiner und kühler und scheinbar fehlte ihr etwas von der unruhigen Spannung des Tages, die vor allem im Sommer und zur Regenzeit in der Luft lag und die Dunkelheit ließ ihn entspannen. Er hatte nichts zu verbergen, er stand einfach nur da und betrachtete die sorgfältig und konzentriert gezogenen Kreise im Kies, die langen Schattierungen, die sich von den vereinzelten Felsen und Pflanzen über Kiesel erstreckte. Er hatte nicht viel Sinn für Schönheit, aber die Eleganz dieses Anblicks, gemischt mit einer ehrfürchtigen Ruhe und, ja, einer kühlen Gelassenheit beruhigte seine Gedanken und führte ihm vor Augen, in welche kuriosen Bahnen sie doch manchmal liefen. So wie die Kreise auf dem Kies ihre strenge Form hatten, konnte Kurogane durch ihre bloße Betrachtung seine eigenen Gedanken und Gefühle wieder in geregeltere Bahnen lenken. Erinnerungen, Fragen, Wut und auch den Anblick von Blut. Es war nur ein Steingarten und eigentlich fand er es albern sich an ein paar Kieselsteinen so erfreuen zu können, aber alleine die Tatsache, dass Menschen auf eine so subtile Art und Weise ein wenig die Natur beherrschen, formen konnten, beruhigte ihn. Schicksal.. Abfällig dachte er an die Worte der Dimensionshexe, als er an die Gedanken dachte, die er in an diesem Ort so gut ordnen konnte. Behauptungen, dass alles vorherbestimmt gewesen sei, auch ihre Ankunft bei ihr, ihre Vergangenheit und ihre eigentlich so unterschiedlichen Wünsche. Unsinn.. absolute Scheiße. Er starrte auf sein verschwommenes Spiegelbild im Halbdunkeln der stillen, menschenleeren und symmetrisch angeordneten Fläche von scheinbar mit dem Himmel verbundenen, spiegelglatten Hochhäusern ohne Fenster. Wenn alles vorherbestimmt war, warum musste man dann überhaupt noch leben? Und wenn dieses verdammte Schicksal an dem Tod seiner Eltern, an seinem jetzigen Hiersein und der Faszination an diesem Garten, wie auch die Ereignisse der gestrigen Nacht Schuld war, dann wusste er die Antwort auf diese Frage nicht. Sein Blick wand sich dem blonden Mann neben sich zu, dessen Konturen sich genau so verwischt, dunkel und unklar neben seiner spiegelten. Sein Haar und auch seine Haut wirkten im künstlichen Licht noch heller und er konnte seine Nervosität regelrecht spüren. Ob es an ihrer kommenden Aufgabe lag oder an den ungausgesprochenen Worten und Fragen zwischen ihnen, konnte er nicht sagen. Sein Atem bildete weiße Wolken vor seinem Mund und mit einem leisen Laut, der ein Seufzen gewesen sein könnte, drehte sich der Magier zu ihm um. Blaue Augen fixierten ihn einen Moment. Er wusste, dass sie sehr viel aussagten, aber trotz ihrer gemeinsam verbrachten Nacht hatte sich nichts geändert. Er konnte immer noch nichts darin lesen und wusste auch nicht, ob er es überhaupt wollte. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass es komplizierter geworden war. „Das gestern..“ Sein Gegenüber machte einen gequälten Gesichtsausdruck, wollte offensichtlich nicht darüber reden. Nicht, dass es ihn kümmern würde. “War unverbindlich, klar?“ Die Stille war perfekt. Nichts war zu hören, obwohl die Millionenstadt mit ihrem Lärm aus tausenden Lautsprechern und Mündern der Menschenmassen ganz in der Nähe war. Und hier standen sie, auf einer wahrscheinlich perfekt quadratischen und geradlinigen Fläche, deren Boden vermutlich täglich mit undenklich hohen Temperaturen von jeglichen Keimen gereinigt wurde und auf der sich in Reih und Glied schwarz spiegelnde, dünne Formen in den Himmel streckten, die so uneinladend wirkten, dass man denken konnte, es wäre ein abstraktes Kunstwerk, statt ein Gebäude, in dem sich tatsächlich Menschen befanden. Chemisch gereinigt, lautlos, nur ihr Atem und ihr verzerrtes, unwirkliches Spiegelbild vor ihnen. Kurogane schien es, als wären sie das einzig Lebendige in dieser ganzen bizarren Szenerie. Mit einem schmatzenden Geräusch haftete der handgroße Automat an dem kalten Glas an. An einer Stelle, die sich nicht von einer x-beliebigen anderen Stelle unterschied, genauso wie dieses Haus sich nicht von einem anderen x-beliebigen Haus hier unterschied. Es gab ein leises Surren von sich und ein unscheinbares Plastiklämpchen leuchtete grün auf. Ein Klacken und eine quadratische 1x1 Meter hohe Öffnung tat sich auf. Er packte den Griff seines Schwertes fester. Er war bereit. Mit aufmerksamen Augen beobachtete er, wie Fye geschickt durch das Quadrat aus Dunkelheit kletterte. Intensive, unlesbare Augen sahen zu ihm auf. “Sicher“, sagte der Blonde nur leise, etwas abwesend. Vielleicht enttäuscht? Auf jeden Fall verbittert. Und verschwand in dem Schwarz. Kurogane folgte. Wenn er an diesen Blick dachte, während er durch einen lichtloses Loch in dieses nichts aussagenden Gebäude kletterte, in dieser verrückten und verdrehten Stadt und sich an diesen Steingarten erinnerte, der seine Gedanken zu ordnen vermochte, dachte er daran, ob es doch Schicksal geben konnte. Wenn ja, dann hatte er den vorigen Gedanken nicht gedacht. Nicht an eine ein barsches Wort, dass den Mann, der vor ihn krabbelte, zum Anhalten bewegen würde. Nicht an eine Hand, die sich fast unsichtbar in der Dunkelheit auf die helle Haut einer Wange legen würde und schon gar nicht daran, dass durch einen ruhigen Blick und einer vorsichtigen Bewegung die Nähe der gestrigen Nacht ein wenig zurück kommen würde. Nein, er hoffte wirklich nicht, dass es das Schicksal gab. Denn das Schicksal hatte einen verdammt ironischen Humor. Das hatte er schon oft festgestellt. Nichts ging gut aus, wenn man von Schicksal sprach. Man sprach nämlich nur von Schicksal, wenn es darum ging Tragödien zu erklären. Er wollte dies nicht zu einer Tragödie werden lassen. So waren diese Gedanken offiziell nie aufgetaucht und er folgte einfach nur dem Blonden. Im Dunkeln war nur das Reiben und Rascheln ihrer Kleidung an dem Metall und ihr Atem zu hören. Aber dennoch. In dieser Dunkelheit schien es irgendwie wärmer. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Zwei Tage zuvor saß Kurogane noch mit Fye in der selben Konditorei, die sie zuvor entdeckt hatten und starrte auf eine Tasse dampfenden, braunen, garantiert zuckersüßen „Kakaos“. Fye ging es schon seit Tagen besser und sie waren wieder auf der Suche nach den Kindern. Auch wenn sie nicht einmal ansatzweise an die Stadtviertel der Oberschicht heran kamen, bestand die Chance, dass sie die Kinder zufällig noch ein mal trafen. Und sie mussten eh an die Oberfläche, um zu „handeln“. Zuerst hatte Fye es heimlich gemacht, aber Kurogane war das natürlich nicht entgangen. Nun kümmerte Fye sich nicht mehr darum, ob Kurogane sah, wie er mit Fremden unauffällig irgendwelchen langen Röhrchen austauschte oder an den unmöglichsten Plätzen Elektrochips zwischen die baufälligen Spalten mancher Häuserwände stopfte. „Das trink ich nicht. Du trinkst das die ganze Zeit und das bedeutet, dass es süß ist.“ “Aber jetzt probier es doch erst mal! Wie will Kuro-myu denn wissen, wie es schmeckt, wenn er es noch nie getrunken hast? Das nennt man Vorurteil!“, erwiderte sein Reisegefährte mit einem geduldigen Lächeln, aber einem fast aufgeregten Funkeln in den Augen. Seufzend nahm der Ninja die Tasse hoch und roch daran, schenkte dem Magier einen kritischen Blick. “Das riecht nach Schokolade. Ich mag keine Schokolade.“ Nun, das war nicht ganz die Wahrheit, die zart-bittere in Otou hatte ihm geschmeckt, aber das würde er Fye sicher nicht auf die Nase binden. “In Schokolade ist Zucker, in diesem Kakao kaum. Komm schon, ein starker Mann wie du wird doch nicht Angst haben, so etwas zu probieren.“ “Ich habe keine Angst. Und deine Versuche mich zu provozieren waren auch schon mal einfallsreicher.“ „So, waren sie das?“, frage der Blonde mit einem heimtückischen Unterton in der Art und Weise, wie er gerade die Mundwinkel verzog. Und bevor sich Kurogane versah war der andere aufgestanden, hatte sich auf seinen Schoß gesetzt, nach seiner Tasse gegriffen und nachdem er einen Schluck genommen hatte, seine Lippen leicht auf die des Schwarzhaarigen gepresst. Verwirrt erstarrte Kurogane auf seinem Stuhl und schaffte es die Klette auf seinem Schoß gar nicht erst weg zu drücken. Okay, das war damit zu erklären, dass seine Reflexe in dieser Welt eh langsamer zu sein schienen und die ewig stechende, ungewohnt schlechte Luft ihn ständig ermüdete. Noch dazu machte er sich Sorgen um die Kinder und der Magier war normalerweise keine Gefahr, so dass er nicht all zu aufmerksam in seiner Nähe war, obwohl er es eigentlich dauernd sein musste. Das hier war nicht das Schloss und keine Tomoyo-hime war in der Nähe, deren Leben er dauernd gegen zig Assassinen verteidigen musste. Dennoch rechtfertigte das alles NICHT, warum er diesen Idioten immer noch nicht wegschubste als er sich nach einen Moment löste und Kurogane undeutbar und leicht lächelnd ansah. “Und, wie schmeckt das nun?“ Kurogane starrte ihn einfach nur an. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten?! Fye interpretierte sein fassungsloses Schweigen eindeutig falsch. „Ah, es ging zu schnell und du konntest nichts schmecken?“ und schon hatte er sich auf seinem Schoß halb umgedreht und wieder nach der Tasse gegriffen, einen Schluck genommen - wobei er darauf achtete, dass die dunkle Flüssigkeit auch wirklich seine Lippen benetzte - und beugte sich wieder runter, um das ganze Spiel zu wiederholen. Doch diesmal war Kurogane schneller und schubste ihn heftiger als nötig weg. Die Tasse fiel klirrend zu Boden und zersprang. Fye hatte sich gerade noch gefasst und das Gleichgewicht wieder erlangt und stand nun, sich den schmerzenden Arm reibend, vor ihm. “HEY!“, erschallte es von der Theke. „Keine Randale hier im Geschäft!“ Sich auf immer noch leicht benetzten Lippen beißend, beförderte Fye einen Geldschein hervor, legte ihn dem verwirrt drein blickenden Verkäufer auf die Theke und packte Kurogane am Handgelenk, um ihn aus dem Geschäft zu ziehen. Draußen ließ er ihn sofort wieder los und ging schweigend etwas voraus. Der Rest des Tages wurde nichts mehr gesagt. Das verwunderte Kurogane, normalerweise nahm Fye solche Abweisungen nie ernst oder wusste sie zumindest mit viel Lachen und Unsinn zu überspielen. Allerdings hatte er ihn auch noch nie versucht zu küssen! Aber auch den verletzten, beinahe verzweifelten Blick, den er ihm in der Konditorei zugeworfen hatte, ging ihm einfach nicht aus dem Sinn und zum wiederholten Male fragte er sich, was mit dem Kerl eigentlich nicht stimmte, seit sie in dieser Welt gelandet waren. Auch im Hain verhielt sich Fye ruhiger, spaßte und redete aber normal mit den Leuten im Lager. Beim Abendessen war er auch gegenüber dem Ninja wieder wie immer. Dennoch ging dieser Vorfall Kurogane nicht aus dem Kopf. Wenn es wirklich nur Spaß gewesen wäre, hätte Fye anders reagiert. Andererseits, hätte der Fye, den er kannte, auch wenn es ernst gemeint hätte, völlig anders reagiert. Nämlich wie üblich: Mit einem Lächeln oder einem gleichgültigen Spruch. Schon wieder ‚wenn und aber’, langsam regte es ihn auf. Mit einem Ruck stand er auf und sah finster zu dem Blonden herunter. „Komm mit.“ Irritiert fixierten ihn sein Blick, dennoch folgte Fye ihm schweigend, während er ihn in einen etwas ruhigeren Teil des Lagers führte. “Okay, was ist hier verdammt noch mal los?!“, entfuhr es dem Ninja. Er konnte sich langsam wirklich keinen Reim mehr auf das Verhalten des anderen machen. “Nichts ist los..", kam die leise Erwiderung. Einatmen. Ausatmen. Sonst ging er dem Blonden noch an die Kehle. “Außerdem, was interessiert dich das überhaupt?“ Das brachte alles nichts! Heftig zuckte Fye zusammen als Kurogane ihm an Kragen packte und schüttelte. „Was mich das angeht?! Ich will wissen, was hier los ist! Warum du dich so benimmst und wo-„ “Und wo die Kinder sind~“, äffte Fye ihn generv und leicht wütend nach und versuchte sich los zu machen. Schon wieder sah Kurogane ihn wütend und unkontrolliert. „Nein.“, entgegnete Kurogane. „Mittlerweile will ich nur noch wissen, was mit dir nicht stimmt.“ “Warum?“ “Warum ist doch egal!“ “Für mich nicht.“ Natürlich, sein Gegenüber vertraute niemanden, genau so wenig wie Kurogane selbst. Und genau so wenig wollte er sich eingestehen, dass er sich Sorgen machte. Noch einmal wurde der Magier angefunkelt und mit einem wütenden Stoß ließ er ihn los, so dass dieser noch ein paar Schritte zurück taumelte. Kaum hatte der Ninja sich umgedreht, spürte er auch schon Storms Aura und einen Moment erblickte er auch schon den anderen Mann. Vor Wut kochend ging er auf ihn zu und funkelte ihn an. „WAS?! Spielst du wieder sein Kindermädchen? Was hast du gedacht? Dass ich ihn schlage, umbringe oder schlimmeres? Scheint ja in dieser Welt eh Gang und Gebe zu sein!“ Seine Wut steigerte sich und obwohl er wusste, dass es nicht gut war, konnte er sich nicht stoppen, steigerte sich immer weiter hinein. „Wie hältst du es überhaupt aus, dass ich den ganzen Tag alleine mit ihm bin? Du scheinst ja vor Eifersucht eh schier umzukommen!“ Warum sagte er all das dem anderen? Eigentlich hatte er sich vorgenommen Storm gegenüber etwas freundlicher zu sein, im Anbetracht dessen, dass er seinen Reiskameraden beschütz hatte und was kümmert es ihn überhaupt, wer in Fyes Nähe war und wie er sich gegenüber dem Blonden benahm, solange es diesem nicht unangenehm war? Worüber regte er sich hier eigentlich wirklich auf? Storm seufzte einfach nur, musterte den aufgebrachten Mann mit unlesbar dunklen Augen und sah noch einmal kurz zu Fye. „Was willst du denn wissen? Warum wir gejagt werden? Womit wir dauernd handeln, auch Fye hinter deinem Rücken, wenn ihr oben seid? Warum wir dich dauernd beobachten? Warum Fye dir so viel verschweigt?“ Sein Ton hatte ruhig geklungen, wahrscheinlich war auch ihm bewusst, dass die Situation eskalierte, würde er jetzt auf Kuroganes Vorwürfe eingehen. Dieser gab nur ein verächtliches Geräusch von sich. „Die Leute hier unten interessieren mich einen Scheißdreck! Ich will nur wissen was mit ihm los ist und hier nicht länger Wurzeln schlagen, denn das, was wir suchen, ist nicht hier!“ Wann hatte er eigentlich das letzte Mal so die Nerven verloren? Und dann noch wegen einer Person, die ihn zwar interessierte, aber eigentlich weder etwas anging, noch bedeutete? „Fye gehört aber hier unten hin.“ “Wer sagt das?“ “Storm!“, unterbrach ihn der Magier mit einem leicht panischen Unterton und obwohl es dem Hainbewohner offensichtlich auf der Zunge lag, schluckte er seine Erwiderung herunter. Ein unangenehmes Schweigen entstand zwischen ihnen Dreien, das Kurogane nach einer Ewigkeit mit einem Knurren durchbrach und sich umdrehte. “Dann bleib doch verdammt noch mal hier, wenn’s dir so gefällt! Ich suche die anderen.“ “Werde ich vielleicht auch...“, kam die Antwort leise, nachdem er schon ein paar Schritte entfernt war. Kurogane erstarrte. Ohne sich umzudrehen verweile er einen Moment, ließ die Worte sacken. Sollte er doch, dachte er sich. Er wollte nur zurück in seine Welt und da konnte es ihm nur recht sein, dass der Quälgeist nicht mehr dabei war. Ohne noch etwas zu sagen, ging er Richtung Ausgang. Eben die leicht verrußte Eisentür, durch die er das Lager das erste Mal betreten hatte, nachdem er den Blonden in dieser verrückten Stadt endlich gefunden hatte. Er war so erleichtert gewesen damals, stellte er fest, als die Tür hinter ihm knarrend ins Schloss fiel und er wieder in diesem U-Bahntunnel stand, den zig Metallstäbe regelrecht zu durchspießen schienen. Erleichtert, dass der andere unversehrt war.. Der Gründer des Hains hatte Recht. Das hier ähnelte wirklich einem Bambushain. ~~~ Kapitel 10 Ende ~~~~ 11. Kapitel - (Falling off the face of the earth) ------------------------------------------------- And I'm falling off the face of the earth Crashing into bridges I burn I'm falling off the face of the earth But I'll be home soon I'll be home soon Matt Wertz- Falling of the face of earth ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Er wusste, dass er ihn finden würde. Nein, es war mehr ein Gefühl gewesen, eine Ahnung. Unter seinen Füßen schwebten die Luftboote und die Geräusche der Stadt drangen nur gedämpft zu ihm herauf, dort wo das ohrenbetäubende Rauschen des Windes die meisten Geräusche verschluckte. Er hörte seine Schritte näher kommen. Spürte den Blick an seinem Rücken, als sie verklangen und der andere somit stehen geblieben war. "Kuro-pon...?" Er drehte sich nicht um, sah weiter auf das bunte Treiben unter seinen Füßen. Seit Stunden saß er schon hier und auf diesem baufälligen, verlassenen Hochhaus und hatte endlich ein wenig Ruhe gefunden, auch wenn er nicht einmal wusste, warum ihn die Worte des Magiers so aufgewühlt hatten. 'Werde ich vielleicht auch ' Der Andere überlegte sich ernsthaft dort zu bleiben. Ein wenig kam es ihm wie Verrat vor. Er hielt nicht viel von solchen Sentimentalitäten, aber der Magier schien es. So war es ihm jedenfalls immer vorgekommen. Zumindest der verdammte Magier sollte der Meinung sein, dass es schlecht war sich zu trennen, dass sie in dieser Welt wenigstens kameradschaftlich ein wenig für einander da sein sollten. Das war nicht seine Meinung, er kam immer noch am besten allein klar, aber es war die Aufgabe des Magiers ihre Gruppe irgendwie zusammen zu halten und er musste einfach nur murrend zustimmen. So lief es. Nicht anders rum. Denn er konnte niemanden sagen, dass er bleiben sollte. Menschen sollten gehen, wenn sie gehen wollten, dafür waren sie erwachsen und deswegen würde er auch nie sagen "bleib". Selbst wenn es ihm wichtig war und er wollte, dass der andere blieb, hätte er es nicht sagen müssen, denn der Magier hätte es gesagt. Aber statt dessen sagte ihm dieser, dass er hier bleiben wollte, auch wenn Kurogane ging. Das war verdreht. Das war falsch. Deswegen war er fast etwas erleichtert gewesen, als er seine Präsenz schon von weitem gespürt hatte. "Was willst du?", fragte er unfreundlich. "Hat dich Nervbündel deine neue Familie schon rausgeschmissen?" "Familie?", kam ruhig zurück. Er antwortete nicht. "Hatten wir so etwas schon mal?" Rot, Grün, Blau, Neonpink leuchtete und blinkte es unter ihm. Die Ruhe tat gut. Familie. So hatte der Magier immer spaßeshalber ihre Reistruppe bezeichnet. Als Mummy, Daddy und zwei Kinder. Er hatte es immer als unglaublich albern und etwas peinlich empfunden. Zu einem war Fye keine Frau und schon gar nicht mit ihm verheiratet, zum anderen waren sie nicht mehr als eine Zweckgemeinschaft mit so unterschiedlichen Zielen wie Tag und Nacht. Einer versuchte eine hoffnungslose Liebe zu retten, ein anderer floh für den Rest seines Lebens und er wollte nur noch nach Hause. Was verband sie? Nichts, nicht einmal Blut oder ein gemeinsames Ziel. "Nein, hatten wir nie.", erwiderte er, sich gar nicht über die seltsame Frage scherend. Und doch.. irgendwie waren sie sich doch nicht völlig fremd, auch wenn jeder irgendwie alleine schien. Sie kümmerten sich umeinander, verbrachten Zeit miteinander und akzeptierten sich, obwohl sie nichts über ihren Gegenüber wussten. War so etwas nicht ein wenig mehr? Er erinnerte sich an ihre gemeinsamen Frühstücke, an ihre gemeinsamen Kämpfe, an den besorgten Blick von sowohl ihm als auch dem Magier, der immer wachend über den beiden Jüngeren lag, oder auch alleine die Tatsache, dass er nicht all zu sehr auf seine Rückendeckung achtete, wenn der blonde Mann hinter ihm lief. "Das ist traurig.." Fyes stimme war sanft, traurig und er musste nicht hoch blicken, um zu wissen, dass er direkt neben ihm stand. "Ich mag es nicht, keinen Platz zu haben wo ich hin gehöre." "Steh auf eigenen Beinen, dann musst du nirgendwo hingehören." "Das kann ich schon..", kaum noch ein Flüstern im rauschen des Windes.. "aber es ist verdammt traurig. Vor allem wen man weiß, wie es anders ist.. wie es ist, wenn man Nähe spürt, lernt zu vertrauen.. ohne Misstrauen." Seit wann sprach der andere so offen mit ihm? Oder war das schon wieder alles Theater, so wie damals als er ihm versprochen hatte, erst einmal nicht nachzufragen. War das wirklich Theater gewesen? Natürlich, es musste so sein, der Magier log schließlich dauernd. "Vertrauen verträgt sich nicht mit Lügen." "Ja.." Nur das Rauschen des Windes und die schlanke Gestalt des Magiers setzte sich neben ihn, betrachtete den grau-schwarzen Nachthimmel ohne Sterne. Trotz des kalten Windes war es eine warme Nacht, wahrscheinlich stieg gerade die ganze Wärme, die sich in der Stadt gebildet hatte nach oben in den Nachthimmel und an ihnen vorbei. Die Ruhe tat gut. Und die Nähe des Magiers war ihm seit langen einmal nicht unangenehm. Im Gegenteil, trotz all der unausgesprochenen Worte zwischen ihnen und auch der leichten Wut, die Kurogane immer noch verspürte, wirkte die Präsenz des anderen Mannes neben sich beinahe vertraut, richtig und endlich einmal ernst. Nach einer ganzen Weile sah er doch in das blasse Gesicht, auf dem sich die grellen Lichter der Stadt spiegelten. "Heulsuse." Doch als der Andere das Gesicht zu ihm wandte, waren da keine Tränenspuren. Hatte er einfach nur welche erwartet? Aber warum, der Blonde zeigte doch nie wahre Emotionen, egal wie sehr er an im zog und versuchte sie heraus zu locken. Den Grund, warum er es überhaupt versuchte, kannte er selber nicht. "Und Vertrauen verträgt sich wohl nicht mit Angst", strich die sanfte Stimme wieder durch den Wind an seine Ohren. "Nein.. obwohl ich glaube, dass das dennoch irgendwie zusammen gehört, auch wenn sie Gegenteile sind." "So wie bei den Vögeln? Freiheit und Leben?" Er nickte. Fixierte sein Gesicht aber weiterhin, das sich schon längst wieder abgewendet hatte und abwesend auf die Stadt hinunter blickte. Fye rückte weiter an den Rand, eigentlich war das gefährlich, denn das Metall, welches die Dachterrasse ummantelte, war nicht mehr all zu sicher befestigt, angefressen von Rost und Zerfall. Aber er hatte keine Sorge, seine Reflexe waren gut genug, um den anderen Mann neben sich notfalls festzuhalten. "Eigentlich ist es ja gar kein Gegensatz..", sponn Fye seinen Gedanken weiter. Sie saßen hier und redeten wie Freunde und es störte ihn nicht einmal, stellte Kurogane fest. "Wenn man frei sein will, muss man am Leben sein und man kann sein Leben nur in Freiheit völlig auskosten. Wie auch Vertrauen erst erkämpft werden muss und auf diesem Weg liegt sehr viel Angst." "Angst? Vor was oder wem?",fragte er neutral. "Nicht vor dir, vor dem was du sehen würdest.. auslösen. Angst dir zu vertrauen und fallen gelassen zu werden." Erst wollte er erwidern, dass er nur netterweise sein Leben beschützte und sich zu nichts verpflichten wollte, schon gar nicht auf so eine verdrehte Art und Weise. Dann, dass so etwas unsinnig sei, denn auch wenn man jemand vertraute, niemand war perfekt, niemand konnte diesem Vertrauen gerecht werden. Doch letztendlich sagte er gar nichts darauf, sondern verfolgte nur mit wachen Blick, wie der Blonde langsam aufstand, hinuntersah, wahrscheinlich den 20 Stockwerke unter ihnen liegenden Boden gar nicht sah. "Hätten die Vögel gewusst, dass sie sterben würden, wären sie dann im Käfig geblieben?" "Keine Ahnung, sie wussten es ja nicht. Vögel sind dumme Tiere. Was hast du gedacht?" "Was ?" "Du bist doch vor etwas auf der Flucht, diesem Ashura? Das heißt du versuchst frei zu sein und brichst auch aus einer Art Käfig aus. Wenn es nicht um dich ginge, würdest du doch nicht so oft davon reden." Er konnte dieses Lächeln nicht deuten, aber irgendwie hatte er das Gefühl ins Schwarze getroffen zu haben. "Menschen sind auch dumme Tiere.. nee~..?" "Ja.." und wahrscheinlich deswegen rührte er sich auch nicht, als sich der Blonde runter beugte und wieder ihre Lippen aneinander führte. Menschen waren dumm, einfach nur dumm und unfähig und sie waren die beiden besten Exemplare, um dies zu beweisen. Denn sie taten hier etwas absolut Dummes, das wussten sie Beide. Dabei müssten es Menschen eigentlich besser wissen, genauso wie er es besser wissen müsste, als er den Druck und die sanften Bewegungen dieser samtweichen und feuchten Lippen erwiderte. Er schloss die Augen und spürte einfach nur diesen Geschmack, das Gefühl, die Wärme der Lippen des Magiers. Leicht süßlich, das Gefühl als würde man in eine weiche, reife Frucht beißen und genau so gut schmeckten die anderen Lippen auch. Er war sich sicher noch nie einen Kuss so intensiv gefühlt zu haben, leidenschaftlicher, aber nicht so intensiv, schon bevor der Mann, der sich mittlerweile auf seinem Schoß nieder gelassen hatte, leicht den Mund öffnete und er fast Vorbehalte hatte, in die weiche warme Mundhöhle zu dringen. Aber nicht für lange. Nicht für lange. Es schien eine Ewigkeit und keiner wollte sich lösen. Versunken war die richtige Beschreibung hierfür. Jemand könnte mit einem Dolch hinter ihm stehen, er würde es nicht bemerken, ein Erdbeben würde er wahrscheinlich genau so wenig wahr nehmen. Doch endlich schien sich der Blonde lösen zu wollen und Kurogane ließ ihn gehen, aufstehen. Ein Schritt zurück und er würde stürzten, das wusste Kurogane genau und auf einmal war es ihm nicht egal. Auf einmal wusste er, dass irgendwas fehlen würde und wenn auch nur in dieser einen Nacht auf diesem Hochhaus. Deswegen griff er schnell nach der ihm angebotenen Hand und hielt sie fest als sich Fye nach hinten lehnte, über den Abgrund schwebte und sie genau wussten, nur einer musste loslassen und sie könnten verhindern, was gerade zwischen ihnen vorging. Was dachte der Magier sich nur dabei? Endlich durchbrach Fyes Lächeln den traurig, melancholischen Ausdruck in den intensiven blauen Augen und er schwang sich etwas herum, über den Abgrund, wie ein Spiel, lachte leise. Um ihn zu ärgern, ließ Kurogane etwas lockerer und griff sofort wieder zu. Mit großen Augen und offensichtlich klopfenden Herzen sah er zu dem Ninja auf. "Das war nicht fair!" "Du bist auch nicht fair." Allmählich stand Kurogane auf, immer auf sein Gleichgewicht bedacht und den anderen nicht los zu lassen. "Vielleicht ist das ja meine Chancen Antworten zu erpressen." "Vielleicht auch deine Chance mich entgültig los zu werden?", kam ruhig zurück, fast ein wenig sehnsüchtig. Er verstand ihn einfach nicht. Erst jetzt merkte er, dass es heller geworden war und zum ersten Mal, seit dem er in dieser Welt aufgewacht war, sah er neben der Sonne ein Himmelsgestirn. Zwei kräftig strahlende runde Vollmonde standen am Himmel, genau über ihnen und so nicht verdeckt von den größeren Hochhäusern. "Hast du Angst, dass ich los lasse?" "Ich würde es dir nicht zutrauen aber ja, ein wenig." "Willst du mir vertrauen können? Du redest die ganze Zeit davon." Er wusste nicht warum er so etwas fragte, vielleicht weil er endlich nur etwas aus dem Anderen heraus bekommen wollte. Aber er wusste auch, dass diese Frage mehr bedeutete, wenn er sie nicht sofort klar stellte. Denn er wollte nicht die Verantwortung dafür tragen, dass ihm jemand vertraute. Er wollte für niemanden mehr die Verantwortung tragen. Für Tomoyos Leben trug er die Verantwortung, aber das hier war etwas anderes, diese Frage war zu unklar. Er wollte es einfach nicht, es war zu anstrengend und bei seinen Eltern hatte er es auch nicht gekonnt. Man gewann und man verlor. Ein Leben konnte er beschützen, das andere nicht. Solche Illusionen straften seine Erfahrungen einfach nur Lüge. Vertrauen war etwas für Idioten und deswegen zog er den anderen Mann hoch, auf seine eigenen Beine. Der Blick des Blonden war gesenkt und er wollte sich schon wegdrehen und gehen, als Kurogane ein leises "Ja," hörte. "Lügen und Vertrauen vertragen sich aber nicht, also sag mir was los ist!", forderte er. "Aber Geheimnisse und Vertrauen, oder?" Er wusste genau, er würde gar nichts mehr aus dem Blonden heraus bekommen, wenn er jetzt ja sagte, es wäre besser zu lügen. "Vielleicht." "Wenn du irgendwann denkst, mir vertrauen zu können, dann springst du mit mir da runter, okay?", erwiderte der Blonde jetzt in einem Ton, als wollte er ihm ernsthaft einen seriösen Vorschlag machen und deutete auf den Abgrund. "Was?!" "Wenn du irgendwann denkst, mir vertrauen zu können, dann springst du mit mir da runter. Denn das mit dem Vertrauen klappt bei mir nur, wenn du es auch tust." "Da kannst du lange warten." "Okay." Einen Moment musterte er ihn, wusste nicht was er von diesen Worten halten und was in diesem Gesicht lesen sollte. Er hatte immer noch keine Antworten, aber dennoch hatte er das Gefühl, so viel Wahrheit noch nie von dem Blonden entgegen gebracht bekommen zu haben. Er wollte eigentlich gehen. "Warum bist du hier?" "Ich habe dich gesucht." Das hätte er sich schon selbst denken können und irgendwie kam ihm der Kuss von vorhin wieder in den Sinn. "Und deine tolle Familie?" "Die Leute sind mir egal, ich bin lieber hier." "Aah" Wieder rauschte der Wind in ohrenbetäubender Lautstärke an seine Ohren, schlüpfte unter ihre Kleider und verschluckte ein leises Keuchen. Oder waren es ihre Hände, die sich warm berührten, ihre Lippen, die ihr leises Keuchen verschluckte und sich atemlos zurückließ, als sie endlich auf Kuroganes warmer Jacke lagen? Unbekleidet, offen für den Wind und immer und wieder ihre Lippen aneinander pressten, ein Zungenspiel ausfochten und sich immer und immer weiter trieben und nicht einmal an aufhören denken konnten? Ihre Berührungen konnten sie warm genug halten. Für Kurogane war es nichts ungewöhnlich mit einem Mann zu schlafen, aber sehr wohl ungewohnt. Es war in seiner Welt zwar nicht Gang und Gebe, aber auch nicht unbedingt ungewöhnlich, auch wenn er bisher bevorzugt mit Frauen seine Nächte verbracht hatte. Obwohl es nie so wie jetzt gewesen war: Sie passten gemeinsam in einen einzigen, unausgesprochenen Rhythmus, den keiner von ihnen vorgab, wärmten sich mit ihren Händen, die immer wieder über heiße Haut fuhren, gegen die beißende Kälte des Windes, illuminiert von den zwei Monden, die sich einfach weigerten wieder hinter den Hochhäusern der lebensfeindlichen Stadt zu verschwinden, so wie sie sich nicht eingestanden, dass das was sie hier gerade taten, Konsequenzen haben würde, wenn sie wieder denken konnten. Doch gerade zählten nur die Bedürfnisse ihrer Körper, die Wärme zwischen ihnen und die blauen Augen, die ihn lustvoll und vor allem nichts versteckend zu Kurogane aufsahen und mit einem weiteren tiefen Stoß glitt er in den anderen Körper, hörte wie das Stöhnen vom Wind davon getragen wurde, spürte wie sich Fyes verbundene Finger in seinen Oberarm krallten. Es war leidenschaftlich gewesen aber irgendwie auch zärtlich, dachte er, als in den Himmel starrte, wo die Monde immer noch prangten, als wollten sie nicht einsehen, dass das Spektakel vorüber war. Fye atmete ruhig in seinen Armen und es war nicht kalt, da ihre verschwitzen Körper immer noch nah an nah lagen. Zärtlich war das falsche Wort. Und irgendwie schien es dafür auch keine Beschreibung zu geben, aber es glich der Art und Weise, wie Fye gerade gedankenverloren und zart über seinen Arm strich. Eigentlich wollte er noch so viel fragen, so viele Antworten erpressen. Doch er wollte diese Stille aus Wind und Mondlicht nicht unterbrechen. Wenn der Wind leiser wehen würde, bekäme er sicher auch noch seine Antworten. Wenn er sie jemals bekam. Noch einmal fand sich seine Hand im blonden Haar wieder und er schoss die Augen, lauschte den kaum hörbaren, ruhigen Atem des Blonden. Irgendwann würde die Nacht schon enden. Hoffentlich nicht all zu bald, denn dann konnten sie nicht mehr einfach akzeptieren, dass dies hier mehr zu bedeuten hatte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Und nun, nicht einmal 24 Stunden später kletterte er durch einen finsteren, viel zu engen Gang hinter dem Blonden her, mitten im Hauptviertel der „Industriellen“, um sich Zugang zu den Kindern zu verschaffen. Er hatte Antworten gefordert. Und nur noch mehr offene Fragen erhalten. Manchmal war es wirklich zum verrückt werden mit dem anderen Mann. Oder.. eigentlich immer. ~~~~~~~kapitel 11 ende~~~~ 12. Kapitel - (Labyrinth) ------------------------- Ihr Weg durch die Lüftungsanlage schien ewig zu dauern und kein Licht durchbrach die schwere Dunkelheit. Die Luft um sie herum war eiskalt und ständig herrschte ein leichter Zug. Atemgeräusche, Rascheln von Stoff, selten ein leises Klacken, wenn sie sich durch eine Engstelle zwangen und die Schnallen ihrer Gürtel oder das Gehäuse des seltsamen Gerätes, das Fye mit sich herum schleppte, gegen die metallenen Wände des Schachts stießen. Manche Stellen waren so eng, dass Kurogane wirklich Probleme hatte hindurch zu kommen, aber er hatte darauf bestanden mit zu kommen und war immerhin gelenkig genug, um sich hindurchzuwinden. Rechts, links, wieder links, nach oben. 10 Minuten warten, bis Fye einen versperrten Durchgang öffnete. Schon Stunden, schien es, krochen sie über das kalte Metall, schweigend, nur begleitet von ihren eigenen Geräuschen und einem entfernten Rauschen. So lange schon, dass ihm die Dunkelheit fast schon vertraut vor kam, etwas von ihm wurde. Ein kleines grünes Lämpchen erhellte die Umgebung für eine Sekunde und wieder öffnete sich ein weiterer Durchgang mit einem leisen Klacken. Weiter durch die Dunkelheit kriechend, setzten sich leise Atemgeräusche, Klacken, Rascheln und Surren für ihn zu einem betäubenden Rhythmus zusammen, der irgendwann so vertraut wurde, dass er ihn nur noch im Hinterkopf wahr nahm. Diese Ruhe und Einfachheit war angenehm, erinnerte ihn an diesen Steingarten. Wieder ein versperrter Durchgang, doch das leise Klacken des Geräts blieb, genau so wie das kurze, grüne Aufflackern, aus. Es raschelte störend unrhytmisch als sich Fye gegen die Schachtwände lehnte, seine Beine irgendwie so verdrehte, dass er sogar hier noch eine bequeme Position fand. “Eine Rast“, informierte ihn der Magier nach einer Weile. „Wir sind schon erst 30 Minuten unterwegs, 10 Minuten zu früh. Die Überwachungskameras sind noch nicht manipuliert.“ „Ah.“ Er schwieg, legte sich flach auf den Bauch, stützte sich auf seine Arme und starrte in die Dunkelheit. Diese Dunkelheit war ihm keinesfalls unangenehm, auch wenn sie in dieser Umgebung etwas erdrückend wirkte. Viele Menschen hatten Angst vor der Dunkelheit, doch als Ninja wusste er, dass sie einer der sichersten Orte der Welt war. Niemand konnte einen sehen und man wurde durch nichts abgelenkt, war unsichtbar. Und jede unnatürliche Bewegung war mit anderen Sinnen zu erfassen, manchmal auch nur durch eine Veränderung des Rauschen des Windes. Trainierte Sinne, durch die er einen Vorteil hatte. Meistens benutzte er dafür sein Gehör, so hörte er auch neben seinem eigenen ruhigen und regelmäßigen Herzschlag den beschleunigten des Magiers. Er schwieg. „Machst du das Licht an?“ „Warum?“, dennoch griff Kurogane nach der fingergroßen Lampe, die an einem Band um seinen Hals hing. “Ich mag die Dunkelheit nicht.“ Kurogane verdrehte die Augen. „Sie wirkt erdrückend.“ “Vorhin hast du nicht einmal Licht gebraucht, um den komischen Apparat zu bedienen.“ “Da war ich auch abgelenkt. Außerdem habe ich es so oft geübt, dass ich es blind besser kann.“ „Beantworte mir vorher eine Frage.“ Dunkelheit, Surren, ruhiger Atem. “Was für eine?“ “Warum bist du darauf eingegangen?“ Er hörte wie der Atem des anderen für einen Moment schneller ging, dann gezwungen ruhig wurde und er wusste, dass gerade ein falsches Lächeln auf den schmalen Lippen lag. „Was meinst du?“ „Gestern.“ Er suchte den winzigen Schalter an der Lampe, doch im nächsten Moment spürte er eine warme Hand auf seiner, die ihn davon abhielt. Beinahe wäre er aufgrund dieser Bewegung erschaudert, was war nur mit ihm los? „Lass sie doch aus, sonst geht sie noch leer.“ Er zog seine Hand weg, machte die Lampe an und leuchtete genau in Fyes Gesicht. „Der Knirps sagte, das Ding könnte bis zu 100 Stunden brennen ohne auszugehen.“ Die Dunkelheit verschwand, offenbarte einen blanken, metallenen, engen Tunnel, an dessen Ende sie sich befanden. Es hätte auf ihn vielleicht erdrückend wirken können, doch er hatte im Moment nur Augen für ein blasses Gesicht, mit halb geschlossenen, ihm abgewandten Augen. Er wollte zu dringend seine Reaktion sehen, dabei war er doch derjenige der grausam war und nicht wusste, was er denken sollte. Wie konnte er sich nur erhoffen ausgerechnet von dem Magier eine Antwort auf seine eigenen Fragen zu bekommen? „Mach sie aus...“, flüsterte der Magier nach einem Moment, in dem er ununterbrochen sein Gesicht fixiert hatte, auf dem sich tatsächlich schon wieder ein leichtes Lächeln gebildet hatte. „Das Licht wirkt erdrückend.“ “Vorhin war es noch die Dunkelheit.“ Er sah die rasche Bewegung, ließ es aber zu, dass Fye ihm die Lampe aus der Hand riss, ausmachte und wütend von sich schmiss. Ein leichtes Ziehen des Bandes an seinem Hals, dazu ein unangenehm lautes Geräusch, als das Gerät herum schwang und neben seinem Kopf gegen die Metallwand prallte. Das Band hatte es gehalten. Ruhig griff Kurogane danach, machte die Lampe aber nicht wieder an. Wieder in seiner Dunkelheit konnte Kurogane nun den schnellen Atem hören, den durch Wut beschleunigten Herzschlag, sogar das leise Knirschen der Handschuhe, als der Magier die Hände zu Fäuste ballte. „Nicht besonders ehrenhaft Versprechen nicht zu halten.“ „Versprechen?“ “Zu warten, bis ich dir von mir aus sage was los ist. Du hast sogar gesagt, du vertraust mir.“ “Habe ich dich etwas über diese Welt gefragt?“ “Lügner.“ Es war ungewohnt diese Worte mal aus dem Mund des Magiers zu hören. „Und du bist nicht fair.“ Ein leises Piepen signalisierte ihnen, dass es Zeit war den Durchgang zu öffnen. Ein weiteres, ca. 10 Sekunden später: das Startsignal. Leichtfüßig und geschickt wie eine ihrer Beute nachschleichenden Katze wand sich der Blonde aus dem engen Schacht und landete 5 Meter tiefer auf einem schwarzen Gitter in einem engen Gang, der nur durch ein paar grünliche Lampen von unten beleuchtet wurde. Das Rauschen der Motoren war hier noch lauter zu hören. Kurogane landete neben ihm und sah sich um, während Fye schweigend weiterging. Bei genauerer Betrachtung war der Gang eigentlich ein Teil einer Halle, vollgestellt mit riesigen, für ihn mit unverständlichen Schriftzeichen beschrifteten Kanistern, zwischen denen sich nur enge Brücken bildeten, Etagenweise mit dunkeln Gittern verbunden. Der Magier schien etwas zu suchen und signalisierte ihm mit Handzeichen näher zu kommen und ihm zu helfen, eine der Kisten aufzustemmen. Nach einigen schweißtreibenden Minuten war das Ding offen und der Blonde beugte sich tief herunter, um unter dem ganzen Schaumstoff ein längliches Fläschchen heraus zu kramen, bevor sie den schweren Deckel wieder an seinen Ursprungsort hieften. Jemand ihrer Verbündeten – wie Fye Informanten und Sympathisanten aus den Reihen der Industriellen oder deren Angestellten, zu Kuroganes Missfallen mit einer routinierten Selbstverständlichkeit, selbst nannte – hatte die Substanz in die Lagerhalle eingeschmuggelt und es sollte ihnen irgendwie helfen in die oberen Etagen zu kommen, wo sie Informationen finden würden, die ihnen irgendwie helfen würden in das Wohnviertel der Industriellen zu kommen. Zugegebenermaßen, Kurogane hatte nicht wirklich zugehört. Im Nachhinein ärgerte er sich selbst etwas darüber, aber bei all den technischen Begriffen hatte er einfach abgeschaltet. Motoren von Flugschiffen zu reparieren war eine Sache, das lief noch in für ihn nachvollziehbaren Bahnen, aber ein „Genetik“-Vortrag von Dr. Kyle, der eh immer so wirr redete, das war etwas vollkommen anderes und dazu etwas, womit er sich nicht beschäftigen wollte. Warum sollte ihn irgendetwas bezüglich dieser Welt interessieren, was sie nicht irgendwie weiterbrachte, sie möglichst schnell wieder zu verlassen ? Außerdem schien sich Fye sehr gut vorbereiten zu können, diese Leute brachen wohl ständig in solche Lagerhallen ein, um sich „Zeug zum Handeln“ zu beschaffen. So erfuhr er auch, dass Fye nicht zum ersten Mal in so ein Gebäude einbrach, da er einer der wenigen Personen war, deren „Biodaten“ den Industriellen noch nicht bekannt waren. Was immer das war. Kurogane war so oder so überzeugt, dass Fye keine Problem gehabt hätte, selbst ohne Vorbereitung irgendwo einzubrechen. Er hatte mehr Fähigkeiten auf Lager, als man je hinter diesem linkischen, oftmals trottelhaften Verhalten vermuten würde. Doch Kurogane hatte diesen Schauspieler oft und lange genug beobachtet, um zu wissen, dass Fye neben magischen Fähigkeiten, durchaus passable kriegerische und nahkampftechnische Fähigkeiten besaß, von einer gute Beobachtungsgabe, Selbstbeherrschung und Manipulationstalent einmal vollkommen abgesehen. Manipulationstalent, Selbstbeherrschung... Kurogane zuckte etwas zusammen, als er einen schweren, unbewussten Seufzer in die rauschende Stille der Halle ausstieß. Er erinnerte sich an die Worte ihrer vorigen Nacht, als der Magier ihn fragte, ob sie je so etwas wie ein Familie gewesen waren. Es war nur zu offensichtlich, wann immer Fye mit einem Menschen, vor allem aus dem Lager umging, dass er sich so eine wünschte. Vielleicht ein Ort an dem er bleiben konnte, angenommen wurde und sich wohl fühlte. Bedachte er, dass er das Leben eines Flüchtlings führte, ewig heimatlos – und Kurogane wusste sehr wohl was das Wort „heimatlos“ bedeuten konnte – aus Angst vor einem Mann, von dem der Krieger nicht mehr wusste, als dass er irgendwo schlief und dem Blonden scheinbar eine Heidenangst einjagte, konnte er es ihm nicht verübeln. Jedoch, was war davon ehrlich? Das Verhalten des Blonden war in dieser Welt mehr als sonderbar. Entweder er hatte an einem Tag alle seine schauspielerischen Talente verloren, oder irgendetwas war in ihm vorgegangen, dass er diese ewig alberne, sorglose Maske, gewürzt mit einer Spur übertrieben Ernst, was Kleinigkeiten wie aufgeschürfte Knie der Kinder anging, nicht mehr aufrecht erhalten konnte. Vielleicht verschätzte sich Kurogane nur und war diesmal wirklich auf ihn reingefallen. Irgendetwas zog sich in seinem Magen zusammen bei diesen Gedanken. Es blieb eine Option, doch wenn er sich an den offenen, warmen und traurigen Blick aus lustverhangenen Augen erinnerte, den warmen Berührungen und absolut ehrlich klingenden Worten auf den Hochhaus unter den zwei Monden erinnerte... wollte und konnte er das nicht glauben. Wenn das hier ein Spiel war, dann war alles zwischen ihnen, alles was er bisher als wahre Emotion, wahre Worte und Andeutung von Vertrauen augefasst hatte, völlig von seiner Seite missinterpretiert und er kannte den Mann, mit dem er reiste und trotz zwiespältiger Gefühle irgendwo mochte, kein Stück. Nach ein paar weiteren Handgriffen des Magiers erschallte ein Zischen, wie schon bei ihrem Weg durch die Lüftungsanlage und ein weiteres schwarzen Quadrat trat sich in der bloßen Wand auf, die sie nach einem schweigenden und fast lautlosen Spaziergang über die schwarzen Gitter erreicht hatten. Als er sich hinter Fye hindurch gezwängt hatte, fand er sich in einer Art Aufzugschacht und ein paar Sekunden später im inneren der Kabine wieder, die sich im selben Augenblick auch schon sanft surrend in Bewegung setzte. Fast zu hell nach dem angenehmen Halbdunkel erhellte die grell leuchtende Decke den bis auf sie völlig leeren Raum und unauffällig erlaubte er sich einen weiteren Blick auf den verdammten Magier, der seine Gedanken in letzter Zeit viel zu sehr beherrschte. Und sofort nahmen seine Gedanken gegen seinen Willen ihren vorigen Faden wieder auf. Wenn es so war, und er ging einfach davon aus, dass er sich nicht komplett in dem anderen Mann täuschte, konnte er ihm keinesfalls verübeln eine Familie, oder zumindest eine Heimat zu wollen. In ihrer Reisgruppe hatte jeder genug mit sich selbst zu tun und sie waren eh nur eine vorläufige Zweckgemeinschaft. Nachdem seine Eltern gestorben waren, hatte er sofort einen Platz bei Prinzessin Tomoyo gefunden und auch wenn die Ausbildung und die Zeit allein oft schwer gewesen waren, er hatte nichts desto trotz einen Platz gehabt, den man „zu Hause“ nennen konnte. Er hätte nicht gewusst, was er getan hätte, wäre da wirklich niemand gewesen. Wenn er einfach irgendwann in diesem Trümmerfeld aus Zerstörung und Toten die Augen aufgemacht hätte und völlig allein gewesen wäre- vermutlich wäre er liegen geblieben, dachte er bitter. Aber damals war er ein Kind gewesen... Fye war längst kein Kind mehr. Andererseits... warum sollten sich solche Bedürfnisse im Erwachsenenalter ändern? Kurogane hatte oft genug erlebt, dass seine Gefühlswelt oft völlig anders als die von anderen sein konnte. Meist legte er so etwas als Schwäche aus, aber seiner Meinung nach war Fye eben dies. So viel hatte er herausbekommen über den auf seine Weise verschwiegenen Mann, jedoch seit sie in dieser Welt waren, passte gar nichts mehr in Kuroganes Einschätzungen. Gewöhnlich klebte der Magier an ihm wie eine Klette. Normalerweise war er passiv und richtete sich meist nach dem was andere sagten, war fürsorglich, unentschlossen, beherrscht. Jetzt schienen die Rollen vertauscht zu sein und Kurogane fühlte sich alles andere als wohl in seiner. Fye schrie ihn an, ging seinen eigen Weg, entschied sich hier zu bleiben, egal was Kurogane sagte und auch sein Entschluss auf dem Hochhaus war sein eigener gewesen, er war offen und ehrlich einerseits und ungeschickt in dem was er sagte, als hätte er überhaupt keine Ahnung wer er war oder warum sie umherreisten. Geheimnistuerisch war er zwar immer noch, jedoch statt eines überheblich, neckenden Tons, eher... verzweifelt. Mit diesem Verhalten machte er dem Ninja unmissverständlich klar, dass sie durch nichts aneinander gebunden waren. Bisher war der Blonde derjenige gewesen, der die Gruppe zusammenhielt und Kurogane stets abweisend. Wahrlich vertauschte Rollen, dachte Kurogane entnervt. Er wusste selbst, dass er ihn weiterziehen lassen musste, wenn er selbst irgendwann in Japan ankäme. Er wusste, dass ihn dieser Mann in den Wahnsinn trieb, er sein Lügen enttarnen wollte, aber er wusste nicht, ob das, was sich ihm offenbart hatte, halten konnte, oder es überhaupt wollte. Er kümmerte sich nicht um Fyes Vergangenheit. Jeder Mensch sollte neu anfangen dürften, jeder sollte diese Chance haben, egal ob er ein Verbrecher, Flüchtling oder ein Idiot war. Aber dieser Mann schlüpfte ihm immer wieder durch die Finger, ließ Gefühle in ihm zurück, mit denen er einfach nicht umgehen konnte, die er zusammen nie wieder hatte spüren wollen: Hilflosigkeit und Wut. ´Das gestern... war unverbindlich, klar ?' ´Sicher' Er hasste es, wenn dieser verfluchte Magier berechnend und im nächsten Moment irgendwie hilflos und ehrlich erschien. Seine eigenen Gefühle und die Situationen, in die sie immer wieder gerieten, kamen ihm wie ein einziges Labyrinth vor. Voller Sackgassen und Fallen und er wusste nie, wo und was das Ziel war, wie er dahin kam und ob er überhaupt dorthin wollte, oder wieder zurück zum Eingang gehen sollte, solange es noch ging. Und er fühlte sich schlecht, weil er – was immer auch zwischen ihnen in der letzten Nacht passiert war – durch ein paar Worte des falschen Stolzes zerstört hatte. Weil er einfach verdammt noch mal Angst hatte sich festzulegen, in etwas hineinzuschlittern, wo er nicht mehr alles unter Kontrolle hatte... am wenigsten sich selbst. Eigentlich konnte er nicht einmal verlangen, dass der Magier ihm irgendwie vertraute, wo er sich selbst nicht einmal sicher war, dieses Vertrauen rechtfertigen zu können. Manchmal kam sich Kurogane wirklich so vor als wäre er der Idiot und nicht Fye. Durch ein leises, schrill zischendes Geräusch an der Decke, an der sich gerade ein ähnlicher Durchgang öffnete, wie der, durch den sie herein gelangt waren, wurde er aus seinen kreisenden Gedanken gerissen. Angeblich war das, was sie hier taten, eine Routineaktion. Doch als sie beide im nächsten Moment von einer wuseligen Arme dieser abartigen Phagen umgeben waren, fragte der Ninja sich ernsthaft, wie so etwas überhaupt Routine sein konnte. „Keine Angst“, beruhigte ihn Fye mit einem definitiv zu relaxten Lächeln angesichts der Tatsache, dass sich eine schwarze, wuselige Masse gerade seine Beine hocharbeitete, „wir sind für sie nur Fracht.“ Kurogane hielt lieber den Mund, da kleine, kühle Beinchen über sein Gesicht huschten, seine Ohren, sein Haar. 13 Minuten. Allmählich verschwanden die Spinnen wieder, krabbelten nur noch prüfend über den entblößten Abschnitt seines Halses. Die weißen Schutzanzüge, die sie trugen, waren aus einem speziellen Stoff, was sie unauffällig scheinen lassen sollte, was hatten diese Scheißviecher da noch so lange zu suchen? Plötzlich hielt der Lastenaufzug mit einem kräftigen Ruck an und die Spinnen verschwanden wie vom Erdboden verschluckt. Mit einer flinken Bewegung zog Fye einen der Handschuhe aus und fischte das längliche, rote Fläschchen aus seiner Tasche. Kritisch beobachtete der Krieger, wie er sich die zähe Flüssigkeit auf die Hand schüttete, diese sofort eine elastische Konsistenz annahm und anschließend in Fyes Haut sickerte. „Was.. das is ja ekelig...“ Sein Gegenüber lachte leise und tippte etwas in die Schaltfläche des Aufzuges ein. „Ab hier beginnt der verbotene Bereich. Eigentlich braucht man eine Erlaubnis von außen, aber in Ausnahmefällen reicht auch eine genetische Bestätigung von innen. Wir haben Glück, dass durch die Neumondwende noch alle technischen Geräte ein wenig wankelmütig sind.“ (1) „Genetische Bestätigung?“ „Hat Kuro-chi Shaolan nicht zugehört ?“ „Wenn der Zwerg nur so komisches Zeug von sich gibt, kann ich's mir eh sparen.“, gab der Krieger grummelig zurück. Der andere Mann drehte sich vollständig zu ihm um und grinste leicht schelmisch. „Du hast es nicht verstanden.“ Der Ton und die Bemerkung waren ungewöhnlich spitz. „Natürlich nicht, in Japan gibt es nicht einmal so etwas wie 'Aufzüge'. Es interessiert mich auch nicht.“ „Ahso~ Warum bist du dann mitgekommen ?“ „Du wirst wohl kaum auf dich selbst aufpassen.“ „Was meinst du?“ „Das Übliche“, knurrte Kurogane hart und ungeduldig. Schweigend sah Fye plötzlich etwas hilflos auf das nun leere Fläschchen in seinen Händen. Es schien fast so als würde er etwas suchen. Kurogane konnte sich nicht vorstellen was. Außerdem schien Fye ständig etwas zu suchen. Kurogane war nur wieder einmal verwirrt darüber, dass es diesmal so deutlich in den himmelblauen Augen geschrieben stand. „Wenn du etwas suchst...“, begann er leise. „Hm?“ Der Blonde wirkte aus seinen Gedanken gerissen und lächelte überspielend. Noch deutlicher als vorige Nacht verstand Kurogane, dass eine einmalige körperliche Verbundenheit nicht über die unsichtbare Mauer zwischen ihnen hinwegtäuschen konnte. „Wenn du etwas suchst, solltest du es sagen. Vielleicht hat es ja jemand anderes.“ Als Antwort bekam er nur ein weiteres dieser maskenhaften Verziehungen der Mundwinkel, das ein Lächeln darstellen sollte. Kurogane kannte diesen speziellen Blick in den Augen nur bei Leuten, die im nächsten Moment in Tränen ausbrachen und dabei loslachten. Auf Schlachtfeldern hatte er genug solcher Gesichter gesehen. Kurogane riss allmählich der Geduldsfaden. „VERDAMMT NOCH MAL!“ Verwirrte, blaue Augen sahen zu ihm auf, als er seine Faust neben Fyes Kopf gegen die Wand donnerte und sich über den etwas kleineren Mann beugte. Er hasste es, er hasste es einfach! Dass nichts, was er tat, zu dem Magier durchdringen konnte! Er hasste es, dass egal wie oft er über seinen Schatten sprang, er nichts bewirken konnte, es sei denn, der Magier machte den ersten Schritt! Er fühlte sich immer öfter wie eine Spielfigur in den verworrenen Spielen des Idioten. Erst dieser unerwartete Kuss, dann diese ehrlich scheinenden Worte, dieser unglaublich intime Sex, dann wieder totale Verschlossenheit und Abweisung. Dieses hin und her, dieses neue, rätselhaften Verhalten, strapazierten seine Geduld. „Kuro-rin sollte nicht immer gleich alles kaputt machen, wenn er sich ärgert.“ Fye wand sich unter ihm hervor und wieder der Schaltfläche zu, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, jedoch von zornigen roten Augen beobachtet. Kurogane wartete, wohl wissend eh keine befriedigende Antwort zu bekommen. Nur solche, die er hasste und solche, die noch mehr Fragen aufwarfen. Diese Antworten gaben ihm das Gefühl von Sinnlosigkeit und wenn der Magier ihm diese Art von Antworten gab, fragte er sich inständig, ob der Blonde einfach nur ablenken wollte, sich über ihn lustig oder sich selbst einfach nur wichtig machen wollte. Oder ob es wirklich Menschen gab, die so wahnsinnig kompliziert waren? Vermutlich kam bei den Magier aus Ceres alles zusammen. Ein leises Surren erklang abermals und FYE legte seine Handfläche auf das grüne leuchtende Feld der Kontrolltafeln, zuckte nicht einmal, doch als er seine Hand wieder hob und der Aufzug sich mit einem penetranten Piepsen wieder zu bewegen begann, sah Kurogane, dass auf der Schaltfläche Blut zu sehen war. „Ich suche vieles...“, kam die Antwort nachdem er schon längst nicht mehr mit ihr gerechnet hatte und er fühlte sich gerade ein wenig zu müde für weitere Spiele. „Ah..“ „Kannst du dir vorstellen was?“ Der fröhliche, schrille Ton wäre nur auf einem Friedhof unpassender gewesen. Hier hallte er an blanken Wänden des Aufzugwürfels ab und er wünschte sich das Gespräch wäre jetzt zu Ende. „Nun rat doch schon! Kuro – pyuu~“ Plötzlich ging ein heftiger Ruck durch den Aufzug und Kuroganes Herz blieb beinahe stehen, als die Kiste begleitet durch ein wirklich ungesundes Quietschen plötzlich absank. Eingeschlossen in diesem Ding in die Tiefe sausen.. da war ihm ein freier Fall, bei dem er sich alle Knochen brach, lieber. Er traute diesen Dingern wirklich nicht. Aber er traute dem ganzen technischen Schnickschnack dieser Welt nicht. Es gefiel ihm wahrscheinlich einfach nicht, es nicht verstehen. Er mochte sich allgemein nicht gerne mit Dingen beschäftigen, die er nicht verstand. Er fragte sich, warum er Fye nicht mied. Mit hartem Ruckeln setzte sich der Aufzug wieder in Bewegung und das Summen wurde ständig von einem Quietschen unterbrochen. Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund, warum er jetzt dennoch in dieser Kiste saß. Es ließ sich nicht umgehen. Doch irgendeine penetrante Stimme sagte ihm, dass er etwas an seiner gedanklichen Rechtfertigung ausgelassen hatte und das war die Tatsache, dass er mehr als einmal die Gelegenheit gehabt hatte, nichts mehr mit dem verschlossenen Magier zu tun zu haben. Er hatte sie immer wieder aufs Neue. Er musste einfach nicht mehr nachfragen, ihm nicht mehr hinterher rennen, sich nicht mehr einmischen, ihn nicht mehr beschützen, er musste ihn einfach wie jeden verdammten anderen Menschen behandeln. Er beschütze ihre Reisegruppe, eine Zeit lang. Weil er es konnte. Doch er verpflichtete sich zu nichts. Er bewahrte ein Leben oder er schaffte es nicht. Aber es ging ihn nichts an. Er konnte weiter machen, weil er sich nach dem Versagen seine Eltern zu schützen, nie die Verpflichtung für ein anderes Leben als Tomoyo aufgeladen hatte. Tomoyo war die einzige Ausnahme. Doch er hatte sich benommen wie ein trotziges Kind als Fye im Bambushain leben wollte, etwas anhaltendes, vertrautes suchte. Scheinbar war dieser Wunsch so stark, dass der Blonde sogar über seinen eigenen Schatten gesprungen war und etwas über seine Gefühle und Wünsche Preis gegeben hatte. Ihm gegenüber. „Eine Familie“, hab Kurogane etwas wütend zurück. Wütend darauf, dass Fye ausgerechnet in dieser Nacht so etwas von ihm gefordert hatte, erwartete, dass er es tatsächlich bekam. Vielleicht... vielleicht war er einfach nur verzweifelt. Der Blonde lächelte einfach nur nervös und sowohl er als auch Kurogane waren froh, dass sich in diesem Moment die Aufzugtüren öffneten. Fast lautlos taten sie dies und offenbarten einen riesigen, weiß-blauen Gang. Er war rund und unruhiges Licht leuchtete von unten herauf. Es schien als wären es halbdurchsichtige Röhren, die sich durch Wolken zogen. Er hatte keinen Sinn für Ästhetik, aber das sah einfach nur schön aus. Einfach, natürlich, doch einem genaueren Blick hielt die Illusion nicht an. Plastik. Das Rauschen war nicht das des Windes, sondern irgendwelcher Maschinen. Sie würden nicht durch den Himmel gehen, sondern befanden sich in einem dieser schwarzen, verspiegelten Gebäude. Kurogane fragte sich, seit wann er angefangen hatte, solche kindischen Dinge zu denken. Fye, den er für einen Moment fast vergessen hatte, hatte ein Tuch herausgeholt und das Blut von seinen Händen gewischt. Kleine Schweißperlen standen ihm auf der Stirn, wie in der gestrigen Nacht, nur fehlten die geröteten Wangen und der lustvolle, offene und doch undeutbare Blick. „Wollen wir, Kuro-pon? Hier geht es lang~ wir wollen doch nicht trödeln, sonst kommen wir nicht mehr raus und das wäre doch denkbar unangenehm, nicht wahr?“ Fyes Ton war, mal wieder – fast gewohnt, jedoch in letzter Zeit seltener- gut gelaunt und schon marschierte der Magier voran. „Ah.“ „Nicht trödeln~“ Einen kritischen Blick noch einmal auf die Schalttafel werfend, von der Fye das Blut nicht gerade sorgfältig abgewischt hatte, folgte er ohne einen Kommentar. Schweigend gingen sie mehrere Minuten durch diese halbdurchsichtige Röhre hindurch. Kurogane spürte deutlich, dass sie sich in schwindelerregender Höhe befanden und erkannte undeutlich durch das milchige Glas Schatten von anderen Röhren. Wieder waren ihre Schritte und das ewig präsente Rauschen die einzigen Geräusche. Atemgeräusche. Schritte. Rauschen. Rauschen. Rauschen. Kurogane fixierte Fyes Hinterkopf während dieser mit eiligen Schritt voraus ging, dabei seine blutige Hand verband. Die halblangen Strähnen spielten in dem entblößten, blassen Nacken und lösten den Drang in ihm aus sie zu berühren oder daran zu reißen. Kurogane war wütend auf sich selbst. Weil er sich seit dieser Nacht – fast so als würde es von dem Magier abfärben - sich selbst belog. „Das ist ziemlich idiotisch dein Blut im Aufzug rum zu wischen, wenn die Leute vom Hain so scharf darauf sind ihre Identität geheim zu halten.“ „Oh! Kuro-wanwan hat doch zugehört, als Shaolan uns so vorbildlich anschaulich 'Genetik und Identifikationsmechanismen' erklärt hat!.“ „Gen - Identi - was ?“, genervt verdrehte der Ninja die Augen, „Blut hat doch eine bestimmte Aura, eine Magie, die Priester und Mikos erkennen können.“ Einen Moment sah ihn der Magier zweifelnd an. „In dieser Welt gibt es doch lange keine Magie mehr, wie sollen sie das machen?“ „Sie ist nicht mehr weit verbreitet. Es gibt sie noch.“ Er wusste, dass Fye genau wusste worüber er redete und sich nur wieder dämlich stellte. „Kuro-sama hat wirklich zugehört~ ! Sugoi!~ Kuro-nyan ist wirklich schlau!“ „Verdammt noch mal, ich habe auch einen richtigen Namen!“ Der blonde Idiot kicherte amüsiert und war fertig damit eine durchsichtige Masse auf seiner Hand zu verteilen, die schnell hart wurde und die Wunde verschloss. „Einen wunderschönen Namen, der gerade dazu einläd noch weiter verschönert zu werden, ne~ Kuro-nyan-chan ?“ Wut brodelte in dem Ninja auf, obwohl er wusste, dass Fye ihn wieder absichtlich provozierte und er ballte die Fäuste. Beschloss jedoch dann, dass die Sache der Aufregung nicht wert war. Doch... „Moment mal“, der Krieger stockte, „Du bist die Katze.“ Verdutzt über diesen untypischen Kommentar sah ihn der Magier direkt an. Die Haarsträhnen standen noch viel wirrer als sonst von seinem Kopf ab und die klaren, wachen Augen zeugten deutlich davon, dass Fye sich mittlerweile von der 'Neumondwendenkrankheit' erholt hatte. Was auch immer das war. „Ich versteh nicht ganz, Kuro-ta-“ „Du nennst dich selbst große Katze und mich großes Hündchen. Kuro-wanwan, was weiß ich zur Hölle, Kuro-wuff oder so n Müll. Aber nie Kitty oder 'Kuro-nyan'. Nyan ist ein Katzenlaut.“ Kurogane wurde noch verdutzter angesehen und kam sich mal wieder unglaublich bescheuert vor, das wiederzugeben, was in ihrer Gruppe (leider) Gang und Gebe war. „Das war ja nicht mein Blut, sondern eine veränderte Version davon, die selbe wie das der Person, die hier Zugang hat. Die Substanz, die ich mir vorhin gespritzt habe, hat meine DNA – meine Blutmagie, wenn du es so sagen willst- verändert, so dass sie nicht nachzuweisen ist. Aber wir können das fremde Blut nicht direkt da drauf schmieren, weil die Blutkörperchen direkt aus einem lebenden Organismus kommen müssen, andernfalls würde es das Überwachungssystem merken. Wir haben jetzt Zugriff zu den oberen Stockwerken, wo sich die Informationen über die verschiedenen Lieferungen befinden, da hat ja nicht jeder Zugriff drauf~ diese Informationen sind für die Leute des Hains sehr wichtig und als Gegenleistung finden sie heraus wo die Kinder sind und bringen uns zu ihnen.“ „Und zu diesem verdammten Manjuu, sonst kommen wir hier ja nicht weg“, nahm Kurogane den Themenwechsel dankbar auf. So etwas bescheuertes aber auch, sich mit dem Magier über diese abartigen Spitznamen zu unterhalten... das musste doch den Eindruck machen, er hätte ihm jemals zugehört. Er benahm sich wirklich wie ein Idiot, seit er mit diesem Idioten reiste. Schweigend schritt Kurogane dem Magier hinterher. Es war erstaunlich wie gut sich dieser schon in dieser Welt auskannte. Er hatte zwar auch in den zwei Wochen seit er mit Fye im Hain lebte viel gelernt, jedoch war seine Sprache die einer Person, die oft mit solchen Begriffen umging und um ihre weitergehende Bedeutung keine Gedanken mehr machte... ein Mittel das Blut verändern konnte... Kurogane fand diesen Gedanken abschreckend, wie auch die Tatsache, dass Fye es einfach so tat. Blut war Leben und das einzige, was an einem Menschen einmalig war... vielleicht waren ihre Weltbilder und Kulturen einfach zu unterschiedlich, aber dennoch hatte der Ninja das Gefühl, dass es Fye einfach egal war. Sie gingen. Es war als wanderten sie wieder Stunden durch die Lüftungsröhre, nur dass diese diesmal riesig und hell erleuchtet waren. Rauschen, ihre Schritte. „Ja.“ Die Antwort auf seine Frage kam spät, aber überraschenderweise kam sie überhaupt. Fest blickte Kurogane in Fyes Augen. Der Blick, den er zurück bekam schien beinahe gefroren, doch irgendetwas anderes war da noch. Wie gestern hinter der Lust, wie bei ihrem Streit hinter der Wut, wie bei jedem Lächeln hinter der Sanftheit und hinter jedem echten Strahlen der Freude, Zufriedenheit, Albernheit. Wie jedes mal 'wenn und aber' und wie jedes verfluchte Mal fragte sich Kurogane was es war. Und ob es das wert war. „Und deine 'Familie' im Hain?“ „Ich habe nur Wünsche und falsche Illusionen, sonst nichts. Eines habe ich bereits aufgegeben.“ Der Ton ließ nicht darauf schließen, was gemeint war. Eine Familie bei diesen Aussteigern zu suchen oder was auch immer Fye sich in Kurogane erhofft hatte. „Ich bin froh, dass du mitgekommen bist...Du passt immer auf mich auf... das ist so liebenswert.“ Unmerklich zuckte er. „Wie gesagt, du tust es ja grundsätzlich nicht selbst.“ Unmerkliches Stocken auf der anderen Seite bei diesem abfälligen Ton. „Nya~, es ist nicht deine Pflicht. Storm hat auch mitkommen wollen.“ „Warum sollte er, er hat doch nichts davon.“ „Wer weiß~“ Allein schon dieser Name machte Kurogane rasend eifersüchtig. „Der Kerl ist ein noch größerer Idiot als du, wenn er sich auf dich einlässt.“ Er hasste vor allem, wie Fye auf Storms Andeutungen und Bemutterungen auch noch ansprang. So nötig konnte es doch wirklich niemand haben. „Du bist doch auch immer in meiner Nähe.“ „Zwangsweise“ Scheinbar beleidigt drehte sich der Magier von ihm weg und ging voran. Der größte Idiot, wirklich, er selbst. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Anmerkung: So, ^^ nun ist auch das 12. Kapitel wieder neu hochgeladen. Wie schon erwähnt kann es leicht von der vorigen Version abweichen, weil ich nur die Beta-Version zur Verfügung hatte. Aber wenn, dann nur bei ein paar Formulierungen, nicht von der Story selbst. Und entschulidgung noch einmal an alle, denen ich mit der Löschung Probleme bereitet habe v v oder einen Schock oder so was versetzt.... Inspiriert hat die Szenerie übrigens der Film "Cube". (1). d.h. Nicht richtig funktionieren 13. Kapitel - (Eye) ------------------- I lie, I wait I start, I hesistate, I am.. I breath, I ment I think, I .. think of me Is it any wonder I can’t sleep all I have is all you gave to me Is it any wonder I found peace Through you The Smashing Pumkins - Eye _______________________________________ Ein Atemzug. Die Scheibe beschlug milchig weiß und wurde wieder klar. Langsam legte sich eine zitternde Hand auf sein Auge. Er sank nieder, am kaltem Glas entlang, seine Hände versuchten sich hinein zu krallen, doch er rutschte ab, immer wieder ab. Klaustrophobie, er dachte zu ersticken in diesem endlosen Raum, in diesem Meilen hohen Käfig aus Glas, in dem er jedoch nur einen Schritt vor und einen zurück gehen kann. Und nie verborgen war vor diesem Blick aus goldenen Augen, die er nicht lesen kann. Und will. „Warum versuchen eigentlich alle die mich lieben, mich so grausam am Leben zu halten?“ Der Mann, dem diese goldenen Augen gehören – eine Augenfarbe, die selbst in diesem ehemals magischen Land ein ungewöhnliches Merkmal waren – kam trotz eines zum bersten vollen Terminkalenders jeden Tag hier her, für ein paar Stunden, manchmal – viel zu oft – auch die gesamte Nacht. Aus einiger Entfernung beobachtete er die Gestalt in der hermetisch abgeriegelten Glasröhre. Das Licht war grell, viel heller als Tageslicht und das Rauschen längst so gewohnt geworden, wie die tägliche Routine dieses Besuches. Die Zeit verschwamm. Es gab keine Wochentage, keine Uhr und selbst den Wechsel zwischen Tag und Nacht und Tag bemerkte man hier nicht. Selbst der Besucher nicht, der sein Leben eigentlich außerhalb dieses Komplexes verbrachte, im Tageslicht und Rhythmus des Lebens unter Tausenden. Obwohl das, was sein Leben ausmachte, hier war. Langsam, ruhig, andächtig und gemächlich ging er auf die Glassäule zu, die Gestalt darin bewegte sich nicht. Sie war auf ihre Knie niedergesunken und hatte ihre Fäuste in einer hilflosen Geste an die gerundete Scheibe gepresst. Der riesige Raum war vollkommen leer, nur an den weißen Wänden blinkte hin und wieder die Anzeige eines Kontrollsystems. Die Röhre war bis auf das Wesen in ihr vollkommen leer und durch die gerade abgelassen Flüssigkeit beschlugen die Scheiben und funkelnde Tropfen liefen im grellen Licht an der Innenseite des aufgewärmten Glases herunter. Er starrte. Starrte, wie die Tropfen sich in dem nass herunterhängenden, blonden Haar verfingen, auch über den nackten Hals und Nacken flossen und in der Falte des weißen Kragens versanken. Der farblose Stoff klebte an der Statur des feminin gebauten, dennoch eindeutig männlichen Körper des Gefangenen und ließ jede einzelne Kurve, Unebenheit und Ebenheit und jeden Winkel mehr als nur erahnen. „Wenn du mit mir reden würdest, müsstest du dich nicht dauernd über die Einsamkeit hier beschweren.“ Lügen. Lügen! Lügen! Lügen! Der Angesprochene presste nur ärgerlich seine Lippen zusammen und schwieg. “Du weißt, es ist zu deinem Besten, dass du hier bist. Immerhin war es dein Wunsch, deine Entscheidung.“ Er legte die Hand auf die ihm zugewandte Seite des Glases, verdeckte die kleiner und langen Hände mit seinen eigenen. Wütendes, verzweifeltes Blau funkelte ihn an, jedoch wurde die verdeckte Hand nicht weggezogen. „Du kannst nichts tun als warten.“ Ein Zögern, doch sein Gegenüber zog die Hand nicht weg. „Ich bin nicht dein Eigentum.“ Das Rauschen. Für ihn bedeutete es Zeitlosigkeit, wie auch für den Mann unerreichbar hinter Glas. Nur war die Zeit auf seiner Seite, denn der Mann in seinem Gefängnis vertrug Einsamkeit nicht lange. Durch die verborgenen Lautsprecher wurde jeder einzelne unregelmäßige Atemzug übertragen, der beschleunigte Herzschlag drang überlaut an die Ohren des Besuchers. Er drehte die Lautstärke stets so hoch, das selbst sein Gegenüber hinter dem dicken Glas die Vibration seines eigenen Herzschlages fühlen musste. „Es ist deine eigene Schuld.“ Er wusste, dass es etwas anderes bedeuten sollte. Er etwas anderes meinte, denn dieser Man war, trotz seiner selbst gefällten Entscheidung, garantiert nicht freiwillig hier. Dieser Herzschlag machte ihn selbst nervös, erst recht der Blick, der nun auf ihm lag. In diesem Momenten war ihm alles egal, er wollte dieses Gefängnis öffnen, den Mann darin endlich wieder in seine Arme ziehen, festhalten, bis dieser erstickte, ihn wieder lieben und fühlen und damit endlich das Bedürfnis erfüllen, das schon so lange in ihm tobte: Den blonden Mann nichts anderes fühlen zu lassen, als ihn. Ihn nichts mehr sehen zu lassen, als ihn selbst und nichts mehr denken zu lassen, als ihn. Manchmal dachte er wirklich daran, doch die Liebe zu diesem Wesen ließ ihn bewegungslos ausharren und wieder nur beobachten. Er musste sich damit zufrieden geben, dass niemand von ihnen etwas hatte. Sie waren beide leer. Plötzlich krümmte sich die Gestalt zusammen und erschrocken ging er in die Knie, um herauszufinden, was passiert war. Seine Hand griff schon nach dem Pager, um die Ärzte herbei zu rufen. „Fye..“ Der Angesprochene reagiert nicht, presst sich nur weiterhin die Hand auf seine rechtes Auge, bis es tränte. Die schmalen Schultern zittern für einen Moment, doch dann wurde der blondhaarige Mann wieder ruhig, lehnt sich an das Glas und starrt nach oben. Die zierliche Hand mit den langen Fingern, die er so liebt, wandert über das Gesicht ihres Besitzers und legt sich auf sein gesundes Auge. Das andere starrt nach oben. Blind. Blind. Blind. Ein Blick auf seine Uhr zeigte dem Besucher an, dass es Zeit war zu gehen. Er wartete dennoch geduldig bis das übertragene Rauschen der Atemzüge und der heftige Herzschlag sich normalisiert hatten. Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging zum Ausgang. Ein neuer Morgen war angebrochen. Die Tür ging mit einem Surren und tiefen Klacken hinter ihm zu und die Kreislaufgeräusche waren ausgeschlossen, ließen die Stille wie eine Raubkatze über ihn herfallen. Er straffte die Schultern, band sein langes, schwarzen Haar zusammen, das ihn bei seiner Arbeit meist nur behinderte und rief seine Sekretärin an, dass sie einen Fahrer schicken sollte, um ihn abzuholen. Sein Gebet aus Herzschlägen und Atemgeräuschen hallte in seinen Ohren wieder und wieder. “Ist es ein Wunder, dass ich wegen dir nicht schlafen kann und deshalb jede Nacht hier bin?“, fragte er sich und stellte seine Uhr auf die Uhrzeit, an dem unberührbaren Mann hinter Glas wieder besuchen konnte. “Es wundert mich nicht, dass ich durch dich Frieden gefunden habe.. es wundert mich nur, dass du immer wieder von neuen erwartest, dass ich meinen Frieden und mein Glück für dich aufgebe.“ It’s not enough Just a touch I taste.. I love I call.. I bleed enough I hate I’m not I was I want too much ~~ Kapitel 13 Ende~~~~ Anmerkung: Eye ist geistiges Eigentum der Smashing Pumkins, ich maße mir nichts an und verdiene kein Geld hiermit. 14. Kapitel - (Rote Fäden) -------------------------- Das Ende des Ganges. Das Ende der Röhre kam abrupt unerwartet hinter der letzten sachten Biegung. Eine ausdruckslose weiße Wand mit einem alles verschluckenden schwarzen Durchgang, gerdade hoch und breit genug eine mittelgroße Person hindurch zu lassen, öffnete sich als sie bis auf 20 Schritte an sie heran getreten waren. Seltsamerweise sagten ihm seine Instinkte, dass sie sich immer noch in großen Höhen befanden und keine Wand im Umkreis von 50 Meter sein konnte. Dennoch kamen sie durch diesen Durchgang in einen weiteren Raum. Kurogane beschloss einfach nicht mehr solche Verrücktheiten zu hinterfragen, sonst würde er bald selbst dazu gehören. Wahrscheinlich war es eh Magie. Von wegen, dass es sie in diesem Land nicht mehr gäbe. Der Raum war groß, vollkommen leer und wie der Gang in ein türkis-blaues Licht getaucht, das von nirgendwo und überall zu kommen schien, als befanden sie sich in fluoreszierendem Wasser. Nur an der Wand befand sich ein flacher, schwarzer Monitor und eine Schalttafel, einsam und metallern, unpassend mit ihrer matten Oberfläche, fast lebendig wirkend in dieser sterilen Umgebung. Der Magier lächelte zufrieden und legte stumm einen Finger auf seine Lippen. Sie schienen an ihren Zielort angekommen zu sein, doch das komplizierteste lag noch vor ihnen. Er hatte Fye lange an Simulationen im Camp üben gesehen. So weit er es verstanden hatte, war der Raum war durchzogen von Lichtstrahlen, die einen Alarm auslösten, wenn sie irgendetwas unterbrach. Die Aufgabe des Magiers, bei weitem der atlethischere von ihnen beiden, sollte sich durch zwischen ihnen hindurchwinden. Darauf bedacht kein Geräusch zu erzeugen, stellte Fye den Apparat, mit dem er schon die ganzen Durchgänge geöffnet hatte, auf den Boden und eine grüne Lampe leuchtete auf, diesmal nicht nur kurz, sondern stetig und immer heller werden. Das Licht um sie herum nahm dadurch einen leicht gelblich-türkisen, irgendwie Übelkeit erregenden Farbton an. Dadurch hoben hauchzart, mehr eine Ahnung als wirktlich sichtbar, sich nun rote Lichtfäden hervor, die quer durch den ganzen Raum gespannt waren. Fyes Gesichtszüge entspannten sich völlig, selbst das selbstzufriedene, legere Lächeln, das er sonst immer trug verschwand und machte einem völlig aussageneutralen Ausdruck Raum. Ernst, und viel älter als Fye eigentlich den Anschein machte. Er schloss die Augen, atmete durch - ein fast unmerkliches Heben und Senken der schmalen Brust, das einzige, was ihm nicht das völlige Aussehen einer Statue verlieh - und machte einen vorsichtigen Schritt nach vorn. Ein kalter Schauder lief ihm Kurogane den Rücken, während er Fyes sich langsam bewegende, sich verrenkende Figur beobachtete.Die Bewegungen schienen mechanisch, es fehlte die gewohnte Eleganz und geschickte Unbekümmertheit mit der sich der Magier sonst bewegte. So als müsste er gegen einen unsichtbaren Widerstand ankämpfen, oder als wäre er nur eine Puppe, die von einem Puppenspieler zwar geschickt, aber dennoch an Fäden, gezogen wurde. Ab an und an schimmerten die rubinroten Fäden wie eine Fata Morganazwischen dem blauen Licht hervor, das zwar konstant, aber durch dieses Schimmern wie von unsichtbaren Strömungen durchzogen war. Der Eindruck unter Wasser zu sein wurde perfektioniert. Das Rauschen des Blutes in seinen eigenen Ohren, die unsichtbaren Strömungen am Meeresgrund, die das Licht flackernd brachen und Fyes angestrengte Bewegungen, als müsse er sich durch Wassermassen hindurcharbeiten, stetig bemüht auf dem sandigen Untergrund und umgeben von unberechenbaren Sögen und streifenden Strömen nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Das Rauschen wurde lauter, scheinbar nur in seinen eigenen Ohren und vielleicht war es auch so, während er den anderen Mann weiterhin beobachtete und sich fragte, was hier nur so furchtbar falsch war. Es war niemand zu sehen, keine Aura zu spüren und keine Bewegungen erfüllten den Raum, bis auf den Magier. Fyes Körper zitterte auf, Zuckungen in einem völlig angespannten Körper, und nun sah Kurogane auch den leichten Schweiß, der zwischen den blonden Zausen über Fyes Schläfe lief. Einen unendlich lange Sekunde sah es so aus, als würde sich der andere wieder unter Kontrolle bekommen, doch dann sackte seine Körperhaltung etwas in sich zusammen und die voller Konzentration gehobene Hand durchbrach einen Lichtstrahl. Kurogane fluchte und rannte gleichzeitig los. Ein Zischen wurde innerhalb Sekundenbruchteilen unerträglich laut und silberne Fäden schossen blitzschnell vom Boden auf, spannten sich in einer Wellenbewegung durch den ganzen Raum straff.Kurogane wusste, dass er es unmöglich rechtzeitig schaffen konnte. ZZZINGGGGGN !!!!!! Die silbernen Fäden schossen gänzlich in die Höhe und spannten sich mit einem luftschneidenden, messerscharfen Sirren. Ein Herzschlag. Ein paar blonde Strähnen segelten mit majestätischer Ruhe zu Boden, der Apparat klapperte in fein säuberlich geschnittenen Stücken daneben. Ein Blick zu dem Mager sagte ihm, dass alles in Ordnung schien. Dieser hatte seine Körperbeherrschung im letztem Moment wiedergefunden und war blitzschnell in die Ecke des Raumes gesprungen. Die Ecken des Raumes konnte von den Schnüren nicht erreicht werden und wie von einem silbernen Spinnennetz umgeben, drückte er sich an die Wand. Zweiter Herzschlag. Ein dumpfes Geräusch, als der Magier seinen Kopf erleichtert nach hinten gegen die Wand kippen ließ, erklang. Kurogane atmete aus. Das war knapp gewesen. Hätte Fye auch nur eine Millisekunde später reagiert, wäre er genau so zerschnitten worden wie dieser leuchtende Apparat. Schon in der ersten Welt, in die sie gereist waren – Hanshin- hatte er erfahren, dass der Magier durchaus geschickt war, mehr noch, er bewegte sich wie ein Mann, dem der Kampf in Fleisch und Blut übergegangen war. Er war wahrscheinlich einfach nur überbesorgt. „Oi, bist du in Ordnung?“ Er bekam keine Antwort. „Fye.“ Es war wieder still geworden. Rauschen, Rauschen, endloses Rauschen. Die Farbe des Raumes hatte sich von sanftem Blau-Türkis zu einem Unruhe auslösenden Gelb-Rot gewandelt und der Ninja verfluchte den Umstand kein Schwert dabei zu haben. Wie sollte er den Magier jetzt dort herausholen und wieso half dieser sich nicht selbst, sagte nicht einmal ein Wort? Er wusste, dass es noch nicht vorbei sein konnte und seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Er hasste diese Welt mit ihrer Technik und noch mehr sein Unwissen darüber. Er wusste nicht, was er tun konnte, aber er musste etwas tun, denn vom Magier kam aus irgendeinem Grund keine Reaktion. Er musste etwas tun! Und das schnell. Schon öffneten sich schwarzen Vierecke, surreal wie ein Loch in einem Gemälde und der Raum wurde von einer Masse aus schwarzen Phagen regelrecht überschwemmt. Sie trugen immer noch die Schutzanzüge, sie würden nicht erkannt werden. Das hieß, wenn sie still hielten. Wissend, dass jedes weitere Wort diese verdammten Mistviecher zum Angreifen bewegen konnte, presste der Ninja seine Lippen zusammen. Die verflucht unfähige und immer noch völlig unbewegliche -vielleicht erwies sich das gerade als ein Segen – Gestalt seines Partners fixiert und hielt still während die mechanischen Tiere prüfend über ihn krabbelten. Wie ihre lebendigen Abbilder in freier Natur angelten sich die technischen Spinnen an den silbernen Stahlfäden entlang, auf den Gefangenen zu und in alle Richtungen und ließen die Konstruktion um so mehr wie ein Spinnennetz eines riesigen Insekts erscheinen. Es war, als wären sie geschrumpft. Dennoch schien alles gut zu laufen, die Spinnen verloren langsam ihr Interesse und zogen sich zurück. „Ashura-ou....“ Verfluchter Magier! Das leise Flüstern klang unglaublich verloren und Kurogane fragte sich trotz dieser gefährlichen Situation, wie wohl das Gesicht des Magiers aussah, wenn seine Stimme schon so klang. Er hätte es gern einmal gesehen, vielleicht weil er merkte, dass dies wirklich pure, unverhüllte Emotion war. Doch der Ernst der Lage wurde ihm augenblicklich wieder bewusst gemacht. Denn die gesamte Menge der Phagen erstarrte wie eins in ihren Bewegungen – Herzschlag – wandten sich dann zum Magier um – weiterer Herzschlag – und krabbelten auf ihn zu. Durch das belebte Spinnennetz konnte er gerade noch undeutlich Fyes Gesicht sehen und der Blonde schien endlich wieder in dieser Sphäre angekommen zu sein. Erschrockene, alarmierte Augen zuckten kurz zu ihm, bevor er sich dem Geschehen vor seiner Nasenspitze zuwandte. Eine besonders große, dicke schwarze Spinne war genau auf seiner Augenhöhe und streckte eines ihrer messerscharfen Beinchen nach ihm aus, ritzte mit dem Hauch einer Berührung über die Wange und zwang so ein dünnes Rinnsal Blut aus der Wunde heraus. Es lief über das Kinn des Magiers, tropfte auf den Schutzanzug. Der Arm federte mit einem mechanischen, kaum hörbaren Surren wieder zurück. Er wusste nicht was vor sich ging, aber er wusste, dass diese Spinnen gefährlich waren und Eindringlinge augenblicklich töteten, sobald sie sie identifiziert hatten. Mit einem gurutalen Knurren packte er eines der Spinnentiere vor sich und schmiss es auf die Spinne vor Fyes Gesicht, sie prallte ab und die Maschine landeten mit einem dumpfen Knall auf dem blanken Boden. Die andere Spinne schien es nicht einmal wahrgenommen zu haben. Wütend packte Kurogane einen der Fäden und riss an ihm mit aller Kraft, arbeitete sich seinen Weg zum Magier frei, auch wenn die Stränge tief ins Fleisch schnitten. Doch die Tiere selbst griffen ihn nicht an, wandten sich nur wieder unbeeindruckt von diesem Ablenkungsmanöver ihrem Opfer zu, das sie als Eindringling erkannt hatten. Fyes Kopf prallte hart gegen die Wand, als er einen auf Augenhöhen gezielten, messerscharfen Schlag einer Spinne auswich. Das Licht im Raum war stechend rot geworden. Und Kurogane war nicht einmal durch das erste Drittel des Netzes hindurch. „Benutz deine Magie verdammt noch mal! Oder willst du hier verrecken?!“, schrie er. Wieder ein tiefer Schnitt an der Wange, knapp unter dem Auge. „Magie..?“ Die Stimme klang als wäre Fye wieder gar nicht anwesend und immer mehr Spinnen gingen in Angriffsstellung: Das Mittlere Beinpaar harkte sie an einer Stelle des Netzes ein, die hinteren krümmten sich, um einen sicheren Schwerpunkt zu schaffen und den vorderen Beinen die Möglichkeit zu geben messerscharf durch die Luft und alles andere, was ihnen in den Weg kam zu schneiden. Die Bewegungsmöglichkeiten des Blonden waren sehr beschränkt, selbst wenn er wollte, hätte er nicht in die Knie gehen oder ausweichen können, denn die silberweißen Fäden, die das rote Licht verzerrt reflektierten, bildeten einen undurchdringlichen Käfig um die schmale Figur, der immer dichter wurde, als würde das Netzt von unsichtbarer Hand weiter gesponnen werden. Wieder versuchte Kurogane Stränge zu durchreißen, erreichte damit jedoch nur, dass das kalte, unbezwingbare Material tiefer in sein Fleisch schnitt und er seine linke Hand kaum noch bewegen konnte. Einige Tiere lösten sich endlich vom Blonden und krabbelten auf den unerwünschte Störenfried zu – ein verfluchtes Ding blieb jedoch bei dem Magier, genau vor dessen Gesicht, holte wieder aus und zielte diesmal direkt auf seinen Hals, die Halsschlagader. „Schlag es weg! BEWEG DICH VERDAMMT NOCH MAL ENDLICH!!“ Fye reagierte überhaupt nicht, sondern sah das Tier nur ausdruckslos an und - schloss die Augen. „VERFLUCHT!“, zischte Kurogane, griff eines der Viecher, die gerade seinen blutüberströmten Arm hoch krabbelten und schmiss es wieder nach der Spinne. Diesmal war er näher dran und erwischte das Drecksvieh in einem günstigeren Winkel. Die Wucht seines Wurfes warf das Tier gegen einen Netzstrang und zerschnitten es in zwei. Begleitet von einem rieselnden Geräusch, zuckend kam es auf dem Boden neben seinem Artgenossen auf. Gerade noch rechtzeitig, um den tödlichen Schlag aufzuhalten. Noch ein Zucken und mit einem ratterndes Surren verklang jedes Geräusch und jede Bewegung des seltsamen Automaten. Die restlichen Tiere erstarrten, zwei Sekunden später fuhr ein kollektiver Ruck durch die Gruppe und sie krackselten – nun um so mehr wie echte Spinnen - in rasender Geschwindigkeit auf Kurogane zu. Er hatte sein Schwert nicht hier, aber das hieß nicht, dass er mit diesen Bastarden nicht fertig wurde! Mit ein paar schnellen Sprüngen war er aus dem Gewirr des Spinnennetzes heraus, an der Tür angekommen und ballte grimmig seine Fäuste und zertrümmerte erst einmal die ersten drei Spinnen, die auf ihn zugewetzt kamen. Er packte den nächsten Blechkasten so, dass die messerscharfen Beinchen nur Luft schnitten und warf es auf die größere Gruppe von Spinnen, die noch auf dem Netz waren- scheinbar ihr vorteilhafteres Territorium. Einige wurden wie leere Sake-Kelche auf die man mit Steinen schmiss von ihrem Halt geschleudert und donnerten auf den Boden. Wo sie gegen das Netzt prallten, wurden sie wie weiche Butter in Einzelteile zerschnitten. Die Spinnen auf dem Boden und über ihm an der Decke, die sich immer wieder auf ihn fallen ließen, waren in seiner Kampfeswut keine Herausforderung für Kurogane. Eine nach der anderen zertrümmerte er mit den bloßen Fäusten und hielt sich mit gezielten Würfen und Tritten die Gruppe am Netz vom Leibe. Doch diese Viecher schienen doch um einiges intelligenter zu sein. Anstatt zu versuchen näher zu kommen, um ihn aus der Nähe anzugreifen – scheinbar waren diese Dinger nicht für den Nahkampf gemacht – hielten sie sich an den Wänden und spannten, indem sie Silberfäden zu ihren Artgenossen an der gegenüberliegenden Wand schossen, ein immer engeres silbernes Netz um ihn, in dem er sich immer schlechter bewegen konnte. Sobald er an eine dieser hauchdünnen, doch stahlelastischen Fäden kam, schnitten sie tief in die Haut und er musste sich immer mehr darauf konzentrierten, sich so zu bewegen, dass er ungefährdet den engen Spielraum ausnutzen konnte. Einen Moment war er unaufmerksam und eine Spinne schaffte es sich von oben an einem Faden auf sein Schulter nieder zu lassen. Sofort schlug er sie weg, bevor sie mit ihren messerscharfen Beinchen nach seiner Kehle schnellen konnte, doch das schien nicht die Absicht der Maschine gewesen zu sein. Sie brach ihre Attacke ab, wich seinen Schlag mit einer plumper Eleganz aus, indem es sich einfach steil von seiner Schulter fallen ließ, und schoss dabei einen Faden zur Wand ab, den einen ihrer Artgenossen aufnahm und weiter schoss. Im letzten Moment begriff Kurogane seinen Fehler, doch da war es schon fast zu spät. Ein weißer Faden hatte sich locker und federleicht um seinen Hals geschlungen und nur das windhelle Schneiden der Luft ließ ihn rechtzeitig reagieren. Blitzschnell brachte er beide Arme nach oben an seine Kehle, rechts und links und hielt die Luft an. Es war eine Millisekunde, doch er spürte jeden Millimeter Haut, der durch den Faden durchtrennt wurde, bis er zirrend zum Stillstand kam. Im letzten Moment hatte er sich daran erinnert, was Shaoaln über die Beschaffenheit der Schutzanzüge gesagt hatte. Sie waren nicht nur Tarnung, sondern auch Schutz gegen Angriffe. Als er nach den Fäden gegriffen hatte, war diese eine passive Berührung gewesen, doch das aufschnellen der Fäden bei völligem Stillstand des Körpers waren eindeutig ein aktiver Angriff und wurden deswegen aufgehalten. Deswegen hatte Fye sich also nicht bewegt, um zumindest die Schutzfunktion des Anzuges auszunutzen, nur waren Kehle und Gesicht, wie auch Fyes Hände entblößt gewesen. Der Faden waren um Kuroganes zwei erhobene Unterarme geschlungen, ließen dazwischen einen Raum, der gerade ausreichend für seinen Hals war. Etwas schnitt das Metall ins Fleisch, aber das wichtigste, Halsschlagader, Luftröhre und Nackensehne, waren unversehrt geblieben. Kurogane riss an den Faden, der nur von den Spinnentieren gehalten wurde, zog sie an sich heran und zerschmetterte sie erst einmal. Doch viel Zeit sich auszuruhen hatte er dennoch nicht, es gab noch genug von diesen Mistviechern. Völlig in einen Rhythmus aus schneidender Luft und zerschmetternden Spinnenkörpern eingebunden, konnte der Ninja unmöglich sagen, wann das rote Licht sich wieder zu einem blau-türkisen gewandelt hatte und keine erneuten Maschinen mehr nachkamen. Bald zuckte das letzte Tier am Boden und schwer atmend wand sich der Krieger dem Netzt zu. Fyes Gesicht war Blut überströmt, die Haare hingen ihm wild und rot verklebt ins Gesicht, doch der restliche Körper, den der Schutzanzug geschützt hatte, schien unversehrt. Das gespannte Netzt versagte dem Magier immer noch jegliche Bewegungsfreiheit, aber in der aufgetretenen Stille - nur das Rauschen, das ewig präsente Rauschen – konnte er ein erleichtertes Aufatmen von dem anderen vernehmen. Kurogane gab sein japanisches Fluchen dazu und Fye musste leise lachen. „Von wegen einfacher Job, was soll die Scheiße?“ „Vielleicht hat jemand mit uns gerechnet“, kam leise geflüstert, mit einem gluckernden Unterton, wie mit einem gleichzeitigen Lachen unterlegt, zu dem Ninja zurück. Ein flackern ging durch den Raum und das Türkis-blau hatte graduell seinen ursprünglichen hellen Ton wieder angenommen. Die Fäden wurden schlaff und fielen schwer wie nasses Papier zu Boden. Der Magier taumelte einen Schritt nach vorne, brachte zittrig seine Hand zu seinem Gesicht und presste sie auf die Masse roten Haares, fuhr herunter über seine Stirn, vorsichtig tastend und legte sich dann auf sein linkes, verdecktes Auge – bevor er zusammen brach. Augenblicklich war Kurogane bei ihm, richtete die von heftigen Beben durchzuckte Gestalt wieder etwas auf und zwang Fyes Hand von seinem Gesicht. Zuerst musste er die blutnassen Haare aus dem Gesicht wischen, doch dann sah er die Wunde. Aus dem geschlossenen Auge floss in dickflüssigen Strömen hellrotes Blut, vermischte sich mit dem dunkleren einer Schnittwunde, die quer darüber ging. Schnell aber gründlich überprüfte er die restlichen Verletzungen an Hals und Händen. Das waren Schnittwunden, in Japan kämpfte man größtenteils mit Schwertern oder ähnlichen Schneidewaffen, so hatte er schon viele solcher Wunden gesehen und konnte sie einschätzen. Keine war bedenklich, bis auf die am Auge. Doch er wusste, dass sie nicht viel Zeit hatten. Geschwind riss er Fetzen vom Ärmel seines Anzuges endgültig ab und drückte ihn Fye in die Hand. „Press das drauf, bis wir draußen sind. Ich weiß nicht warum keine weiteren Mistviecher kommen, aber ich werde sicher nicht auf sie warten." Benommen nickte der Magier und hatte mittlerweile auch genug Kraft gefunden, um aufzustehen. Doch als Kurogane – den Magier stützend – auf die Tür zugehen wollte, zog der Magier ihn in die entgegen gesetzte Richtung. „Die Informationen... wäre doch ne Schande, wenn wir das hier noch mal machen müssten...“ Mit zitternder Hand tippte der Blonde auf der Tastatur herum. Kurogane fixierte die Wände, erwartete jeden Moment ein weiteres Loch im in der Realität, das Feinde ausspuckte. Aber es geschah nichts. Auch nichts als Fye Kuroganes Arm packte und das Implantat unter seiner Haut, das wie durch ein Wunder trotz der ganzen Schnitte und Wunden unversehrt geblieben war, über ein Silber glänzendes Feld hielt. Auch nicht, als sie sich auf den langen Rückweg machten. Humpelnd und endlich am Lüftungsschacht angekommen, fast am Ende ihrer Kräfte. Der Magier hatte auf dem Weg mehrmals fast sein Bewusstsein verloren und langsam begann sich in Kurogane Panik zu regen. Der Magier war zäh, aber die Wunde möglicherweise lebensgefährlich. Ihm war schwindelig vom Blutverlust und er war erleichtert, sich etwas an die Wand lehnen zu können, während der Magier den Schacht öffnen würde. Doch der Magier blieb einfach nur in leicht gekrümmter Haltung mit einer Hand immer noch auf sein Gesicht gepresst vor der Wand stehen und starrte mit seinem gesunden Auge darauf. „Was ist?“, fragte der Ninja, halb ärgerlich, halb besorgt. War der Magier schon so weg, dass er das, was er angeblich fast im Schlaf schaffte, nicht mehr ausführen konnte? "Warum machst du nicht auf?" Langsam wand sich der rot-blonde Kopf zu dem Krieger. „Wie denn...? Das Gerät...“ Es lag in zig Einzelteile zerlegt auf dem Boden des Kampfplatzes. Einen kurzen Augenblick überlegte der Japaner, ob sie den weiten Weg zurück gehen sollten, um zu versuchen es zu reparieren. Doch weder er mit dem Magier, noch er selbst allein würden das in ihrem Zustand noch schaffen. Unendlich erschöpft und am ganzen Körper schmerzend schloss der Ninja einen Moment seine Augen, um nachzudenken. Das hier war genau so wie eine Festung. Wenn man nicht auf dem selben Weg raus wie rein kam, musste man sich einen anderen suchen. Und wenn die Gegner zahlenmäßig überlegen waren, musste man sich unauffällig herausschmuggeln. „Wann ist die nächste Lieferung der Kisten, die in dieser Halle da stehen... die bleiben doch nicht ewig hier... hier ist doch nichts... die müssen doch noch irgendwo hin...“ Der Magier hatte sich neben ihn niedergelassen und reagierte erst überhaupt nicht. Besorgt öffneten sich rote Augen und wandten sich ihm zu. „Fye.... ?“, benutzte er wieder wie selbstverständlich seinen Namen. „Ich glaube... jeden Abend... die Kiste... mit dem Identifikationsmodifikator...“, Kurogane sah einen Moment kritisch drein. Wahrscheinlich das rote Fläschchen, er wollte den Mann, der am Ende seiner Kräfte schien nicht unterbrechen. „Diesen Abend... damit nicht auffällt... dass da was Fremdes drin war...“ Sie waren mittags los, hatten hier drin gut vier Stunden verbracht. Ihre Verletzungen sollten so schnell wie möglich versorgt werden, doch sie hatten keine andere Wahl. Noch einmal all seine Kräfte zusammen nehmend, stand er auf, nahm den bereits Besinnungslosen auf die Arme und klettert den Weg zurück zu dieser Kiste, in der sie das rote Röhrchen gefunden hatten, stemmte sie auf und legte den Magier auf ein weiches Bett weißer Styroporstücken. Er hatte tagelange Schlachten hinter sich, viel schlimmere Verletzungen erlitten und dennoch fühlte er sich doppelt so erschöpft, wie er sich bei solchen Verletzungen und Anstrengungen fühlen sollte. Sein Puls ging immer noch schnell und etwas gummiartiges lungerte in seinen Knochen. Ausdruckslos betrachtete er das vom Blut orange-rötlich gefärbte Gesicht des Magiers und begriff dann, was es war: Er machte sich Sorgen. Der Schreck war ihm durch alle Knochen gefahren als der Magier drohte von dieser Mörderfalle getötet zu werden. Mit einem Schlag war all seine Selbstbeherrschung verschwunden gewesen und er war einfach nur noch einer rasenden Wut nachgegangen. Sonst war dieser Hass auf seine Gegner nur ein Antrieb, ein Kraftmobilisation, die von dem Genuss, den er am Kämpfen hatte, überschattet wurde. Oder von Unmut, der Suche nach Herausforderung, stolzer Pflichterfüllung. Aber nie von Angst, jemanden zu verlieren. Er war immer selbstsicher genug gewesen, um zu wissen Tomoyo jederzeit beschützen zu können, schließlich war er der Stärkste Japans, der erste Ninja der Prinzessin und im Recht. Die anderen waren Angreifer, wussten was sie erwartete und hatten deswegen verdient, was immer er mit ihnen anstellte. Was meist die Überbringung des Todes war. Doch diesmal hatte er wirklich gefürchtet, es nicht zu schaffen. Und es war noch nicht vorbei. Er kletterte ebenfalls in die Kiste, zog den schweren Deckel über sich und schloss in der absoluten Dunkelheit hier drin die Augen. Selbst das Rauschen – das ewig präsente Rauschen – war hier drin ausgeblendet. Nur Atem. Er griff nach dem Handgelenk des Blonden, um seinen Puls zu fühlen. Ein Hauch von warmen Atem strich ihm immer wieder gegen seinen Hals, den er mittlerweile verbunden hatte, wie auch das Auge des Magiers. Es strich über seine Haut, das Gelenk in seiner Hand war schmal, zerbrechlich und warm. Genau so wie vor nur einer Nacht auf diesem Hochhaus. ~~ Kapitel 14 Ende ~~~~ 15. Kapitel - (The sound of nothing) ------------------------------------ Die Schnitte an seinen Armen und Händen pulsierten mit jedem seiner Herzschläge. Kurogane konnte nicht sagen, wann er die Schwärze nur ansah, oder wann er das Bewusstsein verlor und in ihr war. Es blieb stetig gleich. Der flache, ruhiger gewordenen Atemrhythmus neben ihm war das einzig hörbare nebst seinem eigenen Atem. Der Rhythmus unter seiner Hand, mit der er das Handgelenk des Blonden fest umschlossen hatte, pulsierte durch ihrer beider Körper, als hätten sie sich einander angepasst. Der eine, kräftigere und festere, Puls löste den anderen aus. Wie Wind, der über die graue Oberfläche des Meeres fuhr und die glatt daliegende, Harmlosigkeit vortäuschende Meerweite in ein Sturmgewässer verwandelte. Durch den Sturm wurden sie eins; der Wind trieb die Wellen unermüdlich an und an; rastlos. Auch wenn die Wellen in einander stürzten, den Boden an flacheren Stellen gewalttätig aufbrachen – bis an den Grund... bis an den Grund... - der Wind trieb sie an. Hetzte den Puls, hielt ihm am Leben, unregelmäßig, doch konstant und kraftvoll. Ihr Puls schlug fast synchron. Auf einen Herzschlag Kuroganes folgte einer des Magiers, als würde sie das selbe Blut in dem selben Körper verbinden statt die ungenügende Berührung von Haut auf Haut. Puls an Puls. Er hoffte ihn antreiben zu können, diesen Puls. Der irrationale, aber völlig dominante Gedanke, dass er einfach nur loslassen musste und der verfluchte Puls des Magiers erstarb, beherrschte seinen nebeligen, fiebrigen Schädel. Verflucht, deswegen hatte er keine Verantwortung übernehmen wollen, wenn er nicht absolut sicher war es zu schaffen. Angst lähmte. Hilflosigkeit lähmte. Er träumte. Träumte von einem Meer, einem Fluss. Sonnenstrahlen brachen sich im Stromwasser. Er sah von unten einen Speer in das blaue Nass schießen, er stach in einen Fisch. Er schmeckte bereits den salzigen Geschmack des zarten Fleisches auf seiner Zunge. Kinderzeit. Er träumte davon, das wusste er. Es war nicht das erste Mal. In dieser Zeit umgab alles eine Illusion untrüglicher Ruhe. Stillstand der Zeit, Sicherheit. Alles war klar zu diesem Zeitpunkt, sogar die Konturen der Blätter und die langgezogenen Wolken am Himmel. Seine Zukunft: Er würde seinem Vater nachfolgen, ein angesehener, willensstarker Krieger, fähig alle zu beschützen. Seine Mutter, den grau gewordenen Herrn, die Gefolgschaft und das ganze Dorf. Er würde groß und stark werden, er musste, und er konnte. Wenn er nur hart, härter als hart, trainierte und sich anstrengte so viel wie möglich zu lernen, dann konnte er all das bewahren, so wie es jetzt war. Ihr Anwesen – große Gebäude mit tiefen, roten Dächern, der große Garten, knarzende Hölzer unter seinen nackten Füßen, der Geruch von Pfirsichblüten im Frühling – lag mitten im Herzen des Suwagebietes, das sein Vater verwaltete und beschützte, nahe eines Fischerdorfes. Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Es hätte ewig so bleiben können. Natürlich hatte er die Welt sehen wollen, aber die Welt endete hinter den Grenzen des Suwagebietes. Das war alles, was er beschützen wollte. Das hatte er tatsächlich geglaubt. Nie hätte er geglaubt einmal Dimensionen entfernt von diesem Ort zu träumen, an dem er seit dem Tod seiner Eltern nicht mehr gewesen war. Nach dieser Zeit, nach seinem ersten Mord und nach seiner ersten Raserei (die bei weitem nicht letzte sein sollte, nur nie wieder so stark) folgte nur noch Bitterkeit, Wut und Blut. Etwas betäubte seine Sinne, wie ein unbewusstes, jahrelang anhaltendes Delirium. Er hatte seine Ziele, sie gingen niemanden etwas an, weil sie in Wirklichkeit wohl erbärmlich waren. Nur stärker, höher, intensiver, seine Stärke und der Blutrausch. Das war alles, was er wollte und das war alles, was in seiner Macht lag. Er liebte diese Herausforderung, die Kampfeswut... Ein richtiger Gegner, der alles von ihm forderte. „Fühlst du dich dadurch lebendig ?“ die Stimme klang wie durch dicke Papierwände gesprochen in seinem Bewusstsein wieder und er war davon überzeugt, dass die Stimme aus seinen Traum kam. Eine Stimme, die seinem dahinfließenden Gedankenstrom antwortete. Doch der Sturm war heftiger geworden, die Wellen besaßen ein Eigenleben... Das Rauschen war so laut, dass sein Trommelfell zu platzen drohte. Er bekam keine Luft, er sog die stickige, feuchte Luft ein, doch sie erreichte nicht seine Lungen. „Du bist so versessen darauf zu verstehen, Kurogane. Ich glaube nicht, dass das gut ist. Denn wenn du nicht verstehen kannst, dann willst du verurteilen, nicht wahr ?“ „Was redest du da für einen Scheiß? Ruh dich lieber aus“, grummelte er zurück und endlich bekam er wieder Luft in seine Lungen. Wahrscheinlich fantasierte der Blonde. Bei so einer Verwundung war es kein Wunder, dass er Fieber bekam. Schon wieder... es war noch gar nicht lange her, dass er den fiebernassen Mann im Arm gehalten hatte und nun war die Hand in seiner schon wieder kalt und feucht. Die Brust an seiner hob und senkte sich, der warme Atem strich aber und abermals über sein Gesicht. „Ich sehe deine Träume, Kurogane“, Fye ließ sich nicht beirren. Die lang ersehnte korrekte Aussprache seines Namens fiel ihm erst jetzt auf. „Nicht weil ich sie sehen will, sondern einfach weil du so laut träumst... sie mir aufzwingst, so wie du mir alles aufzwingst.“ Langsam drehte der Ninja seinen Kopf zu dem fiebernden Mann. „Halt die Klappe, hab ich gesagt. Du musst dich ausruhen.“ Er wollte gar nichts hören. Er wollte zwar stets die Wahrheit aus dem Anderen heraus zwingen und er war durchaus schon bereit gewesen dazu nicht ganz faire Methoden zu benutzen, aber der aggressive, schwere Ton, der gleichzeitig von so viel Trauer durchsetzt war, ließ ihn stocken und er provozierte nicht weiter. „Du willst, dass es auch andere wissen. Sie kennen... deine Lebensphilosophie. Sie sollen sehen wie grausam und hart die Welt ist, sie sollen es wissen und aufhören sich anzulügen. Sich immer wieder in Lügen verstricken und sich Hoffnungen machen, die von der Zukunft zerstört werden. Durch ihren stinkenden Haufen Lügen leiden sie und ... tun es nicht einmal ehrenwert, sondern erbärmlich und schwach. Und Schwäche ist es, was du hasst. Ist es das? Was du denkst, fühlst, glaubst?“ Irgendetwas stimmte hier nicht. Doch der Magier ließ sich durch sein Schweigen nicht irritierten. „Und weil sie es nicht kapieren, forderst du sie heraus, du forderst alles heraus. Vor allem mich. Weswegen? Willst du jemanden finden, der stärker ist, deine Lebenssicht zerstören kann? Du willst gar nicht an so etwas glauben, nicht wahr?“ „Was zur Hölle willst du verdammt? Du-“ „Was zur Hölle willst du ?“, so sanft und ruhig war Fyes Stimmlange, dass ihm beinahe schauderte, und so wissend. Er hatte keinen Schimmer woher der andere es wusste, er wusste es selbst nicht einmal so klar, aber jedes Wort traf. Hatte der Magier ihn genau so durchschaut, wie er es immer bei ihm versuchte? Oder mehr? Hatte sich das Spiel schon wieder umgekehrt? Fühlte der Magier auch so, wenn er in ihm rumstocherte? Dachte etwas gefunden zu haben und hörte einfach nicht auf, so wie Fye nicht aufhörte zu reden? Oder war es nur wieder verbergendes Schweigen unter einem Haufen Worte ? „Ich will, dass du still bist und deine Kräfte sparst. Ich schwöre dir, ich bring dich um, wenn du wagst hier zu krepieren!“ Fast augenblicklich wurde Kurogane die Schwachsinnigkeit dieser Aussage bewusst und er ärgerte sich. Fyes Körper war noch kälter geworden. Das Handgelenk in seinem Griff bebte leicht und durch das Rascheln der Styroporstücke wusste er, dass Fyes Finger immer wieder unruhig in den Kunststoff griffen. „Ich will...“, Ein erschrockenes Aufatmen, der Körper neben ihm wurde noch unruhiger und ein leises Wimmern klang an seine Ohren, doch der einzige Durchbruch der kurzen Stille verklang wieder in ihr, „Ich will dass du gehst.“, nur um kurz darauf sicher und hart wieder aus dem Schwarz aufzutauchen. „Es ist sinnlos mit mir, siehst du das nicht ? Wenn du in mich verliebt bist, schlag dich mir aus dem Kopf. Gibt es nicht irgendein Mädchen oder einen Mann den du magst? In Japan vielleicht ? Tomoyo-chan ? Ein Blinder sieht, dass du in sie verschossen bist, egal in welcher Dimension wir ihr begegnen.“ „To-tomoyo?!", der Gedanke kam ihm absurd vor. Sie war seine Prinzessin, sein Sinn, er liebte sie natürlich, doch nicht wie der verdammte Magier ihm unterstelte. Versuchend sich nicht provozieren zu lassen, antworterte er versucht ruhig. "Du bist derjenige, der immer an mir klebt und solch idiotische Sachen sagt. Du hast die ganze Zeit gesagt ich soll dir Zeit geben und dir vertrauen, du hast mich als erster geküsst und ich kann mich nicht erinnern mich dir aufgezwungen zu haben... auf dem Dach. Ich habe eher den Eindruck, dass du dich hier gegen etwas nicht wehren kannst, was du heimlich willst und dich deswegen so verhältst.“ „Du bist so ein Idiot, Kurogane. Kannst du nichts Spiel von Ernst unterscheiden?“ Ein krampfartiger Ruck ging durch den anderen Körper und besorgt, wenn auch noch verärgert, überlegte der Krieger, ob er ihn mit einem gezielten Schlag gegen seinen Hals die benötigte Ruhe aufzwingen sollte. „Ich bin ein Lügner... und ein Mörder. Du magst mich jetzt lieben, aber nicht mehr, wenn du alles weißt.“ Stille. Atem. Und Rauschen. Das Rauschen war wieder da. Es rauschte in seinen Ohren, es rauschte in seinem Kopf. Das Blut unter seinen Fingern rauschte und die Wellen in seinen Fiebertraum rauschten. Doch er fühlte sich mehr wie der Ertrinkende im Meer, als der Wind. Das konnte doch nicht wahr sein, die ganze Zeit dachte er, er hätte die Kontrolle und nichts könnte ihn berühren. Doch er hatte sich selbst angelogen, so als hätten die Lügen von dem Blonden abgefärbt. Er wurde rasend wütend, war ständig besorgt, er hatte echte Angst um jemanden empfunden, die ihn sogar schwächte und er verlor stets jegliche Kontrolle über die Situation. Er wusste, dass er diese fiebrigen Worte nicht erst nehmen konnte, sie bohrten sich dennoch in seine Brust, wie ein unerbittlich geführtes Schwert. „Willst du noch einmal so hilflos sein wie in deiner Kinderzeit? Es noch einmal mit Monstern aufnehmen?“ Fye kannte seine Vergangenheit? Kannte ihn? Und nun spielte er es gnadenlos aus. „Deine Mutter... sie war wirklich schön... du hast sie sehr geliebt, nicht wahr? Wer sie wohl umgebracht hat? Hast du es je herausgefunden? Was würdest du mit demjenigen tun?“ „Ich würde ihm umbringen“, erwiderte er leise, unfähig sich nicht mehr auf dieses Spielchen einzulassen. „Und wenn ich es gewesen wäre?“ „Du warst es nicht" „Und wenn doch?“ „Du warst es nicht.“ „Was macht dich da so sicher?“ „Deine Hände, sie sind zu schmal und heller als seine. Warum tust du das gerade? Warum provozierst du mich so?“ „Ich will dass du mich hasst.“ „Warum?“ „Weil das die einzige Möglichkeit ist, dich los zu werden... Kurogane... ich sterbe, wenn du nicht gehst.“ „Was redest du da für eine absolute Scheiße?!“ Die Augen aufreißend, begriff er. Dass er eingeschlafen war, dass er geträumt haben musste, Fye wach sein musste, denn der Puls unter seinem Griff ging stärker, sein Atem war nicht mehr der eines Schlafenden. Das ewig präsente Rauschen der Wellen in seinem Traum war ihr Atem gewesen. Denn in dieser Kiste hörte man nichts. Totenstille umgab sie. Sie schienen das einzig Lebendige im Umkreis von Meilen. Er wusste jedoch, dass dies nicht sein konnte. Die Stadt war ganz nah, vielleicht ein paar Kilometer Industriegelände entfernt. Aber wie auch in dem Gang schaffte dieses Gebäude seine trainierten Sinne abermals fast zu täuschen und nur sein Verstand sagte ihm, dass es sich um einen Trick – vermutlich Magie – handeln musste. Dieses Gefühl musste Magie sein, dieses Gefühl als würden Fye und er das einzige Lebendige in einer völlig dunklen Dimension sein. „Kuro-pon ?“ Fyes Stimme war leise, leicht belegt, „bist du schwer verletzt...?“ „Nein, nur ein paar Kratzer. Was ist mit dir?“ „Ich habe mir es immer schmerzvoller vorgestellt ein Auge zu verlieren.“ „Immer...?“ Kurogane lachte etwas ironisch auf. Das Styropor knirschte wie Unterholz, als er den Kopf zu Seite drehte. „Hört sich ja fast so an, als hättest du öfter drüber nachgedacht.“ Die Frage war nicht ernst gemeint, aber dennoch antwortete der Magier ihm ernst. „Kann ich nicht sagen... fühlt sich nur so an, als hätte ich es mir schon ein paar mal vorgestellt....“ „Hast du eigentlich mit mir geredet, bevor du mich gefragt hast, wie es mir geht ?“ „Ja. Mit dem Kind in dir.“ Augenblicklich wurde Kurogane vor Verlegenheit rot. Dieser verfluchte Magier hatte nichts anderes zu tun, als in seinem Kopf rum zu wühlen und mit Teilen von ihm zu sprechen, die er am liebsten verdrängen würde?! „Was soll das ?“, fragte er schroff, die Stimme eisig vor unterdrückter Wut. Doch entweder ließ sich der Magier davon nicht beeindrucken, oder er stand vor Erschöpfung schon wieder an der Grenze der Ohnmacht. „Ich habe es nicht absichtlich gemacht... nur mitgeträumt. Es war so laut... ich konnte nicht anders...“ „Für so n Scheiß hast du Magie?“ Der Magier antwortete nicht. „Willst du sie immer noch nicht anwenden, um dich zu heilen? Du stirbst wahrscheinlich, wenn du es nicht tust. Ich habe schon viele solcher Wunden gesehen.“ Immer noch keine Antwort. Doch der Puls unter seiner Hand war immer noch unregelmäßig, das hieß der Blonde war immer noch bei Bewusstsein. Zögerlich versuchte Fye seine Hand aus Kuroganes Griff zu befreien, doch der Krieger verstärkte seinen Griff nur noch. Zu wütend über diesen Starrsinn und zu erschrocken, misstrauisch, ob sein Traum nicht doch wahr werden würde. Dass der Blonde starb, sich schon wieder aus dem Staub machte, wenn er auch nur noch einmal loslassen würde. Das schmale Gelenk knackte und er spürte den fremden Puls plötzlich rasen. „Kommt dir dieser schlafende König hinterher, wenn du es tust?“, bohrte er weiter. „Willst du so dringend sterben? Hast du einmal an uns gedacht? Dass du uns wichtig sein könntest? Hast du auch mal an dich selbst gedacht, wie erbärmlich es ist, sich auf diese Art und Weise davonzumachen? Du rennst doch bloß davon. Kannst niemanden vertrauen, aber klammerst dennoch an ihnen, umgarnst sie, bringst jeden dazu dich zu mögen, nur um nicht allein zu sein. Dennoch stößt du jeden von dir weg, der etwas sehen könnte, dass du an dir nicht magst. Heile dich endlich! Fye! Ich lasse es nicht zu, dass du mich dazu bringst mir Sorgen zu machen, nur um dich dann davon zu machen!“ Trotz Schmerzen richtete er sich auf und beugte sich über den verwundeten Körper im der absoluten Dunkelheit. „Ich lass nicht zu, dass du dich umbringst! Mit diesem König nehm' ich's auf, und wenn ich's nicht schaffe kannst du immer noch sterben!“ Die Wut brannte so heiß, dass er all seine Beherrschung zu verlieren begann. Er spürte den anderen Körper unter sich beben, das schmale Handgelenk in seinem harten Griff manisch pulsieren, konnte den Angstschweiß riechen und auch das Salz der Tränen. „Tu es verdammt noch mal!“, verlangte Kurogane. Doch immer noch nichts. „Heile dich, oder ich schlag dich windelweich bevor du stirbst!“ „Und was ist jetzt hiermit...?“, Fyes Stimme klang unglaublich leer, „macht dich das nicht auch lebendig? Wut... Raserei... Selbsttäuschung und Angst.... das ist doch alles, was dich ausmacht. Du bist nicht viel anders als ich... und du bist genau so verlogen... Du hast gesagt du wartest... wartest bis ich dir alles erklären kann... ich hab dir versprochen, dass ich's tu.... du hast gesagt, du glaubst mir... du... du bist hier der Feigling...“ Jedes einzelne Wort war wahr. Kurogane wollte es nicht hören und dennoch wusste er, dass es stimmte. Doch es war ihm im Moment egal. Er holte aus und schlug zu, bevor er den Drang aufhalten konnte, doch er traf den Magier nicht, seine Faust donnerte in das künstliche Material und wühlte es auf, verteilte ein paar Stücke auf ihnen. Fye hatte nicht einmal gezuckt, geschweige denn versucht auszuweichen und trotz jeglicher Abwesenheit von Licht spüre er ein vereinzeltes, blaues, blindes Auge zu ihm herauf starren. Hart biss er sich auf die Lippen, beruhigt von dem metallenen Geschmack auf seinen Lippen. Dieser Mann ließ ihn aber auch ständig die Beherrschung verlieren! „Es bringt überhaupt nichts zu warten, wenn du stirbst...“, war die einzige, lahme Antwort, die er noch herausbringen konnte, die gerade in seinem Kopf existierte. Ihm war kalt, er schwitzte... Fieber... das musste es sein. Fieber und dieser verdammt verfluchte, ihn rasend und wahnsinnig machende Magier. Fye atmete unter ihm tief durch, er spürte den Körper unter ihm warm und lebendig. Seltsam vertraut. "Ich will ja... will dass der Schmerz aufhört.. doch ich weiß nicht ...wie. Ich weiß... überhaupt nichts... überhaupt... nichts..." Die weiche Stimme war immer leiser geworden, bis sie nur noch eine Ahnung über der Grenze des Hörbaren lag und dann völlig verklang. Panik kroch in dem Ninja für einen Augenblick hoch, nicht mehr als ein Herzschlag. Doch dann spürte er den festen Puls, konstant. Der Idiot war einfach nur bewusstlos geworden. Was sollte das heißen, er wusste nicht wie....? Unendlich erschöpft legte er sich wieder neben den Bewusstlosen, die Gewissheit, dass er nicht mit einer Leiche hier drin lag, pulsierte immer noch überdeutlich in seinem Griff. Warmer Atem strich immer wieder über seine Wange. So wie es gewesen war als die nackt beieinander unter den Monden geschlafen hatten, dicht aneinander gedrängt, geschützt, warm, erschöpft. Vorsichtig schob er seine Hand höher, Fyes seltsam kalten Oberarm hinauf. Konzentrierte sich nur auf die schwache Körperwärme und akzeptierte den seltsam klaren Gedanken, der schon länger in seinem Kopf herum schwirrte, den er aber mit aller Gewalt nie hatte wahrnehmen wollen: Er verlor seine Kontrolle. Er hatte plötzlich wieder Angst um jemanden, hielt sich nicht aus den Angelegenheiten anderer Leute heraus und nahm auf einmal wieder die Bedrohung des Todes mit etwas anderem als Verachtung, mehr als das Schicksal der Schwachen, auf... dieser Idiot war ihm wichtig geworden. Viel zu wichtig. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Stille. Kurogane konnte nicht sagen, ob der Magier bewusstlos war, oder nur still. Er fühlte den Puls unter seinem Griff. Das genügte. Die Schwärze ummantelte sie wie ein nasses Stück Stoff und ihre Atemwellen klangen wie Donnergrollen in der von jedem anderen Geräusch baren Transportkiste. Ihr Atem flach – seiner aus einem stets kontrollierenden, Kräfte einteilenden Ninjareflex heraus, der des Magiers unregelmäßiger – und nur geringfügig synchronisiert. Diese Unregelmäßigkeit ließ ihn trotz seiner Erschöpfung nicht in die Bewusstlosigkeit abdriften. Blut – synchron gezwungen. Atem – nicht zu formen. Etwas hatte er in der Hand, das andere entwich. Stets. In irgendeinem Fiebertraum beugte er über dem Blonden und zwang ihm seinen Atem auf. Tief atmete er die Dunkelheit ein, presste seinen Mund auf die kalten, weichen Lippen und zwang dann das warme, feuchte Gas aus seinen Lungen tief in den anderen Körper. Er heilt die Luft an und nur eins- zwei -Herzschlag – Momente, bis feucht, warm, ihr gemeinsamer Atem aus dem Mund des Mannes unter ihm gegen sein Gesicht strich und er sich beruhigt fühlte. Als er erwachte, spürte er nur noch seinen eigenen Herzschlag unter seiner Brust. Der zweite war ihm im Traum unbemerkt abhanden gekommen und in der plötzlichen Stille eine leichte Panik ärgerlich bei Seite schiebend, tastete er nach dem Körper neben sich, dessen Atem er immerhin noch deutlich spürte. Diese kurze Panik, der Schreck der ihm immer noch in den Knochen saß, die Verletzungen und die Alpträume von früher, gaben ihm ein Gefühl von unkontrollierbarer Unausgeglichenheit, die alles in allem erniedrigend war. Er war kein Kind mehr, er war stark, der stärkste Mann Japans, er brauchte niemanden und handelte nach seinen eigenen Prinzipien. Mit 11, vier Jahre vor seinem 15ten Geburtstag hatte er seinen Kindernamen abgelegt und sich von nun an Kurogane genannt. (1) "Schwarzer Stahl". Verbranntes Eisen. Genau so unerbittlich hart hatte er sein wollen, um nie wieder jemanden unter seiner Hand sterben lassen zu müssen. Und der Magier machte ihn schwach. Gerade jetzt, wo der Blonde ihm körperlich um so mehr unterlegen war, hier in der Dunkelheit, wo er kein einziges falsches Lächeln zu seiner Verteidigung anbringen konnte, betäubt und unkontrolliert vor Schmerz, schien er ihm immer noch zu entgleiten. Er konnte ihn nicht beschützen, er entglitt. Er dachte er könnte zumindest dafür sorgen, dass der Kerl überlebte. Doch auch das schien nun unsicher. Die Erde bebte und er war wieder das 11jährige Kind, über den Leichnam seiner geliebten Mutter gebeugt, rote Ziegel fielen vom Dach in den Garten und der dunkle, blutverschmierte Dämon starrte ihn feuerheiß und tierisch wild an, den gigantischen Mund scheinbar zu einem unendlich weiten monströsen Grinsen verzogen... Er träumte längst nicht das erste Mal von früher, längst nicht das erste mal verlor er die Kontrolle... und dennoch, gerade deswegen, weil er so stark war und früher nicht, weil - Seine immer schneller rotierenden Gedanken wurden von einer kühlen Handfläche auf seinem Gesicht wie ein Faden zerrissen und beinahe dankbar atmete er zittrig aus. „Kuro-nyan?“ Kein 'Kurogane' mehr. Ob der Blonde jetzt wieder 'normal' war oder war das nur ein Auftakt zu weiteren Psychospielchen? Hatte er das alles nur geträumt? Der Blonde versuchte seit sie hier waren nicht einmal zu verbergen, dass er sauer wegen Kuroganes abweisender Worte war und das durch die Verwundung verursachte Delirium verstärkte das sicher noch. War das der Fye, den er kannte ? Manipulativ, gnadenlos, unnachgiebig grabend und sich wie ein Raubtier, das Blut geleckt hatte, festbeißend? Nein, begriff er, als sich neben ihm die Wärme schwerfällig bewegte, über ihm hing und heiße, trockene Lippen vorsichtig seine Stirn berührten. Hier war etwas verdreht. Das war Kuroganes unerbittliches, nicht Fyes, Wesen. Die Kiste ruckelte weiter und er wünschte sich abermals ein Schwert an seine Seite. Sie wurden wohl gerade umgeladen. Es dauerte noch... sobald sie still standen würde er sich bereit zum Angriff machen. Seine Fäuste waren das einzige mit denen er sich noch verteidigen konnte, aber wenn es normale Menschen waren, waren sie keine Gegner für Kurogane. Er musste nur schnell sein, sie niederschlagen und dann mit dem Blonden verschwinden. Er musste nur schnell sein... Ein Teil von ihm frohlockte, jener der immer wieder nach Blut dürstete, den er stets unter der Maske der Gleichgültigkeit verbarg und der bei jedem kleinsten Funken in ein loderndes, brutales Feuer aus Wut ausbrechen konnte. Und nichts gut konnte dieses Feuer so gut entfachen wie die scheinheilige Idiotie des ceresianischen Magiers, diese ewige Falschheit, nichts, gar nichts, außer Feigheit, Verletzlichkeit, Lügen, Schwäche, Selbsttäuschung, Zurückgezogenheit, Schmerz, Verschlossenheit, Bitterkeit - Zärtlichkeit. Dieses Wort kam ihm ohne Zutun in den Sinn, er konnte es einfach nicht nicht denken, seit diese kühlen, langen Finger vorsichtig, aber ohne Zaghaftigkeit über sein Gesicht strichen, als wäre dieses Geste jahrelanger Vertrautheit entsprungen. „Deine Stirn ist ganz warm...“ In der Dunkelheit und Stille waren die wenigen Töne um so klarer, regelrecht kristallisiert und losgelöst von jedem übertönenden Hintergrund. Klar und rein, wie die Farbe einer Wandmalerei, an die man bis auf wenige Fingerbreiten herantrat. „Du hast Fieber....“ Fyes Stimme war nachdenklich und schweife zum Ende seiner Sätze ein wenig ab, als würde er Selbstgespräche führen. Kurogane fröstelte, trotz der stickigen Wärme in der Kiste und bestätigte damit nur die Feststellung des Magiers. „Ah.“ „Soll ich dir Märchen erzählen. Das macht man in diesem Land, wenn Kinder krank sind.“ „Das macht man auch in Japan.“ „Wirklich ? Wenn du gesund bist, musst du mir unbedingt welche erzählen.“ „....“ So typisch... „Du musst es versprechen!“, forderte die andere Stimme von dem Ninja ein wenig rau, aber definitiv quengelig und etwas Nasses tropfte auf sein Gesicht. „Versprochen?“ „Ahh.“, die Wut und Anspannung von zuvor wich und ließ ein angenehm leeres Gefühl zurück, „ich erzähl sie dir noch.“ Blind legte er seine Hand auf Fyes unverletzt Gesichtshälfte. Auf die Wunden bedacht strich er erst die blutverkrusteten Haarsträhnen aus seinem Gesicht, dann die Tränen weg. So ein Idiot, er war doch derjenige, der lebensgefährlich verletzt war. ~~~~~~~ Kapitel 15 ende~~~ (1) Im alten Japan war es üblich, dass die Jungen mit 15 ihren Kindernamen ablegen und sich einen neuen zu wählen. 16. Kapitel - (Geister) ----------------------- Kommentar: Wieder ein unlineare Erzählweise. Falls es nicht ersichtlich wird, gibt es im übernächsten Kapitel eine kleine Timeline. ____________________ Im Nachhinein war es zu einfach gewesen. Und es kam ihm dazu noch unglaublich irreal vor. Doch irgendwie waren sie von der hochüberwachten Ausladestation zurück in den 'Bambushain' gekommen. Seine Erinnerungen waren bruchstückhaft, fiebrig, fern, scheinbar Jahrzehnte alt. Doch er spürte seine Wunden noch. Mit jedem Herzschlag pochten sie dumpf mit, machten im bewusst, dass die rote Lebensflüssigkeit immer noch unnachgiebig durch seinen Körper floss. Er roch das fremde und sein eigens Blut auf seinem Körper und an seinen Kleidern. Seine Augen öffneten sich bleischwer und er sah in das grelle, weiße Licht, das durch die Fenster in den abgedunkelten Raum strömte. Es war eiskalt. Trotz der Decke und der Körperwärme direkt neben ihm. Rauschen. Draußen wütete der Schneesturm weiter, als wäre die Zeit vergessen worden. In dieser Zeitlosigkeit, scheinbar schon endlos andauernden Nacht, versuchte Kurogane die letzten 72 Stunden Revue geschehen zu lassen. Er war an einem Punkt angelangt, an dem es ihm selbst eine durchgemachte Nacht wert war, ein wenig Klarheit in seine Gedanken und Emotionen zu bekommen. Ein im Schlaf ausgestoßenes Seufzen neben ihn ließ ihm den Kopf zu dem bescheuerten Ex-Magier drehen. Tomoyos Bild tauchte auf einmal in seinem Kopf auf und ein Hauch von Heimweh zog an etwas in seiner Brust. Draußen wütete weiß und unerbittlich ein Schneesturm, schleuderte immer wieder harte Eisstücke gegen die zerkratzen Scheibe, dennoch schien niemand in dem kleinen Raum zu wachen, bis auf ihn. Sie waren den ganzen Tag durch Eis und Schnee gewandert und er fror trotz der warmen Decken und des Feuers immer noch. Die Stadt Styrax und der Bambushain wirkten so fern, als befänden sie sich in einer anderen Dimension, dabei konnte man ihre riesige, graue Schiluette sicher noch in der Ferne sehen, sobald sich der Sturm legte. Allmählich fragte er sich ob in diesem Land alles nur aus zerfallenen Gebäuden, leblosen Maschinen und Schnee bestand. Und Menschen die alle irgendwie ein Loch in der Brust hatten. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Auch vor 72 Stunden öffneten sich Kuroganes Augen nur langsam und bleischwer, als plötzlich ein dünner, greller Lichtstreifen seine Welt aus Herzschlagdunkel und Meeresrauschenstille durchbrach und rasch zu einem glühend hellen Viereck anwuchs. Das Licht einer Lampe strahlte ihm direkt ins Gesicht und geblendet davon sammelte er mit einem schnellen, tiefen Atemzug seine letzten Kraftreserven, sprang aus der Kiste und schlug zu, schlug zu, schlug blind zu, immer weiter, bis sich nichts Lebendiges mehr um ihn herum regte. Erst dann nahm er schemenhaft seine Umgebung wahr und am liebsten hätte er frustriert aufgestöhnt. Fye und er befanden sich in einer Halle, ganz ähnlich der, in der sie in diese Kiste geklettert waren, um sich so aus den Lagerhallen zu schmuggeln. Die Wände waren allesamt schwarz und in Dunkelheit gelegen. Die einzigen Lichtquelle war die Lampe von eben, die verlassen auf dem Boden neben den bewusstlosen Kerlen lag, die scheinbar hatten nachschauen wollten, was an dieser Fracht so seltsam gewesen war. Ketten aus grünem Licht, ähnlich derer, die sie in einer anderen Welt als 'Weihnachtsbeleuchtung' kennen gelernt hatte, verliefen sich an den Wänden, sich bis nach hoch oben erstreckten und sich dort irgendwo in der Dunkelheit verloren. Eiseskälte umgab ihn. Von oben her wehte ein unangenehmer, trockener Hauch zu ihm herab, fuhr über sein schweißnasse, fiebrige Haut, die unter dem zerrissenen Schutzanzug, zwischen braun-rotem Geschmier, einer Gänsehaut ausgesetzt war und ließ seinen Atem in einer weiß-rauchigen Wolke vor seinem Gesicht sichtbar werden. Riesige Monster aus Metall – Maschinen – bewegten sich lautlos um ihn herum, über ihm und auch unter ihm. Kurogane spürte es unter seinen Füßen vibrieren. Sie arbeiteten unbeeindruckt von ihrer außerplanmäßigen Anwesenheit, doch totenstill. Riesige Eisenarme öffneten Kisten und entluden ihren Inhalt. Sie wirkten wie ein Traum. Totengeister, nur halb in dieser Welt, halb im Jenseits. Da, für die Zeitspanne eines Fiebertraums, aber im nächsten Augenblick für die Sterblichen schon wieder unsichtbar. Es gab in seinem Land hunderte von Schutzamuletten und Beschwichtigungsrituale für solche Geister, doch es gab für übernatürliche Wesen kein absolut wirkendes Schutzmittel. Der Krieger verachtete sonst all so etwas, dennoch konnte er nicht umher, als daran zu glauben und eine heimliche tiefe Ehrfurcht davor zu empfinden. Schließlich war seine Mutter eine mächtige Miko gewesen und er hatte nur zu schmerzhaft erfahren, dass solche übernatürliche Wesen und Dämonen dem Menschen durchaus Schaden zufügen konnten. Nicht nur an dem Tag, an dem das ganze Gebiet, das seine Eltern beschützt hatten, von Dämonen vom Erdboden ausgelöscht wurde, auch in seiner Dienstzeit bei Prinzessin Tomoyo hatte es immer wieder Zwischenfälle mit übernatürlichen Wesen gegeben. Gerade kamen ihn diese Maschinen genau so übermächtig vor wie Götter den Sterblichen. Ein plötzliches Gefühl von Ausgelaugtheit, nur einen Schritt von Resignation entfernt, überkam ihm, als er sie beobachtete. Ihre unzähligen Arme, ihre stille, grobe Ignoranz, ihr Rauschen, ihre Kälte. Sie waren anders als die Dämonen, Dämonen waren getrieben von Gier und Hunger und Lust, diese Maschinen hier waren tot. Alles an dieser Welt schien ihn gerade tot. Außer der Magier, der gerade in seiner Kiste mit dem Leben rang. Er wusste nicht woher diese Gefühle kamen, aber sie zwangen sich so unaufhaltsam in seine Brust, wie das Wasser in die Lungen eines Ertrinkenden. Er konnte keinen Schritt weiter gehen. Und der Grund war nicht sein ausgelaugter Körper. Er hasste diese Maschinen, diese Welt, mit einer Inbrunst, obwohl sie ihm eigentlich egal waren. Die Anspannung, die Gewissheit dass hier irgendetwas Wichtiges vor sich ging, krampfte seine Eingeweide zusammen und zwangen ihn doch immer weiter zu gehen. Auf einmal kam ihm all das unglaublich bekannt vor. Auf einmal kam ihn dieser Ort in dem Sinn, an dem sich der Magier und er in dieser Welt wieder begegnet waren. Dieses verfallene Gebäude, das wohl früher eine Art Versammlungsstelle war, die zerbrochenen, bunten Fenster, diese skurrile, unkenntliche weiße Statue, die aussah wie eine Wachsfigur, deren Gesicht man unkenntlich gemacht hatte. Er wusste, dass das ihm mehr sagen sollte, als es ihm damals tat. Er wusste, dass mehr dahinter steckte, und er wusste, dass diese Welt auch nicht nur irgendeine auf ihrer Reise war. Das Gefühl war regelrecht übermächtig. Irgendetwas stimmte hier nicht und er er würde herausfinden, was es war. Plötzlich erwachte seine innere Kraft wieder in ihm und er atmete tief durch. Atmen. Der Zen-Garten, Stein für Stein, alles hatte seinen Platz, ein unwillkürliches System. Er schloss die Augen und analysierte, was er gerade fühlte. Ein Krieger musste stets seinen Ruhepunkt finden, auch wenn er innerlich aufgewühlt war. Diese Unruhe würde ihn nur vom Handeln abbringen, wenn gehandelt werden musste. Brachte seine Entschlossenheit ins Wanken. Er war aufgewühlt, das war es. Er konnte nicht mehr seinen Entscheidungen folgen, weil das bohrende Gefühl hatte, dass da irgendetwas war, ein Hinterhalt, eine ungesicherte Stelle, ein Kribbeln im Nacken, das ihm das Genick brechen würde. Etwas von oben segelte auf seine Schulter. Reflexartig fing er es auf und betrachtete es in seiner Hand. Ein kleines, viereckiges Styroporstück. Hinaufsehend sah er einen riesigen Container über ihnen schweben, der die wie Pulverschnee vom Himmel fallende Plastikstücke auffing. Das Rascheln der kleinen weißen Teilchen war das einzig Vernehmbare neben Kuroganes rasselnden Atem und dem ewigen, ewigen, ewigen Rauschen. Sie waren immer noch in diesem verrückten Gebäude, nur in einem anderen Teil davon, der Krieger konnte es spüren, auch wenn ihn alle anderen seiner Sinne gerade im Stich ließen. Um ihn herum lagen drei Männer, ihre Nasen blutig und die jungen Gesichter zu einer hässlichen Grimasse des Schmerzes verzogen. Kurogane ballte die Faust und entspannte sie wieder; getrocknetes Blut rieselte auf den Boden. Das helle frische Blut auf seiner Haut setzte sich deutlich von dem geronnen ab und er fühlte, dass es sich gut dort anfühlte. Kurogane drehte sich um und sah auf den bewusstlosen Magier, der wie ein weggeworfener Gegenstand in all den weißen Kunststoffstücken lag. Ihm war plötzlich sehr schwindelig. Kurz verschwamm seine Sicht und das nächste was er wahrnahm, war, dass er den Blonden auf den Armen Richtung Ausgang trug. Er hatte die schwere, schwarze Tür nicht gesehen, er wusste nicht einmal, was er da tat, doch irgendetwas zog ihn in diese Richtung und er war zu erschöpft, zu fiebrig, als dass er darüber nachdenken konnte, ja, sich fragte, wie er je über so etwas hatte nachdenken können. Draußen erwartete ihn das stumme Licht der dreckig orangen Dämmerung, es war eingerahmt von schwarzen Gebäuden, wie zu dem Moment als er in dieser Welt das erste Mal die Augen öffnete. Und ein schwarzer Transporter stand dort. Hände griffen nach ihm und es wurde wieder dunkel. Kurz danach das Vibrieren eines Motors. Noch einmal vergewisserte er sich dem regelmäßigen, sachten Pochen in seinem Griff, dann konnte er sich endlich der alles bedeckenden Schwärze übergeben. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurogane kam erst im Bambushain für eine kurze Zeit wieder zu sich. Noch bevor er die Augen öffnete, spürte er, dass er von zwei Männern gestützt wurde. Es konnte nicht viel Zeit vergangen sein, denn das Blut auf seinem Körper war immer noch leicht feucht. Storms Männer - ein paar Gesichter, die er bisher noch nicht gesehen hatte - und der Älteste standen auf dem Vorplatz des Lagers. Wenige Schritte vor ihm konnte er den plumpen Brunnen erkennen, über ihm wölbte sich die mächtige, halb eingefallene und von unzähligen Holzkonstruktionen gehaltene Decke. Vor ihm stand ein hochgewachsener Mann, den er, obwohl er ihn nur von hinten sah, am verwaschenen braunen Haar mit dem Patchwork-Band und der Ausstrahlung sofort als Storm erkannte. Der Anführer der Lagerverteidigung redete gerade energisch und scheinbar wütend auf den grünäugigen Ältesten ein, doch dieser schüttelte nur ständig bedauernd den Kopf. Es rauschte immer noch so laut in seinen Ohren, er konnte nicht hören wovon sie sprachen. Langsam hob Kurogane seine Hand und legte sie an sein rechtes Ohr. Der junge Mann, der ihn hielt, bemerkte es und rief Storm etwas zu. Das Narbengesicht drehte sich um. Kurogane hörte das erwartete dumpfe Geräusch seiner Hand nicht, als er sacht gegen seine Ohrmuschel schlug. Angestrengt atmend, drehte er den Kopf, um den Magier zu suchen. Er hatte ein ungutes Gefühl durch die angespannte Stimmung, die über dem ganzen Lager lag. "Lebt er noch?“, fragte er in die rauschende Stille hinein, ohne es selbst zu hören. Er wartete Storms Nicken nicht ab, sondern ging sofort mit wankenden Schritten auf den jungen Mann zu, der den bewusstlosen Blonden in den Armen hielt. Er hatte hinter ihm gestanden, so dass er ihn erst jetzt entdeckt hatte. Der Ninja atmete tief aus, als er in das ruhige Gesicht sah. Er benahm sich irrational und wie ein Idiot. Sie waren im Hain angekommen, sein Verhalten würde nichts mehr an dem Gesundheitszustand des Magiers ändern. Aber warum war dieser verfluchte Arzt noch nicht hier? Warum standen alle so belämmert in der Gegend herum? Etwas Schwarzes war auf dem unebenen Boden, Tropfen, Blut, über die Hand des Kerls, der den Idioten hielt, lief Blut, über das Gesicht des Magiers... Die Welt verschwamm, als würde er durch Feuer sehen. und plötzlich fand er eine Erklärung für seinen Zustand. Die Spinnen. Sie waren damals auch hier im Hain gewesen. Sie hatten leise sein müssen, damit sie nicht angriffen, wegen... Dem Gift. Gift... Kuroganes Gedanken kamen nur noch in kurzen Schüben und sein Körper wollte nachgeben. Wage spürte er, wie seine Arme wieder um die zwei Schultern gelegt wurden, die ihn stützten. Gift, deswegen fieberte er so, die Spinnen injizierten ein Gift, wenn sie angriffen... Warum standen sie dann immer noch hier rum?, dachte Kurogane wütend, doch er wusste, dass sie sich in diesem Fall nicht selber helfen konnten. Er sah Storm heftig mit dem Alten diskutieren, mit den Händen gestikulieren, als könnte er damit seinen Worten mehr Gewicht verleihen, doch der Älteste des Lagers schüttelte nur bedauernd den Kopf. Kurogane hörte immer noch kein Wort. Fast alle Bewohner auf dem Vorplatz standen angespannt und schweigend in einiger Nähe, sahen ihn und den Magier bedauernd, schuldvoll, aber auch ein wenig ängstlich an. Es kam ihm vor wie ein Nô-Spiel, überall die selben Gesichter, und irgendetwas in seinen Hinterkopf brannte, ein vor Kälte brennendes Deja-vu Gefühl. Storm ballte die Faust als wollte er den Ältesten gewaltsam packen und schütteln, die Wache hatten ihre Gewehre fest umklammert und sahen unsicher zu ihrem Anführer. Nein, nicht Storm packte den Ältesten, er... Kurogane riss sich von seinen Stützen los und ging mit langsamen, aber festen Schritten nach vorn, auch wenn sein ganzes Sichtfeld dadurch nur noch weiter verschwamm, aber hier würde er sich nicht die Blöße geben. „Was ist hier los?“, forderte er zu wissen. Der Alte sagte etwas, Kurogane versuchte seine Lippen zu lesen. Doch er verstand auch so, als der hagere, geduckte Mann vor ihm den Kopf schüttelte und mit einem mageren Finger zum Ausgang deutete. Im nächsten Moment kam nur noch ein heiseres Röcheln aus vertrockneten Lippen hervor. Kurogane konnte es nicht hören, doch er erkannte diesen panischen Gesichtsausdruck, wenn jemand keinen Luft bekam, sah das Auf- und Abspringen des Adamsapfel unter der faltigen, verwelkten Haut. Der Krieger schüttelte den Greis heftig, den er am Kragen gefasst hatte. Sofort waren alle Waffen auf ihn gerichtet. Das Licht wurde so hell, er spürte den Druck in seinem Kopf immer stärker werden. Dennoch, ohne sich zu hören, zischte er dem Alten entgegen. „Ihr seid erbärmlich... ihr seid überhaupt nicht anders... ihr seid alle... genau so kalt... und feige... wie die dort oben. “ Es tat ihm fast physisch weh, falls er das überhaupt noch von seinem eh schon schmerzenden Körper beurteilen lassen konnte. Er war ein Stück heißes Eisen, angreifbar, formbar, noch gelähmt von seiner Sorge um diesen Idioten und den unzähligen Träumen. Diese Leute waren ihm egal. Ihre Ideale, Träume, Überzeugungen, ihr ganzes scheiß Leben war ihm egal, diese Welt war ihm egal. Und wenn sie einfach „puff“ machte, sobald sie hier weg waren, er würde ihr nicht eine Träne nachweinen. Es war ihm egal, egal, so egal. Aber dem Magier nicht. Und weil er das wusste, wollte er dem Mann vor sich am liebsten ins Gesicht spucken, ihn anklagen für diesen Verrat. Verrat an etwas, an das er nicht geglaubt hatte und nie glauben würde. Dass man in Fremden eine Familie finden konnte, irgendwo zur Ruhe kam, auch wenn man mit sich selbst nicht im reinen war. Einen Ort, an dem man gerettet wurde oder an dem man zumindest schlafen konnte, aufgenommen mit all seiner Schwäche, ein Ort des Friedens. Er verstand den Magier auf einmal so gut, obwohl es ihm so unverständlich schien, wie man an so etwas glauben konnte, wie man sich einfach weigern konnte zu kämpfen. Aber er verstand. Er sah den Verrat und spürte die Enttäuschung. Und deswegen war er wütend. So unglaublich wütend. Die trüben, giftgrünen Augen des Greises sahen ihn einfach nur bedauernd an und Kurogane begriff, dass er alt war. Alt und ausgewaschen, nicht ehrwürdig und weise, einfach nur völlig leer von jeglichen Leben, von geglichen Glauben an eine Sache. Nicht mehr als eine lebendige Maschine, die nur noch ihre Pflicht erfüllte. „Zwei Tage“, flüsterte er harsch und bittend. Und hasste sich dafür. Kurogane ließ ihn zu Boden fallen, die Welt stürzte auf ihn ein und alles was er tun konnte, war die Augen zu schließen und den harten Aufprall zu erwarten. Es war ein bitterkalter Tag. Der Himmel war weiß wie Papier. Seine Füße wurden fast taub auf dem gefrorenen Holz der Terrasse. Der kleine See in ihrem Garten war zugefroren und auf den zahlreichen, sorgfältig gepflegten und zugeschnittenen Sträuchern hatte sich eine weiße Eisschicht gebildet. Roter Mohn zitterte in dem leichten Wind und knickte ab, das Gras war braun und ging fast im Schneeschlamm unter. Der Junge sah zum Himmel. Alles war still. Niemand war aufgewacht. Er konnte seine eigenen Schritte nicht hören, als er durch die leeren Zimmer ging, Schiebetür für Schiebetür öffnete er behutsam, aber obwohl die Futons fein säuberlich eingerollt und in den Schrank gelegt worden waren, hinten im Haus das Frühstück bereits hergerichtet, konnte er keine Menschenseele finden. Er traute sich nicht zu schreien, zu andächtig schien die Stille. Er kam auch an den Ahnentafeln vorbei, Räucherstäbchen glimmten als einzige warme Farbe in dieser kalten Umgebung. Sein Elternhaus war völlig verlassen, die Welt schien eingeschlafen, zugedeckt von Eiseskälte. Es dämmerte bereits. Das Kind lief immer noch durch alle Flure, öffnete alle Türen, ging barfuß durch den Garten, saß am Teich und beobachtete seine Atemwolken. Plötzlich, ganz leise und unbemerkt berührte ihn etwas am Gesicht. Als er hochsah begannen die Götter weißes, kaltes Pulver vom Himmel regnen zu lassen. Als Ninja schlief er selten und wenn, dann war sein Schlaf leicht und oberflächlich. Man lernte es irgendwann dennoch ausgeruht und fit zu sein. Irgendwann hatte er sich die Wache nicht nur mit dem Magier, sondern auch mit dem Bengel geteilt. Und irgendwann war es ihm möglich gewesen sich auszuruhen, egal wer grade Wache hatte. Der Magier würde zumindest die Kinder beschützen und der Bengel wurde von Tag zu Tag stärker. Auch wenn Kurogane nicht tief schlief, konnte er dennoch seinen – durch seine Reisekameraden eh sehr strapazierten – Nerven Ruhe gönnen. Dennoch passierte es manchmal, dass er weiterschlief, obwohl alle um ihn herum schon wach waren. Auf jeden Fall würde er eine mögliche Gefahr spüren und aufwachen, wenn sich ihre Stimmen auf einmal anders anhörten, plötzlich laut oder ängstlich wurden, oder ganz verschwanden. Doch es war dem Krieger mehr als ein einziges Mal passiert, dass er die Augen öffnete und der Junge direkt neben ihm ihre Ausrüstung zusammenpackte. Oder das Mädchen mit scheuem Lächeln über ihm stand und gerade die Hand ausgestreckt hatte, um ihn vorsichtig zu wecken. Das verdammte Manju schlich sich ja eh ständig unbemerkt unter seine Klamotten. Diesen Morgen war das erste, was er sah die Prinzessin. Mit einem besorgten Lächeln stellte sie gerade große, gelbe Blumen in eine schmale weiße Vase auf einen unglaublich hässlichen grünen Klapptisch. Erleichtert atmete der Krieger aus. So tief wie sein Schlaf diesmal gewesen war, hätte sonst etwas passieren können. Auch wenn er es vor sich nicht zugegeben wollte, er hatte sich an seine Reisekameraden gewöhnt und obwohl sein größter Wunsch immer noch nach Japan zurück zu kehren war, hatte er auch beschlossen diese Kinder zu beschützen, auch wenn er sich nicht dazu verpflichtete ihr Leben um jeden Preis zu schützen. Nur so weit es eben gerade ging - auch das weiße Tier und den Idioten. Wo war dieser eigentlich? Er drehte den Kopf, sah eine wirr und asymmetrisch gekachelte Zimmerdecke, an der trüben leuchtenden Glasröhren hängen. Es roch stechend, blutig und gleichzeitig ekelig sauber. Er drehte den Kopf weiter und sah hinter Sakura den Magier in einem Bett schlafend. Da er den Kopf weggedreht hatte, konnte man nur den blonden Schopf und die Verbände ausmachen. Das Mädchen arrangierte die Blumen sorgfältig und hielt inne. Irgendwas schien sie schon wieder zu beschäftigen und jetzt wo sie dachte sie beide würden schlafen, verlieh sie ihrer Trauer Ausdruck. Er musste aufpassen, nicht, dass sie auch noch so eine Schauspielerin wie der Magier wurde. „Oi.“, machte er auf sich aufmerksam, stellte jedoch gleichzeitig verärgert fest, dass das Rauschen in seinen Ohren immer noch zu laut war, um seine eigenen Worte zu verstehen. Das braunhaarige Mädchen zuckte heftig zusammen und sah ihn erst erstaunt, dann aufgeregt an. Eilig begann sie irgendetwas zu plappern und war dann aus seinem Sichtfeld verschwunden. Kurogane richtet sich auf. Sein ganzer Körper schmerzte und sein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit einer flüssigen Manjuumatsche gefüllt. Wo war das Ding überhaupt? Und der Bengel? Irgendwo in der Nähe des Mädchens oder mal wieder auf der Suche nach der Feder? In was für einer Welt waren sie eigentlich diesmal? Plötzlich wurde er unsanft gepackt und auf die Liege zurück gedrückt, gleich darauf mit einer hellen Lampe ins Auge geleuchtet und mit harten Druck sein Puls gemessen. Dieser grobe Umgang und das Gesicht eines hämisch grinsenden Arztes im Kittel mit Nickelbrille brachte seinen Gehirn auf den neusten Stand der Dinge und er erinnerte sich: Sie waren auf der Krankenstation, im 'Bambushain', in dieser schrecklichen Welt, deren Namen er schon wieder vergessen hatte. Als Dr.Kyle endlich fertig mit der schmerzhaften Untersuchung war, tätschelte er ihm auf die Schulter und verließ ihn, ohne dass Kurogane verstanden hatte, was er ihm gesagt hatte. Das Mädchen wollte sich noch zu ihm beugen und trug einen besorgten, fragenden Gesichtsausdruck, doch Dr. Kyle kam zurück, packte seine Gehilfin am Arm und zog sie von dem Krieger fort. Endlich allein stand dieser auf und ging, noch etwas unsicher auf den Beinen, zum Bett des Magiers. Wieso waren sie hier? Er konnte sich nur noch wage an den Streit mit dem Alten erinnern. Sie waren weggeschickt worden, nun waren sie im Lazarett des Hains. Er erkannte die Schrift und das seltsame dicke Männchen mit dem Nudelteller wieder, also war es keine andere Welt und die Kinder auch nicht bei ihnen. Er ärgerte sich, dass er sich durch seine Bitte so erniedrigt hatte. Zwei Tage. Zumindest hatte es etwas gebracht. Er sollte seinen Stolz nicht über die Personen stellen, die er beschlossen hatte zu beschützen, das wäre doch der Wille seines Vaters gewesen. Aber er wollte niemand anderes als Tomoyo beschützen... er wollte... genervt schob er diesen Gedanken bei Seite, er würde sich später darüber Gedanken machen. Der Magier sah verflucht blass aus und ein dicker Verband verbarg die Hälfte seines Gesichts. Er trug einen dieser ekelhaft rauen, übergroßen Flickenpullover, die gängige Tracht hier unten, und hatte den Kopf von sein Bett weg zur Wand gedreht. Neben ihnen befanden sich noch fünf weitere Patienten auf der Station, aber Kurogane würdigte sie nur eines kurzen Blickes. Die meisten schliefen oder sahen nicht in ihre Richtung. Er streckte seine Hand aus, um den Puls zu fühlen, doch in diesem Moment öffnete der Magier sein verbleibendes Auge und sah ihn direkt an. Er hatte gar nicht geschlafen. Sein Gesicht glänzte feucht und zitternd griff er nach Kuroganes ausgestreckter Hand. Ihre Hände waren beide vollständig bandagiert und ein wenig blutig, die sonst so feine Motorik der schlanken Hände wirkte irgendwie ungeschickt, als der Magier dennoch sanft über Kuroganes strich. Kurogane zog kritisch die Augenbrauen zusammen. Der Magier lächelte schwach. Die blassen, schmalen Lippen bewegten sich und das einzelne blaue Auge füllte sich mit noch mehr Tränen, die scheinbar endlos unter der feuchten Wimper hervor über die Wangen und seinen Hals hinunter flossen. Kurogane reagierte nicht. Immer und immer wieder sagte der Magier irgendetwas, doch Kurogane konnte es nicht hören. Es war wie in seinem Traum. Irgendetwas war da, irgendetwas wichtiges. Doch er ging nur durch leere Gänge und fand niemanden. Er konnte einfach nur fest diesen Blick erwidern, der ihm wie nichts anderes von diesem Mann, unter die Haut ging. Sein Herz raste in seiner Brust, flüssiges Adrenalin durch seine Adern. Selbst als sie miteinander geschlafen hatten war nicht so viel Gefühl, so viel Offenheit, ja, fast Kindlichkeit in dem wasserblauen Blick des Mannes gewesen, mit dem er reiste und der scheinbar so viele Geheimnisse hatte. Ein wenig zu heftig für das Wohlergehen seiner Schnittwunden schüttelte er den Kopf und deutete mit seiner freien Hand auf seine Ohren. Endlich schien der andere Mann verstanden zu haben und sein verzweifelter Blick wandelte sich hin zur sanften Besorgnis. Der Ninja spürte ein Zupfen am Ärmel und beugte sich runter, in nächsten Moment lagen warme, bandagierte Hände auf seinen Ohren und dann stürzte der Lärm der Welt auf ihn ein. Der Krach im Hain war nach all der Stille wirklich unerträglich. Die Geräte auf der Station piepten, von draußen kam der gesamte Schwall aus Stimmengewirr, Echo, Knarzen der Stege, Getrampel auf den Gängen, Gespräche, Feuerknistern, Musik und von fern der Klang von Wasser zu ihnen heran, in seinen Gehörgang und kollidierte schmerzhaft mit seinem Gehirn. Er zischte und hielt sich erst einmal die Ohren zu, die Hände des Magiers dazwischen. Neben ihnen schnarchte ein Patient und irgendwo schimpfte die markante, grobe Stimme des Doktors. Er brauchte ein wenig, um sich auf den Lärm einzustellen und sah wieder zum Magier. Dieser setzte gerade an etwas zu sagen und Kurogane erwartete schon, wenigstens etwas angenehmes zu hören, doch was immer es war, heute sollte es der Krieger nicht zu hören bekommen. Denn der blonde Mann schloss den Mund einfach wieder und lächelte, ohne etwas gesagt zu haben. Kurogane drängte ihn nicht weiter, sondern setzte sich von plötzlicher Erschöpfung übermannt auf die Liege und schloss für einige Momente die Augen. Nur ein wenig Ruhe, dann würde er zu diesem Alten gehen und herausfinden was geschehen war. „Kuro-pon...? Geht's dir gut?“ „Klasse...“, erwidert er ironisch und seufze schwer. „Wir können zwei Tage bleiben... dann müssen wir wohl von hier verschwinden...“ „Ah.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Die zwei Tage vergingen rasch, doch der Magier schien über immense Selbstheilungskräfte zu verfügen und auch Kurogane sprach gut auf Dr.Kyles etwas brutale Behandlung an. Bereits am Abend ihrer Ankunft war ihr Fieber gesunken und der Blutmangel durch eine 'Bluttransfusion' ausgeglichen worden. Bei dem Gedanken, das Blut eines Fremden in sich zu tragen, war Kurogane immer noch etwas komisch zumute, aber besser als sterben allemal. Souma hatte den Krieger bei sich aufgenommen, der es nach einer Zeit einfach nicht mehr in der überfüllten und lauten Krankenstation ausgehalten hatte. Nun saß Kurogane auf einem Sitzkissen vor einem niedrigen Tisch und trank aus einer Tasse, die aussah als wäre sie selbstgetöpfert, etwas was sich Kaffee nannte. In Outo hatte er bereits so etwas getrunken, aber das hatte viel süßer geschmeckt. Sicherlich hatte dieser verdammte Magier wieder mal löffelweise Zucker reingeschüttet. Souma legte gerade Wäsche zusammen und kümmerte sich nebenbei um das knatschige Kind. Er hatte sie bereits eine ganze Weile angestarrt, als sie seinen Blick erwiderte und geradeheraus fragte, was er gerade dachte. „Nichts.“ „Das ist schon ne Leistung.“ „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass du so ein Leben führst“, antworte er offen heraus und sah gerade noch ihren bitteren Blick, bevor sie wieder das Kind ansah. „Man kann wenig selbst bestimmen, hm? Das einzige was sich ändert, ist die Einstellung mit der man an die Dinge heran geht. Ob man an ihnen wächst oder zerbricht, ob man sie aushält oder zu einem Teil von sich macht... das ist die einzige Entscheidung, die man manchmal fällen kann. Doch ich glaube... “, gedankenverloren legte sie seinen Umhang zusammen, „das sind die Entscheidungen, die das Leben ausmachen. Die Entscheidungen machen mich zu dem was ich bin, nicht die Ereignisse.“ „Das brauchst du nicht zusammenfalten, wir sind doch in ein paar Stunden schon weg“, murmelte er und trank noch einen Schluck von diesem gar nicht so scheußlichen Gesöff. Irgendwie war ihm diese Vertrautheit gerade unangenehm. Auch wenn er mit der Souma aus seiner Welt gut befreundet war... Sie lächelte nur melancholisch, „Natürlich. Der Älteste bittet dich übrigens noch einmal zu ihm zu kommen, bevor ihr geht.“ Kurogane schnaubte verächtlich. „Bitte..“, Souma sah ihn direkt an und obwohl der Ton bittend klang, war ihr Blick fest und sicher. „Ich kann mir vorstellen, dass du sehr wütend auf ihn bist, aber er tut nur das, was er tun muss. Er trägt die Verantwortung für viele Leben." "Jaja..." "Warte, ich zeige dir etwas.“ Sie kniete sich zu ihm an den niedrigen Tisch und krempelte ihren Ärmel hoch. Schwach konnte er unter ihren braunen, weichen Haut die Konturen des Gerätes sehen, das auch er nur zu deutlich unter seinen Bandagen spürte. Sie drückte daran herum und auf einmal projizierte sich ein weißes Viereck vor ihnen auf den Tisch. Genau wie das weiße Manjuu es immer tat. Kurogane hatte schon Angst zu allem Überfluss auch noch das Gesicht dieser schrecklichen Hexe zu sehen, doch statt dessen sah er kurz darauf den Eingang des Hains und ... sich selbst mit dem Magier, den Alten und die vielen Wachen. Er zog die Augenbrauen zusammen, was war das denn? Es war wie er es in Erinnerung hatte. Er wurde von zwei Männern gestützt, der Magier bewusstlos, Blut auf den Boden und Storm, dieser Affe, redete auf den Ältesten ein. „Was ist das?“ „Ein Videorecord.“ „Eine Wideoh-was?“ „Alles im Lager wird gefilmt. Stell es dir vor wie ein mechanisches Auge und das ist seine Erinnerung.“ „Warum macht ihr das, das ist doch genau das, was euch oben stört.“ „Alles in dieser Stadt wird überwacht. Würden wie die Kameras abschalten, bemerkten die Überwachungssysteme das.“ „Ah.“ „Aber keine Sorge, sie sehen nicht, was hier vor sich geht. Wir spielen immer Bilder ein, die diese Ruinen leer aussehen lassen.“ Die junge Frau sparte sich weitere Erklärungen, denn der Krieger hörte ihr schon längst nicht mehr zu. Angestrengt sah er auf die flimmernden Bilder, das war wohl so was wie die Übertragungen in Piffle, und versuchte zu sehen und zu hören was da vor sich ging. Gerade sah er sich selbst, wie er sich von den Wachen losriss und auf den Alten zuging. „Was ist hier los?“, hörte er sich nun endlich auch das erste Mal sagen. Der Alte schüttelte nur resigniert den Kopf. „Es tut mir Leid, ihr müsst wieder gehen. Wir können euch hier nicht helfen.“ So weit hatte er sich das auch denken können. Wenn Souma ihn beruhigen wollte, war das definitiv in die Hose gegangen. Von erneuter Wut gepackt, ballte er die Hände zu Fäusten. Sein kleines Selbst auf der Projektion drehet sich um und ging zum bewusstlosen Magier. Und dann geschah etwa seltsames, woran er sich gar nicht erinnerte. Der Magier war wach und griff nach seinem Unterarm, woraufhin er sich runterbeugte. Dieses „mechanische Auge“ war zu weit weg, als dass er ihre Gesichter gut erkennen konnte, doch er sah definitiv, dass Fye ihn etwas nach unten zog und er der Bitte nach kam. Erst ganz unbemerkt von ihm strich der Blonde ihm übers Gesicht und er zuckte doch tatsächlich zusammen! Nun, das konnte am Fieber und am Gift gelegen haben, sonst wäre ihm so etwas nie passiert. Ein wenig zitternd legten sich die blutigen Hände auf seine Schläfen und wenige Sekunden später drehte er sich um und funkelte wieder zu dem Alten, auf den mittlerweile Storm wieder einredete. . „Ich habe es doch schon so oft gesagt... ich sehe keinen Zweck mich dauernd zu wiederholen, Storm. Es geht nicht“, sagte der Alte gerade müde. Storm ballte die Faust, als wollte er ihn schlagen. „Aber sie sind verletzt! Kyle soll sie sich ansehen.“ Der Alte schwieg. „Du...“, Storm biss sich wütend auf die Lippe, sein Körper zitterte und verzweifelt sah er zu dem Blonden, der bei Bewusstsein war, doch nun gegen die Decke starrte. Er selbst schien immer noch ein wenig weggetreten zu sein. Ja, warum tat er denn nichts?! „Du kennst die Regeln genau so gut wie ich. Wir haben sie nur hier aufgenommen, weil du deine Hand für Fye in Feuer gelegt hast. Doch so kurz vor der Kontrolle, können wir sie nicht hier einquartieren. Das Leben Vieler wiegt schwerer als das von Zwein, auch wenn sie zu uns gehören.“ Endlich ging der Projektions-Kurogane mit festen Schritten nach vorne und packte den Greis am Kragen. „Wir können nicht hier bleiben? Was soll dieser ganze Scheiß von wegen 'Familie', solidarisches Miteinander der Aussteiger? Ihr verachtet die Oben, weil sie sich regieren lassen? Weil sie sich kontrollieren lassen und leer sind? Ich habe eure Gespräche gehört und wisst ihr was, ihr seid genau so leer und falsch wie die, die ihr verachtet. Wenn ihr uns jetzt hier stehen lasst, wenn er ihn“, Kurogane deutete auf den Magier, „einfach im Stich lasst, nachdem wir uns den Arsch für euch aufgerissen haben, nachdem er sogar bei euch bleiben wollte, so sehr hat er auf euch vertraut, ein Fremder! Und ihr? Ihr zieht den Schwanz vor diesen Industriellen ein, ihr lasst euch noch mehr kontrollieren als sie und verratet euch gegenseitig. Das ist ein Armutszeugnis. Wenn du nicht sofort diesen verrückten Arzt rufen lässt, dann schwöre ich dir, wirst du dein faltiges Gesicht im Spiegel nicht mehr wiedererkennen!“ Er befürchtete fast, dass der Alte vor Schreck gestorben wäre, doch dann öffnete er seine alten Augen und sah ihm direkt ins Gesicht. Gebannt starrte der „echte“ Kurogane auf das Gesicht des Alten, doch es flimmerte zu stark, er konnte es nicht genau erkennen. Der schwarzhaarige, teilweise kahle Kopf sah von dem Krieger zu Storm und sagte dann. „Zwei Tage.“ Kurogane ließ ihn zu Boden fallen. Sofort halfen ihm die zwei Mädchen hoch, tupften seine schweißnasse Stirn mit einem bunten Tuch ab und trugen ihn davon, während eilig nach Dr. Kyle gerufen wurde. Dann endete die Aufnahme. Verwirrt sah Kurogane zu Souma. „Was soll das, warum zeigst du mir das?“ „Ich weiß nicht wie viel du mitbekommen hast, aber die Entscheidung fiel uns wirklich schwer. Du weißt nicht, was für Konsequenzen es für uns haben kann, wenn ihr hier entdeckt werdet.“ Ein wenig sauer stand der Ninja auf. „Auch wenn ich nicht ganz bei Sinnen war, ich weiß noch genau was passiert ist. Garantiert nicht das da. Der Magier hat mich erst später geheilt.“ Er stockte. Er hatte nicht hören können und der Magier hatte ihn nur durch Handauflegen geheilt... hatte er Magie benutzt? Aber er hatte doch gesagt er wüsste nicht wie... ? Er peilte gerade mal wieder gar nichts, aber wenn er nun schon wieder darüber nachdachte, würde er Kopfschmerzen bekommen. „Ich bin beim Alten“, brummte er ihr nur noch zu und ging. Die unzähligen Stege und Leitern, die er bis nach unten klettern musste, waren ihm schon bekannt. Auch die meisten Gesichter, an denen er vorbei kam. Scheinbar war in diesem Durcheinander an Menschen, schreienden Kindern und Feuern doch so etwas wie Ordnung. Bevor er in das Zelt eintrat, betrachtete er noch einmal seinen Unterarm, von dem er die Bandagen herunter gerissen hatte. Das Ding unter seiner Haut zeichnete sich nur ein wenig rot ab, weil die Haut um es herum verwundet war, tiefe Schnitte und Schürfwunden, aber sonst hätte man es wohl nicht gesehen. Doch Kurogane spürte den Fremdkörper, so bald sie die Kinder gefunden und diese Welt verlassen hatten, würde er sich dieses Ding selbst rausschneiden müssen, denn keine Sekunde länger als nötig wollte er etwas von dieser vermaledeiten Technik in seinem Körper haben. Das Zeltinnere hatte sich seit seinem letzten Besuch nicht sehr verändert. Immer noch lagen Bücher scheinbar unbenutzt herum, immer noch zahlreiche Flickendecken und der Alte saß in exakt der selben Position vor der selben Schüssel mit einer vermutlich nicht ganz der selben grünlichen, dampfenden Flüssigkeit. Nur die beiden Mädchen sahen ihn nun nicht mehr freundlich, sondern fast etwas ängstlich an. Kurogane gab ein verächtliches Schnaufen von sich und setzte sich hin. „Ich bin hier um diese scheiß Informationen gegen den Aufenthaltsort der Kinder zu einzutauschen.“ „Informationen?“, antworte ihm der ältere Mann freundlich und benebelt. Wut kochte in dem Krieger hoch, in dieser Welt hatten doch alle einen gewaltigen Schatten. Es würde ihn nicht wundern, wenn Fyes Heimatland genau so belämmert wäre, schließlich schien er sich hier ja wohlgefühlt zu haben. „Das hier.“ Er hielt ihm seinen nackten, verkratzten Arm hin und der Greis beugte sich mit einem leisen Knirschen, das wohl von seinem Rücken oder seiner Hüfte kam, vor und betrachtete ihn, als wäre er ein seltenes Stück Tuschemalerei. „Hm.. hm... ja.. ich sehe. Das ist ein starker, schöner Arm.“ Langsam verlor er die Geduld. „Verdammt noch mal, sie sind in diesem Scheißteil unter meiner Haut!“ „Ah so, ah so.“ Er winkte und eines der Mädchen verließ das Zelt. Wenige Minuten später kam sie mit einer kleinen Box wieder und stellte sie vor Kurogane hin. In ihr befanden sich zwei seltsame Plastikkarten. „Was soll das denn?“ „Das sind ID-Chips.“, erläuterte das Mädchen. „Sie geben euch eine Identität, mit der ihr in das Viertel der Industriellen eindringen könnt. Es ist für normale Bürger strengstens gesperrt, aber da eure Strahlung nicht registriert ist, müsstet ihr in der Lage sein nicht von den Sicherheitssystemen erkannt zu werden. Dies sind die Identitäten von entfernten Verwandten der Hauptfamilie „EX“. Wir werden euch einen Führer zur Verfügung stellen, der euch bis an die Tore der nächsten Stadt bringt. Ab da seid ihr auf euch allein gestellt, aber die Personen, die ihr sucht sind ganz sicher dort.“ „Ah.“, sagte Kurogane nur und nahm die Plastikkarten entgegen. „Du musst sie über deinen Arm halten.“ „Was ist mit diesem verdammten Magier? Er hat so ein Ding nicht.“ „Seit gestern hat er so etwas. Seht es als Entschuldigung an, dass wir euch nicht länger beherbergen können.“ Der Magier schlief tief und Kurogane nutzte die letzten Stunden, um ein wenig im Hain herum zu streunen. Sie würden nie wieder an diesen Ort kommen und er würde sein Möglichstes tun, um ihn zu vergessen. Doch er wusste, dass das allein schon wegen dem, was er mit dem Magier hier erlebt hatte, nicht gehen würde. Doch auch in der kleinen Zimmer von Souma, das mal ein Geschäft gewesen war, und von dem ständigen Gequengel des Blags, war er bereits eine Stunde nach seiner Rückkehr vom Ältesten völlig entnervt gewesen. Ohne es zu merken kam er wieder zu diesem Wandteppich, und obwohl es verboten, war schlüpfte er einfach hindurch und ging den stinkenden Gang entlang. Doch blieb er überrascht stehen, als er dort ausgerechnet Hime sah, die am Rand der Masse saß und kleine Setzlinge in die gummiartige Erde setzte. „Oi.“ Das Mädchen sah auf und lächelte scheu. „Hallo.. wie... geht es deinen Wunden?“ „Gut“, antwortete der Ninja knapp, „was tust du da?“ „Ich pflanze Blumen. Fye hat mir Samen gegeben, die selbst in dieser Erde wachsen! Die Blumen auf der Krankenstation sind auch von hier. Der Boden ist ein sehr guter Nährboden für die richtigen Planzen. Shaolan und ich versuchen gerade etwas anzubauen.“ Hinter einem Hügel tauchte in dem Moment auch scheu lächelnd der Junge auf. „Guten Tag“, grüßte er höflich. Er hatte einen Schutzanzug an und Gummistiefel bis zu den Knien. Souma hatte ihm einmal demonstriert wie gefräßig diese Masse war, man konnte sicher verdammt schnell von diesem Leichenberg verschluckt werden, wenn man nicht aufpasste. Warum ließen sie das die Kinder machen? „Sind hier keine Erwachsenen?“ Ertappt senkte Hime den Blick und wurde rot. Also waren sie heimlich hier. „Was machst du denn hier?“, fragte das Mädchen scheu, um vom Thema abzulenken. „Geht dich nichts an“, maulte er ungemütlich und sah wie sie zusammen zuckte. „Ah... ich hab ein Ort zum Nachdenken gesucht“, gab er dann doch etwas sanfter zu. Auch wenn sie nicht Sakura war, irgendwie mochte er das Mädchen doch. „Ah so... wir können gehen, wenn es dich stört...“ „Nein.“ „Und... könntest du vielleicht auch niemanden sagen, dass wir hier sind?“ „Kannst du mir sagen, was mit diesem Idioten nicht stimmt?“ „Eh?“ „Fye?“ „Ah.“ „Woher sollen wir-“ „Er ist länger hier als ich, wie kam er hierher? Er hat doch nicht einfach an die Türe geklopft und gesagt 'Hallöchen, hier bin ich'.“ „Na ja, eigentlich schon... Storm hat ihn mitgebracht...“, gab das Mädchen etwas eingeschüchtert von sich. „Er hatte Ärger mit einem der Kontrolleure, weil er keine Strahlung ha-“ „Hime!“, unterbrach sie Shaolan, der mittlerweile hinter sie getreten war und seiner Adoptivschwester eine Hand auf die Schulter gelegt hatte. „Aber Shaolan... ich fühle, dass er nichts böses will...“ „Dennoch...“ Fest sah er dem Jungen in die Augen, der seinen Blick entschlossen erwiderte. „Ich habe nichts Böses vor, ich mache mir nur Gedanken... Vor allem weil hier so ein Geheimnis draus gemacht wird.“ „Wenn jemand überhaupt keine Strahlung hat, kommt er wahrscheinlich aus den Laboren“, sprach Hime, ihren Bruder mit einem entschuldigenden Lächeln übergehend, weiter. Scheinbar hatte die Sakura dieser Welt ihren eigenen Kopf. Oder es war einfach etwas, was man hier automatisch mitbekam. „Diese Leute sind sehr wertvoll für EX. Sie müssen ihre Identität geheim halten, sonst können sie leicht verraten werden. Da du uns fremd warst, hat niemand vor dir darüber geredet. Schließlich bist du damals auch verschwunden... wir dachten... dass du ihn vielleicht zurück holen wolltest...“ „Ich war auch schon einmal hier?“ Wohl eher sein Ebenbild. „Vor zwei Jahren.“ Nachdenklich starrte der Ninja auf diese komische Masse. Jetzt wusste er, warum die Hainbewohner sich so seltsam benahmen, aber bezüglich des Magiers erklärte das gar nichts. Das waren ihre Ebenbilder gewesen, mehr nicht. Schwer seufze er. Er würde doch auf die Erklärungen des Magiers hoffen müssen. „Alles in Ordnung?“, fragte das Mädchen in ihrer typisch besorgten Art. Hinter ihr gluckerte die Masse und es hörte sich fast etwas protestierend an. Wurde er jetzt endgültig verrückt? „Ja, eigentlich schon. Ich verliere nur den Verstand“, sagte Kurogane und verschwand wieder hinter dem Vorhang. Hime sah ihren Bruder fragend an, der etwas finster dem Fremden hinterher schaute. Doch als er sich ihres Blickes bewusst wurde, zwang er sich zu einem Lächeln und setzte fort die Masse urbar für die Blumensamen zu machen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurogane lief noch bis abends rastlos im Hain umher. Scheinbar hunderte von Augen beobachteten ihn auf seinem Weg. Neuigkeiten sprachen sich hier wirklich schnell herum und alle wussten, dass sie aus dem Lager verstoßen werden würden, dass sie eine Gefahr darstellen. Kurogane hatte nicht viel zusammen zu packen, er wurde von Japan weggeschickt, lediglich mit einem Schwert. Und auch diesen Ort würde er nur mit einem Schwert und dem Magier im Schlepptau verlassen. Als er an den Vorhang trat, der das ehemalige Geschäft, in der Souma und ihr Kind ihre Bleibe hatten, von dem restlichen Betrieb auf dem Stockwerk abgrenzte, stieg ihm sofort der Geruch von gebratenem Reis in die Nase. Einen Moment erschien tatsächlich so etwas wie blanke Überraschung auf den Gesichtszügen des Ninjas, doch im nächsten Moment hatte er sich wieder unter Kontrolle und sah sie grimmig an. Souma, ganz wie die Ninja in seiner Welt, lächelte einfach nur wissend und füllte ihm eine Schüssel mit dampfenden Reis mit Gemüse. „Willst du im Stehen essen?“ Ohne zu antworten ging Kurogane auf den niedrigen Tisch in der Mitte des Zimmers zu und setzte sich davor. Schweigend begann er zu essen. Der Reis war grobkörnig und doch etwas matschig, das Gemüse nicht durch irgendwelche Soßen oder überflüssige Gewürze verdorben. Es schmeckte wie das Essen in seiner Heimatwelt. Jeder Geschmack für sich, klar und unverfälscht. Keine Mischformen. Die Frau, die in Japan seine Mitstreiterin war, hier lediglich eine Fremde mit dem selben Gesicht, hatte sich vor ihm auf den Boden gesetzt und sich leicht auf den Tisch gelehnt. Das andere Mal als sie in dieser Weise hier zusammen saßen, hatte sie einen undenkbar kurzen Rock und eine rote Bluse getragen, die ihre Brüste betonte. Diesmal trug sie einen langen, braunen Wickelrock und darunter feste Stiefel. Der Pullover aus weitem, braunen Stoff und bunten Flicken ließ ihren vollweiblichen Körper beinahe verschwinden und das Tuch um den Hals hüllte sie fast vollkommen ein. Sie sah ihn mit selbstbewussten, rehbraunen Augen an, als würde sie irgendetwas erwarten. Der Krieger dachte an die Worte, die sie ihm gesagt hatte, bevor er zu dem Greis ging, der über die Leute hier bestimmte. Sie war vielleicht nicht die Souma aus seiner Welt und wahrscheinlich auch keine besonders geschickte Kriegerin, aber ohne Zweifel, diese Frau war stark. „Danke“, brachte er heraus und aß weiter. „Hat euch der Alte erklärt, warum ihr weggeschickt werdet?“ „Nicht wirklich...“ „Ihr seid gefährlich für das Lager, weil ihr aus den Laboren kommen könntet“, erklärte sie ihm. „Wir kommen aus keinem verdammten Labor, wir kommen aus einer ganz anderen Welt!“ Nun wirkte seine Gesprächspartnerin etwas verwirrt, doch sie zweifelte seine Worte anscheinend nicht an. „Bisher seid ihr relativ ungefährlich gewesen. Du und Fye hattet keinerlei Strahlung. Das heißt, ihr seid von den Überwachungssystemen lediglich als Maschinen erkannt worden und die unterstehen alle dem Befehl vom „EX“. Das Überwachungssystem ist zwar flächendeckend fast perfekt, aber es gibt im Detail sehr viele Lücken. Es wurde System über System installiert und alles überlappt sich, so dass es niemand mehr kontrollieren kann. Doch seit ihr in den Lagerhallen verletzt worden seid, ist ihnen eure Existenz bekannt. Maschinen verlieren selten Blut. Ein Wesen ohne Strahlung ist normalerweise jemand, der im Labor geboren wurde oder sich länger dort aufgehalten hat. Es steht unter Todesstrafe so jemanden vor den Industriellen zu verbergen. Wir leben im Untergrund und die Sicherheitskräfte decken uns gegen Bestechung, aber euer Hiersein wird uns in große Schwierigkeiten bringen.“ „Warum erklärst du mir das alles überhaupt? Kann dir doch egal sein.“ „Ich will, dass du überlebst.“ „Warum?“ „Ich mag dich.“ Er sah sie ein wenig irritiert und vielleicht was verlegen an. Er konnte nicht von sie auf die Souma seiner Welt schließen, aber dennoch konnte da eine Verbindung sein, oder? „Was ist diese verdammte Strahlung überhaupt?“, wechselte er das Thema. Denn auch wenn es ihn aufregte, er musste sich wohl oder übel mit der Technik dieser Welt auseinandersetzen, seine Feinde musste man kennen, wenn man gegen sie bestehen wollte. So eine Niederlage wie vor zwei Tagen wollte er nicht noch einmal wegstecken müssen. „In diesem Land werden alle mit einem bestimmtem Maß an Lebensenergie geboren, die... verdreckte Erde und Luft saugt sie uns aus, bis wir sterben. Diese Unregelmäßigkeit in der Lebenslinie können gemessen werden und wird hier 'Strahlung' genannt.“ „Das heißt, wenn ihr woanders leben würdet, wäret ihr unsterblich?“, ein wenig ungläubig zog Kurogane die Stirn kraus. Das war doch nicht ihr Ernst? Dann wären sie Götter und selbst die Menschen in Hanshin, die mit Göttern Seite an Seite lebten, waren nicht unsterblich gewesen. „Nein, nur würden wir sehr viel älter.“ „Und weil wir beinahe gestorben wären, wissen die nun, wer wir sind?“ „Nicht wer ihr seid, sie erkennen euch nur wieder. Also sei bitte vorsichtig, Kurogane.“ „Sei bitte vorsichtig, Kurogane“, äffte eine Stimme vom Eingang her die braunhaarige Frau nach. Kurz strömte Licht in den schattigen Raum, dann erkannte der Ninja diesen nervigen Doktor. „Dein blonder Schönling ist aufgewacht und zusammengeflickt. Außerdem kam gerade die Order von dem Ältesten, dass ihr die Hufe schwingen sollt und abhauen. Wir haben Informationen bekommen, dass heute Abend die Wacheinheit vorbei kommen soll. Souma, bleib hier oben, Kleines.“ Mit Schwung setzte sich der Arzt an den Tisch, nahm sich den Rest von dem Reis und begann schmatzend zu essen. Souma biss sich etwas auf die Lippen, sah ihren Mann jedoch nicht an. Kurogane konnte fast so etwas wie Dankbarkeit und auch etwas Schuld in ihren Augen erkennen. Der Krieger stand auf und griff nach Souhi. „Wir gehen.“ „Ciao~“, summte der Doktor und putzte kauend seine Nickelbrille. Am liebsten hätte Kurogane ihm dieses überhebliche Grinsen aus dem Gesicht gewischt, doch statt dessen verließ er ohne ein weiteres Wort das Geschäft. Bevor der Vorhang vollständig zu fiel und das Innere verbarg, sah er noch, dass Kyle aufgestanden war und der auf dem Boden hockenden Souma sanft im vorbei gehen über das Haar strich. Fye wartetet schon an der Krankenstation auf ihn. Sein Auge, Hals und Hände waren mit verwaschenem, aber strapazierfähigen Stoffverband verbunden und sein Haar hatte immer noch einen leicht orangen Stich, obwohl es frisch gewaschen war. Er lächelte müde, doch Kurogane zog ihn einfach zum Abstieg hin und ging dann vor, um den Verletzten notfalls aufzufangen, sollten ihm die Kräfte verlassen. „Komm schon.“ „Auch dir einen wunderschönen guten Morgen, Kuro-wanwan“, gab der andere Mann in einem nervigen Sing-sang von sich. „Es ist fast Abend, du Idiot.“ „Wirklich, dann habe ich wohl sehr lange geschlafen.“ „Und sehr schlecht, du hast Augenringe.“ Kritisch betrachtete Kurogane Fyes Gesicht. Bis heute Morgen hatte er ihn nur schlafend gesehen und da war es ihm nicht aufgefallen, aber der eh schon blasse Mann hatte fast krankhaft dunkle Schatten unter den Augen. „Das macht das Gift der Phagen“ Fye hob die Hände und tastetet unter seinen verbundenen Auge herum, konnte jedoch durch die Verbände nichts spüren und ließ die Hand wieder sinken. Anschließend seufze er und machte eine wegwerfende Handbewegung, „Ich strotze halt nicht vor Gesundheit wie ein gewisser dunkelhaariger Schwertträger.“ „Immerhin kannst du nach so was noch laufen. Deine Selbstheilungskräfte müssen enorm sein.“ „Oder die Medizin hier.“ „Oder die Medizin.“ Sie kamen ohne Schwierigkeiten unten an, wo sie auch schon ein Trupp Schwerbewaffnete empfing, unter denen sich auch Storm befand. Schweigend wurden sie zum Hainausgang geleitet. Sie wechselten kein Wort, während sie den Vorplatz überquerten. In den oberen Stockwerken des ehemaligen Einkaufszentrums wirkten alle zu beschäftigt, um sie zu beachten, doch hier waren alle Augen auf sie gerichtet. Sie waren längst keine Bewohner des Hains mehr, auch keine Gäste, nur noch Fremde, die nicht hier her gehörten. Kurogane war nie einer von ihnen gewesen und nun war auch Fye offiziell nicht mehr Teil seiner 'Familie'. Familie, dass er nicht lachte. Der Blonde hatte für seinen Geschmack eine zu ausgeprägte Tendenz alles mögliche zu seiner Familie machen zu wollen. Fye strauchelte etwas und der Ninja stützte ihn, indem er ihn am Arm im festen Griff hielt. Das dankbare Lächeln sah er nicht, sein Blick war steif auf den Ausgang gerichtet. Genau so wie vor zwei Wochen öffnete sich die schwere Eisentür knarrend und gab den Blick auf den von Eisenträgern durchbohrten U-Bahnschacht frei. Von oben drang etwas Licht, neongefärbt von Leuchtreklamen. Ansonsten lag alles in Dunkelheit. „Fye.“ Dieser Affe von Storm beugte sich zu dem Magier und griff nach seiner Hand, doch der Magier lächelte nur. Ein Lächeln, das Kurogane unmissverständlich als absolut falsch erkannte. „Was denn?“ „Nach der Durchsuchung kannst du wieder kommen... der Alte sagte, dass er bei dir eine Ausnahme machen könnte, weil du an so vielen Missionen teilgenommen hast...“ Kurogane verdrehte die Augen. Noch eine Lüge. War Lügen hier ein notorischer Zwang? „Nein Danke“, erwiderte der Magier im warmen Ton. „Ich bin dir wirklich dankbar für das, was du all das für mich getan hast, aber ich will nicht wieder kommen.“ Nun wirkte Storm etwas vor dem Kopf gestoßen. „Aber... du hast doch gesagt, du wolltest das hier gerne als deine Familie sehen.“ Wie konnte ein erwachsener Man nur so sentimental und peinlich sein. Kurogane kam fast die Galle hoch. „Man bekommt nicht immer, was man will.“ Mit diesem Worten drehte er sich einfach um und ging unsicher ein paar Schritte in die Dunkelheit. Seufzend blieb er stehen und sah zu dem Ninja. „Kuro-wanwan, mir tut alles weh, kannst du mich nicht stützen?“ Froh, dass dieser peinliche Dialog beendet war, nahm Kurogane den Arm blonden Idioten hoch und warf ihn sich über die Schulter. Doch er enthielt sich jeglichen Kommentars. Die Eisentür schloss sich knarrend und Kurogane fragte sich, wohin sie nun gehen sollten. Hatte dieser alte Narr nicht gesagt, sie bekämen einen Führer? Dieser hüpfte just in diesem Moment aus der Dunkelheit hervor und versuchte sich vor Kurogane größtmöglich aufzubauen. Was dann ungefähr bis zur Bust war. „Hey, Schwarzer!“, rief das Mädchen und grinste breit. „ChuNyan~ hallo~“, freute sich der Idiot an seiner Schulter. Das sollte ihre Führerin sein? Das war ein junges Mädchen! Trotzig erwiderte sie seinen kritischen Blick und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Was guckst denn so komisch, Großer?“ „Sind hier eigentlich alle verrückt?“ ~~ Supernova 16 Ende~~~ 17. Kapitel - (Faint) --------------------- ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Warnung: Sehr viel Tod und Gewalt in diesem Kapitel!, auch sexualisierte (nicht besonders graphische, jedoch von den Implikationen recht heftig. Nicht zwischen den Hauptcharakteren)! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das Sonnenlicht dieser Stadt schien so unglaublich ruhig an diesem Abend. Wie ein lodernder Feuerball tauchte das Orange hinter den schwarzen Türmen und Hochhäusern unter, bedeckt von einem feinen Schleier aus Rauch, umflogen von kleinen Luftschiffen. Wie ein gelbroter, überreifer Pfirsich, um den bereits angelockt von dem süßlichen Duft die Fliegen summten, doch seine Haut war noch straff und fest genug, um sie nicht an sich heran zu lassen. In diesem Moment würde er am süßesten schmecken, eine Sekunde vor dem Verfall. Hier an der Oberfläche, auf einem der dünnen Stahlträger über den U-Bahnschacht, der dem Hain seinen Namen gegeben hatte, standen sie und das erste Mal in dieser Welt, so schien es Kurogane, herrschte eine Ahnung von Ruhe in dieser Stadt. Die Luft war noch genau so schwer, der Gestank immer noch allgegenwärtig. Er registrierte die unruhig umherlaufenden Leute in dem noch weit entfernten Stadtkern, er konnte sie an ihrer Auren erspüren. Es waren wenige, aber dennoch wurden sie immer noch beschallt von unzähligen Lautsprechern, tausende von Hologrammen plapperten und flackerten überall in der Stadt. Auf dem Platz, an dem er einmal mit dem Magier übernachtet hatte, waren jetzt sicher schon die Stände aufgebaut... Direkt über ihren Köpfen flog eines dieser seltsamen Flugschiffe vorüber, aber es leuchtete nur kaltblaue Werbung gegen einen der schwarzen Türme. Seine Reisekamerad und das Mädchen standen neben ihm und sahen ebenfalls in den Himmel, der sich scheinbar endlos weit erstreckte. Während den letzten Stunde hatten sie kein Wort gesprochen. Etwas bebte unter ihren Füßen, doch das war man ja in dieser Stadt gewohnt und auch Kurogane nahm es gerade nicht als Gefahr war, obwohl seine Hand vorsorglich über den Griff seines Schwertes an seiner Seite strich. Es war so ruhig, obwohl nichts anders war. Aus den Augenwinkeln heraus sah er den bandagierten Mann ins Gesicht. Er stand ganz aufrecht, ein leichtes Lächeln auf den Lippen, obwohl er immer noch verwundet war und Schmerzen haben musste. „Oi, lasst uns endlich gehen.“ Raus aus dieser Stadt, weg von diesem Land, das so viel in ihm durcheinander brachte. Aber gerade war er überhaupt nicht durcheinander. Alles war klar und der Haufen an Dingen, die so überhaupt nicht klar waren, konnte er gerade perfekt ausblenden. „Ja, lasst uns gehen.“, antwortete der Magier mit sanfter, weicher Stimme. ChuNyan erwachte nun auch aus ihrer Starre und sie folgten dem schwarzhaarigen Mädchen, das sie sicher durch ein Labyrinth aus Metallstegen in Richtung der Hochhäusern der glasig glänzenden Stadt führte. Der Magier folgte dem Mädchen mit langsamen, nichtsdestotrotz beschwingten Schritten und endlich begriff Kurogane, dass die Ruhe von ihm her kam. Der Magier schien ruhiger zu sein. Seine Nervosität hetzte den Krieger nicht mehr. Wenn das so blieb, würde die Reise wohl doch nicht so schlimm werden. Bis er endlich, endlich wieder nach Japan zurück kam... ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der U-Bahntunnel über den sie sich bewegten, war nun kaum noch verfallen und so weit er sich erinnerte, mussten sie bald zu den Gleisen mit regulären Verkehr kommen. Nur hier und da waren die Wände noch marode und eingerissen, aber die Schienen waren kaum zerstört. Kurogane musste seinen Schritt aufgrund des Mädchens und dem Verletzten verlangsamen. Doch gerade nervte ihn das nicht so sehr wie sonst. Aber dann blieb der Krieger stehen, kritisch, lauschend. Unter seinen Füßen bebte es, aber es war nicht das normale Beben, das die Stadt ab und an erzittern ließ. Ein Erdbeben etwa? Im nächsten Moment riss sie eine heftige Druckwelle schon alle drei von den Füßen und ließ sie hart auf den rostigen Stahlträgern aufkommen. Kurogane konnte das Mädchen gerade noch am Arm packen, bevor sie ihren Halt verlor und über den Träger rutschte. „Was war das denn?“, fragte sie erschrocken, als die Welt um sie herum nicht mehr all zu sehr wackelte. Der Magier neben ihr hatte sich gerade wieder aufgerappelt und sah alarmiert in die Richtung aus der sie gekommen waren. Kurogane verfolgte seinen Blick und sah nur helles, stechendes Licht in rasender Geschwindigkeit wie eine Welle auf sie zu donnern. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern - denn die hatten sie nicht - reagierte er instinktiv. Der Arm des Mädchens noch fest in seinem Griff, der Magier in Reichweite, packte er beide und sprang mit aller Kraft nach oben. An einem Stromkabel, dass - was wusste er aus welchem Grund - hier aufgespannt worden war, fand er Halt und nächsten Moment raste auch schon die Feuerwalze unter ihren Füßen hinweg. Die Hitze war für einen Augenblick unerträglich, ChuNyan schrie erstickt an seiner Schulterkuhle und Kurogane spürte, dass ihre Kleidung Feuer gefangen hatte. Es war so heiß, doch er zwang seine Augen offen. Die Hitze brannte in seinen Augen und versenkte Teile seiner Augenbraunen und auch das Kabel schmorte wie Haar unter der Hitze weg, obwohl nicht mal ein Herzschlag vergangen war. Er kam nicht an sein Schwert, er wusste nicht, ob der verdammte Magier schon genug Kraft hatte, um sich ganz an ihm fest zu halten, der schmale Körper in seinem Griff war angespannt und das Mädchen zitterte so sehr, dass sie vermutlich nicht geistesgegenwärtig genug dafür war. Sie alle hielten im Moment die Luft an, weil jeder Atemzug ihre Lungen verbrennen würde. Er musste es riskieren, landeten sie erst einmal im Feuer, waren sie verloren - und das würden sie die nächsten Sekunden unweigerlich tun. Er ließ seine beiden Begleiter los und zog sein Schwert. Bevor sie unten aufkamen, sauste die Druckwelle seiner Schwertattacke hinunter in den Schacht, die Flammen prallten gegen den unsichtbaren Druckwiderstand, rissen sich zur Seite und rollten sich wie mächtige Wasserwellen von den engen Seitenwänden zurück in die Mitte, wo sie sich mit den nachfolgenden Flammen zusammenstießen und mit einem ohrenbetäubenden Getöse weiter ihres Weges schossen. Doch diese Sekunde des Zögerns konnten sie nutzen, um auf dem heißen Boden zu landen und in einen der Spalten in der Wand zu flüchten, die in dem maroden Stein überall im Schacht aufgebrochen waren. Unerträgliche Hitze und ohrenbetäubendes Rauschen raste an ihnen vorbei, jeder Gedanke schien brennend heiß zu einem kleinen Klumpen zu schrumpfen, unendlich fern am Sternenhimmel. Kurogane kämpfte einen Moment mit der Ohnmacht, die zwei Körper zwischen ihm und der Wand schienen seinem Griff zu entschlüpfen, sein Rücken war paradoxerweise eiskalt und taub. So plötzlich wie sie gekommen waren, ließ das Rauschen und die Hitze nach und es war wieder still. Die Steine dampften vor Hitze und das Mädchen weinte heiser an seiner Brust. Ihr Atem ging heftig und das Feuer schlängelte noch an seinen Hosenbeinen. Er trat es aus und hustete leicht. Endlich sah auch der blonde Schopf unter ihm auf. Fye hatte zusätzlich das Mädchen umarmt und mit einem leichten Anflug von Besorgnis sah der Krieger, dass die Verbände an seinen Händen durchgeschmort waren. Aber immerhin waren sie noch am Leben. Er fragte sich nur, was das nun schon wieder zur Hölle gewesen war. Mit einem Stöhnen presste er sich aus der Ritze hervor und stampfte ein paar schwere Schritte durch die Asche. „Was verflucht noch mal war das!?“ „Schwarzer.... dein Rücken-“ „-ist in Ordnung.“ Ein paar Feuerzungen hatten sich durch den Spalt gewunden und waren über sie hinweg gepeitscht. Er hattte unter dem schwarzen Umhang immerhin noch seine Rüstung an, sie hatte ihm vor dem Schlimmsten bewahrt. Er betrachtete das Mädchen und den Magier. Sie alle drei waren völlig verrußt und das Haar des heftig zitternden Mädchens angesengt. Sonst schien es ihnen bis auf ein paar Brandwunden gut zu gehen. „Wir müssen zurück und nachsehen!“, rief das Mädchen viel zu laut und hustete heftig durch den Staub, der sie wie grauer Nebel umgab. Der Magier klopfte ihr fürsorglich auf den Rücken und sah sie besorgt an. „Denkst du, es ist etwas im Hain passiert?“ „Natürlich! Das sind die Kontrolleure gewesen! Sie haben das Feuer eröffnet!“ Die dünne Stimme überschlug sich fast. Er konnte ihr Gesicht nicht deutlich sehen, weil noch zu viel heißer Staub aufgewirbelt war, aber er war sich sicher dass sie heulte wie ein Schlosshund. „Das kann alles mögliche gewesen sein...“, versuchte der Magier zu beruhigen, aber diese Lüge durchblickten sie wohl beide. Die angekündigte Kontrolle, die Richtung aus der die Feuerwelle kam, und was für einen Grund sollte eine so heftige Explosion sonst in einem Teil der Stadt haben, der schon so lange verfallen war? „War es nicht, es kam vom Hain“, brummte der Krieger. Nun konnte er ihr Weinen deutlich hören. Er achtete nicht darauf und ging vor, zurück in die Richtung aus der sie gekommen waren. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sie sahen das Chaos schon von weitem. Dort wo einst die stabile eiserne Tür gewesen war, klaffte nur ein großes Loch im Gemäuer. Die Wände waren schwarzgerußt und viele Eisenträger eingestürzt oder geschmolzen. Überall rieselte und knackte es, brannten kleine Feuer. Von drinnen waren Stimmen zu hören. Männliche, laute, grobe Stimmen. Kein Kampfgeschrei, kein Waffengeklirr oder Schüsse. Dennoch stellten sich seine Nackenhaare alarmiert auf. „Ich sehe nach. Bleib du bei dem Mädchen.“ ChuNyan widersprach nicht, obwohl sie sonst so frech war. Aber er verstand sie, die ganze Atmosphäre schien zum Zerreißen gespannt, sie nahm den letzten Rest an Atem, die der Staub und die Asche nicht nahm. Lautlos, den Griff seines Schwertes sicher umfasst, stieg er durch das dampfende Loch in der Wand. Das, was er nun sah, hatte er oft schon in seinem Leben gesehen. So oft, dass es ihn im ersten Moment kaum berührte. Im Krieg, in seiner Kindheit, in seinen Träumen. Der Vorplatz und die Front des umfunktionierten Einkaufszentrums war rußverbrannt. Eingetaucht in Schwarz, wie mit Teer übergossen. Auf dem schwarzen Untergrund fiel das tiefrote Blut kaum auf. Als sie vor nicht einmal zwei Stunden gegangen waren, war der Platz voller Menschen gewesen. Nun war er voller Steine. Steine in verrenkten Posen, Steinen mit Gesichtern. Ganz schwarz und entstellt. Stein, Stein, Steine wie die Menschen in seinem Dorf, wie der Arm seines Vaters, es reichte eine Berührung, um sie zu Asche zerfallen zu lassen. Er sah sich auf dem leeren Platz um, müde und gleichzeitig von einer mörderischen Wut gepackt. Doch das alles wurde unterdrückt von diesem eiskalten Gefühl in seiner Brust, das einzige, was ihn immer davon abhielt die Kontrolle zu verlieren und endgültig in die Vergangenheit abzurutschen. Das hier ging ihn nichts an, er hatte nicht beschlossen sie zu beschützen. Doch es jagte ihm einen eiskalten Schauer über den Rücken. Nur noch nach dem Rechten sehen, ob er irgendetwas retten konnte und dann musste er die Leute, die ihn wirklich etwas angingen, in Sicherheit bringen. Man durfte nicht glauben, jeden retten zu können. Schüsse vom Innenhof rissen ihm aus seinen dunklen Gedanken und er sprintete los. In Reihen aufgestellte Menschen. Die Uniformen der Wächter kannte er schon, wie riesige Insekten sahen sie aus. Tod lag in der Luft. Wieder Schüsse. Von oben hörte er Scheiben zerbersten und Gerumpel. Niemand sagte ein Wort. Die Wachen zogen die Menschen aus ihren Verstecken und Lagern und drängten sie auf den Platz. Seine Augen suchten nach dem Ältesten, verhandelten sie nicht mit den Wachen? Bemühte sich hier niemand wenigstens die letzten Bewohner zu retten? Er fand den Greis tot und verrenkt auf der Erde liegend. Der Gang, der zum hinteren Teil des Lagers führte, war in Dunkelheit getaucht und von da aus beobachtete er das Geschehen. Der Schall der hohen Decken trug jedes Wort überdeutlich zu ihm herüber. „Nicht, lasst sie leben!“ Die Worte durchschnitten als einziger die endlos resignierte Stille und das leise Weinen ein paar Kinder. Lautlos atmete er einmal tief durch. Egal wie oft er so etwas schon gesehen hatte, seit dem ersten Mal, dass er Krieg, - all diese sinnlose Zerstörung und das Leid - gesehen hatte. All das blieb nie aus, egal aus welch edlen Gründen gekämpft wurde. Er durfte nicht zulassen, das selbe zu fühlen, wie bei der Zerstörung seiner Heimat gefühlt hatte. Er konnte es gar nicht mehr. Es berührte ihn gar nicht mehr wirklich, er wurde rasend, doch es war eine distanzierte Wut... Das hier war nichts wogegen man ankämpfen konnte. Man konnte gegen Gegner kämpfen, aber verlorene Schlachten, verlorene Leben nicht rückgängig machen. Man konnte es nur hinnehmen. „Bitte.“ Der Krieger erkannte Storms Stimme und er riss sich aus seinen Gedanken. Nur weil es ihn nicht berühre, musste er sich davon nicht lähmen lassen. Diese Mörder würden etwas erleben! „Warum sollten wir? Ihr seid nicht mehr als Ratten. Die ganze Kanalisation ist voll mit euch.“ „Wir haben etwas für euch, was sehr wertvoll ist.“ „Ah und was?“ „Besondere Ratten. Laborratten.“ Storms Stimme klang selbstbewusst. Kurogane packte sein Schwert fester. Die Gesichter der Leute waren starr auf den Boden gerichtet, den Kindern hielten sie den Mund zu, damit sie nicht weinten. Scheinbar erlebten diese Menschen so etwas nicht zum ernsten Mal. Die Hitze kroch seinen Nacken hoch, er dufte das nicht an sich ran lassen. Sobald er es an sich ranließ, würde es ihn von innen zerstören. „Aha?“, der Anführer der nur 10köpfigen Kontrollgruppe packte Storm am Kragen und zog ihn zu sich heran. „Dann zeig mal her, vielleicht inspiriert mich das ja mal etwas Gutes zu tun.“ Was wollte Storm antworten? Er konnte nicht wissen, dass sie noch da waren. „Sie sind gerade zur Tür heraus.“ „Tja, dann.“ Ein Schuss und Storm sackte zusammen. Kurogane hatte endgültig genug gesehen. Lautlos zog er Souhi aus der Schwertscheide und machte sich zum Angriff bereit. Diese Leute gehen dich gar nichts an, flüsterte etwas in seinem Hinterkopf. Doch er ignorierte es, diese Leute gingen ihm etwas an, weil- „Sofort aufhören!“ Kyles verächtliche, selbstbewusste Stimme durchbrach die Stille, in der das Echo des Schusses verklang. Die ganze Atmosphäre war so erdrückend, dass die Stille nach jedem gesprochenen Wort, jeden Schuss, jedem erstickten Weinen der Kinder und jedem Rascheln der Kleidung, wieder auf sie hereinstürzte. „Ich bin sicher wir können uns einigen und müssen nicht weiter bei diesen barbarischen Methoden verbleiben. Wir haben nämlich 'Essenz'.“ (1) Nun schien der Anführer interessiert zu sein. „Aha?“ „Sechs Stück. Und wir können euch noch mehr besorgen.“ Das Insekt bewegte sich etwas und Kurogane hielt die Luft an. Wenn er angriff würde es zu einer Eskalation kommen, doch vielleicht stabilisierte sich die Situation auch so. Obwohl er gerade nichts lieber täte, als diesen Bastarden sein Schwert tief in den Rachen zu rammen und ihnen größtmöglichen Schmerz zuzufügen. Gelassen griff der klein gewachsene Mann, der Wächter überragte ihn fast um zwei Köpfe, in seinen Kittel und holte eine Kette hervor, an der irgendetwas hing. Kurogane konnte es dieser Entfernung nicht erkennen. „Das ist die Essenz einer mächtigen Magierin. Der Rest ist in meiner Praxis“, informierte Kyle gezwungen gelassen, während er dem Wächter das Ding in die Hand drückte, der das Schmuckstück regelrecht ehrfürchtig betrachtete. „NEIIIIN!!!“, schrie jemand neben Kurogane und ChuNyan raste an ihm vorbei auf die Wache zu. Verdammt! Hatte er nicht diesem verdammten Blag gesagt es solle draußen warten?! „Das ist von Mama! Das ist von Mama! Wie kannst du das machen, du verdammtes Arschloch!!“ Ihr hysterisches Kreischen ließ die anderen Bewohner des Hains regelrecht zusammen fahren, dem Wächter entlockte es nur ein spöttisches Lächeln. Auch Kyles Miene blieb unverändert als das Mädchen wie wild auf ihn einschlug. Er hielt sie einfach mit einem Arm auf Distanz, als gäbe es sie gar nicht, obwohl ChuNyan über seine Hände kratzte wie eine wild gewordene Katze. Entweder war dieser Mensch ein unglaublich guter Bluffer oder wirklich so kalt. Der Wächter starrte wie hypnotisiert auf das Teil und störte sich einen Moment gar nicht an dem schreienden Mädchen. Doch dann griff er entnervt nach seiner Waffe und zielte auf sie. In dem Moment hatte Kyle der Kleinen so hart eine verpasst, dass sie auf den Boden segelte. Endlich kapierte sie, dass sie ihr Leben gefährdete und hielt den Mund. „Angenommen. Sonst nur das Übliche.“ Das Insekt ließ seinen Blick über die Reihen fahren. Kurogane folgte seinen Blick. Er konnte Shaolans und Sakuras Ebenbild entdecken. Der Junge stand so vor dem Mädchen, dass er sie verdeckte, aber das Insekt erkannte sie dennoch. Blitzschnell fuhren seinen dreckigen Finger hervor, packten das Mädchen am Handgelenk und riss es nach vorne. Eine Hand krallte sich an Kuroganes Arm fest, ein Seitenblick zeigte ihm, dass es der Magier war. Er wusste nicht, wie lange er schon hier stand, er war wohl ChuNyan gefolgt. Die Hand an seinem Arm zitterte nicht, der Magier schein ganz ruhig und sah mit starren Blick auf das Geschehen. Würde er nicht so fest krallen, könnte Kurogane denken, es berührte ihn überhaupt nicht. „Halt, bitte!“, als die junge, braunhaarige Frau mit den Rehaugen vortrat, zuckte Dr. Kyle wie unter einem Schlag zusammen und sah sie entsetz an. Schnurstracks ging sie auf das Insekt zu, nahm seine Hand von Sakuras, oder wie auch immer sie hier genannt wurde, Handgelenk und stellte sich zwischen den Wächter und das Mädchen. Seine Kollegen starrten nur gebannt auf sie Szene als Souma langsam mit ihrer Hand über den Brustpanzer des wütend starrenden Wächters fuhr, den hochgeschlossenen Kragen des Schutzanzuges hinunter wickelte und mit den Händen darüber strich. Sie kam einen Schritt näher, so dass ihr von groben Stoff umhüllter Körper gegen den Anzug des Wächters presste. Zielsicher fuhr ihre Hand tiefer zu den wenig gepolsterten Regionen des Schutzanzuges, schlüpfte darunter und begann ihre Hand zwischen seinen Beinen zu bewegen. Und ließ sich auch nicht beirren als sich eine große, behandschuhte Hand auf ihre Hüfte legte und begann sie auszuziehen. Kurogane kam fast die Galle hoch als ihm klar wurde, was sie vor hatte. Sie wollte von dem Mädchen ablenken. Das konnte er nicht länger mit ansehen und ein Seitenblick zu dem Magier sagte ihm, dass dieser es genau so wenig konnte. Seine Blick war immer noch starr auf die Szene gerichtet, doch ein dünnes Rinnsal Blut bildetet eine dünne roten Linie über seinem Kinn, seinen Hals hinunter, von der Stelle an seiner Lippe ausgehend, wo er sich das Fleisch blutig gebissen hatte. Kurogane setzte zum Angriff an. Fye stockte. „Du willst angreifen?“, flüsterte er fassungslos. „Ja, was denn sonst?“, zischte er zurück. „Du hast keine Chance mit nur einem Schwert.“ „Und was hast du bitte vor gehabt?“ "Ihnen was besseres anbieten.“ “Was?!“, zischte er fassungslos. Das Insekt, die Schabe, er wollte sie am liebsten alle in den Boden treten, drehte sich in ihre Richtung. „Wer ist da?“ Kurogane wollte nach dem Magier greifen, doch der war schon seinem Griff entschlüpft und ging mit festen Schritten aus ihrem Versteck auf den Wächter zu. Der Wächter musterte ihn verwundert von oben bis unten, doch Fye ließ ihn gar nicht erst anfangen zu reden. „Ich bin eine dieser Laborratten. Messt meine Strahlung. Und egal was ihr von den Mädchen wollt, von mir bekommt ihre etwas Besseres.“ Was zur Hölle...? Er sah nicht genau was vor sich ging, seine ganze Sicht schien durch diese heiße Wut in seiner Brust zu verschwimmen, aber sobald die Schabe den Magier auch nur berührt hatte sah er rot. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Rot. Rot. Rot. Rot. Rot. Rot. Rot. Er lag. Rot. Rot. Rot. Rot. Rot. Rot. Auf einem Schoß. Schwarze Haare fielen ihm ins Gesicht und er konnte das Weinen eines Mädchens vernehmen. Sein Körper schmerzte. Er spürte Souhi in seiner Hand, so fest verkrampft als gehörte es zu seinem Arm. Die Klinge und seine Hand waren blutig. Sein ganzer Körper war wieder blutig. Er öffnete sie Augen und sah in ChuNyans verweintes, rußiges Gesicht. Er drehte den Kopf: Diese Halle, es roch nach Ruß. Überall waren Decken, er lag auch auf einer. Überall waren Menschen, aber sie bewegten sich nicht. Still und starr saßen sie in Gruppen zusammen, weinten oder schwiegen. 'Schon wieder', dieser Worte schienen auf allen Gesichter geschrieben zu sein. Nun begriff er endlich was für einen Preis dieses Leben kostete. Er war mal wieder zu blind und zu wütend gewesen, um es zu sehen. Prinzessin Tomoyo hatte Recht... er musste noch sehr viel über wahre Stärke lernen. Fye saß neben ihm, aber sah ihn nicht an. „Fye..“ , flüsterte das Mädchen, doch er reagierte nicht. „Hey Magier“, langsam drehte er den Kopf zu Kurogane, aber es schien ihm, als würde er ihn gar nicht ansehen. Der Verband über seinem Auge war völlig verrutscht und die Enden des Stoffes fielen ihm lose über die Schultern, die Lippen aufgequollen und viel zu rot, blutig und gleichzeitig so dünn, als wäre alles Blut aus ihnen entwichen. Wortlos stand er auf und verschwand aus seinem Sichtfeld. Kurogane schloss die Augen und versuchte sich daran zu erinnern, was geschehen war. Rot. Er raste auf dieses Insekt zu und presste ihm seine Klinge in das dreckige Gesicht. Rot. Blut quoll über seine Hände, als er auf den nächsten zusprang. Rot. Doch dann packte ihn eine unsichtbare Energie und schleuderte ihn nach hinten, presste ihn auf den Boden und alle Luft aus den Lungen. Was war das? Was zur Hölle war das? Rot. Er kämpfte sich hoch, doch er kam nicht gegen diese unsichtbaren Barrieren an. Was war das, war das Magie? Und dann: Rot. Er sah nur noch rot. Rote Tränen. Rot pochendes Fleisch in... Rotes Blut, dass von seinen Lippen tropfte. Er konnte es nicht ertragen. Dieses rote Gesicht, rot vor Anstrengung, GENUSS. Die Röte der Scham und der basse Schreck auf den anderen Gesichtern. Er richtete sich ruckartig auf. Das Mädchen, auf dessen Schoß er die ganze Zeit geruht hatte, hielt erschrocken die Luft an. Kurogane hatte den Drang sich zu übergeben. Oder etwas zu zerstören. Rot. Rot. Rot. Rot. Rot. In seinem Kopf war es ganz still. Er wünschte wenigstens das Rauschen wäre noch da. Rot. Er fand den Magier im dritten Stock. Alles hier war durcheinander, die ganze Einrichtung der Wohnungen auf den Gang gezerrt, die Glasscheiben zerschlagen, hier und da lagen noch Tote herum. Er erkannte das Geschäft wieder, hier lebte Souma. Der Magier hatte sich an die Wand gelehnt und starrte durch das halbdunkle Licht auf den niedrigen Tisch in der Mitte des Raumes. Er war nicht umgestoßen worden, hier war fast alles beim Alten. Kurogane war mit drei Schritten bei dem Magier, packte ihm am Kragen und schlug zu. Fye machte keine Anstalten sich zu wehren, sondern gab dem Schwung nach und krachte gegen die Wand. „WAS SOLLTE DAS?!“, schrie Kurogane. Rot. Einfach alles nur rot. „Das war DEINE Magie! Du hast mich zurück gehalten! Hast du es etwa genossen, diesen, diesen KERL in deinem“, er hatte keine Bedenken selbst vulgäre Wörter zu benutzen, aber gerade blieben ihm die Worte im Munde stecken. Es war fast so, als würde es erst noch passieren, wenn er es aussprach. Alles war nur ein Traum, bis er es aussprach. “Ihn in meinem Mund zu haben?“ Oder bis es jemand anderes es aussprach. “Ja, verdammt!“ Langsam rappelte sich Fye wieder auf. Seine Lippen waren immer noch etwas geschwollen, die Stelle, wo er ihn geschlagen hatte, ein wenig aufgeplatzt. “Was denkst du, was mit den Leuten hier unten passiert, wenn ein Kontrolleur zu Tode kommt?“, fragte der Magier ruhig und sah Kurogane direkt in die Augen. „Dinge auf solche Art zu regeln mag erniedrigend sein, aber immer noch besser als noch mehr Tote! Wenn man lebt geht es weiter, wenn man tot ist nicht.“ „Die Leute im Hain gehen dich doch gar nichts an, verdammt noch mal! Spiel nicht immer den Märtyrer!“ Ein Lächeln. Er schlug wieder zu. Und wieder. Und im nächsten Moment tat es im Leid. So leid, wie ihm noch nie etwas in seinem Leben getan hatte. Außer nicht stark genug gewesen zu sein, um seine Eltern zu retten. “Aber dennoch will ich nicht, dass noch jemand stirbt.....“, flüsterte der Blonde und spuckte etwas Blut auf den Boden. Kurogane ballte die Fäuste und bemerkte entsetzt, dass Fye zusammen zuckte. „Fye...“, vorsichtig ging er einen Schritt auf den anderen Mann zu. Er wusste was das war, er konnte es nicht ertragen, dass der Magier so etwas mit jemanden tat. Dass er von irgendjemanden verletzt wurde. Er balancierte mit Glasscherben und ein anderer schlug einfach alles kaputt... Vorsichtig schlang er die Arme um den schmerzhaft dünnen, viel zu zerbrechlich wirkenden Körper und merkte, wie Fye still in Tränen ausbrach. „Du... du bist so ein Idiot...“, diese Worte ausgerechnet aus dem Mund des Magiers. Zaghaft, fast scheu strich er ihm über den Rücken, die empfindliche Wirbelsäule entlang. Wie intim Umarmungen doch waren. Er könnte ihm mit einem Mal das Rückrad brechen, doch er würde es nicht tun, trotz seiner Wut. Zärtlich streichelte er hoch zu seinem Nacken, legte sein Hand zwischen die schweißnassen Haare dort. Er konnte nicht denken, wollte nicht denken, wollte nur fühlen. Ihre Kleider raschelten als Fye die Arme hochnahm und um seine Schultern legte, die Umarmung erwiderte. „Was ist passiert...?“ „Du hast sie angegriffen...“ Kurogane schloss die Augen. Sah in seiner Erinnerungen einen nach dem anderen fallen. Durch Tomoyos Fluch verlor er seine Kraft, wenn er Menschen tötete, aber in dem Moment war es ihm egal gewesen. „Ich habe dich zurück gehalten.“ Plötzlich hatte ihn eine Welle an Energie zurück geschleudert und er war hart auf den Boden aufgekommen. Die Welt war einen Moment schwarz. „Die Wache war verletzt... doch... doch... wir konnten die anderen beruhigen.“ Er hatte gesehen wie. Auf welche Art und Weise. Er hatte nichts tun können, genau so wie bei seinen Eltern, seinem ganzen Dorf, hatte er mit ansehen müssen, wie sie litten, wie sie starben. Nicht ihre Körper, vielleicht war es den Frauen und Männern, die mit den Wächtern verschwunden waren, ja auch egal gewesen, aber nicht dem Magier. Ihm war so etwas nicht egal, ihm dufte so etwas nicht egal sein! „Und dann?“ „Du warst stärker als meine Magie und hast sie wie ein Berserker niedergemäht.“ „Sind noch mehr Bewohner des Hains gestorben?“ “Nein. Aber sie müssen von ihr weg...“ „Besser als der Tod.“ Fye antwortete erst nicht, dann „...ja...“ Also hatte er doch richtig gehandelt. Hätte Fye ein klein wenig mehr Vertrauen gehabt. Tief atmete er durch, sein Herz donnerte so laut ins einen Ohren, sodass er glaubte sein Kopf würde jeden Moment zerspringen. „Lass uns von hier abhauen. Diesmal endgültig.“ „Okay...“ Der Hain war gespensterstill, ganz besonders im Kontrast zu dem Lärm und dem Leben, die zuvor noch den ganzen Ort erfüllt hatten. Nun hallte nur noch ein leises Wispern – kein Lachen, kein Waffengeklirr, kein Lagerfeuerknistern – die hohen und grauen Gewölbe entlang. Über weite, mit Zelten, bunten Flickendecken und Steinen übersäten Vorplätzen, Etagen und Ecken, an Töpfen, Schüsseln und Decken vorbei, rein in den Gehörgang schweigender Menschen, die sich in wenigen großen Gruppen zusammengetan hatten und Verletzte verarzteten. Sogar bis zum hintersten Teil reichte das Wispern, hinter den Vorhang, der den Hang zur Masse von den Hainbewohnern abschnitt. Feuer brannten nur noch vereinzelt, ließen die Luft zwar nicht eisig, aber empfindlich abkühlen. Das Völlereischmatzen der Masse beachtete sonst niemand, doch an jenem neuen Morgen hörte man die schlurfenden, blubbernden Geräusche selbst bis zu ihnen in den dritten Stock des Einkaufszentrums herauf. Es lebten noch einige Menschen, dennoch würde diese Masse heute Nacht viel zu verzehren haben. Fyes Hände zuckten unruhig an seiner Schulter als sie dieses Geräusch regelrecht umhüllte. „Gehen wir“ wiederholte Kurogane seine Worte von gut fünf Minuten noch einmal und ließ den warmen, lebendigen Körper endlich los. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ ChuNyan war nirgendwo zu finden und selbst wenn, wäre sie wohl nicht mehr in der Lage gewesen sie zu führen. Kurzum, sie hatten keine Ahnung, wie sie zu dieser anderen Stadt kommen sollten, als sie durch den durchbrochenen Eingang zurück in den Schacht kletterten. Bisher war keine Welt so gefährlich und kräftezehrend gewesen, wurde Kurogane bewusst. Bisher hatten sie immer jemanden gehabt, der sie aufnahm, beschützte und sie über die Gefahren der jeweiligen Welten aufklärte. Er machte sich die Gedanken um die Kinder, er hoffte, dass sie bei den Industriellen in Sicherheit waren. Der Untergrund dieser Welt war jedenfalls nicht sehr sicher. „Wohin sollen wir jetzt?“, fragte ihn Fye und er zuckte nur mit den Schultern. „Erst Mal zur nächsten Stadt.“ Sein Gegenüber schien keine Einwände zu haben und schweigend gingen sie weiter. Die ungewohnte Stille zwischen ihnen war bedrückend, doch Kurogane kam sie gerade recht. Worüber sollten sie auch reden? Über das was passiert war? Dafür waren sie wohl beide nicht gerade in der Stimmung. Es war schon immer schwierig auf dieser Reise gewesen, aber die letzten Tage waren bei weitestem die schwierigsten gewesen. Als sie in der Stadtmitte ankamen, war es immer noch Nacht. Ohne ein Wort folgte er Fye durch die vielen kleinen Gassen, überquerte ein paar mal diesen stinkenden, grünen Fluss, und kam dann wieder an diesem großen Platz an. Die Scheinwerfer leuchteten, die Boote und Menschen drängten sich auf dem Wasser und dem steinernen Ufer wie an Kuroganes ersten Tag in dieser Welt. Die Händler am Ufer verhandelten aufgebracht, kleine Luftschiffe schwebten über der Szenerie. Dieser Ort schien völlig zeitlos zu sein. „Wir sollten uns waschen und neue Kleider kaufen...“, schlug Fye vor und Kurogane bemerkte wie ungewohnt seine Stimme klang, wenn er nicht völlig aufgedreht oder melancholisch schien, sondern ruhig und müde. Erst wurde ihm bewusst, dass er die ganze Zeit mit blutbefleckten Kleidern herumgelaufen war, seine Rüstung war nebenbei auch nicht das unauffälligste. Mit einem Brummen stimmte er zu und ging zu den Treppen, die ins Wasser hinein führte, um erst mal seine Rüstung und sich selbst abzuspülen. Fye verschwand währenddessen und besorgte ihnen neue Kleidung. Als er wiederkam zog der Krieger gerade seine Rüstung aus. Verwundert sah er auf den riesigen Kleiderberg. Stiefel, Westen, Mützen und zwei hochgeschlossene, flauschige weiße Mäntel. „Wofür brauchen wir das ganze Zeug? Hier ist es doch gerade recht warm.“ Stickig, fügte er in Gedanken hinzu, aber es war jetzt nicht der Moment unnötige Gespräche zu führen. „Wir wollen nach draußen, und dort ist es kalt“, erklärte ihm der Magier knapp und begann sich selbst zu waschen. Kurogane begann sich anzuziehen und sah bewusst weg. Er hatte gerade schon Probleme Fye in die Augen zu sehen, wie konnte er ihn da ansehen? Das würde nur wieder Gedanken und Erinnerungen wachrufen, die er gerade einfach nicht in seinem Kopf haben wollte. Ungeduldig, aber ohne zu drängeln, wartete Kurogane bis Fye sich fertig gewaschen, die Verbände gewechselt und die neuen Kleider übergezogen hatte. „Ich habe einer der Verkäufer gefragt. Dort in diesem Gebäude“, er zeigte auf das große, verfallene Gebäude mit den bunten Fenstern und der weißen Statue davor, „finden wir jemanden, der uns gegen Geld den Weg aus der Stadt zeigt.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Die rechte der beiden verzierten Flügeltüren knarrte laut, als sie sie öffneten. Das Innere bestand nur aus einem einziges Raum und fahles Licht schien schwach und bunt gefärbt durch die hohen Fenster. Kurogane hatte so etwas noch nie gesehen, doch irgendwie hatte er das Gefühl, dass man hier irgendetwas verehrt hatte. Rechts und links standen lange, rot bezogene Bänke in Reih und Glied, es roch leicht verräuchert, der Steinboden war zerkratzt. Am Ende des länglichen Raumes befanden sich Treppenstufen, die zu einem mit Samt behangenes Podest hinführten, auf dem sich ein kleiner, künstlicher Teich befand. Aufmerksam auf mögliche Gefahren achtend, gingen sie darauf zu, dennoch wurde der Schall ihrer Schritte durch die ganze Halle getragen. Der Teich war mit Wasser gefüllt, das eine leicht grünliche Farbe hatte und in dem Blütenblätter herum schwammen. Manche waren frisch, andere schon zu kleinen Stücken verfallen, die das Wasser weiter trübten „Willkommen.“, begrüßte sie eine freundliche, helle Frauenstimme und Fye fuhr erschrocken herum. Sein verbleibendes Auge, wurde ganz groß, als er auf die Frau in weiß sah, die direkt hinter ihnen aufgetaucht war. Ihr langes blondes Haar quoll unter der Kapuze des weißen Umhanges hervor und ihre himmelblauen Augen strahlten vor Gutmütigkeit und dem Licht, das von einem blau getünchten Fenster direkt über ihnen direkt auf sie fiel. „CHI!“ ~~~~~~ Supernova 17 ende~~~ 1. oO ja, mich erinnert das auch alles irgendwie an FF7... aber hat ne ganz andere Bedeutung. Erst habe ich es Crystal genannt, dann habe ich kreativ wie ich nun mal bin nach Namen von Heilpflanzen gesucht, wie auch die Stadt nach einer benannt ist... aber mir viel einfach nix Bescheuertes ein, deswegen habe ich was „normales“ genommen. Manchmal kann ich mörderisch unkreativ sein. 18. Kapitel - (Alles was zählt) ------------------------------- Und wenn ich dich tausend Jahre missen müsste. Und wenn ich all diese Jahre in Scherben kniete. Durch dich kenne ich Sehnsucht. Durch dich kenne ich Schmerz. Und wenn ich auf ewig blind wäre. Und wenn ich auf ewig sehen müsste, was ich nicht ertrage. Durch dich kenne ich Licht. Durch dich kann ich auch in der Dunkelheit sehen. Und wenn ich heiser werde vor Schreien. Und wenn mein Herz irgendwann vor Einsamkeit zerbricht. Durch dich lernte ich stumme Worte zu verstehen. Durch dich lernte ich, dass es auch ein „wir“ geben kann. Und wenn ich dich tausend Jahre missen müsste. Und wenn ich all diese Jahre in Scherben kniete. Mir reicht es zu wissen, dass irgendwo und irgendwann: Dein Feuerblick in sonnengewärmten Glas reflektiert wird. Irgendwo. Auch wenn du dann nicht mehr weißt, wer ich bin. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Rauschen, Rauschen, Rauschen. Irgendwie hatte der künstliche Wiederklang seines eigenen Herzschlags etwas Beruhigendes. Schwer seufzte er und lehnte sich gegen die warme Glaswand. Er zählte die Sekunden, die Minuten. 34 von 18, 33 von 18, 32 von 18... Hier gab es keine Uhr, kein Tageslicht, nichts was den Fluss der Zeit anzeigen würde. Müde und mit verschwommenen Blick sah er auf seine Hände. Selbst an ihnen konnte er nicht erkennen, ob er älter geworden war. Dennoch wusste er immer, wann er das nächste Mal kommen würde. 9 von 14, 8 von 14, 7 von 14... Er war so müde... so unendlich müde und erschöpft. Er wusste nicht, wann er das letzte mal geschlafen hatte, oder wie lang. Schlaf fand er beängstigend, vielleicht wachte er nie wieder auf... Er träumte nicht, nicht mehr, alles was war, war strahlendes weiß, genau so weiß und hell wie in diesem Raum. Wer weiß, vielleicht war er auch schon längst tot, dachte der Mann im der riesigen Glasröhre. In Ceres hat man Träume von weißen Räumen ohne Fenster immer als Todesträume gedeutet. Auf ihrer Reise mit Shaolan, Sakura, Kurogane und Mokona waren sie einmal in einer Welt gewesen, in der die Leute fest an übernatürliche Orte namens „Himmel“ und „Hölle“ glaubten. Der Himmel sei ein wunderschöner Ort, an dem kein Hunger herrschte und alle ihren Frieden fanden. Die Hölle war der Ort der bösen Menschen, in der man auf ewig in heißen Feuer leiden musste. Blaue Augen öffneten sich wieder und sahen an die Decke. Sie leuchtete strahlend hell und nichts warf einen Schatten. Er legte eine Hand auf sein linkes Auge und die Welt wurde für einen Moment dunkel. Aber nur für einen Moment, es schien als könnte diese undefinierbare, künstliche Sonne sogar sein blindes Auge erreichen. 15 von 6, 14 von 6, 13 von 6.... Vielleicht... „Fye...“ Erschrocken riss er seine Hand von seinem Gesicht und sprang auf. Nicht dass er weit gekommen wäre oder der Mann mit den goldenen Augen und schwarzen Haaren ihn erreichen konnte, aber er war zu früh da, er hatte ihn nicht erwartet. Sonst kam er auf die Sekunde genau immer zur selben Zeit. Sein eigener beschleunigter Herzschlag klang bum-bum-bum heftig in seinen Ohren wieder und verlegen sah er weg. Er wollte sich kein unnötiges Zeichen der Schwäche erlauben, wenn er dem Blick des Mannes so ungeschützt ausgesetzt war. Er fühlte sich wie ein gehetztes Tier, dabei war er hier in diesem Gefängnis genau so sicher wie unfrei. Deswegen schlief er auch nicht zur Zeiten, in denen Ashura kam. Er ertrug es nicht, dass dieser Mann ihn sogar beobachtete, wenn er es nicht bemerkte und kein Schutzschild gegen ihn aufbauen konnte. Tief atmete er durch, der Klang wurde augenblicklich von den Lautsprechern übertragen und der Mann vor ihm schloss mit einem versonnenen Lächeln die Augen und lauschte dem Geräusch. Als er sie wieder öffnete begegnete ihm ein breites, unbekümmertes Lächeln mit einem Hauch von Verachtung in den müden, aber dennoch wunderschönen Zügen. Er kam näher und legte die Hand auf das gewärmte, gewölbte Glas, doch diesmal kam der blonde Mann nicht näher. Es schien fast wie ein Wunder, so lange hatte er ihn kaum wahrgenommen und nun – er stoppte in seinen Gedanken und rief sich zu Raison. Er kannte ihn, er wusste dass nichts an diesem Lächeln echt war. „Ich habe geträumt...“, flüsterte Fye und Ashura konnte es durch die Lautsprecher hören. „Ich habe geträumt von einer Insel in einem weiten, von der Sonne bestrahlten Meer.... Götter haben es geboren und die Menschen sprechen dort wohlklingende, fremde Sprache und schreiben mit kunstvollen Bildern....“ (1) „Ich will davon nichts hören.“ Und dabei.... und dabei liebte er jedes Wort aus diesem Mund. Es spielte keine Rolle, was er sagte. Nichts anderes zählte, als dass dieser Mann ihn überhaupt wahrnahm, indem er mit ihm sprach. „Wie willst du mich aufhalten?“, fragte der Gefangene mit einem neckischen Lächeln. „Schalt doch den Ton ab.“ „Nein.“ „Zwing mich doch zu schlafen.“ „Nein.“ „Bring mich doch um.“ „Nein, Fye!“ Schweigen herrschte. Schweigen und Rauschen und Herzschlag. Einen Moment konnte Ashura diesem eiskalten, wütenden Blick nicht stand halten und wand den Kopf. Wie waren sie nur bis hierher gekommen? Wie konnten Gefühle, die einst so zart und rein waren, sie beide nur so unglücklich machen? Aus dem bloßen Wunsch dieses Kind zu beschützen.... Aber er konnte nicht mehr loslassen, würde nicht mehr los lassen. Er würde sein Glück nicht aufgeben, und wenn sie beide daran zu Grunde gingen. Aber dazu bestand momentan kein Anlass. Er würde es nicht beenden. Er hatte Fyes und sein Leben in der Hand. Wenn er wollte die ganze Ewigkeit lang. „Ich habe gerade Besuch.“ Desinteresse. Der Mann unerreichbar von ihm betrachtete versunken seine Hände. „Ein Mädchen aus einem Wüstenkönigreich und ein Junge, der nicht von einer Frau geboren wurde.“ Fyes ganze Körperhaltung erstarrte und er zwang sich weiter auf seine Hände zu sehen. Ashura bluffte, so musste es sein. Er wollte ihm immer eine Reaktion entlocken... doch Ashura hatte ihn noch nie belogen. Er war zwar ein Meister darin seine Worte so zu wählen, dass die Wahrheit verschwamm, aber er hatte ihn nie belogen. „'Er' ist nicht dabei.“ „Natürlich nicht....“, brachte er wütend hervor. Seine Hände bebten und er wollte in diesem Moment einfach nur sein Gesicht abwenden können, seinen Herzschlag ausschalten und den nächsten Atemzug auf immer in seinen Lungen bannen. Doch auch nach so langer Zeit hatte er seinen Körper nicht ganz unter Kontrolle. „Sie suchen nach ihm“, ließ ihn Ashura grausam wissen. „Du nicht?“ „Willst du sie wieder sehen?“ „Nein.“ „Willst du 'ihn' wieder sehen?“ „Auf keinen Fall..." Seine Worten klangen keinesfalls mehr so sicher. „Willst du sie etwa hierher bringen?“ Der schwarzhaarige Mann mit den Goldaugen war zufrieden und mit einem sanften Lächeln strich er sich die Haare zurück. Sonst sprachen sie kaum, aber mit diesem Thema schien man den Blonden locken zu können. „Nein, dich zu ihnen.“ „Ich kann hier eh nicht raus...“ „Und wenn doch?“ Er schwieg. Sie schwiegen. Die Zeit war noch lange nicht um, aber an diesem Tag war eh alles unregelmäßig. Die Tür schloss sich lautlos als Ashura wieder ging und Fye hielt die Luft an, war sich bewusst, dass noch einige Sekunden vergehen würden, in denen sein ehemaliger König lauschte. Er wusste dass er 'ja' sagen würde. Egal was dann passierte, er wusste dass er ja sagen würde, und alles was er schützen wollte, wieder zerstörte. 4 Minuten und 23.., 4 Minuten und 24... begann er wieder zu zählen. Zählte einfach leise vor sich hin, um mit seiner Stimme vor den Lautsprechern zu verbergen, dass er weinte. ~~~ Kapitel 18 Ende~~~ (1) Ich will nicht zu viel voraus nehmen, ist aber an dieser Stelle vielleicht angebracht zu bemerken: In der japanischen Mythologie wurde Japan von der Göttern Izanagi und Izanami geboren. Also ist es Japan auf das Fye sich hier bezieht. Anmerkung. So, nächstes Kapitel. Ich bete, dass ich keine Hirnwindungen verknote, die noch im täglichen Leben gebraucht werden. Manchmal fürchte ich, dass ich zu kompliziert werde, aber bald, bald wird einiges klarer! Versprochen! 19.Kapitel stell ich morgen rein, ich bin so unglaublich müde... ich fall jetzt ins Bett und versuche zu schlafen.... Anmerkung 2 : Und ich weiß echt nicht, was mit Aimexx los ist oO jetzt haben sie das 12te Kapitel gelöscht. Verrückte Welt. Oo Versuchs noch mal hochzuladen und zwischen zu schieben und dann.. na ja, ihr werdet ja sehen, wenn diese FF wieder weg ist T T *krise* Die versprochene Mini-Timeline. Teil 1 0 Hochhaus - Szene +1 Tag: Einbruch in die Lagerhalle abend/Nacht des selben Tages: Rückkehr in den Hain +2 Tage: Verlassen des Hains und die Ereignisse in "Faint". 19. Kapitel - (Schnee) ---------------------- Misstrauisch besah sich der Krieger die junge Frau. Sie schien auf den ersten Blick keine Waffe bei sich zu haben, oder sonst irgendwie gefährlich zu sein. Aber der Magier sollte sich mal wieder einkriegen, auch wenn er sie – was wusste er woher – kannte, hatte sie doch nur das selbe Herz und dasselbe Gesicht und war nicht die Person, die er zu kennen meinte. Dem Magier schien das gerade herzlich egal zu sein, war schon auf sie zu gerannt, ihr heftig um den Hals gefallen und hatte sie fest in die Arme genommen. Verwirrt sah das Mädchen zu dem größeren Mann herauf, der sie so festen Griff hielt. „Fye... bist du das?“ Ein heftiges Nicken an ihrer Schulter war die Antwort und gerade fragte sich Kurogane, ob die beiden sich vielleicht aus dieser Welt kannten. Eben seine in Dauerschleife ablaufende Frage, was überhaupt los war. Er schaltete diesen Gedanken ab, es war eh sinnlos. „Oi, bekommt euch mal wieder ein...“, murrte er, doch die beiden schienen ihn gar nicht wahr zu nehmen. Das Mädchen schien Fye nun zu erkennen, schlang ebenfalls fest die Arme um ihn und begann jetzt auch noch los zu flennen! Genervt wollte sich Kurogane wegdrehen, doch er hatte keine Ahnung wohin er schauen sollte, also beobachtete er weiterhin dieses Bild. Normalerweise hätte er sich gefreut so offensichtliche Emotionen von dem Magier zu sehen, doch gerade wollte er überhaupt nichts denken. Vor allem nichts, was mit dem Verrückten zu tun hatte, der sich lieber von irgendwelchen Insekten missbrauchen ließ, als in ihm zu vertrauen. „Fye... wie kommst du hier her? Chi ist verwirrt...“ „Ich weiß es nicht Chi, ich weiß gerade gar nichts...“, nuschelte ihr Gegenüber heiser in ihr Haar. Die Kapuze war ihr durch die Umarmung heruntergerissen worden und offenbarte wie erstaunlich ähnlich sich die beiden sahen. Die selbe Haarfarbe, die selbe Hautfarbe, die selben einnehmenden blauen Augen, der selbe von Hitzeschleiern verschwommene blaue Himmel, der sich darin wieder spiegelte, sogar ihre Gesichtszüge ähnelten sich. Doch er hatte keine Lust mehr die beiden zu beobachten als er die Tränen auf dem Gesicht des Magiers sah. Er drehte sich weg und betrachtete wieder diesen künstlichen Teich mit den blasslila und roten Blütenblättern. Zu sehr schämte er sich für eine Sekunde Zufriedenheit empfunden zu haben, dass der Blonde auch einmal für ihn geweint hatte, auch wenn er es nie gesehen, sondern nur gespürt hatte... „Aber Fye... du bist verletzt... bist du müde? Hast du Hunger? Chi isst nichts, aber die Götter sind nicht böse, wenn wir uns etwas von den Opfergaben nehmen...“ „Danke Chi... aber bitte erzähl mir erst, ob es dir gut geht...“ „Chi geht es sehr gut! Manchmal ist Chi traurig, dass sie nicht nach draußen kann, wenn die Sonne so schön scheint und manchmal ist Chi auch einsam, aber die Götter beschützen Chi, deswegen will Chi ihnen gut dienen! Aber jetzt ist Fye da und Chi nicht mehr allein! Fye bleibt doch, oder? Hier ist Fye sicher, die Götter hier sind wirklich sehr freundlich, sie werden sicher auch Fye beschützen.“ „Wir sind nicht hier, um Wurzeln zu schlagen, verdammt noch mal“, unterbrach Kurogane ihren endlosen Redefluss ärgerlich, „wir wollen zur nächsten Stadt. Heute noch!“ Bestürzt und ein wenig eingeschüchtert drückte Chi ihr Gesicht gegen Fyes Schulter, der sie immer noch im Arm hielt. Doch dann sah sie wieder zu ihm hoch, den unfreundlichen fremden Mann ignorierend. „Fye bleibt doch bei Chi... ?“ „Ich glaube nicht, dass das geht, Chi. Kurogane und ich müssen Sakura, Shaolan und Mokona finden. Und dafür müssen wir in die nächste Stadt.“ Das Mädchen schwieg eine ganze Weile. Erst jetzt hörte man den Lärm von draußen dumpf zu ihnen hereindringen. Einen Moment war alles in unheimliches, blaues Licht gehüllt als ein Flugschiff an ihnen vorbei flog und vermutlich Werbung gegen die bunten Fenster projizierte, die in der beginnenden Dunkelheit allmählich ihre Farbe verloren. Kurogane war gar nicht aufgefallen, dass es dunkler geworden war, aber vermutlich waren einfach ein paar Lampen und Projektionen abgeschaltet worden. So spät waren kaum noch Menschen auf den Straßen, das hatte er in den wenigen Tagen, in denen er stundenlang mit dem Magier vergeblich nach den Kindern gesucht hatte, bereits gelernt. Nur auf dem Schwarzmarkt direkt vor diesem Gebäude war in der Nacht alles völlig überfüllt. Als er wieder zu den beiden sah, hatten sie sich voneinander gelöst und Chi nahm nun wieder munter Fyes Hand, um ihn mitzuziehen. „Aber Chi will dennoch mit Fye den Göttern einen guten Abend wünschen!“ „Okay~ wäre auch unhöflich, wenn wir einfach reinplatzen ohne hallo zu sagen“, stimmte der Magier sichtbar aufgemuntert zu und winkte Kurogane. „Kuro-sama~! Komm doch auch mit den Göttern hallo sagen~“ „Warum sollte ich?“, blaffte er zurück. „Na ja, es kann nicht schaden sich ein wenig Beistand zu holen, oder~?“ Kurogane gab ein schweres Seufzen von sich. „Ja, ja... bei unserem Glück...“ „Genau~“ Als er nicht gerade motiviert auf die beiden zu getrottet kam, nahm Fye wie selbstverständlich seine Hand und Chi zog sie dadurch beide mit zu einem Raum hinter den roten Vorhängen. Doch was Kurogane dort sah ließ seinen Atem stocken: So banal und provisorisch der Altar davor auch gewirkt hatte, für diesen „Tempel“ fiel ihm nur eine Beschreibung ein und zwar „prachtvoll“. Die Wände waren über und über mit wertvollen, dunkel– und hellblauen Tüchern behangen, der ganze Raum war durchwoben von schweren, dunklen Rauch, der nach Erde und getrockneten Früchten roch. Der Boden war überhaupt nicht zerkratzt, sondern wirkte als wäre er aus klarem Eis, das sich endlos in der Unschärfe verlor, überall funkelte es, und Kurogane begriff das es kristallen Spiegel waren, die den Raum noch größer schienen ließen. Erhellt wurde er von Fackeln, die scheinbar in der Luft schwebten und ein zartblaues Licht verströmten. In der Mitte des Raumes stand eine große Statue, genau so unförmig und unklar, wie die vor dem Gebäude, vor deren Füße sich silberne Schalen mit Essen und Blumen aufreihten. Das Mädchen, das sich Chi nannte, ließ die Hand das Magiers los und lief zu einem kleinen Tisch, der zwischen den fließenden Stoffen an den Wänden fast unsichtbar wirkte, holte eine Blumenkette hervor und hing sie anschließend der Statue um. „Nun ist alles schön geschmückt für den Schneetag, nicht wahr Fye?“ „Schneetag?“ „Ja, Chi hat geträumt, dass an diesem Tag etwas besonderes geschehen würde, aber dass Chi Fye wieder sehen würde hätte Chi nie geglaubt!“ „Und warum ist das so ein besonderer Tag? Es schneit doch immer.“ „Weißt du das nicht Fye? Aber Fye muss das doch wissen, schließlich hat Fye Chi davon erzählt... “ Der Ninja hatte endgültig genug davon sich nun auch noch von Fremden verwirren zu lassen. „Erklär doch verdammt noch mal, was das für n' Tag ist. Kapierst du nicht, dass wir nicht verstehen, was du von uns willst?“ Wieder sah das Mädchen zu ihm, als hätte er vor sie im nächsten Moment zu fressen – vielleicht war diese Angst nicht ganz unbegründet, denn wenn sie ihm weiter auf den Nerv gehen würde, verlor er ganz sicher seine Geduld! - und sah doch nur wieder zu Fye zurück. „Wer ist das...?“ „Das ist Kuro-pon!“, erklärte dieser breit grinsend. „Ein Freund?“ „Jap, ein Freund.“ Immer noch etwas scheu schien sie ihren Mut zusammen zu nehmen und ging auf den unfreundlichen Mann zu, der sie um gut drei Köpfe überragte. Kurogane versuchte nicht all zu böse dreinzublicken, was ihn angesichts seiner schlechten Laune nicht wirklich gelang. „Meine Name ist Chi...“, stellte die Kleine sich vor. Kurogane schätzte sie vom Aussehen auf 18, 19. Sie redete jedoch eher wie eine Zwölfjährige. „Hab ich mitbekommen“, antwortete er ihr. Schließlich nannte sie sich selbst immer beim Namen, musste er unbedingt bei so etwas Nervigen seine Zeit verschwenden? Auch wenn ihn das hier beeindruckte... „Chi.... Chi ist auch ein Freund von Fye... können wir nicht auch Freunde werden?“ Langsam kam Kurogane der Verdacht auf, dass die beiden Zwillinge sein könnten. Schwer atmete er durch, sagte aber nichts. „Ach Kuro-wanwan~“, mischte sich jetzt auch Fye ein und legte dem Mädchen von hinten eine Hand auf die zierliche Schulter. Sie war schon wieder den Tränen nahe. „Du solltest wirklich an deinen sozialen Fähigkeiten arbeiten!“ Wenigstens war der Magier wieder aufgetaut, so normal war er kein einziges Mal gewesen, seit sie sich hier wieder getroffen hatten. Noch ein schweres Seufzen verließ die Lungen des Kriegers. „Okay, okay, von mir aus.“ Plötzlich lächelte das Mädchen übers ganze Gesicht. „Chi freut sich! Dann wird Chi auch für Kuro-pon beten!“ „Mein Name ist Kurogane, verdammt!“ Doch das Mädchen hörte ihn gar nicht mehr, sondern war vor der Statue auf die Knie gegangen und begann unverständliche Worte vor sich hin zu brabbeln. Währenddessen ließ Kurogane sich auf dem Boden nieder und schloss die Augen. Der Lärm war in diesem Raum völlig ausgeblendetund das Licht hatte etwas unglaublich beruhigendes, das ihn augenblicklich entspannen ließ. Fye setzte sich neben ihn und sah mit einem gedankenverlorenen Lächeln durch den Raum. „Schön ist es hier, nicht wahr?“ „Hm..“, brummte der Krieger und hielt die Augen weiterhin geschlossen. „Ich frage mich, wieso es hier so etwas hier gibt... und warum nur Chi hier ist.. .“ „Keine Ahnung“, brummte Kurogane abwesend. Die gemurmelten Worte des Mädchens klangen eine ganze Weile durch den Raum und irgendwann kam eine zweite Stimme hinzu. Kurogane hatte schon die ganze Weile die Augen geschlossen gehalten, und nach einer Weile war es ihm gelungen einfach nichts zu denken. So hatte er auch nicht bemerkt, dass Fye den Platz neben ihn verlassen hatte und sich zu Chi vor die Statue gekniet hatte. Die Hände genau so wie sie gefaltet sprach er einfach ihre Worte nach. Es klang seltsam und fremd in seinen Ohren, dennoch hatte er das Gefühl, dass diese Sprache viel besser zu dem Magier passte als das Japanisch, was Mokona sonst und nun dieses Gerät in seinem Arm übersetzte. Zum ersten Mal fragte sich Kurogane, wie Fyes Muttersprache wohl klingen mochte. Ab und an korrigierte Chi Fyes Worte mit einem offenen Lachen und auch das Lächeln des Magiers schien weniger gefälscht als sonst. Kurogane konnte nichts anderes tun als die beiden die ganze Stunde, in der sie zusammen dort knieten, zu beobachten und sich zu wünschen, dass es immer so wäre. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Der Schneetag ist der erste Tag des Winters! An diesem Tag sind die Sterne immer ganz klar und Götter der warmen Tage kommen zu Ruhe. Aber bevor sie sich schlafen legen, hören sie noch einmal allen Elementen und magisches Wesen zu und empfangen ihre Bitten“, erklärte das Mädchen, während sie würziges Brot aus einen der Silberschalen aßen. Kurogane schlang alles gierig herunter. Er hatte zwar bei Souma gegessen, aber wie lange er auch bewusstlos gewesen war wusste er nicht und Fakt war, dass er Hunger bis unter die Knie hatte. „Deswegen haben die Menschen an diesem Tag auch oft geheiratet, denn wenn die Götter ihr Versprechen hören, ist der Ehe viel Glück beschert. Außerdem ist das die letzte warme Schneenacht vor dem Winter und das ist besser, wenn man heiratet.“ „Schneit es in diesem Land eigentlich immer?“ „Ja, immer. Es war nie anders. Chi weiß nicht viel darüber, aber Fye hat Chi doch erklärt, dass es damals nicht so viel Stürme gab und man noch außerhalb der Städte leben konnte...“ Vermutlich eher sein Spiegelbild, dachte sich Kurogane im Stillen. Manchmal war es echt verwirren, dass sie ihre Ebenbilder in anderen Welten wieder treffen konnten. Er hoffe inständig nie das Ebenbild des Magiers zu treffen, zwei von der Sorte würden ihm den letzten Nerv rauben. Doch eines verwunderte ihn doch, und da es auch solche Bräuche und Glauben in seiner Welt gab, fragte er nach. „Wieso muss es warm sein, wenn die Leute hier heiraten?“ „Na, weil die Frischverlobten sich sonst eine Erkältung holen!“ „Das verstehe ich nicht ganz...“, gab nun auch Fye zu, während Kurogane noch mit seiner Verwirrung zu kämpfen hatte. Es gab viele Dinge, die er in anderen Welten nicht verstand, aber diese Welt hielt bisher den Rekord an Unverständnis. „Wenn man heiratet, schläft man noch in der selben Nacht zusammen im Schnee und wenn sich dabei niemand eine Erkältung holt, sind die beiden füreinander bestimmt! Wenn doch, dann steht ihnen eine schwere Prüfung bevor und sie müssen sehr gut auf sich achten, denn ihre Ehe steht unter keinem guten Stern. Aber Kinder, die in so einer Nacht gezeugt werden, sind meist sehr Magie begabt und werden „Schneekinder“ genannt. Früher haben alle Leute an diesem Tag geheiratet, deswegen gab es immer viele Magiebegabte.. aber nun nicht mehr, denn kaum jemand feiert den Schneetag noch... Kommt Kuro-pon nicht von hier, dass er das nicht weiß? Oder warst du in den Laboren?“, fragte sie offen heraus. Sprachlos sah der Krieger das Mädchen an. „Sie tun was?!“ „Im Schnee schlafen.“ „Die ganze Nacht?“ „Ja, die ganze Nacht. Deswegen ist es wichtig, dass der Schnee warm ist.“ „Warmer Schnee?“, vergewisserte sich der Ninja zweifelnd. „Ja, warmer Schnee“, wiederholte sie geduldig. „Is' ja romantisch!“, rief Fye gutgelaunt aus und griff nach einem weiteren Stück Brot. Kurogane war ein wenig fassungslos, das war ja das verrückteste was er je gehört hatte. Wer schief den bitte schön die ganze Nacht freiwillig im Schnee?! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurogane sah immer wieder zum Fenster, das einzige im Gebetsraum. Auch hier war das Glas zum Teil herausgebrochen und die offenen Stellen waren sorgfältig mit cremefarbigen Papier abgedeckt worden, durch das nur schwach das Licht von draußen drang. Die Rückseite des Gebäudes war vom Schwarzmarkt abgewandt, hin zu den unzähligen, stinkenden Gassen und sowohl der Gestank, wie auch das Plätschern des grünen Flusses drang zu ihnen hinein, unfähig völlig von den Räucherdüften verdeckt zu werden. Doch von dem lärmenden Markt direkt vor ihrer Tür war hier nicht zu hören, eine andächtige Stille herrschte hier, nur die permanenten – beruhigend lebendigen – Stimmen seines Reisekameraden und des Mädchens durchbrachen sie. Lebendig, anders als das ewige Rauschen, das Arbeiten dieser toten Maschinen, was endlich völlig verschwunden war. Kurogane kam dieser Tempel fast wie eine andere Welt vor, abgeschottet und unerreichbar fern vom Hain und der funkelnden Stadt, obwohl sie die mächtige Doppeltür nur mit leichter Kraft aufschieben konnten und sie wären wieder genau dort. Schwach schien das bläuliche Licht eines Luftschiffes durch das bunte Mosaik und Kurogane schloss für einen Moment die Augen. Es tat gut sich einmal ausruhen zu können. Nötiger als sein Körper hatte es gerade sein Geist sich einmal treiben zu lassen und zu entspannen. Er hatte sich etwas abseits der beiden gesetzt. Wie überall in der Stadt war es hier angenehm warm und stickig, die schwere Luft von Düften und Rauch durchsetzt, die seinen Geist benebelten. Er wollte so schnell wie möglich weiter, am besten noch in dieser Nacht, aber wenn sie wirklich durch Schneestürme laufen mussten, sobald sie die Stadt verließen, mussten sie Kräfte sammeln. Und nachts im Schnee war es viel zu gefährlich. Und definitiv zu kalt. Außerdem bezweifelte er, dass dieses zierliche Mädchen, noch weniger als ChuNyan, die wenigstens gewitzt war, sie tatsächlich führen könnte. Sie hatte ja nicht einmal was gegessen... Schwer atmete er ein weiteres mal aus und zog dadurch die Aufmerksamkeit der beiden auf sich. Sich unsicher etwas nähernd, setzte das blonde Mädchen ein gutmütiges, irgendwie naives Lächeln auf. „Ist Kuro-pon müde? Kuro-pon kann sich auf Chi's Schlafstädte legen...“ „Ah.. schon in Ordnung. Sag mir lieber, ob du jemanden kennst, der uns zur nächsten Stadt führen kann.“ Überlegend legte sie den Kopf bei Seite, ihr langes blondes Haar fiel dabei nach vorne auf ihre Brust und verschwand unter den weiten Falten ihres Gewandes. „Hm... Chi kennt den Weg, aber Chi kann hier nicht weg.“ „Weil du aus den Laboren kommst?“, fragte Fye nach. Das Mädchen sah den Magier etwas traurig an. „Ja... sie würden es merken... Die Götter beschützen Chi in den heiligen Städten, aber wenn Chi magielosen Boden betritt, dann nicht... Chi will nicht zurück... auch wenn Chi Fye gerne hat.. Chi will auf keinen Fall zurück...“ Sie war den Tränen nah und wimmernd drückte sie ihr Gesicht gegen die Ärmel ihrer weißen Robe. Am ganzen Körper zitternd, schien sie sich auch dann nur schwer zu beruhigend, als der Magier sie in die Arme zog. „Pscht..“, flüsterte er ihr ins Ohr, als wäre sie ein kleines, weinendes Blag, „ist doch schon okay, das verlangt ja gar niemand von dir, Chi..“ Der Krieger drehte einfach nur den Kopf weg. Wie krank war diese Welt eigentlich, dass sie jeden in ihr in Angst und Schrecken versetzte? In seinem Land gab es auch Überfälle und Mord, Landlorde die ihre Untergebenen unterdrückten und es wurden auch Kriege geführt. Doch in Japan war es auf keinen Fall so schlimm wie hier, davon war er überzeugt. Er hatte den Eindruck, dass bei diesen Leuten jegliches Gefühl von Anstand und Achtung durch die Umstände, in denen sie lebten, flöten gegangen waren und nur noch 'Fressen und Gefressen' werden als einzige feste Regel stand. Höflichkeit und Hofetikette, das waren Dinge mit denen er sich nie hatte anfreunden können und wollen, aber zumindest achtete er – es sei denn es waren Attentäter – seinen Gegenüber als Mensch und Gegner. Dieses grundlose Töten und Unterdrücken kam ihm gerade sinnentleerter als jeder Krieg vor. Hier gab es nichts wofür es sich einzustehen lohnte, alles was man in dieser Welt tun konnte, war irgendwie am Leben zu bleiben. „Was sind das für Labore von denen ihr dauernd sprecht?“, fragte er immer noch wütend. Auch 'Hime' und Shaolan hatten davon gesprochen. „Chi weiß es nicht..“, schluchzte sie, „Chi weiß nur, dass sie nur Erinnerungen hat, in denen sei in den Laboren ist ... und an Fye..“ „Ich kann mich nicht erinnern je dort gewesen zu sein“, gab der blonde Mann zu und streichelte seinem weinerlichen, weiblichen Ebenbild über das lange, weiche Haar. „Du hast es vergessen?“ Fye zuckte mit den Schultern. Er brachte es offensichtlich nicht fertig, dem Mädchen weiterhin vorzumachen, er sei jemand anderes. Dass er nie in den Laboren gewesen war, aus einer anderen Dimension kam und der Freund, den sie hier kannte, vermutlich längst tot war. „Ja, alles...“ „Ach so... aber... an Chi erinnerst du dich doch noch, oder..?“ „Ich weiß, dass ich dich gerne habe... und ich fühle, dass ich dich kenne.“ „Dann ist Chi nicht traurig! Auch wenn man alles vergisst, solange die Gefühle bleiben, braucht man nicht traurig sein! Denn Gefühle sind viel wichtiger als Erinnerungen, weil da niemand ran kommt. Sie gehören einem ganz allein und nichts und niemand kann sie rauben oder ändern. Das hat Fye selbst gesagt, auch wenn Fye sich nicht mehr erinnert!“ „Du weißt verdammt viel über die Bräuche dieses Landes, dafür dass du nie draußen warst“, bemerkte Kurogane kritisch. „Das hat mir alles Fye erklärt! Aber die Leute in dieser Stadt wissen das alles nicht mehr... sie sagen es gäbe keine Magie mehr... oder dass sie schlecht ist, weil sie ihnen das Leben aussagt. Aber das ist gar nicht wahr, sie ist nicht böse! Niemand ist böse, nur traurig oder einsam...“ Noch während sie sprach sah sie Fye mit überraschend viel Gefühl an, das selbst für Kurogane nicht gespielt wirkte. „Hab ich das auch gesagt?“, fragte dieser leise. „Fye hat Chi viele Dinge breigebracht... Chi hat die Menschen gefragt, die manchmal noch hier herkommen... sie sagten, so etwas nennt man „Vater“..“ Kurogane zog seine Augenbrauen zusammen. Auf den Gedanken war er noch so gar nicht gekommen. Das würde die Ähnlichkeit der Beiden erklären. Das erste Mal fragte er sich, ob der Magier bei der Flucht aus seinem Heimatland eine Familie zurück gelassen hatte... Es klopfte plötzlich und das Knarren der Flügeltüren riss Kurogane wieder aus seinen Gedanken. Chi und Fye waren fast gleichzeitig verstummt und Kurogane legte seine Hand auf den Griff des immer noch etwas blutigen Schwertes. Schritte hallten durch den Saal, zwei Personen waren es, nicht besonders schwere – also keine Wächter in Rüstungen, gut, dann waren sie schnell zu erledigen- und ihre Schritte waren unsicher. „Hallo?“, rief eine Mädchenstimme unsicher und der Krieger erkannte sie als Sakuras. Die Miene des Magiers hellte sich schlagartig auf und er lief nach draußen. „Hime!“ Kurogane nahm die Hand von seinem Schwert und folgte dem leichtsinnigen Idioten. Hatte er auch nur eine Sekunde in Erwägung gezogen, dass es sich um eine Falle handeln könnte? Doch die beiden Kinder, die in dem Mittelganz zwischen den rotüberzogenen Sitzreihen standen, waren tatsächlich Shaolan und seine Adoptivschwester. Die aus dieser Welt stammenden Kinder, nicht ihre Reisekameraden, erkannte Kurogane kurz darauf an ihrer Aura. „Wir hätten nicht gedacht, euch hier zu treffen“, gab der braunhaarige Junge erleichtert zu. „Ihr wart plötzlich verschwunden.“ „Sind denn noch Leute im Hain?“ „Nein.. sie wurden evakuiert..“, Sakuras Stimme – Himes, verdammt noch mal! - klang ungewohnt eingeschüchtert, besonders im Kontrast zu ihrer Gewitztheit einen Tag zuvor. Doch wer konnte ihr das verübeln, bei dem was sie mit hatte ansehen müssen? Kein Kind sollte so etwas sehen, doch Kurogane wusste, dass dieses „sollte“ meist weit von der Realität entfernt war. Das Leben nahm nun mal keine Rücksicht darauf, wie alt man war. „Wir wohnen auch gerade bei ChuNyan“, erklärte Shaolan. „Sie ist in der großen Wohnung eh ganz allein...“ „Ihr drei seid dort allein?“ „Ja, ChuNyans Mutter ist vor zwei Jahren gestorben.“ Das Gesicht des Junges hellte sich etwas auf, als er Chi entdeckte. „Chi! Hallo!“ Das blonde Mädchen, das ihnen nur zögerlich gefolgt war, lief nun auf die beiden Kinder zu und nahm sie zur Begrüßung breit lächelnd an den Händen. „Shaolan! Hime! Chi freut sich!“ „Wir uns auch, Chi“, Hime drückte ihre Hände etwas fester und schien endlich nicht mehr so unsicher. „Tut mir Leid, dass wir so lange nicht kommen konnten.“ „Chi ist nicht böse. Chi hat immer für euch zu den Göttern gebetet und es hat geholfen! Es geht euch gut!“ „Ja. Wir haben in letzter Zeit viel Glück gehabt.“ Kuroganes Blick fiel auf die immer noch bandagierten Arme des Jungens. Er hatte sich diese Verletzung geholt als er bei ihrer Suche nach den Kindern durch ein Schaufenster geflogen war. „Oi. Habt ihr Hunger?“ „Oh ja, stimmt ja!“, griff Fye die Idee auf, „wir haben noch etwas zu Essen. Ihr habt sicher Kohldampf!“ „Und wie!“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sie saßen noch die ganze Nacht beisammen, aßen gewürztes Brot und tranken Wasser aus dem See. Die Kinder waren erschöpft, aber viel zu aufgeregt, um zu schlafen und viel zu beschäftigt Chi zu erzählen, was gerade in der Stadt vor ging. Kurogane hörte nur auf halben Ohr zu und der Magier war an seiner Seite zusammengerollt schon vor einer ganzen Weil in einen tiefen Schlaf gefallen. Zum Glück war es hier warm, auch wenn der Boden hart war. Kurogane schloss die Augen und versuchte ebenfalls etwas zu schlafen. Die Stimmen der Kinder und das leise, regelmäßige Atmen erinnerte ihn an ihre Reisen und beruhigte ihn. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der nächste Morgen erwartete sie mit dem gewohnten Lärm. Geplapper von Hologrammen, Musik aus Lautsprechern, Stimmengetöse, das Quietschen der Stege. Shaolan hatte sich bereit erklärt sie auf halben Wege zur nächsten Stadt zu führen, während seine Schwester hier bei Chi blieb. Zwischen dieser und der nächsten Stadt namens 'Omehlas' gab es eine Zwischenstation, eine verlassene Lagerhalle für Baumaterialen, aus der Zeit als die Stadt noch nicht fertig gebaut war. In der könnten sie übernachten und ohne Problem einen Führer finden. „Kurogane? Fye? Kommt ihr?“, fragte der Junge, der schon vollkommen in schneetaugliche Kleider gehüllt war. Kurogane brummte nur und rüttelte den Magier wach. „Hey, aufwachen. Es geht los.“ Zur Antwort bekam er nur ein müdes Murren. „Schlafe nicht... schlafe nie... kann nicht schlafen...“ Hime, die schon wach war, lächelte sanft. „Das sagt Fye jedes Mal, aber schläft dennoch wie ein Stein. Chi hat euch etwas Proviant zusammengepackt. Allerdings schläft sie jetzt, sie war gestern zu lange wach und hat sich überanstrengt.“ „Ah.“ Noch einmal rüttelte er an dem schlafenden Mann und endlich machte dieser sein nicht bandagiertes Auge auf. Kurogane stand auf und vergewisserte sich seines Schwertes. Der Weg aus der Stadt führte wieder über unzählige wackelige Stege hinweg, durch zig Hintergassen, genau in eine Wohnung am Rand der Stadtmauer. Die Leute waren hier gut organisiert, stellte der Krieger abermals fest, als sie ohne große Umschweife in den Keller geführt wurden, wo ein geheimer Gang sie direkt nach draußen brachte. Und zur Hölle!, diese Welt war wirklich kalt! Weiß so weit man blickte. Weiß und kalt zerrte der Wind heftig an seinen Kleidern und nach wenigen Sekunden war sein Gesicht taub. „Fiuu~ ganz schon frisch hier~“, bemerkte der Magier mal wieder gut gelaunt und Shaolan lächelte nur schief. „Ja, aber wir haben Glück. Das Wetter ist gut.“ Sie waren eine ganze Weile durch den niedrigen Gang gegangen, so dass sie schon weit weg von den Stadtmauern waren. Hinter ihnen ragte in weiter Ferne ein schwarzer Schatten am Horizont auf, doch der Schnee fiel so heftig, dass es auch eine Sinnestäuschung sein könnte. Über ihnen zog sich der grauweiße Himmel scheinbar endlos dahin. Kurogane empfand diese Weite regelrecht als Befreiung. In der Stadt war es stets so eng, überfüllt und stickig gewesen, hier konnte er endlich frei atmen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Sie marschierten bis zum Abend ohne längere Rast. Der Junge hatte ihnen erklärt, dass sie es an einem Tag bis zur Zwischenstation schaffen mussten, weil die Nacht viel zu kalt sein würde, um draußen zu bleiben. Der Schnee knisterte bei jedem Schritt unter ihren Stiefeln und gegen Mittag ließ auch der Sturm nach. Stille breitete sich aus, die nur von ihrem Atem und Schritten unterbrochen wurde. Diese weiße Landschaft strahlte eine tiefe Traurigkeit aus, eine Melancholie, so weit und leer und rein, dass sie schon fast wieder tröstend wirkte. Kurogane kam dieses Gefühl so unsagbar bekannt vor. Er beschleunigte seine Schritte und schloss mit dem Magier auf. „Sag mal, heißt dieses Land Ceres?“, fragte er plötzlich ohne selbst zu wissen, woher dieser Gedanke kam. Überrascht sah ihn sein Reisekamerad an. „Nein, der Name dieses Landes ist 'Niaolli'. Wie kommst du auf diese Idee?“ „Ah.. nur so. Der Schnee und die Traurigkeit passen zu dir.“ Fye wand seinen Kopf in einer nachdenklichen Weise wieder nach vorne. „Kennst du mich so gut, dass du das sagen kannst?“ „Ich bin nicht blind.“ „Magie bedeutet in meiner Sprache 'das, was man nicht sieht'. Diese Welt ist voller Magie.“ „Ah.“ „Du musst mir noch ein Märchen erzählen.“ Kurogane musste ebenfalls sein Gesicht abwenden, um den Mann vor sich nicht anzusehen. Er erinnerte sich also... er selbst war sich nicht sicher gewesen, ob das alles doch nur ein Fiebertraum gewesen war. “Ja, ja, mach ich.... später.“ „Yuchuu~!“ „Wenn du das noch weißt, dann erkläre mir deine Worte davor.“ „Davor? Wovor?“ „Bevor du mich gebeten hast, dir später ein Märchen zu erzählen.“ Bisher war es einfach nur flach gerade aus gegangen, aber jetzt fiel ihr unsichtbarer Weg etwas ab und sie mussten darauf achten das Gleichgewicht nicht zu verlieren. „Davor hab ich nichts gesagt, du hast doch geschlafen. Ziemlich schlecht sogar, ich dachte schon du stirbst.“ Es dämmerte und ihr junger Führer beschleunigte ihr Tempo. Dennoch war es schon eine ganze Weile dunkel und bitterkalt, als sie erschöpft und durchgefrohren an ihrem Zwischenziel ankamen. Hätte Shaolan sie nicht darauf aufmerksam gemacht, hätten sie es sicherlich übersehen. Die kleine Lagerhalle war fast vollkommen im Schnee versunken und davon bedeckt. Und dort, wo der Schnee nicht haften blieb, hingen weiße Planen zur Tarnung. Doch die Dunkelheit war ihnen zu Gute gekommen, schon von weitem war ein schwaches Glimmen zu erkennen, welches das Licht verriet, das im Inneren warm glühte. „Und hier finden wir wirklich jemand, der uns führt?“ Kurogane war so kalt, dass sich selbst seine Stimmbänder anfühlten als wären sie erfroren. Den Schal bis zur Nase hochgezogen und tief in seiner Kapuze vergraben, sparte sich Shaolan ein Nicken, sondern klopfte nur so hart wie es mit seinen starren Händen ging gegen die Eingangstüre. Sie warteten, doch keine Antwort. Der Junge klopfte noch einmal, wenn sie nicht bald aus dieser Kälte herauskamen, würden sie einfach erfrieren! Es kam nicht zu einem weiteren Versuch, obwohl Shaolan gerade dazu angesetzt hatte, denn der Krieger zog ihn einfach von der Tür weg und trat sie kurzerhand ein. Warmes, helles Licht fiel ihnen vor die Füße und ein alter Mann, auf eine Krücke gelehnt, lächelte sie freundlich an. „Herzlich Willkommen, meine stürmischen Wanderer. Wenn ihr noch so viel Kraft habt Türen einzuschlagen, werdet ihr mir sicher nicht böse sein, dass ich euch warten gelassen habe. Meine alten Knochen erlauben keinen Dauerlauf mehr, müsst ihr wissen. Würdet ihr bitte die Tür zurück in die Angeln heben?“ Kaum auf das Gebrabbel des Alten achtend taumelten die drei herein und sobald sie warmen, trockenen Boden unter den Füßen hatten, sanken der Junge und der Magier erst einmal erschöpft auf die Knie. Der Krieger lehnte sich gegen die Wand und schloss für eine Minute die Augen. Die Kälte hatte jeden Gedanken für eine Sekunde weggewischt und die Erschöpfung war schier übermächtig nach all den anstrengenden Tagen. Doch die Eiseskälte drang herein und so drehte sich Kurogane zur Tür zurück, um sie wieder in ihre Verankerung zu heben. Kurz darauf kamen auch andere Leute angelaufen, wickelten sie aus ihren nassen Kleidern und in weiche Decken, und brachten sie nahe an einen glühenden Ofen. Dem Jungen waren längst die Augen zugefallen, nur die beiden Erwachsenen hielten sich noch krampfhaft wach. Die Menschen um sie herum, vielleicht zwanzig Stück, waren überwiegend alt und gebrechlich. Ein ungewohnter Anblick nach all den jungen und gesunden Menschen in der Stadt, selbst die Bewohner des Hains waren überwiegend sehr jung gewesen. Die Halle war klein, nicht größer als ein Garten, die trüben Fensterscheiben waren abgedeckt und um den Ofen herum stand Kochgeschirr. Er diente den Leuten wohl als Feuerstelle. Ein alter Mann nahm gerade ein paar glühende Steine aus dem Ofen, wickelte sie in Tücher und legte sie ihnen unter die Decken. Überall waren Hände, die ihr feuchtes Haar trockenrieben, Hände, die ihnen Decken umlegten, Hände, die ihnen heißen Tee einflößten und einen süßlich schmeckenden Brei anboten. Die ganze Zeit ließ Kurogane sein Schwert nicht los, vielleicht war er einfach nur paranoid geworden, aber er musste sich erst noch vergewissern, ob sie auch wirklich in Sicherheit waren. Der Magier lächelte ihn nur müde von der anderen Seite des Ofens an, der Dampf des Tees stieg vor seinem Gesicht auf und das vereinzelte klare blaue Auge schien Kurogane der einzige Farbklecks in seiner vor Müdigkeit immer dunkler werdenden Welt. Plötzlich fühlte er etwas seltsames, ein Ziehen in seinem Oberkörper, das ihn zu dem lächelnden Mann hinzog. Doch er war zu müde, er musste warten bis er seine Kräfte gesammelt hatte, um diesem seltsamen Eindruck auf den Grund zu gehen. ~~~~~~ Kapitel 19 Ende~~~ Anmkerung: So ^^ ein weiteres Kapitel! Ich glaube man merkt, dass ich bei der Entstehung dieses Kapitels Kawabata's Schneeland gelesen habe. Anmerkung: So. Sorry, dass es mit dem Re-hochladen solche Probleme gab. War ziemlich durch den Wind XD und animexx hat dauernd Kapitel gelöscht und ich kam nicht drauf, wie man sie verschieben kann etc, etc. Aber jetzt ist Weihnachten ja vorbei und ich habe meine Nerven wieder vom Weihnachtsbaum genommen und in meinen Kopf gepackt. 20. Kapitel - (Die Bambusprinzessin) ------------------------------------ Kommentar: In desem Kapitel: Sex. ______________________________ Sie wurden in Ruhe gelassen, schweigend saßen sie an der Wärmequelle und tranken Tee. Plötzlich stand der Magier auf und setzte sich neben ihn. "Also, Kuro-sama? Du wirst doch nicht dein Versprechen vergessen haben?“ "Jetzt?“, fragte Kurogane etwas ungläubig. "Ja, jetzt~“ Ein schweres Seufzen verließ seine Lippen, doch schon zupfte der Blonde an seiner Decke und trug dabei genau dieses Grinsen, von dem er wusste, dass er keine Ruhe bekommen würde. Doch er war zu müde, zu präsent waren noch die Bilder aus dem Hain, als dass er glauben konnte, alles wäre jetzt wieder in Ordnung. In einer schnellen Bewegung legte er die Hand auf Fyes Gesicht, achtete darauf nicht die Wunde zu berühren. Sein Gegenüber zuckte etwas zurück, doch ließ er seine Hand da. „Bleib so. Ich kann es nur nicht ansehen.“ Sie schwiegen. Fyes Haut war angenehm warm unter seinen immer noch schmerzenden Händen. "Schlaf.“ "Aber-" "Erzähl' ich dir morgen. Das ist ein Versprechen.“ Fye löste sich von der Hand des Kriegers und kauerte sich auf den Boden, den Kopf auf Kuroganes Oberschenkel gelegt. Ein wenig unsicher sah er zu ihm hoch, bevor sie miteinander die Nacht verbracht hatten, war wirklich alles einfacher gewesen. Kurogane starrte einfach nur in das rötliche Glimmen des Ofens und gab damit seine Einverständnis. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurogane schlief tief und fest. Schwarz und traumlos. Als er erwachte dämmerte es bereits. Die Planen wurden bei Tage entfernt und silbernes Licht strömte durch die trüben Scheiben. Der Junge und der Magier waren nirgendwo zu sehen, die wenigen Menschen schienen beschäftigt. Flach auf dem Rücken liegend, sein Schwert direkt neben ihm, starrte er gegen die Decke. Und nun waren sie hier. Sobald sie ihre Kräfte gesammelt hatten, würden sie weiterreisen. Aber Kurogane hatte beschlossen, dass egal wie viel Sorgen er sich um ihre jüngeren Reisekameraden machte - ein Wunder, dass er sich überhaupt welche machte – er Rücksicht auf den immer noch verletzten Magier nehmen musste. Auch wenn dieser Idiot nichts sagte, vor nicht einmal einer Woche wäre er beinahe gestorben. Selbst mit weiterentwickelter Technik und großen Selbstheilungskräften konnte die Verletzung noch nicht ganz geheilt sein. Und der Junge war bei der Prinzessin, er war stark und entschlossen. Er sollte sich wirklich nicht so viele Sorgen machen. Manchmal kam im der Gedanke, dass er unterbewusst versuchte die fehlende ständige Dauerbemutterung der Kinder durch den Magier irgendwie zu kompensieren. Er hatte sich so sehr an ihre lebhafte Gruppe gewöhnt, dass ihm das Schweigen des Magiers schier wahnsinnig machte. Mit einem Ruck stand der Krieger auf. Die Bemühungen der Leute hatten gewirkt, ihm war überhaupt nicht mehr kalt und er fühlte sich ausgeruht. Er fand den Magier draußen. Seine Fußspuren waren vom Schnee bedeckt, aber noch deutlich. Wenige Meter führten sie von der Halle weg zu einem leichten Hügel. In seinen weißen, warmen Mantel gehüllt, stand der andere Mann ganz aufrecht, die Hände erhoben, als wollt er die Schneeflocken fangen. Schnee knisterte unter seinen schweren Stiefeln als Kurogane näher kam, aber Fye nahm ihn gar nicht wahr. Gerade wollte er etwas sagen als der Magier auf einmal den Hang hinunter sprintete, die Arme ausbreitete und sich um sich selbst drehte wie ein kleines Kind. Verdutzt beobachtete Kurogane dieses Bild. Vom Eingang aus hatte das Bild des Magiers in der weiß-bläulichen Dämmerung, umgeben von all dem Schnee, herzzerreißend melancholisch gewirkt. „Oi.“, machte Kurogane auf sich aufmerksam. Der Magier hielt breit grinsend inne und sah ihm vom Fuß des Hügels aus direkt in die Augen- und plumpste kurz darauf mit einer eher uneleganten Bewegung und verdutztem Gesichtsausdruck rücklings in den weichen Pulverschnee. So ein Idiot..., dachte sich Kurogane zum tausendsten Mal und stampfte auf den im Schnee Liegenden zu. „Hast du gestern nicht genug Schnee abgekriegt?“ „Ich habe nie genug von Schnee!“, verkündete der Magier lachend. Dieses Lachen klang so laut und echt, als käme es direkt aus seiner Brust. War das wirklich noch der verschlossene Mann, mit dem er die Reise angetreten hatte? Verwirrend war er nach wie vor. Der Ninja wollte einwenden, dass er nie gesund wurde, wenn er sich auch noch unterkühlte, doch er hielt lieber den Mund. Geduldig wartet er bis der Magier seinen Lachanfall überwunden hatte. Man konnte beobachten, wie es Minute für Minute immer dunkler wurde. Nuance für Nuance veränderte sich das weiß-blaue Licht erst zu einem tiefen blau, dann zu schwarz. Der Schnee rieselte in dicken Flocken zu ihnen hinab und als Kurogane in sein Haar fasste, bemerkte er, dass die Flocken schon geschmolzen waren. „Siehst du die Sterne, Kurogane?“, fragte eine Stimme aus dem Schnee. Er sah nach oben, ja zwischen all den grau-weißen Flocken waren ein paar kräftig leuchtende Punkte sichtbar. „Ah..“ „Was sind Sterne in Japan?“ „Genau das selbe, sie sehen genau so aus.“ „Ich meine, welche Bedeutung haben sie?“ „Komm aus dem Schnee, oder wir können morgen nicht weiter, weil du krank bist.“ „Erst wenn du mir die Bedeutung erklärst! Außerdem hat Kuro-wawa immer noch ein Versprechen zu halten! Der heutige Tag ist bald um, schau, es ist schon dunkel.“ „Es sind usere Ahnen, was sonst?“ „Vorfahren?“ „Ja“ „Die Sterne sind eure Vorfahren?“ „Nein, sie sind nur da.“ „Warum? Um über euch zu wachen?“ Ob seine Eltern das taten? Ob sie ihn die ganze Zeit über beobachtet hatten? Was sie wohl von ihm dachten, was - „Nein, wo sollen sie denn sonst sein? Irgendwann werden sie wieder geboren. Aber dafür müssen mindestens 104 Jahre vergehen. Was glaubt man in Ceres?“ „Ich weiß es nicht.“ Kurogane ging hin und holte den Idioten aus dem Schnee. „Du bist doch Magier, erzähl mir nicht, dass du das nicht weißt.“ „Woher soll ich denn wissen, was nach dem Tod ist?“ Er sah ihm nicht in die Augen. „Und was denkst du?“ „Ich denke die Menschen schlafen einfach und wachen nie wieder auf.“ „Und Wiedergeburt?“ „Tot ist Tot. Vielleicht geht die Magie auf jemand anderen über oder schwebt im Raum herum. Aber ich habe keine Ahnung. Ist ja auch irrelevant. Mit dem Tod... ist alles endgültig, endlich vorbei...“ Die Richtung und der Ton, den Fyes Worte angenommen hatten gefielen Kurogane nicht. Immer noch hatte er Fyes Arm umgriffen, immer noch starrte sein Gegenüber irgendwo auf seine Brust und nicht in seine Augen. „Und warum willst du dann sterben?“ „Kurogane. Du tust es schon wieder!“, schmollend sah ihn Fye nun doch direkt an und machte sich los. „Du stellst schon wieder Fragen, dabei hast du doch versprochen das nicht mehr zu tun! Böser Kuro-wanwan! Mach Sitzt~“ Entnervt machte der Krieger einen Schritt nach vorn und packte ihm am Kragen. „Hör. Auf. Damit.“ „Womit?“, fragte Fye, abwesend scheinend. Kurogane fragte sich, ob er wieder Fieber hatte. „Mit dieser Schauspielerei!“ „Wenn du Antworten erzwingst, bekommst du nur Lügen zu hören. Wenn du wartest, erzähl ich dir die Wahrheit. Irgendwann.“ „Ich habe genug gewartet, verdammt noch mal!“ „Aber Kuro-sama! Nicht gleich laut werden und so grimmig! Gefährlich! Sexy! Aber denk an die Falte! Die Falte zwischen deinen Augenbrauen ist schon wieder tiefer geworden. Du solltest wirklich -“ Was der Krieger Fyes Meinung tun sollte, erfuhr der Krieger nicht mehr, denn wütend schüttelte er den Magier einmal heftig und schmiss ihn in den Schnee. „Ich habe genug gewartet! Hör auf mir etwas vor zu machen! Hier ist etwas faul, dass es zum Himmel stinkt! Hör auf mich hinzuhalten und nur ein paar Brocken hinzuwerfen, wenn ich dich mal wieder aus der Scheiße ziehen darf! Hör auf damit, Fye! Hör einfach auf damit! Kannst du nicht einen Hauch Vertrauen aufbringen? Ist das denn wirklich so schwer?!“ Es war fast stockdunkel. Die Halle war hinter dem Hügel, es war als wären sie vollkommen allein in dieser Wüste aus Eis. Ein paar Flocken landeten in Fyes zerzausten Haaren, auf dem Mantelkragen, doch verwandelten sie sich sofort in Wasser. Langsam rappelte sich Fye auf und sah ihn unsicher an. Kurogane kam näher, um genauer zu sehen. Nein, nicht unsicher, verloren. Fye sah in unglaublich verloren an, wie jemand, der gleich los weinte. Kurogane konnte keine einzige Träne entdecken. Er glaubte nicht, dass Fye Tränen schauspielern konnte, deswegen war er sich sicher, dass diese zwei Male, an denen Fye vor ihm geweint hatte, echte Gefühlsausbrüche gewesen waren. Warum nicht auch jetzt? Warum zeigte der andere Man nur in solche Extremsituationen authentisch Gefühle, wenn der er wirklich nicht anders konnte? „Ich warte schon die ganze Zeit“, sprach der Krieger weiter. „Falls du es nicht gemerkt hast, ich laufe dir die ganze Zeit hinterher, ohne zu fragen. Ich sehe die Leute, die du kennst. Bemerke dein Wissen, das du nach zwei Monaten in dieser Welt bereits hast. Bemerkte, dass du manchmal keine Ahnung hast, wovon ich rede und stets versuchst, das, was du von mir erfährst, umzusetzen und so zu tun als wäre alles in Ordnung. Und ich habe nichts gesagt. Aber jetzt ist es langsam an der Zeit, dass du MIR vertraust, anstatt immer nur zu verlangen, dass ich dir glaube.“ „Aber du wirst dauernd wütend.“ „Nur, wenn ich denke, dass du von mir wegläufst.“ „Warum stört dich das so? Warum kümmert dich das alles?“, fragte Fye fast verzweifelt. Nun war Kurogane zurückgeworfen worden. Warum? Was sollte diese Frage? „Du bist derjenige, der nicht weiß, was er will, Kurogane. Du bist derjenige, der wegläuft. Du sagst zu mir 'bleib bei mir'. Du hältst mich fest, damit ich nicht vom Hochhaus falle. Du zerrst mich dauernd mit, obwohl ich dich auf deiner Suche nach den Kindern nur behindere, so oft wie ich verletzt bin. Dennoch stößt du mich weg und sagst 'es hat nichts zu bedeuten'. Wofür der Aufwand? Lass mich doch endlich in Frieden!“ „Willst du das wirklich?“ „Ja, verdammt!“ Hart biss sich Kurogane auf die Lippen. War dies wieder nur ein Spiel- ein Theaterstück des Magiers gewesen? Dieses ewige Klammern, diese ewige Besorgnis, diese Küsse, ihre gemeinsame Nacht? Fyes Angst, dass er starb? War das das einzige, was sie verband? Ohne einen Funken Wahrheit? Hatte er sich deswegen etwa entschlossen Fye zu beschützen? Irgendetwas tat gerade verdammt weh, aber er wusste nicht, was es war. „Ich habe beschlossen dich zu beschützen. Und sei es vor dir selbst.“ „Misch dich nicht ein!“ „WARUM BIST DU DANN HIER UND NICHT IM HAIN, WENN DU DAS SO SEHR WILLST?“ Es war gerade umgekehrt. Genau wie in diesem Labyrinth aus Lüftungsschächten. Nun drückte ihn Fye fort, gerade als er etwas näher kam. Sein wütendes Gebrüll klang in einem verzerrten Echo nach und wurde dann vom Schnee verschluckt. Unsicher war Fye einen Schritt zurück gewichen. Seine Stimme war nur noch ein Flüstern. „Weil du ein guter Mensch bist...“ Kurogane glaubte sich einen Moment verhört zu haben. „Du beschützt mich, obwohl ich dauernd etwas tue, was dich wütend macht... du musst mich hassen... dennoch hilfst du mir immer und versuchst mich weiter zu ziehen...“ „Erklärt Hass wirklich mein Verhalten?“, fragte Kurogane mit einem ungläubigen Unterton unter der Wut. Dachte der Blonde ernsthaft, ausgerechnet er hätte etwas nur aus falscher Freundlichkeit getan? Wenn er alles an ihm hassen würde, dann wäre er ihm egal und er würde keinen Finger für ihn rühren. Dass er es dennoch tat, hieß doch, dass es irgendwas an diesem Mann gab, was er achten konnte. Etwas, was er schützen wollte. „Du machst dir etwas vor, verdammter Magier.“ Kochend vor ohnmächtiger Wut, stampfte er auf die Eingangstür zu. Verstand Fye denn wirklich überhaupt nichts? Verstand er es selbst? Verdammt, verdammt, verdammt. Verbrannt. Das war es wahrscheinlich, was ihn Souma hatte sagen wollen. Solche Dinge wie Vertrauen und Nähe, waren schnell zerbrochen, wenn man nicht aufpasste. „Verdammt!“, zischte er vor sich hin, blieb vor der geöffneten Tür stehen und hielt inne. Hart fiel die Tür zurück ins Schloss und Kurogane fuhr herum. Der blonde Mann stand genau vor ihm, die Hände fest in seinen Mantel gegraben. Sein Kopf war gesenkt und ein paar Strähnen fielen auf Kuroganes Brust, schimmerten hell und silbern im dusigen Sternenlicht im Kontrast zu seiner im Dunkeln schwarz scheinenden, roten Rüstung. „Alles Lügen, Kurogane...“, flüsterte Fye. Trotz des Weinens, das Kurogane gerade meinte vernommen zu haben, wirkte sein Stimme klar, unbelegt, keineswegs tränenerstickt, „Ich will nicht, dass du gehst... ich will nicht, dass es dir egal ist... ich will nicht, dass du aufhörst zu fragen ... ich... ich habe nur so Angst vor der Wahrheit... frage einfach weiter und ich rede weiter drum rum... es war doch gut so bisher... warum willst du immer alles wissen, kannst du es nicht so lassen, wie es ist? Wenn die Zeit weitergeht, dann kann auch alles zerbrechen... mir kommt es vor als hielte ich verzweifelt die Zeiger fest, die du weiter zerrst, genau so wie du mich immer weiter ziehst. Hör einfach auf zu fragen... und irgendwann... irgendwann sag ich es dir.“ Und nun waren sie hier. Kurogane schloss die Augen und spürte wie sein Körper ganz schwer wurde. Verdammt. Sie waren hier, in der Bedrouille, sie waren wieder am Anfang. Fremde, kamen nicht aneinander ran. Konnten sich beobachten, sich erklären, doch verstehen konnten sie sich nicht. Die Welt, wie der Magier sie wahrnahm, war so anders als seine, dass sie genau so gut in verschiedenen Dimensionen sein könnten. Der Schnee rieselte lautlos auf seine Schultern, er fühlte sich genau so hilflos wie im Regen aus Styropor, umgeben von Maschinengeistern. Aber das hier war kein Geist, vor ihm stand ein lebendiger Mensch, an den er einfach nicht herankam. An jemanden, der so menschlich war, dass es ihm Angst machte und jemand der so schwach war, dass es ihm Angst machte. Oder einfach nur anders, unverständlich. Jemand der ihm sagte, er sollte bleiben, ihn aber nicht bleiben ließ. Jemand, der einfach alles in ihm durcheinander wirbelte, herumriss, wieder zusammensetzte und mit einem verborgenen Lächeln all das bedeutungslos machte. Vorsichtig, einem Impuls folgend, legte er eine Hand in den kühlen Nacken. „Sieh zu mir hoch.“ Fye tat es und Kurogane sah im fest in sein einzelnes unbedecktes Auge. „Mehr Angst als jetzt kannst du nicht haben. Angst vor mir, Angst vor dir selbst, Angst vor der Wahrheit. Stell dich der Wahrheit und du hast nur noch vor einem Angst.“ „Kurogane? Beantworte mir eine Frage...“ „Ah.“ „Warum bist du so rasend geworden als ich das mit dem Wächter getan habe. Bei Souma warst du das nicht, nur bei mir. Sag mir warum, aus Eifersucht? Aus Verachtung? Aus-“ „Halt die Klappe, wenn ich dir antworten soll! Nichts davon stimmt.“ „Warum?“ „Ich konnte es einfach nicht sehen.“ „Warum, Kurogane?“ „Aus Sorge.“ „Kurogane?“ So oft hatte Kurogane ihn noch nie an einem Stück seinen 'wahren' Namen von dem anderen ausgesprochen gehört. Eine wirkliche Wohltat, wenn auch unter verwirrenden Umständen – der Krieger konnte seine Gedanken nicht zu Ende denken. Sie wurden unterbrochen von weichen, kalten Lippen, die sich gegen seine pressten, salzig, doch fest. Diesmal drückte er den Magier nicht weg, sondern beobachtetet das geschlossene Auge, fühlte den Druck des schlanken Körpers selbst durch die Rüstung hindurch an seiner Brust, in der endlich dieser Schmerz nachgelassen hatte. Er wusste immer noch nicht, was es war, aber er wusste, dass es sich gerade alles zu gut anfühlte, um je wieder damit aufzuhören. Wie er den anderen Mann am Nacken noch tiefer in ihren Kuss zog, fühlte er, dass sich auch das viel zu verdammt gut anfühlte, es sich gut anfühlte, dass der Magier sich ihm hingab, näher kam, sich öffnete, wenn auch nur auf diese Weise, und gerade zu sehnsüchtig küsste, küsste, küsste... Atemlos lösten sich der Krieger irgendwann, schwummrig, in seinem Kopf schien jeder Gedanke vor lauter Leichtigkeit unglaublich klar und einfach zu sein. „Schlaf im Schnee mit mir...“, flüsterte Fye und zog Kurogane von der Tür weg, Richtung Hügel. Trotz der Leichtigkeit in seinem Kopf wurde Kurogane rot und protestierte. „Bist du verrückt? Ich weiß, was das bedeutet! Das ist in diesem Land so etwas wie heiraten!“ „Nur am Scheetag, der war gestern... außerdem... ist das doch egal...“ „Und eiskalt.“ „Schlaf mit mir...“, allein diese Worte klangen unglaublich verzweifelt und erotisch, eine Mischung, die nur Fye auf diese herzabschnürende, berauschende, einnehmende Art und Weise sagen konnte. „Der Boden unter dem Schnee ist noch warm...“ Fest sah Kurogane den Blonden an. War diesem eigentlich bewusst, wie betörend schön er in diesem schwachen Licht mit diesem undefinierbaren Blick in den hellen Augen wirkte? Schöner als jede Frau, die er je gesehen hatte... Ihm immer wieder übers Gesicht küssend zog Fye ihn mit sanfter Gewalt weiter von der Halle weg, hinter den flachen Hügel, wo sie wieder allein auf der ganzen Welt schienen. Kurogane konnte den Mond nicht sehen und die Sterne waren nicht mehr als schwache Glühpunkte unter all dem lautlos fallenden Schnee. Es war so dunkel, dass er Fye nur schemenhaft erkannte. Mit einem klick hatte Fye den Verschluss seiner Rüstung geöffnet, sie fiel mit einem dumpfen Geräusch zu Boden. Kurogane hatte beim Rausgehen keinen Mantel angezogen, doch sein nun nackter Oberkörper wurde gleichzeitig von eisigen Schneeflocken, kühlen Händen und warmen Lippen bestürmt. Der verdammte Magier gab ein undefinierbares Geräusch zwischen Unwillen und Stöhnen von sich, als Kurogane endlich seine eisigen Hände durch die zig Lagen Stoff gewühlt hatte und die warme, weiche Bauchhaut berührte. In seiner Ungeduld etwas zu heftig packt er den Saum von Fyes Hosenkragen und bugsierte sie beide zur Spitze des Hügels zurück, an dem sie zumindest Licht hatten. Der Blonde stemmte sich gegen ihn, konnte aber gleichzeitig seine Hände und Lippen nicht von ihm lassen und so schaffte es Kurogane ihn irgendwo an der Spitze des Hügels das Gleichgewicht verlieren zu lassen. Er kroch über ihn, drückte den Blonden mit seinem Gewicht noch tiefer in den doch angeblich warmen Schnee. Es war immer noch so still um sie herum, nicht einmal Wind wehte. Und so schien es Kurogane, dass jeder noch so leiser Atemzug, jedes Knirschen des Schnees und jedes Rascheln ihrer Kleidung kilometerweit davon getragen wurde. Von dem schwachen Schein der noch nicht verhangenen Fenster illuminiert, konnte er endlich Fyes Gesicht deutlicher erkennen. Wahrlich, der Boden unter dem Schnee war wirklich noch warm. So wie Sonnenstrahlen, oder ein noch nicht völlig abgekühlter Teekessel, strömte aus ihm die wohltuende Erinnerung an Wärme heraus. Überrascht sah er auf seine Hand, mit der er sich neben dem Gesicht des Magiers abstütze. Der Schnee war nach wie vor eisig, aber der Boden war warm, ohne dass die weiße Masse auf ihm schmolz. Das musste wirklich Magie sein. Doch gerade hätte ihm auch der Körper unter ihm gereicht, um sich zu wärmen. Fye sah mit einem leichten Schmunzeln auf den, von ihren stürmischen Küssen ganz geschwollenen, Lippen zu ihm hoch und plötzlich fühlte Kurogane wieder dieses seltsame unangenehm-angenehme Gefühl in seinem Bauch, bei dem er immer noch zögerte es genau zu untersuchen. Langsam nahm er seine Hände von dem blonden Mann. Fyes Blick war ein wenig traurig, enttäuscht, aber Kurogane hatte keineswegs vor ihren Akt hier abzubrechen. Das wärmende Innenfutter von Fyes Kleidern war feucht, ihre heftigen Bewegungen hatten Schnee hinein geschoben und allmählich wurde auch Fyes Haut kalt. Vorsichtig fuhr er über das im blassen Schein der Hütte fast weiß wirkende Gesicht, auf dem die geröteten Wangen und geschwollenen Lippen nur um so deutlicher hervortraten. Langsam, nur mit den Fingerspitzen, und sich gerade wirklich nicht bewusst was er da tat, fuhr Kurogane über Fyes Wangenknochen, zur Schläfe hinauf, bis hin zu dem gräulichen Verband, unter dem in zerzauster Manier blonde Haare hervorquollen. Die Haut hier hatte sich bereits violett gefärbt, fast gelblich, das war ihm vorhin schon aufgefallen. War es wirklich schon so lange her? Mit einem Hauch von Schuld wurde Kurogane bewusst, dass er ihn genau an der selben Stelle geschlagen hatte wie die Wächter. Fye bewegte die Lippen zu Worten, doch genau so wie auf der Krankenstation waren sie stumm. Was hatte er ihm damals sagen wollen? Er nahm die Hand von Fyes geschwollenem Gesicht und legte sie auf sein eigenes Ohr, doch er vernahm das Geräusch ganz deutlich, als sie über seine Ohrmuschel strichen. Auf einmal fühlte er sich unheimlich verloren, irgendetwas flüsterte ihm zu, dass er - wenn er es schon nicht mehr anders handeln konnte – jede Sekunde genießen musste. Auf einmal hatte er, genau wie Fye, Angst die Zeiger der Zeit weiter ticken zu lassen. Doch er durfte sich nicht erlauben sie aufhalten zu wollen. Das war nicht die Art, wie er Dinge anpackte, das waren keine Dinge, mit denen er so leben wollte. Er zuckte zusammen als Fyes Hände über seinen nackten Schultern strichen, ihn zurück in die Realität holten und ihn bewusst machten, was sie hier gerade schon wieder taten. Kurogane schob seine Hand höher, unter Fyes Augenverband. Fye fasste an seinen Hals. Fast gleichzeitig lösten sie die Verbände. Und Kurogane wusste nicht wieso, es fühlte sich gut an, so verdammt gut, diese Wunde offen zu legen- er hatte so was schon oft gesehen, es war kein schöner, es war kein erotischer Anblick – so gut, dass er seine Hüfte nur noch fester an Fyes presste, wo seine Erregung bereits überraschend stark erwidert wurde. Fye stöhnte, und es schien dem Ninja als würde er in diesem Moment seinen Atem einsaugen. Die Haut um das verletzte Auge herum war ganz weiß, immer noch etwas geschwollen, aber die Wunde selbst zeichnete sich nur noch als dünne, rote Linie, kaum sichtbar im schwachen Licht, ab. Plötzlich zuckte er etwas zusammen, Fye's Fingerspitzen strichen über die Wunden an seinem Hals, direkt zu seinem Nacken. Er schauderte. Das Geräusch – Gefühl? - wurde überlaut. „Magst du das?“, fragte Fye leise, den Blick starr auf seine Finger gerichtet. Die Verbände um die schlanken, ruhelosen Finger kratzen ein wenig auf seiner Haut. „Ah.“ Der Schnee auf seinen Schultern schmolz und das Kondenswasser floss sein Rückrat herunter. Wie aus einer Starre erwacht hörte er plötzlich wieder die Geräusche der Welt. Ihr Atem, das Rascheln ihrer Kleider, das leise Knirschen des Schnees. Doch er hatte keine Gelegenheit mehr auf ihre Umgebung zu achten. Zum zweiten Mal in kürzester Zeit riss Fye ihn aus seinen Gedanken und seine Aufmerksamkeit wieder voll auf sich. Geschickt hatte er sich, trotz Kuroganes Gewicht auf ihm, aus seinem Mantel und warmen Pullover gewunden und Kurogane stockte, fixierte seinen Blick auf Fyes nackten Oberkörper. Die Arme um den Ninja geschlungen zog er sich näher – Haut an Haut – und vergrub sein Gesicht in seinem Nacken. Die zerzausten, schneefeuchten Haare kitzelten. Plötzlich zischte Kuroagne ärgerlich als Fye hart in seinen Nacken biss, aber dabei gleichzeitig seine Hüfte gegen sein ganzes Gewicht presste. Schmerz und Genuss mischten sich durcheinander und kurzerhand fuhr die Hand des Kriegers unter Fyes Hose, riss sie herunter und versuchte dabei die Klette von seinem Nacken zu bekommen, die ihm langsam wirklich weh tat. „Fye!“ Leider war das nicht all zu leicht, weil ihre fast gewaltsam aneinander gepressten Körper viel zu sehr genossen, was sie hier taten. Breit grinsend ließ der Magier von ihm ab und sah lasziv zu ihm auf. Mit einem strategisch vorteilhaften Ruck, zog der dunkelhaarige Mann Fye die Hose ganz vom Hintern, drängte sich zwischen seine Beine und fasste zwischen sie. Das laute Stöhnen klang erschreckend Laut in seinen Ohren, aber dass Fye bei solchen Akten – wie eigentlich in allem – ziemlich laut war, hatte er schon bei ihrem ersten Mal erfahren. Selbst wenn, angesichts dieses Blicks in dem blauen Auge und der zerstörend dominanten Erregung, die er selbst fühlte, hätte er den Mann selbst in der Lagerhalle, vor den Augen des Jungen und der ganzen Alten, gewollt. Er umfasste Fye's Glied härter, fuhr unrhythmisch hinauf und runter, doch machte damit den Mann unter sich schier wehrlos vor Lust. Hart griffen die bandagierten Finger in seine Schulter, wo ein dünner, warmer Blutstrom der dunklen Haut verwischt wurde. Doch Fye ging auf Kuroganes Tempo ein und erstaunlich geschickt griff er an Kuroganes massierenden Händen vorbei, um ihn am Stoff seiner Hose näher zu ziehen. Im selben Moment bekam er Kuroganes Lippen zu fassen und drang stürmisch in seinen Mund. Der ruhige, unsicher Moment von gerade eben schien nie existiert zu haben. Bevor sich Kurogane versah, hatte Fye seine Hose geöffnet und sich seiner eigenen völlig entledigt. Verflucht war das kalt... aber gleichzeitig war es gerade diese eisige Kälte, die den Krieger noch mehr erregte. Seine Hände, seine Knie, der Magier unter ihm, waren eh voller Schnee, deswegen ging es ganz leicht, als er mit feuchten Fingern in den Magier eindrang. Das unglaublich weiche, nachgiebige Fleisch dort brannte regelrecht auf seiner Haut, während sich der Ring aus Muskeln fast schmerzhaft um seine Finger zusammen zog. Laut und gleichzeitig irgendwie atemlos schrie Fye auf, doch Kurogane legte einfach erstaunlich sanft seine Lippen auf seine. Überrascht und lustverhangen sah Fye ihn an, einen Moment fürchtete Kurogane zu weit gegangen zu sein, doch kein Funken Unsicherheit war in dem Blick zu erkennen, der sich regelrecht herausfordernd und doch so offen, so vertraut, in seinen bohrte. War es wirklich erst das zweite Mal, dass sie so etwas taten? Stand wirklich so viel zwischen ihnen? Wie konnte dieser Blick dann genau so sein? Auch wenn er keine Worte dafür fand. Eben weil er keine Worte dafür fand... „Halt still.“ Folgsam legte Fye sich zurück und ließ Kurogane sich bewegen. Trotz des raschen Starts achtete Kurogane darauf sanft zu sein und dem Magier Stück für Stück ein Stöhnen nach dem anderen zu entlocken. Irgendwann hielt Fye seine Hände jedoch nicht mehr still, es wäre ja auch ein Wunder gewesen, wenn dieser Mann mal das tat, was er ihm sagte, sondern sie fochten einen Wettkampf aus. Wer den anderen öfter berühren konnte, wer als erster die Geduld verlor, wer am meisten Haut zu küssen, halten, necken bekam, öfter in den Mund des anderen eindrang, den anderen mehr aus den Takt hinein in den völligen Kontrollverlust trieb. Plötzlich stieß Fye hart gegen seine Brust, die Haut um seine Finger hatte sich fast zum Zerreißen gespannt als er den vierten Finger hinzugenommen hatte. Doch gerade als er etwas zurück wich, zog der Magier geschickt seinen stützenden Arm weg und schmiss ihn auf die Seite, im nächsten Moment über ihm, glitten seine Finger aus dieser Enge heraus. Schwer atmend sah der Krieger zu dem Mann über ihm hoch. Schnee und Schweiß hatten sich vermischt und ließ seinen Körper wirken als wäre er frisch einem Onsenbad entstiegen. Seine Haut war durch die Anstrengungen, ihre Küsse und Bisse stellenweise knallrot, oder vielleicht war es doch durch die Kälte, denn Fyes Lippen zitterten leicht, und in dem Moment bemerkte Kurogane, dass sein Innerstes total heiß uns sein Äußerstes eiskalt war. Aber er merkte auch, wie die Wärme des Bodens allmählich in seinen Körper sank und Fye streckte sich auf seinem Körper aus wie eine riesige Katze. Ganz langsam, nun wieder sanft, küssten sie sich und er spürte die Hand, die langsam, liebkosend seine Brust hinunter wanderte, seinen Bauch, Hüften, mit seinem Schamhaar spielten und sich dann Finger für Finger um seine Erregung legten. Hatte der Andere vor ihn wahnsinnig zu machen mit diesen Wechseln? Doch nur diesmal ließ er Fye seinen Willen und streichelte seinerseits fast wie ein Liebhaber über den vom Boden gewärmten Rücken des verfluchten Magiers. Urplötzlich kamen ihm die Bilder aus dem Hain in den Sinn, und er hasste sich dafür, dass ausgerechnet in dieser Situation, er sich daran erinnern musste: Wie Fye dieses ekelige Insektenglied in seinen Mund genommen hatte, das Husten unterdrückend, und dieses breite, zufriedene, genussvolle Grinsen auf dem Gesicht der Kakerlake erschienen war, das ihm im nachhinein nur wie ein großer, schwarzer Fleck vorkam. Und vor allem hasste er sich dafür, dass er dabei noch erregt sein konnte. „Woran denkst du gerade?“, fragte Fye lasziv, doch Kurogane antwortete ihm nicht. Mit fast abwesenden Blick strich er über Fyes Lippen. Dort waren sie ein wenig aufgeplatzt und er strich vorsichtiger darüber, bis sie nur mit einem Hauch von Bewegung über das geschwollenen Fleisch bewegten. Er wusste nicht warum, er wusste wirklich nicht warum, die Wut kam wieder hoch und für einen Moment wünschte er sich einfach nur diesen Mann genau so zu behandeln. Ihm kam fast seine eigenen Galle hoch und einen Moment wusste er sich überhaupt nicht mehr zu bewegen, obwohl dieser Körper so unglaublich heiß, so unglaublich offen, so unglaublich erotisch auf seinen Hüften saß. „Ich denke... dass ich hasse, was du getan hast...“ „Was?“ „Im Hain.“ Langsam schob er einen Finger zwischen die Lippen und Fye schloss die Augen, ließ den Ninja über seine Zunge tasten und Kurogane merkte, wie die Wut nachließ, als nichts Unnatürliches an dieser Reaktion schien. Erleichtert atmete er aus. Nichts war ihm weggenommen worden... vorsichtig umgriff er Fyes Hüfte und legte ihn wieder in den Schnee. Fyes Hände hatten sich um seine gelegt, saugten an seinen Fingern wie ein Kind an der Brust seiner Mutter und die Bilder verschwanden. Alles war wie vorher, ein böser Traum weit, weit weg. Als Fye die Finger aus seinen Mund heraus gleiten ließ, waren sie ganz warm und feucht. Fye lächelte ihn an. „Aber mich hasst du nicht.“ „Endlich hast du's kapiert.... „ „Bleib bitte bei mir... ich glaube ich brauche dich...“ „Lüg mich nicht mehr an, schweig von mir aus, aber mach mir nichts mehr vor....“ „Deal.“ Fyes schlanker Körper ging in seiner Umarmung fast völlig unter und als wäre es natürlich, als gehörte es so, klammerten sich Fyes Beine so an seiner Seite, dass er problemlos in ihn eindringen konnte. Er spürte Fyes harten Atem an seiner Schulterkuhle, die Haarsträhnen kitzelten an seiner Nase, immer und immer wieder strichen Fyes Hände über seinen Nacken. Sie schauderten beide, aber der Boden war warm. Warm, warm, warm. Auch als sie sich liebten war er warm. Verzweifelt vielleicht, ein wenig zu leidenschaftlich, vielleicht ein wenig zu zärtlich, vielleicht ein wenig zu fest aneinander hielten. Aber er war warm. Er war auch noch warm, als sie noch Minuten danach völlig erschöpft und nackt beieinander liegen blieben. Endlich ohne Worte, endlich ohne Fragen, schloss Kurogane die Augen. Genoss die Wärme unter ihm und in seinen Armen, den eisigen Film aus augenblicklich schmelzenden Schneeflocken auf seiner heißen, verschwitzen Haut. „Ein Märchen...“, murmelte Fye, die Augen geschlossen und sein Gesicht in Kuroganes Ellbogen gelehnt. „Bald geht die Sonne auf... brich nicht dein Versprechen... sonst glaube ich dir nichts mehr...“ „Drinnen. Mir ist kalt.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Der Betrieb in der Halle hatte sich etwas gelegt, alle saßen um den wärmenden Ofen und aßen, auch der Junge. Sofort wurde nach ihrem Befinden gefragt und ihnen Essen angeboten. Wirklich etwas hungrig setzten sich die beiden und aßen erst einmal schweigend. Shaolan hatte, wie sie erfuhren, den Menschen hier geholfen. Sie bauten die alten Maschinen auseinander, um die Einzelteile zu verkaufen und der Shaolan hatte sich nützlich machen wollen und sich dabei auch nach einen Führer erkundigt. Da sowieso die nächste Lieferung in die Stadt anstand, hatten die Leute sich bereit erklärt sie mitzunehmen. „Fyu~ Kuro-pon, ist das nicht toll? Wir müssen nicht einmal laufen, sondern können mit den Luftbooten fahren!“ Kurogane war sich nicht so sicher, was er im Zweifelsfall bevorzugt hätte. „Aber alle mal herhören!“, verkündete Fye gut gelaunt und Kurogane musste verlegen den Kopf wegdrehen als er unter dem flauschigen Mantelstoff einen verdächtigen roten Fleck an Fyes Hals entdeckte. Unbewusst griff er in seinen Nacken und zog seinen eigenen Kragen etwas höher. „Kuro-sama kommt aus einen fernen Land und will nun eine Geschichte aus diesem zum Besten geben!“ Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Reihen der Alten und mit freundlich, neugierigen Gesichtern kamen sie näher. „Neue Geschichten sind viel wert, ist es denn etwas fürs Herz?“ „Oh ja, erzähl etwas romantisches, Kuro-sama!“ „Ich kenne keine romantischen Geschichten...“, brummte der Krieger, dachte aber krampfhaft darüber nach, was es für kitschige Geschichten es gab. Er hatte jetzt eigentlich die Geschichte von dem Kind im Pfirsich erzählen wollen, das später ein starker Krieger wurde. Aber er glaubte nicht, dass das eine Geschichte nach Fyes Geschmack oder dem der Leute wäre. Von Krieg hatten sie wahrscheinlich genug. Aber er und Geschichten erzählen... wie hatte er sich dazu nur wieder breit schlagen lassen können? Aber seine Laune war gehoben, deswegen fing er einfach an. Es würde schon nicht so schlimm werden. „Also...“, er räusperte sich und trank noch einmal einen Schluck Tee. „Da waren so ein alter Mann und seine Frau.“ „Wo denn?“, unterbrach ihn der Blonde neugierig. Genervt verdrehte Kurogane die Augen. „Irgendwo halt, ist doch egal wo, wichtig ist nur, dass sie alt waren und Bambusschneider.“ „Bambusschneider? Also haben sie in der Nähe eines Bambushains gewohnt?“, wurde er wieder unterbrochen, diesmal von einem der Alten. Kurogane versuchte sich zu beherrschen. „Ja, ja, vermutlich.“ „Der Mann ging eben eines Tages wie immer Bambus schneiden und fand da einen ganz besonders schönen Bambus, schnitt ihn ab, brachte ihn nach Hause, seine Frau sagte -“ „Kuro-chama~ kannst du das nicht ein wenig ausschmücken?“ Der Blonde ließ sich durch seinen bedrohlichen Blick nicht einschüchtern, sondern schmiegte sich nur etwas an seine Seite, worauf hin Kurogane rot wurde, die Alten und der Junge aber keinen Anstoß daran nahmen. „Sie sagte 'Das ist aber ein hübscher Bambusstab, lass ihn uns ganz vorsichtig aufschneiden.' Ja, und das taten sie und da war ein kleines Mädchen drin.“ Nun war es Shaolan, der ihn unterbrach. „Ein Mädchen? Im Bambus? Gibt es so kleine Menschen, war es eine Fee?“ „Verdammt noch mal, es ist ein Märchen! Da muss nix logisch sein und da passen Mädchen halt in Bambusrohre!“ „Sicher von eher schlanker Natur“, witzelte Fye. „Die Alte Frau sagte daraufhin-“ „Oh, ein stilistisches Mittel!“ „'Das ist bestimmt ein Geschenk des Himmels für uns, weil wir keine eigenen Kinder haben. Wir wollten ihr einen schönen Namen geben.' Sie nannten sie takehime. Das bedeutet 'Bambusprinzessin'. Die Leute waren zwar arm, aber sie fütterten das Blag immer gut und zogen sie mit aller Liebe auf. Deswegen war es bald ein hübsches Mädchen geworden, der viele Jungen aus dem Dorf den Hof machten. Es spielt zwar eigentlich keine Rolle für die Geschichte, aber die Eltern schickten sie immer weg, weil sie fanden, dass ihre Tochter zu jung war.“ „Fand sie denn eine der jungen Männer attraktiv? War sie verliebt?“ „Ich glaub nicht...“, brummte der Ninja und erzählte einfach weiter, die ständigen Unterbrechungen schon gewohnt. „Sie war dann 15, als sie ihren Eltern sagte: „ Liebe Eltern, hört bitte, was ich euch sagen möchte. Ich danke euch, dass ihr mich all die Jahre mit Liebe und Sorgfalt wie eure Tochter aufgezogen habt. Aber ich bin kein Mensch von dieser japanischen Insel, sondern ich bin ein Himmelswesen. Schon bald, am 15ten Tag des 10ten Monats, werden Boten vom Himmel kommen, um mich heimzuholen. Ich will aber nicht fort von euch, bitte haltet mich fest, wenn die Himmelsboten erscheinen." Die Alten waren traurig und heulten, beschlossen aber sie festzuhalten und die Boten wegzujagen.“ Alle Augen waren gebannt auf ihn gerichtet und Kurogane kam ein wenig in Erzählfluss. So viel hatte er sehr lange nicht mehr an einem Stück geredet. „Als es am 15ten Tag des 10ten Monats dann zu dämmern begann, hielten die beiden Alten die Bambusprinzessin ganz fest. Aber alle Mühe war umsonst. Im hellen Licht des Vollmonds näherten sich die Himmelsboten und warfen der Bambusprinzessin ein Gewand über. In diesem Moment vergaß sie alles, was sie auf der Welt erlebt hatte. Sie trat auf eine Wolke und kehrte so zum Himmel zurück. Die beiden Alten blieben auf der Erde zurück und konnten nur heulen. Aber seit dem Tag fand der Bambusschneider jedes Mal bei der Arbeit in den Bambusstangen wertvolle Dinge. Geldstücke, Reiskuchen, Brokatstoffe. Und sie mussten nie wieder arm sein.“ Bewegt sahen ihn die Leute an, ein paar wischten sich sogar Tränen aus den Augen. „Eine schöne Geschichte... eine wirklich schöne Geschichte...“, murmelte der Alte, der sie am ersten Tag begrüßt hatte. „Eine wirklich rührende und schöne Geschichte...“ „Und sie vergisst wirklich alles?“, fragte Shaolan, „aber wie kann sie denn dann die wertvollen Dinge in den Bambus stecken?“ „Vielleicht sind die Erinnerungen ihres Herzens noch stark“, sagte ein alter Mann und warf noch ein paar Kohlen in das Ofenfeuer. Der Magier lächelte breit und schenkte sich noch etwas Tee ein. „Das war wirklich ein schönes Märchen, Kuro-sama!“ „Lass das.“ „Was denn?“ Durchdringend sah der Krieger seinen Gegenüber an und da, Fyes Mundwinkel zitterten etwas und immer noch lächelnd, brach er auf einmal in Tränen aus. Nun doch verwundert und noch ganz eingenommen von ihrer Vertrautheit zuvor, zog Kurogane ihn einfach zu sich und ließ ihn sein Gesicht an seiner Schulter verstecken. „Hey, jetzt übertreib mal nicht, so traurig war es auch wieder nicht.“ „Aber... aber wenn ihre Liebe so stark war, dass sie auch nachdem sie ihr Gedächtnis verloren hatte, den Alten noch etwas Gutes tat..... wie sehr hat sie sie dann geliebt... Wie sehr wollte sie bleiben und durfte nicht?“ Was sollte er darauf sagen? Er wusste nicht, warum Fye das so berührte, aber irgendwie erleichterte es ihm, dass er zumindest nicht mehr versuchte es zu verbergen. Dennoch fragte er sich, was diese Geschichte in dem Magier ausgelöst haben könnte, als er auch noch Stunden später den Mann in seinen Armen hielt, der mit Tränen auf den Wangen eingeschlafen war. Inzwischen hatten sich alle zu Ruhe gelegt. Niemand wachte auf als der Schneesturm über sie kam. Immer wieder schleuderte er kleine Eisstücke gegen die zerkratzen Fenster. Kurogane seufze und schloss wieder die Augen. Dieser Platz kam ihm vor als wären sie allein auf der Welt und trotz der Körperwärme neben ihm war ihm eiskalt. Dennoch bewegte er sich nicht, um eine zusätzliche Decke zu holen. Den tief und fest schlafende Mann an seiner Seite, dem er vor wenigen Stunden noch so nah war, wollte er nicht wecken. Die letzten 72 Stunden waren wirklich ereignisreich gewesen und hatten ein weiteres Chaos in seiner Brust hinterlassen, von dem er jetzt noch nichts spürte, sondern nur ahnte, aber er wusste, dass sobald dieser Frieden am nächsten Morgen vorbei war und sie die Stadt betraten, er sich diesen Gefühlen stellen musste. Der Schlafende bewegte sich leicht und die Hand an seiner Rüstung kratzte ein wenig über das harte Material. Sicher, dass der Magier schlief, fasste er die seine Hand und erwiderte den Druck. Allmählich fragte er sich, ob in diesem Land alles nur aus zerfallenen Gebäuden, leblosen Maschinen und Schnee bestand. Und Menschen, die alle irgendwie ein Loch in der Brust hatten. ~~~~Kapitel 20 Ende~~ Kommentar: Fiuu, endlich geschafft. Die Styrax – Arc ist abgeschlossen. x.x Is doppelt so lange geworden als ich vor hatte. Aber na ja, ich hoffe ihr langweilt euch nicht. In den nächsten Kapiteln geht es nach Omehlas~~~ Erst wollte ich ein lemon und ein non-lemon Kapitel machen. Aber ich sollte wohl betrunken keine Sexszenen schreiben, irgendwie habe ich es so angestellt, dass die beiden sich solche Sachen sagen und denken. Kurzum, es würde vorne und hinten nicht passen, wenn ich sie einfach rauskürtzte. 21. Kapitel - (Der geheime Garten) ----------------------------------- Seit dem Moment als er aus dem Mund des Manjuus hinaus in diese Welt geschleudert worden war, fühlte er sich in einem ständigen Wechsel zwischen Schlafen und Erwachen. Er hatte niemals besonders darauf geachtet, er war früher immer froh gewesen aufzuwachen und den Tag endlich beginnen zu können. Träume waren Illusionen, Erinnerungen, Verrücktheiten, die in der wirklichen, wachen Welt, die mit der Person, die er jetzt war, nichts mehr zu tun hatten... Es sei denn man verfügte über die Gabe von Traumsehern. Doch hier schien ihn das Unklare und die Bewusstlosigkeit auch noch einige Minuten nach dem Erwachen zu verfolgen, bis er endlich wieder klar denken konnte. Immer irgendwo dazwischen fühlte er eine Schwere auf seiner Brust, wie das Bedauern einen Traum vergessen zu haben. Und dennoch, dennoch, manchmal, seit sie in dieser Welt waren, kam dieses Gefühl ganz plötzlich, auch wenn er hellwach war. Vor dieser ganzen Welt, wollte er dann wie vor einem Alptraum die Augen öffnen und ihn leugnen. Doch was würde er sehen? Wieder die nichts aussagende Holzdecke seiner Unterkunft? Die im Schatten liegenden Papierwände, durch den die Atemgeräusche seiner Prinzessin und Soumas klangen? Lange bevor das Tageslicht durch sie sickern konnte? Und alles was er in dieser Welt sah, machte ihm bewusst, dass er bald wieder schlafen würde. Er sollte sich zusammen reißen, auch wenn er sich immer öfter zu fühlen drohte, wie dieses kleine Kind damals, musste er sich nicht so benehmen. Er musste sich überwinden und stärker werden, stärker, stärker, stärker. So stark, dass er alles zu verlieren hatte, aber nicht verlor. Einfach nicht verlor.... nie wieder... nie wieder. Jemand er ihm wichtig war... verdammt, er war stark, der stärkste Mann Japans, diese pathetischen Gedanken hatten keinen Platz in seinem Schädel! Seine Stirn fühlte sich seltsam feucht an... - und Hände fummelten in seinem Gesicht herum. Sofort war er hellwach, riss die Augen auf, sein Herz klopfte wie wild. Doch das von zerzausten, blonden Haaren eingerahmte Gesicht lächelte nur versunken auf ihn herunter und Fyes Zeigefinger fuhr weiterhin auf seiner Wange ziellosen Bahnen. "Es ist noch früh. Das große Hündchen kann ruhig noch etwas dösen.“ Kurogane richtete sich dennoch auf und nahm den Lappen von seiner Stirn.  Es war schon wieder passiert, dass er in der Nähe seiner Reisekameraden einfach so tief schlief. Er fragte sich wirklich was für ein Ninja er bitte schön sein wollte. Und warum hatte er so ein Ding auf dem Kopf? "Keine Sorge, du hast kein Fieber.“ "Warum hab ich dann so ein Ding auf dem Kopf?“ "Vorsorglich, ich will nicht, dass du krank wirst.“ "Ah.“ "Aber Kuro-chama ist ja ein starker und gesunder und widerstandsfähiger Mann, da wird so eine Nacht im Schnee nicht viel Schaden anrichten, hm?“ Erst wollte Kurogane genervt die Augen verdrehen, denn egal wie gern er den Magier mittlerweile hatte, dass sein Verhalten ihn meistens einfach nur nervte, hatte sich nicht geändert. Doch dann hatte er das Gefühl sein Herz würde ihm direkt in den Bauch rutschen und dort mit seinem Magen kollidieren. Verdammt... es gab eine Sache, über die hatte er ja noch gar nicht nachgedacht... Aber jetzt, wo sich der Sturm um ihn herum etwas gelegt hatte, wurde ihm bewusst, was für Konsequenzen sein Handeln im Hain hatte. Er hatte gemordet. Er hatte all seine Stärke verloren... Seine Hände zu Fäusten ballend beobachtete er finster, wie das Wasser des Tuchs über seine Hände floss, genau so wie es das Blut der Kontrolleure getan hatte. Des Insekts, dessen Blut auf dem schwarzen, verbrannten Hainboden längst schwarz geworden war, dessen Gesicht nie wieder Genuss oder Freude äußern konnte, dessen Herz nie wieder schlagen und dessen Hände nie wieder drohen konnten, etwas zu rauben. Egal, ob diese Kerle es verdient hatten, Tomoyos Fluch, dass er all seine Kraft verlor, wenn er jemanden tötete, war in Kraft getreten. Verdammt, verdammt, verdammt. Was nützte es irgendjemand beschützen zu wollen, wenn er es nicht fertig brachte? Wie dumm hatte er nur wieder sein können? Was passierte, wenn er noch einmal versagte....? Seit dem Tod seiner Eltern hatte er niemanden beschützen wollen. Und nun, 11 Jahre danach... gab es nur zwei Personen, die er auf keinen Fall sterben lassen durfte. Die eine hatte ihn weggeschickt und war Welten entfernt. Der andere saß hier genau vor ihm und Kurogane hatte nicht mehr die Kraft dazu. "Kuro-chan?“ Sein Kopf war ganz leer, jeder Gedanke wie weggewischt. Jetzt bloß nicht denken, sonst würde er sich nur wieder genau so hilflos fühlen wie damals. Ruckartig stand er auf, ignorierte den Magier und wand sich an einen der Alten, der gerade an ihm vorbei schlurfte. "Hey, gibt's hier so was wie Duschen?“   "Nein... tut mir Leid, junger Mann. Aber neben dem Ofen steht ein Kanister mit Schneeschmelze.“ Der bereits kahle Mann trug eine Kiste, unter deren Gewicht er fast in zwei zu brechen schien. Mit einem genervten Zischen nahm Kurogane sie ihm ab und trug sie zum Flugschiff. Sollten die Leute hier ja nicht denken er wäre hilfsbereit, aber sie hatten sie aufgenommen, da war es vielleicht nicht ganz unangebracht mit anzupacken. Immerhin schien seine körperliche Stärke nicht wesentlich nachgelassen zu haben, denn es bereitete ihm keine Mühe die Kiste zu tragen. Als alles verstaut war und nur noch ein paar Geräteeinstellungen durchzuführen waren, kam Kurogane zurück zum Ofen. Den Gedanken auf eine entspannende Dusche hatte er mittlerweile aufgegeben. Shaolan hatte sich in seiner Abwesenheit zu dem Magier und ein paar Alten gesellt. Sie aßen wieder diesen seltsamen Brei und der Magier unterhielt sich angeregt mit einer älteren Dame. Kurogane verdrehte die Augen, sobald etwas weiblich war, ließ der Magier seinen Charme ohne Ende spielen. ,,Oi“; machte er auf sich aufmerksam, bevor es sein Magen tat. Er hatte schon wieder über einen Tag nichts gegessen, nicht dass er es nicht gut aushielt, aber sein Magen hatte vorhin schon verräterische Geräusche von sich geben. "Kurogane, gute Morgen!“, begrüßte ihn der Junge. "Musst du jetzt ganz alleine zurück?“, fragte ein noch nicht ganz so alter Mann gerade. Shoalan, aufgrund dieser Sorge um seine Person ganz verlegen, antwortete. "Das ist kein Problem, ich kenne den Weg sehr gut.“ “Aber Schneestürme kommen auf uns zu. Wenn du willst, können wir dich bei der Styrax-Lieferung in 4 Tagen mitnehmen.“ "Nicht nötig, wirklich nicht.“ "Du willst wohl Hime-chan nicht warten lassen, ne?“, neckte ihn der Magier. Shaolan nickte leicht verlegen, aber ernst. "Ja, auch wenn sie bei Chi ist, sie macht sich sicher Sorgen, dass ich so lange weg bleibe.“ Kurogane hörte nur zu und stopfte sein Essen in sich hinein. Gerade als er fertig war, wollte er aufstehen, um sich noch ein wenig die Beine zu vertreten. Denn wenn er saß, tat er nichts, und wenn er nichts tat, kam er ins Grübeln. Und das wollte er gerade verhindern.   Doch gerade als er dazu ansetzte, spürte er ein leichtes Ziehen an seinem Ärmel und stellte fest, dass es der Magier gewesen war. Ein wenig besorgt sah das unverdeckte blaue Auge zu ihm herauf und Fye kam mit seinem Gesicht so nahe, dass er die Körperwärme des anderen Mannes spüren konnte. Ein wenig verlegen war Kurogane schon als er ihm auch noch eine Hand auf die Wange legte und zärtlich darüber strich, aber nicht lange, es fühlte sich viel zu gut an und er wusste, dass ihm diese Leute nichts bedeuteten und der Magier... der Magier küsste ihn sogar in einem Café, er würde sich darauf einstellen müssen, wenn er wirklich sein Versprechen hielt und eine Weile bei der blonden Nervensäge blieb. Auch wenn es in seinem Land selbst unter Verheirateten nicht üblich war öffentlich solche Zärtlichkeiten auszutauschen... aber sie waren ja, bedauerlicherweise, nicht in Japan. Wären sie in Japan, könnte er Tomoyo dazu bringen diesen schwachsinnigen Fluch aufzuheben und alles wäre wieder in Ordnung! „Kuro-wanko? Hast du schlecht geschlafen?“ Fye's Sorge ließ sich auch nicht von dem finsteren Blick des Ninjas einschüchtern. Kurogane war dennoch erleichtert zu sehen, dass der Schlaf Fye gut getan hatte, alle Wunden bis auf die am Auge schienen verheilt und die tiefen Schatten darunter endgültig verschwunden, auch wenn die Haut darum vom Weinen noch etwas gerötet war. „Nein.“ Niedergeschlagen senkte Fye den Blick und Kurogane wurde bewusst, wie kalt sein Verhalten wirken musste. Er seufzte. Schwer. Und überdeckte Fyes Hand an seinem Ärmel mit seiner eigenen Hand. „Mach dir keine Gedanken....“ Fye schien wenig überzeugt. „Ist es wegen mir...?“ „Nein.“ „Ist es wegen jemand anderen?“ „Nein.“ „Ist es wegen etwas, was du selbst getan hast?“ „Ja.“ Schwer seufze jetzt auch der blonde Mann und rückte näher, so dass sich ihre Oberkörper bei jedem Atemzug fast berührten. Um sie herum ging das Gerede und Gewusel weiter, sie wurden gar nicht beachtet. Der Ninja entspannte sich etwas und lehnte seine Stirn gegen Fyes. „Jedes Mal...“, flüsterte Fye nur für ihn hörbar und dabei fuhr sein Atem warm über Kuroganes Lippen. „Wenn wir so etwas tun, bist du wütend...“ „Ich hab doch gesagt, es liegt nicht an dir.“ Ganz vorsichtig bewegte der kleinere Mann sein Gesicht etwas. Kurogane hatte sich etwas heruntergebeugt und bemerkte, wie sich nun Fye ein wenig streckte, um seine Lippen vorsichtig auf seine zu legen. Und dies beruhigte ihn tatsächlich etwas. „Ihr junges Gemüse! Kommt ihr endlich? Es geht los!“, rief einer der Alten und beide, etwas verlegen, lösten sich voneinander. Das war der erste Kuss, den sie ausgetauscht hatten, ohne dass er einseitig geschah oder als Vor- und Nachspiel, wenn sie miteinander schliefen. Schwungvoll sprang Fye auf und wedelte übertrieben mit den Armen. „Wir kommen~!“ Der Junge saß immer noch vor dem Ofen, hatte aber anständig den Blick von ihnen genommen, während sie sich küssten. Nun stand er auf und hielt ihnen die Hand hin. „Ich hoffe ihr findet, was ihr sucht.“ „Schon gefunden!“, verkündete Fye fröhlich. Kurogane bemerkte, wie sein Herz etwas schneller schlug. Das wirkte nicht, als wäre es einfach so daher gesagt. „Na dann, könnt ihr ja in Styrax bleiben“, schlug Shaolan schmunzelnd vor. Das Maschinenquietschen und Brummen hinter ihnen war lauter geworden und plötzlich von einem schrillen Quietschen übertönt. Das Dach der Lagerhalle bewegte sich! Fasziniert beobachteten die Reisenden, wie sich die Eisen- und Aluminiumkonstruktion von unsichtbarer Hand wie ein riesiges Stück Origamipapier zusammen faltete und den weißen Himmel freigab. „Herrliches Wetter heute!“, rief eine Stimme von den Maschinen. „Nicht, dass der Motor wieder zufriert!“ „Haben wir die gefälschten Lieferscheine?“ „Alles ganz sicher in meinem Bauchbeutel.“ Der Ninja hörte die Rufe nur wie aus weiter Ferne. Schließlich antwortet er dem Jungen. „Wir müssen noch unsere Reisekameraden finden.“ „Na dann“, der Junge lächelte ein Lächeln, dass er so fröhlich und optimistisch gar nicht kannte. „Ich wünsch euch alles Gute!“ „Danke! Pass auf dich auf, wenn du zurückgehst!“ Enthusiastisch zerzauste Fye einmal komplett die Frisur des Jungen und dann machten sie sich schnell zum Luftschiff auf, wo man schon in der letzten Abflugphase war. Gerade als das riesige Eisending vom Boden abhob – ein Wunder, dass so etwas Schweres fliegen konnte – wurden sie an den Händen gepackt und an Bord gezogen. Aus der offenen Luke heraus, umweht von eisigen Wind, blickte Kurogane auf die Lagerhalle, die in rasanter Geschwindigkeit immer kleiner wurde. Und dann sah er dieses Land. Weiß und weit und hell. Je höher sie stiegen, um so mehr begriff er, wie unglaublich leer es war. Er sah nur die Stadt, aus der sie gekommen waren, und sonst nichts außer Weiß. Ohne einen einzigen Baum, ohne einen Fluss, ohne irgendeine Spur von warmen Leben. Ein Schauder lief ihm über den Rücken und er wandte sich von der Luke ab. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das bis oben hin beladene Flugschiff taumelte mehr durch die Lüfte, als dass es flog. Das Knattern des Motors war überlaut und ließ den Boden erzittern. Jedes Mal, wenn er harkte ging ein heftiger Ruck durch das Innere. Dann, und jedes Mal, wenn sie durch ein Luftloch flogen, mussten sie sich mit aller Kraft gegen die Kisten pressen, damit weder sie, noch die Ladung durch den ganzen Frachtraum flogen. Die Alten schienen das schon gewohnt zu sein und amüsierten sich wie kleine Kinder dabei. Nach zwei Stunden jedoch wurde die Fahrt ruhiger. Im Umkreis der Städte wurden die Stürme mit technischen Mitteln abgelenkt, erklärten ihnen die Alten. Der Grund, warum man sehr schwer aus den Städten heraus kam, denn kurz bevor das Schutzschildareal begann, seien die Stürme immer besonders heftig. Es gäbe sogar Theorien, dass die Schutzschilder die Stürme nur auslösten und einfach nur ein Vorwand waren, dass die Menschen nicht die Stadt verlassen sollten, wo sie nicht mehr kontrolliert werden konnten. Doch wer dachte sich so einen Unsinn aus? Da draußen war doch eh nichts bebaubar, was sollten die Leute da? Selbst sie als Schmuggler wären auf Nahrung und Brennstoffen, wie auch Benzin, aus den Städten abhängig. Diesmal war es Fye, der den Erläuterungen nur auf halben Ohr zuhörte. Wie hypnotisiert stand er vor dem kleinen Lukenfenster, lehnte sein Gesicht gegen die zerkratzte Scheibe und starrte nach draußen. Der Frachtraum war kaum beleuchtet und Fyes Gestalt wirkte gegen das weiße Licht wie ein bloßer Schatten. Seinen Blick endlich von dem Mann nehmend, wand der Krieger sich wieder seinem Schwert zu. Vorsichtig strich er über Souhi, nur noch ganz schwach und matt schimmerte die Schwertklinge unter seinen Fingern. Am Griff klebte sogar noch etwas geronnenes Blut. Er hatte sehr lange keine Gelegenheit mehr gehabt, sie vernünftig zu pflegen. Dabei hatte er sie erst in der vorigen Welt, diesem Kirschblütenland gekauft... Man musste sein Schwert mit Respekt behandeln, wenn man ihm sein Leben anvertraute... Waren wirklich nicht mehr als 6 Wochen vergangen, seit sie aus diesem Land in die nächste Dimension gereist waren, zersprengt wurden und er in dieser verrückten Stadt aufgewacht war? Die Erinnerungen, wie sie dieses Café betrieben hatten, er mit dem Jungen Oni jagen gegangen war und er gegen diesen Seishirou gekämpft hatte, schien ihm plötzlich sehr blass... im Endeffekt war diese Welt ein einziger Schwindel gewesen... aber es wäre eine Lüge zu sagen, dass er es nicht ein ganz kleines bisschen genossen hatte. Die Jagt auf die Oni und die Möglichkeit sich mit neuen Gegnern zu messen, hatten ihm gut getan... und der Magier hatte ihm wieder einmal den letzten Nerv geraubt. Auch dort hatte er ihn schon beschütz, einfach nur weil er sein Reisekamerad war und so viel Blödheit einfach an seinen Nerven nagte. Und den Jungen hatte er auch begonnen auszubilden.... Doch wenn er jetzt den Magier betrachte, die andere Seite des Magiers, die er bisher nur vermutet hatte und niemals zu Gesicht bekam... frustriert hielt er seine Gedanken an. Das war ja zum verrückt werden. Normalerweise war in seinem Kopf alles ganz klar. Aber wenn sein Geist momentan wie ein Steingarten war, dann war dort gerade eine Meute spielender Kinder drüber getobt... Da fiel ihm etwas ganz anders ein....  Auf sein Gleichgewicht bedacht näherte er sich dem Blonden. Er musste seine Stimme erheben, damit man ihn über das Knattern der Motoren überhaupt hören konnte. „Oi, Magier.“ Erst reagierte der Mann vor ihm überhaupt nicht, doch dann löste er sich endlich mit einem schweren Seufzen von dem Fenster. „Fühlt sich Kuro-wanwan vernachlässigt?“, sein Grinsen wurde breiter, „Wenn Kuro-sama ein lustiges Spiel kennt, dann mach ich gerne mit!“ Der Krieger versuchte den zweideutigen Blick zu übergehen, packte Fye am Arm und zog ihn hinter ein paar Kisten, wo sie von den Blicken der anderen geschützt waren. Ungeduldig kramte er in seiner Hosentasche nach diesen seltsamen Idee- Karten (1), oder wie sie hießen. Gerade als seine Finger eine Ecke der Plastikkarten zu fassen bekamen, beugte sich der verrückte Magier vor und küsste ihn spielerisch auf den Mund. Nun wurde Kurogane endgültig rot. „Musst du das ständig machen, verdammt noch mal?“ „Magst du das nicht?“ „Darum geht es nicht! Es lenkt ab!“ „Von dem was du da in deiner Hosentasche treibst?“ „Ja!“ „fyuu" Genervt und nur noch verlegener - so musste sich der Junge fühlen, wenn er von dem Manjuu und dem Magier aufgezogen wurde -  zog er  mit einem Ruck die Karten heraus. „Arm her.“ Fye's Blick wandelte sich augenblicklich von neckisch zu verwirrt. „Aber Kuro-pon, ich hab so einen Apparat doch gar nicht.“ Fast klang es etwas unsicher, doch das bemerkte Kurogane nicht. „Nach Shaolan schon.“ Kurogane krempelte die Ärmel des weißen Mantels hoch und tastete ein wenig an den Verbänden rum. Ja, da war irgendetwas hartes, was an dieser Stelle kein Knochen sein sollte. Nachdem er die Verbände gelöst hatte, stand er allerdings vor einem weiteren Problem, wie sollte er die Karte in Fyes Arm bekommen? Plötzlich riss ihn ein leises Kichern aus seinen Gedanken und wütend sah er den Magier an. Für ihn war es überhaupt nicht offensichtlich wie das funktionieren sollte! „Du musst es einfach nur drüber halten, Kuro-chan“, klärte ihn der Magier auf. Und tatsächlich, die Karte glühte einmal bläulich auf und verschwand. Bei seinem Arm tat er das Selbe, es fühlte sich nicht großartig anders an... Vorsichtig fuhren Fyes Finger über die Verbände an seinem Arm. „Ist es immer noch nicht besser?“ Der Magier hatte vor ihrer Abfahrt die Verbände an den Fingern abgenommen und obwohl das Fleisch an den Fingerspitzen noch etwas weich war, so als wären er zu lange im Wasser gewesen, waren die Brandwunden schon völlig verheilt, nur die Wunden, die ihm die Phagen zugefügt hatten, waren noch wund. Auch die Wunde am Auge war gut verheilt, vermutlich trug er den Verband nur noch, weil er keine Augenklappe hatte. „Wunden heilen eben nicht so schnell. Bei normalen Menschen jedenfalls.“ Fye lächelte schief. „Ich bin wohl kein normaler Mensch, hm?“ „In keiner Hinsicht.“ Aber es war nicht so grob gemeint wie es klang und Fye ging gar nicht weiter darauf ein. „Tut es denn weh?“ „Nein.“ „Wo dann?“ Verwundert sah der Krieger auf den kleineren Mann. „Seit heute früh beschäftigt dich irgendetwas....“ „Ich hab gesagt, es hat nichts mit dir zu tun.“ „Es tut mir Leid...“ Fye wickelte eilig die Verbände wieder um seinen Arm und wich Kuroganes fragenden Blick aus. „Jetzt weiß ich, wie du dich gefühlt hast als ich immer drum rum geredet habe...“ Schnell wand er sich zwischen den Kisten hervor und war aus Kuroganes Blickfeld verschwunden. Und in dem Moment setzte der Landeanflug ein. Mit einem Sprung wich Kurogane einer herunterfallenden Kiste aus und stolperte etwas nach vorne. Verdammt, warum konnte er eigentlich stets nur eines mit dem Magier? Streiten. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Wow! Kaum zu glauben, dass es hier so einen Ort gibt!“ Seine Stimme klang wie die eines kleinen, euphorischen Kindes. Einer der Alten schmunzelte und auch Kurogane freute der Anblick des Blonden, der einmal wirklich völlig vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen war. Nun ging wohl auf den Abend zu, alles war ganz still, man hörte nur ab und an Vogelgezwitscher, müde quakenden Frösche, Wasserplätschern und wenn man den Kopf in das leicht feuchte Gras legte, vernahm man sogar die Insekten darin herumkrabbeln. Das Flugschiff war längst weitergeflogen, hatte sie hier nur abgesetzt, und Kurogane kaute gemütlich an einem längeren Grashalm herum, während Fye mit nackten Füßen die Fische im See verscheuchte und Algen fischte. Endlich waren sie hier, endlich war wieder etwas annähernd Lebendiges um den Krieger herum. Frische Luft, frisches Gras, sauberes Wasser, keine Menschen außer sie beide zu sehen und über dem Himmel die blasse Wintersonne, die nicht wirklich zu der restlichen, fast sommerhaften Natur passte. Nicht zu warm und nicht zu kalt und die Luft konnte man endlich wieder einatmen, ohne dass die Lungen vor Dreck oder Kälte misshandelt wurden. Es war richtig angenehm, die Wiese leicht feucht, die Erde noch warm. Kurogane konnte regelrecht spüren, wie der Tag aktive Teil der Natur langsam zu Ruhe fand, leiser wurde, umsich dann einem natürlichen Schlummer hinzugeben. Was den Krieger und scheinbar auch den Magier am meisten faszinierte, war die Menschenleere. Obwohl hier eigentlich Menschen sein sollten, bei den ganzen kleinen Häusern und Verkaufsständen, die auf der frischen grünen Wiese wie bei einem Dorffest herumstanden. So als wären, nur für kurze Zeit, alle Menschen hieraus verschwunden. Endlich genug vom Wasser spazierte Fye barfuß zwischen den Ständen hin und her und summte. Warum gab es hier so einen Ort? Nach kilometerweiten Schneelandschaften, in denen nichts wuchs, kein Tier leben konnte, weil es dort einfach nichts gab. Das Rauschen der Schneestürme halle immerpräsent in der Ferne, doch es hätte auch Meeresrauschen sein können. Es wurde kühler von Minute zu Minute, je mehr die Sonne weißgelb strahlend dem Horizont immer näher kam. Durchatmen, endlich frische Luft.... warum zwängten sich die Leute in dieser muffigen Stadt zusammen, wenn es hier so viel Platz und Leben und Natur gab? Im letzten Tageslicht richtete sich Kurogane auf und sah zum Magier, der gerade ohne Eile auf ihn zu spaziert kam und sich neben ihn ins Gras fallen ließ. „Was machen wir jetzt, Kurp-pon? Einfach warten, bis uns jemand abholt? Wir dürfen ja schließlich hier sein~“, doch an seinem Ton bemerkte Kurogane, dass es den anderen Mann gerade nicht all zu sehr interessierte, wie sie hier wegkamen. Noch bevor er antwortete, richtete sich Fye wieder auf und ließ seine Hand durch das noch warme Wasser des Flusses streifen. Die Wasseroberfläche kräuselte sich ganz leicht und auch Kurogane konnte den leichten Windhauch auf seiner Haut spüren, das letzte bisschen Wärme der untergehenden Sonne wurde direkt zu ihnen getragen. „Schau mal, da ist eine bewachsene, kleine Sandbank! Ich habe das Gefühl, dass wir dort eine gute Unterkunft finden werden. Schau, die Vögel wohnen da auch!“ „Ah. Gute Idee.“ „Yuchu! Kuro-nyaka stimmt mir zu.“ Der Krieger verdrehte die Augen. Aber er war nicht wirklich genervt. „Was ist denn das schon wieder?“ „Der neue Spitzname? Hab ich mir grade ausgedacht! Auch keine Ahnung, was das heißt! Vielleicht so etwas wie „Sexy“?“ Die Augenbrauen kritisch zusammen ziehend, sah er auf den kleineren Mann herunter. „Auf welcher Sprache? Irrianisch?“ „Nein, hab ich mir grad ausgedacht!~ Gehört zu meinen 101 geheimen Fähigkeiten!“ „Du hast so was auch?“, fragte Kurogane nicht wirklich ernst und schmunzelte leicht als Fye sich stolz aufrichtete. „Jap~! Ganz besondere, spezielle Fähigkeiten! Die grandios, unglaublich tollen und einmaligen 101 Mokona – Fähigleiten~“ „108“ Leicht irritiert sah Fye ihn an. „Es sind 108.“ „Kuro-pon?“ „Hm?“ „Du hast gelächelt!“ „Ah... ich werde wohl auch langsam verrückt, wenn mich der Unsinn tatsächlich amüsiert...“ „Hm.. aber wie sollen wir darüber kommen? Ich weiß es! Schwimmen! Wir ziehen uns ganz nackig aus, drehen uns drüben ganz schnell im Kreis und ziehen unsere Kleider wieder an!“ Im Endeffekt war es vielleicht doch so keine gute Idee, denn der Anblick eines nackten Fyes, von dem sich Tausende von Wassertropfen ihren Weg über jeden Winkel und Rundung des schlanken Körpers suchten, war auch bei den geringen Lichtverhältnissen ein Anblick, bei dem Kurogane schwer Fassung bewahren konnte. Nackt schlugen sie sich ihren Weg durch das dichte Buschwerk, an Entennestern vorbei und fanden tatsächlich einen geeigneten Ort zum Rasten. Sofort schmiss der Magier seinen Mantel auf den Boden und streckte sich darauf lang, während Kurogane ein kleines Feuer machte. „Nicht, Kuro-sama! Man kann uns sonst sehen!“ „Ist mir klar“, brummte er zurück, „wir dürfen hier sein. Hier ist es nur windgeschützter, wir brauchen uns nicht mehr verstecken.“ Fye lachte verlegen. „Hahaha, ich werde zu paranoid. Legt sich Kuro-sama danach zu mir? Dann wird es schneller warm.“ „Zieh doch deinen Mantel an.“ „Mein Mantel soll Kuro-nyaka sein!“ Der Krieger hegte nicht sehr viel Hoffnung, dass das den Blonden wirklich zum Schweigen brachte und er sollte bestätigt werden. Eng an ihn geschmiegt brabbelte der Magier noch eine ganze Weile irgendwelchen irrsinnigen und anzüglichen Unsinn vor sich hin, doch es war wirklich angenehm einfach entspannt auf dem warmen Stoff zu liegen und die weiche Haut des Magiers gegen seine zu spüren. „Es tut mir Leid...“, brummte er irgendwann undeutlich. Verdammt, er hatte sich noch nie für irgendetwas entschuldigt, jedenfalls bei niemand lebendigen, weil er nie etwas tat, was er bereute. „Ich bin nicht wütend auf dich...“ „Okay... sagst du mir den Grund?“ Das Feuer knisterte einlullend und wärmte seinen Rücken. Gedankenverloren betrachtete Kurogane Fyes nackten Körper, das erste Mal in aller Ruhe. Von dem Tattoo, das er der Hexe als Preis bezahlt hatte, war nichts mehr zu sehen und auch sonst zeichnete keine einzige Narbe den schönen Körper. Abgesehen von der Wunde im Gesicht, war der andere Körper nahezu unversehrt, ganz im Gegensatz zu seinem eigenen Körper, der schon mit 24 von Narben aus Training und Kampf gezeichnet war. Über Fyes Kopf hinweg sah er auf die Narbe an seiner rechten Hand. Tomoyo hatte sie ihm zugefügt. Das Zeichen für seine Schwäche und die Chance stärker zu werden. Dieser Gedanke brachte ihn wieder auf das Thema zurück, an das zu denken er die ganze Zeit vermieden hatte. Er ballte die Hand zur Faust und küsste Fye. Ein wenig wurde es dadurch besser. Und gleichzeitig schlimmer. „Ich habe dir etwas versprochen“, sagte er zwischen zwei Küssen, „aber ich weiß nicht, ob ich es halten kann...“ Fye hielt in seinen Liebkosungen an seiner Schulter inne und schien einen Moment seine nächsten Worte zu bedenken. „Das ist egal... solange du es versuchst.“ Und das reichte Kurogane. Es machte nichts besser, er konnte immer noch nicht dafür garantieren, dass er nicht wieder jemanden verlor, er konnte nicht dafür garantieren, dass irgendetwas von dem hier lange klappte, sein Wunsch war dadurch nur noch stärker und den Einsatz, den er zu verlieren hatte, nur noch höher. Doch es reichte ihm. Es reichte ihm, um entspannt die Augen zu schließen, das Streicheln in seinem Haar zu genießen und sich endlich, endlich, ruhig und vertrauensvoll der Bewusstlosigkeit übergeben, die ihn schon seit Tagen jagte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Er wurde durch Weinen wach. Und das erste, was er dachte, war, dass dieses Weinen nicht sein sollte. Augenblicklich war er wach und sah, dass Fye verschwunden war. Die Geräusche kamen vom Ufer, das Feuer war längst niedergebrannt und die Nachtkälte fast etwas zu frisch auf seiner bloßen Haut. Sich den Mantel überziehend, bewegte er sich in die Richtung, aus der das leise Wimmern kam. Der Magier kniete im seichten Wasser, einen Arm um sich geschlungen und presste die andere Hand gegen Mund, als wollte er verhindern sich zu übergeben. Mit wenigen, schnellen Schritten war Kurogane bei ihn, zerrte ihm zum Ufer zurück und beugte ihn vornüber. „Übergib dich! Danach wird es besser.“ Fyes Weinen wurde nur noch herzzerreißender und der süße Brei vom Morgen landete mit einem hässlichen Platschen halb verdaut im Uferschlamm. Seltsam, wenn das Essen schlecht war, hätte er selbst doch auch etwas bemerkt... Doch auch jetzt schien sich Fye überhaupt nicht zu beruhigen. Schwach versuchte er sich von Kurogane los zu machen, die Tränen tropften dick über das gerötete Gesicht seinen Hals hinunter und als das Mondlicht in das blaue Auge fiel, begriff Kurogane, dass der Magier noch halb träumte. Schnell zog er den Mantel aus, legte ihn um die zitternden Schultern und zog Fye vorsichtig in eine Umarmung. „Hey, wach auf, du träumst.“ Das half doch auch bei kleinen Kindern, oder? Doch Fye wurde nicht ruhiger. Sich losreißend befreite er sich von dem Kleidungsstück und machte immer wieder die selbe hektische Bewegung. Endlich begriff Kurogane, der Idiot kratze sich immer wieder über die Stelle an seinem Unterarm, dort wo das Implantat war, doch seine die Haut an seinen Fingern und die Nägel waren durch die Brandwunden noch viel zu weich, als dass sie großartig verletzten konnte. Wütend packte Kurogane Fyes beide Arme und hielt ihn fest, der Schrei der danach von den zitternden Lippen des Blonden kam, musste kilometerweit zu hören sein und glich mehr einem Tier. Nun wirklich verzweifelt schüttelte Kurogane den Rasenden und verpasste ihn daraufhin eine Ohrfeige. Augenblicklich ruhig sackte der schlanke Körper einfach in sich zusammen und Fye weinte lautlos weiter. Doch endlich schien er wach. „Was ist los?...“, fragte Kurogane leise und möglichst sanft. „Ich will nicht zurück...“, war die gemurmelte Antwort. „Fass mich nicht an... sieh mich nicht an... ich will nicht schlafen... ich schlafe nie.... ich will... mich nur erinnern.... das ist alles... was willst du mehr, du Bastard... ich hasse dich... ich hasse dich... ich hasse dich... ich hasse dich... nimm dieses Ding aus meinem Körper... es ist fremd... kalt... es gehört nicht zu mir!... Es ist tot... ich will nicht tot sein... nicht wenn ich noch lebe... ich hasse dich, hasse dich, hasse dich... “ Fyes Puls an seinem Arm prasselte schnell und unregelmäßig wie Regentropfen. Als Kurogane den linken Arm losließ, fiel er leblos an Fyes Seite wie das Glied einer Puppe. Fyes Kinn anhebend zwang der Krieger das blaue Auge direkt in seine zu sehen. „Wen hasst du, mich?“ „...“ „Ich bin Kurogane. Hasst du mich?“ „Nein...“ „Hier ist aber niemand anderes...“ „Niemand... anderes?“ „Ja. Niemand anderes. Wir sind hier ganz allein. Du kannst dich beruhigen. Niemand fasst dich hier an, wenn du es nicht willst“, sagte der Krieger eindringlich. „Aber du siehst mich an.“ „Soll ich die Augen zu machen?“ „Ja...“ Folgsam schloss Kurogane die Augen und endlich spürte er, wie sich der rasende Herzschlag beruhigte. Was war nur mit dem anderen Mann los? „Was ist das in meinem Arm...?“ „Nur so n' Ding, Shaolan hat's dir eingesetzt, also wird es nichts Schlimmes sein.“ „Kurogane...“, begann Fye leise, hektisch. Was immer es war, es musste aus dem anderen Mann heraus, oder es würde wieder zu so einem Anfall führen. Das wusste Kurogane auf einmal genau. Doch er hatte immer hinter die Fassade des Magiers blicken wollen und ihm kam nicht einmal der Gedanke, jetzt zurück zu schrecken. Er hatte sich entschieden, also blieb er auch.   „Ich bin da.“ „Niemand... außer Kuro-pon.“ „Genau, wir sind nicht mehr im Hain. Hier ist niemand, der dich zu irgendetwas zwingt.“ Fyes Stimme war nur noch ein Flüstern, Kurogane war froh gerade nicht seinen Blick zu sehen, die Stimme klang schon hoffnungslos und traurig genug. „Darum geht es nicht...“ „Worum dann?“ „Ich... ich bin die Bambusprinzessin...“ Kurogane musste sich bemühen die Augen geschlossen zu halten, in jeder anderen Situation wären diese Wort albern gewesen, aber ihm war gerade nicht zum Lachen zu mute. „Ich... ich kann mich an nichts erinnern... wer ich bin... was ich gemacht habe, bevor ich in den Hain kam..... Als wäre ich von den Himmelsleuten weggeholt worden....“ Ihm stockte der Atem, doch Kurogane hielt die Auge geschlossen. „Ist das der Grund für dein seltsames Verhalten?“ „Ja....“ „Warum hast du mir das nicht von Anfang angesagt?“ Ärger flammte in ihm auf, wie sehr musste dieser verdammte Magier ihm eigentlich misstrauen?! „Ich dachte... du könntest gefährlich sein.... die Hainbewohner erklärten mir, dass Menschen ohne Erinnerung meist aus den Laboren kommen... niemand von außen darf es wissen, sonst komme ich zurück... das muss ein schrecklicher Ort sein...“ „Quatsch, du kommst aus keinem Labor!“ Nun öffnete Kurogane seine Augen doch und sah einem Blick der ihn durch Mark und Bein ging. So viel Angst, so viel Panik, so viel aufgestaute, unterdrückte Gefühle, die jetzt ausbrechen schienen, heftig wie eine Naturkatastrophe. Was für Träume es auch waren, die Fye verfolgten, er musste jetzt nur so ausgeflippt sein, weil er sie nicht mehr verstand. Sonst wenn sie sich ein Zimmer geteilt hatten, hatte er nicht einen Mucks von sich gegeben. Wenn er überhaupt geschlafen hatte, wurde ihm brennend heiß bewusst. Wovor zur Hölle rannte der Magier nur weg? „Du kommst aus einem scheiß kalten Land namens Ceres. Du bist auf der Flucht vor deinem König und reist mit zwei Blagen, einem Manjuu und mir durch die Dimensionen. Wir sind in dieser verrückten Welt versprengt worden und du hast dir wahrscheinlich nur den Kopf gestoßen.“ Ungläubig sah Fye ihn an. „Das... das ist alles?“ „Ja verdammt!“ „Aber... aber das kann nicht sein.... ich habe dich gesehen... auf einer alten Aufzeichnung“, seine Stimme klang immer noch nicht stabil. „Mit mir zusammen...“ „In jeder Dimension gibt es dich, mich und jeden Menschen. Verschiedene Umstände, selbes Herz. Ich war noch nie hier, du hast wahrscheinlich nur den Kurogane und dein Ebenbild dieser Welt gesehen.“ Das war also der Grund für dieses ganze Theater! Und auch warum Fye im Hain bleiben wollte. Wenn das alles war, was er kannte, verständlich. Schwer atmete Kurogane durch und versuchte es erst einmal zu verdauen. Viel Zeit blieb ihm nicht dafür, denn Fye brach schon wieder in Tränen aus. Diesmal jedoch ließ er sich in den Arm nehmen. Warm floss das salzige Wasser Kuroganes Halskuhle herunter. Wie konnte ein einziger Mensch nur so viel Tränen vergießen ohne auszutrocknen? „Und du hast einfach nur schlecht geträumt.“ Fye schwieg, das leise Weinen dauerte an. Doch irgendwann, Kurogane erwartete schon fast das erste Licht am Horizont zu sehen, wurde der kleinere Mann ganz still. „Du hast geträumt“, wiederholte Kurogane noch einmal. Vorsichtig und ohne ihn aus seinen Armen zu entlassen, legte er dem Blonden wieder den Mantel um, hob ihn hoch und brachte ihn zurück zu ihrer Raststädte. Die Asche glühte noch leicht, so war es nicht schwer das Feuer mit wenigen Handgriffen neu zu entfachen. Der Magier war ganz still und presste sein Gesicht gegen Kuroganes Schulterkuhle. Allmählich wurde dem Krieger all dieses seltsame Verhalten klar. Dieses untypische Benehmen, die Unsicherheit, dieses Herausreden und das Unwissen von einfachsten Dingen. Und er hatte es nicht bemerkt, er hatte bemerkt, dass irgendetwas nicht stimmte, aber er war davon ausgegangen, dass einfach nur etwas im Hain passiert war, was den Magier die Lust an solchen Spielchen verdorben hatte. Oder, dass er sich außerhalb der Nähe der Kinder anders verhielt. Oder, oder, oder. Aber verdammt noch mal, er war nie darauf gekommen, dass der verdammt Magier sich nicht erinnerte und wirklich keine Ahnung hatte, wovon er redete! Aber woher sollte man auch wissen, wenn ein notorischer Lügner mal die Wahrheit sagte? „Warum zur Hölle hast du dann so darauf bestanden, dass ich in deiner Nähe bleibe? Ich war ein Fremder für dich. Das ging doch verdammt noch mal nicht von mir aus!“ Der Magier hatte sehr lange nichts mehr gesagt und er war fast schon davon ausgegangen, dass er eingeschlafen war und er jetzt mit sich selbst redete, aber der laute Ton, musste ihn doch irgendwie erreicht haben. Müde öffnete er das tränengerötete Augen und sah ihn seltsam resigniert an. „Ich.... ich hab dich auf dem Video gesehen.... und dachte, dass du der einzige Mensch bist, der mich kennt... und... hab dich einfach mitgenommen....“ „Was für ein verdammtes Video?“ Kuroganes Geduldsfaden drohte schon wieder zu zerreißen, aber nicht wegen dem Magier, sondern weil alles auf einmal wieder umgeworfen wurde, von dem er sich eigentlich sicher war. „Eines... mit dir und mir... ich zeig es dir.... später.“ Es war wirklich besser noch etwas Ruhe zu finden. Den Mantel noch mehr über den leicht feuchten Körper – oder war es Schweiß? - ziehend, küsste er ihn noch einmal auf die Stirn. Er hatte festgestellt, dass das den Magier beruhigte. Ein leises Weinen war die einzige Reaktion. „Oi, was denn?“ „Aber... es ist nicht nur deswegen.... ich mag dich wirklich. Ich... ich will nicht dass du gehst, auch wenn du nichts über mich weißt. Ich will dass du bleibst...  aber ich kann dir keine einzige deiner Fragen beantworten.“ „Ist okay.“ „Ich.... mag dich wirklich.“ „Ich ma-“ „Nein!“ „Was denn nun?“, Kuroganes Ton klang ungeduldig und fast ein wenig verzweifelt. Der Magier würde nicht mehr all zu bald zu hören bekommen, dass er ihn mochte ... mehr als das, es fiel ihm doch schon schwer genug! „Sag es nicht.... sonst wird es zu einer Erinnerung... und die kann ich verlieren... das Gefühl bleibt.... sag es nicht, Gefühle im Herzen kann man nicht nehmen...“ „Idiot. Auch wenn man es ausspricht bleibt es ein Gefühl. Du denkst zu kompliziert. Wenn du jemanden magst, sag es, wenn du jemanden verachtest, sag es. Nur wenn dir jemand egal ist, dann ist es einerlei, ob du es sagst. Aber wenn du niemanden in dich blicken lässt, wirst du immer allein bleiben.“ Ein ganz leichtes Lächeln. Kurogane hatte das Gefühl, dass dieses seltsame Hochgefühl in seine Brust zurückgekehrt war. Genau so wie bei ihrer Nacht im Schnee. „Ich bleibe bei dir“, wiederholte er es noch einmal, damit es endlich in den Schädel des anderen Mannes ging. „Weil ich etwas Wertvolles in dir sehe, das ich beschützen möchte. Und dem nahe sein.“ Das Lächeln wurde breiter, wie die aufgehende Sonne. „Das ist das schönste, dass ich je gehört habe...“ Die Sonne ging auch gerade in dem versteckten Garten auf, das Dämmerlicht sickerte durch die Blätter und die ersten Enten wurden wach. Leises Plätschern und Quaken und Schneesturmrauschen und Atem an seiner Brust. Mit einem Gefühl, das er sich selbst nicht erklären konnte, sah der Krieger auf den schlafenden Mann. Zaghaft nahm er einer der blonden Strähnen zwischen dein Finger. Vielleicht... konnte er den anderen Mann auf andere Weise schützen, bis er seine Stärke fand. Kurogane dachte an die Ereignisse im Hain, aber diesmal stellte sich nicht diese Eifersucht und Wut ein. Der Magier war eigentlich stark.... es gab nur verdammt viel Verletzliches an dem anderen Mann... einen Teil davon hatte er diese Nacht gesehen, er war sich sicher, dass es da noch sehr viel mehr gab. Langsam beugte er sich herunter und führte seine Lippen an die blonden Strähne. Vielleicht konnte er mehr beschützen als nur den Körper. Er wollte es wirklich, auch wenn er so etwas noch nie gemacht hatte... Kapitel 21 Ende ~~~~~~~~~~~~~~~ (1. XD ID-Karten, Kuro! IdentificationCard!) Anmerkung: So, nun sind alle bisher gelöschten Kapitel wieder hochgeladen! Plus das 21te und hiermit auch das 22te ^^. 23te folgt sobald dies hier hochgeladen ist! Hoffe es macht noch Spaß die Geschichte zu lesen! Danke btw für die Kommentare, die ich auch nach der Löschung wieder bekomme ^^! 22. Kapitel - (Schlaflos) ------------------------- Kapitel 22  - Schlaflos // For what it's worth I love you and what it's worse, I really do// - the cardigans – for what it's worth ___________________________________ Er zählte die Sekunden mit Herzschlägen. Dum.Dum.Dum. Ganz dumpf drangen sie durch die Flüssigkeit hindurch, die seine Sicht leicht bläulich färbte. Mehr eine Vibration gegen seine Haut als ein Geräusch. Kurz schloss der Mann hinter Glas wieder die Augen. Seinen König konnte er nirgendwo sehen. Es war in Ordnung noch ein wenig zu dösen, sein Kopf fühlte sich so schwer an, sein Körper erschöpft, als hätte er einen meilenweiten Marsch hinter sich. Es gluckerte, auch diese Geräusche waren vertraut. Langsam ging die Flüssigkeit zurück, er spürte es ganz deutlich, es war immer das selbe. Erst ließ der Druck nach und sein Körper wurde etwas nach oben getrieben. Dann spürte er die gewärmte, trockene Luft an seinen nassen Haaren. Seine Ohren wurden frei, sein Herzschlaggeräusch klarer und klarer. Unregelmäßiger und kräftiger. Wie eine zweite Haut glitt die dickflüssige Wärme von seinem Körper. Wenn seine Füße den feuchten Boden berührten und er von sanften Luftströmen getragen unendlich sanft auf dem Boden aufsetzte, war er vollkommen wach und fühlte sich dennoch wie von einem wundersamen Traum gefangen. Das Bedauern zwischen Schlaf und Erwachen, so als hätte er einen schönen Traum vergessen. Langsam öffneten sich die blauen Augen und sahen teils blind, teils sehend, zur Tür. An der weißen Wand war nicht auszumachen, wo sie sich befinden könnte. Schon gar nicht aus so einer Entfernung, aber er musste es nicht sehen, um zu wissen, was er schon tausend Mal beobachtet hatte. 6 Sekunden, Herzschlag, 4 Sekunden, Herzschlag, Herzschlag, Herzschlag. Ein schwarzes Rechteck tat sich ganz lautlos an der Wand auf und der Mann mit den Goldaugen und langen schwarzen Haaren kam herein. Wie immer in weiß und blau gekleidet, doch so unähnlich den Gewändern, die er in seiner Kindheit noch getragen hatte. „Wie fühlst du dich?“ Die Stimme, die über Lautsprecher zu ihm getragen wurde, überdeckte einen seiner Herzschläge. „Bist du müde?“ Er war in der Tat... sehr müde. Und erschöpft. Dieser erzwungene Schlaf diente eigentlich dazu seinen Körper zu stärken, so hatte es Ashura einmal erklärt, als er ihm das, was mit ihm geschah noch erklärte und Fye noch zuhörte. Irgendwann, Abertausende von Herzschlägen entfernt, hatte Fye nicht mehr zugehört. Und Ashura aufgehört zu reden. Manche Dinge machten tausend Worte nicht wieder gut und der Mann hinter dem Glas hatte nicht vor irgendjemand irgendetwas zu vergeben. „Ja...“ „Aber du machst Fortschritte.“ „Mit was?“ Es interessierte ihn nicht wirklich. „Mit der Anpassung an diese Realität.“ „Ah..“ Schweigen. Mit undeutbaren Blick beobachtete Ashura den Patienten weiter. Blind starrte er ins nirgendwo, durch ihn hindurch, so als würde er träumen. „Soll ich dich wieder schlafen lassen?“ „Es gibt... in vielen Dimensionen Personen, die ewig schlafen...“ Ashura wusste genau, dass er es hasste zu schlafen. „Traumseher. Ich weiß. Ich zählte auch dazu.“ „Du stehst hier vor mir. Und deine Augen sind offen. Das heißt wir sind in einem Traum. Wir träumen beide.“ Sein Kopf fühlte sich so betäubt. Wie lange hatte er geschlafen? Es kam ihm wie Wochen und Jahre vor. Seine Augen waren schwer, als hätte er sie ewig nicht geöffnet, seine Wimpern scheinbar aus Blei. Eine tiefsitzende Übelkeit hatte sich in seinem ganzen Magen ausgebreitet. „Vielleicht.“ „Wohl eher ein Alptraum.“ „Willst du nicht aufwachen? Du machst es mir schwer, wenn du es wolltest, müsstest du hier nicht gefangen sein. Vielleicht wäre diese Welt dann nicht so trist?“ „Sie wäre voller Frieden.“ Sein König sah ihn offen verwundert an, doch obwohl es eine seltene Gelegenheit war, den König des Reiches Ceres die Fassung verlieren zu sehen, blickte der Gefangene nicht auf. Dum. Dum. Dum. Sein Herzschlag hatte sich nicht verändert. Er spürte, dass sich etwas änderte, eine weitere Drehung des Schicksals, die er nicht aufhalten konnte. Hoffentlich war das Schicksal diesmal etwas gnädig. Aber es war egal, mittlerweile war alles egal. Die Leere und die Wut hatten sich in seiner Brust zusammen genknäuelt wie ein harter Klumpen Teer und ihn ausgehöhlt, bis nur noch Schlaf und Erwachen übrig blieb. Und das süße Gefühl dazwischen. Er schwebte irgendwo zwischen Ohnmacht und Träumen, Schwärze und Erinnerung. Solange er hier war, solang dieser Mann auf der anderen Seite des Glases war, solange die Kinder auf ihrer ewigen Suche waren, solange wie diese eine Person irgendwo auf der Welt war, oder in irgendeiner Welt, solange reichte ihm sein Herzschlag und die leise Wut auf Ashura. Schwerfällig hob er den Kopf und sah seinen König mit einem kalten Lächeln an. Dieser Blick hatte immer über ihn gewacht, diese Hände hatten ihn immer gestreichelt, diese Stimme immer geweckt, wenn der Tag begann, dieses Haar hatte er am liebsten durch seine Finger gleiten lassen „Doch niemand könnte sie sehen, diese Welt. Niemand könnte sie anfassen, niemand könnte sie spüren, niemand würde auch nur einen Ton auf ihr hören. Sie wäre leer.“ Hart schlug der Gefangene gegen das Glas. „Leer von dir!“ Ein Lächeln, ein Lächeln, so sanft, wie das Lächeln eines Kindes und so wissend, er kam sich auf einmal so dumm vor. So dumm zu hassen. Und gleichzeitig so dumm, auch nur daran gedacht zu haben, damit aufzuhören. „Aber diese Welt ist voll von mir.“ Schweigen. „Ich träume nicht mehr...“, unruhig -warum war e heute so unruhig? Was würde geschehen? - sah sein König auf die digitalen Ziffern auf seinem Handgelenk, fixiert von eisblauen Augen. „Nicht seitdem du alles durcheinander gebracht hast.“ Mit festen, sicherem Gang schritt er auf die Tür zu, das Loch im Gemälde, das Loch heraus aus seinem Universum. „Denn der, der hier träumt, bist du, Fye.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Das Licht hinter den Gardinen wurde allmählich immer blauer und blauer, bis es endgültig verschwand. Nur noch das Rattern der Flugschiffe war über ihnen zu hören. Doch sie wusste, dass die unsichtbaren Augen an ihnen nur noch um so schärfer um diese Zeit waren. Lange vor Sonnenaufgang wurde das Mädchen wach, strich ihre zerwühlten braunen Haare aus dem Gesicht und lauschte. Es war so spät in der Nacht, oder so früh am morgen?, dass selbst die Werbungen auf stumm geschaltet waren und über dem Wohngebiet der besser betuchten Leute, in dem sie sich befanden, selbst das Licht der Hologramme erlosch. Und es war so unglaublich still, dass sie nach Shaolans Hand greifen musste, um sich zu vergewissern, dass er noch lebte. Aber der Körper ihres Bruders war ganz warm. Neben ihm lag ganz still ChuNyan, nur ab und an hörte sie ein leises Wimmern. Und obwohl sie sich für diesen Gedanken schämte, war Hime froh, dass ihre Freundin weinte. Eben weil es dadurch nicht so gespenstisch still schien. Sie träumte wohl. Kein Wunder... als sie vorsichtig die Wange des Mädchens berührte, spürte sie, dass sie ganz verquollen und feucht war. Lautlos wand sie sich aus den Decken und glitt aus dem großen Ehebett, in dem sie sich zu dritt zusammengedrängt hatten, wie Katzenjunge, obwohl es in ChuNyans Zimmer und auf den Fußboden noch genug Platz gegeben hätte. Aber es war vertrauter so, sie schliefen wohl alle besser, wenn sie die Wärme einer anderen Person ganz nah bei sich hatten. Mit ihrem Bruder schlief sie immer ganz nah beieinander, Stirn an Stirn und die Beine miteinander verknotet, schon seit sie klein waren, aber Chu Nyan war hier immer ganz allein. Sie sagte zwar, sie war nicht allein, weil der Geist und der Duft ihrer Mutter immer noch in der Wohnung hing, aber dennoch kam das Mädchen ständig in den Hain, um dort mit ihnen Zeit zu verbringen, wann immer sie es zwischen Schule und Pfortenschließungen schaffen konnte. Sie tat ihr auf einmal so unglaublich Leid, niemanden zu haben, der nur ganz allein für sie da war. Sie waren zwar Freunde, aber sie würden nie ChuNyans Mama ersetzten können. Shaolan war sicher müde von der langen Reise durch Eis und Schnee, überlegte sie und schauderte als ihre nackten Füße den hölzernen, warmen Boden berührte. Besser sie ließ ihn schlafen. Sie waren oft bei ChuNyan gewesen, vor allem als ihre Mutter noch lebte, aber nie würde sie sich an diese niedrigen Decken, diese beängstigend engen Räume und Wärme gewöhnen. Aber sie würden sich daran gewöhnen müssen.... den Hain gab es nicht mehr. Ihre Heimat gab es nicht mehr. Wie es Souma und Fye und dem Doktor jetzt wohl ging? Trotzig wischte sie sich die Tränen aus den Gesicht. Sie musste stark sein! Alle um sie herum waren so stark und deswegen musste sie es auch sein, um ihnen nicht zur Last zu fallen. Lautlos schlich sie in die Küche und begann das Frühstück zuzubereiten. Sie mochte die Stille um sich herum, die Schatten redeten mit ihr und beruhigten sie. Ungeschickt fingerte sie den Toast aus der seltsamen Plastikverpackung und öffnete den Kühlschrank, um sich ein kleines Tütchen des Milchpulvers zu nehmen. Was sollte sie denn jetzt machen? Am besten erst einmal Frühstück, beschloss sie. Sie durfte nicht den Kopf hängen lassen. So leise wie möglich öffnete sie die Schränke, richtete das Frühstück, schlug Milch und erhitzte die Toastscheiben aus der Plastikverpackung. Als alles gedeckt war, schwebte der Duft von heißer Milch in der kleinen Küche. Alles war bereit für's Frühstück. Aber es war ganz still. Ihre Freundin und ihr Bruder schliefen noch. Die Luftschiffe flogen immer noch lautlos über ihnen. Und es waren noch viele Stunden bis zum Morgen. Traurig sah Hime auf den Frühstückstisch. Niemand lebte in dieser Wohnung, außer sie Kinder. Kein Doktor, der kam und ihr alles wegaß. Kein Fye, der mit ihr seine Späße trieb und sein komischer Freund, Kuro-pon, der sie immer so grummelig ansah, aber eigentlich sehr nett war, auch nicht (er war mit ihr in einer Tierhandlung gewesen! Hime war noch nie in einer Tierhandlung gewesen!). Souma und ihr Sohn leisteten ihr auch keine Gesellschaft. Ihr war der Appetit vergangen. Lautlos wie sie ihn hergerichtet hatte, räumte sie die den Frühstückstisch wieder ab, stellte die Milch in den Kühlschrank und stopfte den Toast fast trotzig zurück in die Plastiktüte. Es waren noch viele Stunden bis zum Morgen. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Verdammt noch mal, ich kann mich selbst verarzten! Ich bin Doktor, meine Liebe, und ich habe mein Handwerk nicht an Stoffpuppen erlernt, wie manch eine Amme dort unten ihn diesem Loch!“ Die junge Frau mit den rehbraunen Augen gab es auf ihren Mann verarzten zu wollen und wand sich wieder dem quengelnden Kind in ihren Armen zu. Dass dem Kleien auch unbedingt jetzt seine neuen Zahn spüren musste, sie weckten noch die ganze Nachbarschaft auf... aber viel mehr Sorgen als um den Schlaf der Leute hier und dass sie vielleicht von den unzähligen Überwachungssystemen erfasst werden würden – und sie tatsächlich entdeckten, die Möglichkeit, dass sich die Industriellen in Sachen Überwachung verbesserten war immer gegeben - machte ihr der Umstand, dass er seine Schulterwunde tatsächlich mit dem dreckigen Flusswasser auswusch. „Kyle!“, zischte sie angespannt. Sie war müde und wollte endlich eine Unterkunft finden. Es war kalt und feucht diese Nacht. Nicht die gewohnte Schwüle, die sonst in Sytrax City herrschte. Bis zur ihren Bekannten würden sie es nicht schaffen, schon gar nicht in diesem Zustand aus den verfallenen Vierteln die besseren hinein. „Was?!“, fuhr er sie an, sah dann aber ihren müden Blick und wand sich wieder seiner Tätigkeit zu. „Meine Liebe.“ „Hör auf mir ständig Honig um den Mund zu schmieren und komm endlich. Es ist noch ein weiter Weg bis zur Kirche! Und Eliot ist müde. Wie auch ich...“ Der Ausdruck auf den Gesicht des Arztes wandelte sich von genervt zu schmerzverzerrt als er schwerfällig aufstand. Der Schuss in die Schulter machte ihm zu schaffen und hatte das Schulterblatt erwischt, aber das musste Souma ja nicht wissen. Obwohl sie es wahrscheinlich dennoch wusste, obwohl er es ihr nicht gesagt hatte und sie nicht die besten Kenntnisse in Medizin hatte. „Die Nacht ist noch lang.“ „Aber mein Geduldsfaden nicht, komm endlich.“ Mit diesen Worten ging sie energisch vor. Doch langsam, so langsam, dass ihr Mann trotz seiner „Streifwunde“ ohne Probleme folgen konnte. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Diese Hallen waren wirklich gigantisch! Sakura fühlte sich wie in einem großen Schloss! Die Wände waren voller Gemälde und Statuen, der ganze Boden mit wunderbar weichen Teppich ausgelegt, so dass sie am liebsten barfuß darauf laufen würde! Und obwohl ihr einziges Licht der gelbliche Schein einer Kerze war, schimmerte es wunderschön blau und silbern. Sie war zwar eine Prinzessin, aber sie hatte sehr wenige Erinnerungen daran... Sie wusste, dass sie einen Bruder hatte – Shaolan-kun hatte ihr erklärt, dass das der König ihres Landes CLOW Country war - , und auch an einen prachtvollen Garten erinnerte sie sich. Doch an den Palast selbst nicht. Nur an den großen Garten im Inneren mit den vielen verschiedenen Blumen. Dort hatte sie immer mit jemanden gespielt, ihren Bruder vielleicht? Vielleicht ein Freund oder eine Freundin? Sie erinnerte sich sogar, wie sie einmal ein Vogelbaby dort gefunden hatten und es so lange gefüttert und vor wilden Tieren beschützt hatten, bis seine Mutter kam. Ihr Bruder hatte sehr geschimpft, weil sie durch das stundenlange Liegen auf dem feuchten Erdboden krank geworden war. Aber dann konnte es nicht ihr Bruder gewesen sein... wer auch immer es war, sie war schon sehr aufgeregt es zu erfahren! Dieser Mensch war sicher ein ganz besonderer. Auch wenn ihre Federn anderen Menschen, ganz besonders Shaolan-kun, Kurogane-san, Fye-san und Moko-chan oft Probleme bereiteten, hoffte sie, dass die nächste Feder ihr eine Antwort auf diese  Frage geben würde. „Prinzessin?“ Shaolan-kun, der neben ihr stand, sah etwas besorgt drein. Mit einem plötzlichen Anfall von Panik bemerkte sie, dass sie mitten im Gang stehen geblieben war. „Sha-shao-shaolan-kun!“ Wie peinlich, ständig schlief sie ein oder starrte verträumt durch die Gegend, sie war so überhaupt keine Hilfe... dabei suchten doch alle ihre Federn... Besorgt und ernst sah sie der braunhaarige Junge an. „Geht es dir nicht gut?“ „Ich.... ich habe mich nur versucht zu erinnern, ob das Schloss in Clow Country auch so prächtig war...“ Shaolan nickte lächelnd. „War es. Aber viel wärmer, mehr sandfarbend, mit vielen Rottönen und großen Gärten. Und von den offenen Fenstern aus konnte man die Wüste sehen.“ „Die Wüste...?“ „Du kannst dich noch nicht daran erinnern?“ „Nein... an meinen Bruder... und Yukito... und an ein Haus, in der Stadt... aber nicht an die Wüste... aber an den Geschmack von Äpfeln...“ Sie gingen weiter durch die großen Gänge. Mokona spürte in dieser Welt eine Feder, aber da es zu hier zu viel Magie gab – so erklärte es – konnte sie sie nicht orten. Also mussten sie suchen, aber vielleicht hatten sie Glück und würden in diesem Schloss einen Hinweis, oder zumindest einen Bibliothek mit der Geschichte des Landes Niaoulli finden. Obwohl ihr Gastgeber sehr freundlich war, hatte Shaolan immer noch Vorbehalte ihn nach einer Legenden um die Federn zu Fragen. Allein bei dem Wort „magischer Gegenstand“ wurde der Blick des sonst so freundlich wirkenden Mannes dunkel und streng. Scheinbar war alles magische in dieser Welt verpönt. „Ich frage mich, warum die Menschen in dieser Welt Magie so verabscheuen...“ „Und ich frage mich, warum ihr hier mitten in der Nacht herumschleicht. War der Tag nicht anstrengend genug?“ Heftig zuckte der braunhaarige Junge zusammen und fuhr herum. Er hatte überhaupt nicht bemerkt, dass jemand direkt hinter ihm stand! „Ashura-san...“ Einen Moment fragte er sich, ob sie nun Ärger bekamen, doch das sanfte Lächeln und der ruhige Blick aus goldenen Augen beruhigten ihn. „Könnt ihr nicht schlafen?“, fragte der Mann, der ihnen Unterschlupf gewährt hatte, besorgt. „Nein...“, gab Sakura zu und lächelte scheu, wie es Shaolan gar nicht kannte. Es war seltsam, das Mädchen benahm sich irgendwie ruhiger in der Nähe dieses Mannes. Plötzlich sprang Mokona aus ihren Armen und klebte dem Erwachsenen im Gesicht. Erschrocken schlug Sakura die Hände vor dem Mund. „Aber Moko-chan!“ Das weiße Wesen ließ sich davon allerdings nicht beirren, sondern sah nur mit seinen großen Augen in das seines viel größeren Gegenübers. „Du kannst auch nicht schlafen, nicht wahr?“ Das Lächeln wurde eine Spur trauriger. „Nein... kann ich nicht. Was haltet ihr davon, wenn wir alle eine heiße Milch mit Honig trinken?“ „Milch mit Honig?“ Sakuras Stimme klang verwirrt, vielleicht lag es ja auch daran, dass sie sich nicht erinnerte, jemals Milch getrunken zu haben. „Ja, es hilft beim Einschlafen. In diesem Land gibt man es vor allem Kinder, wenn sie Alpträume haben. Sie macht den Magen ganz warm und den Körper müde. Und ihr solltet wirklich schlafen. Die Nacht ist nicht mehr all zu lang und morgen wollt ihr doch weiter nach euren Reisekameraden suchen, nicht wahr?“ „Mokona will auch eine heiße Milch!“, schrie Mokona und die Dunkelheit schien nicht mehr ganz so bedrückend. Ashura hob die Hand und streichelte das weiße Tier über den großen Kopf. „Dann bekommst du einen besonders großen Becher.“ „Yuchu~~ dann wird Mokona nur die Hälfte trinken und Fye und Kurogane eine heiße Milch aufbewahren. Kuro-pipi liebt heiße Milch ja so!“ „Nun dann, dann bekommst du drei Tassen heiße Milch!“ Die riesige Villa war völlig leer und dunkel, nur in der Küche, längst von Angestellten verlassen, war von warmen, gelblichen Kerzenlicht beleuchtet. Doch nicht lange, bald lagen die Kinder und Mokona wieder in ihren Betten, diesmal tief schlummernd, den Magen voll warmer, süßer Milch. Nur Ashura war als einziger noch wach und beobachtete die schlafenden Kinder mit schweren Augen über einen Monitor. Er selbst war müde und die warme Milch schläferte ihn zusätzlich ein. Doch viel zu gebannt war er von den Anblick der kleinen, so lebendigen, Körper in den viel zu großen Betten. Viel zu lange war es her, dass Kinder in diesem Haus waren, viel zu lange her, dass überhaupt etwas Lebendiges in diesem Haus war. Aber die Nacht war nicht mehr lang und ein neuer Morgen brach an. Dann würde er ihnen wieder helfen ihre verschollenen Reisekameraden zu finden. Er hoffe, dass das noch etwas dauern würde... Die Sekunden tickten und tickten. Er wechselte das Bild auf dem Monitor und sah das Wesen hinter Glas ebenfalls, an die warme Scheibe seines Gefängnisses gelehnt, unruhig schlummernd. Bild aus. Ton an. Von Herzschlägen begleitet legte er sich auf das weiche Sofa. Der rote Samtüberzug tat seinen Gesicht gut und er presste sein Gesicht nur noch tiefer in den edlen Stoff. Samt war wie eine menschliche kühle Berührung. Im Halbschlaf aus Fyes Atem und seinen eigenen Atem, irgendwo zwischen seinem Herzschlag und Fyes Herzschlag übermannte ihn der Schlaf. Das Samt gegen seine schweren Augenlieder fühlte sich an wie ein ganz leichtes, ganz vorsichtiges Streicheln von zarten, langen Fingern. ~ Kapitel 22 Ende~~ 23. Kapitel - (You know you're right) ------------------------------------- Kapitel 23 – you know you're right // I will move away from here You won't be afraid of fear No thought was put into this I always knew it would be come to this Things have never been so swell I have never felt failed to fail Pain... You know you're right// you know you're right – nirvana Hart fiel er zu Boden und kniff die Augen zusammen. Dieses Licht blendete, schmerzte. Selbst durch seine geschlossenen Augenlider hindurch. Weiß und hell. Nicht so hell wie das des riesigen, weißen Raumes, in dem er scheinbar die halbe Ewigkeit seines Lebens verbracht hatte. Brannte es dennoch gelber, heißer, schmerzender. Intensiver selbst als das Lagerfeuer, an dem er sich in seiner Erinnerung einmal die Hände verbrannt hatte. Die Wüstenprinzessin mit den Smaragdaugen, kleine, süße, Sakura-chan, mit dem belebenden Lächeln, hatte ihm damals voller Sorge einen Verband aus Blättern und Schnüren gemacht, da sie sich mitten in der Wildnis befanden. Er hatte nicht gewollt, dass sie ihr Kleid für ihn zerriss... er erinnerte sich so deutlich als ob es gerade vor seinen Augen geschah. Fye vermisste ihr helles Mädchenlachen... Dabei hatte er absichtlich ins Feuer gelangt, um herauszufinden, wie nah jemand aus einem kalten Land wie Ceres der Wärme kommen konnte... Kurogane hatte ihn angefahren, wie man nur so blöd sein konnte, doch er war nur als Stimme in seinem Traum vorgekommen. Nein, nicht als Stimme, er hatte einfach gewusst, dass er ihn anfahren würde, obwohl er im Traum nicht einmal gewusst hatte, dass er da war. Sakura hatte blonde, lange Haare wie Chi gehabt... das war nicht richtig, oder...? Sakura hatte braune Haare, Nussbraun, er brachte langsam schon einiges durcheinander.... Shaolan auch... braune Augen, braune Haare.... beide natürlich wie Erde, Mokona war eine Wolke, Kuro-pon... Kuro-pon.. warm, warm, warm, warm, warm... warm wie das Lagerfeuer. Darüber immer noch sinnierend tastete er blind nach der Liege, von der er gerade heruntergefallen war. Ihr Stoff unter seinen Fingern fühlte sich weich und nachgiebig an. Kälter als das gewärmte Glas, fast wie eine menschliche Berührung sich anfühlen musste. Sein Herz hämmerte vor Schreck in seinem Brustkorb, aber er konnte nichts hören... was tat er hier? Warum war er nicht da, wo er sein sollte, wo er immer war? Wo war das Licht, die Wärme, sein Atem, sein Herzschlag? Konnte er hier überhaupt träumen? "Fye." Wenn nichts anderes vertraut war, dann diese Stimme. Aber sie klang nicht durch Lautsprecher zu ihm. Ein seltsames Geräusch, wie reißendes Papier, und es wurde dunkler. Vorsichtig öffnete er seine Augen und nur langsam verblassten die tanzenden Lichtpunkte vor dem Sehenden. Ashura war ein Schatten in dem seltsam dunklen Raum, stehend vor einem schweren Vorhang, der sich bis an die hohe Decke erstreckte und dort in der Dunkelheit verlor. Er saß immer noch auf dem Boden, weicher Stoff schmiegte sich seltsam borstig an seine nackten Knie. Immer noch halb blind zog er sich hoch und setzte sich auf die Liege. Seine Beine zitterten als wäre er bist zur Erschöpfung gerannt, aber das Gegenteil war der Fall. Wenn man zwei Schritte vor und zwei Schritte zurück gehen konnte, war man schwerlich für Spaziergänge aufgelegt. Der Raum um ihn herum wurde klarer. Er war völlig leer, aber die Tapete von einem dunklen Cremeton. Der Boden war warm und weich unter seinen Füßen, ein reich verzierter Teppich, so groß wie der ganze Raum. Die Liege auf der er lag, war ein seltsam geformtes Ding aus Stoff und von einem tiefen, intensiven dunkelrot. Schwere Seidenvorhänge verbargen ein Fenster, doch ganz unten, durch die schweren Stofffalten hindurch, quoll noch schwach glühendes, gelbes Licht hervor. So viele Farben, dass es ihn schwindelte. Bisher war Ashura seine einzige Farbe in endlosem Weiß gewesen. Sein Herz schlug so stark, dass er glaubte es würde herausspringen. Wo war er? Wieso war er hier? Wie konnte das sein? Spielte denn auf einmal das ganze Universum verrückt? "Du fragst dich wie das möglich ist?", fragte die Gestalt am Fenster und bewegte sich auf ihn zu. Der Mann auf dem Canapé erstarrte, schien einen Schritt zurück weichen zu wollen, wie er es sonst immer tat. Aber statt dessen lehnte er sich nur zurück, erschrak wohl aufgrund der ungewohnten Stoffberührung und richtete sich ungeschickt wieder auf. Plötzlich wurde der verwirrte, verängstigte Blick in dem blauen Augen trotzig. "Willst du mich umbringen?" "Käme das deinen Wünschen nicht entgegen?" "Seit wann kümmerst du dich um meine Wünsche?" "Mehr als du denkst vielleicht. Die Wüstenprinzessin und der Junge sind schon seit über einen Monat in diesem Gebäude. Nur wenige Zimmer entfernt schlafen sie jede Nacht. Willst du sie nicht sehen?" "Sie sind..." Er hatte gewusst, dass er zustimmen würde. Er konnte sich nicht erinnern, aber er hatte es gewusst. Vielleicht hatte er ja gesagt, vielleicht hatte dieser Mann über seinen Kopf entschieden. Die Gründe waren egal, nun war er hier, und er wäre hier her gekommen, egal was passierte. "Sie sind hier, ja." "Aber wie..." "Wie ich deine Krankheit umgangen habe?" "Ja... ich dachte... ich sterbe... in einem Raum wie diesem...." "Würdest du auch. Normalerweise." Ashura kam näher. Fye widerstand der unangenehmen Berührung an seinem Rücken und presste sich an die Lehne der Liege. Nur knapp vor seinen Knien blieb der andere Mann stehen. Er konnte seine Körperwärme spüren. Eine Hand streckte sich aus, dieser goldene Blick lag auf ihm und es fühlte sich kalt und hart an, so als hätte er ihn schon berührt. Doch nichts geschah. Er vermisste den Ton seines Herzschlags, seinen Puls, das Rauschen. Die tickenden Sekunden in seinem Kopf. Waren Sekunden vergangen, Minuten, Stunden, Tage? Hatte er geschlafen? Er hatte die Zeit verloren. Zögernd öffnete er die Augen und sah seinen König vor ihm stehen. Näher als sonst, direkt vor ihm. Hier im Dunkeln war er vor seinem Blick geschützt, aber was nützte ihm das, wenn er ihn berühren konnte? Langsam kam die Hand näher. "Nein!" Es klang schwach, weil er wusste, dass es zwecklos war. Etwas Feuchtes berührte seinen Wangen, isolierten seine Haut gegen die Wärme, welche die Hand des anderen Lebewesen ausstrahlte. Einst wünschte er sich solche Berührungen, Umarmungen. Der warme, regelmäßige Atem strich damals jede Nacht über sein Haar, beruhigte ihn und hielt die Alpträume fern, die viel zu dunkel, viel zu blutig und kalt für ein 11jähriges Kind waren. Die Hand sank, Rascheln von Stoff. Jetzt waren alle Berührungen so weit fort. Er erinnerte sich an keine einzige. Nur Atem. Atem des Mannes der vor ihm stand. Ruhig und tief und dennoch irgendwie unstetig. Der Atem der Wüstenprinzessin, süß und unschuldig in ihrem Schlaf. Shaolans, stets so kontrolliert, Kuroganes Atem, tief, jeder Atemzug ging ihm unter die Haut. Auf seiner Haut.... er wünschte er könnte wenigstens den Atem noch auf seiner Haut spüren. Doch er hatte so lange seinen eigenen Atem gehört, dass er sich irgendwann fragte, ob es noch irgendein anderes atmendes Lebewesen gab, außer Ashura und ihm. Aber sie waren hier. Die Kinder waren hier. Sie atmeten, vielleicht nur wenige Räume entfernt. Ashuras Blick brannte auf ihm und langsam öffnete er wieder die Augen. Der Mann stand dort und starrte ihn einfach nur an. Bei diesem Blick schoss Fye eine Frage in den Kopf. "Hast du schon einmal etwas getan, von dem du fast sicher warst es zu bereuen?", fragte er unvermittelt. Es war wohl selten, dass er den anderen Mann direkt ansprach, in all den Jahren hatten sie noch nie so lange miteinander geredet, wie sie es die letzten Male getan hatten. Das letzte Mal und heute hielten wohl bei weitem den Rekord. Doch was hatte er zu verlieren? Alles war gerade verwirrend und fremd, sein Gefängnis, an das er sich in so langer Zeit gewöhnt hatte, kam ihm auf einmal wie ein sicherer, vertrauter und schöner Ort vor. Solange er nicht da war, wo er sein wollte, war es doch egal wo er war. Und dort konnte er wenigstens ungestört seinen Erinnerungen und Gedanken nachgehen. Und in diesem dunklen Raum fühlte er sich nur noch verlorener, noch unsicherer. "Ja." "Und? Bereust du uns?" "Nein. Ich hasse nur das Schicksal." Fye lachte und es kam ihm selber fremd vor. Es war bitter und traurig und hoffnungsvoll und viel zu unpassend zu den Tränen, die schon die ganze Zeit über seine Wangen liefen. "Da haben wir ja etwas gemeinsam, Ashura-ou...." Der Mann, der vor Fye stand, schwieg. Er hörte Schritte aus dem Nebenzimmer und sein Herz schien eine Sekunde auszusetzen. Vielleicht schlug es ja auch gar nicht mehr, woher sollte er das in seiner Aufregung wissen, er hörte das wilde Pochen ja nicht! Als er hektisch aufstand wich Ashura erschrocken vor ihm zurück. Die Tür, sie waren hinter dieser Tür! Er hatte ganz deutlich Stimmen gehört, die nicht seine eigene war! Er lief zu Tür, seine Beine wollten nachgeben, doch er zwang sie weiter, umgriff den Türknopf und – es war verschlossen. Er sah immer noch nichts außer schwachen Farben und den Mann mit den goldenen Augen und langen schwarzen Haaren. Immer noch tanzten Lichtpunkte vor seinen Augen, ganz verschwommen von dem feuchten Etwas, was langsam allmählich bitter seinen Rachen hinunterglitt. "Mach die Tür auf!" "Es ist nur das Dienstpersonal." "Mach die verdammte Tür auf, Ashura!" "Du hast mir keine Befehle zu geben." Heftig rüttelte der blonde Mann an der Tür. Das Material fühlte sich seltsam an. War das Holz? Fühlte sich so Holz an? "Mach die Tür auf!!!" Langsam kam der andere Mann auf ihn zu. Das Rascheln der Schritte auf dem Teppich beruhigte ihn, es hörte sich wie Atem an... vorsichtig, darauf bedacht ihn nicht zu berühren, nahm Ashura die Klinke in die Hand, von der Fye mittlerweile abgelassen hatte. Ein Klacken. Und die Tür öffnete sich. Das grelle Licht brannte, doch er zwang seine Augen offen, taumelte in den Raum. Ein Esszimmer, die Vorhänge waren offen, brennende Sonne strahlte auf den weichen Teppich unter seinen Füßen. Stühle, Tische, ein Haufen Schnickschnack dessen Begriffe ihn einfach nicht mehr einfielen. Wo waren die Quellen dieser Stimmen gewesen? Wo waren Sie? Er stolperte weiter, stütze sich an den Stühlen ab. So fremd, so vertraut. Mit jeder neuen Berührung seiner Umgebung wünschte er sich sein Herz würde aufhören zu schlagen. Endlich hatte er die nächste Tür erreicht. Wieder ein Raum. Ein Schlafzimmer. Immer noch niemand. Aber diesmal konnte er nicht weiter. "Wo sind sie...?" Er schämte sich für das eigene Zittern in seiner Stimme. Ashura war ihm nicht bis hier her gefolgt. "Selbst wenn du durch das ganze Anwesen stolperst wirst du nur leere Räume finden", klang die Stimme leise aus dem Zimmer davor. Sein Körper zitterte, er war so müde, dass er einfach nur noch schlafen wollte, schlafen, schlafen, schlafen. Doch er durfte nicht schlafen, schlief nie. Wenn er schlief hatte er keine Kontrolle, keine Erinnerungen. "Wo sind sie?!", schrie er, aber es war wohl eher ein Flüstern. "Hier ist niemand Fye." "Aber da waren Stimmen!" "Maschinen. In dieser Villa wird kein menschliches Personal beschäftigt. Die beiden Kinder und ihr Haustier sind auch gerade außer Haus." "Seit wann reden Maschinen?!" "Das hast du dir eingebildet, Fye. Wahrscheinlich wirst du einfach langsam verrückt." Doch der andere Mann hörte ihn nicht. Er war auf dem Boden zusammen gesunken und zitterte am ganzen Leib. Wie sehr wünschte er ihn jetzt berühren zu können. So voller Bewegung, voller Wärmer, die er endlich spüren konnte, auch wenn er seine Haut nicht direkt berühren konnte. So voller Geräusche, Atem, Herzschlag, Weinen. Endlich einmal nicht von toten Maschinen übertragen, von denen er sich schon den ganzen Tag umgeben sah. Das einzig Lebendige in seinem Leben war endlich voll und ganz lebendig. Ashura lächelte. Auch wenn ihm jeder salzige Tropfen schmerzte, der von den bleichen Wangen in seinen Schlafzimmerteppich rannte, konnte er diese tiefe, zufriedene Erleichterung in seiner Brust nicht leugnen. "Es könnt alles so viel einfacher sein, Fye...." Doch der Mann vor ihm auf dem Boden war längst ohnmächtig geworden und hörte ihn nicht. Mit einer Handbewegung öffnete sich die zweite Tür im Schlafzimmer, verborgen hinter einer Umkleidewand und zwei Maschinen kamen in perfekt nachgeahmtem, menschlichen Bewegungen herein und legten den Bewusstlosen zurück in das Zimmer mit dem roten Cnapé. ~~~~~~~~~~~ Kapitel 24 ende~~~ Kommentar: Auch an You know you're right hab ich keine Rechte und mache kein Geld. Allerdings dürfte Nirvana den Schuld für dieses Kapitel haben *beim schreib rauf und runter gehört hat* Kapitel 24 ist schon beim betan und kommt sicher so nächste Woche on ^^ 24. Kapitel - (Light colors) ---------------------------- Er hatte nicht viel geschlafen. Die Sonne quälte sich weiß und still und unspektakulär über den Horizont. Kurogane fühlte noch den kalten, harten Steinboden der Lagerhalle an seinem Rücken, wenn er den anderen Mann ihm Arm hielt. Die Sonne stieg weiter und formte sich zu einem Ball, deutlich erkennbar über den Baumwipfeln. Gerade als sie dies vollbracht hatte, fielen ihm die Augen zu. Nur kurz. Als er wieder aufschreckte stand die Sonne hoch am Himmel, aber es war immer noch still und menschenleer um sie herum. Nur die Geräusche der Natur und das Rauschen des ausgesperrten Windes drangen an Kuroganes Ohren. Er wusste nicht genau was es war, aber irgendetwas hatte sich verändert. Vielleicht, wenn er so verrückt wie der Magier oder sonst irgendein Spinner gewesen wäre, hätte Kurogane geschworen, dass sich die Realität irgendwie verschoben hätte, so als hätten sich zwei Dimensionen, die nicht zueinander passten, aufeinander gelegt, oder ein Schwert wäre aus dem falschem Material geschmiedet. Das weite Grün, der See um ihn herum, die dicht bewachsene, kleine Insel, der blaue Himmel, alles wirkte etwas heller und gleichzeitig unklar, so als würde er noch halb schlafen. Kurogane war sich aber sicher, dass er wach war. Der Krieger umgriff sein Schwert, es fühlte sich hart und vertraut in seiner Hand an. Kurz schloss die Augen schließend, atmetet er durch und konzentrierte sich. Spürte beinahe Nebel auf seiner Haut. Viel Lebendiges und Halblebendiges war um ihn herum. Die Tiere, überall, im Unterholz, im See, im Gras am anderen Ufer, der schlafende Magier neben dem heruntergebrannten Lagerfeuer, die Pflanzen, still und lautlos atmeten sie vor sich hin. Doch über allen lag eine Schicht unsichtbaren Nebels, der seine Sinne verklärte. Irgendwie erinnerte ihn das an einen Traum, den er schon halb vergessen hatte. Was war darin vorgekommen? Er hatte von der verdammten Hexe geträumt.... das hatte er schon fast wieder verdrängt, den Traum bevor er in dieser Welt das erste Mal die Augen aufgeschlagen hatte. Warum sollte er sich so etwas auch merken, Träume waren nur Hirngespinste, wenn man nicht gerade Traumseher war. Was er zur Hölle nicht war. Was auch immer, auf jeden Fall fühlte sich etwas anders an, was es auch war. Das schwere Gefühl in seiner Brust, das er jedes Mal nach dem Aufwachen spürte, war gerade das einzig wirklich Vertraute um ihn herum. Kurogane öffnete wieder die Augen. Misstrauisch musterte der Blick aus roten Augen seine Umgebung. Das Leben um sie herum war mittlerweile vollständig erwacht, doch nichts ließ darauf schließen, dass noch etwas anderes diese Veränderung bemerkt hatte. Unbeeindruckt tauchte das Federvieh immer wieder die Köpfe unter Wasser, die Entenküken tappelten am Ufer entlang oder folgten ihren Müttern auf dem Wasser. Insekten schwirrten in der Luft, dicke Libellen und Mücken, auch ein paar Hasen hoppelten am nahen Ufer herum. Die Hütten standen so verlassen wie am Vorabend dort, irgendwie unpassend zwischen all dem Grün und den weiten Wiesen, die nur von einzelnen Stein- und Kieswegen durchzogen wurden, gewunden und anschmiegend wie ein Flusslauf, der in der Zeit stehen geblieben war. Heftig schüttelte Kurogane den Kopf, er würde doch nicht etwa wirklich verrückt werden? Der stärkste Mann von Japan, wahnsinnig geworden durch eine Welt in der es ständig schneite, alle darin lebenden Menschen die verrücktesten Dinge akzeptierten? Lächerlich. Bis her war diese Welt ihm nur auf die Nerven gegangen und der Magier war.... auch anstrengend. Wenn jemand von ihnen beiden wahnsinnig sein könnte, dann Fye, aber doch nicht er selbst! Davon war Kurogane überzeugt. Doch seit er gerade erwacht war fühlte er sich seltsam. Wie lange starrte er eigentlich schon belämmert durch die Gegend? Fye lag immer noch ruhig schlafend neben dem ausgebrannten Lagerfeuer, hatte sich überhaupt nicht bewegt seit er eingeschlafen war, bewegungslos wie eine Statue. Er lag auf der Seite, hatte aber sein Gesicht in der Kuhle seines Ellenbogens vergraben, wie immer im Schlaf sein Gesicht verbergend. Nur bei genauen Hinsehen konnte man das minimale Senken und Heben der Brust erahnen. Vorsichtig zupfte Kurogane einen torkelnd krabbelnden Käfer aus den blonden Zausen und schmiss ihn zurück ins Unterholz, zog sich leise an. Der Boden war trocken und an ihren Kleidern haftete nun gelbliche Erde und ein wenig Laub. Kurogane lauschte wieder, nichts hörte sich ungewöhnlich an, aber es ging definitiv etwas Ungewöhnliches vor sich. Warum war hier eigentlich niemand außer ihnen? Die andere Stadt war völlig überfüllt gewesen und hier war weit und breit nichts. Hieß es nicht, dieses Omehlas, oder wie es hieß, sei auch eine Stadt? Und hier sollten die Hauptfamilien der Industriellen wohnen, oder nur einer der Familien, die mit EX verbunden war? Was wusste er... Seinen Mantel ließ er auf dem Schlafenden liegen bis er fertig mit seinen Vorbereitungen war. Die eigentlich nur daraus bestanden sein Schwert zu prüfen und sich etwas Wasser ins Gesicht zu spritzen. Gestern Abend war ihm hier nichts anders vorgekommen, grübelte er misstrauisch vor sich hinstarrend weiter. “Hey, wach auf!“, rief er ein wenig zu barsch, doch Fye schien keinen Anstoß daran zu nehmen als er schläfrig sein blaues Auge öffnete und noch etwas schlaftrunken gegen den Sonnenschein anblinzelte. Sich nur langsam aufrichtend, sah er zu dem Ninja hoch, direkt in die Augen. Kurogane fragte sich, ob Fye noch träumte und ob deswegen dieser Blick wohl so glasig war. Nur ganz langsam kam wieder Klarheit in das Blau, in das Kurogane unablässig starrte, doch ein seltsam hohles Gefühl breitete sich in seinen Eingeweiden aus. Es war alles andere als angenehm diesen Blick zu sehen, obwohl er es mochte in diese Augen zu blicken. Obwohl er ihn immer so aufregte... Ein hoffnungsloser Idiot war Fye, dennoch mochte er es in diese Augen zu sehen, dieses Auge, das manchmal so kalt drein schauen konnte, so verführerisch, so leuchtend, so wahr, egal was seine Lippen sagten, welcher Ausdruck auf seinem Gesicht lag, welche Körperhaltung er hatte, seine Augen bestritten nie etwas, aber Kurogane scheiterte oft sie vollkommen lesen zu können. Das brauchte immer viel Zeit, Zeit die sie hatten, die sie nie hatten, die ihnen genommen wurde, durch einen Wunsch, durch einen verdammten Wunsch, der sie... was zur Hölle?! Plötzlich senkte Fye das Gesicht nach unten und Kurogane fühlte sich, als wäre ein Bann von ihm genommen. "Was hast du gemacht?“, fraget er misstrauisch. Hatte der verfluchte Magier versucht ihn zu verzaubern, zu hypnotisieren? "Du musst gehen....“, flüsterte die weiche, irgendwie nicht tiefe und nicht helle Stimme heiser. Er kannte diese Tonlage und sie verwirrte ihn mehr als alles andere, machte ihn wütend und hilflos, ohne dass er genau sagen konnte warum. Genau die selbe Tonlage hatte er vor einigen Tagen in dieser Kiste schon gehört, in diesem Gebäude, dessen ganzes Inneres aus Röhren, Schächten und riesigen Hallen bestanden hatte, wie ein riesiges, hohles Insekt. Die Worte waren ähnlich gewesen. "Du bringst mich um.... verstehst du das nicht.... ? Du tötest sie alle.... warum bist du nur immer so stur...?“ "Ich weiß nicht wovon du redest.“ Ein Zittern ging durch den anderen Körper, doch Kurogane konnte das Gesicht des Irren nicht sehen, es war immer noch nach unten gesenkt, verborgen unter all den Haarsträhnen. „Du weißt es!“, zischte Fye wütend, leise. „Du weißt es...“ Leise, warum waren die Vögel um sie herum nur so laut? Selbst das Licht der Wintersonne schien das Flüstern weiter zu verschlucken, so dass Kurogane das Gefühl hatte, nur die Hälfte aller Worte kamen bei ihm an. Warum dachte er so verrücktes Zeug? Und warum erfüllte ihn Fyes Stimme mit Resignation und Entschlossenheit gleichzeitig? Er hatte das Gefühl, dass, obwohl er ohne Zweifel weitermachen würde, Fye nie einsehen wollte, warum er es tat und warum es richtig war, dass er es tat. Dabei wusste er nicht mal wobei.... das mit ihnen? Bei den Göttern, er hatte den Magier doch nichts aufgezwungen! Fye hatte ihn gebeten zu bleiben, er hatte nur Ehrlichkeit verlangt! "Ich habe keine Ahnung, was du von mir willst!“ "Du weißt es...“, bestand Fye auf seinen Punkt, immer noch ohne ihn anzusehen. "Warum schaust du mich nicht an? Ich glaube dir kein Stück, was du da sagst, wenn du mich dabei nicht ansiehst. Und ich hab ich keinen verdammten Schimmer, was du eigentlich gerade von mir willst!“ "Dass du gehst, will ich von dir.“ Das war klar und deutlich ausgedrückt. "Vor zwei Tagen waren deine Worte andere.“ "Du verstehst überhaupt nichts...“ "WIE DENN AUCH, WENN DU MRI NICHTS ERKLÄRST!!!“ Der blonde Schopf schnellte hoch. Kurogane atmete schwer durch, bei solchen 'Gesprächen' verlor er grundsätzlich die Beherrschung. Überrascht sah Fye ihn an, schlaftrunken vielleicht. Die ganze unwirkliche Atmosphäre, die ihm seit dem Aufwachen umgeben hatte, blätterte von Kurogane ab. Als hätte sie nie existiert, so als wäre er in Trance gewesen. Deswegen überraschte ihn auch nicht als Fye fragte. „Was schreist du denn so?“ Verwirrt sah der Blonde sich weiter um, doch als er keine Angreifer sah, auch nicht sonst eine mögliche Gefahr, entspannte sich seine Körperhaltung und ein Lächeln erschien auf seinem Gesicht. „Guten Morgen Kuro-nyaka. Warum schaust du denn so geschockt, hier ist doch gar nichts. Hast du schlecht geschlafen?“ Breit grinsend fügte er noch hinzu. „Oder guckt du so, weil ich keine Kleider anhabe? Keine Sorge! Wir haben gestern Abend nichts schmutziges veanstaltet! Nur vorvorgestern~!“ Als darauf immer noch keine Reaktion folgte, stand der Magier auf und ging, sich den weichen, weißen Mantel überziehend, zu dem Krieger, sah besorgt von unten zu ihm herauf. Kurogane konnte ihn einfach nur anstarren. Das hellhäutige Gesicht mit den edlen Zügen, mit den geisterhaften Spuren von Blessuren, die einst sehr viel schlimmer ausgesehen hatten, die vom Weinen leicht geschwollenen Augen, die helle Haut, das halb geschlossene Augenlid, die leicht gerötete Gesichtshälfte, auf der er geschlafen hatte. All das betrachtete Kurogane gut einige Sekunden lang und hätte am liebsten etwas zerschlagen. Nicht aus Frustration oder Wut oder Eifersucht, sondern weil er einfach nichts mehr verstand und einfach BEWEISEN wollte, dass sich manche Dinge noch so verhielten, wie es sein sollte. Er wollte beweisen, dass dort kein Geist vor ihm stand. Und gleichzeitig wollte er ihn mit aller Kraft beschützen. Zerschlagen – brechen. Beschützen – Resultat ungewiss. Doch das einzige, was er tun konnte, war unbewusst sanft ein paar Finger unter Fyes verletztes Auge zu legen und den Hauch von Feuchtigkeit auf der hellen Haut zu spüren. Jedes Wort des Magiers war widersprüchlich. Brachten seine sonst so klaren Gedankenbahnen auf Wege, die sich wanden und spiralförmig in alle undenkbaren Richtungen verschwanden, so dass er ihnen einfach nicht mehr folgen konnte. Gestern Abend dachte er noch, es könnte etwas Klares zwischen ihnen geben. Doch dann kam der Ausbruch des Magiers und seine Offenbarung, dass er sich nicht erinnern konnte und Kuroganes Offenbarung, dass er ihn vielleicht nicht beschützen konnte. Okay so weit, man bekam nie so genug Klarheit und Sicherheit, wie man sich wünschte, aber was zur Hölle war das vorhin schon wieder gewesen?! Langsam glaubte Kurogane nicht mehr daran, dass Fye ihm nur etwas vormachte, nicht wenn er ihm gestern so ehrlich gestanden hatte, seine Erinnerung verloren zu haben... und so weinen und wimmern... das konnte niemand, der nicht fast daran zerbrach... Die ganze Zeit sah ihn Fye mit einem ruhigen, leicht besorgten Blick an. Doch er hatte wohl seine Lektion gelernt, er wartete, fasste ihn nicht an und brachte den Krieger nicht weiter durcheinander, sondern wartete einfach nur, stand still und hielt den Mund. Und nach dem, was beiden eine kleine Ewigkeit erschien, gab der Ninja endlich sich selbst nach und beugte sich etwas vor, um seinen rotierenden Kopf auf Fyes Schulter abzulegen, brachte seine Hände in einer leichten Umarmung auf Fyes Rücken. Warm und schwer lagen sie da, von dicken, warmen Stoff von dem Rücken getrennt, den er die ganze gestrige Nacht angestarrt und berührt hatte. Überrascht atmete der Idiot ein, doch dann brachte er seine Arme um Kuroganes Hals und fuhr mit langen, weichen Finger über seinen Hinterkopf. „Ich glaub, ich werde verrückt...“, flüsterte der größere Mann. Halb glaubte er daran. Halb nicht. „Vielleicht lachst du dann ja mehr“, gab Fye zurück und tatsächlich, bei diesen typischen, unernsten Worten musste Kurogane schmunzeln. „Wann hast du das letzte Mal was Vernünftiges gegessen?“, fragte Fye weiter. „Im Hain.“ Die Berührung fühlte sich seltsam an, doch irgendwie vertraut und beruhigend. „Vielleicht liegt es daran? Unterernährung stellt komische Sachen mit deinem Kopf an.“ Vielleicht war doch etwas im Brei, vielleicht hätte er sich auch übergeben sollen, dachte der Ninja selbstironisch. Vielleicht war alles in dieser Welt vergiftet. Die Luft auf jeden Fall, seine Lungen brannten immer noch, obwohl er seit gestern frische, saubere Luft atmete. Die Umarmung um seinen Kopf wurde ein wenig fester, die Schultern des Blonden schnitten ihn einen Moment von jeglicher Helligkeit ab. Und obwohl er sich innerlich etwas gegen diese Umarmung wehrte - Ninjas ließen sich nicht einfach dauernd beschmusen und begrabschen! - fühlte sich ein anderer Teil unsagbar geborgen. „Ich hab's....“, brummelte der Ninja, atmete den angenehmen Geruch des Magiers ein. Er roch stets wie etwas Essbares ohne wirklich einen Geruch an sich zu haben. Wie etwas, das er mochte, vermischt mit dem getrockneten Flusswasser auf seiner Haut und Kuroganes Atem und Händen. Und der Mantel roch nach Ofenasche und Erde und Schnee und wiederum Flusswasser. „Ich bin nicht verrückt.... du bist verrückt.... und du steckst mich an...“, murmelte er halb ernst, halb humorvoll. „Ja... vielleicht...“, Fyes Stimme erklang nachdenklich über seinem Kopf. „Ich erinnere mich ja nicht. Vielleicht würde ich sonst wissen, dass ich verrückt bin. Wahrscheinlich wissen Verrückte jedoch nicht, dass sie verrückt sind, sondern halten sich für ganz normal. Also erhalten wir, selbst wenn ich mich wieder erinnere, keine Antwort auf diese Frage.“ „Tzs.“ „Aber du magst mich, hast du gesagt. Also magst du auch, dass ich verrückt bin. Das heißt du bist entweder auch verrückt, Kuro-sama, oder du magst mich so sehr, dass dir das egal ist, ob ich verrückt oder ich nicht verrückt bin.“ Kuroganes Kopf schwirrte. Aber als Fye ihn losließ und Kurogane nach Souhi griff, fühlte sich sein Kopf wieder einigermaßen an, wie er sich anfühlen sollte. „Gibt es hier wirklich keine Magie mehr?“, fragte er den Magier. Dieser hielt einen Moment inne, überlegte. Das war ein wenig ungewohnt, normalerweise kamen seine Antworten sofort, mit einem breiten Grinsen und so sicher als hätte Kurogane eine wirklich dumme Frage gestellt. Es schien als versuchte er wirklich ehrlich zu antworten. „Ich weiß nicht.... im Hain sagten das alle... und ich habe keine Ahnung von Magie... hab ich sonst viel Ahnung von Magie?“ „Ja, du bist Magier. Aber du hast dich immer geweigert Magie anzuwenden.“ „Hm.... ich glaube hier gibt es wohl noch Magie. Aber ich glaube sie ist komisch. An manchen Orten fühle ich mich grundlos unwohl... vielleicht ist das so eine Art 'falsche Magie'... ich kann es nicht erklären, es ist mehr so ein Gefühl.“ „Falsche Magie?“, die Augenbrauen des Kriegers zogen sich kritisch zusammen. „Keine Ahnung... wollen wir nicht lieber nach den Kindern suchen?“ „Erinnerst du dich an die auch nicht?“ „Nein. Erzähl mir von ihnen, Kuro-chama! Also ich hab mitbekommen, dass Sakura-chan wie Hime aussieht und der Junge wie Shaolan. Und dass Mokona etwas mopsig sein muss...“ Noch während Fye redete erfasste etwas die Aufmerksamkeit des Kriegers. Erst war es nur ein leises Rattern und Klacken aus der Ferne. Sich aufrichtend spähte Kurogane durch die grünen Zweige und das Geäst nach draußen. Dort am Horizont waren einige Schatten zu erkennen. „Zieh dich an, Fye. Da kommt jemand“, murmelte Kurogane abwesend und anhand des Raschelns hinter ihm registrierte er, dass der Magier dieser Aufforderung wortlos nachkam. Er nahm die Schatten weiter in Augenschein und erkannte, dass es von Pferden gezogene Wagen waren. Kein Maschinenbrummen begleitete die Truppe am Horizont. Der Trupp hatte sich in einiger Entfernung getrennt und verteilte sich auf die einzelnen Häuschen und Buden. Es mussten Schausteller sein, denn schon erklang muntere Musik von den einzelnen Häusern und der verführerische Duft von Essen erfüllte allmählich in der Luft. Nun ließen sich auch direkt am See ein paar Leute nieder. Ein leises „Fyuu~“ verließ Fyes Lippen als sie zusammen im Buschwerk hockend die Wuselei am anderen Ufer beobachteten. „Lass uns hingehen, Kuro-sama! Ich habe solchen Hunger!“, verkündete Fye gut gelaunt und Kurogane konnte eigentlich nichts dagegen einwenden. Eine junge, schwarzhaarige Frau mit Hund, die nahe am Ufer ihren Wagen schmückte, sah die beiden Reisenden völlig erstaunt an als sie aus dem Gestrüpp der Insel heraus traten. „Ah! Guten Morgen, die Herrschaften! Da haben Sie sich aber einen ungewöhnlichen Platz zum Schlafen ausgesucht!“ Ihre Haare waren kurz, ihre Kleidung bunt und sie wirkte noch recht jung, der große Hund schien nur aus Haaren zu bestehen und war bräunlich-grau, so dass es fast ein wenig grünlich wirkte. Fye winkte wie wild. „Hallo~ ja~ wir wollten mal was abenteuerliches ausprobieren!“ Sie lachte und streichelte dabei den Hund neben sich, der die beiden Männer ruhig und aufmerksam betrachtet. „Aber wie sind Sie dort hingekommen? Ich sehe gar kein Boot!“ „Geschwommen~“ „Und das wollen Sie nun wieder tun? Ich könnte nach einem Boot fragen.“ „Hm...“, nachdenklich sah der Blonde zu dem Krieger und dieser sah nicht wirklich begeistert drein. Er hatte keine Lust sich vor den Leuten hier auszuziehen, andererseits war es zu weit, um zu springen... „Oh! Warten Sie, ich hab eine Idee!“ Gefolgt von ihrem tierischen Begleiter rannte sie zum Ufer und ging im Uferschlamm in die Hocke. Die Ärmel ihrer Bluse hochgekrempelt, streckte sie konzentriert die Hände ins Wasser. Gespannt beobachteten die beiden Männer sie dabei. Und tatsächlich, das Wasser begann leicht zu blubbern, die Enten flatterten nervös und auch die anderen Tiere in der Umgebung reagierten verschreckt. Ein blaues Leuchten durchzuckte das Wasser wie Blitze. „So! Nun können Sie rüber!“ Fasziniert sahen Kurogane und Fye auf das Wasser. Es wirkte nicht vereist, aber wie in der Zeit eingefroren, die Wellen waren erstarrt, selbst die Fische bewegten sich keinen Hauch. Der Magier war der erste, der aus seiner Starre erwachte und vorsichtig einen Fuß auf die starre Stelle stellte, dann noch einen und dann er stand auf dem Wasser. „Wow~ is ja toll!“ Das Mädchen lachte. „Jap, hab ich mir vor einer Woche erst installieren lassen! Sie sind wohl nicht so der Technikfreak, oder? Ich dachte von der EX-Familie hätten alle immer die neusten Programme?“ „Ne~“, schwungvoll übertänzelte der Blonde die 'Brücke' und kam mit einem kleinen Sprung am anderen Ende an. Der Übergang war zwar stabil, gab aber hier und da etwas nach, musste Kurogane schon schon auf sein Gleichgewicht achten während er dem Magier folgte. „Wir sind etwas...“, Fye überlegte, „- auf dem Teppich geblieben“, brachte Kuorgane seinen Satz zu Ende und Fye lachte los. „Genau das, Kuro-pon!“ Nun da sie so nah voreinander standen, lächelte das Mädchen ein wenig scheuer. „Ach so, na ja, wenn Sie mich nicht mehr brauchen, dann gehe ich jetzt.“ Fye lächelte charmant. „Aber nein, wir haben uns doch noch gar nicht vorgestellt, ganz zu schweigen davon, dass wir uns für deine Hilfe bedankt hätten!“ „Oh! Mein Name ist Yuzuriha! Und das hier ist Inuki!“, verkündete das Mädchen nun wieder frisch fröhlich gut gelaunt. „Ich kümmer' mich hier um die Jahrmärkte!“ „Jahrmärkte? Ich liebe Jahrmärkte!“, rief der Magier aus und an der überschwänglichen Freude gemessen schien das sogar zu stimmen. „So? Das freut mich! Denn das bedeutet, dass ich meine Arbeit gut mache! Wie finden Sie die Kostüme?“ Eingehend betrachtete Fye den bunt bestickten Rock und die zig Lagen Stoff, die sie sonst noch trug. Während die beiden begeistert vor sich hinplapperten sah sich der Ninja genauer um: Alle Leute schienen nach der Art der Kleidung Schausteller zu sein und sie kümmerten sich nicht um sie, sondern um die einzelnen Stände. Der Geruch von Pferden und das unbearbeitete Holz der Wägen stieg ihm in die Nase und erinnerte ihn an Japan. Ab und an wurden Blicke aus der eifrigen Geschäftigkeit zu ihnen geworfen, aber keine misstrauischen oder feindlichen. Ein paar Frauen sangen bei der Arbeit und die Rufe der Männer klangen gut gelaunt. Es war als befänden sie in einer anderen Welt. Nur die Wintersonne und das ferne Rauschen der Schneestürme ließ sie ahnen, dass sie sich immer noch in dieser verrückten, technisierten Dimension befanden... „.... na ja, nun haben wir erst Mal genug von unserem Survival-Urlaub, nicht wahr Kuro-tata? Aber wir sind grad echt was durcheinander, stellen Sie sich vor, wir sind hier her gelaufen!“, plapperte der Magier im Hintergrund weiter. „Gelaufen!? Oh je, das sind doch sicher zwei Tagesmärsche von der nächst näheren Stadt aus!“ „Ja, das war auch alles sehr anstrengend. Aber es hat Spaß gemacht!“ „Dann haben Sie ja sicher erst einmal genug vom Wandern. Soll ich sie mit dem Wagen zur Villa fahren? Es sind zwar nur Pferdewagen und sicher etwas unkomfortabel, aber besser als zu Fuß gehen allemal!“ „Das wäre wirklich toll! Danke!“ „Keine Ursache! Zeigen Sie mal ihren Arm, ich brauche die Adresse.“ Nicht bewaffnet, stellte der Krieger fest. Der Hund beschnupperte seine Füße, aber Kurogane spürte, das Tier war nicht aggressiv. Das Zupfen an seinem Mantel regte ihn schon gar nicht mehr auf. „Was denn?“, fragte er wirsch. Das Gespräch, dem er nur auf halben Ohr gefolgt hatte, war verstummt und statt dessen zog der Magier wieder wie ein Kleinkind an seinem Mantel. „Kuro-sama, zeig mal deinen Arm.“ Kurogane sah ihn kritisch an, doch dann kapierte er. Anstandslos krempelte er den Mantel hoch und löste die Verbände. Scharf sog das Mädchen die Luft ein. „Aber Sie sind ja verletzt!“, ihre Miene spielte wirklich überzeugend Besorgnis wider. „Tomoyo! Komm schnell, da braucht jemand Hilfe!“ Kuroganes Herz blieb beinahe stehen. Tomoyo! In einem der bunten Wägen rumpelte es und tatsächlich kam seine Prinzessin heraus gestolpert. Immer noch völlig paralysiert starrte der Krieger das Mädchen einfach nur an. Gerade kam sie die Treppe des Wagens heruntergestiegen, lächelnd, doch ins Nirgendwo sehend. „Yuzuriha?“ „Hier drüben beim See!“, rief das Mädchen, doch Kurogane war schon an ihr vorbei gestürmt. „Tomoyo!“ Die Schausteller in ihrer unmittelbaren Umgebung drehte sich alle um und auch Tomoyo wand sich in seine Richtung. „Kurogane?“ Nun konnte Kurogane nichts mehr stoppen. Ein kurzer Sprint und er war bei ihr, er wusste nicht, ob er ihr an den Hals fallen sollte und sie würgen, oder vor ihr in die Knie gehen aus Erleichterung sie wieder zu sehen! Das Mädchen lächelte still als er etwas ratlos vor ihr stand. So viele Gedanken, so viele Affekte, die gleichzeitig die Überhand gewinnen wollten. Doch sie kam ihm zuvor. Ohne hinzusehen griff sie nach seiner linken Hand, drückte sie und berührte dabei die Narbe dort. Der Krieger schauderte, er war so froh sie wieder zu sehen. Er war so verwirrt und durcheinander, allein ihre Anwesenheit tat unendlich gut. Doch er zeigte keine Regung, erwiderte nur den Druck ihrer Hand. „Kurogane...“, flüsterte sie noch einmal und lächelte. Sie starrte durch ihn hindurch. Dann begriff er, dass sie blind war. „Es freut mich, dass du wieder da bist.“ Tomoyo drückte seine Hand fester, ihre zitterte etwas. Kurogane starrte auf die blinden, violetten Augen. Das Mädchen vor war, aus der Nähe betrachtet, vor ihm war viel zu jung... so hatte Tomoyo ihn kurz nach der Zerstörung seines Dorfes ausgesehen... das... die Erkenntnis tat weh, aber das konnte unmöglich Tomyo sein. Sie waren nicht in Japan... sie waren... nicht in Japan. Am liebsten hätte Kurogane jetzt ihre Hand weggeschlagen. Doch ein leichte Druck der warmen Kinderhand um seiner erstickte jede Aggression. „Tomoyo...“ „Du bist wieder hier... und du lebst... Kurogane.“ Ihre Hände fuhren höher, über seine zerschnittenen Arme und ihr Gesicht wandelte sich zu sanfter Besorgnis. So hatte sie ihn immer angesehen, wenn sie ihn getadelt hatte... sie schaute genau so besorgt drein, wie seine Mutter. Sie sah ihn mit der selben Sorge an, wie Fye die Kinder ansah.. oder ihn... bei nur der kleinsten Verletzung. Das war doch nichts... das waren doch nur Kratzer. Es gab viel schlimmere Dinge. Es gab viel schlimmere Dinge in einem drin. Es gab den Kratzer den ein Herz bekam, wenn man einen wichtigen Menschen verlor... wenn man seine Heimat verlor, wenn man nichts tun konnte... Für einen kurzen Moment wirkte ihr Gesicht ausdruckslos wie eine Statue, dann verschwand die Illusion und es stand wieder nur ein Kind vor ihm. Und er war für einen Moment selbst verloren wie einst. Irgendetwas... schmerzte. Und er wusste nicht was. Als hätte er noch einmal seine Eltern verloren. Tomoyo drückte seine Hand fester und auch seine andere Hand war auf einmal ganz warm. Der Krieger sah an sich herunter. Die Hand mit der Narbe umgriff eine kleine, leicht feuchte Kinderhand. Die andere Hand umgriff eine weitaus größere, mit weichen, von Brandwunden noch ganz weißen Fingerkuppen. „Verloren....“; flüsterte Tomoyo, „du wirkst auf einmal so verloren... Du darfst nicht vergessen stark zu werden... hörst du? Auch wenn du selbst viel zu schnell erwachsen geworden bist, du darfst deine wahre Stärke nicht vergessen... diesmal kannst du nicht zurück. Auch er wird dich diesmal nicht zurück schicken können... auch die Hexe nicht... “ „Das muss eine Verwechslung sein“, seufze Kurogane. Auch wenn es nicht seine Prinzessin war, tat ihm ihre Wiedersehensfreude gut, aber er würde sich von solchen Gefühlen zu nichts hinreißen lassen. „Ich bin-“ „-grad verwirrt, oder?“, unterbrach ihn die zugehöre Stimme zur größeren Hand. „Zeig doch mal ein wenig Wiedersehensfreude, Kuro-chama!“ Verdammt, sie durften ihre Identitäten nicht preisgeben, sie waren sozusagen in feindlichen Gebiet! Verwundert sah Tomoyo den Krieger an. Sie löste ihre Hand und in dem Moment spürte er, wie er eine Ohrfeige scheinbar aus dem Nichts bekam. „KUROGANE!“, schrie ihn jemand an, er lag auf einmal auf dem Boden und starrte in den Himmel. Hatte er geträumt? Über ihm der Magier und das Mädchen namens Yuzuriha und der hechelnde Hund. Verdutzt fasste er sich an die brennende Wange und sah erbost den Magier an. „Was sollte das?!“ Auf Fyes Lippen zogen sich zu einem entschuldigendes Lächeln breit. „Tut mir Leid, aber du bist einfach nicht aufgewacht. Du weißt doch, Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen~?“ Sich die Wange reibend richtete sich der Ninja auf. „Wo ist sie...?“ „Wer?“, fragte das Yuzuriha, der Hund schlappte an Kuroganes Hand. „Tomoyo-hime..“ „Tomoyo hat Sie verarztet, aber Sie haben kein Wort zu ihr gesagt, deswegen ist sie wieder rein gegangen. Und dann Sind sie einfach umgekippt...“, erklärte das kurzhaarige Mädchen. Wie peinlich, ärgerte sich Kurogane und sah zu dem Wagon, aus dem Tomoyo – in seinem Traum? - gekommen war. Seine Ärmel waren hochgekrempelt und um seine Arme lag ein frischer, blütenweißer Verband. „Soll ich sie noch mal rufen?“ „Nein.. ist gut. Bring uns .. zu der Adresse halt.“ „Okay!“ Eilig sprang sie auf und lief zu zwei Pferden, die gerade geräuschvoll Stroh fraßen. Kurogane starrte die ganze Zeit nachdenklich vor sich hin, während sie den Karren anspannte. Fye hockte schweigend neben ihm und hielt immer noch seine Hand. „Was war das...?“ Der größere Mann war völlig fassungslos. „Na ja, sie war recht hübsch.“ Nun sah er doch in das blaue Auge. „Was hat das damit zu tun?“ „Na ja, hübsche Mädchen haben selbst auf die gestandensten Männer eine umwerfende Wirkung.“ „Red keinen Unsinn.“ „Tschuldigung.... wegen dem Schlag...“, die blonden Haare fielen über sein Gesicht, als er den Blick senkte, doch verbargen sie den Verband um sein Auge nicht ganz. Die Prellung war mittlerweile schwach blass violett. Kurogane widerstand dem Drang seine Hand auf Fyes Gesicht zu legen und darüber zu streicheln. „Seit wann entschuldigst du dich für was?“ „.... keine Ahnung?“ „Ah... is okay, ich hab's ja auch getan.“ „....“ „Tut.. tut mir Leid“, brachte der Krieger zerknirscht hervor. Aber es stimmte wirklich, es tat ihm Leid, dass er Fye geschlagen hatte. Mensch war das kompliziert, er hatte sich noch nie für etwas entschudligt. „Kein Problem, ich hab's ja auch getan“, Fye schmunzelte erst und grinste dann los. „Ich glaub Yuzuriha-chan winkt, lass uns hingehen! Schließlich müssen wir ja noch die Kinder finden, nicht wahr Kuro-nyaka?“ „Ah. Ich heiße übrigens Kurogane.“ „Alles klar, Captain Kuro-sama!“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Dieser seltsame Tagtraum mit Tomoyo ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Langsam hatte der Krieger genug von Rätseln. Sie schienen schon Stunden durch die Pampa zu fahren, wofür sich das Mädchen auch ständig entschuldigte. Der große Hund hatte sich auf dem Schoß des Magiers nieder gelassen und ließ sich faul das Fell kraulen. Kurogane war fast eifersüchtig. „Ach, Yuzuriha. Kann ich dich was fragen?“, meinte der gedächtnislose Magier auf einmal in das Schweigen hinein, das eine ganze Weile nur durch Hufgeklapper, Wagenknarzen und Schnaufen der Pferde gefüllt worden war. „Aber sicher!“ „Sind hier irgendwelche... Neuankömmlinge angekommen? So die letzten Wochen? Ein Mädchen mit braunen Haaren und hübschen grünen Augen und dann ein Junge, der nicht von ihrer Seite weicht?“ „Ah! Sie meinen sicher Sakura und Shaolan!“ Kurogane war hellwach. „Sie sind hier?!“ „Ja, sie sind schon seit gut einem Monat in der Villa. Sie waren sogar einmal auf dem Rummel! Und so ein weißes Tier hatten sie auch dabei, echt lustig, Kusanagi hat ihm jonglieren beigebracht, dabei hat es doch so kurze Arme!“ Das war der Beweis, die Kinder waren hier. „Wo sind sie jetzt?“, wollte Kurogane wissen. Obwohl er das Thema angeschnitten hatte, streichelt der Magier nun wieder geistesabwesend den Köter. „Jetzt? In der Hauptvilla, denke ich.“ „Da wollen wir hin!“ „Aber das geht nicht“, erwiderte sie verdutzt. „Warum nicht?“, fragte Fye. „Niemand darf da hin. Dort sind nur Maschinen und er...“ „Wer ist er?“, fragte Fye verwundert. „Na, das oberste Familienoberhaupt. Warum wissen Sie das nicht?“ „Oh... doch. Zu viel Schnee vermute ich.“ Kurogane schwieg den Rest der Fahrt. Sie wussten wo die Kinder waren, sie würden dort auch irgendwie hinkommen. Der Magier schwieg ebenfalls, der Hund jankte etwas und schlabberte dem Blonden übers Gesicht. Das blaue Auge verlor für einen Augenblick seinen nachdenklichen Ausdruck und leuchtete freudig überrascht auf. Kurogane beobachtete das ganze nachdenklich. Einen Moment, einen ganz kurzen Moment kam ihn Fye viel jünger vor als er wirklich war. Aber ihn nach seinem Alter zu fragen war sinnlos, wenn er sich nicht erinnerte. Alles das, was er aus dem Magier herauspressen wollte, würde vielleicht für immer verborgen sein. Aber spielte das eine Rolle? Der Magier... Fye.. fasste immer mehr Vertrauen zu ihm, zeigte viel öfter Emotionen, sogar bei banalen Situationen wie jetzt. Kurogane hatte das Gefühl beruhigt sein zu können. Wäre nicht die Begegnung mit Tomoyo ständig in seinem Kopf wiederholt worden. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Nach einigen Stunden Holperfahrt tauchte die erste von mehreren Villen vor ihnen auf. Hier wucherte die Natur nicht so wild, aber es gab große, alte Bäume. Laubbäume, Tannenbäume, aber auch tropische Pflanzen, quer Beet. Wenn es hier Technik gab, dann war sie nicht zu bemerken. Kein Bildschirm, nichts außer Vögel und Insekten flogen durch die Luft, hier und da sogar ein Schmetterling. Die Häuser waren wuchtig, verziert und sie hatten eine gewisse Eleganz und Stil, den selbst der ewig kritische Kunstbanause, der Kurogane nun einmal war, nicht bestreiten konnte. Vor einen der Villen hielt der Wagen knarrend, das tack-tack-tack der Hufen hatte alle Reisenden eingelullt und niemand mehr ein Wort gesprochen. „Wir sind da!“, verkündete das Mädchen und sprang vom Reitbock. Sofort öffnete sich die grün-weiß verzierte Tür der Villa und eine junge Frau mit glatten, braunen Haaren und einer strahlend weißen Schürze kam heraus. „Monsieur Lalache und Monsieur Géré?“, fragte sie und machte einen Knicks. „Das sind sie wohl!“ Langsam kam es Kurogane so vor als wäre dieses Mädchen immer überschwänglich fröhlich, egal in welcher Welt, sie hatten sie ja schon einmal im Kirschblütenland getroffen. Und auch fiel dem Krieger auf, dass Fye ihre vollen Namen vorhin nicht genannt hatte, obwohl sich das Mädchen vorgestellt hatte und ihm im Folgenden auch nur unter offensichtlichen Spitznamen angesprochen hatte. Lalache und Géré. Das hier waren also die Namen unter denen sie hier eingeschmuggelt worden waren. Aber er hatte immer schon gewusst, dass der Magier gerissener war als er tat. „Bitte treten Sie ein, es ist schon alles vorbereitet.“ Fye wuschelte dem Hund noch einmal über das Fell, ließ sich die Hand abschlecken und sprang vom Wagen. „Ich hoffe Sie haben etwas zu Essen gemacht, wir sterben vor Hunger.“ „Aber selbstverständlich!“ Der Abschied von Yuzuriha verlief zumindest für den Krieger kurz und schmerzlos. Kurz darauf traten sie in das große Haus ein und standen auf einem weichen Teppich, die Mäntel wurden ihnen von anderem Personal abgenommen und im Hintergrund wimmelten noch viel mehr, die sich alle vor ihnen verbeugten. Danach brachte eine andere Frau sie zu ihren Räumen, in denen sie sich frisch machen und umziehen könnten, wenn es denn beliebte. Ihre Mahlzeit würden sie ihm großen Saal einnehmen können, alle ständen ihnen Tag und Nacht zu Diensten. Die Frau nannte auch ihren Namen, aber Kurogane hörte nicht zu. ~~~~~~~~~~ Die schwere Eichentür schloss sich mit einem tiefen, gedämpften Donnern und Kurogane war endlich wieder allein. Nach langer Zeit endlich mal wieder etwas zu kauen, das man Essen und nicht nur 'Matsch' nennen konnte, hatte Kurogane einen gewissen Frieden zurück gegeben. Er und Fye waren umsorgt worden wie Gutsherren an ihrem Hauptsitz und auch die Kleider, die auf dem Bett lagen, waren edel und denen aus Outo nicht unähnlich. Das Zimmer war hell und freundlich. Leichte, weiße Gardinen hingen vor hohen Fenstern, der Boden war aus Stein, aber warm. Nur die nötigsten Möbel waren im einen großen Raum angeordnet, ohne dass es leer wirkte. Weich gab die Matratze nach, während er sich darauf niederließ. Kurogane atmete tief durch. Vielleicht sollte er schlafen. Er hatte sehr lange Zeit nicht mehr richtig geschlafen. Es kam ihm mehr vor als würde er ständig nur halb schlafen und dabei seinen Sinn für tiefen Schlaf verlernen. Allmählich glitt er in die Bewusstlosigkeit ab. Die Weite und Ruhe des Zimmers taten gut, der kühle Wind, der durch das Fenster herein wehte umspielte sein Gesicht, seine müden Augen, klare, fische Luft, Lippen auf seinen- Erschrocken riss er die Augen auf und sah in einen Sommerhimmel. Fye lächelte leicht und ließt sich neben ihm nieder sinken. „Hast du nicht dein eigenes Zimmer, verdammt?“ Sie waren in dieser Welt ständig zusammen gewesen, und auch wenn er stets unruhig war, wenn er Fye im Hain nicht gesehen hatte, war ihm die Stille doch gerade angenehm gewesen. Stille und Ruhe, Zeit seine Gedanken zu sortieren, die Fye ständig durcheinander brachte. „Soll ich wieder gehen? Ich wollte bei Kuro-tan sein“, summte die weiche Stimme an seinem Ohr gut gelaunt und als der Krieger zu Seite sah, war Fyes fressmüdes Gesicht ganz nah an seinem. „Ich wollte nachdenken.“ „So~ ? Allein sein zum Nachdenken also~“ Leicht wurde Kurogane rot und sah wieder an die Zimmerdecke. Verdammter Magier, immer gab er ihm das Gefühl, etwas zweideutiges gesagt zu haben. „Und über was?“ „Seit wir in dieser Welt sind... geht etwas seltsames vor sich. Ich habe dauernd das Gefühl mich an etwas zu erinnern. Doch was es genau ist, weiß ich nicht.“ Schwer seufze Kurogane als das Schweigen anhielt. Warum erzählte er Fye das? Er hatte keine Erinnerungen. Er verbarg nichts. Er. Verbarg. Nichts. Konnte gar nicht. „Das nennt man, glaube ich, Déjà-vu“, hörte er Fyes Stimme weich an seinem Ohr. Das kam ihm fremd vor, so als könnte er damit nicht umgehen. Bisher war es immer so gewesen, dass er versucht hatte dem Magier alles aus der Nase zu ziehen, er sah, dass irgendetwas falsch war, es ihn aufregte. Er sich einmischte, obwohl er wusste, dass es ihn nichts anging. Dass jeder sein eigenes Leben lebte. Aber er konnte es einfach nicht mit ansehen, nicht sehen, was er nicht verstand, nicht sehen, was.... ständig nach Hilfe schrie, und dabei nicht sah, dass er nur sich selbst helfen konnte. Dass er ihm dabei helfen würde, sich selbst zu helfen. Nur hatte Kurogane das damals selbst nicht verstanden. Zu überzeugt war er davon gewesen, dass er niemanden brauchte, dass er niemanden etwas anging, dass er gegen alles war, gegen die Welt, gegen den Magier, gegen jegliche Art von Schwäche. Und nun lag eben diese verhasste Schwäche neben ihm, den Kopf auf an Schulter gelegt, fuhr Atem gegen seinen Hals und er musste nur den Kopf drehen und er könnte diesen Atem einsaugen, könnte den Magier voll und ganz besitzen. Aber das wollte er nicht. Er wollte Fye nicht kaputt machen, ihn nicht von außen verändern. Er wollte ihn verstehen, seine wahren Farben sehen. Denn das war es, was er an dem Mann nicht hasste, was er beschützen wollte. Er hatte es verstanden. Aber er wusste dennoch nicht, was er mit diesem Wissen anfangen sollte. „Beschützen bedeutet nicht nur den Körper zu bewahren... auch die Seele muss beschützt werden...“, sprach Kurogane leise vor sich hin an die Decke. Das hatte einmal sein Vater gesagt. „Ich will auch beschützen...“, murmelte Fye. Körper an Körper wurde es ganz warm. Und irgendwie fühlte es sich .... gut an. Gerade hatte der andere Mann ihn noch gestört, doch jetzt fühlte Kurogane fast so etwas wie ein Glücksgefühl in sich. Es war wohl wirklich passiert... „Aber vielleicht solltest du diese Déjà-vu's auch nicht unterschätzen.“ „Warum denkst du das?“ „Na ja, wenn du sie dauernd hast.“ „Mein Kopf macht mir nur was vor.“ „Ja klar, aber sicher hat er einen Grund dafür...“, warf Fye nachdenklich ein. „Mein Kopf hat einen Grund dazu mir irgendwelche Sinnestäuschungen vorzuspielen?“, hinterfragte Kurogane kritisch. Das konnte ja auch nur von dem Magier kommen. „Manchmal hab ich ne Ahnung, dass was wichtig ist“, erklärte Fye, „als ich dich zum ersten Mal gesehen und dich nicht gleich erkannt habe, zum Beispiel. Und ich glaube deine Déjà-vus sind auch wichtig. Aber sonst... weiß ich überhaupt nicht was vor sich geht.... mit mir... oder mit den Menschen, um mich herum... aber das ist wohl immer so... Kuro-sama? Hast du schon mal etwas getan, von dem du Angst hattest, es zu bereuen?“, fragte Fye. „Nein.“ „Ich glaube ich hab schon viele Dinge getan, von denen ich Angst hatte sie zu bereuen. Nur so ein Gefühl... ich weiß es nicht sicher. Warst du schon mal verliebt?“ „Nein.“, der Krieger schloss seine Augen, ließ seine Gedanken frei wandern, entspannte sich, obwohl er merkte, dass Fye schon wieder seine Spielchen mit ihm spielte. Dieser Mann sagte nie direkt das, was er sagen wollte... ständig musste man zwischen den Zeilen lesen... „Und jetzt?“ „Weiß ich nicht genau.“ „Hm...“ „Und was denkst du?“ „Dass ich es vermutlich bin..“ „In mich? Sicher?“ „Du machst mich noch völlig bekloppt...“, murmelte Kurogane und spürte im selben Moment ein leichtes Gewicht an seinem Rücken. Fye hatte sich gegen ihn gelehnt. „Du mich auch... lass uns schlafen... ich bin müde.“ Mit einer schnellen Bewegung stand der Ninja auf und bemerkte mit einem leichten Grinsen wie der ach so geschickte Magier das Gleichgewicht verlor und auf die Matratze kullerte. Im nächsten Moment war er wieder über ihm, Fye drehte mit einem Seufzen das Gesicht weg, kokettierte herum, doch Kurogane folgte ihm, küsste ihn und das überraschte „Kuro-pi?“ wurde von seiner Zunge erstickt. „Geschlafen wird später. Es ist noch hell...“, murmelte er als sie sich gelöst hatten. Vorsichtig schlängelten sich die Arme des Magiers um Kuroganes Oberkörper und ein wenig verloren sah er schon drein. „Hey.“ „Sag es doch einfach.“ „Warum bist du so versessen darauf?“ „Wegen dem Video.“ Ach ja, das Video. Das hatte er beinahe vergessen. Mit einem schweren Seufzen löste sich Kurogane wieder von dem Blonden. Fye, der schon die neuen, edleren Klamotten trug krempelte den Ärmel hoch. „Du musst deinen Arm auf meinen legen, sonst kannst du es nicht sehen.“ Kritisch zog der Angesprochenen die Augenbrauen zusammen. „Muss das sein, wenn es in meinem Kopf auftaucht, weiß ich nicht, ob es wirklich da ist.“ „Anders geht es nicht, ich kann das nicht projizieren wie Souma.“ Was immer 'projizieren' war, Kurogane tat wie geheißen und im nächsten Moment schossen Bilder auf ihn ein. Der Hain. Menschen über Menschen, die auf dem Boden herumsaßen. Irgendein Fest. Musik. Ausgelassen Tänze. Dort, er erkannte Storm und den Alten. Es war als schwebte Kurogane im Raum, aber er wusste, dass er nur das sah, was die Kameras aufgenommen hatten. Das Bild schien genau so zweidimensional wie das Video, das er bei Souma gesehen hatte. Er kam näher, die Gesichter der Menschen wurden deutlicher. Ein paar kamen ihm bekannt vor. Das Feuer brannte hell, rauchlos und flackernd, plötzlich wand sich eine Person mit blonden Haaren genau zur unsichtbaren Kamera um und Kurogane sah das breit lächelnde Gesicht des Magiers. Seine Wangen waren wohl vom Alkohol gerötet. Neben ihm saß Hime und amüsierte sich gerade über einen lautlosen Spruch, den der Doktor mit gewichtiger, überheblicher Miene von sich gegeben hatte. Shaolan war auch nicht weit. Der Winkel veränderte sich etwas und Kurogane sah sich selbst. Grummelig starrte er in das Feuer, aber... wurde er gerade tatsächlich rot?! Ninjas erröteten nicht, auch wenn es sich nur um ein Ebenbild aus einer anderen Dimension handelte! Der Blondschopf drehte sich wider um und schmiss sich an sein anderes Ich, brabbelte vor sich hin und machte sich dann gemächlich an seinem Nacken zu schaffen. Kein Wunder, wenn der Magier solche Bilder kannte, erklärte es sich von selbst, warum er ihm immer so nahe gekommen war. Nicht, dass das in der anderen Welt anders gewesen wäre. Kurogane erinnerte sich – mit nun nicht mehr ganz so großem, aber immer noch genervten - Grauen an Fyes Anhänglichkeit im Kirschblütenland. Die Neckerei des Magiers ging weiter und endlich verzogen die Beiden sich vom Lagerfeuer. Doch anstatt dass das Video dort endete, wechselte nur die Szene und plötzlich stand Kurogane im Inneren eines Zeltes. Nackte Köper. Berührungen. Bewegungen. Alles sehr eindeutig und auch wenn er den Magier sehr gerne nackt sah.... er brauchte nicht mehr zu sehen, um zu verstehen, denn... Kurogane errötete, anscheinend waren auch das Ebenbild des Magiers und sein Ebenbild sich.... zumindest körperlich sehr zugetan. „Du kannst das hier abbrechen...“, sagte Kurogane einfach in der Hoffnung Fye würde ihn hören. Im nächsten Moment saß er wider in dem hellen Zimmer. Der verdammte Magier wirkte selbst etwas verlegen und rutschte auf dem Bett hin und her. „Na ja... selbsterklärend, oder?“ „Ja. Aber das ist nie passiert.“ „Nie?“ „Nein, das hab ich dir doch erklärt.“ „Ich glaub ich hab es nicht ganz verstanden. Ebenbilder? Dimensionen? Gibt es noch andere Welten als diese?“ Oh je. „Ja. Ne Menge. Und in jeder gibt es dich und mich und alle anderen. Nur irgendwie anders. Selbes Herz, anderes Leben, oder so n Scheiß.“ „Auf dem Video hast du's gesagt.“ „Was?“ „Dass du mich liebst.“ Kurogane errötete. „Das war ich nicht.“ „Selbes Herz, hast du gesagt.“ „So einfach ist das nicht!“ Versuchte Kurogane die Diskussion zu beenden. Darüber hatte er wirklich noch nicht nachgedacht, ob das zwangsweise auch die selben Gefühle waren, die ihre Ebenbilder empfanden. Aber das konnte nicht sein, die Welten waren verschieden und nicht in jeder Welt kannte jeder die Personen, die er auch in anderen Welten kannte. „Das heißt....“, versuchte Fye das Ganze irgendwie zu fassen. „Das dort sind gar nicht du und ich sondern Menschen, die in dieser Welt geboren sind?“ „Ja.“ „Und du kommst..... aus 'Japan', dort willst du hin zurück...“ „Und du kommst aus 'Ceres'.“ „Wie ist Ceres so?“ „Keine Ahnung, du sprichst nie darüber. Aber dort soll es wohl viel schneien.“ „...Ich spreche wohl sehr selten über irgendetwas....“, murmelte Fye nachdenklich und irgendwie niedergeschlagen. Kurogane entfuhr ein schweres Seufzen. „Du redest ununterbrochen! Aber es stimmt, selten sagst du wirklich was.“ Traurig sah Fye ihn an. „Also kannst du mir auch nicht sagen, wer ich bin....“ „.... nein.“ „Und das mit uns...“,wieder verbargen die blonden Strähnen sein Gesicht. „stimmt auch nicht...?“ „Nicht so, wie du auf dem Video gesehen hast. Den Rest musst du selbst wissen.“ Schweigen entstand zwischen ihnen. Kurogane fragte sich, ob es immer so schwierig war jemanden zu beschützen, oder ob es nur schwierig war, wenn die Person so kompliziert war. Schwer seufze Fye und lehnte sich in die Kissen zurück. „Mach dir keine Gedanken,“ Kurogane meinte seine Worte wirklich ernst. „Irgendwann kommt deine verdammte Erinnerung schon wieder.“ Der Magier rollte sich zusammen und zog die Decke über sich, seufzte in SEIN Kissen und schloss die Augen in SEINEM Bett. Doch Kurogane sagte nichts dagegen. Eine ganze Weile ließ er seine Gedanken ohne bestimmtes Ziel herumtreiben. Es war wohl so gegen Mittag, doch das deftige Essen in seinen Magen machten auch ihn etwas schläfrig. Kurogane drehte sich um und sah auf den scheinbar schlafenden Mann. Sein blondes Haar hatte sich kreuz und quer auf dem ganzen Kissen verteilt und sein Gesicht presste ins Kissen hinein, so dass der Krieger unmöglich sagen konnte, ob Fye schlief oder wach war. „Hey...“ Keine Antwort. Atemzüge. „Notfalls fragen wir die Hexe. Auch wenn diese verdammte Halsabschneiderin wieder so n verdammten Preis verlangen wird.“ Oh Mann, Kurogane konnte diese verdammte Hexe echt nicht leiden. Sie konnte sich ja nicht einmal vernünftig anziehen... und ständig dieses wissende Grinsen, es machte ihn einfach wahnsinnig! „Aber wenn sie mir erzählt, ich müsse dann auch durch die verschiedenen Dimensionen rennen, um deine Erinnerung in Form von Federn zu suchen, reiß ich dir den Kopf ab! Sicher bist du in deiner Blödheit nur irgendwo gegen gerannt und kannst dich deswegen nicht erinnern.“ Verdammt, Kurogane ärgerte sich. Da wollte er etwas Aufmunterndes sagen und ihm vielen nur Beleidigungen ein. „Pf...“, kam aus dem Kissen hervor. Ein komisches, pfeifendes Geräusch, das sich zu einem Lachen steigerte. „Kleine Katzen müsstest du sammeln.... oder Vögel...“ Fye setzte sich auf und sah Kurogane mit einem Lächeln an. „Ach, Kuro-sama! Mein Lieblingsninja~!“ Von einer bösen Vorahnung gepackt wich Kurogane etwas zurück, doch Fye verfolgte ihn, rückte nach. „Was denn~?“ Dieses Grinsen konnte nichts gutes Bedeuten. „Rück mir nicht so auf die Pelle! Außerdem, du hast dein eigenes Zimmer!“ „Ach Kuro-chu! Du bist so süß wie Schokolade!“ „Verdammt red nicht immer so einen Scheiß und was machst du da?!“ „Nachtisch!“ Dagegen hatte Kurogane allerdings nichts einzuwenden und nachdem sie damit fertig waren sich über das ganze Bett zu jagen und zu necken, sich halb besinnungslos zu küssen und herumzualbern (albern tat natürlich nur der Magier, Ninjas alberten nicht herum!), erzählte der Krieger Fye so gut es ging von ihrer bisherigen Reise. Wie sie bei der Hexe der Dimensionen begann, was der Knirps suchte und warum sie sich ihnen angeschlossen hatten. Kurogane erzählte von Hanshin, den Land Koryu, Spirit und dem Kirschblütenland Outo, das eigentlich nur eine Spielwelt war und eigentlich die Welt Hedonis war. Er erzählte auch, dass seine Prinzessin ihn weggeschickt hatte und er der stärkste Mann Japans war, aber auch das wenige, was er über den Magier wusste. Dass er weglief, vor einem König namens Ashura, dass er besessen von Süßigkeiten war (das allerdings entlockte Fye nur ein bestätigendes Nicken) und sich auch in Todesgefahr weigerte Magie anzuwenden. Der Ninja hatte das Gefühl in seinem Leben noch nie so viel geredet zu haben. ~~~ Ende Kapitel 24~~~ Anmerkung: Endlich! Es tut mir so Leid, dass es wieder was gedauert hat, aber eine üble, penetrante Schreibblockade hatte sich bei mir aufgetan. Auch wenn hier relativ wenig Handlung drin war, fand ich mal wichtig ihre Gefühle ein wenig klarer zu definierten, oder bzw. nicht. Hoffe auf konstruktives Feedback. 25. Kapitel - (Dark colors) --------------------------- Anmerkung: Leicht sexuelle Anspielung hier! Also eigentlich fast lime.. Nach so langer Zeit endlich wieder mal ein Kapitel. Eine große Entschudligung an die Leute, die so lange Geduld hatten! Die nächsten zwei Teile sind schon geschrieben und bei meiner Beta, aber ich weiß nicht, wann ich sie on stellen kann, da sie grad Examen hat und daher bei weitem wichtigeres zu tun XD. Aber es kommt, wie versprochen! Ach ja, irgendwie waren mir beim Speichern die Umlaute flöten gegangen. Ich hoffe ich habe sie alle gefunden, aber wenn ihr auf etwas aufmerksam werdet, könntet ihr das bitte schreiben? ^^ Nur wenns nicht so viele Umstände macht, danke! @ Lady_Ocean: Oh je, das waren aber wirklich noch viele.... x.x hoffe ich hab sie jetzt alle gefunden, die verdammten Umlaute~ Ich habe die ganze FF jetzt noch einmal gebetat und ein paar Fehler rausgestrichen, aber es sind keine großartigen Änderungen dabei. Nur falls sich jemand wundert, warum die Kapitel alle überarbeitet werden. ^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurogane erwachte noch am selben Abend aus einem tiefen Schlaf und spürte Fye nicht mehr neben sich. Eine ganze Weile blieb er mit geschlossenen Augen liegen und genoss die seltsam feuchte, aber angenehme Kühle im Raum. Sein Herz schlug tief und regelmäßig, seine Glieder waren schwer. Er musste wohl doch erschöpfter gewesen sein als er selbst geschätzt hatte. Irgendein leichter, milder Zug vom Fenster her strich über seine nackten Arme, über Gesicht, Brust, seinen Körper voller Erinnerung an Berührungen. Seine Hand bewegte sich langsam als wollte sie nach dem Luftzug greifen, doch glitt hindurch. Doch er erinnerte sich noch genau an weiches, blondes Haar zwischen den Finger, so als wäre es noch da. Wie eine Ahnung, der letzte Rest eines tiefen Traumes oder das Gefühl von längst getrocknetem Wasser auf seiner Haut. Von fern hörte Kurogane Wasserplatschen und spürte die Aura des Magiers im Nebenraum. Wenn man ganz langsam die Augen aufschlug und es war stockfinster um einen herum, konnte man sich nicht sicher sein die Augen überhaupt geöffnet zu haben. Doch so dunkel war es nur im ersten Augenblick bis die Augen sich von der Dunkelheit hinter den Augenlidern an die Welt davor gewohnt hatten. Kein einziges Licht drang durch die hohen Fenster, nur schwere Dunkelheit floss wie Seide in den großen, spärlich eingerichteten Raum. Dazu legte sich die schwere Kühle. Der Krieger wand seinen Blick nach draußen, dort hingen schwere Wolken tief und mächtig, leuchteten matt grau, nicht genug um Licht zu spenden, sondern nur um sich selbst schwach sichtbar zu machen. Noch immer ein wenig benommen richtete Kurogane sich auf, fuhr sich einmal durch das kurze Haar, unter dem - direkt unter seiner Schädeldecke - dumpf und heftig Kopfschmerzen in perfekten Einklang zu seinem Herzschlag zu pochen begannen und für einen Moment grausige Erinnerungen an dunkle Kisten und verlorene Pulsschlage herauf beschworen. Jetzt bemerkte er doch ein Licht, das einzige im Raum floss matt und unscheinbar unter einer geschlossenen Türe hindurch, von der er keine Ahnung hatte wo sie hinführte, denn als er das Zimmer betreten hatte, war er sofort auf das Bett zugesteuert. Der nebelige, schwere Geruch von Feuchtigkeit, die gemeinsam mit dem Licht darunter hervortrat, ließ ihn auf die Tür zum Waschraum schließen. Lautlos erhob er sich vom Bett, so unsagbar weich es auch war, dass selbst er als Ninja gerne ewig darauf geschlafen hätte, vor allem nach den Tagen und Wochen auf diversen kalten und harten Steinböden. Es half nichts, jetzt war er wach und er konnte seine Zeit schließlich nicht ständig mit Schlafen verbringen. Noch eben seine Kleider zusammen gesucht und übergezogen, fühle sich Kurogane endlich wieder vollständig in der wachen Welt angekommen und nicht mehr versucht sich wieder ins Bett zu legen, um seine Kopfschmerzen auszukurieren. Sein Hemd zuknüpfend, ging er leise auf die vermutliche Badezimmertür zu. Dunkel und still. Es war so dunkel, dass er die Klinke nur erahnen konnte. Sie hatte auch etwas vollkommen anderes sein können, befände sie sich nicht an einer Tür und würde Kurogane nicht über so wenig Phantasie verfügen. Also war es eine Klinke. Hinter der Tür leises Atmen. Ab und zu das Tropfen von Wasser. Die feuchte Luft atmete sich so nah an der Tür kalt und verbraucht. „Oi, fertig? Wir müssen uns auf den Weg machen!“ Keine Antwort. Ohne weiter zu zögern drückte Kurogane die Klinke herunter und trat ein. Wie ein kaltes Tuch schlug die feucht-stickige Luft ihm entgegen. Er hatte Recht gehabt, es handelte sich wirklich um einen Waschraum. Im Gegensatz zu ihren Zimmern war er nicht groß, keine Fenster, keine Lampen. Nur vier glasummantelte Kerzen brannten auf einem kleinen Vorsprung der Wand, deren Licht vor sich hin flackerte. Das Glas war beschlagen und das Licht deswegen diffus und unwirklich. Die von einem dünnen Wasserfilm beschichteten Wände bestanden aus dunklen Stein, vermutlich Marmor, der wandhohe Spiegel war blind, ebenfalls überzogen von einer Wasserschicht, kleinen Tropfen und Schlieren, die einmal Dampf gewesen waren. Eine Badewanne mit reichlich verzierten, golden- weißen Drehhähnen, Badeelixiere in allen möglichen Farben schimmerten schwach in Glasflaschen mit langen, schlanken Halsen, ein Waschbecken und ein kleines Regal neben dem Spiegel. Weiße Badetücher lagen fein säuberlich über einem goldenen Stab, der von der Wand abging. Der Magier saß mit den Füßen im Wasser auf dem Badewannenrand und sah mit einem leichten Lächeln zu dem gerade Eingetretenen auf. "Guten Morgen, Kuro-wuff!“ Kurogane beugte sich über die Wanne und schmiss sich erst einmal etwas eiskaltes Wasser ins Gesicht. Warum saß der Magier mitten in der Nacht im Badezimmer und badete seine Füße in eiskaltem Wasser? "Es ist mitten in der Nacht.“ "Na, du hättest ja noch was schlafen können, war ja auch anstrengend genug die letzten Tage. Oder kann Kuro-daddy nicht schlafen, wenn er sich Sorgen um seine Kinder macht?“ Kritisch sah der schwarzhaarige Mann seinen Gegenüber an und fragte sich, ob die Kreativität was Spitznamen anging so im Kopf des Magiers verankert war, dass er selbst ohne Gedächtnis auf ausgerechnet diese bescheuerte Version seines Namens kam. "Kurogane.“ "Nein, Fye~.“ "Ich heiße Kurogane.“ "Und ich Fye~.“ Kopfschmerzgeplagt schloss Kurogane die Augen und wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. Anschließend wand der Ninja seinen Blick von Fyes blassen, lächelndem Gesicht zum Inhalt der Badewanne. Sie war zu 1/3 gefüllt und stank widererwartend nicht nach drei Zentner Badeelixier, wie er es dem Magier zunächst zugetraut hatte. Kuroganes Blick wanderte weiter, sah die Verbände sorgfältig auf dem Wannenrand liegen. "Aber du bist doch nicht der Vater, oder?“ "Was?!“ "Von den Kindern, oder eines der Kinder.“ "Nein, hab dir doch erklärt, dass sie aus einer ganz anderen Dimension kommen...“ "Na ja, aber du benimmst dich so. Nur gegenüber den Kindern und mir bist du so... beschützend. Alle anderen scheinen dir egal zu sein, auch wenn du versuchst sie nicht zu gefährden oder vor Gefahren zu retten. Richtig anstrengen scheinst du dich nur für die Kinder und mich. Also so denke ich mir, ich hab ziemlich lang drüber nachgedacht, wie du über sie sprichst.“ Kurogane schwieg daraufhin und sah zu dem Magier. Vielleicht war da was dran, vielleicht nicht. Er wollte die Kinder finden, damit sie in die nächste Dimension kamen. Raus aus dieser Welt und bevorzugt direkt nach Japan. Ob da mehr hinter steckte, wusste er nicht und darüber wollte er sich auch keine Gedanken machen. Er hatte genug mit dem blonden Idioten zu tun, um emotionale Bande hatte er sich sonst nicht viel gekümmert. Seine Eltern waren tot, Prinzessin Tomoyo seine Herrscherin und er ihr Beschützer, Souma vielleicht noch seine Kameradin. Mehr war da nicht und brauchte er auch nicht. "Ah.“ "Hast du Kinder?“ "Bei den Göttern.... nein!“, grummelte er. Das würde ihn umbringen. Fye lachte leicht in sich hinein und platschte mit den Füßen im Wasser. Die Luft war wirklich unangenehm zum atmen, wie unsichtbarer Nebel. Was machte Fye hier nur so lang schon? Irgendetwas stimmte hier doch wieder nicht, Kurogane spürte es an seinem Nacken kribbeln, wie jedes Mal, wenn er das Gefühl hatte, dass irgendwas nicht stimmte. Fye lächelte sanft und betrachtete ihn. Dieses Lächeln blieb auch unverändert als sich er die blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und eine schwarze, seidenen Augenklappe offenbarte. "Gefällt sie dir Kuro-pon? Das ist Seide, fühlt sch angenehmer als Verband an, wie eine menschliche Berührung. Ich hatte Madame Jaquline darum gebeten, denn die Verbände sind bei weitem zu auffällig und auch gar nicht mehr nötig, die Industriellen können ihre Wunden ja jederzeit vollkommen heilen lassen. So geht das als Modetick durch. Sieht gut aus, findest du nicht auch?“ Wortlos setzte sich der groß gewachsene Mann zu Fye auf den Wannenrand. Das erste Mal seit dem Vorfall dachte er, dass es echt verdammt schade um das irgendwo schöne blaue Auge war. "Kuro-ta~n, du hörst mir ja gar nicht zu! Das ist wirklich keine gute Voraussetzung für uns beide! Kommunikation ist für zwischenmenschliche Beziehungen von maßgeblicher Bedeutung, denn nur so kann man die Signale des anderen richtig deuten, die verbalen oder die durch Gesten ausgedrückt werden, z.B. durch Körperhaltung. Diese herabhängenden Schultern sagen gerade über Kuro-pon aus, dass er unsagbar niedergeschlagen oder verärgert ist. Und dann erst dieser Blick! Kritisch-gelangweilt, dann denkst du nach und meistens denkst du dann 'Was für ein Idiot', nicht wahr? Wirklich keine gute Vorraussetzung... lach doch mal! Ich glaub nicht, dass davon die Falte zwischen deinen Augenbrauen weggeht, aber da kannst du dich nicht beschweren! Ich bin mir auch ohne Erinnerung ganz sicher, dass ich dir vorher schon mal gesagt habe, dass du nicht so kritisch gucken solltest, aber so wird sie zumindest nicht tiefer. Jedenfalls denke ich jetzt, dass ich dir das vorher ganz sicher gesagt haben muss, denn das muss man einfach sagen, wahrscheinlich weil du es selbst nicht merkst. Du guckt immer so ernst und nachdenklich drein, sei doch mal ein wenig entspannter und erfreu dich des Lebens, hm?“ So saßen sie im Halbdunkeln in der blonde Idiot redete und redete wie ein defekter Wasserhahn tropfe. Fye stoppte erst als sich Kuroganes Finger auf die seidene Augenbinde legten, um darüber zu fühlen. Wahrlich, weich und warm wie Haut, doch er war sich nicht sicher, ob die Haut des Magiers an manchen Stellen sich nicht noch viel weicher anfühlte... und das als Mann... "Kuro-pin? Was denkst du gerade?“ Irgendwie wirkte der Kleinere schon wieder so nervös und überspielend. "Was machst du mit dem Wasser da?“ Zusammenzucken. Da lag also der Punkt. Kerzenlicht flackerte. Kurogane hatte schon beim Reinkommen gesehen, dass die dicken Wachszylinder bis über die Hälfte hinunter gebrannt waren. Heute Mittag waren sie sicher noch unberührt gewesen. „Du bist schon recht lange hier“, stellte er fest. Fye grinste breit und löste sich von seiner Hand, platschte mit den Beinen im Wasser herum. "Och, ich wasch mir nur die Füße~“ "So lange, dass das Wasser kalt wird?“ "Och, is ja auch nötig gewesen! Nach so nem langen Marsch und dem ständigen barfuß herum laufen, bitter nötig! Hab schon die ganzen Bettlaken ruiniert! Wo wir schon beim Thema Körperpflege sind, soll ich dich nicht mal rasieren?“ Grübelnd blickte Kurogane auf das Wasser, ignorierte einfach den letzten Einwand des Magiers. Wann er es nötig hatte sich zu rasieren, war schließlich seine Sache! Die Wasseroberfläche kringelt sich nur leicht, wenn Fye seine darin verweilenden Füße bewegte und hatte tatsachlich einen dreckigen, braunen Stich. Schmutz? Durch das diffuse Halbdunkel konnten sie ihre Spiegelbilder nur als Schatten wahrnehmen. Der Ninja nahm eine Hand voll Wasser aus der Wanne, lies es durch seine Finger rinnen und leckte einen Tropfen ab. "Blut?“ Ertappt sah der Magier weg. Wütend starrte Kurogane ihn an, griff dann nach seinem Arm und riss den Ärmel des Seidengewandes nach oben. Dieser verfluchte Idiot hatte doch nicht etwa versucht diesen Apparat auf eigene Faust aus sich heraus zu operieren?! Aber der Arm war bis auf die alten, fast verheilten Schnittwunden der Spinnen unversehrt. Gekränkt und ein wenig vorwurfsvoll erwiderte Fye seinen Blick und zog seinen Arm zurück. "Denkst du, ich riskiere mich umzubringen?“ "Dem alten Fye mit Erinnerungen hatte ich so einen Blödsinn unterstellt.“ Kurogane musste sich dafür nur an den Leichtsinn des Magiers im Kirschblütenland erinnern. Damals hatte der Idiot von Magier ihm unterstellt, dass er zu den Personen gehörte, die Kurogane hassen musste und Kuroganne hatte es in diesem Moment auch wirklich getan. Aber nicht Fye selbst, nur dass Fye so war, wie er nun mal war, oder wie er vorgab zu sein. Der Fye, der jetzt vor ihm saß, antwortete nicht, starrte nur auf das Wasser, beobachtete den leichten Wellengang, den ihre heftigen Bewegungen ausgelöst hatte. Eine Weile saßen sie schweigend, dann stand Kurogane auf. Er hatte vielleicht wirklich überreagiert, aber bei dem Magier hatte er sich einfach nicht unter Kontrolle. Auch der beschlagene Spiegel zeigte nur die Umrisse seines Abbildes. "Vielleicht konnte ich doch ne Rasur gebrauchen...“, gab er zu, nachdem er nach einigen Momenten des Schweigens wieder etwas runter gekommen war. "Ich habe nur die Verbände ausgewaschen... deswegen das Blut...“ ".... ah.“ Der Magier seufze schwer und starrte immer noch auf das Wasser. Doch bevor Kurogane ansetzen konnte weiteres zu sagen, sprach der Blonde schon wieder. "Je mehr ich über mich erfahre, desto weniger möchte ich mich erinnern. Du sprichst von mir wie jemanden, den du hasst.... oder zumindest verachtest. Eine gequälte Seele, die nicht allein überleben kann... Ich glaube nicht, dass ich so bin... ich glaube mein altes Ich hatte Motive und Grunde, die du nur nicht kennst oder verstehst... aber die kenne ich ja jetzt auch nicht mehr...“ , der Blonde setzte ein gequältes Lächeln auf. „Ich weiß noch nicht einmal, ob mein wahrer Name wirklich 'Fye' ist... das habe ich nur durch die Leute in Hain und durch dich erfahren. Ich habe keine Ahnung wer ich bin... wer ich sein kann...“ Diese Stimme war so von sachter Traurigkeit erfüllt, dass Kurogane das Bild der Schneelandschaft weit draußen wieder in den Sinn kam. So ähnlich hatte der Magier mit ihm auch auf dem Dach des Hochhauses gesprochen, nur war es dort windiger gewesen. //Wenn du denkst, du kannst mir vertrauen, springst du mit mir dort runter, okay, Kuro-pon?// erinnerte er sich an die Worte. Was kam nun? //Wenn du denkst, du kannst mich lieben, ertränk dich mit mir in diesem blutigen Wasser?// Fye hatte einen zu ausgeprägten Sinn zu Dramatik, doch der Ninja dachte dies diesmal ohne Verachtung. Fye war eben alles andere als rational, völlig gefühlsgeleitet, auch wenn er oft anders tat und sein Verhalten kalkuliert wirkte. Kurogane kannte das, egal wie sehr er sich versuchte zu beherrschen und seine Gedanken in klare Bahnen zu lenken, im Endeffekt übernahm die Überhand immer die Wut, die Angriffslust, die Suche nach Herausforderung und der Affekt. Sonst säße er wohl nicht hier. Sonst hätte ihn seine Prinzessin nicht weggeschickt. Sonst würde er diesen verdammten komplizierten, undurchsichtigen Magier nicht lieben. "Ich kann mich doch nicht selber hassen.... aber wenn ich so bin, wie du sagst, dann muss ich mich hassen...“, sprach Fye leise und scheinbar mehr zu sich selbst weiter, das blaue Auge starr auf das Wasser gerichtet. Im Kerzenlicht wirkte es farblos, reflektierte nur das diffuse, flackernde, gelbliche Licht, so dass die Iris fast golden wirkte. „Wenn, dann wäre das verdammt traurig...“ Gerade kam ihm Fye so unsagbar verloren vor, doch das spürte Kurogane schon seit dem Beginn ihrer Reise. Seit dem Moment in dem Kurogane misstrauisch geworden war und begann Fye zu beobachten. Das war in Hanshin gewesen, als Fye mit seinem Kudan kämpfte und so viel von einem kampferprobten Krieger offenbart hatte, dass beim Ninja alle Sicherheitsglocken losgetönt waren. Doch nun winkte der blonde Mann vor ihm einfach nur zerbrechlich, eine Nebelgestalt, die jederzeit verschwinden konnte. Und würde... vielleicht waren sie sich doch ähnlicher als gedacht. Das was er dachte zu sein, verschwand auch allmählich... "Ob du dich hasst oder nicht, davon hab ich keine Ahnung. Ich habe die letzten Wochen mehr über dich erfahren als die ganzen Monaten zuvor, aber nur weil du es mir selbst gezeigt hast. Und wer du sein kannst, liegt sicher nicht in deiner Erinnerung und es liegt auch nicht an mir das zu bestimmen.“ "Wo liegt es dann?“ Ernst bohrte der Krieger seinen Blick in das verbleibend sehende, blaue Auge. "Das musst du selbst wissen.“ "Ich will mich dennoch nicht erinnern... wenn ich von diesem König flüchte, wird es doch sicher einen Grund haben... wenn wir die Kinder gefunden haben, reisen wir einfach weiter und weiter... weg von hier... immer weiter... “ "Irgendwann werden wir wo ankommen, spätestens wenn wir Japan erreichen.“ "Dein Heimatland.“ "Ja. Durch Weglaufen löst man keine Probleme.“ "Und wenn ich mich erinnere und ich find immer noch keine Lösung?“ "Dann weißt du zumindest, wovor du wegläufst und dass du nichts tun konntest.“ "Du würdest das bevorzugen, oder?“ "Ja, ich würde lieber wissen, dass ich nichts tun kann, als einfach davor wegzulaufen.“ "Das ist der Unterschied zwischen dir und mir.“ Schwer seufzte der größere Mann und sein Blick auf den Blonden wurde sanfter, obwohl dieser etwas gesagt hatte, was ihn unter anderen Umständen wütend machte. "Auch wenn du dich vielleicht nicht gerne erinnern wirst, deine Erinnerungen sind wichtig. Wenn du im Kopf die Dinge verdrängt hast, irgendwas in dir weiß sie noch und die Vergangenheit ist deswegen nicht einfach ausgelöscht, sie kommt dich einholen.“ "Aber dann bist du doch da, um mich zu beschützen...“, erwiderte der Blonde ohne Zögern. Mit einem Seufzen antwortete der Krieger. „Ja, aber wäre besser, wenn du's allein könntest. Vielleicht brauche ich deine Hilfe dazu, vielleicht schaff ich's nicht.“ Er hatte schon einmal versagt die Menschen zu schützen, die ihm wichtig waren. Und nun gab es doch wieder jemanden, den er nicht verlieren wollte. Wann hatte er eigentlich mal zugegeben, das nicht zu können? Bei Prinzessin Tomoyo hatte er nie Zweifel gehabt. Abwesend sah ihn Fye an, doch eher durch ihn hindurch, dann gab er sich offensichtlich einen Ruck und setzte wieder sein Lächeln auf. „Na ja~ dann werde ich versuchen mich so gut wie möglich zu erinnern~ Soll ich dich nun rasieren, Kuro-pyuu?“ "Ah“, der Krieger setzte sich wieder auf den Wannenrand. Seltsam un-hibbelig stand Fye auf und wühlte in einem der Schränke, um dann mit einer silber-glitzernden Rasierklinge und Rasierschaum wieder zu kommen. Ein wenig verspannte sich Kurogane auf seinem unbequemen Sitzt, wenn er Fye auch zutraute gut mit so was umgehen zu können, protestierte der Krieger in ihm dagegen jemanden mit einem Messer so nah an seine Kehle zu lassen. "Noch was, warum hast du vorhin gesagt, du hättest dir die Füße gewaschen?“ "Na, weil ich's hab.“ "Du wusstest, dass ich das Blut bemerken wurde.“ "So ne Ahnung, Kuro-wuff bemerkt irgendwie alles. Fast schon gruselig.“ Nachdem Kuroganes untere Gesichtspartie völlig weiß eingeschmiert war, lehnten Fyes langgliedrige Hände seinen Kopf vorsichtig nach hinten, stieg dann mit den nackten Füßen in die Wanne, so dass er hinter ihm stand und setzte die silberne Klinge direkt unter seinem Adamsapfel an. "Warum hast du's mir dann nicht einfach erklärt?“ Kurogane schauderte als die kühle Schneide mit einem kratzigen Geräusch seinen Hals hinauf fuhr, über seinen Kehlkopf, spürte seinen eigenen Puls dagegen schlagen. Er hielt still und schloss die Augen. Fye schwieg und antwortete nicht auf seine Frage und Kurogane beschloss es einfach auf sich beruhen zu lassen. Wenn Fye nichts sagen wollte, dann bekam er eh keine Antwort. Schrab. Geschickt fuhr die Klinge über seinen Kiefer, nahm Schaum und Stoppeln auf und wurde dann irgendwo abgewischt. "Gestern“, fing Fye plötzlich wieder unvermittelt an, nachdem sie eine ganze Weile geschwiegen hatten. „Hast du gesagt, du wüsstest nicht, ob dir dein Kopf etwas vor macht.“ "Ah..“ Die Klinge fuhr über sein Kinn und verweilte einen Augenblick unter der Unterlippe. „Ich hab so was auch... aber anders. Manchmal habe ich Eingebungen, dass ich einfach Dinge sage und danach frage ich mich, woher ich sie gewusst habe. Wie Träume... oder Deja-vu's.“ Schrab. Die Klinge fuhr wieder über seinen Hals, die Wange hinauf. Kurogane wollte etwas sagen, merkte aber mit Verwunderung, dass Fye ihn nicht ganz unabsichtlich davon abhielt, indem er beim nächsten Zug die Klinge wieder an seinen Hals drückte, genau über seinem Adamsapfel, so fest, dass er schweigen und ganz flach atmen musste, um sich nicht zu schneiden. "Und manchmal, denke ich zu schlafen und dann wach ich auf und du schreist mich an. 'Könnte Kuro-sama verrückt geworden sein?', frage ich mich dann. Oder bin ich es? Du bist dauernd wütend... ständig so wütend. Ich verstehe dich nicht... Weißt du, es ist schwierig... zu lieben... für mich... gerade für mich, obwohl ich nicht weiß warum ich das wieder denke. Ich glaube manchmal, es ist bald vorbei oder längst vorbei. Das ist alles so verwirrend. Und ich bin manchmal selbst so wütend auf dich und ich will mich nicht erinnern, ich will nicht wissen wieso... Wenn mein Herz meine Erinnerungen noch kennt, dann will es mit diesem Schmerz vielleicht verhindern, dass mein Kopf sie auch weiß? Welche Rolle spielt es, wer ich einmal war, spielt das für dich eine Rolle? Wäre ich nicht ich in diesem Moment, wenn ich wüsste, wie ich damals war? War ich damals anders? Kanntest du mich so gut? Würdest du den Unterschied merken? Hätte ich nicht immer noch das selbe Herz, wie zig andere Fyes in anderen Dimensionen auch? Und wenn du mich anschreist, dann weil du denkst, dass ich der alte Fye bin... so kommt es mir vor... ich bin doch kein Schatten, nur weil ich nicht weiß, wer ich bin, oder doch? Warum wirst du so wütend, warum willst du unbedingt, dass ich mich erinnere? Magst du mich, einen Schatten, oder doch eher DEINE Erinnerung an mich, wie ich früher war, bevor ich ein Schatten wurde...? Kuro-gane?“ Langsam hob Kurogane seine Hand und legte sie auf Fyes, zog die Klinge von seinem Hals. Mit einigem Kraftaufwand gelang es und er stand auf. Fye stand immer noch barfuß in der Wanne, hatte das Gesicht gesenkt, doch Kurogane hatte vorhin schon bemerkt, dass er weinte. Vorsichtig griff er nach ihm, packte ihm an der Schulter und strich mit der anderen Hand die Haarsträhnen zurück. Das vom schwarzen Stoff verdeckte und das blaue Auge sahen wütend und verzweifelt zu ihm herauf. "Ich werde wütend, weil ich denke, dass du lügst.“ "Warum?!“ "Weil du ein Lügner bist.“ "Aber... ... ich...“, nun nur Flüstern, "kann doch gar nicht lügen, wenn ich nichts weiß...“ "Vielleicht nicht über die Vergangenheit, aber über das Jetzt.“ "Ich verstehe dich nicht...“ "Ich denke schon, dass du verstehst. Du glaubst nur nicht.“ "Lass los, Kuro-wuff... das tut weh.“ Kurogane lockerten seinen Griff etwas, ließ aber nicht los. Fye sagte nichts mehr, Kurogane sagte auch nichts mehr. Irgendwann ließ der Ninja den Magier doch los und Fye sank ins Wasser. Dann fielen die Verbände wieder in Kuroganes Blick und er hob sie auf, ließ den rauen, feuchten Stoff um seine Finger spielen. Dort wo das Blut gewesen war erinnerte nur noch ein Hauch von Blassrosa. Warum hatte Fye es nicht einfach gesagt? Warum machte er alles so umständlich, warum konnte er einerseits seine Gefühle vor ihm ausschütten, musste ihm aber dabei drohen die Kehle durchzuschneiden? Und warum konnte er ihm nicht einmal die einfachsten Erklärungen für total gewöhnliches Verhalten geben? Es war als könnten sie sich ohne Probleme über den Sinn der Welt und ihr Seelenleben unterhalten, scheiterten aber an Gesprächen über das Wetter, oder was es zu Mittagessen gab. Nun stand er halb rasiert da und wusste nicht, wie sie schon wieder zu diesem Punkt gekommen waren. Heute Mittag schien noch alles so einfach und friedlich. Plötzlich spürte er eine Hand an seinem Knie und sah auf den blonden Schopf hinunter, irgendwie hatte er das Gefühl, dass diese unsichtbare Mauer wieder zwischen ihnen stand. Dass er nicht in Fyes Kopf konnte und selbst wenn, dort nichts zu ändern vermochte. Dass nur Fye in seinen Kopf konnte, um dort alles zu verdrehen, es nach seiner verrückten Logik zu verzerren, bis Kurogane selbst daran glaubte. In Japan war einmal ein Lehnsherr von einem anderen Gut zu Besucht gekommen und es hatte ein recht ausschweifendes, feuchtfröhliches Gelage unter den Männern gegeben. Nach einem einzigen Schluck Sake hatte er sich Stunden danach genau so gefühlt wie jetzt. Er war damals fünf gewesen und es war das erste und einzige Mal, dass er zu betrunken war, um auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. "Hör zu...“, begann er, wusste dann aber nicht weiter. Fyes Hand fuhr höher, doch der Krieger stand still, plötzlich ganz ruhig, wartete was jetzt kam. Die Hand kam an seinem Schritt an und das machte es nur noch schwerer für ihn sich gerade zu konzentrieren. "Verdammt, lenk nicht vom Thema ab!“ "Welches Thema denn Kuro-rin? Ich glaub ich hab grad ein ganz interessantes 'Thema' gefunden~“ Fyes Ton klang wieder einmal aufgedreht und gezwungen fröhlich, doch obwohl der Krieger etwas errötete, ließ er sich weder vor Verlegenheit über den Inhalt, noch von der Wut über die Darstellungsweise ablenken. "Na, unser Thema.“ "Oho~“, Fye blinzelte die letzten Tränen weg und zauberte ein breites, anzügliches Grinsen auf seine Lippen, während er weiter massierte.„Kuro-chama redet über 'uns'. Is' ja romantisch, nicht mehr du und ich. Und wer bist du, und wer bin ich, dein Schatten?“ Der Reisverschluss. Die Luft war zu schwer zum Atmen. Fye beugte sich vor und presste seine Lippen gegen sein Schamhaar, zog an seinen Kleidern, drückte seinen Körper an seine Beine, doch der Krieger selbst war unfähig sich zu bewegen. Das Wasser platschte, als der Magier sich auf den Knien bewegte und die Hose des Ninjas tiefer zog. Wieder verschaffte es ihm eine gewisse Befriedigung all diese Scherben zu sehen, denn er war es, der sie sah. Und gleichzeitig tat es weh, weil er sie zusammenfügen wollte und einfach nicht wusste wie, statt dessen irgendwie immer wieder etwas zusätzlich kaputt machte. Schließlich musste Fye durch sich selbst stark werden, doch wie? Wenn Kurogane nur loslassen musste und... und was? Irgendetwas sagte ihm, dass er auf keinen Fall loslassen durfte. Er konnte immer nur noch ruhig starren, doch als Fye ohne auch nur zu ihm aufzusehen seine Hand hinzunahm und etwas an ihm nippte, riss es Kurogane aus seiner Lethargie. Ihm war so schlecht und er wusste nicht warum, aber irgendwie konnte er nicht einmal wütend werden. Wut bedeutete zu zerschlagen, was ihn wütend machte. Doch hier war alles schon zerschlagen, so konnte er sich nicht bewegen. Von ihm, von jemand anderem? Kurogane wusste es nicht. Er fühlte sich gerade irgendwie taub. "Verdammter Magier!“, zischte Kurogane und riss den Blonden grob von sich weg. So hatte er das alles nicht gewollt, so war es doch einfach nur verdreht, er war doch keiner von diesen verdammten scheiß Wächter -Schaben! Fye sackte einfach in sich zusammen und saß da als würde er erwarten, dass der größere Mann ihn jetzt anschrie und Kurogane hatte nicht übel Lust dazu, doch statt dessen bemerkte er, dass neben der ganzen Taubheit noch ein anderes Gefuhl da war. Ein... seltsames Gefühl. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass gerade nicht er das Kind war, das durch ein verlassenes Anwesen lief und niemand fand, sondern Fye. Aber er war doch da... aber sie waren nicht beieinander. Irgendetwas stand immer zwischen ihnen, sie kamen sich immer nur für kurze Augenblicke nah und Kurogane wusste, dass es teilweise auch seine eigene Schuld war. Vorsichtig kniete er sich ins Wasser, nachdem er sich wieder vollständig angezogen hatte. Wieder Welten entfernt, genau so wie bei der Zwischenstation. Sogar ihre friedvollen Pause von gestern abend schien im Nachhinein halb gezwungen Harmonie zu sein. Und er hatte es nicht einmal gemerkt. "Fye“, sprach er ihn mit seinem Namen an, doch Fye schüttelte nur den Kopf. „Fye. Ich werde nur so wütend, weil in dieser Welt irgendetwas nicht stimmt. Ich bin nicht wütend auf dich, hörst du? Und deswegen brauchst du mich auch nicht beruhigen, schon gar nicht so! Du kannst dich nicht erinnern, aber ich bin immer so .... unbeherrscht. Sonst hast du das immer mit einem Lächeln abgetan, deswegen fällt es mir schwer, mich jetzt anders zu benehmen. Verdammt noch mal“, er wusste nicht was er sagen solle, „verdammt noch mal...“ "Du hast gesagt ich bin ein Lügner. Ich bin ein Schatten...“ "Wenn du kein Lügner sein möchtest, dann sei es einfach nicht mehr.“ Müde sah Fye zu ihm hoch, konnte ihm aber nicht direkt in die Augen sehen. „Ich bin kein Schatten... du bist der Schatten...“ "Was?“ "Du sagst du bist da, aber sonst sagst du nichts aus. Nur, dass du da bist. Nicht wie lange, oder warum.... oder was du dafür willst, was du dir davon erhoffst, was in Zukunft passiert, oder was sein wird, wenn du wieder 'zu Hause' bist... Ich bin nicht im Hain geblieben, weil ich mit dir gehen wollte... und du bist immer da... wie mein Schatten... doch wenn es dunkel wird, weiß ich nicht, wo du bist...“ Hatte der Magier so große Angst? Kurogane schloss die Augen, atmete tief durch, so ein Geständnis hatte er nicht erwartet, aber er wusste auch nicht, was er darauf sagen sollte. Er wusste selbst nicht, was er wollte. Nur dass er beschützen wollte, weil da etwas an dem Magier war, dass es wert war, beschützt zu werden. "Ich bin da und ich bleibe da. Hast du so große Angst?“ Fye lächelte schief und sah ihn endlich an. „Wo ist der Haken?“ "Es gibt keinen.“ "Und als Gegenleistung soll ich so werden, wie du mich haben willst? Was soll ich für dich tun?“ "Nein, es gibt keinen Haken, hab ich gesagt. Ich bleib da, auch wenn du weiter lügst wie gedruckt, wegrennst und mir was vor machst. Aber wenn mich was wütend macht, zeig ich es auch." "Und es zählt, wer ich jetzt bin? Auch wenn ich nur ein Schatten bin?“ "Alles an dir zählt.“ Verwundert sah Fye ihn an, doch der Krieger hielt seinem Blick stand. Erschöpft strich er dem Blonden ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. Je mehr Wahrheit ans Licht kam, um so anstrengender wurde es und um so mehr musste er einsehen, dass er selbst erst einmal lernen musste mit dem Magier umzugehen. Mit irgendeinem Menschen umzugehen. Dass er nicht nur verurteilen durfte, sondern auch verstehen musste. „Ich will nur nicht, dass du einfach so verschwindest.“ Das blaue Auge war direkt auf ihn gerichtet und endlich kamen die erwarteten Tränen. Doch diesmal wollte Kurogane sie nicht sehen, er sah dennoch hin und Fye senkte das Gesicht. Das Licht flackerte und so taten es auch ihre Spiegelbilder im Wasser. "Ich verschwinde nicht... versprochen...“ "Gut. Und ich werde mich beherrschen.“ "Ich bin müde...“ Vorsichtig griff der Ninja unter Fyes Beine, hob ihn aus dem kalten Wasser und trug ihn wieder nach drüben. Doch am Bett angekommen, zögerte Kurogane den anderen wieder hin zu legen. „Willst du schlafen? Wir sollten los...“, wand er ein, doch Fye hörte ihn gar nicht, starrte nur abwesend zum Fester, durch das immer noch die seidene Dunkelheit floss. Kurogane stand mitten im Raum, den tropfenden Magier auf den Armen, wahrscheinlich auch noch Rasierschaum im Gesicht und wusste nicht was er tun sollte. Verdammt, für ihn war es ja auch schwierig! Aber wie schwierig war es dann für eine distanzierte Person wie Fye, ohne Erinnerung? - fragte eine andere Stimme in ihm. Er brauchte Geduld, nicht gerade Kuroganes ausgeprägteste Tugend. "Ich mach mir nur Sorgen.“ "Um die Kinder? Ob es ihnen wohl gut geht... “ "Um dich.“ Langes Schweigen. "Und ich bin nur in dich verliebt.“ Auf einmal schlug sein Herz wieder wie wild und er wusste, dass Fye das mitbekam. "Ah, ich lass dich nicht im Stich.“ "Ich weiß...“ "Ich sage so etwas nicht leichtfertig.“ "Ich glaub ich weiß.“ "Und ich wiederhol nicht, was ich vorhin gesagt habe.“ "Gilt das denn auch, egal was passiert. Auch wenn ich lüge?“ "Warum bestehst du so auf das Lügen, kannst du es nicht einfach sein lassen?“ "Nein.“ "Warum nicht?“ "Kann mich nicht erinnern.“ Kritisch sahen rote Augen in ein blaues, das war schon wieder so eine typische Diskussion, die man nur mit dem Magier haben konnte. „Und warum kannst du es JETZT nicht lassen?“ "Ich lüge ja grad gar nicht.“ "Worauf willst du verdammt noch mal hinaus?“ Langsam machte ihn das wieder einmal halb wahnsinnig, vor allem weil der Magier sich beruhigt zu haben schien und nun wieder seine halb ernst gemeinten Spielchen mit ihm spielte. Das sah er an dem neckische verziehen der Mundwinkel, aber auch den viel zu ernsten, abwesenden Blick dabei, der alles erwartete, aber nichts von all dem richtig glauben konnte. "Wenn man nicht weiß, was wahr ist, kann man doch nur lügen.“ "Dann machst du einfach das, was du für wahr hältst.“ "Das ist auch schwierig... vor allem hier...“ Wieder entfuhr dem Krieger ein schweres Seufzen, seine Kopfschmerzen pochten wieder wie verrückt. Vorsichtig stellte er den Magier auf seine eigenen Füße, die Hände auf Fyes Brust sanken und hingen an Fyes Körper, als gehörten sie nicht zu ihm, der Mann sah ihn wieder nicht an. "Okay, ich sag dir jetzt mal was und das schreibst du dir hinter die Ohren, weil ich's nur noch EIN MAL sage! Ich lasse dich nicht im Stich, egal was für einen Scheiß du noch baust! Aber wenn du etwas machst, von dem ich denke, dass es scheiße ist, dann werde ich auch wütend werden!“ "Egal was passiert?“ "Ah, egal was passiert. Auch“, schwer seufze Kurogane, „wenn du auf die Idee kommst unbedingt mit mir von einem Hochhaus springen zu müssen, oder sonst so n Mist.“ Lächelnd sah Fye zu ihm hoch, die Überraschung deutlich auf die blassen Zuge geschrieben. "Kuro-po-“ "Aber lass mich für die Landung sorgen, ich hab keine Lust, dass wir beide dabei drauf gehen.“ Wenn er sich schon auf die verdrehte Logik des Magiers einließ, dann sollte er wenigstens versuchen sicher zu stellen, dass sie das beide auch irgendwie überlebten. Fye lächelte leicht. „Okay, dann weiß ich nicht nur, dass ich glaub zu wissen, sondern ich glaube dir.“ Kurz ging Kurogane das in seinem Kopf durch, dann grinste er leicht und machte sich dann selbst auf ins Badezimmer, um noch eben den letzten Schaum vom Gesicht zu wischen, bevor sie sich wieder in diese verrückte Welt aufmachten. Sie durchwühlten die Schränke bis sie zumindest schwarze Hosen und Pullover fanden. Der Magier fischte sich auch noch eine schwarze Mütze aus dem Untiefen des Kleiderschrankes hervor, in der er sein verräterisch helles Haar jedoch nur sehr unzureichend hinein stopfte. Na ja, es sollte reichen. In der Stadt Omehlas schien man hauptsächlich Weiß zu tragen, zumindest nach dem Inhalt der Kleiderschränke in den beiden Zimmern zu urteilen. Weiß war, dafür brauchte man keine Ausbildung zum Ninja, eine äußerst ungünstige Farbwahl, wenn man irgendwo ungesehen und unerlaubt einbrechen wollte. Vor allem würde die Farbe das helle Vollmondlicht reflektieren, das von einem milchigen Mond, der nun ab und an zwischen den Nebelwolken hervor strahlte. So nun gewappnet stiegen der Ninja und der Magier aus dem Fenster ihres Zimmers im 1. Stock und landeten auf dem kurz geschnittenen Gras des Rosengarten direkt darunter. Sie hatten keine Ahnung wo sich diese besagte 'Hauptvilla' befinden sollte, daher schlugen sie einfach auf gut Glück irgendeine Richtung ein. Sie kamen zu einem kleinen Waldstück und folgten dem Weg am Waldrand bis zu einem großen, schilfbewachsenem See. Mittlerweile war es wieder stockfinster, der Mond war schon längere Zeit hinter einer besonders dicken Wolkenwand verschwunden. Kurogane hatte als Ninja keine Probleme mit der Dunkelheit, doch Fye stolperte ständig scheinbar über seine eigenen Füße, so dass ihn der Krieger irgendwann am Arm packte und kurz darauf den ganzen Magier an sich hangen hatte, so als würden sie einen bescheuerten Sonntagsspaziergang machen. Schwer innerlich geseufzt, kurz die Augen verdreht und einfach weitergeschritten. So kamen sie wenigstens schneller voran. Nach dem großen See ging es leicht und dann steil einen Hang hinauf. „Da ist Licht!“, rief Fye plötzlich aus, als sie fast an der Kuppe angekommen waren. In der Ferne glimmte tatsächlich Licht wie von einem Feuerwerk, bunt und flackernd. Musik drang als ein fernes Wispern an ihre Ohren. „Das sind sicher die Schausteller....“, vermutet der Krieger. Was taten die Leute da? Das Mädchen hatte von einem Jahrmarkt gesprochen, auf dem sie auch die Kinder gesehen hatten. Ob sie dieses Mal wieder da waren? Der Magier hatte genau in dem Moment den selben Gedanken: „Vielleicht sind dort auch Sakura, Shaolan und Mokona. Wir haben doch keinen anderen Anhaltspunkt und vielleicht können wir dort unauffällig nach dem Weg zur Hauptvilla fragen~“ Der größere Mann konnte sich vorstellen, dass der Magier auch andere Motive hatte ihn auf diesen schrecklich bunten Rummel zu zerren. „Doch wie kommen wir da bloß hin... selbst im Wagen hat es doch so unglaublich lange gedauert und zu Fuß~ oh je, oh je, meine armen Füße~ trägst du mich Kuro-tan?“ "Pscht!“, ermahnte Kurogane den jammernden Kerl zur Ruhe und sie versteckten sich im hohem Gras, das hier auf dem Hügeln wild mit Blumen und Unkraut wuchs. Ein Wagen kam naher, der Geruch von Pferd hatte ihm schon vorher auffallen sollen. Das von zwei Pferden gezogene Gefährt klapperte den Weg entlang, auf dem Fye und er vor wenigen Minuten selbst gelaufen waren und - hielt genau vor ihnen. "Sucht ihr eine Mitfahrgelegenheit?“, fragte eine unsagbar bekannte Mädchenstimme und Kurogane stand auf, um dem Tomoyo-Ebenbild in die blinden Augen zu sehen. In dem plötzlich wieder hervorquellenden Mondlicht sah sie nun noch junger und geisterhafter aus. „Ja“, antwortete er. Sie lächelte. Das Gras raschelte unter einem Windzug und Yuzuriha, die auf dem Reitbock des Karrens saß, streichelte ihren Köter, der scheinbar unabrückbar zum Vollmond hinauf starrte. "Man sagt sich der Vollmond sei ein schlechter Reisegefährte. Viele Verbrechen geschehen und Kinder werden geboren.“ "Zweites kann uns ja nicht passieren“, witzelte Fye und der größere Mann wollte schon aus der Haut fahren, weil man seine Prinzessin nicht so ansprach, ließ es dann aber, denn sie war es ja nicht. Dennoch lächelte sie wissend und ein wenig schelmisch, wie es die Miko des Schlosses Shirasagi stets getan hatte. „Das ist wahr. Aber in das Anwesend von jemand einzutreten, von dem man sicherlich nicht eingeladen wurde, ist ein Verbrechen nach den Gesetzten dieses Landes, wenn auch kein großes.“ "Hier gibt's so was wie Gesetzte?“, fragte Kurogane abfällig. Für ihn sah das mehr nach dem Recht des Stärkeren aus. "Schon seit Jahrhunderten“, antwortete Tomoyo. Fye trat etwas vor und beugte sich respektvoll, aber zutraulich zu ihr herunter. „Woher weißt du denn, dass heute solch ein Verbrechen stattfinden wird?“ "Das liegt daran, dass es Vollmond ist.“ Und Yuzuriha füge erklärend hinzu. „Tomoyo hat seherische Fähigkeiten, sie sind besonders ausgeprägt, wenn es Vollmond ist.“ Das Mädchen mit den violetten, von Blindheit getrübten, Augen lächelte zustimmend. Der Wind raschelte leicht im Gras und eines der Pferde schnaubte. Immer noch war der Vollmond im Wolkenloch und verlieh der Szenerie ein klaren, aber gespenstischen Anstrich. „Vom Mond weiß ich die Zeit und den Ort, von eurem Vorhaben weiß ich durch die Leute im eisernen Bambushain. Sie haben uns eine Nachricht zukommen lassen, dass ihr kommen wolltet. Fye und Kurogane sind eure wahren Namen, nicht wahr? Ihr habt wirklich eine außergewöhnliche Aura.“ "Ihr seid Verbündete der Hainbewohner?“ "Nun, des ehemaligen Haines, er wurde ja 'aufgelöst' “, warf das schwarzhaarige Mädchen mit dem Köter ein. „Doch steigt erst mal auf, den Rest können wir unterwegs klären“ "Wohin?“, Kurogane rührte sich kein Stuck, das konnte auch eine Falle sein. Doch der Magier war langst zu Yuzuriha auf den Reitbock geklettert und wurde von einer schlabbernden Hundezunge und viel Gejanke und noch mehr Fell stürmisch begrüßt. "Zur Hauptvilla!“, antwortete Tomoyo sanft und hielt dem Krieger ihre kleine Kinderhand hin. "Warum habt ihr uns nicht gleich gesagt, das ihr auf unserer Seite seid?“ Der Mond war wieder voll verdeckt, doch sie hielten alle Gläser mit Kerzen in ihren Händen, so dass Fyes Gesicht, als er gerade gesprochen hatte, von flackerndem Licht beleuchte wurde, während er sich nach hinten zu Tomoyo beugte. Sie zupfte sorgfältig ihren langen, violetten Rock zurecht, bevor sie antwortete. „Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nichts davon. Die geheime Nachricht des Hainältesten war gut verschlüsselt und befand sich in der Adresse eurer falschen Identität. Yuzurihas ID-Programm hat zwar sofort festgestellt, dass etwas mit euch nicht in Ordnung ist-“ "- haha! Das hab ich auf den ersten Blick gesehen! Es ist auch zu befremdlich, dass sich zwei pikfeine Herrschaften wie die der EX-Familie und alle befreundeten Clans in den Büschen verstecken und bis Omehlas zu Fuß kommen!“, unterbrach sie Yuzuriha. "- jedoch brauchten wir etwas länger, um diese Informationen auszuwerten. Solche Nachrichten müssen gut geschützt sein, denn wenn jemand 'von Oben' diese Nachricht entschlüsselt, würdet ihr verhaftet werden und vermutlich getötet. Hinzu kommt, dass bei unserem ersten Treffen noch andere Personen anwesend waren. Kusanagi zum Beispiel.“ "-mein Freund.“ Yuzuriha. "Er ist ein loyaler Anhanger der EX-Ideologie.“ "Ah so ist das...“, bemerkte Fye nachdenklich und streichelte den Hund. „Also gibt es hier wohl wenig Menschen, die im Untergrund leben.“ "Hier gibt es nur die Familien und deren Angestellten. Wir sind für das Entertainment zuständig.“ "Ente-was?“, entfuhr es Kurogane. Nicht mal 8 Jahre alt und schon sprach das Blag völlig unverständliches 'Japanisch' - denn es wurde ja alles nur übersetz. Im Gegensatz zu seiner Prinzessin, die von klein auf Unterricht hatte. "Entertainment. Wir unterhalten die Familien.“ "Aber“, Fye deutet mit einer ausschweifenden Handbewegung um sie, „warum ist hier so viel Platz? In Styrax ist es so voll, dass ständig etwas abgerissen wird, um auf den künstlich entstandenen Hügeln neues zu bauen und hier fühlt man sich fast einsam.“ "Das ist der Zweck dieser Stadt“, erklärte Tomoyo geheimnisvoll und schmunzelte als sie die Verwirrung der beiden Reisenden trotz ihrer Blindheit wahrnahm. „Der 'Gründer' dieser Stadt wünscht sich 'Einsamkeit' für Omehlas und wenn man über das, was man von Styrax so hört, nachdenkt, dann wünscht sich 'der Gründer' für Sytrax wohl 'Beklemmung'.“ Beklemmung... das war wirklich passend, dachte sich Kurogane. Beklemmende Angst, beklemmende Schwüle, überall begrenzende Flüsse, Häuser eng an eng gebaut, selbst der Himmel war nicht weit und klar, sondern durchsetzt von Rauch, Flugschiffen und Werbung, überall dieser permanente, nervenraubende Lärm. Überall Menschen, überall grau und überfordernde Künstlichkeit. Nur Illusionen wie in diesem Café, in dem er und der Magier einmal rasteten, schaffte etwas Entspannung, aber auch nur wenn man dafür zahlte. Und das war dazu noch eine Lüge. Sich selbst aus seinen Grübeleien reißend, fragte Kurogane kritisch. „Und wer ist dieser 'Gründer'-Kerl? Und wie macht er das?“ Schweigend hielten die Mädchen sich in ihrer Antwort zurück, doch dann gab sich Yuzuriha einen merklichen Ruck. „Das darf man eigentlich nicht fragen. Aber man weiß es auch nicht. Viele sagen, Ashura-sama sei es, aber er hat nie etwas verändert, also glaube ich nicht, dass er es ist. Sonst hätte er doch schon längst etwas gegen die Rebellen unternommen, die sind ihm nämlich ein ziemlicher Dorn im Auge.“ "Ashura?!“, fragte der Magier und Kurogane beide gleichzeitig. Der Hund winselte und stupste den Magier um Aufmerksamkeit heischend gegen den Arm, doch der Blonde starrte nur atemlos das Mädchen neben sich an. Dieses erwiderte seinen Blick höchst verwundert. „Das Oberhaupt von EX. Aber warum wisst ihr das denn nicht?“ "Sie kommen von sehr weit her“, antwortet das blinde Madchen an ihrer statt. "Und woher weißt du das?“, fragte Kurogane. Sie lächelte einfach nur. "Der Vollmond.“ Dieser tauchte auch gerade wieder hinter den schwarzen Wolkenbergen auf und beleuchtete die Reisenden, die Wiesen und den nahen Wald mit unruhigem Milchlicht. Von fern hörte man ganz leise das Rauschen der Schneestürme, aber nur wenn man genau hinhörte, weit hinter den Barrieren der Stadt. Nach zwei Stunden Wagengeratter, Wiesenlandschaften und kleinen Seen durchquerten sie ein kurzes Waldstück und dahinter zeichnete sich endlich die tiefschwarze Silhouette der 'Hauptvilla' vor dem lediglich dunklen Nachthimmel ab. „Fyuuu~“, 'pfiff' der Magier neben ihm, doch Kurogane war auch verwundert. Vor ihnen baute sich kein Haus, sondern eine Art Schloss in den Himmel auf. Es wirkte etwas schief und unausgeglichen in seiner Bauweise, als hatte das Fundament nachgegeben, die Türme waren dick und mächtig- Fensterlos. Oder es brannte kein Licht dahinter. So weit man in der Dunkelheit erkennen konnte, war es aus grauen, groben Stein erbaut. Es strahlte etwas mächtiges, beengendes und bedrohliches aus, was jedoch den Krieger keinesfalls einschüchtern konnte. Was sich mit so massiven Mauern schützte, hatte etwas zu verbergen und dieses war sein Schwachpunkt. Ein abenteuerlustiges Grinsen hatte sich auf seinen Lippen gebildet, vielleicht fand er dort mal eine Herausforderung, für die es sich lohnte Souhi zu ziehen! Und wenn es dieser Kerl war, der indirekt verantwortlich für die Zerstörung des Haines war, na dann um so besser! Der Magier neben ihm kicherte hibbelig. „Cool! Wie bei Graf Dracula!“ "Wer?“ "Keine Ahnung, kam mir nur so in den Kopf!“ Ah. Aber Kurogane erinnerte sich plötzlich nur zu gut. Die Prinzessin und Fye hatten den Film in Piffle gesehen, in dieser Flimmerkiste, und danach waren sie ihm unglaublich auf den Piss gegangen, weil sie ja nun „Vampire“ waren und der Magier hatte ihn dauernd beißen wollen. Er beschloss den Magier nicht aufzuklären, wer wusste auf welche Gedanken er dann noch kam! Sie näherten sich dem Schloss zu Fuß, den Pferdekarren ließen sie im Wald stehen und banden die Zugtiere mit den Zügeln lose an die Aste eines umgestürzten Baumes. Der Waldboden fühlte sich weich unter ihren Stiefeln an, gab bei jedem Schritt nach. Immer wieder sah Kurogane nach hinten, um sich zu vergewissern, dass der Magier und die Mädchen noch hinter ihnen liefen. Da war ja die blinde Tomoyo noch schneller, obwohl Yuzuriha sie an der Hand führen musste und sie sich bei jedem größeren Hindernis, wie einer hervorstehende Wurzel oder einem tieferen Graben, verlangsamten. "Löst der Name Ashura bei dir irgendwas aus?“, fragte der größere Mann als der Blonde etwas mit ihm aufgeschlossen hatte, leise genug, um die beiden Mädchen nichts hören zu lassen. Es interessierte Kurogane schon, ob sich der Magier an 'seinen König' erinnerte, oder den Namen nur im Hain aufgeschnappt hatte, wo man sich sicherlich keine Heldengeschichten über das oberste Familienoberhaupt von EX erzählte. "Nein...“, antwortet Fye leise und stolperte schon wieder. Kurogane packte ihm am Arm, doch diesmal spielte der Magier nicht 'ich bin Kuro-chus persönliche Klette'. „Ich kann nur schlecht sehen, verliere dauernd das Gleichgewicht. Au! Schon wieder...“ "Liegt sicher daran, dass du nur auf einem Auge siehst.“ "Ja, wahrscheinlich... daher auch die Kopfscherzen...“, besorgt sah der Ninja im Dunklen zu dem Blonden, als er dies sagte, aber das war vielleicht nach einer halben Erblindung normal. "Kuro-chi, müssen wir dort hin? Ich hab das Gefühl als wartete dahinter ein blutsaugendes Monster... Und wenn wir einmal im Schloss sind, kommen wir nie wieder raus... verdammt für immer...“ Ein Schauder lief dem dunkelhaarigen Mann über den Rucken. Er hasste Gruselgeschichten... Tomoyo und ihre Schwester Amaterasu waren bei Unwettern immer in die Wachquartiere gekommen und hatten Geistergeschichten erzählt, das konnte selbst den stärksten Mann umhauen. "Und dann...“, fuhr Fye mit tödlich resignierten Ton und übertrieben leeren Blick fort, „wird unser Blut ganz ausgesaugt. Bis auf den letzten Topfen... nein, vielleicht nur so, dass wir gerade noch überleben. Blutleer und unfähig uns zu bewegen liegen wir dann tagelang auf dem kalten, nackten Steinboden, halb blind vor Schwäche und warten darauf bis das Monstrum wieder Hunger verspürt. Hilflos sind wir, wenn es wieder seine spitzen, scharfen Zahne in unseren Hals rammt und wir sehen nur das bleiche Mondlicht und wissen, dass wir bis zu unserem Ende nur dies sehen werden. Niemals die Sonne mehr, niemals das Licht... niemals...“ Schwer seufze Kurogane. „Du solltest wirklich nicht so viele Horrorfilme mit der Prinzessin schauen... das ist weder gut für dich, noch für das Mädchen.“ Fyes Fantasie war für seinen Geschmack eh etwas zu ausgeprägt. Aus den Augenwinkeln nahm er gerade noch das breite Grinsen wahr, bevor der Blonde nachfragte. „Bin wohl gut mit der Prinzessin befreundet, wie hieß sie noch mal?“ "Sakura.“ "Oh, stimmt, sie ist ja eine Prinzessin des Königreichs CLOW, ne~?“ "Genau, eine Wüstenprinzessin.“ "Das is ja so spannend! Ich freue mich schon sie kennen zu lernen!“ "Na ja, sie ist dir ja grad ziemlich ähnlich.“ "Aha~?“ "Na, sie hat auch ihre Erinnerungen verloren“, wiederholte Kurogane überraschend geduldig das gestern Erklärte noch einmal. Eine Weile schwieg Fye nachdenklich. "Also nicht nur eine Wüstenprinzessin, sondern auch eine Bambusprinzessin.“ "So ungefähr.“ Sein Schweigen markierte das Ende des Gesprächs und der Magier hielt nun, von Kurogane gestützt, mit seinem Tempo und dem der Mädchen mit. Nur wenn sie anhielten, um auf Tomoyo zu warten, sah der kleinere Mann kurz aufmunternd zu ihm hoch. Dabei war er doch bei weitem der Nervöseste von ihnen allen. Kurz vor dem Schloss wurden Fyes Schritte schneller und der Boden weniger uneben und nachgebend. „Oi“, mit einem schweren Seufzen packte der Krieger Fye wieder am Arm. „Dieser EX Ashura ist nicht der Mann, der dich verfolgt. Nur der selbe Name und das selbe Gesicht.“ Nervös atmete Fye durch und zwang ein gequältes Lächeln auf seine Lippen. „Jap, nur der selbe Name. Selbes Herz und so! Schon längst kapiert, Kuro-sama, musst es mir nicht nochmals erklären~“ "Ihr seid ja zwei lustige Personen“, stellte Yuzuriha fest und grinste kindlich in sich hinein. Sie war sicherlich erst 14, aber der Magier und er waren auf ihre Hilfe angewiesen, obwohl Kurogane Kinder lieber aus der Sache heraus lassen würde. Wer wusste welche Gefahren sie hier erwarten konnten... langsam fuhr er über den Griff seines Schwertes, es strahlte Ruhe aus. Plötzlich hatte er wieder das ganze – lächerlich geringe für einen Mann – Gewicht des Magiers an seinem Arm kleben und eine neckende Stimme strich zusammen mit warmen Atem an seine Ohrmuschel. „Keine Angst, Kuro-chi! Ich halte dein Hand und lass nicht los! Dann brauchst du auch keine Angst vor dem bösen Dracula-Schloss haben!“ Kritisch funkelten rote Augen auf den Blondschopf hinunter. „Na hoffentlich bleibst du in meiner Nähe", und der Besitzer der Hand erntete dafür einen verdutzten Blick. Wenn Fye nicht in seiner Nähe blieb, konnte Kurogane für nichts garantieren. Aber auch wenn er – nach dem Auslösen des Fluches – seine Kraft eingebüßt hatte, traute sich Kurogane immer noch zu ein Schwert benutzen zu können. „Kuro-chama ist so ein guter Kerl, auch wenn er immer rum schmollt! Und cholerisch ist~“ "Ich bin nicht cholerisch!!“, schrie der Ninja und seine Stimme wurde weit durch den totenstillen Wald getragen, Blätter knirschten und Tomoyo kicherte leise. Sie hatte das Gespräch belauscht. Das Schloss. Müdigkeit. Er konnte kaum aufrecht gehen. Keine Mauer, kein Zaun, keine Wachen. Doch mit jedem Schritt wollte sich Kurogane am liebsten niederlegen und schlafen. "Wenn du hier lang weiter gehst, wachst du nie wieder auf.“ Tomoyo. „Wir nehmen den Eingang durch die Ruinen“ Taumelnd, schlafwandelnd, folgte, folgte er, wusste nicht wohin, dafür war er auch zu müde. Kurogane folgte einfach nur dem kleinen Mädchen. Kurogane wachte irgendwann wieder auf als ihm etwas kaltes am Gesicht berührte. Verwirrt öffnete er die Augen und sah in Schwarz. „Was...?“ Kleine Hande berührten beruhigend sein Gesicht. „Das ist ganz natürlich, wenn man es nicht gewohnt ist“, erklärte Tomoyos junge Stimme geduldig. „Warum sehe ich nichts...?“ -„Es ist dunkel. Wir sind in den Ruinen“ - „Verdammt, haben wir keine Fackel?“ - „Ich finde den Weg auch so, Kurogne“, beruhigte ihn Tomoyo. Ach ja, sie war ja blind, für sie machte es keinen Unterschied. „Nimm einfach meine Hand.“ Die kleine Hand tastete sein Gesicht hinunter bis zu seiner Hand und umgriff sie. Schwerfällig stand Kurogane auf, er musste verdammt tief geschlafen haben. „Ist das so ne Art Schutzbarriere... dass wir so müde wurden?“ -„Ja, niemand außer Ashura kann die Hauptvilla betreten. Es dienen dort auch nur Maschinen“ - „Wo ist dieser verdammte Magier?“ - „Hier bei mir“, tönte die zweite Mädchenstimme, Yuzuriha, aus der absoluten Dunkelheit. Rascheln, eine andere Hand umgriff Kuroganes zweite Hand, Fyes, sie war feucht und er spürte, wie nervös der Magier war, war er ja auch ungewöhnlich still. So Hand in Hand gingen sie durch die absolute Dunkelheit, Tomoyo voran. Bei Licht musste das schon recht albern aussehen und Kurogane war froh, dass es ein Ebenbild von Tomoyo war, die sie anführte. Seine Prinzessin hatte ein gutes Herz, daher konnte er ihrem Ebenbild auch vertrauen, auch wenn er deswegen nicht gleich leichtsinnig wurde. Der Boden unter ihnen war glatt und strahlte eine gewisse Kühle aus, ihre Schritte schallten weit, sie mussten einen großen Saal durchqueren. Tomoyo hielt sich dicht an der Wand, ab und an stieß der Ninja auch dagegen, obwohl er mit seinen Sinnen die meisten Hindernisse erahnen konnte. Sie durchschritten eine Art Torrahmen und plötzlich konnte Kurogane Wasser riechen. Kühles, klares Wasser, wie aus einer Quelle, doch es musste in einem großen Gefäß, vielleicht einem künstlichen Teich sein, Kurogane konnte ihn genau vor sich spüren. Der fast verflogene Duft von Räucherwerk hing noch in der Luft, doch er war lange verweht, hing nur noch wie eine Erinnerung an den Wänden, begraben unter Staub und der Stille von Jahren. "Was ist das hier?“ - „Die Ruinen. Früher hat man hier Rituale durchgeführt, vor allem zur Wintersonnenwende. Als die Magie sich noch nicht gegen die Menschen dieses Landes gewendet hat.“ Fyes Hand in seiner drückte fester zu und Kurogane bemerkte den beschleunigten Herzschlag, der ihm im Dunkel schon so vertraut war wie sein eigener Atem. Sie hatten den Raum fast durchquert als Fye sich plötzlich von Kuroganes Hand los machte und auch Yuzuriha ein erschrockenes „Nicht!“ rief. Doch der Magier hatte sich langst in Bewegung gesetzt. Kurogane zischte nur ein 'verdammt' und löste sich ebenfalls von Tomoyo, um den Idioten hinterher zu sprinten. Er musste nur seiner Aura folgen, aber dennoch war der Magier zu flink, er benahm sich, als konnte er hier unten sehen! Am Rand des künstlichen Sees blieb die Aura des Magiers stehen und Kurogane wollte nach ihm greifen, doch in dem Moment war er schon gesprungen und ein lautes Platschen durchriss die Dunkelheit. "Verdammt! Fye!“ Kurogane wartet bis der Idiot wieder auftauchte, aber das geschah nicht. Hatte er eigentlich nur Ärger mit diesen Idioten? Mit einem frustrierten Laut zog er seinen Mantel aus und sprang hinterher. Er tauchte tief, bis er den Magier zu fassen bekam. Hart packte er ihm am Handgelenk und stieß dabei mit der Schulter gegen kühles Glas. Was war hier unten nur? Er konnte nichts lebendiges spüren, doch da befand sich irgendetwas vor ihnen. Fye versuchte seine Hand loszureißen, aber der Ninja dachte nicht daran ihn seine Spielchen spielen zu lassen. Doch der Magier boxte ihm so hart in den Margen, dass er beinahe Wasser schluckte und entschlüpfte gleichzeitig seinem Griff, tauchte tiefer. Wie lange konnte der Kerl bloß die Luft anhalten?! Augenblicklich schwamm ihm Kurogane hinterher, die Tiefe drückte auf seine Ohren, doch das Adrenalin hielt ihn wach und ließ ihn nur noch schneller schwimmen. Endlich waren sie unten angekommen, hart prallte seine Hand auf den Boden. Hier lagen überall... Steine? Was war das? Irgendetwas an ihnen fühlte sich komisch an. Der Magier war vor ihm und wühlte hektisch in den Steinen herum, Kurogane konnte es ganz deutlich spüren, eine manische Geschäftigkeit wurde von dem kleineren Mann ausgestrahlt. Endlich schien Fye gefunden zu haben, was er suchte und packte nun seinerseits den Ninja am Handgelenk und zog ihn mit nach oben. Heftig hustend ging Fye fast wieder unter als sie auftauchten, doch mit einem entnervten Keuchen hielt Kurogane ihn fest. Dunkel. Völlig stockfinster war es um sie herum und das Wasser war eiskalt „Was“, Keuchen, „verdammt noch mal“, Keuchen, „ sollte das?!“ Fye klammerte sich an ihn und machte nicht einmal Anstalten zu schwimmen. „Die Steine... die Steine... Kuro-pon, das... dein Schwert... du musste es.... die Steine und... Ashura.. und...“ Erst durch das Zittern der Stimme bemerkte Kurogane, dass der Magier völlig neben sich stand. "Was redest du da?“ "Ich... ich... du... du... ich...“ "Verdammt, Fye!“ Nun sagte der Magier gar nichts mehr. Kurogane packte ihn mit einem Arm und schwamm zum Rand, hievte den völlig bewegungsunfähigen, zitternden Körper auf den Rand und zog sich dann selbst hoch. "Fye? Kurogane?“, fragte Tomoyos Stimme besorgt. „Seid ihr in Ordnung?“ "Verdammt, was war in diesem See?!“, rief Kurogane in ihre Richtung. Er hörte Schritte und im nächsten Moment spürte er, wie sich die beiden Mädchen neben ihnen nieder ließen. „Ihr habt etwas aus dem See geholt?“, fragte Yuzuriha schockiert. „Nicht ich, dieser verdammte Magier!“ -„Er ist ein Magier?“, fragte sie völlig baff. „Echt? Ein richtiger Magier?“ Verdammt, aber jetzt wo er sich verplappert hatte, konnte er auch antworten. „Ja, verdammt.“ Tomyo berührte ihn sanft an der Schulter. „Dann wird es seine Richtigkeit haben. Früher durften hier nur Magier ein und aus gehen und sie haben auch die Steine verwaltet.“ - „Ich versteh gar nichts mehr, verflucht.“ Kurogane hatte langsam genug. „Pscht“, weiche Kinderfinger legten sich auf seine Lippen. „Beruhige dich, das ist nur der Ort, der dich so durcheinander bringt.“ Und die Tatsache dass es dunkel war und es Kurogane verdammt an die Momente in der Kiste erinnerte, wo er die ganze Zeit Angst haben musste, dass der Blonde ihm in den Armen wegstarb. Innerlich sammelte er sich. Auch der Magier war inzwischen ganz ruhig geworden. „Vielleicht sollten wir umkehren...“, sagte Yuzuriha leise, doch Tomoyo war dagegen. „Wir sind fast da. Lass uns weiter gehen. Meinst du das geht, Fye?“ Erst kam keine Antwort und dann ein leises. „Ja, alles okay... hab mich nur was aufgeregt.“ -„Das ist ganz normal.“ Also gingen sie weiter. Als sie die Halle mit dem See verließen merkte Kurogane wie eine heftige, zuvor gar nicht richtig wahr genommene Nervosität von ihm abfiel und auch die anderen wurden merkbar ruhiger. Sogar Tomoyo war angespannt gewesen, bemerkte er im Nachhinein. Nach etwa einer 20 Minuten sahen sie endlich wieder Licht. Sie waren eine lange, staubige Treppe hinauf gegangen und nachdem Kurogane als Stärkster eine Tür aufbrechen musste, standen sie in einem überraschend hellen und freundlichen Gang. Fackel brannten ohne Rauch zu entwickeln, alles war ganz sauber und meist in weiß und blau gehalten. Die Möbel und Verzierungen sahen edel und kostbar aus, unter ihren Füßen befand sich ein weißer Teppich, den die beiden Erwachsenen gerade elanvoll voll tropften. Ein wenig besorgt sah Kurogane auf den kleineren Mann, doch der schenkte ihm nur ein unsicheres, kleines Lächeln. „Schau mal, Kuro-tan. Ich hab was gefunden.“ Und mit diesen Worten drückte er ihm einen Stein in die Hand. Er war so groß wie eine Daumenkuppe und braun, doch mit einem definitiven Rotstich. Ansonsten ein stink normaler Klumpen Gestein. „Dafür bist du in den See gesprungen?“, fragte der Krieger ungläubig. „Jap~“ Kurogane konnte nur den Kopf schütteln, steckte das Ding aber dennoch ein. Warum wunderte er sich überhaupt noch über das Verhalten des Magiers? Yuzuriha sah recht verdutzt drein. „Du bist echt ein Magier, oder? Dass du ausgerechnet seinen unter all den anderen gefunden hast?“, fragte sie Fye ungläubig, doch dieser sah sie nur leicht verwirrt an. „Ich... hab nicht so wirklich gewusst, was ich da eigentlich tue. Ich hab einfach... nur den Drang gehabt ins Wasser zu springen und irgendetwas zu suchen, obwohl ich nicht wusste, was es war...“ Tomoyo nickte wissend. „Wenn du tatsachlich ein Magier bist, hat dich wahrscheinlich die Magie geleitet. Früher war dieser Ort der magische Mittelpunkt des Landes, sozusagen die Quelle der Magie. Sicherlich ist sie auch so viele Jahre später noch sehr stark und ursprünglich. Ich würde sehr gut auf dieses Geschenk aufpassen, Kurogane. In diesem Land töten Menschen für 'Essenz' und sein eigenes zu besitzen verleiht dir viel Schutz.“ Essenz? Das hatte er doch schon im Hain gehört... „Was ist das, Essenz?“ "Das ist ein Teil deiner Seele. Der Ort, in dem alles gespeichert wird, wenn du stirbst. Deine Erinnerungen, deine Emotionen, deine Wünsche. Auch wenn du wieder geboren wirst oder deine Seele in den großen Strom übergeht, etwas von 'Kurogane' wird darin bleiben, auf ewig.“ Er befühlte den Stein in seiner Tasche, er fühlte sich... seltsam an, aber gleichzeitig wie irgend so nen Kiesel. Aber er war doch gar nicht aus dieser Welt, das gehörte seinem Ebenbild! "Wenn du ihn bei dir trägst“, erklärte die Kleine weiter, „bist vor allen bösen Zaubern geschützt. Das ist sehr wichtig in einer Welt, in der die Magie so schädlich ist wie in Niaoulli.“ "Wir sollten weitergehen...“, unterbrach sie Fye ruhig, sich anscheinend sehr wohl bewusst, wie intensiv die roten Augen auf ihm lagen. „Hast du das gewusst?“, kam auch schon gleich die Frage. "Nein...“ Kurogane entwich ein schweres Seufzen, aber sie sollten sich auf anderes konzentrieren. Die Augen schließend versuchte er die Aura der Kinder zu erfühlen. Doch wenn sie hier waren, dann verbarg irgendetwas ihre Aura. Dann mussten sie eben suchen. _______________________________ Dieses Schloss war groß, hatte Hunderte von Räumen, endlos viele Treppen und war anscheinend völlig menschenleer. Sie mussten leise sein, bei jeder Biegung um die Ecke spähen, sichergehen dass ihnen niemand entgegen kam. Doch es kam niemand. Irgendwann blieb Tomoyo stehen und Yuzuriha beugte sich besorgt zu ihr runter. "Tomoyo, alles in Ordnung?“ "Könnten wir bitte eine kleine Pause machen?“, bat sie. Kurogane brummte zustimmend und sie betraten den nächstbesten Raum. Er war abgedunkelt. Während Tomoyo sich auf den einzigen Einrichtungsgegenstand, ein lang gezogenes, dunkelrotes Sofa setzte, schritt das andere Mädchen zum Fenster und öffnete die Vorhänge und danach das Fenster. Sofort floss belebende, erfrischende Nachtluft in den Raum. „Ziemlich stickig hier...“, bemerke der Magier und sah sich in dem seltsamen Raum um. Sie rasteten eine viertel Stunde, dann schlug Tomoyo vor, dass sie weiter gehen sollten. Kurogane nahm sie dennoch hoch, denn sie schien ziemlich müde und ausgelaugt zu sein. Seine eigenen Kräfte stellten sich auch erst langsam wieder her. Mit einer Hand das Mädchen auf seinem Rucken haltend, die andere um sein Schwert gelegt, liefen sie weiter durch die Gänge, lauschten an jeder Tür, ob sie die Kinder oder das nervige Manjuu hörten. Nichts, aber auch gar niemand war hier. "Das kann doch nicht sein... lebt hier überhaupt jemand?“ Doch im nächsten Raum wurden sie fündig. Es war ein Schlafzimmer mit zwei Betten, die zwar frisch gemacht, aber im Gegensatz zu den anderen Betten, die sie hier gesehen hatten, schienen sie noch vor kurzem benutzt worden zu sein. Doch ein wirklicher Anhaltspunkt war die kleine Sonnenuhr, die mit anderen Utensilien auf einem Glastisch lagen, gleich neben ein paar dicken Büchern und ein paar Notizen. Kurogane war sich nicht sicher, ob das wirklich die Handschrift des Bengels war, aber die Sonnenuhr gehörte ihm auf jeden Fall. Er schleppte das Ding stets mit sich rum und sie war ihm wohl sehr wertvoll. „Sie waren hier... doch wo verdammt sind sie jetzt?“ "Wir könnten warten...“ "Das geht nicht... sonst werden wir noch bemerkt...“, wand Yuzuriha ein. "Wir sollten zurück bevor es hell wird...“, stimmte Tomoyo zu. "Dann geht“, forderte Kurogane. „Wir bleiben hier und suchen weiter.“ "Aber findet ihr denn allein den Weg zurück durch die Dunkelheit?“, fragte Yuzuriha besorgt, doch der Krieger winkte nur ab. „Das wird nicht nötig sein. Wenn wir die Kinder und diesen verdammten Knödel erst einmal gefunden haben, brauchen wir nicht zuück.“ Dann konnten sie hoffentlich schnell die Welt wechseln, vielleicht hatten die Kinder die Feder auch schon? Das ältere der beiden Mädchen schien nicht so recht überzeugt, aber Tomoyo nickte nur zustimmend. „Gut, dann werden wir zurück gehen.“ "Ah, gut. Aber wir bringen euch, für euch allein ist das zu gefährlich.“ Tomoyo lächelte leicht und drückte Kuroganes Hand. „Das ist wirklich lieb.“ "Na~“, Fyes Lächeln schwang in seiner Stimme mit und Kurogane konnte regelrecht spüren wie sehr er das Ebenbild seiner Prinzessin mochte. Er hatte schon immer den Verdacht gehabt, dass die beiden sich blendend verstehen würden. „Das ist doch selbstverständlich zwei Damen zu begleiten, vor allem wenn sie uns so selbstlos geholfen haben!“ "Seid ihr endlich fertig?“ "Kommen, Kuro-wuff!“ Bevor der Krieger aus dem Raum gehen konnte, hielt in Tomoyo noch einmal auf. "Passt bitte gut auf euch auf...“ "Mach dir keine Gedanken.“ "Ich hoffe, dass ihr alle eure Reisekameraden findet.“ Eilig machten sie sich auf die endlosen Gange zurück zum Geheimgang zu schleichen, doch sie hatten Glück und niemand begegnete ihnen auf ihren Weg. Ende Kapitel 25~~~ 26. Kapitel - (Rope of sand) ---------------------------- Anmerkung: Hallo! Auch wenn ich mich anhöre wie eine Wiederholungsschleife: Es tut mir Leid >.< und es geht auf jeden Fall weiter! Hatte nur eine üble Schreibkrise... Kapitel 27 und 28 sind schon fertig und folgen im Laufe des WE bzw spätestens danach! Ich hoffe es wird nicht zu verwirrend, da sich langsam einiges aufdeckt. Viel Spaß! ____________________________________ „When everything is a rope of sand We should be learning to let it go" - Jamie Lidell An jenem Ort gab es so etwas 'Schnee' nicht. Schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Und dennoch begleitete das Rauschen des Schnees jeden hier wie sein eigener Schatten. Nur wenn man die Augen schloss konnte man ihn nicht sehen, doch dann war alles dunkel, alles voll von einem einzigen Schatten. Weiß/Schwarz. Nur wenn man sich die Ohren zu hielt, konnte man das Rauschen des Schnees nicht hören, doch dann rauschte alles, das eigene Blut in den Ohren, der Atem klingt direkt hinter der Stirn wieder. Draußen/Drinnen. Schnee war kalt, Schnee war fern, Schnee war das einzige aus seiner Vergangenheit, von dem er noch genau wusste, wie es sich anfühlte, wie es schmeckte, welche Gefühle von Melancholie, Einsamkeit und Weite es besaß. Das Rauschen des Schnees hatte er in seinem weißen Gefängnis über all die Jahre nicht hören können, nur das Rauschen seines Atems und das Pochen seines Herzens, über Lautsprecher übertragen. Hätte er jetzt Sehnsucht nach all diesen Geräuschen, müsste er nur die Hände auf die Ohren legen, sein Gesicht in das weiche, weiße Kissen pressen und lauschen, lauschen, lauschen. Zu dem Ort flüchten, an dem er gefangen, aber sicher war. Doch nach stundenlangem Herumliegen, erschöpft, schwindelig – es war so ungewohnt zu liegen, es war so fremd, nicht die dickflüssige, warme Substanz um sich herum zu spüren, nicht zu schweben - , taten dem blonden Mann in dem großen, weißen Himmelbett nicht nur die Hände weh, sondern hatten seine Sinne auch das schon längst entbehrte Rauschen der Schneestürme, jenseits der Grenzen von Omehlas, bemerkt. Fasziniert lauschte Fye, hielt seinen Atem flach, um jedes einzige Geräusch des Sturmes zu vernehmen. Rauschen. Es schwoll an, ebbte ab, manchmal war es kaum zu vernehmen, manchmal so klar und stetig, dass er es schon gar nicht mehr hörte, weil es sich in seinen nun so leisen Rhythmus aus Atemzügen und Herzschlagen vollkommen eingefügt hatte. Das Knarzen der Holzmöbel, ferne Schritte von angeblichen Maschinen, das Summen der Apparate, das er wie wenige andere aus allen anderen Geräusche heraushörte, egal wie gut sie getarnt waren. All das war um ihn herum, all das umgab ihn, genau so grell und fremd und verunsichernd wie die Farben. Alte Erinnerungen, die auf einmal wieder real waren, keine Träume mehr, keine unklaren Umrisse, er war an einem Ort und konnte zu keinem anderen. Es gab wieder die Zeit, die nicht aus seinen Herzschlägen und Ashuras Besuchen zusammen gesetzt war, sondern aus Ungewissheit, aus verwirrenden Ungewissheiten, die sein Herz schneller schlagen ließen und die Zeit damit nur noch mehr aus ihren Fugen hob. Angespannt und mit leichten Kopfschmerzen ließ Fye seinen angehaltenen Atem austreten, schloss die Augen vor dem halbdunklen Licht der Sonne. Irgendjemand hatte ihn hier her getragen und die Vorhänge geöffnet. Als er das erste Mal erwacht war schien der Vollmond, nun glimmte das erste Licht der Morgensonne herein. Ob man den Mond immer noch sehen konnte? Er richtete sich auf, tastete mit seinen Füßen nach dem unsagbar rauen Teppich, der sich anfühlte wie Schniegelpapier auf empfindlicher, nackter Haut und ging zum Fenster. All seine Bewegungen waren unsagbar langsam und verloren nur allmählich an Ungeschicktheit. Der Gefangene seufzte als er am Fenster ankam und in den farbigen Himmel schaute. Ihm wurde für einen Moment schwindelig und er hasste dieses Blau beinahe. Die Wolken überwältigten ihn mit ihren Formen, seine Sinne kamen kaum hinterher, zu lange hatten sie nur Weiß gesehen, nur Herzschläge gehört und nur mit Ashura geredet und nur geträumt und nur erinnert und nun ließen ihn all diese aufgegebenen Farben neidisch werden. Neidisch auf ihre Freiheit und Schönheit, auf die Formen der Wolken, auf ihre bloße Existenz, die nur für sich selbst existierten, sonst für niemanden. Als seine Augen nicht mehr so geblendet waren suchte der blonde Mann den Mond am Morgenhimmel. Und er fand ihn, weiß und beinahe verblasst hing er links vom Fenster zwischen ein paar Wolken. Fye lächelte. Er liebte den Mond. „Heute Abend ist Vollmond“, unterbrach eine tiefere, doch weiche Stimme das Schneesturmrauschen. Langsam drehte er sich um. Ihm war bewusst, dass er hier nicht mehr sicher war, nicht mehr hinter Glas. Doch Ashura berührte ihn nicht, kam zwar auf ihn zu, doch ging genügend Abstand an ihm vorbei zum Fenster, sah seinerseits zum Mond hinauf, während Fye ihm beobachtend ins Gesicht blickte. „Du fühlt dich jetzt sicher noch etwas schwach, aber du wirst dich Stück für Stück daran gewöhnen. Je mehr der Mond abnimmt, desto schwächer wirst du werden, wenn er voller wird, gewinnst du auch an Kraft. Nur zu Neumond und die Tage davor und danach musst du wieder zurück.“ „Zurück... in mein Gefängnis?“ „So nennst du das? Ich nenne das Krankenzimmer.“ „Es ist kein Krankenzimmer. Es ist ein Gefängnis, das mich zufällig am Leben erhält.“ Ashura schwieg, nur ein schweres Seufzen verließ beinahe lautlos seine Lunge, doch Fye hörte es so oder so. „Ich möchte Kleider, mir ist kalt.“ „Aber sicher wirst du welche tragen.“ Ashura riss sich vom Anblick des Mondes los und lächelte den kleineren Mann sanft an, dann ging er an ihm vorbei und öffnete einen hölzernen, fein verzierten Kleiderschrank, auf den der Schreiner wohl sehr viel Mühe verwendet hatte. Heraus befördert wurden zwei weiße Kleidungsstücke, Handschuhe und Pantoffeln. Nun doch ein wenig neugierig, nicht desto trotz kritisch, kam Fye näher. Die weiße Farbe war angenehm schlicht, obwohl die Kleidung blassblaue, dezente Verzierungen am Kragen und den Ärmel aufwies, und undurchsichtig, selbst wenn es nass werden würde, was ihn beruhigte. Er griff nach der Hose und fuhr zurück als Ashura plötzlich von ihm wich. Doch augenblicklich erschien das ruhige Lächeln wieder auf dem von schwarzen Haar umrahmten, schönen Gesicht und Fye sah auf die Hose, blickte wieder zum Bett und entdeckte sogar Unterwäsche. Ashura beobachtete ihn während er sich anzog, doch diese Vertrautheit war noch zwischen ihnen, so dass keinem einfiel aus dem Raum zu gehen oder sich zu verbergen. „Möchtest du mehr sehen? Nicht nur dieses Zimmer?“ „Ich kenne diesen Ort.“ „Er hat sich über die Jahre sehr verändert. Vor allem die Küche.“ Fügte der größere Mann mit einem leichten Schmunzeln hinzu und erreichte damit, was er bezweckt hatte. Der Gefangene zeigte tatsächlich ein wenig Interesse, indem er von seinen Kleidern zu ihm aufsah. „Nun denn, komm mit.“ Sie verließen den Raum und gingen einen langen Gang mit weichen, weißen Teppich entlang, Fackeln hingen verloschen in ihren Halterungen, die elektrischen Lampen waren eingeschaltet worden und aus den vielen offen stehenden Türen drang Morgenlicht. Fye ging langsam, einmal weil sein Körper das Laufen nicht gewohnt war, zum anderen, weil er erst recht nicht mehr gewohnt war dies in Schuhen zu tun. Es kam ihm immer noch fremd und seltsam vor, doch gleichzeitig auch wie die Erinnerung an einen Traum, sicher und fern von dem was Wirklichkeit war. Und in diesem Traum konnte er auch ein wenig schneller gehen und Ashura vorsichtig am Ärmel packen. Der größere Mann blieb völlig verdutzt stehen und sah den Gefangenen an, doch dieser setzte nur ein leichtes Lächeln auf. Und obwohl er es wusste, obwohl Ashura wusste, dass dieses Lächeln nur Maskerade war, schlug sein Herz schneller und er sehnte sich nach dem Gefühl von Seide auf seiner Haut und der Tiefe des Schlafes, in der alles geschehen konnte, was möglich und unmöglich war. „Du darfst niemanden berühren und niemand darf dich anfassen. Der Schutz um dich bewahrt dich vor der Außenwelt, vor der Berührung mit anorganischen Dingen, doch Tiere und Menschen sind tabu, du würdest sofort zusammen brechen.“ „Deswegen die Handschuhe?“ „Ja, die häufigste Berührungsstelle zwischen zwei Menschen sind die Hände.“ Fye schwieg eine Weile. „Warum tust du das, Ashura?“ „Weil es nun möglich ist.“ ~~~~~~~~~~~~~~~ „Ich sehe gar keine Bediensteten, sollten wir Ashura-san nicht Bescheid sagen, dass wir zurück sind?“, wand die Prinzessin ein und Shaolan konnte ihr nur zustimmen. Sie waren zwar hier aufgenommen worden, dennoch war es alles andere als höflich in den Häusern anderer Leute unangemeldet herum zu laufen. Ein Gang nach dem anderen erstreckte sich schon gut eine Stunde vor ihnen und alle sahen irgendwie gleich aus. Shaolan seufze leise, er musste zugeben, er hatte völlig die Orientierung verloren. Was für eine Schande... sein frisch ernannter Lehrmeister würde ihn sicher verachten, wenn er wüsste, dass er sich ausgerechnet in einem Haus verlaufen hatte, in dem er sich schon knapp einen Monat befand. Wieder ein neuer, völlig unbekannter Gang. In diesem Abschnitt der Villa war es völlig ruhig, keine Bediensteten, kaum Geräusche. Ob der Bereich wohl völlig leer war? Bis auf die Bediensteten und Ashura-san schien in der Villa auch niemand zu wohnen. Doch wenn Ashura-san bei ihnen war, konnten sie nicht nach der Feder suchen, eigentlich hätten sie den Ostflügel, in dem ihr Zimmer sich befand, gar nicht verlassen dürften. „Haben wir uns verlaufen, Shaolan-kun?“ „Ich fürchte ja,“, gab der Junge schamvoll errötend zu. Doch Sakura lächelte nur und griff nach seiner Hand. „Keine Sorge, wir finden sicher zurück. So groß kann dieses Haus ja nicht sein und irgendwann treffen wir schon auf jemanden.“ Sowieso schon verlegen nickte er und sah zu dem weißen Wesen, das auf seiner Schulter saß. „Mokona, kannst du dich vielleicht an den Rückweg erinnern?“ „Mokona weiß nicht wo wir sind.... hier sieht alles gleich aus...“, jammerte das Wesen niedergeschlagen darüber seinen Freunden nicht helfen zu können. Doch dann stellten sich seine Ohren urplötzlich nervös auf und die großen Augen wurden noch größere und glubschiger.“Meikyo! Eine Feder! Ich spüre sie ganz deutlich! Eine Feder! Dort!“ Aufgeregt liefen die Kinder zu der Tür, auf die das weiße Wesen gedeutet hatte. Sie unterschied sich äußerlich kaum von den zig anderen dunkelhölzernen Türen, an denen sie vorbei gekommen waren. Doch dahinter befand sich nicht etwa ein weiteres Zimmer, sondern eine in Schatten liegende Treppe, die tief nach unten führte. „Sakura-hime, bleib besser hier oben.“ Diese wollte zunächst protestieren, sah aber dann ein, dass sie Shaolan im Ernstfall nur im Weg stehen würde. Manchmal betrübte sie wirklich, so wenig für ihre Freunde tun zu können, die sich doch so für sie aufopferten. Shaolan brachte mit all seiner Kraft ihre verlorenen Erinnerungen zurück, Fye kümmerte sich so lieb um sie und selbst Kurogane-san, der eigentlich gar nicht auf diese Reise gehen wollte, half mit in den neuen Welten Geld zu verdienen, beschützte sie und war nun auch noch Shaolans Lehrmeister. Dabei wäre der Magier in Ôto beinahe gestorben, wenn es nicht nur eine Illusionswelt gewesen wäre... Trotz dieser trüben Gedanken zauberte sie ein Lächeln auf ihre Lippen, nickte zustimmend und beobachtete wie Shaolan mit Mokona auf der Schulter die Treppe hinunter lief, im Dunkeln immer undeutlicher wurde und letztendlich von den Schatten verschluckt wurde. Sakuras Herz wurde ganz schwer. „Shaolan-kun!“, rief sie als er nicht mehr zu sehen war und in ihrer Brust klopfte es ganz schwer und schnell, voller Angst, dass der Junge jetzt vollkommen verschwunden war und nie wieder aus dieser Dunkelheit auftauchte. Doch wenige Sekunden später sah sie Shaolan atemlos die Treppe rauf sprinten. „Sakura-hime! Was ist passiert?!“ So schnell er konnte war Shaolan zurück gesprintet und sah sich nun kampfbereit und entschlossen nach möglichen Gefahren um. Doch das einzige, das sich im Gang befand war seine heftige errötenden Prinzessin. „E-entschuldigung... ich wollte nur sagen... pass bitte auf dich auf... ich glaube, es ist dort unten gefährlich...“ „Keine Sorge, Prinzessin. Ich werde auf mich acht geben!“ „Mokona passt auch auf!“ Ein erleichtertes Lächeln spielte über Sakuras Lippen und sie streichelte dem weißen Tier über den Kopf. „Vielen Dank ihr beiden... vielen Dank, dass ihr mir helft meine Federn zurück zu gewinnen.“ Als Shaolan mit Mokona ein weiteres Mal in den Treppenschatten verschwand, stand das Mädchen ein wenig verloren in dem hellen Gang herum. Neben ihr befand sich ein wertvoll aussehender Spiegel und eine hölzerne Kommode mit Holzkäfig darauf, in dem sich ein hübscher ausgestopfter Stoffvogel befand. Sie beugte sich mehr zum Käfig, um den Vogel besser sehen zu können. Der Vogel war grau-weiß mit einem dunkelgrünen Streifen auf dem Rücken und einen roten Fleck am Hals. Die Federn sahen ganz weich aus und wirkten völlig echt. Nur da sich der Vogel überhaupt nicht bewegte ließ überhaupt darauf schließen, dass er nicht lebendig sein könnte. Selbst die schwarzen Augen der Vogelattrappe wirkten so tief und klar, dass Sakura fast meinte, sie würden sie anschauen. Warum stand so etwas hübsches in so einem einsamen Gang herum? Es würde viel besser in ein schönes Zimmer voller Sonnenlicht passen, in dem es dem Hausherren Freude machen konnte. Plötzlich griff ein Arm an ihr vorbei, öffnete den Käfig und nahm den ausgestopften Vogel vorsichtig in die Hand. Völlig erschrocken zuckte das Mädchen zusammen, sie hatte überhaupt niemanden gehört! Doch als sie aufsah, bekam sie einen zweiten Schreck. Die Person, die dort stand, kam ihr unsagbar bekannt vor. „Fye-san!“ Der blauäugige Mann lächelte sanft, aber etwas verwundert zu ihr herunter. „Hallo Kleine.“ Völlig aufgeregt strahlte Sakura ihren Freund an. „Shaolan, Moko-chan und ich haben so nach dir und Kurogane-san gesucht! Ist er auch hier? Huch! Was ist mit deinem Auge passiert?“ „Ach, das war nur ein kleiner Unfall! Mach dir keine Gedanken, es ist auch schon sehr lange her.“ „Aber... letztens als wir uns sahen, war das doch noch nicht...“, sagte das Mädchen verwirrt und der blonde Mann lächelte nur. „Du bist also das süße Mädchen, von dem Ashura sprach. Ich freue mich sehr dich kennen zu lernen.“ Endlich fiel bei Sakura der Groschen. Das war gar nicht der Fye, der mit ihnen reiste, sondern seine Ebenbild aus dieser Welt! Sie sahen sich aber auch wirklich ähnlich! Ohne die weiße Augenklappe hätte sie die beiden sicherlich nicht einmal unterscheiden können, wenn sie nebeneinander ständen! „Entschuldigung, ich muss Sie wohl verwechselt haben!“, versuchte Sakura errötend ihren Fehler wieder gut zu machen. Außerdem musste sie von der leicht offen stehenden Tür ablenken. Sie wusste nicht wer dieser Fye in dieser Welt war, aber sicherlich war es nicht erlaubt dort unten runter zu gehen... vor allem da sich ja dort eine Feder befand und diese waren in jeder Welt sehr gut verborgen und begehrt. In dem Moment allerdings fiel der Blick des Erwachsenen auf eben diese Tür. „Ist dein Freund dort unten?“ „Ne-nein!“, rief die Prinzessin etwas zu heftig und scholt sich schon innerlich. Was, wenn Shaolan jetzt Ärger bekam? Das war dann alles ihre Schuld! Doch dieser Fye schien sich nicht weiter groß darum zu kümmern, sondern streichelte den Vogel in seiner Hand. Er trug Handschuhe. „Ah so~ Hast du schon einmal einen Vogel in den Händen gehabt?“, fragte er ein wenig gedankenversunken. „Nein... dort wo ich herkomme gibt es nicht so viele Vögel und wenn sind sie sehr scheu... und die Babyvögel darf man nicht anfassen, weil sie sonst nicht zurück ins Nest können.“ „Dann öffne mal deine Hand!“ Verwundert folgte die Prinzessin der Anweisung, obwohl das doch ein Stoffvogel war, doch sie wollte erst einmal abwarten. Steif und mit unsagbar weichen Federn lag der Vogelkörper in ihrer Hand. „Die Federn sind wirklich wunderbar weich...“ „Das ist ein Vogel der früher einmal in diesem Land gelebt hat“, erklärte das Ebenbild des Magiers ihr. Sie hatte hier noch nicht viele Tiere gesehen. „Hier gibt es nicht mehr viele Tiere, oder?“ „Doch, sicher. Schau doch in deine Hand!“, erwiderte der blonde Mann breit lächelnd und tatsächlich, auf einmal wurde die Vogelattrappe in ihrer Hand ganz warm, pulsierte und dann bewegte sich zerbrechlich und klein etwas zwischen ihren Fingern. Ein überraschtes Keuchen von sich gebend öffnete die Prinzessin ihre Hand etwas und ein kleiner Vogel sah sie aus klaren, pechschwarzen Augen an, hielt den Kopf schief und plusterte sich. Der Vogel war lebendig geworden! „Er ist noch ganz klein, versprich mir auf ihn aufzupassen.“ Noch völlig baff über dieses kleine Wunder, sah Sakura zu Fyes Ebenbild auf und lächelte. „Sehr gerne! Das ist wirklich eine wunderbare Gabe, die Sie haben!“ Das Lachen klang weich und warm, genau so wie das des Fyes, den sie kannte. Nur etwas belegter, aber genau so leicht aufgedreht und nun legte sich auch sein typisches, breites Lächeln auf sein ganzes Gesicht. Mit halb niedergeschlagenen Lidern beugte er sich zu ihr herunter und strich dem kleinen Vogel ganz sachte mit einem behandschuhten Zeigefinger über den Kopf. „Du brauchst nicht so höflich sein, Sakura-chan. Wir kennen uns zwar nicht, aber ich merke, du bist ein liebes Mädchen und ich bin niemand dem du viel Respekt entgegen bringen müsstest.“ „Aber man muss doch jedem Respekt entgegen bringen!“, entgegnete Sakura. „Nun denn, dann keinen unnötigen Respekt.“ „In Ordnung, Fye-san.“ Ohne sich darum zu kümmern woher sie seinen Namen kannte, nickte der fremde Mann mit dem vertrauten Gesicht und beobachtete das Mädchen, wie sie den kleinen Vogel etwas in die Höhe hob. „Ich nenne dich Kotori! 'Kleiner Vogel'. Das passt gut zum großen und dem kleinen Hündchen, und dem großen und dem kleinen Kätzchen!“ Fye lachte wieder und stützte sich etwas an der Kommode ab, als wäre ihm schwindelig. „Das hört sich ja nach einem Zirkus an!“ Sakura lachte fröhlich. Sie spürte, dass dieser Mann nicht böse war. Sie fühlte sich in seiner Nähe ähnlich wohl, wie in der von Fye-san. Was wohl daran lag, dass sie das selbe Herz besaßen und dass dort unten jemand war, wusste er eh und er hatte nichts getan. „Das sagt Kurogane-san auch immer! Das wir ein Zirkus seien! Oder dass wir nicht so einen Zirkus machen sollen...? Ich weiß es nicht...“, überlegte sie und fügte dann entschuldigend hinzu. „Ich vergesse immer so viel.“ „Ich kenne das. Kurogane-san? Ist das nicht der, den ihr sucht?“ „Genau! Woher weißt du davon?“ „Ich weiß es von Ashura.“ „Ah so, also bist du ein Freund von ihm? Er ist wirklich sehr nett, er hat uns hier wohnen lassen und hilft uns unsere Reisekameraden zu finden!“ „Das habe ich schon von Ashura gehört~“ „Wohnst du auch hier?“ „Hm... ich bin eher ein... sagen wir mal, ich gehöre zum Inventar dieser Räumlichkeiten. Ich verlasse dieses Gebäude so gut wie nie~.“ Mitfühlend sah Sakura den blonden Mann an. Das unverdeckte blaue Auge lag sanft und klar auf ihr, war aber von der selben, tiefen Traurigkeit erfüllt, die auch ihr Reisekamerad ausstrahlte. „Warum denn? Bist du krank?“ Der Vogel in ihrer Hand zwitscherte aufgeregt und flatterte ein wenig mit den Flügel, doch sie hielt ihn vorsichtig fest, damit er nicht zu Boden fiel. „Ja.“, antwortete der blonde Mann, das breite Lächeln unverändert auf seinen Lippen und mit einem dramatischen, tiefen Seufzen erklärte er es ihr. „Mein Immunsystem ist zu schwach. Verließe ich dieses Gebäude würde ich sterben und wenn ich ohne Handschuhe etwas Lebendiges berühre, werde ich sehr krank. SCID X [1] nennt man diese Krankheit. Aber keine Sorge, sie ist nicht ansteckend und Ashura kümmert sich gut um mich. Dank ihm kann ich mich hier sogar frei bewegen.“ Völlig geschockt sah ihn das Mädchen an. Das musste ja schrecklich sein! „Aber... dann... dann kann dich ja niemand in den Arm nehmen! Dich kannst gar nicht draußen spazieren gehen, oder... kannst gar nicht fühlen wie ein anderer Mensch sich anfühlt!“ Ihre Sicht war ganz verschwommen, obwohl sie nicht weinen wollte. Wie würde sich dieser Fye denn fühlen, wenn sie jetzt um ihn weinte? Er war sicher schon so traurig genug darüber. Der Blonde, der mit so einer heftigen Reaktion scheinbar nicht gerechnet hatte, strich ihr mit behandschuhten Fingern sanft über die Wange. „Pscht meine Kleine... nicht weinen... ich wollte dich nicht traurig machen... und es ist auch gar nicht schlimm. Ein Blinder weint ja auch nicht um die Farben. Noch dazu leistet Ashura mir doch Gesellschaft und ich bin nicht allein! Ich wollte dich wirklich nicht traurig machen... manchmal weiß ich wirklich nicht was ich sage...“ Sakura versuchte sich zusammen zu reißen, aber immer mehr Tränen kamen. Doch Träne für Träne wurde sanft Fye weggewischt, der seidene Stoff der Handschuhe fühlte sich angenehm kühl an. Nach dem, was ihr selbst wie eine kleine Ewigkeit schien, konnte sich die Wüstenprinzessin des Königreiches CLOW endlich beruhigen und sah beschämt auf die kleine, wild zwitschernde Kotori. „Wollen wir uns in das Zimmer dort setzten und eine Tasse Tee trinken, Sakura-chan?“, schlug der blonde Mann nach einer Weile vor, „Das beruhigt dich sicher.“ So sanft, so sanft und traurig, dass sie beinahe wieder angefangen hätte zu weinen. So viel erinnerte sie an ihm an den Fye, den sie kannte, die Art zu gehen, sich zu bewegen, zu sprechen und der sanfte Blick, der sowohl besorgt, amüsiert, beschützend und unsagbar traurig wirkte. Sie machte sich solche Sorgen um die Erwachsenen... hoffentlich war ihnen nichts passiert, hoffentlich ging es ihnen gut! Ashura hatte ihnen erzählt, dass es in dieser Welt Rebellen geben sollte, die im Untergrund lebten und oftmals Leute entführten... Die Tür knarrte leise als Fye sie öffnete, aber dahinter war ein schöner, sauberer Raum. Doch sie musste doch auf Shaolan warten, was wenn er zurück kam und sie war nicht mehr da? Zögernd stand Sakura mit Kotori in der Hand zwischen Kommode und der Tür, in deren Rahmen der blonde Mann stand, lächelte und mit einer einlandenden Handbewegung nach innen deutete. „Wir lassen einfach die Tür offen, dann merkst du, wenn dein Freund wieder nach oben kommt. Es dauert sicher noch etwas länger und die ganze Zeit hier rumstehen ist doch anstrengend, oder?“ Langsam nickte Sakura und sah noch einmal zur Tür, hinter der ihr Freund und Beschützer verschwunden war. „In Ordnung...“ ~~~~~~~~~~~ Es war völlig dunkel hier unten und es schien immer dunkler zu werden, je weiter er die Treppe hinunter stieg. Es war nicht nur so, dass kein Licht vorhanden wäre, nein die Dunkelheit hier schien wie Wasser. Je tiefer man tauchte, um so mehr drückte sie auf die Ohren, auf die Brust, je mehr wurde aus dem nachgiebigen Element etwas hartes und tödliches wie Stein. Shaolan atmete tief durch und versuchte sich zu konzentrieren. Er konnte die Wände erspüren, die Treppe, er roch Wasser und kühle, sehr, sehr alter Luft. „Mokona, spürst du die Feder immer noch?“ „Ja. Sie ist ganz in der Nähe!“ Selbst der aufgedrehte Ton des weißen Wesen wirkt etwas gepresst. Sie kamen am Ende der Treppe an. Als Shaolans Stiefel den Grund berührten, klang das Geräusch anders als auf den Steintreppen. Immer noch mit geschlossenen Augen ging er in die Hocke, fühlte über den glatten, kühlen Stein. „Das fühlt sich an wie Marmor...“, flüsterte der Junge leise und zuckte zusammen als seine Stimme dennoch weitergetragen, verstärkt und dann plötzlich verschluckt wurde. Sie mussten sich in einer wirklich großen Halle befinden. So groß, dass er nicht einmal das Ende der Wände spüren konnte. Er hatte aber auch Probleme sich zu konzentrieren, die Dunkelheit drückte auf seine Schläfen und er wollte nichts lieber tun als wieder die Treppe herauf zu rennen, so schnell wie möglich. Dieser Dunkelheit entfliehen, diesen Druck entfliehen, der schwer wie bleib auf seiner Brust lag und sein Herz schneller schlagen ließ. „Dieser Ort ist so.... seltsam...“, murmelte Mokona ängstlich. „Dann sollten wir uns beeilen“, erwiderte Shaolan und zog Hien, ihr Licht würde die Dunkelheit vertreiben. Die Flammen zischten und auf seiner Schulter gab Mokona ein unwillkürliches. „Oooooh!“ von sich. Das Feuer flackerte um die Klinge, riss tänzelnde Helligkeit ins Dunkle und offenbarte eine riesige Halle, die funkelte wie aus Perlmutt, einer einzigen großen Muschel, gemacht. Gold und Silber, Edelstein und Kristall, Spiegel und Symbole zierten die Wände, der Boden war aus gleißend weißen Marmor. Die Schriftzeichen kamen dem jungen Archäologen bekannt vor, aber er konnte sich wirklich nicht erklären, wo er diese Schrift schon einmal gesehen hatte. Über ihnen bog sich eine durchsichtige Kuppel, durchbrochen mit unzähligen Facetten, die den Raum in tausendfacher Weise spiegelten und Shaolan fallen ließen, fallen in dieses verspielte, magische Puzzle aus Licht und Schatten und Farben. Mit größter Anstrengung riss er sich von dem Anblick los, nur um von etwas neuen gefangen genommen zu werden. An der Wand standen viele mysteriöse Geräte oder Zeremoniengegenstände! Nun konnte er sich wirklich nicht mehr zusammen reißen, sah sich noch einmal nach möglichen Gefahren oder Fallen um und schritt zu darauf zu. Nicht nur Geräte, Waagen und wunderschön geformte Schalen und Steine, Krüge mit abgestandenen, silbern glitzernden Wasser, auch reichlich verzierte Glasbehälter mit farbigen Flüssigkeiten, vertrockneten Kräutern und Farbkrügen. Alles in diesem gebrochenen Glas, das sich dennoch ganz glatt unter seinen Fingern anfühlte, die Sinne betörte und dem Jungen ein seltsam leichtes Gefühl gab, wenn er nur darauf sah. Zaghaft strich er über ein langes, dunkelblaues Stoffband mit schwarzen Anhängern. Es fühlte sich unsagbar weich an, obwohl es keine Seide war. „Was ist das hier... ? Es wirkt, als wäre es hier willkürlich hingestellt worden... alles scheint völlig durcheinander...“ „So eine Flasche hat Yuuko auch in ihrem Laden...“, stellte Mokona fest und hoppelte auf eines der Fläschchen zu und öffnete den Verschluss. „Nicht!“, rief Shaolan, doch es war schon zu spät. Roter Dampf stieg daraus auf und schwebte direkt zur Decke. Mokona sah staunend hinauf, Shaolan eher besorgt. Wer wusste, wem das hier gehörte oder was es ausrichten konnte... „Oh! Ein Kuchen!“, rief das weiße Wesen plötzlich und deutete auf die roten Dampf, der sich zu einer Wolke geformt hatte. Verwirrt versuchte Shaolan zu erkennen, wo da ein Kuchen sein sollte, doch er sah nur roten Dampf. „Wo..?“ - „Na da!“ - „Ich sehe nichts...“ - „Aber da! Oh! Jetzt sieht es aus wie Yuuko! Schau doch! Sogar mit Pfeife!“ Shaolan sah noch angestrengter hin. Souhis flackerndes Feuer wurde unregelmäßig von der facettenreichen Kuppel gebrochen und machte es nur noch um so schwerer klar zu sehen. Aber sie hatten keine Zeit für so etwas! Er musste die Feder finden und sie Sakura zurück bringen! Dieser Gedanken war noch nicht einmal völlig zu Ende gedacht, da erschien auf einmal Sakuras Gesicht über ihm, und zwar so echt, dass er schon ansetzte hinzulaufen, um sie aufzufangen, falls sie von der Wolke fallen würde. Dann verschwand es wieder und der Junge blieb stehen. Der Dampf verflüchtigte sich und nichts war mehr zu sehen. „Shaolan, Vorsicht!“, rief Mokona und Shaolan sah endlich wieder vor sich. Ein weiterer Schritt und er wäre in ein großes Wasserbecken gefallen. Mit wild klopfenden Herzen sah er in die Tiefe, in der es farbig schimmerte. Oder war das nur das Facettenlicht der Kuppel? Alles spiegelte sich tausendfach, so dass er nicht einmal hätte sagen können, ob er auf Wasser oder auf die Kuppel sah, wenn er nicht seinen Kopf gesenkt hätte. Die Kopfschmerzen wurden noch etwas schlimmer und sein Herz klopfte heftig, obwohl die Dunkelheit weg war, wirkte hier immer noch alles unsagbar bedrückend. Dort wo Souhis Licht nicht hinreichte, glitzerte es, doch gleichzeitig waren die Schatten dahinter so tief und lang wie Monstren. Auf Rand des Beckens waren ein paar Wasserpfützen und Tropfen, die aussahen wie Tränen. Der Junge schüttelt den Kopf und sah wieder in das Becken. Mokona war mittlerweile auf ihn zu gehoppelt. „Ich spüre die Feder... “ „Im Wasser?“ „Ja, schau doch.“ Shaolan sah genauer hin und tatsächlich, dort befand sich etwas. Entschlossen zog er seine Schuhe und seinen Mantel aus. „Ich werde die Feder holen.“ „Sei vorsichtig... Shaolan....“ „Ja.“ „Nicht!“ Shaolan, der gerade zum Springen angesetzt hatte, hielte inne, versuchte sein Gleichgewicht zu halten, nachdem die Mädchenstimme erklungen war und kurz darauf tauchte auch schon die ihm bekannte Besitzerin der Stimme auf. „Tomoyo!“, quietschte Mokona erfreut, doch der Junge blieb ernst. „Guten Morgen. Es tut mir Leid, ich wollte nicht unerlaubt hier eindringen.“ „Bist du aber“, erwiderte das dunkelhaarige Mädchen, das sicher nicht älter als 12 war. Sie war auch nicht allein, wie die tiefen Schatten ihnen zunächst hatten weis machen wollen. Ein ihm ebenfalls aus anderen Welten bekanntes älteres Mädchen und ein Hund hatten sich zu ihr gesellt und fixierten die Eindringlinge. Sie hatten beide schon einmal im Kirschblütenland gesehen, doch Shaolan war sich bewusst, dass die selben Personen in verschiedenen Dimensionen nicht unbedingt die selben Absichten haben mussten. „Hier gibt es etwas, was ich brauche. Etwas, das einer Freundin gehört.“ „Ach so, dann solltest du es dir holen“, erwiderte Tomoyo mit einem Lächeln und Shaolan sah recht verwundert drein. „Du willst mich nicht aufhalten?“ „Ich bin hier selbst unerlaubt eingedrungen. Belassen wir es doch dabei, dass wir gegenseitig nichts voneinander bemerkt haben. Ich fürchtete nur, du seist ein Dieb. Aber wenn das dort unten dir gehört, dann geht auch keine Gefahr davon aus.“ Shaolan lächelte erleichtert. „Gut.“ Nun da die Angespanntheit von ihnen allein abgefallen war, löste sich auch Yuzuriha aus ihrer ernsten Starre und sah sich staunend um. „WOW! Das ist so WOW! Ich wusste gar nicht, dass die Alte Kultur so prächtig war! Es ist ja phänomenal! Tomoyo, wenn du das sehen könntest! Alles funkelt und glitzert! Und der See! Er ist voller Essenz, der ganze Grund ist bedeckt!“ Der fremde Junge sah sie verwirrt an und fragte „Alte Kultur?“ „Ja, das ist eine Beschwörungshalle! Ich glaub sogar DIE Beschwörungshalle, in der zur Sommersonnenwende aus den großen Magiequellen geschöpft wurde und das ganze Land dadurch erblühte! So konnten auch im Winter alle Planzen wachsen und die Menschen von Niaolli hatten stets warme Häuser!“ „Magie scheint ansonsten hier ja sehr verpönt zu sein...“, überlegte Shaolan. Tomoyo, die durch ihre Blindheit nicht von dem Prunk mitbekam und daher auch nicht so aus dem Häuschen geraten war wie ihre Freundin, erklärte: „Was uns früher geschützt und genutzt hat, ist nun unser Feind. Niemand weiß wieso, aber eines Tages saugte die Magie den Menschen die Lebenskraft aus. An Orten, wo die Magie besonders stark ist, kann kein Mensch leben und zu Sommersonnenwende werden Magiebegabte schwer krank, viele sterben dann auch. Früher wuchsen auch die Pflanzen bei Vollmond gut, heute verdorren sie, wenn wir sie nicht mit technischen Mitteln schützen. All die Zeremonien wurden vergessen, weil sie gehasst wurden und keinen Sinn mehr hatten, daher wurde auch alles von früher vergessen und sich auf das Jetzt konzentriert. Auf die Zeit, in der wir in hohen Häusern leben, in vollen Städten, fern von der Welt, die uns so feindlich gegenüber steht. Obwohl es nicht einmal 50 Jahre her ist, wird die Zeit und alles was zu ihr gehört 'Alte Kultur' genannt. Aber das was sie war, das wurde vergessen.“ „Aber...“, Shaolan schmerze es, dass ein Zeit, in der es solche kunstvollen Hallen gab wie hier, eine magische Religion und scheinbar auch eine ganz andere Lebensweise, so schnell vergessen werden sollte. Seine Vergangenheit und Geschichte konnte man doch nicht einfach so verdrängen, nur weil man nicht mehr zu ihr zurück konnte! „Das ist doch erst 50 Jahre her. Es muss doch noch Leute geben, die sich an jene Zeit erinnern! Das ist doch ein Teil ihres Lebens gewesen, warum bewahren sie es nicht und tragen es weiter? Warum sind solche Stätten wie diese hier so verborgen?!“ „Ist dir nie aufgefallen, dass es in diesem Land kaum alte Leute gibt?“ Nachdenklich sah sie Shaolan an, doch dann schüttelte er den Kopf. Er hatte wirklich niemanden gesehen. „Als die Magie uns verließ zerbrach gleichzeitig die Macht des Königshauses, das dieses Land eins regiert hatte. Manche sagen auch, das war auch der Grund warum sie so feindlich wurde. Folge waren jahrelange Bürgerkriege und Chaos. Alle Pflanzen starben aus und auch viele Tiere. Die meisten Menschen, die nicht an der Magie starben, starben in den zahlreichen Kriegen und den aus ihnen folgenden Seuchen und Hungersnöten. Bis sich eine organisierte Gruppe hervor tat, 'die Industriellen'. Sie entwickelten riesige Städte, die uns vor dem feindlichen Einfluss bewahrten. Die Familie EX beendete die Konflikte und sammelte alle Menschen unter sich, um gemeinsam einen neuen Anfang ohne Magie und gegen sie zu beginnen. Du befindest dich grade im Haus des Oberhauptes von EX, Ashura.“ Staunend hatten Shaolan und Mokona zugehört. Ob die Feder wohl etwas damit zu tun hatte, oder war das einfach nur die Geschichte dieses Landes? „Vielen Dank, dass du mir das erzählt hast.“ „Gerne. Mein Name ist Tomoyo.“ „Mein Name ist Shaolan Li. Und das hier ist Mokona." "Du bist auch von außerhalb, nicht wahr?“ „Ja.“ „Freut mich dich kennen zu lernen. Aber du wolltest etwas zurück holen. Wer weiß, wann wir entdeckt werden. Yuzuriha, kommst du? Es ist draußen schon hell.“ Erschrocken riss sich Yuzuriha von den Geräten los. „Oh nein! Bald wird Kusanagi aufwachen und wir müssen noch die Stände am See aufbauen! Komm Inuki!“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Von den Geschehnissen im Keller völlig unwissend, saßen der blonde Mann und das braunhaarige Mädchen einige Etagen höher an einem kleinen Tisch und beobachteten wie der heiße Tee vor sich hin dampfte. Sakura erzählte munter von Shaolan, wie er sie immer beschützte und auch von ihren Reisekameraden, die sie suchten. Sie erklärte dem Fye dieser Welt, was es mit dem ganzen Tiernamen auf sich hatte und wie sie Ashura kennen gelernt hatten. Das war nämlich ganz schön gefährlich gewesen! Sie waren mitten auf seinem Anwesen gelandet und waren sofort von irgendwelchen Tieren aus Metall angegriffen worden! Shaolan hätte zwar fast alle mit seinen Schwert niederschlagen können, aber es kamen immer und immer mehr, bis der Hausheer selbst eingeschritten war und sie aufgenommen hatte. Fye hörte sich das ganze schweigend an und lächelte nur leicht. „Und nun seid ihr beide schon einen ganzen Monat hier?“ „Ja, aber wir haben immer noch keine Spur von Kurogane-san und Fye-san... Einer meiner Reisekameraden heißt nämlich genau wie du und sieht dir auch recht ähnlich! Nur trägt er keine Augenklappe.“ Einen Moment sah sie ihr Gegenüber verwirrt an, doch dann nickte er und nahm seinen Tee in beide Hände, pustete vorsichtig. „Meinst du, sie sind wirklich in diesem Land...?“, fragte er nachdenklich, „Wenn euch der mächtigste Mann dieses Landes seit einem Monat beim Suchen hilft und ihr habt sie nicht gefunden, bedeutet dies, sie sind nicht hier.“ „Aber... sie müssen hier sein...“ Sie konnten ohne Mokona doch gar nicht in eine andere Dimension! Doch das konnte sie diesem Fye nicht sagen. „Dann hat jemand dafür gesorgt, dass ihr sie nicht findet.“ Grüne Augen weiteten sich ungläubig. „Willst du sagen, Ashura-san hätte uns belogen...?“ „Glaubst du denn, er ist ein ehrlicher Mann?“ „Er hat ein gutes Herz! Das spüre ich... aber er ist schon irgendwie... bedrohlich.“ Nur aus den Augenwinkeln sah sie wie Fye sich hart auf die Lippen biss und schnell an seinen Tee nippte. Doch der war noch viel zu heiß, weswegen er sich heftig verbrannte. „Vorsicht!“ „Autsch!“ Das nächste passierte viel zu schnell. Die Tasse glitt aus Fyes Fingern und der ganze heiße Tee verteilte sich auf seinen Schoß, die Tasse fiel klirrend zu Boden, zersprang. Doch das nahm Sakura gar nicht richtig wahr, sofort war sie aufgesprungen, um dem blonden Mann zu Hilfe zu eilen und mit ihrem Kleid den heißen Tee wegzutupfen. „Das ganze heiße Wasser! Zieh das am besten aus und kühl die Stelle!“, rief sie und nahm eiligst die Blumen aus einer Vase, um das kalte Wasser zum Kühlen zu benutzen. Doch als sie mit dem durchtränkten Stoff ihres Kleides die Stelle kühlen wollte ließ sie ein lautes „ Fass ihn nicht an!!“ in der Bewegung erstarren. An der Tür stand Ashura-san und sah sie so wütend und bedrohlich an, dass sie sich unwillkürlich vor ihrem neuen Freund aufbaute, als müsste sie ihn beschützen. Doch ihr Gastgeber beachtete sich gar nicht, schritt eilig an ihr vorbei und beugte sich zu dem Blonden, der heftig angefangen hatte zu husten. „BIST DU WAHNSINNIG?!“, schrie er ihn an, das Gesicht vor Wut und Sorge verzerrt, doch sein Gegenüber hustete einfach nur. „Er hat sich verbrannt...“, startete Sakura einen Erklärungsversuch, doch das schien Ashura nur noch rasender zu machen. Doch obwohl er so außer sich war, fasst er Fye nicht an, schlug ihm nicht einmal auf dem Rücken, wie man es sonst bei einem Hustenanfall tat. „Zum Glück! Du hättest sterben können! Wie kommst du darauf Tee zu trinken!? Willst du dich vergiften?“ Endlich hatte sich Fyes Ebenbild beruhigt, doch er antwortet dem anderen Mann nicht, nur ein leichtes Lächeln umspielte wieder seine Lippen. Ashura starrte ihn an, Sakura schwieg bedrückt. Sie alle schwiegen auch noch als Ashura den Tee und die Scherben wegräumte, die Tischdecke und das Geschirr auf ein Tablett stellte, das von einer plötzlich aufgetauchten Bediensteten weggeräumt wurde, die kurz darauf genau so schnell wieder verschwand. „Es... es tut mir Leid... das wusste ich nicht...“ Sakura hatte den Drang sich zu entschuldigen, obwohl sie wirklich nichts dafür konnte. Aber irgendwie war die Situation gerade beängstigend, Ashura war wütend so angsteinflößend und die Reaktion ihres neuen Freundes war auch komisch gewesen. Urplötzlich war Ashura wie ausgewechselt und lächelte sie leicht an. „Es ist nicht deine Schuld, bitte verzeih, dass ich dich angeschrien habe. Aber warum bist du denn hier? Ich dachte du wolltest mit Shaolan-kun die anderen Familien nach euren Reisekameraden fragen.“ „Ja... aber... Shaolan-kun hatte seinen Sonnenuhr vergessen, deswegen sind wir zurück gekommen... und dann haben wir uns verlaufen....“, log sie. Eigentlich hatten sie nur so getan, als ob sie das Haus verließen, um in der Villa nach ihrer Feder zu suchen. Sie konnte nicht vergessen, worauf Fye gerade angespielt hatte, dass Ashura sie vielleicht anlog. Denn die Feder befand sich ja wirklich hier, in seinem Haus. Hatte er wirklich nichts davon gewusst? „Und wo ist Shaolan jetzt?“ „Ich weiß es nicht... wir haben uns verloren.“ Ashura seufze und sah zu Fye, der eingesunken in seinem Lehnstuhl saß, weder ihn noch Sakura ansah. Der Vogel saß verstört auf der Tischkante und sein Kopf zuckte in alle Richtungen. „Dann werde ich dich erst mal zurück zu deinem Zimmer bringen.“ „Ja...“, Sakura ging zum Tisch und nahm Kotori wieder an sich. Fye sah sie immer noch nicht an, das Gesicht gesenkt und verborgen unter den blonden Haarsträhnen. „Es... es hat mich sehr gefreut mit dir Tee zu trinken... vielleicht können wir das noch einmal wiederholen... aber dann mit etwas, was du verträgst...“ „Mal sehen“, antwortete der Hausherr an seiner statt und Sakura bemerkte, wie der ihr neuer Freund zusammen zuckte. Sie wollt etwas sagen - wusste aber nicht was, denn sie wusste gar nicht so genau was hier vor ging und wie sie all das verstehen sollte - als auch schon ein greller Alarm losging. „Huch! Was ist das?!“ Ashuras Gesicht verfinsterte sich wieder und mit einer Handbewegung seinerseits verklang das grelle Heulen der Sirenen. „Nichts, ein Vogel ist durch die Absperrung geflogen. Ich bringe dich jetzt zu deinem Zimmer.“ Mit sanfter Gewalt schob sie der große Mann aus dem Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sakura meinte, dass sein Blick ganz kurz auf die offenen Geheimgangtür fiel, aber sie musste sich geirrt haben, da er sie danach ruhig und sicher die Gänge bis zu ihrem Zimmer begleitete. „Ich habe noch zu tun, aber ich werde den Bediensteten Bescheid geben, dass sie nach deinem Freund suchen sollen.“ „Da-danke...“ Mit einem unguten Gefühl im Bauch beobachtete Sakura, wie der dunkelhaarige Mann den Gang entlang schritt und dann hinter einer Abbiegung verschwand. Aber sie hatte sich den Weg gut gemerkt! So schnell sie konnte machte sie sich auf den Rückweg, sie musste Shaolan warnen! ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Die Sirenen waren plötzlich losgeheult und genau so plötzlich wieder verklungen. Angespannt schielte Kurogane durch den Türspalt auf den völlig leeren Gang. Keine Gefahr. Noch einen Moment.... nichts. Lautlos glitt Souhi zurück in ihre Schwertscheide. „Oi!“, rief er in Richtung der entgegen über liegende Tür. „Ich glaube es ist sicher.“ Doch der verdammte Magier antwortete ihm nicht. Also trat der Krieger auf den Gang hinaus und öffnete die Tür. Doch der Raum dahinter war leer. Auch die Räume daneben. Kurogane versuchte seine Aura zu fühlen. Nichts. „Verdammt, Fye!“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Plötzlich gingen die Sirenen an. Man hörte sie hier unten nur leise und fern, aber das Echo wurde von den hohen Wänden eingefangen und verstärkt, bis es wie ein helles Dröhnen klang. „Was ist das?!“, kreischte Mokona erschrocken und drückte sich mehr gegen Shaoalans Schulter. „Wir wurden sicher bemerkt!“, stellte Shaolan fest, setzte Mokona auf den Boden und sprang ins Wasser, um schnell die Feder zu holen. Kurz darauf hingen die Sirenen wieder aus und nur noch das leise Echo klang nach. Immer leiser und leiser. Die beiden Mädchen hingegen sahen sich alarmiert an und zuckten heftig zusammen als auch schon Schritte die Treppe hinunter bretterten. Yuzuriha hatte keine Ahnung wo es hier rausging und Tomoyo musste es erst erfühlen. Sie waren nie hier raus bis die Wachen da waren! Also zog das ältere Mädchen ihre blinde Freundin zu einem Haufen Geräte und Gewänder und versteckte sich mit ihr und Inuki darunter. Nicht zu früh, denn im den Moment betrat schon der Hausherr den Saal. Yuzuriha beobachtete es durch eine halbdurchsichtigen Ärmel eines Gewandes und ihr Herz schlug bis zum Hals. Ashura! Das Oberhaupt von EX! Wenn er sie hier entdeckte, dann waren sie geliefert! Der arme Junge! Shaolan bemerkte nichts von Ashuras Ankunft, sondern tauchte. Doch er konnte die Feder nirgendwo sehen... statt dessen erkannte er nun deutlicher, was sich unter der Wasseroberfläche befunden hatte. Souhis Licht vom Beckenrand reichte kaum bis hier runter. Plötzlich drückte etwas großes und schwarzes seinen Körper zu Boden und ließ ihn hart am Grund aufschlagen. Alle Luft entwich seine Lungen, sein Kopf prallte gegen einen Haufen Steine und alles um ihn herum wurde schwarz. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kurogane stampfte durch die Gänge. Das gab es doch nicht! Wo war dieser hirnlose, blonde Idiot denn nur? Er hatte sich sicher verlaufen! Das würde er ihm noch zutrauen! Aber warum verließ er dann auch sein Versteck?! Die Sirenen hatten gellend los gejault und sie hatten beide in verschiedenen Zimmern Schutz gesucht. Nicht einmal zwei Minuten hatte er ihn aus den Augen gelassen und nun war Fye weg. Nirgendwo zu finden. Kurogane schnaubte. Dabei hatte er ihm eingebläut in seiner Nähe zu bleiben! Ob etwas passiert war? Von diesem neuen Gedanken beflügelt startete er einen leichten Laufschritt. Verdammt! Verdammt! Plötzlich wurde seine Aufmerksamkeit von einem Schatten am Gangende eingenommen. Augenblicklich blieb er stehen und suchte Deckung, fasste nach seinem Schwert. Der Schatten wurde rasch größer und er konnte Schritte hören, bis die Gestalt um die Ecke gebogen kam, atemlos stehen blieb und dann weiter rannte. Doch sie kam nicht weit, mitten im Lauf wurde sie am Arm gepackt und in einen Raum gezogen. Sakura kreischte und versuchte sich los zu reißen, doch Kurogane hielt ihr den Mund zu. „Hey, beruhig dich!“ Nun erkannte auch die Prinzessin ihren Reisekamerad und dieser zog seine Hand von ihrem Mund. „Kurogane-san!“ „Ah. Endlich haben wir dich gefunden. Wo ist der Bengel?“ „Shaolan! Ich muss zu ihm! Er hat einen Geheimgang gefunden und ist hinunter gegangen, um die Feder zu suchen, dann ging der Alarm an und Ashura-san kam. Dann ging der Alarm wieder aus und Ashura-san hat mich zu meinem Zimmer gebracht, aber er will Shaolan suchen! Ich glaube es wird etwas Schlimmes geschehen, wenn er ihn findet!“ Schwer seufze Kurogane und hielt sie fest, als sie schon zur Tür hinaus sprinten wollte. „Nicht so schnell. Du meinst die völlig dunkle Treppe nach unten?“ „Ja!“ „Da bin ich her gekommen. Die liegt in einer ganz anderen Richtung.“ Sakura sah bedrückt zu Boden, nichts konnte sie richtig machen.... „Bitte, Kurogane-san! Ich muss da hin!“ „Ah, gut. Vielleicht ist dort auch dieser verdammte Magier...“ „Fye-san... er ist auch hier? Zumindest ist sein Ebenbild dort...“ Der Krieger nickte stumm und machte sich dann mit der Prinzessin zum geheimen Gang auf. ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ „Du hast mich also die ganze Zeit gerufen?“ Ein wenig unsicher stand der blonde Mann im Raum, sein Gegenüber sah ihn mit einem leichten Lächeln an. Dieser hingegen hatte gerade scheinbar keine Nerven zu lächeln, zu seltsam muss es sein plötzlich seinem eigenen Spiegelbild in die Augen zu sehen. „Ja, aber das darfst du auf keinen Fall Kurogane sagen. Er darf überhaupt nicht wissen, dass es mich gibt.“ Sein Spiegelbild fühlte sich sichtbar unwohl und Fye lächelte nur, sah auf seine behandschuhten Hände. Er war hier. „Fye“ war hier und er konnte mit ihm reden. Von seinem Gefängnis aus hatte er kaum Einfluss auf ihn, aber jetzt standen sie sich gegenüber und Ashura war nicht hier, konnte nichts verhindern. Nur einmal hatte er eingreifen können, als dieser Mann beinahe von von den 'Phagen' getötet worden war. „Dein Auge...“, klang so seine Stimme? In seinem Kopf klang sie ganz anders. „Ist ebenfalls erblindet... so wie deines. Aber wahrscheinlich musste das so geschehen...“ „Wie meinst du das...?“ „Nicht so wichtig.“ „Doch, das ist sehr wichtig!“ Der blonde Mann schritt auf den Sitzenden zu und ein blaues Auge sah genau in sein Gegenpart, als gehörten sie eigentlich in ein einziges Gesicht. „Für mich ist das wichtig! Wer bist du? Warum siehst du aus wie ich? Bist du meine Ebenbild? Mein Bruder? Wer bin ich? Warum redest du solche Sachen?“ „Das spielt keine Rolle. Eine Rolle spielt nur, was DU tun musst, um bei Kurogane und den Kindern bleiben zu können.“ Seine Lippen brannten immer noch taub, seine Lungen fühlten sich an wie mit Blei gefüllt, doch er zwang seinen Körper weiter, das hier war wichtig! Und er würde nur diese Chance bekommen... „Was...?“ „Du musst ihn und die Kinder so schnell wie möglich von hier weg bringen. Es ist FALSCH, dass er hier ist, er bringt alles durcheinander! Noch dazu ist es gefährlich, aber Kuro-wuff ist ja immer so unglaublich sturr.... Es gibt hier nur die Feder im Keller und die wird Shaolan schon gefunden haben. Daher, wenn ihr zusammentrefft, lasst euch von Mokona so schnell wie möglich in eine andere Welt bringen.“ „Ich verstehe nicht... kennen wir uns-“ „Du brauchst nichts verstehen, tu es einfach und du kannst glücklich werden“, unterbrach der sitzende Mann ihn und es tat ihm ein wenig weh zu sehen, wie er sein Ebenbild beinahe zum Weinen brachte. „Aber...“ „Du tust was ich sage, gegen Kuroganes Leben. Er wird sonst sterben.“ „Er stirbt...?“ „Er stirbt, wenn du ihn hier nicht bald wegbringst. Aus dieser Welt. Und auf keinen Fall darfst du ihm sagen, dass du mit mir gesprochen hast.“ „Aber...“ „Und nun raus!“ „Wer bist du...?“ „Raus.“ „Bitte sag mir wenigstens wie du heißt!“ „Fye.“ „Und wie heiße ich? Heiße ich, auch 'Fye'?“ „Nein, aber ab jetzt heißt du so. Kümmere dich um nichts, verschwinde einfach von hier und du kannst mein Leben leben. Hauptsache du bringst sie hier weg. Sei egoistisch und beschütz die Menschen, die du liebst. Lüge. Das kannst du gut, glaub mir.“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Auf halben Weg kam ihnen Yuzuriha und der Köter entgegen gelaufen. „Kurogane! Wir müssen hier weg.“ „Verdammt, was macht ihr denn noch hier?“, fuhr sie Kurogane an. Sie hatten die beiden Mädchen doch gerade erst zum Gang gebracht! Sie sollten schon längst fort sein und nun rannte dieses Gör durch die Gänge, wie auch schon die Prinzessin und wahrscheinlich auch der Magier, irgendwo! In diesem riesigen Anwesen, wo sie sicher schon gesucht wurden! „Wo ist Tomoyo? Ist dieser blonde Idiot bei ihr?“ „Nein, ist er nicht bei dir? Der stille Alarm wurde ausgelöst, in ein paar Minuten wird das ganze Anwesen voll Phagen sein, ihr müsst hier weg!“ Bang blickte Sakura von Yuzuriha zu Kurogane. „Wo ist Shaolan! Wir müssen Shaolan suchen!“ „Ashura hat ihn unten in der Zeremonienhalle erwischt...“, erschrocken schlug sich Sakura die Hand vor dem Mund. Ser Vogel in ihrer Tasche piepste und zappelte wie wild, und sie steckte eine Hand in ihre Kleidtasche, um ihn zu beruhigen. Der Krieger sagte nichts, packte die Prinzessin nur am Arm und rannte mit Yuzuriha weiter, hin zum Geheimgang. Verdammt, jetzt war auch noch der Bengel in Schwierigkeiten! ~~~~~~~~~~~~~~~ Der Gefangene hörte Schritte. Ashura war zurück. Er stand auf und kämpfte den heftigen Schwindel nieder. Er musste die Vorhänge.... die Welt drehte sich und er sank zu Boden, der Teppich war so hart, seine Lungen brannten, die Welt war so dunkel. Die Zeit, sie tickte. Atem. Herzschlag, viel zu schnell... Ashuras Schritte kamen näher. Er musste... Andere Schritte kamen zögernd auf ihn zu und seine Ebenbild kniete sich zu ihm. „Geht es dir nicht gut...?“ „Die Vorhänge...“, bracht er hervor und 'Fye' schien zu verstehen, stand auf und schloss sie, schnitt den Raum von jeglicher Helligkeit ab. Vom Boden aus beobachtete der Gefangene das Ganze und auf einmal konnte er nicht anders als fast brüderliche Liebe für diesen anderen Mann zu empfinden. Es musste gelingen.... er musste Kurogane von diesem Ort und sich selbst fern halten... so fern wie möglich... wie auch immer er es geschafft hatte diesmal zurück zu kommen. „Versteck dich...“ Ein wenig unsicher sah ihm sein Gegenüber an, dann nickte er und verbarg sich hinter einem Schrank. Gerade rechtzeitig, die Tür wurde im selben Augenblick geöffnet und Ashura trat mit dem bewusstlosen Jungen auf den Armen ein. Das Flurlicht erleuchtete den Raum, dessen Boden immer noch voll Tee war. Er hätte die Zeit nutzen können etwas vom Boden aufzulecken, aber wahrscheinlich wäre auch das nicht gelungen. Ashura ließ ihn nicht sterben, die Lektion hätte ihm eigentlich schon längst ins Blut übergehen müssen. Aber es war getan, was er tun wollte. Er hatte Sakura-chan gesehen und mit 'Fye' geredet. Jetzt würde alles gut gehen, alles musste nach Plan gehen. Müde sah er zu dem bewusstlosen Jungen, dann zu Ashura. Goldene Augen lagen besorgt und schweigend auf ihm. Fye versuchte sich aufzurappeln, sank aber wieder zu Boden. Ashura beobachtete ihn nur. „Du hast mein Vertrauen missbraucht. Ich habe dir erlaubt dich frei in der Villa zu bewegen und mit den Kindern zu sprechen. Du weißt hoffentlich, dass du diese Privilegien nun verspielt hast.“ Der blonde Mann lächelte nur schief, blieb einfach auf dem Boden sitzen. „Ich wusste doch nicht, dass Tee mich umbringen kann~“ „Ich habe dir erklärt, dass du nichts essen und nichts trinken kannst. Es ist für deinen Körper schon eine Belastung irgendetwas zu berühren, dann kannst du es auch nicht schlucken.“ „Na, schade für dich, ne, Ashura-ou?“ Zornesröte stieg dem König ins Gesicht, doch er riss sich zusammen. „Komm mit, wir müssen zurück ins Krankenzimmer.“ Zurück zu den Herzschlägen? Atem? Licht? Nur mit Ashura–Farben? Hart schluckte der blonde Mann und versuchte ruhig zu atmen. Denn Ashura bemerkte alles. Hörte sein Weinen, seinen schnellen Atem, sein schmerzvoll schlagendes Herz. Wenn Kurogane hier war, dann waren die Gänge doch voll von ihm.... die Kinder waren auch voll von seiner Aura.... der blonde Mann, der sich gerade hinter einem Schrank versteckte, war regelrecht getaucht in die Aura des Kriegers, stellte Fye mit schmerzendem, eifersüchtigen Herzen fest. Aber er hatte sich entschieden, er musste weiter machen. Es gab kein Zurück. Es durfte kein Zurück geben! Nicht mal ein Zurück in diese vertrauten Gänge mit dieser noch viel vertrauteren Aura, die hier aber einfach nicht her gehörte. Hart biss er sich auf die Zunge, täuschte einen Hustenanfall vor und spuckte das Blut auf den Teppich. Es war ein Fake. Bedauerlicherweise war sein Körper schon so geschwächt, dass er dennoch fast ohnmächtig wurde. Doch es erfüllte seine gewünschte Wirkung. Voller Sorge legte Ashura den bewusstlosen Jungen auf den Boden und beugte sich über den Blonden, besann sich dann aber mitten in der Bewegung und ließ einen Bediensteten kommen. Leblos, nur eine Maschine, wie beinahe alles hier, wurde der Gefangene wurde hochgehoben. Hinter der Wand ratterten die Mechanismen, Ashura musste sich nicht mehr darum kümmern. Fye hatte jetzt oberste Priorität. Keine Zeit für irgendwelche Spielchen und den Jungen konnte er auch später abholen, denn der würde erst noch mal eine Weile schlafen. Shaolans Körper blieb auf dem Boden liegen, wo Ashura in abgelegt hatte und hinter den Wänden ratterte es. Der blonde Mann hinter den Schrank schloss die Augen und fragte sich, warum sein Herz nur so panisch schlug. Goldene Augen. In dieser Welt hatte er noch niemand mit so einer außergewöhnlichen, vertrauten Farbe gesehen. Außer die von Kurogane. Mit einem leisen Schluchzen, dessen Grund er selbst nicht ganz kannte, ließ er seinen Kopf gegen die Wand sinken. Dahinter ratterte es, es ratterte und ratterte. Er hörte es nicht. Der Gefangene hätte es ganz sicher gehört. ~ kapitel 26 ende~~ Anmerkung: 1. Die Krankheit gibt es wirklich. Sie ist ein genetischer Defekt, durch den sich das Immunsystem nicht entwickelt. 27. Kapitel - (Love fool) ------------------------- Wir befinden uns immer noch im Schneeland, über das immer noch ruhig und zeitlos vereinzelte Wolken ziehen. Meist jedoch ist der Himmel weiß und weint Schnee. Man muss wirklich sagen, dass er weint und es nicht schneit, denn wie es die Eigenart von Tränen ist, segeln die Tropen entweder still und beinahe fließend vor sich hin, so dass man sie gar nicht bemerkte, würde man nicht irgendwann von ihnen durchnässt sein. Oder sie fallen vom Himmel wie ein unerlässlicher Strom, ein weißer Schleier, begleitet von tosenden Wind und in einer Heftigkeit, der jeden unter ihm die Orientierung verlieren lässt, bis man sich genau so schwer im Herzen fühlt, wie der tiefhängende, schneeschwangere Wolkenhimmel aussieht. Unter jenem Himmel befinden sich einige Städte. In manchen fließen die Tränen des Himmels, in den meisten sind sie nicht erwünscht. Eine unsichtbare Barriere und ein in sich abgeschlossener Biokreislauf sorgt in riesigen Häuserschluchten, verwinkelten Gängen, unter Massen von Menschen für Luft, Wasser und Elektrizität. Genau so wie der Schnee ist auch die Magie ausgeschlossen, aber mit Recht, sie saugt den Bewohnern das Leben aus und der Himmel würde diese Leerstelle nur mit Traurigkeit füllen. Unter diesen Städten befindet sich eine ganz besondere, herausstechende. Ihr Name ist Omehlas [1]. Sie ist aus unerfindlichen Gründen stets begrünt, eine Seltenheit in diesem Land. Die verschiedensten Pflanzen gibt es dort und auch einige Tiere. Vor allem ist hier Platz. Eine Weite, die regelrecht verschwendet scheint, denn in den anderen Städten kann man kaum atmen, kaum den Himmel sehen und Stille nur genießen, wenn man seien Ohren verschließt und sich in eine bezahlte Illusion begibt, wie sie als kurzzeitige Erholung fast überall angeboten wird. Eine Weite, in der man Stunden lang gehen kann, ohne anzukommen. In dieser Stadt befindet sich ein Villa. Manche würden es vielleicht ein Schloss nennen, aber dieses Wort ist in dieser Welt fast ausgestorben. Es gehört zur alten Zeit, zur Alten Kultur, zur Vergangenheit, an die sich hier nicht gerne erinnert wird, weil die meisten sie nicht erlebt haben und niemand etwas Gutes darüber zu sagen weiß. Auch dass die Menschen hier früher wohl einigermaßen glücklich waren, ist so gut wie vergessen, auch wenn das Leben schwer war, aber sie mussten zumindest nicht vor einer unsichtbaren Bedrohung namens Magie fliehen, sondern hatten Macht über sie. In dieser Villa befinden sich unzählige Gänge. Und darin Menschen und Wesen, die weder in dieser Welt geboren sind, noch hier erwünscht sind, noch selbst hier sein wollen. Zu diesen Menschen gehörte ein Teil der dreiköpfigen Gruppe, bestehend aus zwei Mädchen, einem Hund und einem Mann, die gerade durch jene Gänge hasteten. Sie mussten immer noch leise sein und sich in Acht nehmen, aber der Orientierungssinn des Erwachsenen brachte sie recht schnell zu ihrem Ziel: Der Tür, die zu einem geheimen Gang hinunter in die Dunkelheit führte, zu einer mysteriösen, fremdartigen und vergessen Halle, mit Dingen, die kaum jemand mehr verstand. Die Gänge waren sonst menschenleer. Elektrisches Licht brannte. Fackeln waren erloschen, ab und an stand eine Tür offen und warmes Morgensonnenlicht fiel von den hohen Zimmerfenster in den Flur und man konnte hinaus in einen prächtig bewachsenen Garten sehen. Doch von Ruhe und Harmonie war bei der keinen Gruppe nichts zu merken, denn sie machten sie alle Sorgen um den Jungen dort unten am Ende des Geheimganges, höchstwahrscheinlich der Auslöser des Alarms, der vor wenigen Minuten schrill und schallend im ganzen Anwesen zu hören gewesen war, und somit in großer Gefahr. Der Erwachsene der Gruppe war ein Krieger aus der Dimension Japan und gerade als er seine Hand kampfbereit auf den Griff seines Schwertes legte und nach der Türklinke griff, fing der Köter, der sie begleitete, an zu kläffen. Irritiert hielt der Erwachsene inne. Tiere, vor allem von Menschen gezähmte, waren zwar meist mehr als selten dämlich, aber sie besaßen dennoch Instinkte, die kein Mensch besitzen konnte. Das Tier tapste unruhig vor einem Zimmer hin und her, das sich quer gegenüber der Geheimtür befand und wedelte wild mit dem Schwanz, kratzte am kostbaren Eichenholz. „Was ist denn, Inuki?“, fragte das zugehörige Frauchen, doch der Krieger war schon auf die Türe zugeschritten. Abgeschlossen. Der Köter wedelte nur noch wilder und sprang immer wieder gegen die Tür. [2] Nun, eine abgeschlossene Türe war für den stärksten Mann Japans weder ein Grund noch ein Hindernis! Sie gab sogar lächerlich leicht nach als er sich dagegen schmiss. Die Scharniere brachen und die schwere Türe wäre mit einem Mordsgetöse zu Boden gedonnert, hätte nicht jemand auf der anderen Seite sie abgefangen. Mit einem Satz sprang der Kurogane über die Türe und hielt dem menschlichen Widerstand die Klinge an den Hals. „Kuro-wuff!“, rief jener Widerstand erschrocken und das reichte schon, um sich als dieser verdammte Magier zu erkennen zu geben. „Hier bist du also, verdammt!“, knurrte Kurogane und nahm Fye dann die Tür ab, die dieser immer noch in den Händen hielt, da sie sonst auf den bewusstlosen Shaolan gefallen wäre. „Kuro-pooo~n“, quietschte nun auch das weiße Manjuu und sprang aus Shaolans Kleidern dem Krieger mitten ins Gesicht. Dieser gab nur ein genervtes Schnauben von sich. Die Kinder zu suchen war stressig, sich um sie zu sorgen war stressig, aber sie gefunden zu haben war es recht! Wäre das Manjuu nicht ihr Transportmittel durch die Dimensionen würde er es nur liebend gern öfter irgendwo verlieren! Dennoch konnte er eine ganz leise, verräterische Freude nicht ganz abstreiten. Es war als fielen die Sorge und die schwermütigen Gedanken wie in Haufen zentnerschwerer Kieselsteine von ihm ab. Allerdings schien der Magier alles andere als erleichtert. Nervös, etwas fahrig und beinahe panisch krampfte sich seine Hand in Kuroganes schwarze Jacke. „Oi, ist doch schon gut. Wir haben die Kinder gefunden.“ Ertappt sah Fye zu ihm hoch, lächelte dann schief und ließ los. „Dann lass uns jetzt die Dimensionen wechseln...“, murmelte er und sah sah verwirrt auf das weiße Wesen, das in seine Arme gesprungen war und sich vergnüglich an ihn schmiegte. Scheinbar hatte er sich Mokona so nicht vorgestellt. „Das geht nicht.“ Ernst sah Kurogane den Blonden an und fragte sich, warum dieser anscheinend so aufgebracht war, dass er es nicht einmal überspielte. „Nein.... wir... das geht nicht...“, mischte sich eine weitere Stimme ein und Shaolan richtete sich benommen vom Boden auf. Die braunen Augen wirkten völlig unfokussiert, er schien nicht einmal zu wissen mit wem er sprach. Bevor irgendeiner der Erwachsenen oder die Mädchen reagieren konnten, hatte sich der braunhaarige Junge schon entschlossen aufgerappelt und war in Richtung Türrahmen gestolpert. An der Schwelle hielt ihn der Magier fest. „Shaolan-kun!“, rief nun auch die Prinzessin und verwirrt hielt der Junge inne. Die Klarheit kehrte in seine Augen zurück und verwundert blickte er das Mädchen an. „Prinzessin! Was machst du denn hier unten?!“ „Oben, Shaolan“, unterbrach ihn der Blonde und endlich erkannte Shaolan auch seinen Reisekameraden. „Fye-san! Kurogane-san! Endlich haben wir euch gefunden!“ Kurogane grinste nur leicht über die überschwängliche Wiedersehensfreude des Bengels, doch der Magier ließ sich nicht lange ablenken. „Shaolan! Wir müssen aber von hier fort! So schnell wie möglich!“ „Verstehe, ich hole eben die Feder!“ Fye packte den Arm des Jungen fester, da er schon wieder davon stürmen wollte. „Jetzt!“ Ernst blickten braune Augen in ein blaues; Shaolan fragte sich, was geschehen sein konnte, dass Fye eine Augenklappe trug, aber der allgemeinen Unruhe zur Folge war das hier wohl kein guter Zeitpunkt für Geschichten. „Was ist überhaupt passiert, Bengel?“, knurrte der Krieger. „Mokona und ich haben die Feder gefunden, unten in diesem künstlichen See, doch dann hatte mich Ashura-san, der Besitzer dieser Villa, erwischt-“ - „Den See unten? Im Dunkeln? - „Ja.“ Dann waren sie wirklich nur knapp an der Feder vorbeigelaufen. „Wir sollten uns beeilen.“ Erleichterte nickte der braunhaarige Junge durch und sie liefen zum Geheimgang zurück. Doch auch diese Tür war abgeschlossen und ließ sich selbst dann nicht öffnen als Kurogane sich dagegen warf. „Verdammt!, fluchte der Krieger und Yuzuriha rüttelte noch einmal fruchtlos an der Tür. „Kannst du sie nicht mit deinem großen Messer aufschneiden? Tomoyo ist noch da unten! Sie wollte sich verstecken... “ „Das ist ein Schwert, verdammt...“ Doch gerade als der Krieger dieses ziehen wollte, rief jemand „Nicht!“ und das blinde Mädchen kam so gut wie lautlos hinter der kleinen Kommode mit dem nun leeren Vogelkäfig hervor. „Dort unten wimmelt es gerade von Phagen. Ich konnte ihnen gerade noch entfliehen“, erklärte sie, beruhigend die Hände ihrer aufgebrachten Freundin streichelnd. „Wir müssen die Villa auf anderem Wege verlassen.“ „Aber das geht nicht!“, warf der braunhaarige Junge ein, „Sakuras Feder ist dort unten!“ Die Prinzessin, die die ganze Zeit nur zugehört hatte, trat hinter dem Krieger hervor. „Shaolan-kun, ich möchte nicht, dass ihr euch alle wegen meiner Feder in solche Gefahr bringt!“ Der Blonde sah währenddessen nervös den Gang hinunter und Kurogane folgte seinem Blick. Doch da war nichts zu sehen, ihm war nur etwas schwindelig, doch er schob es auf das benebelnde Gefühl, das ihm eh stets in dieser verfluchten Welt begleitete. „Können wir nicht einfach so in die nächste Dimension reisen?“, fragte Fye leise, „wir können doch wiederkommen...“ „Das geht nicht“, wiederholte der Krieger. „Aber...“ „Das geht nicht, wir können Tomoyo und das andere Mädchen nicht einfach hier lassen.“ „.... “ „Es geht wirklich nicht...“, bestätigte nun auch das weiße Wesen, das mittlerweile seinen Lieblingsplatz an Kuroganes Kragen bezogen und daher ihr geflüstertes Gespräch mitbekommen hatte. „Irgendetwas unterdrückt Mokonas Kräfte... irgendetwas stimmt nicht...:“ „Kannst du uns dann wenigstens aus dem Gebäude bringen?“ „Nein...“ „Verdammtes Wollknäul, kannst du eigentlich irgendwas?!“ „Pfannkuchen machen! Das hat Fye mit beigebracht!“ Der Ninja sparte sich einen Kommentar, aber der Magier lächele plötzlich amüsiert übers ganze Gesicht. „Wirklich?“ „Na klar!“ Nervös schritt Shaolan vor der Tür herum. „Wir befinden uns im ersten Stock... wir müssten eigentlich nach draußen kommen...“ „Aber die Sicherheitsmaßnamen! Wir werden alle spätestens am Waldrand das Bewusstsein verlieren und nie wieder aufwachen!“, Yuzuriha hatte sich auf den Boden sinken lassen, die Arme um den Köter geschlungen. Ihre Stimme verbarg nur unzureichend, dass sie der Panik nahe war. Plötzlich glaubte der Krieger ein leises Klacken zu vernehmen. Angespannt sah er wieder zum Gangende. Nichts. Dann zum anderen. Nichts. Über sich. Etwas befand sich über ihnen! Luftschächte?! Wahrscheinlich gerade groß genug für diese verdammten Spinnenviecher! Lautlos glitt Souhi aus ihrer Schwertscheide. „Sitzen wir in der Falle?“, fragte Yuzuriha. Die anderen Mädchen schwiegen bedrückt, selbst Tomoyo schien keine Lösung zu wissen. „Verdammt!“, zischte Kurogane. Sie mussten zumindest einmal aus diesem Haus bevor diese Spinnen hier auftauchten! Mittlerweile konnte er sie deutlicher hören und auch der Magier sah mit besorgten Blick nach oben, obwohl er sich zumindest zu weit gefasst hatte, dass ein leichtes Lächeln auf seine Lippen zurückgekehrt war. „Zum Fenster!“, beschlossen sie im selben Atemzug. Fye nahm Tomoyo an der Hand, Sakura zog den scheinbar noch etwas koordinationslosen Shaolan mit sich, Yuzuriha folgte mit Inuki. Sie rannten zu dem Zimmer zurück, in dem sie Shaolan gefunden hatten, rissen die Vorhänge auf, doch die Fester ließen sich nicht öffnen. „Luftdicht verriegelt...“, murmelte Fye – KRACH!- in der Scheibe klaffte ein großes Loch. Eiligst brach Kurogane mit seinem Schwert die restlichen Splitter aus dem Rahmen und nahm dann das Ebenbild seiner Prinzessin Huckepack. „Halt dich fest.“ „Ja.“ Der Ninja sprang mit Tomoyo, dann folgte Shaolan mit Sakura. Lächelnd sah der Blonde zu dem andern schwarzhaarigen Mädchen.. „Kannst du springen? Kuro-chan fängt dich sicher unten auf.“ Yuzuriha blickte aus dem Fester und dann zu dem größeren Mann hoch „Na hör mal!“, erwiderte sie und hatte sich schon mit Inuki vom Fensterbrett abgestoßen und landete sicher nicht weit vor dem Krieger auf ihren eigenen Füßen. Noch einmal konnte Kurogane sehen wie Fye sich zum Zimmer zurück wand und einen heftigen Herzschlag lang hatte er die Befürchtung, der Magier würde sich umdrehen und wieder in das Labyrinth aus Schlossgängen verschwinden, wo sich in wenigen Augenblicken tausende von Spinnen tummeln würden. Doch dann sah er einen schwarzen Stiefel im Rahmen und kurz darauf landete Fye neben ihm im kurzen, kultivierten Gras. Der prächtige Garten wand sich eine ganze Weile den leichten Hügel hinunter, ging dann in eine Wiese über, die irgendwann wilder wurde und am Waldrand endete. Es war nicht weit, sie mussten unterirdisch einige Umwege gegangen sein. Der Junge schien mittlerweile wieder vollkommen wach und lief mit Sakura zum Ende des Geländers, wo ein reich verzierter Zaun Villenbereich von der Wiese abgrenzte. „Nicht!“, rief Fye und die beiden Kinder blieb stehen. Kurogane sah zur Fassade der 'Villa' hoch. Ein helles, vierstöckiges Gebäude mit grünen Dachziegeln. Auch Yuzuriha stellte nun fest, was der Blonde als erster bemerkt hatte. „Aber... das sieht ja ganz anders aus... wo sind die grauen Mauern, warum ist sie so klein?“ „Magie?“, fragte Fye. „So ne ´Café – Illusion“, entschied der Krieger und schloss die Augen. „Auf jeden Fall müssen wir aufpassen, nichts ist hier wie es scheint.“ Wenn hier alles das Auge täuschte, musste er sich auf andere Sinne verlassen. Auch der Bengel war da mittlerweile drauf gekommen und hatte die Augen geschlossen, versuchte seine Umgebung zu erfühlen. „Wir sind hoch oben...“, murmelte dieser und spürte den kühlen Wind auf der Haut, so viel kälter als die Wärme des Sonnenscheins. Sie konnten nicht einmal davon ausgehen, dass es wirklich schon Tag war. Alles Schein und Illusion!, Kurogane konnte diese Welt wirklich nicht leiden, die so gut zu diesem verdammten Magier passte... gepasst hatte. Unwillkürlich öffnete der Krieger die Augen und sah auf den zerzausten Haarschopf des kleineren Mannes neben ihm. Das einzelne blaue Auge starrte unbewegt auf einen Punkt im Nirgendwo, seine ganze Aura drückte Nervosität aus, obwohl seine Körperhaltung wieder entspannt und beherrscht wirkte. Unbeobachtet von den Kurzen legte der größere Mann Fye eine Hand ins Haar, fuhr einmal leicht darüber - Überraschung in dem blauen Auge, ein ertapptes, nervöses Lächeln – und ließ dann ab, um sich um ihr momentanes Realitätsproblem zu kümmern. „Dort entlang“, kommandierte er und der Trott aus Dimensionsreisenden und Mädchen setzte sich angespannt in Bewegung. „Über die Wiese?“ „Erst Mal durch den Garten, dann weiter.“ „ Nya~ ich hab kein gutes Gefühl dabei~“ „Mokona ist müde...“ „Geht es Prinzessin?“ „Hm...“ „Wir werden garantiert nicht mehr aufwachen...“ „Redet nicht so einen Unsinn, wenn wir uns zwingen nicht einzuschlafen, werden wir das auch nicht!“ „Kurogane hat Recht Yuzuriha, außerdem ist es unsere einzige Möglichkeit. Wenn wir zur Villa zurück gehen, wird es uns auch nicht besser ergehen.“ ~~~~~~ Weit kamen sie nicht. Kurz bevor sie am Zaun ankamen, bemerkten sie die Spinnen. Zuerst war es Tomoyo, die Kurogane am Kragen zupfte und ihm ins Ohr flüsterte, dass irgendetwas nicht stimmte. Dass etwas nicht stimmte, hatte dieser auch zuvor gemerkt. Entweder gab es in diesem Garten keine Tiere oder sie waren alle verstummt und erstarrt. Letzteres war überhaupt nicht gut und er trieb die Gruppe zu mehr Eile an. Auch Shaolan, Fye sowieso, hatte die Maschinen in den Rosenbüschen, hinter den hohen Bäumen und im Gesträuch bemerkt, fast lautlos, nur das Rascheln verriet sie. Sie rannten schneller, wenn sie stehen blieben, würden die Müdigkeit sie überwältigen, außerdem kam von diesen Viechern erfahrungsgemäß unendlicher Nachschub. Sie mussten es mindestens bis zum Gartenzaun schaffen und dann hoffen, dass dahinter kein Abgrund kam. Sakura atmete heftig und rannte so schnell sie konnte, noch einmal wollte sie diesen Tieren nicht begegnen, aber in diesem Moment sprang sie schon eine silberne Phage an, doch augenblicklich wurde sie von Shaolans Flammenschwert in Zwei gespalten. „Alles in Ordnung, Prinzessin?“ - „Ja, lass uns schnell weiter laufen.“ Nur noch wenige Meter bis zum Zaun, plötzlich erklang ein Klacken und Kurogane fragte sich wirklich wo diese verdammten Dinger nur herkamen. Einen Augenblick zuvor war die Wiese zwischen all dem Gesträuch noch grün gewesen, nun glänzte sie silbern und bewegte sich wimmelnd wie ein Haufen Fliegen auf einem Leichnam. Kurogane zischte und schlug ein paar Spinnen nieder, die sich an seine Beine geheftet hatten. Immer wieder wurden Fäden in ihre Richtung geschossen und nur durch pures Glück war bisher noch niemand zweigeteilt worden. „Wir müssen den Kindern irgendwie Deckung geben!“, rief Fye neben ihm und brach im Sprung einen Ast ab, mit dem er erst einmal ein Haufen spinnen im Flug von den Bäumen riss und damit auch ihr immer dichter werdendes Fadennetz. „Kurogane-san!“, rief Shaolan erschrocken und wollte schon stehen bleiben, doch der Krieger fuhr ihn nur an. „Lauft weiter, nicht stehen bleiben!“ Da sie die einzigen beiden waren, die wirklich angriffen, konzentrierten sich die Metaldinger hauptsächlich auf sie und so konnten die Kinder den Zaun erreichen und darüber klettern. Zwischen ihnen und den Erwachsenen hatte sich mittlerweile ein so dichtes Netzt aus Metallfäden aufgebaut, dass man kaum noch hindurch sehen könnte. Fye stieß an seinen Rücken, den er deckte, Tomoyo klammerte so fest, dass es fast schmerzte, war aber ansonsten mucksmäuschenstill und rührte sich nicht. Doch der Krieger merkte nebenbei wie sein Nacken feucht wurde. Sie war in dieser Welt eben doch nur ein achtjähriges Mädchen. „Die Spinnen kommen nicht über den Zaun!“, rief der Magier. „Dann sollten wir möglichst auch dahinter kommen!“ „Über das Netzt?“ „Ja.“ „Ob das wohl federt~?“ Das tat es in der Tat. Mit einigen Sprüngen und Nutzung der Fliehkraft schafften sie es über das Netzt und anschließend wirklich über den Zaun. Völlig atemlos ließ Fye sich ins Gras sinken und sah zu den Phagen hinüber, die sich nur einen Meter hinter dem Zaun übereinander tummelten, aber weder herüber kamen, noch einen Angriff starteten. Sie wirkten viel mehr koordinationslos, wie ein Haufen aufgeschreckter Ameisen. Sie waren alle verschrammt und ihre Kleidung an einigen Stellen zerrissen, doch im Großen und Ganzen waren sie recht gut weg gekommen. Mit einem Seufzen betrachtete der Magier die völlig durchgeschnittene Sohle seiner Stiefel. „Oh je,die guten Stiefel...“ „Du solltest andere Sorgen als deine Stiefel haben“, brummte Kurogane und sah über seine Schulter zu dem schwarzhaarigen Mädchen. „Sind alle in Ordnung?“ Einstimmiges Nicken. Nun lag nur noch die Wiese bis zum Waldrand vor ihnen. Doch sie befanden sich in einer Illusion, alles war Schein. Sie befanden sich immer noch hoch über dem Erdboden und sie mussten sich konzentrieren. Der Junge hatte auch schon wieder die Augen geschlossen, Kurogane tat es ihm gleich. ~~~~~~~~~ Gut 40 Minuten kämpften sie sich durch ein regelrechtes Labyrinth aus Illusionen. Sie befanden sich zum Glück nicht all zu hoch über den Erdboden, dennoch mussten sie über mehrere Mauern, die sie nicht sehen konnten, mehrere nur Fußbreite Vorsprünge entlang balancieren, die dem Auge ebenfalls verborgen bleiben, und mehrere hohe Sprünge ins Unsichtbare wagen. Kurogane und Shaolan sahen die Hindernisse durch ihre Sinne klar, Fye war mit geschlossenen Augen weit weniger tollpatischig als mit einem und die Mädchen folgten blind ihren Instruktionen. All das unter Zeitdruck, weil sie nie wussten wann und ob die Spinnen auch hier draußen hinter dem Zaun auftauchen würden oder welche Überraschungen das Schloss noch zu seiner Verteidigung bereit hielt. Als sie endlich am Fuße des Schlosses ankamen, waren sie alle müde und völlig erschöpft. Atemlos ließ sich Sakura ins hohe Gras sinken und verschnaufte erst einmal, riss sich dann aber zusammen, als sich ihr Beschützer besorgt runterbeugte und ihr die Hand hinhielt. Nun konnten sie auch alle das wahre Aussehen der „Villa“ erkennen. Dunkel und farblos ragte es in den blauen Morgenhimmel, als läge es dort in einer erstarrten Dämmerung. „Das war alles nur ein Zauber....?“, fragte Sakura verdutzt. „Wahrscheinlich hatte die Villa deswegen so viele Gänge...“ Kurogane massierte sich die Schläfen und atmete ein paar mal tief durch. Wieder diese bleischwere Müdigkeit. „Ah, passt lieber auf, wir sind noch nicht draußen.“ Sie marschierten weiter. Der große Mann trug immer noch das blinde Mädchen auf dem Rücken, Langsamkeit konnten sie sich gerade nicht erlauben, doch mit jedem Schritt Richtung Waldrand spürte der Krieger die Last der eignen Erschöpfung. Noch hielt er seinen Willen unerbittlich dagegen. „Bist du sicher, dass wir hier lang sollten...?“ Fye Stimme klang seltsam belegt, dennoch setzte er entschlossen und so zügig wie möglich einen Fuß vor den anderen. „Uns bleibt keine andere Wahl.“ ~~~~~~~~ Sie betraten die wild bewachsene Wiese, die den echten Waldrand vom echten Schloss abgrenzte. Nichts war hier mehr von den der gepflegten Ordnung und Pflege des Illusionsgarten zu bemerken. Die Blumen wuchsen vereinzelt, wild und waren eher als Unkraut einzuordnen. Das Gras war beinahe kniehoch und verwildert, fast erstickt von andern wildwuchernden Pflanzen. Brennnessel und vereinzelt Pilze, Löwenzahn blühte und verteilte bei jedem Windhauch graue Pollen in der Luft. Sobald sie ein paar Schritte vorwärts gestolpert waren, fiel die Müdigkeit wie ein unsichtbares Fangnetz aus dem unsagbar blauen Himmel auf sie nieder, drückte sie zu Boden und ließ sie gleichzeitig wie auf Wolken gehen. Noch ein paare Schritte. Etwas eisiges, schweres wickelte sich um ihre Knochen und Muskeln. Und obwohl sie wussten, dass da nichts war, dass es nur eine Sinneseinbildung war, wurden diese Netze, diese Wolken und diese Kälte mit jedem Schritt intensiver, bis sie sie sich fühlten wie in Eiswasser getaucht. Blei drückte auf Kuroganes Lider, das Mädchen auf seinen Rücken zitterte wie Espenlaub, Donner in seinem Kopf, mit jedem Schritt wurde das Eis fester, zwitscherten die Vögel das Brüllen von Dämonen, sein Herz pochte, pochte, hämmerte, hämmerte, klirren, klirren... Er merkte wie er sich nur noch in Schneckentempo bewegte, dass sie alle taumelten und keuchten, als liefen sie schon Stunden. Und taten sie das nicht vielleicht auch? Sollten sie eine Rast machen? Er brauchte sie nicht, aber die Blagen, die Mädchen, der verdammte Magier, das Wollkneul ließ sich ja eh tragen... Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Das kam ihm so unsagbar bekannt vor . Und jeder Herzschlag flüsterte, dass die einzige Flucht aus dieser unangenehmen Situation der Schlaf war, dass er dorthin fliehen konnte und dann seinen Frieden hatte. Mit allem was er brauchte. Doch Kurogane konnte nicht glauben, dass er seine Ziele mit Schlafen und Aufgeben erreichte. Noch nicht... doch wenn es so einfach war... vielleicht sollte er sich doch ein wenig ins weiche Gras legen. Nur ein wenig... um wirklich zu testen, ob es wahr war... er musste doch alles versuchen... er durfte nicht scheitern, diesmal zählt es.... er durfte es nicht verlieren... das was ihm wichtig war... das wofür er sich entschieden hatte... ~~~~~~~~ Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. Schlaf. Müde. Schritt. Rauschen. ~~~~~ Der Waldrand. Blieb er stehen?, kamen sie näher?, floss er weg?, floss er in die Wolken?, drehte sich die Welt?, fielen sie in den Himmel?, erstickte er gerade im Eismeer?, war es nicht egal weil er träumte und einfach nicht wach wurde? Die Wolken bewegten sich so unendlich langsam und gleichzeitig spürte Kurogane dass der Boden unter seinen Füßen unendlich in den Himmel fiel. Tomoyos schmaler Körper an seinem Rücken hob und senkte sich, Atem strich gegen seinen Nacken, der Atem des Schlafes, nach dem er sich sehnte und den er fürchtete, obwohl er mittlerweile wirklich nicht mehr wusste warum... Das andere Mädchen aus Omehlas war einfach zu Boden gesunken, doch ihr Hund zog sie an ihrem Ärmel weiter. Der Bengel trug die bewusstlose Prinzessin. Der Magier schlurfte taumelnd hinter ihm her. Sie sollten wirklich etwas rasten.... Rast. Rast. Innehalten in dieser rastlose Welt eine Rast, eine Welt, die ihm drohte alles zu nehmen, in der schon irgendwie alles von vorne herein verloren schien.... Alles... alles, was ihm wichtig war. Seine Heimat – Japan. Seine Kraft – sein Mittel gegen die Hilflosigkeit, die er so hasste. Diese verdammte, komplizierte, hirnlose, wichtige Person – Er durfte nicht rasten, wenn er Schwäche zeigte, wie sollte dann Fye an ihm stützen, um stark zu werden? Er musste ihn doch manchmal auffangen, damit er keinen Unsinn baute... so viel Unsinn... Dinge die keinen Sinn ergaben.... gerade ergab alles keinen Sinn.... Es bohrte in sein Herz, pochte, pochte, pochte, mit jedem Schlag lockerte sich seine Hand um das andere Handgelenk und er verlor den Puls. Wo war der Puls? Er hatte nur den Griff seines Schwertes umgriffen. Wie es ihm schien, unendlich langsam, drehte sich der Ninja um und sah zu dem Blonden. Dieser war etwas zurück gefallen, aber war es nicht eigentlich egal wo er schlief? Fast keine Nacht in dieser Welt hatten sie nicht beisammen gelegen, aber der Schlafwandelnde bestand jetzt nicht darauf. Viel zu müde war er, er konnte einfach keinen klaren Gedanken fassen, zwischen Traum und Wachen gefangen, unfähig aufzuwachen, unwillig abzudriften, es war wie ein Alptraum. Er lag unter der Wasseroberfläche und konnte nicht auftauchen, nur die Schwärze blieb. Wenn es schwarz war, dann wurde er ein Fisch und konnte unter Wasser atmen, vergaß die Welt und wenn er erwachte, war er dann wieder ein Mensch und schwamm an die Oberfläche? So war das doch mit Träumen oder... so musste es sein... aber ein Fisch auf der Wiese... das ergab keinen Sinn in Kuroganes Kopf, vielleicht tat es das in dem des Magiers. Fye... Kurogane konnte nicht aufwachen, weil dieser Idiot es einfach nicht kapierte, da war er sich auf einmal ganz sicher! Irrational, sehnsüchtig, wütend. Beinahe machtlos... beinahe! Diesen Idiot würde er nicht machen lassen, was er wollte! Nicht wenn er sich damit nur selbst ins Fleisch schnitt und damit auch in das derjenigen, die er damit schützen wollte. Verdammter Idiot, Fye! Verdammter Idiot... er selbst... Diese Rage machte Kuroganes Kopf wieder frei, ließ ihn gerade klar genug werden, um zu realisieren in welcher Gefahr sie sich befanden. „Oi!“, rief er dem vor sich hin taumelnden Jungen zu, „Du darfst auf keinen Fall einschlafen! Das ist eine Falle!“ Apathisch blickten die braunen Augen zu ihm auf, „Trag dein Prinzessin einfach weiter, am Waldrand haben wir's geschafft!“ Nur das Wort Prinzessin schien in dem Jungen irgend etwas auszulösen und er nickte langsam und legte einen Schritt zu. Auch wenn das immer noch sehr langsam war. Um das andere Mädchen brauchte er sich keine Sorgen machen, das wurde von ihrem Köter mit gezerrt. Scheinbar hatte der Zauber, oder was immer es war, keinen Effekt auf Tiere. „Beeilung...“, murmelte ein Mädchenstimme gegen sein Ohr. Tomoyo schlief also doch noch nicht völlig. Scheinbar in Zeitlupe drehte sich der Ninja zu dem Magier um, der nun wie benommen im hohen kniehohen Gras stand und vor sich hin starrte. Es roch scharf und mehlig nach irgendeinem Unkraut, ein paar Pollen flogen umher, sammelten sich in dem blonden Haar, dennoch zweifelte Kurogane für einen Moment, ob der andere Mann überhaupt wirklich da war. Wieder schien es ihm, als könnte ein Windhauch alles wegwehen. „Wir müssen weiter!“ Der Himmel war so unsagbar grell. „Fye!“, rief Kurogane, doch keine Reaktion. „Wir müssen weitere! Diese Müdigkeit ist nur ein Zauber!“ Langsam schüttelte Fye den Kopf und drehte sich um, wankte zur Villa zurück. Kurogane fand gerade noch die Kraft zum Fluchen und setzte ihm hinterher. Was sollte das denn schon wieder, kapierte der Kerl denn nicht in welcher Gefahr sie und die Blagen sich befanden?! Oder sprach er nur wieder vergebens mit Fyes „anderem Ich“? Zwei Schritte. Umgreife das Handgelenk, fühle den Puls, sieh diesen Blick im Blau der Sommerhimmel, Kurogane fiel in den Sommerhimmel, ein regen – nein tränennasser Sommerhimmel. Müde, entrückt, doch noch im Jetzt... „Nein!“, rief der blonde Mann müde und unwillig und noch viel müder und noch viel unwilliger schüttelte Kurogane den Kopf und ließ nicht los. Warum war dieser Mann eigentlich nur am Weinen seit sie in dieser Welt waren?, fragte er sich dumpf. Nie zuvor hatte Kurogane das an ihm gesehen. Tomoyo wog scheinbar Tonnen auf seinem Rücken, er konnte sie kaum noch halten, er wusste nicht was er sagen konnte, wusste für eine Sekunde nicht einmal welche Richtung sie nun einschlagen mussten. Der Puls in seiner Hand prasselte wie Regentropfen. „Ich will zurück!“ „Warum?“, brachte der große Mann unter großer Kraftaufwendung hervor. Wohl wissend, dass es anders nicht ging, dass Fye anders nicht mitkommen würde, es sei denn er schlug ihn nieder, aber Kurogane konnte in diesem Zustand unmöglich zwei Körper tragen. „Ich will da nicht lang.... Überall nur nicht hier lang.... es saugt alles auf.... “ „Fye!“ „Die Wolken... alles fällt in sie und kommt nicht zurück... “ „Das ist Einbildung. Wir....“ Kopfschmerzen, Müdigkeit kam zurück, wie eine Welle, die sich nur kurz zurück gezogen hatte, „können nicht zurück....“ „Du musst auch.... nicht... geh allein... du musst hier weg.... weit weg...“ Einmal, zweimal, schloss der Krieger die Augen und öffnete sie wieder. Hart biss er sich auf die Zunge, riss mit einiger Kraftanstrengung den Magier zu sich, wand sich um und stampfte ein paar Schritte. Der Geschmack des Blutes in seinen Mund und der Schmerz hielten ihn bei Bewusstsein, das war vertraut, er wusste, dass er jetzt nicht schlafen durfte. Es war wie ein Instinkt. Die anderen waren ihnen nur wenige Schritte voraus, aber so langsam wie sie vorwärts kamen schienen das Meilen zu sein, über das Meer... mit der doppelten Last vielleicht auch bis zum Mond.... „Bitte nicht....“, wimmerte Fye. Schritt. „Kuro-wuff...“ Schritt. Zerren. Schritt. „Bitte... ich will nicht.... ich hab ein ganz schlechtes Gefühl dabei...“ Noch ein Schritt, er taumelte beinahe etwas. Nur noch ein paar Schritte. Tomoyo glitt beinahe aus Kuroganes Griff, sie schlief wieder tief und fest. „Ich habe Angst... Kuro-ta...“ Schritt. Zug. Atem – Herz – Schlag – Schritt. Müde. Es kostete nun seine ganze Kraft, um den Schlaf zu entfliehen und der Magier schien nach einer Weile auch keine Kraft mehr zu haben gegenzusteuern. Viel mehr musste Kurogane ihn durch seinen Griff in geraden Bahnen halten. Plötzlich sackte der Puls in seinem Griff schlagartig nach unten. Waren Wolken aufgekommen oder warum war es so dunkel? Kurogane blickte nach hinten. Fye war zu Boden gesunken. „Du bist so weit gekommen... es gibt kein zurück... lauf gefälligst...“ Fye rappelte sich wieder auf. Vier Schritte gingen sie gemeinsam, dann sank der Blonde wieder nieder und Kurogane zerrte ihn einfach mit, wie es der Köter bei seinem Frauchen gemacht hatte. Er fühlte sich ja gerade so verarscht, trotz seiner Müdigkeit. Die restlichen Schritte schafften er recht schnell. Noch ein Schritt. Schritt. Endlich war die ganze Truppe war am Waldrand angekommen und augenblicklich fiel auch die Müdigkeit von ihnen ab, als hätte sie jemand mit kaltem Wasser überschüttet. Der Ninja spuckte das Blut zu Boden und atmete erleichtert durch. Die Mädchen wurden gerade wieder wach, der Junge schien völlig erschöpft, doch klar und der Köter winselte schon wieder nervig. Nur der Magier hing noch an seinem Arm wie eine leblose Puppe. Doch der Puls in seiner Hand pochte niedrig und mit der Ruhe und Sicherheit des Schlafes. Noch einmal sah er auf das Schloss, dann riss er sich zusammen. „Lass uns weitergehen.“ „Ja.“, erwiderte der Junge. „Das ist ja gerade mal noch gut gegangen... Sind alle in Ordnung? Was ist mit Fye-san?“ Besorgt hatte sich Sakura zu dem bewusstlosen Magier gebeugt und rüttelte an seiner Schulter. Der Vogel in ihrer Tasche piepste aufgeregt, von dem Blonden kam keine Reaktion. „Kurogane-san... er wacht nicht auf...“ Nun rüttelte auch der Krieger, weit unsanfter, an dem schlafenden Mann. Nichts. Heftiger. Immer noch nichts. „Fye!“ Nichts. Die Mädchen waren doch auch wieder aufgewacht! Sorgenvoll fühlte Kurogane wieder nach dem Puls und der Temperatur. Ganz normal. Tomoyo kniete sich neben ihm. „Darf ich?“ Kritisch sah der Krieger sie an. „Warum fragst du mich das?“ Das Laub raschelte ein wenig, als das blinde Mädchen mit vorsichtigen Fingern den Kopf des Bewusstlosen etwas zur Seite legte, die Haarsträhnen hinter dem Ohr wegschob und vorsichtig über die weiche Haut dort strich. „... das habe ich vermutet... er kommt aus den Laboren...“ „WAS?! Red keinen Blödsinn!“ „Fühle hier rüber“, Tomyo blieb ruhig und nahm die Hand des Kriegers, führte sie über die Stelle hinter dem Ohr des Blonden, wo sich auch wirklich etwas Hartes befand. Kurogane war es bei ihren Intimitäten nie aufgefallen. „Das ist ein Indiz dafür, dass dort eine Tätowierung entfernt wurde, wie sie alle in den Laboren bekommen. Vielleicht wissen die Hainleute mehr...“ Er glaubte ihr sofort, es war schließlich das Ebenbild seiner Prinzessin. Dennoch wollte er ihr nicht glauben. Außerdem musst es gar nichts zu bedeuten haben, dass Fye in den Laboren gewesen war, dann war er eben schon länger in dieser Welt, konnte sich deswegen nicht erinnern und gut war! „Hast du das nicht gewusst?“, fragte sie ruhig. Verwirrt sah Sakura zwischen den beiden hin und her. „Was bedeutet das?“ Kurogane knurrte. Shaolan antwortet an seiner statt. „Vielleicht, dass das nicht der Fye ist, der mit uns gereist ist, sondern der aus dieser Welt... genauer betrachtet sieht er auch etwas jünger aus...“ Sakura schüttelte den Kopf. „Das habe ich doch gar nicht gemeint, was bedeutet es, dass er nicht aufwacht?“ „Nichts gutes...“, murmelte Yuzuriha und sah bedrückt in in eine andere Richtung. „Warum verdammt WACHT er nicht auf?“ Wütend sah der Krieger zu diesem verfluchten Schloss zurück. Und der Magier hatte auch noch gesagt, dass sie dort nicht mehr rauskamen, halb bewusstlos und hilflos auf dem Boden lagen und nun tat dieser Idiot es selbst und wachte einfach nicht auf!? Hatte er unbewusst seine Magie angewandt und es irgendwie geahnt? „Menschen aus den Laboren sind empfindlicher gegenüber bestimmter Strahlung. Eben weil sie keine eigene besitzen, sie nicht gewohnt sind. Wenn sie eine Zeit lang draußen sind, beginnt die Magie ihnen zwar das Leben auszusaugen, aber das ist ein sehr langsamer Prozess... „ erklärte das Ebenbild Kuroganes Prinzessin, „Das hier ist eine ähnliche Kraft, wir sind sie gewohnt, aber für seinen Körper war das ein zu großer Schock.“ „Wird...“, nun hatte sich auch Sakura besorgt zu dem Blonden gekniet und nahm seine Hand. „Wird er wieder aufwachen?“ „Ich weiß es nicht... ich kenne mich in diesem Gebiet nicht all zu gut aus...“, gab Tomoyo zu. „Wir sollten ihn zu einen Arzt bringen.“ Rote Augen starrten auf sie und trotz ihrer Blindheit schien das langhaarige Mädchen es zu merken und sah zu dem Krieger auf. „Wir werden gesucht. Nach dem Einbruch erst recht.“ „Ich weiß. Aber es gibt auch „unten“ einen Arzt.“ „Dr. Kyle?“ „Ja.“ „Dieser verdammte Quacksalber ist irgendwo in einer anderen Stadt!“ „Wir werden ein paar ehemalige Hainbewohner kontaktieren und seinen Aufenthaltsort herausfinden“, beruhigte sie den aufgebrachten Ninja und Yuzuriha lächelte ihn aufmunternd zu. „Ja, er ist ein Idiot, aber ein guter Arzt, mach dir keine Sorgen um deinen Freund! Und nach Styrax können wir einfach das Flugschiff unserer Entertainment-Gruppe nehmen! Wir müssen ständig in die nächste Stadt, um Requisiten und Essen zu holen, das wird überhaupt nicht auffallen.“ Die beiden anderen Blagen sahen sie verwirrt und fragend an. Kurogane sah einfach nur zu ihnen, versuchte mit seinem Missmut, die Sorge und das Chaos in seinem Inneren zu überspielen. „Was? Ihr könnt hier bleiben und die verdammte Feder holen.“ Doch der Junge schüttelte den Kopf. „Nein, ich möchte mitkommen. Prinzessin?“ Mit einem Lächeln stand Sakura auf. „Natürlich kommen wir mit, Kurogane-san!“ „Mokona auch!“, das weiße Wesen hüpfte Yuzuriha auf den Arm. „Kannst du herausfinden, wo dieser Doktor ist?“ „Bin gerade dabei...:“, erwiderte sie konzentriert, dabei ins Nichts starrend. „Er ist bei ChuNyan...“ „Chu Nyan? Das süße Mädchen aus Koryu, Kuro-rin?“ „Ah“, kam nur abwesend von dem Krieger gebrummt, er hatte gerade keine Nerven sich mit dem Gesprächsdrang der weißen Kartoffel auseinander zu setzen, er musste erst einmal verstehen, was hier schon wieder vor sich ging. Aber bevor der Fluss aus unsagbar wirren Gedanken sich irgendwie zusammen setzen konnten, um von dort einen Gedankenstrom loszutreten, der ihn wahnsinnig machen würde und erst recht in dieser Situation vernünftiges Handeln unmöglich machte, stoppte er sie, zwang sich nicht darüber nachzudenken, sondern gerade einfach das nötige zu tun. Vorsichtig nahm er den bewusstlosen 'Magier', oder wer auch immer er war, hoch und wand sich in die Richtung, wo der verdammte Wagen stehen musste. „Warte!“, rief Mokona und öffnete ihren Mund. „Fyuuuu!“ „Verdammt noch mal, ich dachte das funktioniert nicht!“ „Hier draußen schon~ ab zu Chu Nya~~~~a~~~n!“ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Langsam aber sicher kehrte so etwas wie Alltag ein. ChuNyan ging zur Schule und Hime und Shaolan räumten ein wenig die Wohnung auf, versteckten Lieferungen der anderen Ex-Hainbewohner und hörten sich in der Stadt nach neuen Informationen um. Zwei Tage nach der Hain-Auflösung war Dr.Kyle, Souma und ihr Sohn zu ihnen gestoßen. Erst waren die Erwachsenen bei Chi-chan in der Kirche gewesen, aber das war wirklich kein Ort für ein Baby! In der Wohnung wurde es zwar recht eng, doch Hime machte es große Freude das Baby zu umsorgen, mit Souma zu kochen oder mit Dr. Kyle die nötigen Medikamente und Apparate, die beim Überfall auf den Hain zerstört worden waren, neu zu besorgen. Sicherlich würde hier bald die inoffizielle Krankenstation entstehen, da war sie sich sicher und freute sich darauf. Auch wenn alles anders war, blieb es doch irgendwie gleich. Gerade war sie mit Shaolan wieder gekommen, sie hatten das erste Mal seit langen in einem Einkaufszentrum normal eingekauft und es war eine seltsame Erfahrung gewesen... Im Hain hatten sie sich nicht darum kümmern müssen, aber ChuNyan bekam regelmäßig Waisengeld überwiesen, von dem sie gefahrlos einkaufen konnten. Auch wenn das Geld für fünf Personen und ein Baby kaum ausreichte. Fröhlich vor sich hinpfeifend, einem Lied im Radio lauschend, brühte das braunhaarige Mädchen Milchpulver für das Baby auf. ChuNyan war zur Schule gegangen, Kyle schlief nach einem Nachteinsatz und Souma war in der Stadt. Ihr Stiefbruder schälte gedankenverloren Kartoffeln für das Mittagessen, was sie nebenbei zubereiteten. Es war wirklich schön. So voll und voller Leben. Wenn sie sich vorstellte, wie einsam und verzweifelt sie sich vor wenigen Tagen noch in dieser stillen Küche gefühlt hatte, könnte sie mit sich schimpfen. Es ging doch immer weiter, solange sie ihren Bruder und ihre Freunde um sich hatte. Es würde immer wieder besser werden, davon war sie überzeugt. Plötzlich hörte man aus dem Nebenzimmer ein aufgebrachtes. „VERDAMMT NOCH MAL, WAS FÄLLT IHNEN EIN EINFACH SO AUS DEM NICHTS HIER AUFZUTAUCHEN!“ „Ein Notfall.“ Diese Stimme kam ihr doch bekannt vor! Ihr Bruder ließ in diesem Moment das Messer sinken und sah sie an, auch er hatte die Stimme erkannt. „Das ist doch dieser Freund von Fye... Kurogane.“ „Lass uns rüber gehen!“, die Milch völlig vergessend lief Hime ins Wohnzimmer, wo sich ihr auch schon ein seltsames Bild bot. In dem eh nicht großen Raum stand ein wutentbrannter, wild gestikulierender Doktor, ein großer schwarzhaariger Mann, der genervt auf ihn herunter sah und einen Bewusstlosen in den Armen hielt. „Fye!“, rief Hime und lief zu ihm ohne die anderen Personen zu beachten. „Fye! Doktor, was ist mit ihm?“ „Woher soll ich das wissen?“; brummte dieser missmutig, „denkst du ich hab n' Ferndiagnosefisch in meinem Ohr sitzen? Wenn's das gäbe, war ich längst arbeitslos.“ „Bitte, helfen sie ihm!“, flehte eine Stimme, die sich genau anhörte wie ihre, doch Hime hatte gar nichts gesagt. Völlig verwundert sah sie auf das Mädchen, ihr genaues Spiegelbild, das auf den Doktor zu gelaufen war und flehend seine Hand nahm. „Bitte, ich flehe sie an, bitte helfen sie ihm!“ Überhaupt nicht verwundert sah er das Mädchen etwas abschätzend an. „Nur Laborratten hier....“ Kurogane packte ihm am Kragen. „Hilf ihm, oder ich brech dir deine Knochen so, dass kein Arzt der Welt dir noch helfen kann.“ „Mit Drohen erreichen Sie nur, dass ich ihnen eine Beruhigungsspritze gebe, mein Lieber. Also atmen Sie tief durch, denken sie an eine grüne Wiese und Sonnenschein und geben sie mir den Patienten.“ Der Blick, den Kurogane dem Doktor zuwarf, machte Hime schon recht Angst und auch die andere Hime verwirrte sie, doch die Sorge um ihren Freund überwog. „Bitte, Doktor!“ „Jaja“, brummte dieser. „Legten Sie ihn aufs Sofa, ich hol meine Instrumente.“ Nicht gerade schnell und sehr missmutig „Nicht mal in Ruhe schlafen kann man...“, vor sich hinbrummelnd verließ Dr. Kyle das Wohnzimmer, um seinen Arztkoffer zu holen, der irgendwo im Schlafzimmer stand. Erleichtert atmete Hime durch und drehte sich dann zu ihrem Bruder um, nur um den nächsten Schreck zu bekommen. Ihn gabs ja auch zwei Mal! Verwirrt sahen sich die beiden an. Shaolan lächelte und hielt dem anderen Jungen die Hand hin. „Hallo, mein Name ist Shaolan und das ist meine Schwester Hime.“ Für einen kurzen Moment schien der Junge verwirrt, doch dann lächelte er höflich und erwiderte den Händedruck. „Freut mich, mein Name ist auch Shaolan. Guten Tag Hime.“ „Oh je, das wird verwirrend.“ „Und das hier ist Sakura.“ Das Mädchen lächelte. „Hallo!“ „Und ich bin Mokona!“ „Huch! Bist du ein Mutant?“ „Nein, Mokona ist Mokona! Mokona ist einzigartig! Yuuko hat Mokona gemacht.“ „Ah-aha. Freut mich dich kennen zu lernen“, stotterte der braunhaarige Junge aus Styrax verwirrt, angesichts des weißen, großäugigen Dings auf seinem Kopf. „Oh, Tomoyo!“, freute sich Hime, als ihr auch noch das andere Mädchen auffiel und umarmte sie sogleich. „Wenn du wüsstest, wie dein Großvater dich vermisst hat!“ Die Kleine lächelte. „Ich spüre es geht dir gut Hime, das freut mich. Wie geht es Großvater?“ „Der Hainälteste ist tot....“, erklärte Shaolan bedrückt und Tomoyos Lächeln wurde augenblicklich eine Spur trauriger. „Das habe ich schon befürchtet....“ „Aber er hat bis zu letzt von dir geredet!“, versuchte Hime die bedrückte Stimmung ein wenig zu heben, was angesichts des besorgten Kriegers und ihrer ebenfalls angespannt wirkenden Ebenbilder nicht all zu leicht war. „Von seiner Prinzessin von Japan und so!“ „Was? Japan schon wieder?“, Kurogane fragte angespannt und nicht wirklich auf sie konzentriert. Völlig fixiert starrte er auf den Bewusstlosen, der ruhig atmend auf dem Sofa lag. „Das ist der Kosename, den er Tomoyo-chan gegeben hat“, erklärte Hime lächelnd, „aber mit dem Alter wurde er immer verwirrter und glaubte wirklich, dass sie eine Prinzessin aus Japan wäre. Ich glaube er wollte sich damit nur nicht bewusst machen, dass Tomoyo ihn nicht mehr besuchen konnte...“ Das schwarzhaarige Mädchen lächelte traurig und in diesem Moment kam auch der Doktor wieder, sah missmutig in die Runde. „Alle die kleiner als 1,80 sind und keine medizinische Ausbildung haben, raus. Hime, du bleibst hier. Besorg mir Handschuhe, ich hab in der Küche eingeschweißte Putzhandschuhe gesehen, die müssten es tun.“ Eilig lief das Mädchen los und der Trott aus Halbwüchsigen folgte ihr. „Wo ist eigentlich Yuzuriha?“, fiel dem fremden Shaolan ein. „Yuzuriha-chan wollte da bleiben, weil sie zurück zu ihrer Enten-gruppe muss“, erklärte der weiße Mutant wichtigtuerisch, sah aber gleichzeitig traurig zum Wohnzimmer zurück. Hime war mittlerweile dabei die übergekochte Milch vom Herd zu nehmen. „Shaolan, die Milch ist mir übergekocht! Kümmerst du dich bitte darum?“ „Ja!“/“Jo.“, erwiderten beide Jungen synchron. ~~~~~~~~ Währenddessen herrschte im umfunktionierten Behandlungszimmer angespannte Stille. Der Krieger hatte sich mit verschränkten Armen an die Wand gelehnt und beobachtete kritisch was der Doktor mit dem Magier anstellte. Er hatte schon im Hain festgestellt, dass die Vorgehensweise in dieser Welt eine ganz andere als in Japan war, doch damals waren sie schnell genesen, weswegen er nichts sagte. Grob tastete der Affe den nackten Oberkörper des Blonden ab, suchte anscheinend etwas. „Keine sonstigen Narben“, murmelte er und schob seine Brille weiter nach oben, als er die Wunde am Auge noch einmal untersuchte. „Keine Infektion.“ Hime notierte alles sorgfältig. Er suchte in seiner Tasche nach einem seltsamen Apparat, die gelben Handschuhe gaben dabei ein Quietschen von sich. Sich zwei Enden des Apparats in die Ohren stecken, fuhr er mit dem dritten Ende auf der Brust des Blonden herum. Fye atmete ruhig ein und aus, wachte aber nicht auf. Kurogane starrte zum Fenster hinaus. Keine Sonne, nur hohe Gebäude und Wasser und Flugschiffe. Willkommen zurück in der - wie nannte Tomoyo sie? - in der Stadt, in der der 'Gründer' sich Beklemmung wünschte. Gerade lag diese Beklemmung zentnerschwer auf seiner Brust. Doch selbst unter dem weiten Himmel bei der Zwischenstation hätte er diese Beklemmung gespürt. Am liebsten würde er mit dem Kopf mehrmals gegen die Wand rennen. Warum hatte er dem verdammten Magier auch nicht zugehört, warum hatte er ihm nicht geglaubt? Warum war er verdammt noch mal nicht mit ihm zurück gegangen? Wieder hatte er seinen Kopf durchsetzen müssen und nun standen sie wieder vor einer Katastrophe. „Tomoyo meinte er käm' aus den Laboren“, sagte er grimmig, immer noch aus dem Fenster starrend, um diese unerträgliche Stille zu durchbrechen und dem verrückten Doktor wenigstens zu entlocken was Fye hatte. „Gut möglich“, erwiderte Kyle konzentriert. „Adrenalin.“ „Was?“, fragte der Krieger verwirrt und sah wie das Ebenbild schnell und professionell eine gelbliche Flüssigkeit aus einem kleines Gläschen in eine Spritze sog, die kurz darauf unsanft in Fyes Ellbeuge gepresst wurde. „Und gib dem Kerl da ne Beruhigungsspritze, damit er die Klappe hält und schmeiß ihn raus.“ „Verdammt, ich bleibe hier!“ „Doppelte Portion, bitte.“ ~~~~~~~~~~~~~~~ Völlig weggetreten saß der Krieger am Küchentisch und starrte auf das Baby. Es kreischte und sabberte und tat all das, was Kleinkinder sonst so taten. Es lag in Sakuras, Himes, wessen Arme auch immer, und das verdammte Wollkneul versuchte es mit einer weißlichen Flüssigkeit in einer Flasche zu füttern. Er starrte. Die Uhr tickte. Der Raum war mit Sakura, zwei Bengeln, Tomoyo und der frisch hinzugekommenen ChuNyan viel zu voll. Kyle und Hime waren immer noch im Wohnzimmer. Und Fye. Die Uhr tickte. Besorgt beugte sich Sakura, Hime, wer auch immer, zu ihm und nahm seine Hand, schenkte ihm etwas Wasser ein. Doch er reagierte nicht auf sie. Starrte einfach nur das Baby an. Schwer seufze er, schloss die Augen für einen Augenblick. Die Uhr tickte. Wer auch immer rief seinen Namen. „Dr. Kyle, ich glaube die doppelte Portion Beruhigungsmittel war zu viel...“, drang wer-auch-immers Stimme zu ihm. Und ein anderer wer-auch-immer: „Dann geb' ihm Kaffee.“ ~~~~~~~~~~~~~~~ „Also, was ist mit ihm los?“, fragte Kurogane als er 20 Minuten später dank einem scheußlichen Gebräu wieder klar war. Dr. Kyle seufze und studierte die Krankenakte. „Erst hab ich Ihnen ein paar Fragen zu stellen, Freundchen.“ Der Ninja nickte, auch wenn er den Doktor nicht mochte, er half ihnen. „Sind sie mit dem Patienten intim?“ „Bitte was?!“ „Schlafen sie miteinander?“ Heftig errötend blickte der Ninja den Doktor an, war heilfroh, dass die Kinder noch in der Küche waren und nur das Ebenbild der Prinzessin mit ihnen im Raum. „Ja...“ „Und nichts aufgefallen? Narben? Wunden? Tattoos? Seltsames Verhalten? Irgendwas?“ Kritisch sah Kurogane den Arzt an. „Du bist der Arzt, aber der verdammte Idiot benimmt sich immer seltsam. Hast du ihn nicht untersucht als er in den Hain kam?“ „Denken Sie ich merke mir jede Krankenakte? Die sind im Hain abgefackelt. Außerdem guck ich mir Patienten aus den Laboren nicht so genau an, ich will nicht wissen, was sie mit denen anstellen. Deswegen kommen sie ja, um lästigen Fragen und Verfolgung zu entgehen. Zurück zum abnormalen Verhalten, Amnesie?“ „Ja.“ „Alpträume?“ „Ah.“ „Welcher Art?“ Kurz warf er einen Blick zu Fye, eigentlich war das vertraulich. „Verfolgungen.... und er hat sich einmal versucht das Übersetzungsding rauszuholen.“ „Ah. Nun. Die Narbe hinter dem Ohr lässt auf eine recht unproffesionielle Entfernung einer Tätowierung schließen.“ „Da ist keine Narbe.“ „Da ist eine, sie wurde nur gut verdeckt. Ich vermute dieser Stümper Storm hat das gemacht.“ „Storm?!“ „Ich habe ihm verboten Leute aus den Laboren her zu bringen, dachte wohl er könnte mich mit diesem Trick verarschen. Gut dass er jetzt tot ist.“ „....“ „Fakt ist, dass er höchstwahrscheinlich aus den Laboren kommt. Und das wiederum heißt, dass Sie's vergessen können.“ „Was?!“ „Ich werde sehen was ich tun kann. Ich kann ihn vielleicht so weit wieder herstellen, dass er aufwacht, aber für mich sieht das aus wie eine durch einen Schockzustand vollständig irreversible Löschung der Normung aus. Wenn wir ein Magnetresonanztomographie [3] durchführten, könnten wir sicherlich sehen, dass alle Nervenbahnen im Gehirn auf ihren Ausgangszustand zurück gesetzt sind. Ausgangszustand im Labor natürlich, nicht der eines Neugeborenen, wäre ja auch unpraktisch den ganzen Kopien und Schöpfungen auch noch das Sprechen und Laufen beizubringen. Nun, dieser Ausgangszustand ist völlig anders als eine gewöhnliche Amnesie, in der relevante Informationen noch im Unterbewusstsein vorhanden und in einzelnen 'Flashs' an die Oberfläche treten, bis sich die volle Memorationsleistung wieder herstellt. Hier ist alles, in Ihrer Laiensprache sozusagen, 'gelöscht', unwiederbringlich. Futschiputschi. Ist bei normalen Menschen nicht möglich, nur bei Laborerzeugnissen. Wenn es sich also so erhält, dann ist das der unwiderlegbare Beweis, dass er einer ist.“ „Was heißt das....?“ „Na ja, dass sie jetzt ein nettes Spielzeug haben, dass sie normen können? Aber ihren Freund bekommen sie nicht zurück.“ Hart schluckte Kurogane. Das konnte doch nicht sein... das... das war zu lächerlich und zu unglaublich, um wahr zu sein. „Gibt...“, kam eine Stimme von der Tür und beide Männer drehten sich zu der Prinzessin des Wüstenkönigreichs CLOW um. „Gibt es keine Möglichkeit, damit er wieder der selbe wird?“ „Wir bringen ihn zurück ins Labor und hoffen, dass sie ihn zufällig noch einmal genau so normen?“, fragte Kyle sarkastisch und sah das Mädchen abschätzig an. „Hör mal Kleine, auch wenn du guckst wie ein geschlagener Köter, wird das die medizinischen Tatsachen nicht ändern. Er ist so gut wie tot. Nur sein Körper ist noch lebendig. Futschiputschi.“ „Aber es muss doch einen Weg geben!“, rief die Prinzessin den Tränen nahe. „Kurogane-san!“ Grimmig und hart starrte der schwarzhaarige Mann auf den Bewusstlosen. Er musste das akzeptieren. Tot war tot. Weg war weg. In Illusionen und hoffnungslosen Wünschen lebten nur Idioten, Leute die zu schwach waren die Realität zu akzeptieren und mit ihr zu Leben. Nicht er. Hart biss er sich auf die Lippen. Er schmeckte das getrocknete Blut immer noch in seinem Mund. Er spürte regelrecht den enttäuschten Blick der Prinzessin. „Doktor, bitte! Gibt es keine andere Möglichkeit?!“ „Seinen Kopf aufschneiden, dann bräuchte ich eine Gartenzange und ne menge Taschentücher, habt ihr doch, oder?“ Sakura wurde blass und der Krieger sah den Arzt entsetzt an. „Bei den Göttern...“ „Bei wem auch immer“, antwortete Kyle und schmiss die Handschuhe auf den Tisch. „Ich hol jetzt den Schlaf nach, den ihr mir durch euer zeitlich durchaus unpassendes Erscheinen geraubt habt. Gute Nacht.“ Als der Doktor den Raum verlassen hatte, waren sie nur noch zu dritt. Die Prinzessin weinte bitterlich, Kurogane starrte auf den Blonden. Das verdammte Blag plärrte in der Küche und in dem Moment erklang ein Schlüssel an der Haustüre und Souma kam zurück. „Verdammter Idiot“, flüsterte Kurogane. Er wusste nicht, ob er Fye damit meinte. Nein, er meinte definitiv nicht diesen bewusstlosen Mann dort. Er meinte sich selbst. Er hatte quasi alles falsch gemacht und nun stand er wieder da und konnte den Menschen, die er beschützen wollte, kein Stück helfen. ~~~~~~ Kapitel 27 ende ~~~ Anmerkung: So, nun ist das auch raus. Viele haben ja schon vermutet, dass da was im Busch war. Ich hoffe es war alles verständlich. Hoch lebe die Schreibblockade. Oo Ach ja, noch etwas zu Kuroganes Charakter: Manchmal denke ich, ich müsste ihn mehr wie den eher sanfteren, reflektieren Kuro spielen, aber das ist er noch gar nicht. Diese FF setzt kurz nach Outo ein, das heißt Kurogane muss den Prozess erst noch durchmachen, was mir einige Kopfschmerzen bereitet hat, aber ich denke/hoffe mal es hat einigermaßen geklappt. Aber noch sind nicht alle Rätsel gelöst! Freue mich über konstruktive Kritik oo und ähnliches (vielleicht was nettes XD;; aber Kritik is auch klasse oo keine Angst.) [1] oo ganz vergessen zu sagen, dass der Name „Omehlas“, geringfügig abgeändert von Ursular K. Le Guin's utopischer Kurzgeschichte „Those who walked away from Omelas“ übernommen wurde. Und hab natürlich keine Rechte dran. [2] Erinnert mich ja gerade beängstigend an die 5 Freunde XD [3] Kernspintomographie, Kyle liebt eben Fachbegriffe, die keiner außer ihm versteht. In diesem Fall am Gehirn angewendet. „Bildgebendes Verfahren, das vor allem in der medizinischen Diagnostik zur Darstellung von Struktur und Funktion der Gewebe und Organe im Körper eingesetzt wird.“ (Aus Wikipedia) 28. Kapitel - (Die perfekte Welt) --------------------------------- Kommentar: Diese FF weiterzuschreiben war ein wahrer Kampf. Eben weil sie über Jahre geschrieben ist, steckt viel von meinen eigenen Gefühlen darin und teilweise konnte ich auch deswegen nicht weiterschreiben. Auch musste ich dem Drang widerstehen, sie von vorne bis hinten zu bearbeiten und verändern, um sie auf ein 'Niveau' zu bringen. Doch die alten Kapitel bleiben wie sie sind, sie haben alle etwas, was ich mag, und was ich nicht mag. Auch die folgenden 5 Kapitel sind über Monate hinweg entstanden und vor allem Kapitel 28 habe ich ungefähr 8x völlig neu geschrieben. Feedback und Konstruktive Kritik sind daher immer sehr erwünscht. Ach ja, wenn jemand vom letzten Kapitel verwirrt war, das war gewollt. In den nächsten Kapiteln wird sich einiges klären (vielleicht gibt es dafür aber noch andere Verwirrungen?) Ach ja, ich habe momentan keinen Beta für diese FF.... ich hoffe das macht sich nicht bemerkbar. Wenn jemand grobe Fehler oder Ungereimtheiten (die nicht zur Story gehören) findet, wäre es super, das irgendwo zu vermerken (von mir aus auch in ner ENS). Edit 28.Mrz 2013: Ich habe einen Beta! Tadaa!! Deswegen wurden hier noch ein paar Fehler rausgebügelt und das nächste Kapitel ist dann sozusagen beta-päpstlich abgesegnet. Vielen Dank an Nina! Du hast wirklich klasse Arbeit geleistet! x.x.x..x.x.x.x.x.x.x..x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.x..x Natürlich würde er es nicht so offen zugeben: Doch als Kind hatte er tatsächlich geglaubt, die Welt sei perfekt. Nicht immer schön (all die Dinge, die ihn ärgerten, ängstigten; die für Erwachsene Sinn machten, für ihn aber völlig unverständlich waren) – und die manchmal - ohne dass er groß den Überblick darüber hatte, warum - weh tat. Doch im Großen und Ganzen schien die Welt jedoch schon in Ordnung. Eine Ordnung, in die er hinein geboren worden war, in der er seinen Platz hatte, die unantastbar für die Ewigkeit schien und damit perfekt. Doch diese Ordnung brach zusammen. Natürlich. Das tat sie immer irgendwann. Doch seine Ordnung tat es nicht Stück für Stück auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Sondern auf einen Schlag innerhalb einer einzigen Nacht voll Feuer und Schreie und Tod kurz vor seinem 12. Geburtstag (viel zu früh hörte er die Leute ab Hof mitleidig flüstern, aber wann war sonst die richtige Zeit alles bedeutende zu verlieren?, fragte er sich damals und kämpfte nur noch um so verbissener). Lange Jahre lang musste er sich eine neue Welt zurechtbiegen, seinen Platz in ihr erkämpfen. Er hatte es geschafft und er war stolz darauf. Doch ein letzter Rest von Chaos war nie verschwunden: Sein Blick dafür, wie wenig perfekt die Welt war; Die Wut über jeden, der sein Leben als selbstverständlich hinnahm; Das Wissen, wie leicht Menschen zu töten waren und wie viel Schutz und Kraft man aufbringen musste, um auch nur ein einziges Leben zu beschützen; Dieser leise Verdacht, dass trotz seiner Stärke, sich die Welt jeder Zeit noch mal auf den Kopf drehen könnte, wenn er nicht ständig um sie kämpfte. _______________________________________________ Vor 2 Tagen hatte er Tomoyo am Arm gepackt und aus der überfüllten Küche gezogen. Das blinde Mädchen hatte keinen Protest von sich gegen als er sie vor dem Schlafen/Bewusstlosen/Toten auf dem Sofa gezogen hatte, auf ihn zeigte, so als könnte das blinde Mädchen ihn sehen. „Erklär mir das!“ Denn sie war ja das Ebenbild seiner Prinzessin, umgeben von Geheimnissen und wenn er nur stur genug war, dann bekam er schon die Antworten, die er nicht mehr von Fye bekommen konnte (als hätte das jemals geklappt). Das Mädchen schüttelte nur traurig den Kopf. „Ich kenne mich nicht so gut damit aus... ein Schock, wegen der Strahlung... ich... ich weiß nicht, was man da tun kann. Wenn es selbst der Doktor nicht weiß... Nach dem Glauben der alten Welt könnte man ihm mit Hilfe seiner 'Essenz' Kraft zurück geben, doch Laborerzeugnisse haben keine 'Essenz'-- es..“ Sie biss sich auf die Lippen und kämpfte gegen die Tränen an und Kurogane sah auf seine Hand, der ihren Arm so fest hielt, dass er rote Abdrücke hinterließ als er sie freigab. Ein Kind. Er verlangte von einem Kind Antworten, nur weil sie jemandem ähnlich sah, der ihm schon einmal Halt gegeben hatte, nachdem die Ordnung zusammenbrach. „Du solltest zu deiner Freundin zurückgehen, es ist zu gefährlich hier.“ _______________________________________________ Und nun war die Welt so: An irgendeinem Ort in irgendeiner Illusion. In Welt von dem ihm nur das Weiß ihm im Sinn blieb, wenn er die Augen schloss. In einer Stadt, die am besten mit 'Gestank' und als wässrigen 'Labyrinth' zu beschreiben war. Und sein Herzschlag erinnerte ihn immer mehr an Schneerauschen, je länger er in dem abgedunkelten Wohnzimmer saß, Schatten anstarrte, Stunden passiv verstreichen ließ und die Imperfektion der Welt in jeder Zelle spürte. Sich fragte, wie er das nicht hätte ahnen können; dass es so werden würde; ihm der verdammte Magier so sehr unter die Haut ging. Das Wohnzimmer wurde in unregelmäßigen Intervallen von blauem Licht geflutet: Suchscheinwerfer, die nach der Sperrstunde die Straßen ausleuchteten. Ein braunhaariges Mädchen, das die Hand ihres Freundes hielt, als würde er aufwachen, wenn sie nur genug geheult hatte. In der Küche plärrte das Radio, warf neue Prophezeiungen von Gefahren und neue Meldungen über das Attentat auf EX- Oberhaupt Ashura vor die Füße ihrer unfreiwillig zusammengewürfelten Wohngemeinschaft (wirklich, es war nur ein Einbruch gewesen). Der Geruch von Instantkaffee, Milchpulver und Smog. x.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x In der Innenstadt von Sytarax herrschte der selbe Lärm und der selbe Trubel wie stets, so als hätten in der Nacht keine verstärkten Kontrollen stattgefunden, keine Ausgangssperre nach Sonnenuntergang und als sei kein striktes Ein- und Ausreiseverbot verhängt worden. Vermutlich waren die Leute hier solche 'Maßnahmen' gewohnt. Sie kamen und gingen und hatten auf die Gewohnheiten nicht mehr Einfluss als das Wetter. Auf wen das ganze jedoch Einfuss hatte, war der bunt zusammengewürfelte Haufen an Hain-Flüchtlingen, Kindern und Dimensionsreisenden in der viel zu kleinen Wohnung. Auch war die Realität auch am dritten Tag nach Omehals nicht völlig vor der Sorge und dem Schweigen geflüchtet. Genau so wenig wie die alltäglichen Probleme: Ihnen gingen langsam die Vorräte aus. Da die meisten dieser Bewohner auch noch von den Industriellen gesucht wurden, war es an ChuNyan, Shaolan und Sakura Lebensmittel zu besorgen. Zwar war es auch für die Dimensionsreisenden nicht ungefährlich draußen herumzulaufen, doch dank den seltsame Apparaten, an denen Shaolans Ebenbild die ganze Nacht gearbeitet und die ihnen Dr. Kyle dann unter die Haut operiert hatte, mussten sie zumindest die Kontrollen nicht fürchten. Es war ein komisches Gefühl für das Mädchen, dieses harte Stück Metall unter ihrer Haut erfühlen zu können, doch es war praktisch, so konnten sich Shaolan und sie auch ohne Mokonas Hilfe mit den Menschen in dieser Welt verständigen. Das weiße Wesen wollte Kurogane und 'Fye' eh gerade nicht allein lassen. Mit schlechtem Gewissen spürte sie auch, dass sie ganz froh war, aus der beengten, überfüllten Wohnung heraus zu kommen und in den bunten Trubel eintauchen zu können, sich irgendwie nützlich zu machen, wenn sie sich schon dort verstecken durften. Gerade betraten sie ein riesiges Gebäude, das aussah wie ein Palast mit zehn Stockwerken, das jedoch in Wirklichkeit eine riesige Markthalle war. Händler boten ihre Wahre an, Illusionen schwebten in der Luft und sprachen mit ihnen, Musik drang aus den Lautsprechern in ein Meer aus Eindrücken, die die Prinzessin regelrecht benebelten. „Wir brauchen Milchpulver und Konserven, außerdem Antibiotika. Milchpulver bekommen wir im dritten Stockwerk bei 'Kleinkinderbedarf', die Apotheke ist in der zehnten. Von da hat man eine super Aussicht auf den Gemischtwarenmarkt unten! “, erklärte ihnen ChuNyan und bahnte sich ihren Weg zu den Aufzügen. „Daneben ist auch ein Buchladen. Sakura hat mir erzählt, du magst Bücher, Shaolan?“ Sakura musste ihn am Ellbogen berühren, bevor er aus seinen Gedanken gerissen werden konnte. „Shaolan-kun?“ „Eh- was? Ja, ehm. Sehr gerne.“ „Mit der Software, die dir Shaolan eingebaut hat, kannst du sogar die Schrift dieses Landes lesen! Super, oder?“ „Ja...Danke.“ Besorgt sah Sakura zu dem Jungen, während das schwarzhaarige Mädchen voran lief. Shaolan konnten nicht mal Bücher von seinen Grübeleien ablenken. „Geht es dir nicht gut?“, fragte sie. Leicht schüttelte er den Kopf und hielt sich am Griff des durchsichtigen Fahrstuhls fest, der sie in rasender Geschwindigkeit in den 10.Stock brachten. „Nein, ich war nur in Gedanken.“ „Ich finde...“, begann Sakura und zögerte es anzusprechen, „Ich finde eh... diese Welt ist ziemlich gefährlich... vielleicht sollten wir nicht nach der Feder-“ „Wir müssen eh Fye-san finden, dann können wir auch zur selben Zeit nach deiner Erinnerung suchen, Prinzessin“, unterbrach sie der Junge. "Es macht keinen Unterschied." Sie nickte zustimmend, fühlte sich aber unwohl dabei. Sie hatte den anderen noch nicht von ihrer Begegnung mit Fyes Ebenbild in der Villa erzählt, irgendetwas hielt sie davon ab. Wenn es in der Welt mehrere Menschen gab, die das selbe Aussehen hatten... und der Mann hatte sie eindeutig nicht erkannt. Und Ashura-san wirkte wirklich besorgt um ihn... Die durchsichtige Kabine hielt mit einem sanften Ruck und sie mussten sich durch die hereinströmenden Menschenmassen hinaus schieben. Ashura-san, der selbe Mann, den die Hainleute fürchteten und verfluchten... sie konnte irgenwie nicht glauben, dass es so einfach war. Doch die Aussicht lenkten sie von diesen Gedanken ab.Von hier aus konnte man fast auf all die Menschen sehen, die sich im Gebäude befanden! Sie liefen auf den Etagen herum, lehnten sich unterhaltend ans Geländer und zwischen ihnen hingen die 'Geister' (hier nannte man sie Hologramme), blau und mysteriös. Auf der untersten Etage war ein Markt aufgebaut und überall funkele es und alles war so voller Stimmen und unterschiedlicher Musik und Gerüche, dass ihr fast schwindelig wurde. Sie kauften die Medizin, fuhren dann wieder mit dem Aufzug, kaufen Milchpulver, Nudeln und ChuNyan schleifte 'Shao' in den Buchladen, wo dieser letztendlich doch etwas Ablenkung fand. Zum Abschluss schlenderten sie mit Tüten beladen über den Markt im Erdgeschoss. Das dunkelhaarige Mädchen erklärte ihr alles so schnell, dass sie fast über ihre eigenen Worte stolperte und ergriff immer wieder ihre Hand, um sie weiter zu ziehen. Es schien ihr als versuchte ChuNyan ihe angeschlagene Laune wett zu machen, indem sie einfach schneller redete, wilder gestikulierte und mehr Enthusiasmus an den Tag legte. Shoalan folgte den beiden Mädchen meist nur schweigend und hielt die Umgebung im Blick. Doch auch ihn traf völlig unvorbereitet, was dann geschah. Plötzlich gingen alle Lichter aus, die Leute um ihn herum hielten sofort inne und schauten sich verunsichert um. Die Notbeleuchtung flackerte kurz auf, dann gingen auch diese Lampen wieder aus. „Was ist passiert?“, wollte Sakura gerade ihre Freundin fragen, als diese sie auch schon grob vorwärts zog. „Wir müssen hier raus! Schnell!“, rief sie dem Jungen zu und rannte mit ihr durch die Menge, stolperte über Kabel und Stände und prallte gegen Menschen. Nur durch das gläserne Dach hoch oben kam etwas Licht, doch es reichte kaum aus, um mehr als Schatten zu erkennen. Doch sie schafften es nicht ganz. Bevor sie auch nur die Hälfte der Strecke zum Ausgang hinter sich gebracht hatte, ertönte ein lauter Knall und eine heiße Druckwelle riss sie und alle umstehenden Leute zu Boden; das Licht war in dreifacher Intensität wieder zurück. Die Einkaufstüte flog Sakura aus der Hand und Sakura schlitterte ein Stück weit über den Boden, stieß gegen andere Menschen und realisiere erst dann, dass sie auf dem Boden lag. Plötzlich war alles viel zu hell und mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die oberen Stockwerke, die lichterloh in Flammen standen. Ein weiterer Knall erschallte, übertönte selbst die erschrockenen Rufe um sie herum und Scherben von Fensterscheiben segelten wie ein kristallener Regen auf sie hinunter, in denen sich funkelndes Licht brach. Es sah schön aus, sie hätte es ewig ansehen können, doch Shaolan war plötzlich über ihr, drückte sie nach unten und schirmte sie mit seinem Körper ab, während die Scherben prasselnd wie Regen um sie herum niederfielen. Dann wurde sie wieder auf die Beine gezogen, stolperte über liegende Menschen und umgekippte Stände, versuchte einfach nur Shaolans Hand auf keinen Fall loszulassen. Immer wieder ertönten weitere Explosionen, Dinge rasselten auf sie nieder, stürzten um oder wurden plötzlich von unsichtbaren Kraft durch die Gegend geschleudert. Auch der Boden unter ihren Füßen wackelte schwindelerregend, brach an manchen Stellen auf und gab den Blick auf brennende Lagerräume frei. Doch irgendwie schafften sie es zum Ausgang. Draußen angekommen, hatte sich schon eine Menschentraube gebildet und Wächter drangen in das Gebäude ein, um es zu stürmen, oder um den Menschen darin zu helfen, konnten in dem Chaos niemand von ihrer Gruppe sagen. Doch es war besser ihnen nicht zu begegnen, weswegen sie im Schutz der Menschenmasse in einer der Seitengassen verschwanden. Schwer atmend kamen die kleine Gruppe zum halten. „Bist du verletzt, Prinzessin?“, Sakura schüttelte den Kopf, bis auf ein paar Kratzer war ihr nichts passiert, auch Shaolan und Chu Nyan schien es wie durch ein Wunder bis auf ein paar Schnittwunden und Prellungen gut zu gehen. Ihre Beine zitterten und sie kämpfte gegen die Tränen an als sie sich durch enge, verwinkelte und mit Müll völlgestellten Gassen hindurch eilig auf den Rückweg machten. x.x.x.x.x.x.x x.x.x.x.x.x.x x.x.x.x.x.x.x x.x.x.x.x.x.x x.x.x.x.x.x.x x.x.x.x.x.x.x x.x.x.x.x.x.x „WARUM VERDAMMT GREIFEN DIESE IRREN IHRE EIGENEN LEUTE AN?!“ Kuroganes Faust donnerte auf den Tisch, der dadurch fast zerbrach. „Ich glaube nicht, dass das Wächter waren...“, bemerkte Souma und schüttete Kaffe nach, während ihr Mann die Wunden der Kinder reinigte und auf die Schnitte eine durchsichtige Paste auftrug. Im Radio war von mehreren Verletzten und auch Toten berichtet worden. Die Küche hatte sich längst zu einer Art 'Konferenzraum' entwickelt, nur Hime fehlte, die sich strikt weigerte die Seite ihres Freundes zu verlassen. „Wer bitte dann?!“, verlangte Kurogane zu wissen. „Es ist gut möglich, dass es sich um eine Racheaktion handelt...:“ Shaolans Ebenbild blickte beim Sprechen bedrückt auf die Tischplatte, um dem Blick der Dimensionsreisenden nicht stand halten zu müssen. „Es gibt durchaus Leute von unten, die die politische Lage mit Waffengewalt zu ändern versuchen...“ „Besonders da es in den letzten Wochen mehrere Angriffe auf uns gab“, erklärte Souma weiter. „Der Hain war nur der Auftakt. Die Kontrollen sind stärker geworden, die ehemaligen U-Bahnschächte und der ganze Untergrund sollen gesprengt werden... es gab eine Menge Tote auf unserer Seite... niemand weiß wie viele. Ashura geht diesmal hart gegen uns vor.“ Bedrücktes Schweigen breitete sich in der Küche aus. Eine hölzerne Küchenuhr über der Tür tickte monoton vor sich hin, ihre fein geschwungenen Zeiger sich unerbittlich auf den Nachmittag zubewegend. „Und daher ist es okay, dass andere Unschuldige darunter leiden?“ Es war mehr eine ironische Feststellung seitens Kurogane, statt einer Frage. „Bitte sparen Sie sich diese Verallgemeinerungen. Niemand in diesem Raum neigt zu besonderer Gewalt – außer Sie vielleicht“, bemerkte der Arzt. „Ach, Schnauze.“ „Ich erinnere mich nur an Ihr nicht gerade pazifistisches und zudem unnötiges Eingreifen im Hain.“ „Was ist denn im Hain passiert?“, fragte Sakura. „Nichts“, unterband Kurogane jegliche Antwort. Das brauchte die Prinzessin nicht zu wissen. In das schwere Schweigen hinein, das darauf folgte, fragte Sakura mutig: „Und wie geht es 'Fye'....?“ Der Doktor sah nicht einmal auf, wahrscheinlich hatte er längst den Überblick über die Lage und war nur von Souma angehalten worden, sich zurückzuhalten. „Ich versuche es noch mal mit dem letzten Rest Antibiotika, aber eigentlich ist das reine Verschwendung, vor allem, da ihr den Nachschub bezahlt und dann im Einkaufszentrum habt liegen lassen.“ Shaolan zuckte leicht zusammen während ein größerer Splitter aus seiner Hand entfernt wurde und Sakura streichelte vorsichtig über das weiche Gefieder des Vogels in ihren Händen. Sie überlegte, ob der Mann in Ashuras Villa davon wusste, was Ashura-san tat. Ihr Blick huschte zu dem Krieger, der völlig in Gedanken verloren Souma anblickte, die seinem Blick auswich, indem sie sich auf ihre Kaffeetasse konzentrierte. Ihre Reisegruppe hatte sich gerade erst, wenn auch unvollständig, wieder gefunden. Dennoch hatte sie das Gefühl, dass in der Zwischenzeit Jahre vergangen waren. x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x.x.xx.x.x.x.x Es war Abend geworden. Nichts. Es war Nacht geworden. Nichts. 4 Tage. Doch erst in der Dämmerung des fünften Tages war auch die letzte trügerische, heuchlerische, kindische Hoffnung verschwunden und machte einer ihm unbekannten Art von Verwirrung Platz. Verwirrung, die den Krieger an den Sessel pappte, ihn in diesen abgedunkelten Wohnzimmerwänden einkesselte, durch die leisen, stetigen und doch irgendwo sinnlosen Atemzügen einschnürte. Die Niederlage hatte endlose Stunden gedauert, doch nun war sie definitiv. Er hatte wieder jemanden nicht beschützen können und wieder tat es verdammt weh. Als hätte er es nicht schon vorher besser gewusst. Langsam ging Kurogane zum Fenster, sah eine Weile auf die verlassenen Straßen, die kaputten Stege, das matte Schimmern des Wassers dazwischen und das Asphaltufer. Mittlerweile hatte sich auch Hime von Souma überreden lassen sich schlafen zu legen. Das blaue Licht der Kontrolldrohnen war wieder da, floss wieder über die Fensterbank, über die Sofalehne und über das schlafende Gesicht, die hellen Haare. Verschwand. Kam wieder. Verschwand abermals. Es gab dem Bewusstlosen das Aussehen eines Geistes, wenn Fyes Aussehen nicht zuvor schon fremd und traumartig für den Krieger aus Japan gewirkt hatte, so wurde dieser Eindruck nun um ein Vielfaches verstärkt. Gleichzeitig wirkte es so seltsam vertraut. Je länger Kurogane darauf starrte, desto jünger wirkte das Gesicht im Vergleich zu dem des Magiers – weicher und kindlicher. Doch das konnte auch eine Sinnestäuschung sein. Schließlich hatte er das Gesicht 'dieses' Mannes Stunde um Stunde mit anderen Augen betrachtete als die Tage und Monate zuvor das des Magiers, obwohl schon damals sich irgendetwas in seinem Blick verändert haben musste. Doch im Nachhinein konnte er wohl nicht viel darüber sagen, schließlich hatte er diesen Mann und den Magier lange Zeit für ein und die selbe Person gehalten. Bei den Gefühlen für Kameradschaft, körperlicher Anziehung und Neugier gegenüber dem Magier angefangen, hatte er jegliches Gefühl von Zuneigung und Vertrauen gegenüber dem 'Fye' dieser Welt aufgebaut, an der Vergangenheit abgewogen, bewertet, verbunden wurde und zeitweise einfach ignoriert, so wie alle Ungereimtheiten. Die Zusammenhänge waren zerrissen und Kurogane hatte wenig Muße sie wieder zusammen zu fügen. Fyes Atem ging leise und stetig. Kurogane fragte sich, wie man so einen 'Tod' akzeptieren konnte, ob er den Worten des Doktors überhaupt glauben konnte. Eine leere Hülle, die nie wieder aufwachen würde und irgendwann einfach einfach aufhören würde zu funktionieren, so wie eine kaputte Maschine? Wie konnte so etwas bluten, weinen, lachen, seinen Namen in sein Ohr flüstern, grinsen, lügen, laufen? Langsam fuhr der Krieger mit der Hand über das kühle Gesicht -ob darunter wirklich nichts mehr war? Als er tiefer fuhr, fühlt er das schlagende Herz – ob das hier nur noch eine Hülle war? Er konnte es sich nicht vorstellen, doch vielleicht war es das letzte an 'Schutz' was er den anderen bieten konnte. Es eindeutig zu machen. Nicht so ein Zwischending zwischen Leben und Tod. Wenn er etwas spürte, konnte es doch nur unangenehm sein. Kurogane glaubte nicht an Seelen oder Geister, doch er glaubte an Schmerz und er wollte wenigstens.... Kurogane beugte sich runter, um den Atem zu schmecken. Er roch längst nicht mehr nach Mais und Honig, eher strahlte er eine gewisse Kühle aus, als ob das Innere dieses Körpers erstarrt wäre, trotz dass die Lippen warm waren. Einen Moment fühlte sich die ganze Aura dieser Welt um ihn herum wie erstarrtes Eis an. Die bunte Decke rutschte zur Seite und floss zu seinen Füßen zu einem Haufen zusammen. Der Pulsschlag direkt über Fyes Brustbein war unter seinen Fingern am deutlichsten zu spüren und sobald der Krieger die Augen schloss, kamen Bilder von Meerestiefen in ihm auf. Dunkle Strömungen, die das Licht brachen, bis er nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Kurogane hatte damals in diesem Lagerhaus so gefürchtet diesen Puls zu verlieren, jetzt war er sicher unter seiner Hand. Doch das Leben, das er beschützen wollte, floss fort. Verdammte Scheiße. Mit einem tiefen Atemzug legte er seine Hand um den schmalen, weißen Hals und drückte zu. ________Ende Kapitel 28_______________________ Disclaimer: Kein Recht an Charakteren von TRC oder an der Story von Manga und Anime. 29. Kapitel - (Pure Vernunft darf niemals siegen) ------------------------------------------------- Anmerkung: Danke an Nina, die dieses Kapitel gebetat hat und mir ein wenig Rückenwind in Sachen upload gegeben hat! Und auch Danke an die Leute, die mir in Kommentaren oder per ENS Feedback gegeben haben! Weiter geht’s! ________________________________________________ Seit Tagen wurde es in Styrax City immer heißer. Das dreckige Wasser in den Kanälen verpasste der Luft eine süßlich, üble Duftnote – nur die größeren Ströme, die am Hafen von eisigem Meereswasser gespeist wurden, sorgten für ein wenig Abkühlung. Vor allem für Kinder, die immer wieder ihre Füße von den Stegen in das kühle Nass steckten. All der Müll, und all die verwinkelten Gassen mit ihren schrottreifen Stegen und ihren abbröckelnden Bürgersteigen schienen in der Hitze zu backen, die alten Holzhäuser der Vorstadt schienen sich zu bewegen, flimmernd, atmendes Holz. In der Innenstadt liefen die Klimaanlagen auf Hochtouren. Die Cafés machten mit ihren Illusionen von Stille und Vogelgezwitscher und ihren kalten Getränken gute Geschäfte und endlich mal, Tage nach dem Attentat auf das Einkaufszentrum, schien die Stadt etwas aufzuatmen. Oder sie war im Gegenteil einfach nur betäubt unter der Hitze, zu träge und zu atemlos. Die Fensterscheibe der kleinen Wohnung beschlugen von außen, da jedoch die Lüftung in der Küche schon seit einigen Tagen der Reparatur widerstand, war die kleine Luke weit geöffnet. Auf dem Herd blubberten die Nudeln und es roch nach heißer Milch. Der Zeiger der Uhr rückte auf Nachmittag zu, auch träge, und das Radio rasselte in einer Tour Musik, Werbung und die 'neusten' Meldungen über das 'Attentat' vor sich hin. Shaolan, der für diesen Tag das Amt des Kochs inne hatte, rührte Gedanken verloren die harten Nudelstangen im Topf herum und wartete auf den Moment, in dem sie endlich alle weich genug waren, um sie ganz unterzutauchen. Sakura saß am Küchentisch und versuchte mit sanften Worten und Bewegungen den Vogel dazu zu bringen aus einer mit Wasser gefüllten Untertasse zu trinken. Mokona gab ein schweres Seufzen von sich und ließ deprimiert die Ohren hängen. „Kannst du Yuuko-san immer noch nicht erreichen, Moko-chan?“ „Nein, irgendwas is komisch...“ Sie versuchte es nicht zum ersten Mal. „Mokona kann keinen Kontakt zu dem 'Fluss' aufnehmen, der die Dimensionen verbindet.. irgendetwas ist da, wie eine Mauer...“ Shaolan runzelte die Stirn und schien nachzudenken. „Können wir dann überhaupt diese Dimension verlassen?“ Mokona schlug die Augen nieder, schien zu überlegen, sagte aber nur schlussendlich: „Mokona hat keine Ahnung..." Sakura schaltete das Radio aus, durch das offene Fenster drang noch der ferne Lärm der Innenstadt. In diesem Moment kam Souma in die Küche. Die große, dunkelhäutige Frau lächelte die Kinder aufmunternd an, als sie die niedergedrückte Stimmung bemerkte. „Macht ihr euch Gedanken wegen der verstärkten Kontrollen? Keine Sorge, mit den falschen Identitäten seid ihr erst mal sicher. Ihr braucht nur ne gute Ausrede, wenn ihr während der Schulzeit mal kontrolliert werdet.“ „Souma-san?“, Sakura setzte den kleinen Vogel auf den Tisch und überließ ihn Mokona. „Kommt es in dieser Welt häufig vor, dass sich Menschen ähnlich sehen?“ Souma wischte sich etwas Schweiß von der Stirn und holte kaltes Wasser aus dem Kühlschrank. „Nicht sehr oft. Es gibt ab und an Zwillingsgeburten, oder was meinst du?“ „So was in der Art...“ Sie konnte es nicht richtig erklären. „Menschen, die sich eben ähnlich sehen. So wie 'Fye' und unser vermisster Reisekamerad.“ Und der Mann in Ashuras Villa. „Nein, so etwas gibt es hier nicht. War selber überrascht, dass ihr jemanden sucht, der wie Fye aussieht“ - und setzte an die Küche zu verlassen, doch Shaolan griff sie beim Arm und sah ernst zu ihr auf. „Warum lügst du uns an?“ Erschrocken sah Sakura ihren Begleiter an. „Shaolan-kun!“ Diese Leute hatten sie aufgenommen und halfen ihnen, trotz dessen dass sie selber gesucht wurden. Wie konnte Shaolan dann nur so etwas sagen? „Wieso sollte ich euch anlügen?“, fragte sie mit einem Lächeln. „Hat dir Kurogane diesen Floh ins Ohr gesetzt, oder was?“ Shaolan ließ sie los, brach aber den Blickkontakt nicht. Einige Sekunden verstrichen schweigend, dann fuhr der Junge mit ruhiger Stimme fort. „Ich kann verstehen, wenn ihr Erwachsenen uns Jüngere schützen wollt und ich danke euch dafür, dass ihr diese Bürde auf euch nehmen wollt. Aber Kurogane-san, Fye-san, Sakura-hime und ich waren schon in vielen Welten, die sehr gefährlich waren.“ „Ihr kommt nicht von hier. Wir wollen euch da nur nicht reinziehen“, antwortete sie letztendlich. „Zu spät, wir sind schon mittendrin.“ Doch die Frau, die mit ihnen diese Wohnung bewohnte und Kurogane und 'Fye' aus dem Hain zu kennen schien, lächelte nur leicht und schwieg bis Shaolan nach einer ganzen Weile seine Hand wieder fortnahm. „Vielleich können wir sogar 'Fye' helfen.“ „Niemand kann Fye helfen“, antwortete sie, schon halb aus der Tür. Das Glas Wasser stand unangetastet auf dem Tisch und beschlug langsam. Shaolan warf Sakura ein aufmunderndes Lächeln zu, hinter dem nicht viel Überzeugung steckte, und kümmerte sich weiter um die Nudeln. Im Nebenzimmer begann das Baby wieder zu schreien. _______________________________ Der Abend brachte etwas Kühle. Drei Stunden seit der Ausgangssperre. Die Straßen waren leer und auf dem Weg zum Schwarzmarkt hielt sich Kurogane an die engeren Gassen mit mehr Schatten und wich ohne weitere Schwierigkeiten den vereinzelten Wächtern aus. Auch das Hafengelände war wie ausgestorben. Die Boote auf dem Wasser waren zwar beleuchtet, doch die Lichter unter dem Wasser ausgeschaltet, so dass die Dunkelheit und die Kälte des Ozeans dahinter, der angeblich nach einigen Kilometern zugefroren sein soll, nur noch intensiver und offensichtlicher wurde. Ohne ein Geräusch zu verursachen kletterte der Ninja durch eines der zerbrochenen, bunten Fensterscheiben des großen Gebäudes, in dem dieses Mädchen namens 'Chi' wohnte. Alles wirkte unordentlich von hier oben. Die Statuen standen wie erstarrte Gäste einer Party herum, die Blütenkränze lagen vertrocknet auf ihren Köpfen, das Brot in den Schalen hatte sich in rösche Klumpen verwandelt und bloß ein paar Kerzen leuchteten spärlich. Dazwischen betete das Mädchen, in ihrem weißen Kleid kniend selber einer Statue ähnlich. Sie erschrak etwas, als er hinter ihr auf dem Boden aufkam. Sie sah übermüdet aus, doch bemühte sich um ein fröhliches Lächeln. Einen Moment erinnerte sie ihn so stark an Fye, dass Kurogane sie am liebsten weggestoßen hätte, als sie sich an seinen Arm hängte. „Fyes Freund!“ „Ich habe auch einen Namen.“ „Kuropon!“ „Kurogane, verdammt noch mal!“ Doch es steckte nicht viel Feuer dahinter. „Du bist traurig“, stellte sie fest und legte eine kühle Hand auf seinen Arm, so dass er kurz davor war seine Hand über ihre zu legen, damit sie sich nicht so verdammt tot anfühlte. Mit einem Seufzen erinnerte sich daran, weswegen er hier war. „Es... es ist etwas passiert...“ „Was denn?“, fragte sie verwirrt. „'Fye' ist to-...“, er stockte, „Er wacht nicht mehr auf. Wohl nie mehr.“ Erst verwirrt, dann geschockt, löste sich das Mädchen von ihm. „Er schläft?“ „Ja, für immer, sozusagen“, sagte der Krieger. „Für immer?“ „Für immer.“ Das weiße Gewand floss wie ein See um sie als sie auf die Knie sank und irgendwie wirkte auch sie wie ein verdammter Geist. Er betrachtete ihre geröteten Wangen, die sie nur noch blasser erscheinen ließ, die tränenfeuchten Augen und Lippen, die ein wenig weiblicher als Fyes schienen. Eigentlich hatte sie kaum Ähnlichkeit mit ihm. Bis auf die Haare und die Augen und die Haut und die sanfte Art sich zu bewegen und die Art ihn anzusehen, als würde ihr Herz brechen, sobald er auch nur ein wenig Trauer empfand. Es fehlte die Stärke, der Schalk, das Erwachsene und Abgegrenzte. Verdammt, alles an 'Fye' fehlte ihm gerade. „Willst du wissen, was passiert ist?“ Chi schüttelte energisch den Kopf und wischte sich ein paar Tränen von den Wangen, versuchte sich an einem Lächeln. „Das spielt keine Rolle für Chi... Hauptsache es geht Fye gut.“ „Du hast es nicht kapiert, oder?“, fragte Kurogane ärgerlich. „Er ist tot.“ „Du hast gesagt er schläft.“ „So was wie tot, er wacht nicht mehr auf. Nach dem Quacksalber zu Folge nie mehr und selbst wenn, dann wird ...“, wie würde man das in seiner Welt in Worte fassen? „Dann wäre sein Geist schon fort, nur eine leere Hülle.“ In der sich bestenfalls Dämonen einnisten konnten. Und es war irgendwo auch seine Schuld. „Es tut mir Leid.“ Er erinnerte sich wie er mit Fye hier gewesen war. Vor Wochen. Sie hatten den Hain verlassen und in diesem Gebäude Zuflucht gefunden. Vermutlich war der Mann, mit dem er damals hier gewesen war, genau der, für den Chi ihn gehalten hatte. Ihr 'Vater' und Freund aus den Laboren. Nur Kurogane selbst hatte all das nicht glauben wollen, obwohl es immer offensichtlicher geworden war. Irgendwas hatte sich immer noch nach dem verdammten Magier angefühlt und sein Verstand kämpfte immer noch gegen dieses Gefühl an. Und dann waren immer noch diese 'Anfälle', bei denen er das Gefühl hatte, mit jemand ganz anderen zu sprechen. Jemand, der sich aber auch nach 'Fye' angefühlt hatte. „Ich bin hier, um dich zu holen. Es ist nicht sicher hier.“ Sie reagierte nicht, starrte auf die Statuen einer Kultur und einem Glauben, von dem er keine Ahnung hatte und an die er eh nicht glauben könnte. Er wollte keinen Trost, von niemanden. Doch er wusste nicht, bei wem er sich sonst entschuldigen sollte, außer bei dieser seltsamen Priesterin. Sie rückte näher zu ihm und sah ihn mit diesen zwei verdammten blauen, verweinten Augen an. Kurogane verfluchte das Ziehen in seiner Brust. Sie fuhr ihm durch das Haar und auch für diese Geste wollte er sie verfluchen, doch er hielt still. Auch als sie leise flüsterte: „Ich bin sicher Fye hat gar keine Angst im Traum, weil er weiß, dass jemand wie Kuro-pon an seiner Seite wacht. Daher sei nicht traurig, es wird schon gut werden. Und wenn er aufwacht, dann weiß er, dass jemand da war.“ Leise und ironisch lachte er auf. Mit geschlossenen Augen fühlte sich die Berührung in seinem Haar seltsam vertraut an und seine Hand seltsam dumpf. Er hatte immer noch das Gefühl einen rasenden Puls unter seinen Fingern zu haben. „Er wacht nicht mehr auf“, korrigierte er sie. „Er wacht auf. Die Frage ist nur, ob er in der selben Welt aufwacht wie wir. Chi weiß nicht viel über diese Dinge, doch Fye hat es ihr so erklärt. Als Chi und Fye noch in den Laboren waren.“ „Er hat dir den Tod erklärt. Und er hat ihn dir erklärt wie man es einem Kind erklärt.“ Sie schwieg und er brachte es nicht übers Herz die Worte des Magiers als weiße Lüge zu enttarnen. „Komm mit mir“, versuchte er es noch einmal. „In der ganzen Stadt sind diese verdammten Kakerlaken unterwegs...“ „Dieser Ort wird von den Göttern beschützt. Es ist der sicherste in ganz Sytrax City.“ „Bist du sicher?“ „Ja.“ Er seufze, selbst wenn nicht, war mit ihr in der Hinsicht wohl nicht zu argumentieren. Schon als sie das erste Mal angeboten hatten, sie hier weg zu bringen, hatte sie abgelehnt. Er hatte sich das fast schon gedacht und griff unter seinen Mantel, um den Sack mit Brot und Trockenfrüchten herauszuholen und vor eine der Statuen zu schmeißen. „Kann ich Fye hier her bringen?“, fragte er. „Sicher. Chi passt auf ihn auf. Kurogane kann auch hier bleiben.“ „Nein, ich... ich kann nicht einfach nur hier rumsitzen. Ich muss irgendwas tun.“ Ashura besiegen. Den Magier finden. Den Jungen ausbilden. Federn hinterherrennen und Dämonen besiegen. Nach Japan zurückkehren. Das ganze hier hinter sich lassen wie ein Mann, der den Tod kannte und ihn akzeptierte. Nicht wie ein Kind, das schrie und weinte und nichts verstand und all seine Kostbarkeiten an einen geheimen Ort versteckte - als käme dort die Zeit nicht hin. ________________________________________ Als er Geräusche an der Haustür hörte, sprang Shaolan sofort vom Küchenhocker auf und trat in den Flur. „Kurgane - san, ich wollte etwas mit dir besprechen. Es geht um -“ „Nicht jetzt“, würgte dieser den Jungen ab und ohne seinen Mantel oder sein Schwert abzulegen, betrat er das Wohnzimmer. Sakura folgte ihm und dem Jungen. „Kurogane-san...“ Der Doktor war gerade für eine Untersuchung über den Blonden gebeugt. Mit einem Stethoskop hörte er seine Brust ab und auf dem Tisch lag des Etui mit Spritzen bereit. Ein Stück Watte auf der Armbeuge des Blonden, das sich langsam rot färbte, zeugte davon, dass schon ein paar Substanzen durch das Blut des Bewusstlosen rauschten. „Ah. Da sind Sie ja endlich“, grüßte der Doktor und sah ihn kühl an. „Auf Anraten von meiner Frau, der sie sehr sympathisch sind, habe ich gerade ein weiteres Mal wertvolle Medikamente an diesen hoffnungslosen Fall verschwendet. Jedoch im Sinne der Kinder und auch im Falle eines Körperversagens und der anschließenden, verfallsbedingten Geruchsentwicklung würde ich dennoch wärmstens empfehlen den Fall zu beseitigen. Sie können ihn bei Nacht im Hafen versenken oder in einem verlassenen Gebäude ablegen. Den Komfort der Schmatze-Masse haben wir ja leider nicht mehr, sonst würde es auch nicht jeden Tag Nudeln geben.“ „Schnauze.“ Kurogane schob den Doktor bei Seite und unterdrückte das sinnlose Bedürfnis sein Schwert im Magen des Arztes zu versenken. Vorsichtig richtete er Fyes Oberkörper auf und zog ihm das Oberteil wieder an, als ihm der Verband am Unterarm auffiel. „Ihr habt ihm dieses Übersetzungs-Dings wieder rausoperiert?“ „Die Dinger sind nicht gerade billig. Wir können sie nicht an Leichen vergeuden“, Dr. Kyle räumte gerade die Medikamente zurück in seine Arzttasche und war daher keinesfalls auf die Antwort des Kriegers vorbereitet. Hart packte dieser ihn am Kragen und schüttelte ihn. „Er ist noch nicht tot, aber wenn du nicht deine Schnauze hältst, dann wirst du es gleich sein!“ „Verzeihung wenn ich nicht die Sensibilität an den Tag lege, die Ihr gebrochenes Herz gerade benötigt, aber vielleicht sollten sie die medizinischen Fakten endlich akzeptieren! Außerdem habe ich die Würgemale gesehen, ist es nicht so, dass sie sich ein endgültiges Ergebnis wünschen?“ Hart kollidierte die Faust des Ninjas mit dem Backenknochen des Arztes und der schmale Mann fiel mit einem dumpfen Poltern zwischen Wohnzimmertisch und Sessel. Die Prinzessin hatte erschrocken die Hände vor den Mund geschlagen, doch wer hereingelaufen kam, war Souma. Statt sich ihrem Mann zuzuwenden, checkte sie ihn nur mit einem kurzen Blick und fasste dann Kuroganes Arm. „Beruhige dich!“ „Ich bin ruhig“, antworte dieser und löste sich von ihr, um wieder nach dem Blonden zu greifen. „Wohin gehst du?“ „Geht dich nichts an.“ Das einzige, was er gerade wollte, war Fye in dieses Gebäude am Hafen zu bringen. Er wollte nicht noch jemanden auf einem Schlachtfeld bestatten, das diese Stadt war und wahrscheinlich – so seine Intuition – bald noch in viel größerem Ausmaß sein würde. Es roch nach Rebellion, Umsturz, Krieg. Ihre Gruppe sollte diese Welt so schnell wie möglich verlassen, oder zumindest die Kinder. Ohne weiter auf die diese oder Souma zu achten, trug er den Blonden in den Flur. „Bleib doch mal stehen! Wohin willst du überhaupt mit ihm?“ „Geht dich nichts an“, knurrte Kurogane noch mal und öffnete mit seiner freien Hand die Wohnungstür, er konnte regelrecht spüren wie sich auf ihren Gesichtszügen die Wut abbildete. Ihn interessierte das nicht und er trug den Bewusstlosen weiter durch das Treppenhaus, verfolgt von Schritten. „Wie, das geht mich nichts an? Fye ist auch mein Freund, und Himes!“ Doch der Krieger antwortete nicht. „Kurogane-san!“ Shaolan war den beiden Erwachsenen auf die Straße gefolgt und nach ein paar Metern drehte sich der Krieger tatsächlich zu seinem Schüler um. Einen Moment blickte er dem Jungen fest in die Augen, Souma völlig ignorierend. „Wir reden später“, antwortete er letztlich und wandte sich ab. _____________________________________________________ Auf dem Rückweg blieb Kurogane in einer engen Gasse stehen, in der der Bürgersteig in fast vollständigen Maße in den dünnen Strohm gebröckelt war. „Was wolltest du nun?“, fragte ihn der Krieger ruppig und klang müde dabei. Der Junge trat aus dem Schatten heraus, atmete tief durch. Davon ihn zu beschatten, war der Bengel noch meilenweit entfernt. „Irgendetwas stimmt mit dieser Welt nicht.“ „Erzähl mir was Neues.“ „Mokona versucht schon seit Tagen die Hexe der Dimensionen zu erreichen, doch irgendetwas scheint die Verbindung zu 'blockieren'. Wir wissen nicht einmal, ob wir diese Welt verlassen können. Außerdem habe ich ChuNyan nach der 'Alten Kultur' gefragt, doch alles, was sie wusste, hat sie als kleines Kind von ihren Eltern erfahren und das war nicht all zu viel. Sonst scheint niemand mehr etwas darüber zu wissen. Kommt dir das nicht seltsam vor?“ „Unter anderem.“ „Niemand hier spricht über Magie, niemand erinnert sich an die Vergangenheit und die, die es tun, dürfen eigentlich nicht darüber reden. Dennoch haben wir in Ashuras Villa massenweise Artefakte der 'Alten Kultur' gesehen. Und wir haben keine Ahnung, wo wir Fye finden können.“ „Aber du hast einen Plan“, stellte der Krieger fest, als er den entschlossenen Blick erkannte. „Ja. Selbst Ashura-ou konnte uns nicht helfen Fye-san zu finden. Ich glaube er hatte es nicht einmal vor, immerhin verbarg er die Feder vor uns. Also bleibt uns erst einmal nur eine Person, die uns vielleicht helfen kann. Sowohl um Fye zu finden, als auch um diese Welt zu verlassen.“ Der Krieger lachte ironisch auf. „Wer? Jemand von diesem Rebellenhaufen etwa, die ihre eigenen Leute in die Luft sprengen?“ „Nein. Ich meine den 'Gründer'.“ _____________________________________________ „Der Hain wurde gestern oder die Tage gesprengt. Kyle und ich waren heute Nacht dort und haben nur noch Ruinen gefunden, nicht einmal die alte U-Bahnstrecke existiert mehr. Außerdem scheinen fast alle anderen größeren Schlupfwinkel von den Wächtern mittlerweile ausfindig gemacht worden zu sein. Die Meisten von uns verstecken sich in Privatwohnungen, zumindest jene, mit denen wir in Kontakt treten konnten.Diesmal scheinen die Industriellen es wirklich ernst zu meinen, so hart sind sie noch nie gegen uns vorgegangen. Den Leuten 'von oben' wird die Ausgangssperre und die extrem militärische Präsenz mit den Attentaten der letzten Zeit erklärt und sie hetzten die Leute gegen uns auf.“ Hime lehnte ihr Gesicht gegen die Schulter ihres Bruders, der tröstend die Arme um sie legte. „Sind die Anderen aus dem Hain wenigstens wohlauf?“ Der Arzt schüttelte den Kopf. „Du meinst die paar, die die Stürmung überlebt haben? Wahrscheinlich nicht all zu viele. Wir haben Glück, dass wir hier bisher sicher waren.“ „Also müssen wir von hier verschwinden?“ „Aber wohin?“, fragte Hime leise. Kurogane hörte nur schweigend zu. Sie waren von dem seltsamen Ehepaar für ein Treffen in die Küche bestellt worden und Souma hatte ihm versprochen alle Antworten zu bekommen, die sie ihm geben konnte, wenn er daran teilnahm und nicht schon wieder irgendwohin verschwand. Nach Fye hatte sie nicht mehr gefragt, auch sonst sprach sie mit ihm nur das Nötigste. Auch Shaolan wollte unbedingt an diesem Treffen teilnehmen. „Gibt es hier nicht weitere Städte?“, mischte sich nun Shaolan in das Gespräch ein.„Vielleicht könntet ihr mit einem Flugschiff alle eure Freunde und Kameraden einsammeln und endgültig vor den Leuten fliehen, die euch verfolgen.“ „Keine Ahnung...“, antwortete Souma leise. „Es kommen zwar immer wieder Leute von draußen nach Styrax City, doch das sind zu meist diejenigen, die außerhalb der Stadtgrenzen versucht haben zu überleben. Doch die Schneestürme und die Magie, die ihnen das Leben aussaugt, haben sie hierher getrieben. Die anderen Städte sind nur noch unbewohnbare Geisterstädte... Sytrax und Omehals sind die Einzigen, in denen Menschen noch leben können.. und sie sind fest in der Hand von EX... Selbst wenn uns jemand aufnehmen würde, könnten sie uns nicht lange versorgen.“ „Aber was wollt ihr dann tun..?“, mischte sich nun auch die Prinzessin ein, der das Schicksal ihrer neu gefundenen Freunde scheinbar sehr nahe ging. „Vielleicht auch ein paar Gebäude in die Luft sprengen?“, fragte der Krieger verächtlich. Was sollte das? Trafen sie sich nur hier, um festzustellen wie aussichtslos ihre Lage war? „Nein“, Souma schüttelte den Kopf. „Die Menschen im 'Bambushain' wollten nie etwas anderes als in Frieden leben. Und das hat sich nicht geändert. Doch wir müssen etwas tun. Wenn Ashura länger an der Macht bleibt, wird er uns früher oder später alle auslöschen.“ Betretenes Schweigen lag im Raum. Die Uhr tickte vor sich hin, sowohl Sakura als auch Hime standen kurz vor den Tränen und die beiden Shaolans sahen gleichermaßen ernst drein. ChuNyan nagte an ihren Fingernägeln und Soumas Blick lag erwartungsvoll auf dem Krieger, so als könne er irgendetwas an ihrer Lage ändern. Währenddessen starrte ihr Mann aus dem Fenster auf die Silhouette der Wolkenkratzer in der Innenstadt und spielte abwesend mit einem Löffel in der linken Hand. Kurogane wollte das alles nichts angehen. Ohne Shaolans Zureden wäre er nicht einmal hier. Wenn er die politische Lag in jeder Dimension, in der sie landeten, ändern wollte, dann müsste er mindestens ein Leben pro Dimension dort verbringen. Er tat was er konnte – und das war seine Reisekameraden zu beschützen und das Unrecht zu verhindern, wo er es sah. Doch dazu brauchte er seine Stärke und selbst als er sie noch hatte – diese Welt schien mit purer Gewalt nicht einfach zu befrieden zu sein. Außerdem, was hatte sein Eingreifen im Hain gebracht? Er hatte es zwar diesen Kakerlaken gezeigt, ein Unrecht nicht geschehen lassen und damit vielleicht ein paar Leben von Fremden gerettet – doch welche Konsequenzen hatten seine Handlungen gehabt? Sie waren Gejagte. Außerdem, die Person, die er wirklich hatte beschützen wollte, hatte er weder vor dem unmittelbaren Schaden der Ereignisse im Hain bewahren können, noch auf langer Sicht am Leben erhalten können. Er wollte sich nicht als ein Beschützer oder Retter von irgendjemanden aufspielen, wenn er genau wusste, dass er das gerade weder wollte, noch konnte. „Wir brauchen deine Hilfe“, sagte Souma gerade in diesem Augenblick und Kuorgane entwich ein schweres Seufzen. „Ich kann euch bei euren Problemen nicht helfen.“ „Ihr wollt doch den 'Gründer' finden, da haben wir ein Angebot für euch“, mischte sich nun der Arzt ein. Plötzlich fiel dem Krieger auf, dass er genau so müde aussah wie seine Frau. Auch die 'Kinder' sahen müde aus. Die ganze verdammte Versammlung in der Küche sah aus, als hätte sie tagelang nicht geschlafen und vermutlich war es auch so. Was sollten sie machen? Zwei Flüchtlinge mit einem Baby und 5 Teenager. Kein Wunder, dass sie alle Hoffnungen in einen Fremden setzten. „Ja, wollen wir“, antwortete Shaolan dem Doktor. „Wir können euch Technologie und das Wissen um die Alte Kultur anbieten, kurzum die einzigen Anhaltspunkte seines Aufenthaltsortes und die Möglichkeit unbeschadet dahin zu kommen. Wir haben die Technik, ChuNyan das Wissen.“ Er sah zu ihr und das Mädchen nickte entschlossen, offensichtlich in Kenntnis über den Versuch den Krieger zu überreden und - natürlich – auf der Seite der Hainleute. „Und warum würdet ihr uns dabei helfen?“ „Wir wollen ihn auch finden.“ „Warum?“ „Weil er der Einzige ist, der uns jetzt noch helfen kann“, sagte ChuNyan leise. „In der Alten Kultur gibt es den Glauben, dass wenn die Welt einmal in Unruhe gerät, ein 'Traum entsteht', in der alle Menschen leben können bis die Welt wieder ihren Ausgleich gefunden hat. Diesen Traum zu erschaffen ist die Aufgabe des 'Gründers'. Wenn wir ihn finden können wir ihn bitten diesen Traum zu spinnen.“ „Und dann?“, fragte Kurogane verwirrt. „Dann... dann wird alles besser... vielleicht können auch nur wir Hainbewohner in diesem Traum leben? Oder EX wird entmachtet. Vielleicht können wir auch wieder im Einklang mit der Magie leben. Der Gründer ist unglaublich mächtig!“ „Dieser Gründer kann sozusagen einfach die Realität ändern?“, fragte Kurogane kritisch. „So ist es überliefert“, antwortete Souma für sie. „Wir kommen gegen EX nicht an. Wir können uns weder länger vor ihnen verstecken, noch ihnen mit Waffengewalt beikommen.“ „Was wir eh nicht wollen“, fügte der Doktor hinzu. Kurogane konnte es nicht glauben. „Ihr setzt all eure Hoffnung in einen Mann, den es vielleicht gar nicht gibt?“ „Er ist die einzige Hoffnung, die wir noch haben... wenn es ihn nicht gibt, dann ist eh alles egal...“ diesmal Souma. „Und wo wollt ihr anfangen ihn zu suchen?“ „In Omehlas.“ Souma blickte von einem zum anderen ihrer Reisegruppe. „Und dafür brauchen wir euch. Ihr wart schon mal da, sogar in Ashuras Villa selbst. Außerdem bist du stark.“ Die dunkelhäutige Frau griff nach seiner Hand, doch er zog sie demonstrativ fort. „Wir haben das selbe Ziel. Ihr wollt auch den Gründer finden, um ihn nach euren verschwundenen Reisekamerad zu fragen. Aber alleine könnt ihr das nicht, wir haben die nötige Technologie um ihre Kontrollmechanismen auszutricksen. ChuNyan hat durch ihre Eltern das meiste Wissen über die Alte Kultur in der ganzen Stadt und du und Shaolan können mit diesen seltsamen antiken Waffen umgehen... Sakura und Shaolan haben schon zugestimmt uns zu helfen, bleibt nur noch die Frage: Bist du dabei?“ Kurogane sah seinen den Jungen ernst an. Das meinte er also damit, dass er sich schon entschieden hätte, was er tun würde. Tief atmete dieser durch und erwiderte den Blick fest. „Wenn wir den Gründer finden, dann auch Fye-san und die Antwort darauf, warum wir die Hexe der Dimensionen nicht erreichen können. Ich vermute der Gründer ist so etwas ähnliches wie die Hexe der Dimensionen oder Priester Yukito aus Clow Country – wenn es in dieser Welt Magie gibt, dann ist es wirklich nicht abwegig so etwas zu vermuten. Außerdem sind wir dann gleich in der Nähe der Feder und können diese Dimension verlassen, sobald wir komplett sind.“ Scheinbar hatte Shaolan lange über diesen Plan nachgedacht, während Kurogane mit anderem beschäftigt war. Einen Moment konnte er nicht anders, als ein wenig Stolz für seinen Schüler zu empfinden. Er blickte zur Prinzessin, die sich bisher nicht eingemischt hatte, sondern immer nur über den kleinen Vogel in ihren Händen (wo hatte sie den eigentlich her?) streichelte. Mit einem leichten Lächeln und offensichtlicher Sorge in den grünen Augen sah sie auf und erwiderte seinen Blick ebenso sicher wie der Bengel. „Ich bin dafür“, sagte sie. „Außerdem gibt es in Ashuras Villa jemanden, der uns vielleicht sogar hilft.“ Tief atmete der Krieger durch, sich durchaus bewusst, dass gerade alle Blicke und Hoffnungen auf ihm lagen. Er hatte gerade echt keine Lust in irgendetwas seine Hoffnung zu setzen. Doch da er eh nicht wusste, was er sonst tun sollte, konnte er genau so gut das tun, was er immer tat: Kämpfen. „Okay. Dann brechen wir so bald wie möglich auf.“ ____________Ende Kapitel 29__________ Anmerkung: Disclaimer wie immer. Titel einem Lied von Tocotronic entnommen, das btw. genial ist. 30. Kapitel - (Träume) ---------------------- Zwischenspiel: Träume Manche Leute, sogar kluge, behaupten: Das Leben ist nur ein Traum. Ein wenig abgedroschen, nicht wahr? Den Kerl mit dem Schmetterlingstraum, der nicht weiß, ob er träumte er sei ein Schmetterling, oder ein Schmetterling ist, der gerade träumt ein Mensch zu sein – den kennt man auch in dieser Welt. Obwohl es hier längst keine Schmetterlinge mehr gibt (warum dann ausgerechnet Schmetterlinge?). Aber die Menschen hier haben sich immer schon viele Gedanken um Träume gemacht. Und wenn man sie danach fragt, bekommt man vielfältige Antworten. Manche sagen: Das Leben hier ist ein Alptraum, aber wir haben einen Traum. Alles wird sich ändern. Traumhaft, werden Ihnen einige wenige sagen. Denn sie haben es zu sagen. Sie wohnen nicht in der verschmutzen der beiden Städte und allgemein sind alle Menschen ja vor dem tödlichen Eis und der feindlichen Magie geschützt - und das ist gut. Vereinzelte sagen: Damals gab es Traumseher. Es gibt sie vielleicht immer noch, aber sag das nicht zu laut. Die Leute in den Laboren werden Ihnen vermutlich gar nichts sagen, denn sie träumen die ganze Zeit - Medikamentenschlafträume. Viele Leute antworten aber auch gar nicht auf die Frage, sondern schauen verwirrt drein, leben ihr Leben weiter von morgens bis abends und merken erst kurz vor dem Ende, wie surreal ihnen das Alles vorgekommen ist. Nun, wie wäre es mit ein paar weiteren Träumen? Und wie das mit Träumen so ist, sie haben weder Zeit noch Ort, nur Erinnerungen und Geschichten zwischen den Zeilen. 1. TRAUM ALTE RÄUME „Du bist so verspannt“, bemerkte Ashura und wagte nicht den Mann zu berühren, der vor ihm saß. „Die Werte besagen, dein Körper stehe ständig unter Strom...als würdest du die ganze Zeit rennen, anstatt dich auszuruhen und wieder zu Kräften zu kommen. Wenn du dich nicht schonst, musst du zurück ins Behandlungszimmer.“ Fye sah aus dem Fenster, oder dorthin wo er das Fenster vermutete. Es war von schweren roten Samtvorhängen verdeckt, so dass die Helligkeit des Tages nur durch ein goldenes Schimmern am Saum zu erahnen war. Der Raum war stattdessen überflutet von hellem, sterilem Neonlicht. „Ich mache doch gar nichts. Das dürftet Ihr doch am besten wissen, schließlich beobachtet Ihr mich die ganze Zeit. Ich sitze nur hier oder schlafe.“ „Deswegen bin ich ja so verwundert... du verbrauchst zu viel Energie.“ „Vermutlich die Krankheit.“ „Das dürfte nicht passieren... Die neuste Therapie schlug bisher gut an...“ Fye schwieg und spielte mit seinen Füßen auf dem seltsam weichen Teppich. Wann immer er diesen Glaskäfig verlassen konnte, fand er sich in diesem Raum wieder. Das einzelne, blaue Auge legte sich auf die Gestalt des großen Mannes, betrachtete das wie stets einwandfrei glatte, dicke, schwarze Haar, die aufrechte Statur, die tadellose Kleidung und das selbstsichere Gesicht, auf dessen Züge dennoch deutlich die Müdigkeit geschrieben stand. „Hast du eine Erklärung dafür?“, fragte Ashura. „Vielleicht.. vielleicht auch nicht... definitiv vielleicht“, witzelte sein Gegenüber und bekam aus goldenen Augen einen fast wütenden Blick zugeworfen. Was nicht sein konnte. Er sah Ashura nie wütend, dafür hatte er alles viel zu sehr unter Kontrolle. „Vielleicht liegt es an der Magie?“, fügte er deswegen hinzu und begann zu erklären was Ashura als Magier vermutlich selber wusste, aber so offensichtlich nicht wahrhaben wollte: „Magie funktioniert nach demselben Prinzip, wie alles auf der Welt: sie braucht einen Ausgleich. So wie die Preise bei der Hexe der Dimensionen keine Ausnahmen kennen und egal was man tut, ihren Weg zu wirken finden. Die Magie, die auf mir und diesem Land lastet, lässt sich nicht mehr die Zahlung nehmen, die ihr einmal erbracht wurde. Du kannst diese Krankheit nicht einfach 'heilen'. Dafür müsstest du das Prinzip der Welt ändern.“ „Es gibt Wege und Möglichkeiten diese Regeln zu seinen Gunsten umzuwandeln oder sie sogar zu brechen. Dafür braucht es nur eine stärkere Magie. Auch das ist ein Weltprinzip.“ „Vielleicht schaffst du es nicht sie zu brechen, weil sonst alles zusammenbricht?“ „Manchmal glaube ich, das ist genau dein Wunsch.“ „Vielleicht ja, vielleicht nein... definitiv... vielleicht!“ 2. TRAUM WEISSE RÄUME Ihre erste persönliche Begegnung war bereits erfüllt von Antisympathie. Die kalkweißen Wände des Laboratoriums schienen den Mann im weißen Kittel zu verschlucken. Sein Körper ging in all dem Weiß unter, nur seine sich rastlos bewegenden Hände und sein gesenkter Kopf mit dem zu einem dünnen Pferdeschwanz zusammengebundenen braunen Haar gehörten einen Menschen. Der Rest war eine harte, kalte Wand aus Weiß. Die Frau näherte sich ihm bis auf wenige Schritte, doch er war in seine Arbeit vertieft. Unruhig, rastlos, wanderten seine Hände tastend weiter über das Gesicht des Patienten auf der Bahre. So als könne ihn nichts auf der Welt davon abhalten. Sie räusperte sich und nun sah er auf. Eine missmutige Miene. Erst als er die Buchstabenkombination auf ihrem Namensschild las, blickte er ihr ins Gesicht. Sie waren allein mit dem schlafenden Patienten. Er musterte sie von oben bis unten. „Schön dich mal persönlich kennenzulernen, meine Liebe“, sagte er im fast sarkastischen Ton. Als müsste etwas gesagt werden, aber was es war kümmerte ihn nicht. „Mir läge ein Kompliment auf den Lippen, wäre ich nicht gerade in meine Arbeit vertieft.“ Seine Selbstverständlichkeit grenzte an Arroganz. Sie blickte ihm in die Augen, doch sie ahnte, egal was sie sagen würde, dieser Typ Mann würde es als Unterordnung interpretieren. Diese Art Mensch von 'oben' war hier in den Laboren in seiner persönlichen ökologischen Nische und interpretierte die Welt so, dass sie ihm Untertan war. Sie drehte sich um und ging. Wieder in dem Krankenzimmer angekommen, das sie betreute, grinste sie ihr Patient breit an. „U~nd?“ Schweigend bereitete Souma die täglichen Medikamente vor. Doch anstatt dies auf dem dafür vorgesehen niedrigen Tisch an der Wand, mit dem Rücken zum Patienten zu verrichten, lud sie alles auf ein kleines weißes Plastiktablett und zog die Spritze an seinem Bett auf, während er abwesend mit den Tabletten spielte. Das Schweigen lag angenehm zwischen ihnen, wohltuend nach dem verletzenden Schweigen, das der Arzt ihr davor aufgezwungen hatte. Ihr Herz schlug so schnell, schmerzhaft, nur seine unruhigen Finger an ihrem Haar machten es etwas besser. „Er ist ein Arschloch... doch war klar, dass meine Eltern so jemand aussuchen würden.“ „Vielleicht taut er auf?“ Wie immer war ihr Patient ein zwanghafter Optimist. Sie regte das ein wenig auf, doch dieser Mann war ihr Freund. Wortlos – das Schweigen wurde etwas schwerer – griff sie nach seinem Arm, krempelte den Ärmel des weißen Nachthemdes hoch und senkte die Spritze in die Kanüle. Die Haut dort war bereits so dünn und zerstochen, dass das Blut blau-rötlich unter der fast weißen Haut hindurchschimmerte. „Man kann sich auch aneinander gewöhnen“, sagte er. Das Blut schoss etwas in die Spritze und schnell presste sie die Flüssigkeit dagegen, in den anderen Körper, wie ein Nein. „Die meisten Ehen laufen so. Glaub‘ ich gelesen zu haben.“ „Kann sein...“ Sie packte die Spritze weg und reichte ihm die Tabletten und Wasser zum runterschlucken. „Es ist ja nur auf dem Papier so.“ Mit der Selbstverständlichkeit der Routine nahm er beides, schluckte es, lehnte sich zurück und sah Souma nachdenklich an, bis ihm die Augen zufielen. Die ruhige, regelmäßige Atem-Melancholie des Schlafes füllte das Loch in ihren Gedanken, das entstand, während sie die weiße Wand anstarrte. 3. TRAUM SCHWARZE RÄUME Asche knarzte unter seinen Schuhen als er den ersten Schritt in das ausgebrannte Einkaufszentrum tat. Der Rauchgeruch lag kalt und schwer in der Luft. Beklemmend, wie er jedes Geräusch aufnahm und abdämpfte. Er trat ein, schritt bis in die Mitte, durch schwarze Statuen und Decken und Müll hindurch. Das Gebäude war ursprünglich acht Stockwerke hoch gewesen. Doch die zwei oberen hatte man wohl bereits seit Jahren nicht mehr verwenden können, denn die Decke war durchbrochen und nur durch provisorische Eisenbalken gehalten worden. Die Glasfassade war fast vollständig zerbrochen und ob bunt oder nicht, unter dem Ruß war davon nichts mehr zu erkennen. Stille und Schwärze in verschiedenartigen Texturen klebte auf allem, hängte sich zu den Leitern und Brücken zwischen den Stockwerken. Giftige Gase krochen zwischen den Leichen hindurch, die allmählich auseinanderbrachen. Irgendwoher schallte ein Schmatzen, das er nicht ganz zuordnen konnte. Das Echo seiner Schritte schallte bis in die letzten Winkel. Er ging in die Knie und hob ein verbranntes Etwas auf, es dauerte eine Weile bis er es als Decke identifizierte. Beobachtet von den Augen der Wächter kletterte er in den ersten Stock, dann in den zweiten, dritten, vierten, bis in den obersten, wo, wie durch ein Wunder, kaum etwas zerstört worden war. Er betrachtete die provisorisch zusammengezimmerten und gestohlenen Möbel und Decken, fand die Küchen, den leeren Waffenraum, Schmierereien an den Wänden. Er wanderte in der Etage herum und kletterte wieder herunter bis zur provisorischen Krankenstation. Sie war verlassen, aber penibel sauber. Wenn die Hainleute ihre Verwundeten noch versorgt hatten bevor sie flohen, dann hatte jemand danach gründlich geputzt. Der stechende Gestank von chemischen Reinigern war fast wohltuend im Kontrast zu dem erkalteten Rauch. Hier würden sie keine DNA Spuren finden, da war er sich sicher. Er ging weiter, erstes Stockwerk. Hier oben roch es seltsam nach verwelkten Blumen. Doch es war nur die Vorratskammer, in der das Essen vor sich hingammelte. Er ging noch ein paar Schritte. Sein Rhythmus klang keineswegs mehr selbstsicher und autoritär, er blieb immer wieder stehen und wartete darauf irgendeine Leiche zu sehen, die nicht verkohlt war. Oder ein Kinderspielzeug. Irgendetwas, das seine Schuld nicht ganz so abstrakt machte. Etwas, das rechtschaffende Übelkeit in seinen Magen trieb und ihn mit Alpträumen bestrafe. Doch es blieb still in ihm. Er seufze. Immerhin würden seine Kleider noch eine Weile nach dem schweren, giftigen Rauchduft riechen, sein Haar und seine Hände, die sich bei seiner Kletterei rußschwarz gefärbt hatten. Unten scharrten die Wächter unruhig auf den Boden, stießen ein paar Steinstatuen um, oder waren sogar etwas verschreckt. Sie versuchten der Stille mit Lärm und Übermut beizukommen. Das Oberhaupt von EX sprang die letzten Meter hinunter und ging wortlos an den Wächtern vorbei. „Ihr könnt anfangen.“ Er war schon längst wieder an der Oberfläche und auf dem Weg in die Stadt als er das Beben der Erde vernahm. Der Bambushain war endgültig gesprengt, nun galt es nur noch, die flüchtigen Ratten auszurotten. Dieser Hain war das Gegenteil von Fyes weißem Gefängnis, doch bald würde er etwas Besseres geschaffen haben. Etwas, was dazwischen lag. Etwas reines, mit vielen Farben, in dem selbst Fye frei atmen konnte, einen Ort, an dem Ashura ihn mit bloßer Hand berühren konnte und Fye ihn nicht dafür hasste. Einen Ort ohne Asche. 4. TRAUM LEERE RÄUME Er befand sich in einem völlig schwarzen Raum an einem Tisch. Vor ihm befand sich eine Tasse. Wenn sein Blick weiter über den eisernen Tisch ging, saß am anderen Ende Fye, breit grinsend. Der Abstand zwischen ihnen war gerade weit genug, dass sich ihre Knie nicht berührten. Der Magier lächelte nonchalant, sagte etwas, was er nicht verstand. Hatte er schon wieder Probleme mit seinem Gehör, so wie im Hain? „Kennst du Strippoker?“ „Was?“, fragte Kurogane verwirrt nach, als Fyes stummen Rede- und Gestenfluss endlich Ton hinzugefügt wurde, so als wäre ein unsichtbarer Schalter umgelegt worden. Kurz darauf, verzögert, bemerkte er die schwindende Wärme an seinem Ohren und wie Fye die Hände zurückzog. Als wäre er betrunken. „Strippoker! Wir spielen und der Verlierer zieht ein Kleidungsstück aus.“ Kurogane sah auf den leeren Tisch, auf dem nur die Tasse stand. „Wir haben keine Karten.“ „Das macht nichts.“ Das einzelne blaue Auge funkelte ihn herausfordernd an, so als müsste man hinter jedem Wort weitere Bedeutungen vermuten. Kurogane beschloss, das zu ignorieren. Wenn man sich auf dieses Spiel des Magiers einließ, traute man irgendwann seine eigene Sprache nicht mehr. „Das macht wohl etwas. Keine Karten, kein Kartenspiel.“ „Das macht nichts. Ich fang' an.“ Kurogane nahm einen Schluck von seinem Getränk, das keinen Geschmack hatte. Fye machte irgendetwas mit dem Händen, wie eine seltsame Pantomime und setzte dann ein übertriebenes Pokerface auf. Als er so tat als würde er etwas auf den Tisch legen, begriff Kurogane, dass er mit einem imaginären Kartenset spielte. Erwartungsvoll wartete der Magier auf Kuroganes Zug, der dieser absurden Hampelei bereits müde wurde. Es war als würde er schon ewig hier sitzen und die Spinnereien des Magiers ins Leere laufen lassen. Was sollte das überhaupt? Sie waren eh beide nackt. Irgendwann hörte er ein leises - „Verloren, Kuro-wako!“ - und wachte endlich auf. 5. TRAUM VOLLE RÄUME Er betrat den völlig schwarzen Raum, in dem sich ein Tisch und zwei Metallstühle befanden. Einer der Metallstühle war umgekippt, als wäre jemand wutentbrannt aufgesprungen. Sein Blick fiel sofort auf den blonden Mann, der immer noch am Tisch saß. Er hatte das Gesicht verborgen und die Hände in das zerzauste Haar gekrallt. Ein Häufchen Elend. Er kam näher, hob den Stuhl auf und schob ihn zum Tisch zurück. Er zögerte, weil der Mann dort am Tisch ihn gar nicht wahrnahm. Die Tasse auf dem Tisch dampfte vor sich hin, doch die schwarze Flüssigkeit darin war undefinierbar. Überhaupt wirkte die Tasse, als gehöre sie nicht dorthin und der Stuhl wirkte, als fehlte jemand. Nun, vermutlich jemand, der schon gegangen war, weg aus diesem Traum. Er setzte sich, ihre Knie berührten sich fast. Vorsichtig stupste er seinen Gegenüber mit seinem großen Zeh an und versuchte sich an einen breiten, aufmunternden Grinsen, als dieser endlich aufsah. Doch da es sich um sein Spiegelbild handelte, wunderte es ihn nicht, dass da zwar ein Lächeln auf Fyes Gesicht lag, es aber nass vor Tränen war. Er fragte: „Warum tust du das?“ Fye zuckte mit den Schultern und wischte sich übers Gesicht. „Tja ~ lustig, dass du das fragst, weißt du?“ „Na ja, lustig oder nicht. Je mehr du ihn verletzt, umso hartnäckiger scheint er zu werden.“ „Tja...“ „Warum muss er überhaupt gehen?“ „Das ist auch eine lustige Frage.“ Er fragte: „Warum musste ich gehen?“ Schweigend saßen sich die beiden Männer gegenüber und das Grinsen seines Gegenübers verkrampfte sich langsam. Schwer seufzend lehnte der Neuankömmling sich zurück und griff nach der Tasse, roch an dem schwarzen Inhalt. „Das ist eine besonders lustige Frage, angesichts der Tatsache, dass wir in einem Traum sind, oder? Oder werde ich verrückt und rede endlich mit mir selber?“ Er sah auf und überlegte. „Ich glaube, man kann es so sehen.“ Doch das spielte gerade keine Rolle. „Es war diesmal nicht Kuro-samas Schuld, oder? Er wusste nicht, was passieren würde, wenn wir zum… Schloss... gehen würden, oder? Du hast versucht, ihn durch mich zu warnen... Damals als ich geträumt habe, oder?“ Er nahm einen Schluck aus der Tasse und hustete leicht. Es schmeckte wie Asche. „Ich vermisse ihn.“ „Es ist alles kompliziert...“, sagte der nackte Mann vor ihm. „Einen Scheiß ist das“, meinte er ein wenig wütend. Die Asche in seinem Mund erstickte sie ein wenig, erstickte ihn, denn das Feuer war längst aus und was brachte das Weinen über all die Asche? Machte alles nur klebrig und anhaftend. „Na ja, vermutlich ist es das wirklich. Ich kann's dir ja sagen, nun da Kuro-sama nicht mehr hier ist: Ich quäle die, die ich liebe, weil ich an einen Wunsch festhalte, an ich selbst nicht mehr glauben kann. Doch ich weiß nicht was ich tun soll...“ „Das was du für richtig hältst?“ „Das hab ich getan.“ „Und wovor hast du Angst?“ „Das zu bekommen, was ich will. Das zu verlieren, von dem ich mal dachte, dass ich es wollte.“ „Was ist denn das für eine verdrehte Scheiße? So was kann auch nur dir einfallen!“ „Man merkt, dass du lange mit Kurogane zusammen warst. Du redest schon wie er.“ Die Finger waren warm und echt und seltsam vertraut, als sein Gegenüber nach der Tasse griff und sie seinen Händen entzog. „Ich vermisse ihn“, sagte er. „Das alles würde eh in einer Katastrophe enden. Es ist gut, dass es vorbei ist. “ „Ich vermisse ihn.“ Fye massierte seine Schläfen und lachte. „Hey, kann man in Träumen Kopfschmerzen bekommen?“ „Ich vermisse ihn.“ „Ich hab ihm mehr als eine Chance gegeben aus alldem hier heil und ohne Herzschmerz rauszukommen! Er hätte glücklich werden können. Ich wasche meine Hände in Unschuld.“ „Das einzige, was du bewirkt hast, ist alles nur noch schlimmer zu machen. Und ich hasse dich dafür.“ „Ja, ich vermisse ihn auch.“ Ende Kapitel 30 Kommentar: Ja, ich weiß. Jetzt habe ich alle verwirrt. Lass euch durch dieses Zwischenkapitel nicht entmutigen, es ist mehr als Ergänzung gedacht und als eine weitere Hilfe beim Rätselraten! Ha! Wer hat eigentlich schon neue Theorien? In den Kommentaren hab ich ein, zwei Sachen gelesen, die ich ziemlich interessant fand. Und! Last but not least: Ich habe weitere Unterstützung! Baem hat sich in rasender Schnelle meinem Satzwald angenommen und nur dank ihr ist dieses Kapitel so schnell online! Danke dir! 31. Kapitel - (Laugh, I nearly died) ------------------------------------ Anmerkung/Warnung: Sehr viel düstere Themen in diesem Kapitel, Erwähnung von Tod und Mord. Seid gewarnt. Allerdings lüften sich auch einige Geheimnisse und wer Spaß am Rätselraten hat, wird hier ein paar weitere Indizien finden... wtf eigentlich los ist. Kommentare und Verschwörungstheorien sind in den Kommentaren immer gerne gesehen. Auch konstruktive Kritik. Der Titel ist einem epischen Rolling Stones Song entnommen, den ich beim Lesen zu hören nur empfehlen kann. Für das Ausmerzen von Rechtschreibfehlern, Schachtelsätzen und grammatikalischen Unzulänglichkeiten danke ich auch in diesem Kapitel Baem! __________________________________________ Die Strecke von Sytrax nach Omehlas war eine weiße Hölle. Doch Kurogane war kein Mann, der sich erlaubte zu lamentieren und irgendwo erfüllte es ihn mit einer dumpfen Befriedigung einen Schritt vor den anderen zu setzen, taub im Sturm, kaum fähig zu blinzeln, da seine Wimpern gefroren waren. Dennoch fragte er sich gleichzeitig bei jeden Schritt, den er vor den nächsten setzte, und dem Schritt danach und dem danach, wann endlich das Gebäude der Zwischenstation in Sicht kommen würde. Und damit Wärme. Und damit ein Pause von all dem Weiß. Weiß. -------------Weiß.-------------Weiß. Rauschen. ------------- Endloses -------------Weiß. Brennendes, blendendes, bleierndes Weiß. Weiß.-------------Dazwischen-------------ein Gedanke: Wenn der Schnee noch warm wäre, wäre es anders? Einen Moment blieb Kurogane stehen, ließ sich etwas zurückfallen und kniete sich in den Schnee. Kalt, nachgiebig und darunter nichts als ausgekühlte Erde. Der Schnee war nicht warm. Ärger tauchte kam in ihm auf; so stark und kalt, dass es ihn frustrierte, überhaupt noch etwas zu fühlen. Als würde es nicht reichen, dass es wehtat. Nein, es musste auch noch lästig sein, drückend, wie ein zu enger Schuh. So, dass man barfuß gehen würde, hätte man die Wahl. Er hatte keine Wahl. Weiß. Weiß. Weiß. Und Rauschen. Eine ummantele Person blieb stehen und sah zu ihm zurück. Er konnte es nicht ganz erkennen, doch er vermutete, dass es Shaolan war. Kurogane stand wieder auf und wies sich selbst zurecht. Gut, dass es nicht die Prinzessin war, die ihn so gesehen hatte. _________________________________________ Irgendwann, aber auch wirklich erst irgendwann, kamen sie an der Zwischenstation an; öffneten die schwere Eisentür und schlossen den Schneesturm endlich aus. ChuNyan schälte sich als erste aus den Haufen von Stoff, schwer atmend, die schwarzen Haare feucht im Gesicht klebend. „Ich kann nicht mehr! Ich kann echt nicht mehr! Ich brauch was zu essen und ne warme Dusche, sonst geh ich morgen keinen Schritt mehr weit!“ Shaolan schob der Prinzessin vorsichtig den Schal vom gerötetem Gesicht. „Wie geht es dir, Prinzessin?“ Das Mädchen lächelte nur müde und drückte seine behandschuhte Hand. Währenddessen schritt Kurogane den bekannten Gang zur Halle hinunter. „Hallo?“ Niemand humpelte ihnen entgegen und man hörte keine Stimmen, jedoch war auch hier drinnen der Sturm noch ohrenbetäubend laut, es erschien ihm nur leise, weil sie geringerem Lärm ausgesetzt waren als die letzten Stunden. Doch etwas stimmte nicht. Kein Rauch und zudem war es hier eiskalt. Als er in der Halle ankam, wurde ihm nur noch kälter. Da standen sie, die großen Maschinen und Flugschiffe, verlassen, nun umso mehr wie Geister. „Wo sind denn alle? Ich kann keine anderen Auren spüren, Kurogane-san.“ Shaolan war ihm gefolgt und mit einer Handbewegung deutete der Krieger an stehenzubleiben. „Geh zurück und sag den Mädchen, dass sie nicht von der Tür weggehen sollen. Und hol den Quacksalber.“ Shaolan stockte, schluckte hart, als er den Anblick in sich aufnahm und ging dann zurück. _______________________________________ Der Doktor untersuchte jeden der einzelnen Körper, die auf dem Boden verteilt lagen wie Teile einer Maschine, die altersschwach auseinander gebrochen war. 32 Menschen. Alle tot. Kurogane durchsuchte die ganze Anlage, doch keine Spur von einem Angreifer, keine Spur von einem Kampf oder von irgendeinem Unfall. Völlig k.o. setzte sich der Doktor auf eine Kiste und starrte in den Raum. „Ich hab keine Ahnung“, verkündete er. „Keine äußeren Wunden. Keine Vergiftungserscheinungen. Es ist, als hätten sie einfach aufgehört zu leben.“ In seiner Stimme klang das erste Mal, seit Kurogane ihn kannte, kein Zynismus mit, zu müde dafür. Kurogane schloss die Augen und versuchte herauszufinden, was nun zu tun war, doch er wurde von einem lauten Klappern unterbrochen, das die Totenstille unangebracht durchriss. „Was machst du da, verdammt?“, fuhr er den Arzt an, der kurzerhand einen Kübel mit Kohle ausgeleert hatte und nun Stück für Stück in den Ofen schmiss. „Wollen Sie etwa aus Respekt vor den Toten eine Lungenentzündung riskieren? Holen sie den Jungen und Souma, die können sie auf einen Haufen legen und ne Plane drüber packen, damit wir uns das nicht die ganze Nacht ansehen müssen. Die Mädchen können mir mit der Kohle helfen.“ „Du bist so ein Arschloch.“ Nie im Leben würde er der Prinzessin diesen Anblick antun wollen. „Ja, und dem Arschloch ist kalt. Also beeilen Sie sich.“ _______________________________ Die Aussicht auf ein warme Feuer mobilisierte ihre letzte Energien und in 20 Minuten hatten sie die Toten so gut es ging in würdevolle Positionen gelegt, mit Decken und Planen bedeckt und um den Ofen ein kleines Lager aufgebaut. Dann konnten auch die Mädchen reinkommen, die an der Tür hatten warten sollen. ChuNyan wurde blass als sie all das sah und Sakura schwieg beklommen. Sie fanden Proviant an der selben Stelle wie zuvor, in einer Art Abstellkammer, und bereiteten ein einfaches Mahl zu. Sie feuerten den Ofen auf Hochtouren, nach ihnen würde eh niemand mehr die Kohle gebrauchen können. Niemand hatte großen Appetit, doch es war notwendig Energie zu schöpfen. Sie schwiegen sich an danach. Souma streichelte der weinenden ChuNyan durch's Haar, Shaolan wachte mit müden Augen über Sakura, die vor Erschöpfung mit Mokona im Arm eingeschlafen war und der Arzt starrte ebenso wie der Krieger einfach nur dumpf ins Feuer. Draußen wurde es dunkel. „Geh schlafen“, sagte Kurogane zu dem Jungen, „Ich weck dich, wenn du mit der Wache dran bist.“ _____________________________ Draußen war es nun stockfinster. Shaolan schlief neben Sakura, die im Schlaf näher an ihn gerückt war und auch der Krieger schloss die Augen, jedoch auf jedes Geräusch und jeden möglichen Feind achtend. Nach einer Weile konnte er Souma und Dr. Kyle flüstern hören: „Denkst du, das war EX?“ „Ich weiß nicht. Verbrennen und vergiften die nicht gerne? Warum sollten sich die Wächter so einen Spaß entgehen lassen.“ „Du weißt wirklich nicht, woran sie gestorben sind?“ „Nein, meine Liebe.“ „Das ist ungewöhnlich“, ein wenig müdes Necken klang in ihren Worten mit. Ein Seufzen, das nur von dem Arzt kommen konnte, dann Rascheln von Stoff, minutenlanges Schweigen. „Es könnte einfach sein...“ „Hm..?“ Soumas Stimme klang, als wäre sie gerade weggedöst. Draußen tobte immer noch überlaut der Schneesturm. Als Kurogane die Augen öffnete, sah er die beiden Arm in Arm gemeinsam in eine Decke gehüllt vor dem Ofen liegen. „Diese Menschen hier waren alt... Es könnte sein, dass einfach ihre Lebenszeit abgelaufen ist. Dies hier ist ein ungeschützter Ort, die Magie...“ „Du meinst die Magie war das?“ „Als Wissenschaftler kann ich daran zwar nicht wirklich glauben, aber na ja...“ „Vielleicht kann das der Gründer auch ändern.“ „Wenn wir ihn finden.“ „Wir werden ihn finden.“ „Wenn es ihn gibt.“ „Nicht schon wieder, Kyle! Was soll denn die Alternative sein? Auch Dinge in die Luft sprengen?“ „Davon habe ich nie geredet, wir könnten einfach zurückgehen.“ „Zurück 'nach oben'?“, wieder Rascheln, Souma schien sich abrupt aufgerichtet zu haben. „Spinnst du?! Du und ich können das durch deine Beziehungen vielleicht noch bringen, aber was ist mit den anderen? Willst du die alle zurücklassen? Und außerdem, ich würde lieber sterben als deren Leben noch mal zu führen.“ „Schade, dass dein Sohn zu jung ist, um dazu etwas zu sagen. Vermutlich wird er es nicht überleben, sich dazu eine Meinung zu bilden“, konterte der Arzt mit etwas lauterer Stimme. Souma seufze, wieder Rascheln, Kurogane hörte eine Weile nur seinen eigenen Atem zu und wünschte er könnte ebenfalls schlafen. Vor weiteren Fragen und Rätseln einfach weglaufen, sich nicht damit beschäftigen. Nicht involviert sein in die Zustände und die Menschen einer Welt, die er bereits in den ersten Minuten seit seiner Ankunft verlassen wollte. „Komm wieder zurück unter die Decke. Es lohnt sich nicht, sich eine Lungenentzündung zu holen, nur weil du sauer auf mich bist.“ Nach einer Weile hörte Kurogane wieder Rascheln und danach nur noch Rauschen und seinen eigenen Atem. („Meinst du, es geht ihm gut?“ „Sicher.“) ________________________________________ Sie verließen die Zwischenstation schweigend. Niemand hatte nach dem bedrückenden Anblick Lust etwas zu sagen, obwohl sie ein schöner Morgen erwartete. Schön - das hieß: immer noch arschkalt, doch der Sturm hatte nachgelassen. Stattdessen wehte ein leichter Wind vereinzelte Schneeflocken mal hier hin, mal dorthin. Schneedünen veränderten sich unmerklich. Bei jedem Schritt sank ihre Reisegruppe ein, manchmal bis zur Wade. Seit ein paar Stunden hatten sie die Zwischenstation des Materiallagers hinter sich gelassen und waren Richtung der Grenzgebiete Omehlas gewandert. Die in der Sonne funkelnden Eisfläche und die wie Skulpturen eingefrorenen Bäume und Steine, an denen sie vorbei kamen, wirkten wie Kunstwerke, so dass die Stimmung Schritt für Schritt, Stunde für Stunde, nicht mehr ganz so düster war. Als sie an besonders symmetrischen Steinformation vorbei kamen, kniete sich Shaolan nieder und wischte etwas Schnee weg... „Das sieht fast aus wie das Dach eines Hauses...“ ChuNyan stieß mit den Fuß dagegen. „Das ist das Dach eines Hauses. Unter dem Schnee liegt ein Dorf. Es ist noch auf den alten Karten zu finden, es lag auf einem Hügel.“ Etwas umständlich zog sie ihre dicken Handschuhe aus und holte eine abgewetzte Karte hervor. „Siehst du?“ „Hier lag nicht schon immer Schnee?“, verwunderte sich die Prinzessin. „Nicht so viel.“ „Seit wann ist das hier so?“, fragte Shaolan und kratzte noch mehr Schnee von dem Dach ab, das aus irgendeinem dunklen Stein zu bestehen schien. „Keine Ahnung. 50 Jahre?“, ChuNyan sah unsicher zu Souma und Kyle, doch die Hainbewohner zuckten nur mit den Schultern. Sie hatten noch weniger Ahnung von all dem, als die 16jährige und diese verließ sich auch nur auf Geschichten ihrer Eltern. „50 Jahre sind nicht so lang...“, warf der Junge ein. „Warum erinnert sich niemand mehr?“ „Weil es verboten ist darüber zu sprechen, sich zu erinnern?“, warf der Arzt ein, der ihre geologische Exkursion dazu genutzt hatte, sich hinzusetzen und etwas auszuruhen. Kurogane atmete tief durch und fuhr sich über das Gesicht, auf dem sich paradoxerweise ein Sonnenbrand abzuzeichnen schien. Wenn sie schon nach der größten Märchenfigur aus dieser Zeit suchten, vielleicht half es etwas über diese Zeit zu erfahren. Die Stille fraß sie sonst noch auf. Fyes Gebrabbel wäre jetzt eine angenehme Ablenkung gewesen, auch für die immer noch geschockten Kinder. „Soweit wir das wissen, ist es seit 50 Jahren unmöglich hier draußen zu leben“, erklärte ihm Souma. „EX entwickelte die Städte irgendwann und übernahm die Macht.“ „Das hast du mir schon erklärt“, bemerkte Kurogane und Souma schien zu lächeln, obwohl er in der Montur nur ihre müden, dunklen Augen erkennen konnte. „Ja, dir. Aber Sakura und Shao noch nicht.“ Sie hatte es sich wie ChuNyan angewöhnt Shaolan mit diesem Spitznamen zu versehen, um ihn von seinem Ebenbild unterscheiden zu können und behielt dies bei, auch wenn die beiden Hainkinder in Styrax geblieben waren. „Aber Schnee gab es schon vorher“, erklärte ChuNyan. „Nur konnten die Leute dank Magie sehr gut damit leben. Doch dann passierte etwas. Die Leute sagen, die Magie wäre 'böse' geworden und tödlich für die Menschen, doch das glaube ich nicht. Magie kann nicht böse sein, das hat meine Mutter immer gesagt und sie war eine große Magierin! Na ja...jedenfalls wohnt hier niemand mehr und deswegen hat der Schnee alles begraben. Wenn wir erst mal den Gründer gefunden haben, wird der Schnee verschwinden und alles wieder voller Leben sein!“ Die Prinzessin betrachtete ihre Freundin lächelnd. „Ja, das wäre schön.“ ____________________________________ Sie gingen weiter und das Wetter wurde immer milder - den Umständen entsprechend. In der Ferne konnten sie Schatten erkennen, die Omehlas zu sein schienen. _____________________________________ Minuten, Stunden später. Kurogane sah auf das Mädchen, das neben ihm stapfte. Die langen, schwarzen Haarsträhnen hatten sich aus dem Pferdeschwanz gelöst und hingen unter der Kapuze hervor. Der Wind wehte sie mal hierhin, mal dorthin – „Wahhhh!!“ Kurogane schreckte aus seinen Träumereien hoch, konnte im letzten Moment noch nach ihr greifen und zurück ziehen. „ChuNyan!“, schnell kamen ihr Souma und Kyle zur zur Hilfe und zu dritt zogen sie das Mädchen aus dem Loch hervor, das sich unter ihren Füßen aufgetan hatte. „Was war das denn?“, fragten sie erschrocken und zog an ihren völlig durchnässten Stiefeln. Shaolan betrachtete währenddessen das Loch im Schnee. „So etwas habe ich schon mal auf Reisen gesehen... wir scheinen uns auf einem gefrorenen See oder so etwas zu befinden...“ „Mit ziemlich brüchigen Eis...“, pflichtete ihm der Doktor bei. Omehlas war schon in Sichtweite, doch es würde bald dunkel werden. Sie konnten sich keinen Umweg leisten. „Was machen wir jetzt...?“, fragte Sakura besorgt und sah ratsuchend zu ihren Reisebegleitern. „Wir müssen weiter“, Souma atmete tief durch. „Wir bilden jeweils Dreierketten und fassen uns an den Händen. Wenn einer einsinkt, können die anderen beiden ihn rausziehen...“ „Wir sollten besser auch nicht nicht so nah beieinander gehen“, warf Shaolan zusätzlich ein. „Damit verteilt sich das Gewicht auf dem Eis etwas.“ Mit einem Gesichtsausdruck als wollte sie gleich anfangen zu weinen, zwang sich ChuNyan wieder in ihre eisigen Stiefel. „Das macht alles keinen Spaß...“, jammerte sie. „Das ist auch kein Abenteuerspielplatz“, bemerkte Kurogne, während er sie an der Hand packte und hochzog. ___________________________________ Plötzlich, von einem Schritt auf den anderen, ließ der Wind vollkommen nach. Überrumpelt blieb die durchgefrorene Reisegruppe stehen. Hinter ihnen am Himmel kam die Dämmerung auf, dennoch war es noch wärmer geworden und die Stadt nun nicht mehr nur ein grauer Berg in der Ferne, sondern so grün und frisch als wäre aus Versehen ein frisch geborenes Stück Leben mitten in einer Totenwelt verloren gegangen. Verwirrt ging Kurogane einige Schritte zurück und augenblicklich prasselten wieder hauchdünne Schneeflocken gegen sein Gesicht und der eisige Wind schien ihn nach hinten zu drängen. Doch sobald er sich die wenigen Schritte wieder nach vorne gekämpft hatte, stand er wieder im schwachen Rest Sonnenschein, reflektiert von einer perfekten, weißen Schneedecke. Shaolan hatte ihn beobachtet und starrte vollkommen fasziniert in die Luft, dort wo die unsichtbare Schnittstelle zwischen den zwei Wetterlagen sein musste. „Wie funktioniert das bloß?“, fragte er völlig fassungslos. „Eine Technologie, die so etwas möglich macht....“ „Vielleicht ist es Magie!“, quiekte Mokona laut von der Schulter der Prinzessin und sprang in den Schnee. Sakura kicherte leise als Mokona pummelige Schneeengel in den Schnee formte. „Wooo!“, quietschte das weiße Wesen noch mal, „Der kalte Wind ist weg! Der kalte Wind ist weg!“ „Woran auch immer es liegt, lasst uns weiterlaufen.“ Doch auch Chu Nyan war in die Hocke gegangen, ignorierte den Krieger und formte einen kleinen Schneeball. Der Bengel, ernst wie immer, schaute ähnlich verwirrt wie der Krieger drein, doch Sakura tat es ihr nach und bevor Shaolan den Mund öffnen konnte, hatte er schon einen Schneeball im Gesicht. „Erwischt!“, rief ChuNyan und sprang einige Schritte nach hinten. Doch schnell kam die Rache und zielsicher warf er sie mit einem Schneeball ab. „Was zur Hölle macht ihr da?“, fragte der Doktor irritiert. Mokona drehte sich wie wild im Kreis. „Der Schnee ist ganz warm, ganz warm---“ Das Eis, das der Krieger sich aus dem Gesicht rieb, war brennend kalt. Doch die Kinder waren nicht aufzuhalten. Unter Fluchen und Zetern des Doktors zogen sie ihre dicken Wintermäntel aus und hampelten herum, bewarfen sich und die Erwachsenen mit Schneebällen und kümmerten sich kein Stück mehr darum, ob sie auf dünnem Eis standen. Auch Souma beobachtete die drei Kinder dabei lachend, nur die beiden Männer schienen nicht von dieser plötzlichen Unbekümmertheit befallen zu sein. Der Doktor schnaubte und ging vor. „ICH werde euch nicht behandeln, wenn ihr euch eine Lungenentzündung holt!“ Doch die einzige Antwort darauf war ein Schneeball an seinem Rücken. Der Krieger sah zu Omehlas auf, die Stadt ragte wie eine grüne Oase auf, scheinbar zum Greifen nah und es wurde kontinuierlich wärmer, selbst ihm wurde es langsam in dem dicken Wintermantel zu warm. „Oi!“, er packte die Prinzessin am Handgelenk, zog sie zurück und drückte sie unter verhaltenen Protest dem Bengel in die Arme. „Das ist ein Zauber. Wie der in der Villa. Zieh sie wieder an und trag sie. Vielleicht sind wir immer noch mitten im Sturm und bekommen es nicht mit.“ Shaolan ließ vor Schreck den Schneeball fallen, den er gerade geformt hatte. Es dauerte ein paar Sekunden, doch dann wurde er wieder ernst und versuchte der Prinzessin den Mantel wieder überzustreifen. Er schaffte es mit einigen Schwierigkeiten. Sie kicherte und schmiss ihm ständig Schnee ins Gesicht. „Aber versteht ihr nicht!“, ChuNyan breitete die Arme aus und drehte sich wild um sich selbst. Sie war mittlerweile barfuß. „Die Magie ist nicht unser Feind! Sie hat uns dieses Geschenk gemacht, auf dass wir nicht mehr frieren müssen!“ Der Krieger schmiss ihr ihre Stiefel entgegen. „Magie ist auch nur eine Waffe. Ob eine Waffe gut ist oder schlecht, das bestimmt allein derjenige, der sie beherrscht!“ „Als hättest du eine Ahnung!“ „Ahnung genug“, brummte er vor sich hin und erstarrte. Plötzlich war es dunkel geworden. Über ihnen strahlte zwar noch der blaue Himmel, doch der Boden unter ihren Füßen verdunkelte sich immer mehr. Das schwarzhaarige Mädchen kreischte auf, als Eiswasser über ihre Füße schwappte. Der Schnee war geschmolzen, ohne dass sie es bemerkt hatten und die Eisdecke unter ihnen tat es der weißen Masse rasant gleich. Es schimmerte darunter dunkel, schwarz. Ein verdrehter Nachthimmel in dieser Eiswüste. Mit lauten Knarzen brachen Sakura und Shaolan ein – mit einem Sprung war der Krieger bei ihnen und zog sie zurück aufs Eis, doch das Gewicht von ihm dreien zusammen war zu groß für die instabile Eisschicht und mit ohrenbetäubenden Krach gab das Eis völlig nach und sie konnten gerade noch nach Luft schnappen, bevor das eiskalte Wasser über ihnen zusammenschwappte. Die Kälte presste den wertvollen Sauerstoff sofort wieder aus seinen Lungen, tausend kleine Luftblasen sprudelten auf die helle Oberfläche zu, die rasant dunkler und dunkler wurde. Wie Steine sanken sie tiefer.... _____________________________________________________ Das Weiß blendete und im ersten Moment sah er nichts. Als sich seine Augen an das grelle, sterile Licht gewöhnt hatten, sah er die Kinder neben sich auf dem Boden sitzen und auch Souma und der Doktor schienen wohlauf, wenn auch genauso durchnässt wie er. Der Raum, in dem sie sich befanden, war vollkommen weiß. Die Monitore an den Wänden waren ausgeschaltet, die Armaturenbretter abgedeckt, und neben zwei Liegen war der Raum vollgestellt mit weißen Schränken und komischen Tonnen. Bibbernd stand er auf. Der Doktor holte mit größter Selbstverständlich ein kleines Fläschchen aus einem der Schränke, drehte es auf und sog eine Spritze mit der Flüssigkeit voll. Doch bevor er Kurogane damit attackieren konnte, nahm er ihm das Ding weg. „Wo sind wir hier?“, verlangte er zu wissen. „So wie es aussieht“, begann Kyle, „Befinden wir uns in den Laboren.“ „In den Laboren?“, fragte Shaolan, „Wollten wir nicht die Ruinen der Alten Kultur aufsuchen und dort einen Hinweis auf den Gründer finden?“ „Nun“, begann Soma und diesmal hielt sie den misstrauischen Blick des Kriegers stand. „Wir sind genau da, wo wir hinwollten. Das hier SIND die Ruinen der Alten Kultur. Auch wenn ich mir wirklich nicht erklären kann, wie wir hierhin gekommen sind....“ „Aber...“ „Ganz Omehlas wurde auf den Ruinen der alten Hauptstadt Ruval erbaut. Wir müssten uns jetzt in ihrem Straßennetz befinden.“ „Aber...“, versuchte sich die Prinzessin noch einmal Gehör zu verschaffen. „Es sieht hier gar nicht aus wie eine Ruine...“ „Der ganze, ach so moderne, Laborkomplex wurde IN die versunken Straßen von Ruval hineingebaut“, erklärte der Doktor und klopfte gegen eine weiße, sterile Wand. „Keine Ahnung warum. Hinter diesen Wänden befinden sich angeblich alte Baumwerke und weitere Gänge.“ Das Gespräch wurde durch ein leises Stöhnen unterbrochen und für einen Augenblick richtet sich die Aufmerksamkeit aller auf die gerade wieder zu Bewusstsein kommende ChuNyan. Ihre Augen waren glasig und als sie sich umsah, drang ein leichtes Lächeln auf ihre Lippen. „Wir sind da. Wir sind endlich da! Ich kann sie ganz deutlich spüren, hier ist die Magie ganz stark.“ „Ich kann es auch spüren...“, die Prinzessin lächelte leicht und sah sich fasziniert um, als bestände der Raum nicht bloß aus ausgeschalteten Geräten und platten, weißen Wänden. „Und wir spazieren jetzt hier einfach rum, bis was genau passiert?“, wollte Kurogane wissen und blickte zu Soma. Das Gefühl, dass sie ihm immer noch viel verbarg und an der Nase herumführte war zwar abgeschwächt, jedoch noch nicht ganz verschwunden. Außerdem konnte man mit ihrem Mann nicht reden. Kurogane hatte gehofft nicht unbedingt mitten ins Hornissennest stiefeln zu müssen (vor allem mit der Prinzessin und dem anderen Mädchen im Schlepptau), doch wenn es schon notwendig war, dann hätte er gerne im Voraus davon gewusst. Unbewusst fuhr seine Hand zur Schwertscheide, unsicher ob er mit Souhi noch irgendetwas ausrichten konnte. „Nein, wir spazieren bis in den Südkomplex. Die Laboranlagen dort werden seit Jahren nicht mehr verwendet“, antwortete der Doktor. „Und was tun wir da?“ „Nun, auf dem Punkt gebracht würde ich sagen: Ein Loch in der Wand finden. Wir nehmen einfach den Weg durch die Stadt bis zum Zentrum. Kann ja nicht alles zugebaut sein. Die Phagen und sonstige Software wird uns nicht orten können, dafür sorgen wir.“ „Und dann?“, wollte Shaolan von dem Arzt wissen. Doch dieser zuckte nur mit den Schultern. Souma antwortete für ihn. „Dafür haben wir diesen kleinen Wildfang hier mitgenommen.“ „Hey!“, ChuNyan errötete leicht und sprang von der Bahre. „Wenn wir ihn irgendwo finden, dann genau dort, das hab ich im Gefühl!“ Nun fiel Kuroganes Blick auch auf das, was die beiden ebenfalls aus den Schrank geholt hatten: Arztkittel. Weiße Hosen und Oberteile. „Sagt mal, woher wisst ihr das eigentlich alles...?“, fragte er und blickte dabei das seltsame Ehepaar an. „Nun..“, Souma seufze. „Kyle und ich... wir haben früher in den Laboren gearbeitet. Wir kennen uns sozusagen aus.“ Der Arzt warf auch ihm einen Kittel hin. „Die Tarnung ist zwar unnütz sobald Sie den Mund aufmachen, doch ziehen Sie das an. Das ist wenigstens trocken.“ _____________________________________________ Es konnte auch Einbildung sein, doch Kurogane fand, es stank. Die weißen Gänge waren nicht beleuchtet, sie brauchten die Taschenlampen, die sie mitgebracht hatten. Es gab nur lange Gänge, glatte weiße Wände, wie in den Lagerhallen, nur noch schlimmer. Ab und an ging eine Tür ab, die man nur an einem Touch-Screen an der Wand erkannte, der allerdings nicht unter Strom stand. Gänge verloren sich nach links und rechts. Sie hatten hierfür keine Karte, doch Soma und Kyle schienen auch so zu wissen, wo es lang ging. Der Komplex schien wirklich verlassen. Kein Strom, keine Phagen, keine Menschen und keine Alarmanlagen. Absolute Stille, nur das Geräusch ihrer Schritte und das leicht gedämpfte Licht der Notbeleuchtung. Sie kamen an eine dicke Glastür und wie selbstverständlich fummelte Souma daran rum, bis der Touch-Screen wieder funktionsbereit war, dann legte sie ihre Hand darauf und die Tür öffnete sich. Shaolan wechselte einen Blick mit dem Krieger. „Ist das wieder so so’n Blut-Trick?“, fragte er, sich allzu sehr an 'Fyes' Tricks in den Lagerhallen erinnernd. „Nein, sie haben nur nicht das Passwort geändert“, antwortet Souma. Sie traten in einen Raum mit einer großen Konsole. Nur hier kam etwas Leben in die Monotonie. Monitore an den Wänden, Glasfenster mit Blick auf die Krankenzimmer, Tische, Stühle, offene Schränke, vollgestellt – wie ein Krankenhaus, in dem nur zufällig alle zur Mittagspause ausgeflogen waren, inklusive Patienten. Ab und an leere Stellen, ausgeräumte Schränke und fehlende Liegen ließen erkennen, dass aber auch viel der Einrichtung entfernt worden war. „Was ist das für ein Geruch...?“, fragte Shaolan und fuhr mit den Fingern über eine Arbeitsfläche, auf der ein leicht gelblicher Film lag. „Ich würde es nicht allzu sehr betatschen“, wies ihn der Arzt ihn an. Der Junge wischte die Schmiere an einer Liege ab, doch es wurde dadurch nur noch schlimmer, da sich auch dort die Substanz befand. „Wieso wird dieser Teil des Labors eigentlich nicht mehr benutzt? Sieht doch ganz brauchbar aus...“ Mokona hatte sich tief unter Kuroganes Jackenkragen vergraben und hatte die ganze Zeit kein Wort gesagt. Jetzt murmelte es ein leises „... Mokona mag es hier nicht...“ in das Ohr des Kriegers, dieser tätschelte es nur beruhigend. „Nun, es entspricht nicht mehr den Hygienevorschriften, die für ein Krankenhaus allgemein und einer Forschungsstation der Immunmedizin insbesondere notwendig sind.“ „Ja, und so dass man es versteht, Mann?“ „Soll heißen, hier schweben noch frisch fröhlich die letzten Reste von Phosphorsäureester, a.k.a Sarin, rum. Ein Gas“, fügte er hinzu als er verwirrt angesehen wurde. „Luft, die tötet.“ „Ist es hier noch gefährlich?“, fragte Shaolan. „Nein, nicht mehr. Dennoch würde ich nicht dran lecken.“ „Was ist hier passiert...?“, fragte Sakura ein wenig eingeschüchtert und sah in die Luft, als wäre da etwas. Vielleicht war da auch was, für sie, da sie eh immer Geister sah. „Es gab ein Labor, dann einen Anschlag, dann konnte hier niemand mehr arbeiten und EX hat den Komplex geschlossen. Großes Chaos, alle liefen durcheinander, ein paar Forschungsobjekte sind auch verschwunden.“ Kurogane durchquerte den Raum, suchte nach Lüftungsschächten. Wenn Ashura alles abgeriegelt hatte, dann war er sicher nicht so doof, die Lüftungsschächte zu vergessen. Dennoch hatte er das Gefühl, hier etwas finden zu können. Er trat in ein kleines Krankenzimmer, das von außen durch ein Fenster einsehbar war, von innen jedoch keinen Blick in das Labor zuließ. Die Laken auf dem Bett waren zerwühlt, ein Infusionsständer stand verlassen, wie ein stummer Zeuge da, Tabletten über den ganzen Boden zerstreut, hier war kaum etwas von der Schmiere zu finden, dafür entdeckte er ein paar dunkle Spuren auf dem Boden – schwarz, doch es könnte Blut sein, am Infusionsständer hing noch ein Schlauch mit einer Nadel dran, der Inhalt in der Tüte, die daran hing, war jedoch schon längst leer. Was war das hier? War das der Ort, an dem 'Fye' gewesen war, bevor er in den Hain kam? Das, woran er sich nicht erinnern konnte? War das hier der Grund, warum er jetzt nur noch eine lebende Leiche war, unfähig zu sterben, unfähig zu leben, vielleicht aber einfach aufhörte zu funktionieren? Er war schon in vielen Welten gewesen, die er nicht mochte. Welten voller Krieg und Ungerechtigkeit und auch in Japan hatte er getötet und so manches gesehen– doch das hier war fast unerträglich. Es schnürte ihm die Kehle zu. Er spürte eine Aura und sah Souma in der Tür stehen. Sie blickte sich um als würde dieses Zimmer ihr genau so die Luft abschnüren. „Kannst du dir vorstellen... in so einem Zimmer aufzuwachen und nicht zu wissen, wer du bist...?“, fragte sie ihn leise. „Jeden Tag Medikamente zu nehmen, Tests, Monster in Weiß um dich, niemals den Himmel sehen, immer kränker gemacht zu werden, um der Forschung Willen... Dass die Magie uns die Lebenskraft entzieht... dass die Leute der Legende nach früher viel älter wurden... machmal denke ich, dass ist unsere gerechte Strafe.“ Der Blick in ihren Augen war dunkel, fern. „Er hat immer Späße mit mir gemacht, mich aufgemuntert... einen Job in den Laboren zu bekommen ist das Beste, was einen passieren konnte, meinten meine Eltern. Leben erschaffen und zu Grunde richten, um Heilung für etwas zu finden, was wir eigentlich verdient haben.“ Langsam gelang es Kurogane ein paar Fäden zusammenzuführen. „Ihr habt ein Mittel gegen die Magie gesucht?“ „Wir haben Mittel gegen eine Immunkrankheit gesucht, die als Ursache für das 'Absaugen der Lebenskraft' gilt. Das Wort 'Magie' durfte niemand in den Mund nehmen.“ Sie schloss die Augen, lauschte auf irgendetwas. „Ich war Fyes Betreuerin. Ich weiß nicht, ob er derselbe Mann war, den du kennen gelernt hast. Ich weiß nicht, ob es derselbe Mann war, der vor ein paar Jahren im Hain aufgetaucht ist. Ich weiß nur, dass ich jedem Menschen, der dieses Gesicht trägt, etwas schuldig bin... Weil ich zu lange gebraucht habe, um zu verstehen, dass ich etwas Falsches tue... sein Schicksal war es, irgendwann an dieser Immunkrankheit zu zerbrechen... es ist genetisch in ihm angelegt. Ich konnte es dir nicht sagen, auch ihm nicht. Ich war überrascht zu hören, dass er überhaupt so lange durchhielt nachdem ihr draußen wart.“ Der warme Schnee, keine schützenden Stadtmauern, das Sicherheits-Dingsda um Ashuras Villa, all der Körperkontakt zwischen ihnen. All das musste zu viel für Fyes Körper gewesen sein. Hatte er es vielleicht schon bemerkt? Deswegen dieses Einschließen im Badezimmer (von wegen Füße waschen)? Tausend Bilder kamen Kurogane in den Sinn, wo er es hätte merken müssen, wo ihm irgendetwas hatte auffallen müssen (seine Weigerung weiter zu gehen, den schützenden Rahmen Ashuras Villa zu verlassen). Doch er hatte es nicht zusammen bekommen, er hielt 'Fye' damals für den verdammten Magier und nicht für jemand aus dieser Welt, der sterben konnte, wenn er die schützenden Mauern der Stadt verließ. „Warum hast du es uns nicht gesagt?! Du wusstest, dass wir nach Omehlas gehen, verdammt, Shaolans Ebenbild war sogar dabei!“ Sie schwieg, hob eine der Tabletten auf und betrachtete sie melancholisch. „Fye hatte sich für dich und gegen den Hain entschieden. Er wollte um jeden Preis mit dir gehen, ich konnte ihn nicht aufhalten. Was sollte ich machen, ihn noch mal einsperren und an ein Krankenbett festschnallen?“ Kurogane musste tief durchatmen, Wut, Verwirrung und irgendwo auch Verständnis brodelten in ihm. Doch all das wurde weggewischt von dem fehlenden Geräusch des Meeres in seinem Kopf, er war versucht die Hände an seien Ohren zu legen und dem Rauschen seines eigenen Blutes zu lauschen, doch Souma war noch im Raum. „Keine Ahnung, was du hättest machen können“, gab er letztendlich auf und begriff, dass Souma ihn auch hier her geführt hatte, um diese Art 'Beichte' abzulegen. „Das hier war sein Krankenzimmer... den Anschlag hat Storm angeführt. Ich... ich wollte länger schon hier weg und war völlig überrascht, dass Kyle sich entschloss zu mir in den Hain zu kommen. Ich habe eigentlich jeden Tag erwartet, dass er mich verpfeift, aber nun... Kyle und ich gelten offiziell als tot.... Nur Fye verloren wir im Chaos, keine Ahnung, ob er es war, der im Hain dann auftauchte. Wie gesagt, der DNA - Satz wurde öfter verwendet.“ Sie atmete durch. „Verstehst du jetzt, warum wir EX hassen? Du hast mich mal gefragt, warum wir die Leute von oben ablehnen: Weil sie damit einverstanden sind unter dem Kommando eines Verrückten zu stehen. Alle im Hain haben solche Erfahrungen, ob nun in den Laboren oder anderswo. Oder sie haben es satt ständig von den Wächtern und Überwachungsdrohnen beobachtet und Identitäts-Checks unterzogen zu werden. Zu verleugnen, was 50 Jahre zuvor noch wichtiger Teil ihres Lebens gewesen war. Deswegen müssen wir den Gründer finden. Denn es ist die einzige Alternative zu dem hier.“ „Wie viele Leute sind bei eurem Anschlag gestorben?“ „14.“ „Die tun dir nicht leid?“ „Das meinte ich. Der Gründer ist unsere einzige Alternative, dass niemand mehr gewaltsam stirbt. Weder durch EX, noch durch die Leute von unten.“ Er dachte: Wenn es diesen Gründer gibt. Er dachte: Sobald sie den Magier und die Feder gefunden hatten, waren sie hier weg, egal wie die politische hier Lage stand. Er dachte: Dies ist nicht Souma, die in Japan seine Lehrerin und Freundin war. Dies dies war eine Fremde, die ihn von Anfang an belogen hatte und ihre ehemaligen Kollegen mit Gas umgebracht hatte. Er dachte: er dachte viel zu sehr über diesen 'selbes Herz'-Kram nach. Er dachte: Das geht mich alles nichts an. Er dachte: Er hatte weit mehr als 14 Menschen getötet. Sie sagte: „Bitte lass uns nicht im Stich.“ Er antwortete: „Ich kann für nichts garantieren.“ ______________________________________________ Ende Kapitel 31 32. Kapitel - (critical mass) ----------------------------- Die Straßen von Ruval. Eine ganze, verdammte versunkene Stadt hinter den Wänden des Labors. Eine Stadt, überspannt von einem Himmel aus Stein, versunken unter einer Decke aus Schnee. Es war lächerlich einfach gewesen die Wand zu sprengen und noch war niemand aufgetaucht, um dem Krach auf den Grund zu gehen. Stille, Straßenschluchten und Häuser, verzierte Türen, zu Stein erstarrte Bäume, Pflastersteine, kunstvolles Mauerwerk. An manchen Stellen sanft, an steil bestimmt einen Hügel hinauf führend, zum Zentrum der Stadt hinweisend; ein dunkler Schatten von schwarzem Gebäude, das im schwachen Schein der Taschenlampen noch völlig rätselhaft war. Kurogane hätte sich wohl ein paar Gedanken gemacht, versucht, in sich hinein zu fühlen, welches Gefühl diese verlorene Heimat wohl in den Hainbewohnern auslöste und wie diese Welt vor 50 Jahren ausgesehen hatte – doch das seltsame Gefühl, dass ihn stets begleitete, war hier am stärksten. Das Gefühl, das er gehabt hatte, als er das erste Mal in dieser Welt unter einem schmutzig orangen Sonnenuntergang, hinter schwarzen Silhouetten von Hochhäusern, aufgewacht war. Das Gefühl, dass ihm drängte, möglichst schnell wieder zu gehen, nichts zu akzeptieren, was er hier sah, das Gefühl von Falschheit und dass da etwas war, was sich stets seinem Blick entzog. Es bereitete ihn fast Übelkeit und so bekam so bekam er kaum mit, dass er die Nachhut der Gruppe bildete, die einem enthusiastischen Mädchen folgte. „Genau wie meine Mutter mir erzählt hat!“, kam es dumpf bei ihm an. „Hier ist eine Kathedrale! Und in diesem Gebäude hier, muss eine Schule gewesen sein! Eine Schule für Magie! Könnt ihr euch das vorstellen?“ Der Krieger fragte sich, ob sie so begeistert von dieser Stadt wäre, wenn sie in ihr leben müsste, Tag für Tag, nichts anderes kennend. Solange sie nur ein Traum war, war sie natürlich perfekt. Ein neuer 'Hain', ein neues Erdloch, in dem man nicht den Himmel sehen konnte und wo der Rauch wie durch ein Wunder abzog. Das Gespräch mit Souma hatte seine Laune nur noch verschlechtert. Er fragte sich, ob es dem Mädchen am Hafen gut ging. Und ob 'Fye' noch atmete. Sanfte Schritte gesellten sich zu seinem wütendem Stampfen und er blickte zur Prinzessin, die sich zu ihm hatte zurückfallen lassen. Das offene Lächeln linderte ein wenig seine Kopfschmerzen und rau fragte er: „Was?“ „Ich bin froh, dass wir wenigstens dich wiedergefunden haben, Kurogane-san... wir sind zwar nur ein zusammengewürfelter Haufen, aber du und Fye-san haben vor allem mir immer geholfen. Es... Ich würde euch sehr vermissen, wenn wir nicht mehr zusammen reisten, dich, und auch Fye-san. Deswegen hoffe ich, dass wir ihn schnell wiederfinden und weiterreisen können.“ Er hatte kaum ein Wort mit ihnen gewechselt seit er die Kinder gefunden hatte. Sie sah verlegen auf ihre Hände, während er schweigend weiterlief, sich jedoch ihren Schritten anpasste, so dass ein Gespräch möglich blieb. „Dieser Mann...aus dem Hain... er heißt auch Fye, nicht wahr?“ Kurogane war ihr dankbar, dass sie von ihm nicht in Formen der Vergangenheit redete. „Er ist dir sehr wichtig...“ Um sie herum Häuser aus Stein, das Gebäude, an dem sie gerade vorbei kamen, hatte ein offenes Steintor mit Blick auf das, was wohl mal ein Garten gewesen war. Die Luft hier war eisig kalt, so dass sich bei jedem Atemzug weißer Nebel vor ihren Mündern bildete. Ein Déjà-vu kam in ihm auf, wie etwas, was er schon mal in einem Traum gesehen hatte. Sakura ließ sich von seinem Schweigen nicht einschüchtern. „Ich.. ich habe mir überlegt... du weißt sicher, dass wir Yuuko-san nicht erreichen... aber ich dachte, sobald wir das können...“, sie errötete weiter, ohne ersichtlichen Grund. „Wenn wir uns alle an dem Preis beteiligen, vielleicht können wir ihn mitnehmen?“ Nun kam er nicht umher, sich ihr zuzuwenden. Zuvor hatte er sie einfach nur aus den Augenwinkeln wahrgenommen. Es berührte ihn irgendwie, dass sie sich solche Gedanken machte, der Junge und sie einen Preis zahlen wollten, um ihm einen Wunsch zu erfüllen. Das erste Mal wurde ihm klar, wie deutlich er seine Trauer die letzten Tage gezeigt hatte. Doch statt sich für diese Schwäche vor ihr zu schämen, fühlte er sich seltsam... akzeptiert. „Er stirbt. Wünsche, die das Leben betreffen, kann die Hexe der Dimensionen nicht erfüllen.“ Das behauptete diese Halsabschneiderin jedenfalls immer. „Und ich glaube auch nicht“, schnitt er ihr das Wort ab, bevor sie ansetzen konnte zu sprechen, „dass es dieser Gründer-Typ kann. Wenn er denn überhaupt mehr als ein Märchen ist.“ Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinander her. Sie atmete tief durch und das Zittern in ihrem Atem kam sicher auch vor Aufregung und nicht nur vor Kälte. Es tat ihr Leid, dass er sie einschüchterte, doch scheinbar war dies gar nicht der Fall, denn nun war er es, dem die Luft wegblieb, als sie zaghaft, aber zielstrebig, ihre Hand um seine legte. „Vielleicht können wir in anderen Welten ein Heilmittel finden... vielleicht ist es wirklich zu spät... aber egal was passiert, du bist nicht alleine, Kurogane-san...“ Wie sehr hatte er diese Menschen vermisst, wie durcheinander war er gewesen ohne die Gewohnheit diese Leute um sich herum zu haben, wie unangenehm der Gedanke, in dieser Welt allein zu verrotten. Er war an diese Leute gebunden, um seinen Wunsch zu erfüllen und endlich nach Hause zurück zu kehren. Doch nicht zum ersten Mal viel es ihm nicht allzu schwer sich mit diesem Schicksal abzufinden, weil vom verlogenen Magier, über diesen viel zu schnell erwachsen gewordenen Jungen, bis hin zu diesem sanftherzigen Mädchen, - diese Menschen seine Tage füllten und ihm das Gefühl gaben gebraucht zu werden. All diese Gedanken schwemmten ungewollt durch seinen verstopften Schädel und ließen eine seltsame Ruhe zurück. „Wir werden sehen...“, antwortete er, ungeschickt und leicht errötend, auf ihren Vorschlag. „Erst mal diesen komischen Kerl finden, mit dem du letztens geredet hast..“ Doch er zog seine Hand nicht weg. ______________________________________ Offensichtlich brannten die Kinder darauf die Stadt mehr zu erforschen, doch sie hatten für so etwas keine Zeit. Wer wusste, ob diese Gegend wirklich unbeobachtet von Ashura war und wie viel Zeit sie hatten, bevor auch die alten Straßen der Vergangenheit voll tödlicher Phagen und Kakerlaken war. Sie wussten ja nicht mal genau, wo sie hin wollten. Sie steuerten auf das große Gebäude im Stadtkern zu, weil das eine gute Idee zu sein schien, und die Häuser wurden prächtiger, je weiter sie kamen. Blumen und komplizierte Ornamente gemeißelt in grauen, kalten Stein, eine Ahnung von Farbe im Dunklen und selbst im Licht ihrer Taschenlampen blass und nicht wirklich zu erkennen. Es musste eine prächtige Stadt gewesen sein. Im Tageslicht, in Farbe, mit Bewohnern. Plötzlich versperrt eine weiße, hohe Wand ihnen den Weg. Sie zog sich mitten durch eine Kreuzung, völlig fehl am Platz. „Jetzt wird es wirklich umständlich. Als wäre dieses verdammte Straßennetz hier nicht wirr genug“ „Was ist das?“, fragte Sakura. „Das ist ein Laborgang“, erklärte Dr. Kyle mit gesenkter Stimme. „Jetzt wo ich diese engen Straßen hier gesehen habe, vermute ich stark, dass die Labore nur in den Hauptstraßen eingelassen sind.“ Sie blickte nach oben, die Wand war 5 Meter hoch und schloss sich zu einem flachen Dach. „Gut“, bemerkte Kurogane und erntete verwirrte Blicke. Doch der Krieger öffnete nur ohne weitere Erklärungen die Tür des Hauses zu ihrer rechten und trat ein. Schnell folgten ihm die Gruppe, die Kinder gebannt, was sie im Inneren finden würden. Sie betraten eine Art Wohnzimmer, in der Wand war ein Kamin eingelassen und im Kontrast zum grauen Äußeren war die Inneneinrichtung farbenfroh, wenn auch einfach und – im Gegensatz zu Styrax – völlig ohne technischen Schnickschnack. Es wirkte, als würden die Bewohner jeden Moment wiederkommen, nicht einmal Staub lag auf dem Mobiliar, jedoch roch die Luft abgestanden und etwas modrig. Eine Holztreppe führte in den zweiten Stock, einem Kinderzimmer und einem Vorratsraum. Auch hier wirkte alles so, wie der Eindruck schon auf der Straße gewesen war: als wäre die Zeit stehen geblieben und die Bewohner der Stadt einfach verschwunden. Oder wie eine erstarrte Erinnerung. Nichts war zerstört, nichts fehlte, - auch Dinge, die man bei einer Flucht, oder wenn man wegzog, mitnehmen würde. Kurogane öffnete das Fenster und tatsächlich, das Dach des Labors befand sich nur etwa einen Arm breit unter dem Fenstersims. Die eckige Röhre zog sich weiter die Straße entlang und bog dann um 45 Grad nach links ab, beim nächsten Straßenzug jedoch gab es eine weitere Gabelung und ein Seite verschwand in einem Gebäude, während die andere weiter zum Stadtkern verlief, eine leichte Steigung hinauf. Bis hin zu dem schwarzen Gebäude, das auch ihr Ziel war. Souma trat an seine Seite. „Und ich habe mich immer gefragt, warum die Böden in den Laboren nicht eben sind.... “ „Was ist dann oben?“, fragte Kurogane. „Woher soll ich das wissen?“ „Natürlich weißt du es, du hast dort gearbeitet. Wenn die Gänge des Labors uneben sind, dann weißt du was da ist, wo es nicht weiter aufwärts geht. Ich dachte mit der Geheimniskrämerei wären wir durch.“ „Ich weiß es wirklich nicht. Ich durfte den Bereich nicht betreten, ich war nur eine Pflegerin“, verteidigte sie sich. „Es ist der innerste Bereich der Labore. In Ashuras Privatbereich, unter seiner Villa“, informierte sie der Arzt, der das Regal mit dem Spielzeug betrachtete. „Niemand außer ihm hat Zutritt dazu.“ „Warte...“, wurde nun Shaolan hellhörig. „Der Kernbereich der Labore liegt unter Ashuras Villa? Das kann nicht sein... dieser Raum mit der ganzen Essenz liegt doch unter der Villa..“ „Essenz?“, fragte Kyle, nun ebenfalls hellhörig geworden. „Ja. Ich habe dort die Feder gesucht. Sie war in einem künstlichen See voller Steine, von denen mir Tomoyo-san erzählte, dass sie 'Essenz' genannt werden und in dieser Welt eine besondere Bedeutung haben. Doch mir war es nicht möglich die Feder an mich zu bringen...“ „Warte mal“, unterbrach Kurogane, bevor Kyle weiterfragen konnte. „Unter der Ashuras Villa befindet sich also nicht nur dieser großer Raum, der irgendwas mit der Alten Kultur zu tun hat, sondern auch ein Geheimbereich der Labore?“ Er blickte wieder aus dem Fenster. Auf die weißen Gänge, die die sich künstlich und unpassend das alte Straßennetz zwangen. Auch Shaolan schien eben darauf aufmerksam geworden zu sein. „Vielleicht darunter...“, vermutete er. Der Krieger schüttelte den Kopf. „Zu viel Aufwand.“ Shaolan zuckte mit den Schultern. „Ich finde es ist viel Aufwand, so etwas überhaupt hier hin zu bauen... oh.“ „Was ist los?“, bemerkte ChuNyan, doch die beiden antworteten ihr nicht. Nach einer Weile löste sich Shaolan vom Fenster und blickte gedankenversunken durch den Raum. Kyle und Souma, die es sich mittlerweile auf einem der Kinderbetten bequem gemacht hatten, beobachteten ihn. Sakura stand etwas unschlüssig neben dem Fenster, ChuNyan stellt eines der Kinderbücher zurück und fragte noch einmal: „Was ist los?“ „Sakura-hime“, sagte Shaolan plötzlich, sie zuckte zusammen und antwortet schnell: „J-ja?“ „Kannst du hier irgendwelche Magie erspüren?“ Sakura blickte in die braunen Augen und sah sich dann im Zimmer um. „Ich... ich kann so etwas nicht wirklich spüren, so wie Fye. Aber ich sehe auch keine Geister... dennoch wirkt der Ort nicht leer... eher.. als könnte ich sie nur nicht sehen. Oder... als wäre es zu voll um etwas zu sehen... Doch es ist nur ein wages Gefühl... Ich weiß nicht, was es bedeutet. Vielleicht habe ich es mal gelernt, doch es ist in meinen Erinnerungen.. Tu-tut mir leid, ich kann nicht mehr dazu sagen.“ Der Junge lächelte und ergriff ihre Hand. „Das reicht schon, Sakura-hime.“ Er sah den Krieger an, der nur zustimmend nickte und wieder aus dem Fenster sah. „Das heißt, wir finden ihn höchstwahrscheinlich dort“, stellte Shaolan mit rasenden Gedanken fest. Das würde riskanter werden als vermutet. Die Hainbewohner auf dem Bett blickten sie abwartend an, ChuNyan hatte sich zu ihnen gesellt – scheinbar waren sie alle froh, sich für einen Moment ausruhen zu können. Was Kurogane anging, gesellte sich zum ersten Mal nach langer Zeit ein vorfreudiges Grinsen auf sein Gesicht. Endlich begann das ganze Sinn zu machen. Endlich wusste er auf welche Gefahr er sich einließ und obwohl er seine Stärke angeblich verloren hatte, konnte er nicht abstreiten, dass gerade eine gewisse Blutlust in ihm aufkam. Zeit, dass er mit diesem Ashura-Kerl abrechnete. Oder vielleicht würde er ihm direkt die Kehle durchschneiden. Jetzt war der Fluch ja auch egal. Jemand räusperte sich und als er zum Bett blickte stand der Arzt gerade auf und zupfte seinen Kittel zurecht. „Tut mir Leid euer telepathisches Kaffeekränzchen unterbrechen zu müssen, aber was genau ist jetzt so erfreulich?“ „Wir wissen wo euer Gründer ist“, antwortete Kurogane und blickte Souma an. Der weiße Kittel entfremdete sie irgendwie. Die Souma in Japan trug stets schwarz, wie jeder Ninja und die Frau aus dem Hein hatte er sonst auch nur in Alltagskleidung gesehen. In Weiß wirkte sie genau so kalt und unnahbar wie ihr Ehemann, oder er hatte nur den Eindruck, weil sie ihm das mit dem Giftgas erzählt hatte? „Wo?“, fragte sie geradeheraus. „In der Villa.“ „Bei Ashura?!“, fragte ChuNyan ungläubig. „Warum sollte er bei Ashura sein? Ashura hasst Magie! Er hat verboten sie auch nur zu erwähnen!“ „Aber nur so machte es Sinn“, erklärte Shaolan ruhig. „Dass die Labore genau hier sind. Dass sie so geheim sind. Wer weiß, vielleicht stehen die Labore und die Magie sogar in unmittelbaren Zusammenhang.“ „Unsinn“, Kyle. „Die Labore sind rein wissenschaftlich. Nichts mit dieser dummen Magie. Das sind zwei völlig unterschiedliche Denkmuster. Man kann nicht an DNA und Elfen gleichzeitig glauben.“ „Wenn es beides gibt, dann schon“, wand Shaolan ein. „Also... ich hab schon vor einiger Zeit den Faden verloren...“, wand ChuNyan etwas schüchtern ein. Kurogane drehte sich vom Fenster weg und blickte die Gruppe an. Nur so ergab alles einen Sinn. Das war es, was ihm die ganze Zeit komisch vorgekommen war. „Nun. Ihr wurdet verarscht. Von Ashura, oder von EX. Wer auch immer. In dieser Welt gibt es sehr wohl Magie, und sie wird auch noch verwendet. Genau von den Leuten, die allen einreden sie sei feindlich und verbieten über sie zu reden.“ „Und das weißt du, weil... dir Ashura grad ne Mail geschrieben hat, oder was?“, fragte Kyle. „Was zur Hölle ist ne Mäil... - egal. Erklär's du ihnen“, gab Kurogane das Wort an Shaolan weiter, sollte er sich doch mit dem Kerl rumschlagen. Shaolan zeugte nach draußen. „Schau euch das an...“ Die drei Hainbewohner standen auf und sahen aus dem Fenster. „ChuNyan hat mir erklärt, dass vor nur 50 Jahren in dieser Welt Magie verwendet wurde. Für eine auf Magie basierende Gesellschaft hat Magie einen hohen Stellenwert, fast wie eine Religion und daher werden die höchsten und wichtigsten Gebäude in einer Stadt jene sein, die eine besondere magische Bedeutung haben. Dies dort drüben ist das größte Gebäude und vermutlich jenes, in dem Kurogane-san und ich schon einmal waren. Es ist reich geschmückt, voller zeremonieller Gegenstände und voller 'Elixier', was einer der wertvollsten Artefakte der Alten Kultur zu sein scheint. Selbst wenn es nicht dasselbe Gebäude ist, alle Straßen laufen auf dieses Gebäude zu und es liegt auf einen Hügel, von jedem Punkt der Stadt zu sehen, wie ein Palast. Es könnte genauso gut 'wichtig' darauf stehen.“ „Und?“, fragte der Arzt. „Dann war es eben damals so.“ „Ja, aber es ist heute immer noch so. Warum sich die Mühe machen, das Labor in eine alte Stadt hinein zu bauen? Sicher nicht, weil es praktisch ist. Selbst wenn man es geheim halten will und es deswegen nicht oberirdisch bauen kann, für jemand mit so viel Macht wie Ashura mag es sicher andere Möglichkeiten gegeben haben. Nein, er musste das Labor genau hier hin bauen, in das Zentrum der Magie. Eben weil er die Magie braucht, für was auch immer er in den Laboren macht.“ „Klonen und Immunkrankheiten haben aber nichts mit Magie zu tun...“, wand Souma ein. „Denk nach“, brummte Kurogane. Plötzlich wurde sie blass. „Bei den Göttern..“ Der Arzt schien genervt. „Okay, jetzt du auch noch. Ich hätte es gerne ausformuliert, nicht telepathisch, danke schön.“ „Es ist so offensichtlich...“, murmelte Souma. „Danke.“ Kyle. „Die Magie saugt uns das Leben aus. Allerdings nur langsam. Nur auf die Laborerzeugnisse hatte sie einen heftigeren und schnelleren Einfluss, weil diese durch die Forschungen schon ein manipuliertes und damit geschwächtes Immunsystem hatten. Doch wenn man nur die Symptome und nicht die Ursachen betrachtet, dann ist es dasselbe. Dann wirkt die Magie wie eine Immunkrankheit!“ „Und da Magie ein Werkzeug ist, ist sie je nach Verwendungsart gut oder schlecht.“ Kurogane. ChuNyan schien nun auch drauf gekommen zu sein. „Ashura benutzt die Magie hier für irgendetwas in dem geheimen Teil der Labore!“ „Und eure Vorstellung vom 'Gründer' entspricht einen Wesen mit unglaublich starker Magie. So stark, dass er mit seinem Willen die Wirklichkeit verändern kann. Also wenn der Gründer irgendwo ist und wenn es ihn gibt, dann muss er genau da sein“ Kurogane zeigte auf das große Gebäude. „Und vermutlich zaubert er schon die ganze Zeit. Wenn es nicht sogar Ashura selbst ist.“ „WAS?!“ „Nichts in dieser Welt ergibt sonst irgendeinen verdammten Sinn! 50 Jahre und es gibt niemanden außer ein 16 Jahre altes Mädchen, das genaueres davon weiß? Die Häuser in Styrax sind nicht neu, sie sind alt. Vielleicht nicht Jahrhunderte, aber mehr als 50 Jahre. Es ist ein... ein Chaos. Die Gebäude passen vom Aussehen nicht zusammen und warum, bei den Göttern verdammt noch mal, ist dieses stinkende Wasser überall, das scheinbar keinen Zweck hat?“ Kurogane atmete tief durch, etwas durch davon so viel reden zu müssen. Doch gleichzeitig hellwach, als ob sich der Nebel in seinem Kopf endlich aufzulöste. „Auch diese unterirdische Stadt ist zu seltsam. So sieht keine Stadt aus, deren Bewohner vor irgendetwas geflohen sind, erst recht nicht an etwas gestorben, hier gibt es nicht mal die Knochen einer toten Katze, keine Geister, keine vergammelten Lebensmittel und keine Anzeichen von Flucht oder Plünderung.“ „Es gibt hier keine Geister...“, Sakura klang atemlos als sie langsam zu verstehen meinte, worauf der Krieger hinaus wollte. „Genau. Dann ist Magie nicht nur verboten, man darf auch nicht über sie reden. EX kann doch nur Pluspunkte sammeln, wenn darüber geredet wird und damit ihr heldenhafter Einsatz zum Schutz vor der Magie. Die haben doch diese ganzen Städte gebaut. Es soll etwas geheim gehalten werden, niemand anderes soll diese 'Waffe' verwenden.“ Tief atmete der Krieger durch, sich an all das erinnernd, was ihn Fye jemals über Magie erklärt hatte, oder was er in Japan über sie mitbekommen hatte. Immerhin war er der Beschützer einer Miko, was wahrscheinlich nur eine andere Bezeichnung für Magierin war. „Doch es gibt noch andere Magiebegabte, vermutlich verfügt jeder, der hier geboren ist, über diese Gabe. Doch da Magie auf Willen basiert und man damit auch unbewusst Magie anwenden kann, bringt sie die ganze Realität durcheinander und Dinge machen auf einmal keinen Sinn mehr. Oder man merkt Dinge, so wie ich, ohne von Magie viel Ahnung zu haben. Ganz Niaolli ist randvoll mit Magie und Ashura verwendet sie. Und damit er der einzige bleibt, der ihre Macht besitzt, sorgt er dafür, dass er der Einzige ist, der von ihr weiß. Das erklärt auch sein hartes Vorgehen gegen die Leute von unten. Wenn es wirklich so ist, dass ihr meist friedlich seid, gibt es keinen Grund so hart gegen euch vorzugehen. Selbst wenn Ashura ein Kontrollfreak wäre, ist es taktisch unklug so viele Leute gegen sich aufzubringen. Nein, das Problem war nicht eine andere Lebensweise, sondern eine andere Denkweise. Er musste kontrollieren, was ihr dachtet, und das konnte er unter den Bedingungen im Hain nicht. Und Ashura kennt sicher die Gerüchte um den Gründer. Also wenn es den Gründer gibt, dann würde Ashura versuchen seiner habhaft zu werden. Und wenn er bei Ashura ist, dann ist er da, wo Ashura am mächtigsten ist. An dem Ort mit der meisten Magie, im Zentrum dieser Stadt, in den Laboren, unter Ashuras Villa.“ „Da wo auch die Feder ist..“, fügte Shaolan ernst hinzu. „Und da wir nicht wissen, wie lange die Feder bereits hier ist, könnte sich die Legende um den Gründer sogar um die Feder herum aufgebaut haben.“ Souma atmete tief durch und auch ChuNyan musste das ganze erst mal verarbeiten, der Arzt hingegen sah ihn kritisch an. „Also... um das ganze zusammenzufassen: Sie glauben, dass Ashura ein großer böser Magier ist, der mit aller Macht versucht zu verhindern, dass alle anderen merken, dass sie auch zaubern können?“ „Vielleicht ist er wirklich so stark“, vermutet Shaolan. Er hat die Feder und ein ganzen Haufen Essenz, die in dieser Welt viel Macht besitzt. Es könnte wirklich sein, dass er mit so viel Magie praktisch dieselben Fähigkeiten hat wie sie dem Gründer zugeschrieben werden...“ „Allein durch sein Vorstellung die Wirklichkeit zu verändern?!“ „Wir haben so etwas schon mal auf ähnliche Weise gesehen“, warf Kurogane ein. „Otou..“, murmelte Sakura und ihre Augen wurden weit. „Ja, Otou. Eine ganze Welt, die nicht wirklich war. Man bildete es sich nur ein, während man in einer Art künstlichen Schlaf lag. Die Menschen von Edonis benutzten es als eine Art Spiel...“ Souma war blass geworden. „Dann ist alles umsonst. Wenn Ashura wirklich der Gründer ist, haben wir keine Chance.“ „Es gibt noch eine Chance“, unterbrach Kurogane sie. „Wenn diese ganze Gründergeschichte wegen der Feder aufgekommen ist, dann verliert Ashura einen Teil seine Macht, sobald die Prinzessin die Feder wieder bekommt. Dann habt ihr zwar keinen Gründer-Wundermann mehr und müsst leider so mit der Realität klar kommen, aber es gibt zumindest auch niemand mehr, der so viel Macht in den Händen hält und damit alle irgendwie manipuliert. Wenn ihr das Wissen über Magie wieder auskramt, dann legt sich vermutlich auch das Chaos und ihr könnte sie wieder dazu verwenden, um in dieser Welt zu überleben.“ „Schöne Theorie“, bemerkte Kyle. „Hast du eine bessere?“, forderte Kurogane ihn heraus. „Nein, sie gefällt mir besser als das Gründer-Märchen.“ „Kyle!“ „Wir können allerdings auch daran festhalten. Kommt vermutlich auf dasselbe hinaus.“ „Na ja“, ChuNyan schien immer noch erschüttert. „Mir wäre es lieber, dass es gäbe keinen Gründer als einen bösen Gründer.“ „Nein...“, Souma blieb stur. „Er ist kein Mythos, er ist ein Retter. Er bewegt die Dinge zum Guten, nicht zum Schlechten. Es kann nicht Ashura sein. Ashura hat entweder irgendetwas mit ihm angestellt, oder ihr habt einfach nicht Recht mit eurer Theorie.“ Kurogane verdrehte die Augen. Der einzige Grund, weswegen er noch nicht angefangen hatte zu brüllen, war, dass sie sich genau über einem Laborgang befanden und sie daher leise sein mussten. „Das ist mir scheiß egal. Was zählt, ist, dass wir zu Ashura müssen, dass er stark sein wird, wir uns darauf gefasst machen müssen, mit Magie angegriffen zu werden und wir an die Feder herankommen.“ Was ihrer Reisegruppe sehr gut in den Kram passte. Auch wenn damit immer noch das Problem um den Aufenthaltsort des Magiers blieb. „Der Plan ist zumindest sinnvoller als 'wir suchen irgendeinem großen guten Magier und betteln ihn an alles wieder gut zu machen, worum er sich 50 Jahre einen einen Dreck gekümmert hat'. Denke eh nicht, dass euch so jemand helfen würde. Helft euch lieber selbst, indem ihr diesen Ashura-Typ loswerdet.“ Schweigen. Erst Sakura räusperte sich leise und traute sich, das Thema noch mal aufzugreifen, nachdem Kurogane regelrecht mit Verachtung um sich gespritzt hatte. „Also bekämpfen wir nun Ashura-san, statt den Gründer zu suchen...? Weil er vermutlich der Gründer ist?“ „Genau“, antwortete der Krieger und grinste vorfreudig. Das hier war viel besser als planloses Rumgerenne und Suche nach Märchengestalten. Sie fanden die Feder und Kurogane würde nebenbei noch auf einen hoffentlich würdigen Gegner stoßen, an dem er testen konnte, ob er wirklich seine Stärke verloren hatte. Diesem Tyrann würde niemand eine Träne nachweinen und Kurogane wäre zu tiefst befriedigt, wenigstens das Blut von demjenigen vergossen zu haben, der indirekt für diese ganzen Dreck verantwortlich war. Das hier war etwas womit er umgehen konnte, wo seine Welt noch in Takt war, seine Stärke – er brauchte dringend etwas, bei dem er sich nicht ständig fühlte als würde er scheitern. __________________________________ Vorsichtig setzten sie einen Schritt vor den anderen. Sie wollten nicht riskieren, dass sie innerhalb der Gänge von irgendwelchen Ärzten oder Phagen entdeckt wurden, während sie auf dem Dach der Labore auf das Zentrum zuliefen. Sakura hatte sich etwas zurückfallen lassen und mit ihr natürlich auch Shaolan, der seit der Explosion im Einkaufszentrum eh nicht lange von ihrer Seite wich. Sogar während sie schlief saß er neben ihr, was es ihr nicht gerade leicht machte einzuschlafen. Doch sie wollte ihn auch nicht wegschicken. Doch gerade belagerten andere Gedanken ihren Kopf und legten sich schwer auf ihr Herz. Sie sah auf die verlassene Stadt um sie herum, soweit sie in dem diffusen Licht erkennen konnte und es machte sie traurig, dass sie so leer war. Jede Mauer schien erfüllt mit etwas, was mal war, und nie wieder sein würde. „Sakura-hime...?“, Shaolan hatte schon wieder diesen besorgten Blick und sie versuchte sich an einem Lächeln, scheiterte jedoch. „Was ist los?“ „Ich...“ Sie kamen an einer Gabelung, doch die Erwachsenen wussten den Weg und sie liefen einfach nur hinterher. Doch sie wollte eigentlich nicht. Mit einem unguten Gefühl im Bauch sah sie auf ihre Hand. Vorhin vorhin hatte sie noch das Gefühl gehabt, Kuroganes Wut hätte sich abgeflaut.. und jetzt wirkte er regelrecht beängstigend. „Kurogane-san wird Ashura-san umbringen, oder?“, fragte sie leise, außerhalb der Hörweite des Kriegers, der nun entschlossen ihre Gruppe anführte, statt wie zuvor einfach nur unwillig hinterher zu trotten. „Ich fürchte.“ Sakura biss sich auf die Lippen, erinnerte sich daran, wie der Mann sie aufgenommen hatte, ihnen Unterkunft gegeben …. auch wenn er die Feder vor ihnen verborgen hatte, er war... freundlich zu ihnen gewesen. Sie waren zusammen mitten in der Küche gestanden und hatten Milch getrunken und er hatte sie an die wenigen Eindrücke erinnert, die sie von ihren Vater hatte. „Shaolan-kun... ich habe eine Bitte...“ Der Junge schien überrascht, lächelte dann aber so sanft, dass sie merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg. Gut, dass man es im Dunkeln kaum erkennen würde. „Was immer du wünscht.“ _____________________________________________ Ende Kapitel 33 Anmerkung: So, wir steuern knallhart auf das Finale zu. Wieder mal vielen Dank an meine Betaleserin Baem, schneller als das Licht ^^ und kompetenter als ein Dalek, wenn es darum geht Grammatik-und Rechtschreibfehler exterminieren. Copyright wie immer. 33. Kapitel - (Ursachen) ------------------------ //Down by the river by the boats Where everybody goes to be alone Where you wont see any rising sun Down to the river we will run// Riverside by Agnes Obel Fye Alles: Er atmete tief ein und spürte alles in seinen Lungen, in seinem Kopf, in seinen Venen. Es durchfloss ihn wie ein Traum, wie ein Fieberwahn, wie Nebel, der keinen Widerstand findet. Doch als er die Augen öffnete war da nur... Weiß. Weiß. Weiß. Und die Erinnerungen an Schnee, Erde, Flüsse, Müll, Häuser, Nudelwasser, Fingerabdrücke und das Echo von Stimmen und Worten, die genauso wie der Rest irgendwann verblassen würden. Bis er wieder die Augen schloss. Nichts: Und der Zwischenraum war angefüllt von all dem, was er vermisste ohne es zu wollen. In klaren Momenten wie diesen, Momenten geradezu körperlicher Unversehrtheit, wenn sein Kopf nicht vollgestopft mit Bildern und Fetzten und Watte war und er beinahe tief atmen konnte, Momente an denen Ashura ihn nicht mit Blicken festnagelte, diese Momente nutzte er, um sich gedanklich um seinen eigenen Bauchnabel zu drehen. Dann kamen Gedanken auf wie diese: Alles wiederholte sich irgendwann. Da war er sich sicher. Alles verbrannte irgendwann. Das wusste er. Was sich wiederholte: Die Welt brach, alle die er liebte, brachen, oder er brach sie. Brach sie mit Enttäuschung, mit der Welt hinter dem Lächeln, mit Sanftheit, die nur ein anderer Name für Feigheit war und sich bei ihm allzu schnell in Grausamkeit ausdrücken konnte. Ohne dass er es wollte. Was verbrannte: Ashura hatte ihn verbrannt, seit er ein Kind war. Er hatte sich daran gewöhnt. An Kurogane hatte er sich aus eigenem Antrieb verbrannt, auch noch mehrmals, und er wusste nicht, was passieren würde, wenn der Krieger tatsächlich – schon wieder – durch diese Tür stürmte. Doch diesmal war das letzte Mal. Keine Wiederholungen mehr. Kurogane hatte zwar nicht das getan, was er wollte (wann tat dieser unberechenbare Dickschädel das überhaupt mal?), doch sie konnten dieses Spiel nicht ewig spielen. Nun, er konnte es, Kurogane jedoch nicht. Es gab nur eine begrenzte Anzahl von Preisen, die man zahlen konnte – und nur eine begrenzte Anzahl von Dingen, die man verbrennen konnte bis einem der Nachschub ausging. Denn im Endeffekt blieb von dieser Welt nichts als Asche, wie die an Ashuras Händen – vor Tagen, Monaten, Jahren. Der Gefangene atmete gegen die warme Scheibe. Ein ironisches Lachen kam aus ihm herausgekrochen, ohne dass er es wollte und der Knoten in seiner Brust wurde noch enger. Er schloss die Augen und konnte nicht atmen, spürte die Stadt in seinen Adern. Erstarrt vor Angst, vor dem, was kommen würde. Verletzt, versengt von Feuern, gesprengt in Chaos. Er schloss die Augen und versuchte zu erträumen, was noch da war. Nicht auf die Zwischenräume zu achten. ____________ Kurogane Groß und schwarz lag es vor ihm. Und unbewacht, so als wollte es, dass er eintrat. Der höchste Punkt der Stadt, das größte Gebäude hier, das Zentrum der Magie, die Labore, Ashuras Villa, der eventuelle Aufenthaltsort dieses ominösen 'Gründers'. Tief unter der Erde Omehlas. Hier hatte er die Kinder gefunden, war er der Tomoyo dieser Welt begegnet und hatte diesen namenlosen Mann verloren, der in einem ganz ähnlichen Gebäude Kilometer entfernt seinen Totenschlaf schlief. Und nun würden sie hier... was finden? Eine Märchenfigur? Eine Verschwörung? Einen weiteren wahnsinnigen Herrscher? Eine Feder? Antworten? Kurogane wusste es nicht, und er war sich nicht sicher, ob es ihn überhaupt interessierte. Das einzige, von dem er sicher war: Blut, das es zu vergießen galt. Stärke, die es zu erproben galt. Seine Welt, die es zurückzuerobern galt. Die schweren Doppeltüren knarrten. Über die Jahre dunkel und schmutzig gewordene goldene und silberne Verzierungen zeigten mysteriöse Verzierungen und Schriftzeichen, die weder ein Programm noch Mokona zu übersetzen vermochten. Kühle umfing die Gruppe als sie eintraten und die Dunkelheit und Feuchtigkeit in der Luft brachte in Kurogane Erinnerungen zurück. Von einer Hand in seiner, von der leitenden Stimme seiner Prinzessin, die nicht seine Prinzessin war, vom eiskalten Wasser eines künstlichen Sees, Fyes rasselnder Atem gegen seine Stirn und klammer Feuchtigkeit unter seinen Fingerspitzen auf warmer Haut, unter der ein wilder Puls raste. Erklärungen über Magie und die alte Kultur; noch mehr Puzzleteile. Es stach in seinen Augen als der Arzt eine Taschenlampe anknipste und den hohen Raum ausleuchtete. Gerätschaften und rituelle Gegenstände standen immer noch herum, der Lichtstrahl konnte die Decke nicht mal ansatzweise ausleuchten, doch es reichte um von der Höhe und all der Verzierung, all den gebrochenen Winkeln und Glasflächen, Mosaik und Zeichen eine Ahnung zu bekommen. Rechts und links von ihnen gingen mehrere Gänge ab, verloren sich in tiefschwarzer Dunkelheit. Und zum ersten Mal, dank all der Gespräche über Magie und dass diese in dieser Welt tatsächlich wirken könnte, fragte sich Kurogane, ob die ganzen Verzierungen hier nicht ein einziger großer Schutzkreis waren, ein Zauber wie sie die Miko in Japan um die Häuser kurz vor dem Winter legten, damit sich keine bösen Geister darin einnisteten. Sakura sprach seine Gedanken aus: „Es.... fühlt sich anders als der Rest der Stadt an...“ Die Prinzessin fröstelte und zog den weißen Kittel fester um sich, der nur wenig Schutz vor der Kälte bot. „Aber natürlich tut es das!“, ChuNyan trat enthusiastisch in den Raum, griff nach etwas, das aussah wie eine fein ausbalancierte Goldwaage, strich darüber, verstummte.Das Instrument gab einen hellen Ton von sich und begann leicht zu wippen, als sie ihre Finger wieder fortnahm. Die Hainleute beobachteten sie erwartungsvoll, doch offensichtlich wusste sie selber nicht, um was es sich handelte. Trotzdem lächelte das Mädchen ihnen selbstbewusst zu. „Hier finden wir sicher den Gründer! Hier ist das Herz der Magie! Und, spürt ihr es? Sie tut euch nichts!“ Dr. Kyle schnaubte verächtlich. „Vollpension ist es hier aber auch nicht. Lasst uns endlich weiter und vor allem: Nicht so einen Krach machen.“ Kurogane musste dem Mann darin ausnahmsweise zustimmen. „Die Treppe hinter dem Schwimmbecken führt nach oben. In die Villa.“ „Ihr wart schon mal hier unten?“, fragte Souma. „Ja“, Shaolan zog sein Schwert und bewegte sich auf die Mitte des Raumes zu. „Hier gab es auch das, was hier... 'Essenz' nennt, in rauen Mengen.“ „Das, was ihr sucht, ist Essenz?“, fragte Souma verwirrt und auch etwas misstrauisch. „Nein, etwas anderes.“ „Was?“ „Unseren Reisekameraden natürlich“, erwiderte der Junge mit einem Lächeln, was so überzeugend wirkte, dass Kurogane selbst einen Moment brauchte, um sich daran zu erinnern, dass es eine Lüge war. Oder der Teil einer Lüge, denn Shaolan war hier unten gewesen, um die Feder zu suchen. Dazu fiel ihm was ein und er holte seinen Mantel aus dem Rucksack hervor und griff in die Innentasche. Doch bis auf ein paar Shuriken befand sich darin nichts. Hatte ihm 'Fye' nicht auch so einen Stein in die Hand gedrückt als er ihn endlich aus dem künstlichen See gefischt hatte? Wieder etwas, worin er ihn nicht ernst genommen und worauf er nicht aufgepasst hatte, denn es war weg. Hätte er gewusst, dass es seine letzte Erinnerung an jemanden, den er …. nun, wie er sich kannte: Hätte er es gewusst, hätte er das Ding sofort wieder rein geschmissen und besser auf den blonden Idioten aufgepasst. Der Mantel war fast trocken und daher er warf ihn sich über, fühlte sich wohler, nun da er wieder mit der Dunkelheit verschmelzen konnte. „Lasst uns endlich gehen“, brummte er. Sakura warf ihm einen nicht zu deutenden Blick zu und folgte seinen raschen Schritten. _________________________________________ Ashura Formen und Farben auf ein Minimum reduziert, Bildschirme, Lautsprecher, das nötige medizinische Equipment verstaut in wandeingelassene Schubladen, abgeschlossenes Lüftungs – und autarkes Sicherungssystem. Dieser Raum war perfekt steril. Neben ihm betraten nur Roboter diesen Raum, vollzogen die Wartung, die Programmierung hatte er selbst übernommen. Und... all der Rest, darum wurde sich in den Laboren gekümmert. Er selbst zog den Ruheraum vor, die schweren Vorhänge und das rote Canapé brachten etwas Farbe in ihrer beider Alltag, und Farbe war es, nach der er sich sehnte. Eine seltsame Art von Ruhe überkam ihm, wenn er ab und an dort einfach nur saß, über Lautsprecher Atemzügen lauschte, wenn Fye mal wieder zu schwach war die Stabilisierungskammer zu verlassen. In seinen weißen Ganzkörperanzug, mit seinen weißen Handschuhen, der weißen Augenklappe, der hellen Haut, dem hellen Haar, wirkte Fye jeden Tag mehr als wäre er Inventar dieses Raumes. „Fye.“ Der weiße Mann beugte sich vor, streckte seine langen Gliedmaßen durch, trug immer noch das lächelnde Nichts. Durchbrochen mit einem trüben Blau, welches in fixierte, ohne dass er noch irgendetwas darin lesen konnte. Ein stabilerer, kräftigerer Körper, klarerer Blick, bessere Koordination. Nicht mehr wie frisch geboren, nicht mehr dieses Gefühl heraufbeschwörend eine schützende Hand über ihn zu legen zu müssen– viel mehr hatte der Herrscher dieser Welt nun das Gefühl sein Patient würde ihn bei der nächsten Gelegenheit durch die Finger schlüpfen. „Kennst du dieses Gefühl, wenn du eines Tages die Augen aufmachst und du merkst: Du bist so weit gelaufen und dachtest du kommst schon irgendwo an. Doch der Ort, an dem du angekommen bist, ist nur eine weitere Wüste. Dann versuchst du das Beste draus zu machen und baust und baust, doch der Sand rinnt dir nur durch die Hände.“ Ashura schwieg. Er verband Wüsten mit Eis und Kälte und Weite und reflektierenden Sonnenlicht. „So fühle ich mich ständig seit ich zurück gekommen bin, Ashura-ou.“ „Es ist seltsam, dass du ausgerechnet für Ceres diese Analogie benutzt.“ „Hast du schon mal eine Sandwüste gesehen?“ „In anderen Träumen. Manchmal. Damals.“ „Als du noch Traumseher warst?“ „Ja.“ Fye schloss sein Auge, blickte in die Welt, die sich dahinter verbarg. Ashura starrte auf das Augenlied und wartete geduldig auf die Worte und Farbe. „Ich habe Wüsten aus Sand gesehen... Häuser so hoch wie in Styrax-Innenstadt, höher sogar. Welten, die nur aus Wasser bestanden und Welten, die eine pure Illusion von Computern waren, grüne Wälder voller exotischer Pflanzen und Tiere und Wirbelstürme, voller heißer, feuchter Luft...“ Es war das erste Mal, dass ihm Fye von seinen Reisen erzählte. Doch der König wollte davon nichts wissen, da er die Ursache für diese Reise kannte. „Und doch bist du 'nach Hause' gekommen.“ „Ja... und dennoch bin ich hier zurückgekommen... habe mich hier eingesperrt... versuchte etwas bewahren...“ Fye machte eine abwertende, übertriebene Geste mit der Hand, die ihn an die Theatralik von früher erinnerte. „Ist es dir gelungen?“, fragte der König. Fye schwieg, als wüsste er es selbst nicht oder als hätte er sich diese Frage noch nie wirklich gestellt. „Ich würde sie gerne wiedersehen. Die Wüste...“, bemerkte Fye statt einer Antwort und lehnte seine Stirn wieder gegen das Glas. So nah wie Ashura an der Scheibe stand, konnte er sich einbilden, Fye lehnte an ihm. Erst nach einer ganzen Weile sah er wieder zu ihm auf und dieses Mal war sein Lächeln nur noch leerer. „Aber die gibt es hier nicht, nicht wahr? Alles gibt es hier, nur nicht die Wüste. Nur nicht Hitze. Nur Schnee und Asche. Ist das nicht seltsam?“ „Nicht die Wüste, wie du sie auf deinen Reisen gesehen hast“, erwiderte Ashura ruhig. Fixierte ihn, versuchte die Spiegelung im Glas nicht zu beachten, der mechanische Unterton ihrer übertragenen Stimmen. „Doch Eiswüsten, Städte, Wasser, Menschen. Schnee, der an manchen Tagen warm ist. Eine Stadt, durch die Flüsse fließen. Ein Eismeer, dass nirgendwo endet.“ Fye lachte und es klang fast nicht gezwungen. „Ich habe dir das früher immer geglaubt, Ashura-ou. Dass die Eisschollen nie enden würden und man auf ihnen bis zu den anderen Kontinenten laufen könnte. Nur dass man im Sommer über die Schollen hüpfen müsste, während man im Winter bequem gehen könne.“ „Und dass man 200 Jahre bräuchte“, fügte der König hinzu. „Doch man sollte nicht so weit rausgehen, weil unter den Eisschollen Geister wohnten, die in Ruhe schlafen wollten.“ Ashura lächelte. „Und weil es keine anderen Kontinente gibt. Sie sind schon vor Jahrhunderten im Wasser versunken.“ „Das habe ich dann auch nachgelesen“, ein Seufzen und das schiefe Grinsen war so sehr der Mann, den er kannte, bevor dieser Wahnsinn begann, dass es Ashura den Atem stahl. Als er sich herunterbeugte, beschlug sein Atem das Glas und er wünschte sich nichts sehnlicher, als Fye zu berühren, ihn wie ein Kind zu umarmen, ihn auf die Stirn zu küssen und zu sagen, dass alles gut werden würde. Heuchlerisch. Denn er war es, unter dem Fye litt. Er war es, der ihn einsperrte. Er war es, der dieses Land dem Untergang entgegen geführt hatte bis dieses Kind als Erwachsener zurückgekommen war, um die Regeln umzuschmeißen und dafür einen schrecklichen Preis zu zahlen. Fye blickte ihm direkt in die Augen. Der König konnte gar nichts darin sehen. Doch immerhin war es Farbe. Eine Wüste aus Sand, er hatte sie im Traum gesehen, konnte sich aber nicht wirklich erinnern. Es musste so etwas sein wie ein großer Haufen trockener Dreck unter einer Sonne, die wie ein heißes Kohlestück am Himmel glühte. Doch das hatte er damals sicher nicht gedacht. Er drehte sich um und schritt zu einem Schaltpult und gab den Code ein. Das Glas der Stabilisierungskammer fuhr lautlos herunter, versank im Boden. Die kühle Luft traf Fye wie ein Schlag, er konnte es deutlich in der Reflektion des Monitors sehen. Ashura nahm die Handschuhe aus seinem Anzug und zog sie langsam über, während er auf die nun unbegrenzte Fläche zuging, die noch etwas feucht war. Fyes Blick hielt seinem stur stand als sich der König zu ihm herunterbeugte, das Gesicht betrachtete, das feuchte Haar etwas zurückstrich. Fye alterte aufgrund seiner Magie nur sehr langsam, doch der Ausdruck, die Körperhaltung, die Rebellion und Apathie in seinem Blick drückten etwas aus, das ihn sich selbst jung und unbeholfen fühlen ließ. Eine Hand auf seiner Schulter, warmer Atem über seinem Kinn, seinem Gesicht, etwas unregelmäßig vielleicht. „Ashura...- ou...“, flüsterte Fye. Der König schloss die Augen, nahm die Wärme in sich auf. So viel besser, so viel echter als die über Lautsprecher übertragenen Atemzüge; Schneesturmrauschen gleich. Vorsichtig strich er über Fyes Schulterblatt, spürte die Knochen, die Sehnen, den Puls, spürte Fyes Atemzüge über sein Gesicht streifen. „Im Tee befinden sich organische Substanzen, selbst das Wasser ist nicht rein genug“, murmelte Fye und nein, er wusste diesen Ton nicht zu deuten, er gehörte aber zu dem Mann, der ihn unzählige Male resigniert und ablehnend angesehen hatte. „In deinem Speichel befinden sich diverse Enzyme, in deinem Atem und auf deinen Lippen Bakterien, allein Hautkontakt ist eine Gefährdung. Findest du nicht, dass mich zu küssen all deine Bemühungen, mich am Leben und bei Bewusstsein zu behalten, ad absurdum führen würde?“ Ashura trat einen Schritt zurück, sich nicht mal bewusst, dass er dies hatte tun wollen. So oder so spielte es keine Rolle. Ashuras Hand fuhr über den vibrierenden MiniCon in seiner Manteltasche, gelber Alarm, doch alles, was er unter den Fingerspitzen zu fühlen schien war Asche. „40 Minuten.“ „Was?“ „Maximal 40 Minuten wird dein Körper außerhalb dieses Raumes aushalten. Vorausgesetzt du kommst nicht direkt mit organischen Substanzen in Verbindung oder verletzt dich.“ Asche auch in seinen Mund. „Wenn du in dem Zeitintervall hierher zurück kommst, könnte ich es schaffen, dich....“, er seufzte, wünschte sich den Rhythmus seiner Schritte zurück, die Stärke des Kommandos in seiner Stimme – zu wissen was zu tun war und was die notwenigen Mittel für die richtigen Zwecke waren. „Warum?“, fragte Fye und es schmerzte, dass seine Stimme – natürlich – misstrauisch klang. „Warum was?“ „Warum zählt auf einmal, was ich will?“ „Wegen der Wüste“, antwortete der König und schaltete das Vibrieren in seiner Manteltasche ab. Der Alarm hatte endlich den roten Bereich erreicht und die Sirenen gingen los. ______________________________________________ Kurogane Kurogane war geblendet von dem weißen Licht. Es brannte sich durch seine Augen in sein Hirn und ließ die Gedanken in fremden Sprachen Amok laufen. Ein greller Ton jaule in seinen Ohren und alle Konturen flossen für einen Moment ineinander. Das einzige schattenhafte war der Mann, der in der Mitte des Raumes stand. Dieser Ashura. Er zog Souhi. Er nahm wahr wie hinter ihm Shaolan ebenfalls sein Schwert zog, Souma und Kyle die Pistolen aus ihren Laborkitteln holten, ChuNyan Sakura an der Hand etwas aus dem Raum zurückzog. Gut, die Prinzessin brauchte das hier nicht sehen. Endlich ein Ventil, endlich etwas, von dem er wusste, wie man es richtig machte. Wenn nur die schrecklichen Sirenen endlich ihre Klappe halten würden! Er wollte mit seinem Gegner sprechen, bevor sie kämpfen! Den Hainleuten auch ne Chance lassen Fragen zu stellen. Er selbst wollte gar keine Antworten mehr. Er wusste nur, dass es seine Welt wieder grade rücken würde, wenn das Blut dieses Tyrannen endlich über seine Hände floss und er den Rausch spürte, die Wut, die Gewalt, die Macht ein Leben zu erstreiten, während er seines riskierte. Mit einer Handbewegung Ashuras erloschen die Sirenen. Stille kernte ein und es donnerte nur noch das Blut in seinen Ohren. Doch plötzlich hörte er die Prinzessin aufschreien und mit einem verwirrten Blick zurück konnte er ihren erschrockenen Gesichtshausdruck hinter vor den Mund geschlagenen Händen sehen. Er folgte ihrem Blick und bemerkte, dass hinter dem EX-Oberhaupt noch ein anderer Mann stand, um ihre Füße eine Pfütze von undefinierbarem Zeug. Er hatte ihn nicht sofort erkennen können, weil er einerseits von dem anderen Körper verdeckt, andererseits ganz in Weiß gekleidet war und daher mit der Umgebung verschmolz. Sein Kopf schmerze und donnerte, das Licht war viel zu hell, alles war leicht verschwommen. Als würde er aufwachen. Denn alles, was er plötzlich sah, war das lächelnde Blau eines einzelnen Auges und ein allzu bekanntes Lächeln. „Hallo Sakura-chan“, sagte Fye/Fyes Ebenbild/der Magier/der unbekannte Mann aus den Laboren/sein Neuanfang/sein Irrtum oder was auch immer. „Hallo Shaloan-kun, hallo Kuro-sama.“ _____________________Ende Kapitel 33__________ Kommentar: Ja, es geht tatsächlich weiter! Die nächsten 3 Kapitel sind schon geschrieben und allgemein habe ich gerade (endlich) mal wieder einen Schreibflash mit dieser Geschichte! Dank geht mal wieder an meine Betaleserin Baem, die nicht nur nach Monaten mir antwortete, sondern auch in Rekordzeit wieder korrigierte. Wie stets würde ich mich über konstruktives Feedback freuen! Copyright wie immer unverletzt und unentgeltlich berücksichtig.- may 34. Kapitel - (Konsequenz) -------------------------- Does it trouble your mind the way you trouble mine? Does it feel like a trial? Did you fall for the same empty answers again? Exile Vilify by the national ______________________________________________ Fye „Ich... ich wusste nicht, dass... Sie sind der Gründer?“, fragte Sakura verwirrt. „Oder... oh, geht es Ihnen wieder besser?“ Der Gefangene lächelte das Mädchen sanft an, vermied den Blick in die Richtung des Mannes mit den brennenden Augen. Nahm stattdessen ihren Anblick in sich auf, das kindhafte Gesicht, die offene Körperhaltung. So sanft, so weich, so stark. „Ja, sehr viel besser“, er bemühte sich um reine ruhige Stimmlage. „Wie geht es dem Vögelchen?“ Shaolan hatte ihn fixiert, seine Gedanken rasten offensichtlich und am liebsten hätte er ihm auf die Schulter geklopft und gesagt 'gut gemacht'. Denn er konnte genau sehen, wie er die richtigen Schlüsse zog. Die anderen Menschen – er kannte sie, indirekt, aus dem Hain, aus Träumen – der Arzt und die Schwester, nicht wahr? Und das elternlose Mädchen mit dem unerschütterlichen Glauben an Magie. „Gut... Er fliegt manchmal in der Wohnung. Moko-chan hat ihn auch sehr gern und bringt ihm Lieder bei.“ „Schön! Besser als in nem' langweiligen Flur rumstehen.“ „Auf jeden Fall...“ Was für eine Unterhaltung unter Bewaffneten, es war so abstrus. Doch abstrus war vertraut und viel zu lange seinem König vorbehalten gewesen. „Ihr kennt euch?“, fragte die dunkelhaarige Frau, ohne ihren Blick von ihm zu nehmen. Ihre Stimme zitterte etwas und mit unsicheren Fingern hielt sie die Pistole weiterhin auf Ashura gerichtet. „Wir haben uns getroffen als wir hier bei Ashura-san gewohnt haben“, auch dem Ex-Oberhaupt warf Sakura ein scheues Lächeln zu. Wie sehr das Kurogane missfiel. Wie sehr er sich versuchte auf seinen Gegner zu konzentrieren und sich nicht von ihr oder ihrer Unterhaltung ablenken zu lassen. „Du hast mir nichts davon erzählt, dass 'dein Freund' aussieht wie dieser verdammte Magier“, brummte der Krieger. „Du hast mit niemanden geredet...“, erwiderte sie traurig und der Gefangene musste sich zusammenreißen sein Lächeln natürlich zu halten. „Bist du nun der Gründer oder nicht?!“, forderte einer der Hainleute zu wissen. „Beantworte die Frage!“ Noch mehr Waffengewedel. Er konnte spüren, wie sich Ashura immer weiter verspannte und Fye erinnerte sich daran, dass der König immer noch die Befehlsgewalt über das Sicherheitssystem hatte. „Ich bin der Gründer“, gab Fye im leichtfertigen Ton zu. ______________________________________________ Kurogane Der 'Gründer' dieser Welt sah aus wie der Magier? Nun, ihm konnte es egal sein, passte irgendwie zu ihm. Selbes Herz und so nen' Kram. Die Hainleute entspannten sich etwas, nun da sie ihren Wunderheiler gefunden hatten und wenn dieser wirklich so allwissend war, wie sie behaupteten, dann würde er auch den Aufenthaltsort des verdammten Magiers kennen. Auch der Gründer trug eine Augenklappe, auf demselben Auge, was verwirrend und schmerzhaft und vermutlich ein kranker Witz war – das hier war nicht der lebende Leichnam, den er am Hafen abgelegt hatte, oder? Er wich seinem Blick aus. Natürlich nicht. Nun, er hatte anders zu tun als sich mit weiteren Fragezeichen rumzuschlagen. Er ging ein paar Schritte auf das Duo zu und hob sein Schwert. Das EX-Oberhaupt sah ihn nur ruhig an, doch wenn es hier wirklich noch Magie gab, dann konnte diese Altraum- und Angstgestallt des Magiers sich sicher gut genug wehren. Es versprach ein würdiger Kampf werden. ______________________________________________ Ashura Die Wiederholungsschleife hatte von vorne begonnen und das Wissen, dass er diesmal Fye die Macht in die Hände gegeben hatte, es anders enden zu lassen als sonst, änderte nichts an dem Gefühl der Apathie, das ihn ergriff, während die Klinge vor seinen Hals schwebte. Er erwiderte den zorndurchtränkten Blick kühl, der sich in sein Gesicht brannte und ja, er war Herrscher über ein ganzes Land, er war unbewaffnet, aber ein einziges Wort zum Computer würde reichen, um den Raum mit Phagen zu füllen. Doch er reagierte nicht und würde nicht reagieren. Die Klinge legte sich kühl an seinen Hals, doch all die Tage ohne Farbe in diesem Raum, ließen seinen Puls nicht einmal beschleunigen. „Kurogane-san.“ Es war die Stimme des Jungens, den er hier ein paar Nächte beherbergt hatte. Die Klinge drückte fester gegen seinen Hals, erzwang Blut. „Er wehrt sich nicht“, sprach der Junge langsam und bestimmt. So als redete er mit jemanden im Wahn. Und wenn er in diese rötlichen Augen blickte, dann war diese Vermutung wohl nicht so fern. Nicht zum ersten Mal fragte der König sich, warum Fye sein Herz ausgerechnet an diesen Berserker verloren hatte. ______________________________________________ Kurogane Der Junge tauchte plötzlich neben ihm auf. Er war so fixiert auf Ashura gewesen, eingenommen von all dem Weiß, entschlossen von Fyes weiterem Ebenbild keine Notiz zu nehmen, dass er ihn nicht einmal bemerkt hatte. Hien war gezogen, doch nicht auf den Tyrannen, sondern auf ihn gerichtet. Dachte der Bengel ernsthaft er hätte gegen seinen Lehrmeister eine Chance? Er hätte das Ding in erster Linie noch gar nicht ziehen dürfen, war längst noch nicht bereit irgendjemanden zu beschützen. Schon gar nicht diesen Herrscher der Schaben, der diese Welt mit eiserner Hand unterdrückte. Dafür war er doch hier, oder? Deswegen hatten ihn die Hainleute mitgeschleppt und deswegen waren sie mitgekommen. Es war zu hell und Fyes Ebenbild stand zu nah bei ihnen, doch Kurogane war zuversichtlich, dass die Energiewelle seiner ersten Attacke den Blonden weit genug wegschleudern würde. ______________________________________________ Ashura Es war fast lächerlich wie leicht es ging. Lächerlich, belanglos, katastrophal. Wie leicht das eintrat, was sie beide seit so langer Zeit zu vermeiden suchten. Was er fürchtete, ließ er nun einfach zu. So oft hatte sich diese Szene schon abgespielt. Doch diesmal würde er sich nicht bewegen. Still halten, so wie Fye es wünschte. Damit dieser Alptraum ein Ende hatte, auch wenn es ein Erwachen in Stille nach sich führen würde. Am Ende, alle Illusionen zerstört, alles, wofür sie so viel geopfert hatten. Umsonst. Die Klinge brachte weiteres Blut hervor und sein Puls stieg etwas an. Erst recht als Fye von hinten nach seiner immer noch behandschuhten Hand griff und zudrückte. ______________________________________________ Kurogane „Kurogane-san“, wiederholte der Junge noch einmal und umgriff sein eigenes Schwert fester, sorgte für einen festen Stand. „Bitte hör auf! Einen unbewaffneten Gegner zu töten ist würdelos.“ „Nur weil du die Waffen nicht siehst, heißt nicht, dass sie nicht da sind“, korrigierte Kurogane, abwesend, fixiert. Der Bengel sollte endlich aus dem potenziellen Schlachtfeld heraus, verdammt! Denn er musste es tun. Das Rauschen, der Traum, der Wahn, dieses leere Gefühl in seiner Brust würde erst enden, wenn er kämpfte und siegte. Er brauchte dieses Blut, das über Souhis Schwertscheide tropfte, um seine Welt wieder aufzubauen – als ersten Stein der Mauer, aus den Trümmern, aus der Asche. So wie damals. So wie... Es überraschte ihn als ausgerechnet Fyes Ebenbild einen Schritt auf sie beide zukam und nach der Hand des EX-Oberhauptes griff. Machten sie doch gemeinsame Sache? Er wusste schon, wen das gar nicht freuen würde. Doch 'Fye' und Ashura? Das war seltsam, doch er wollte darüber nicht nachdenken. Andere Welt. Nicht Ceres. Nichts, was ihn zu interessieren hatte. Plötzlich schob sich ein warmer, kleiner Körper zwischen ihn und seinen Gegner. ______________________________________________ Sakura „Prinzessin!“ Shaolan schien entsetzt und auch ihr Herz schlug bis zum Hals. Doch weder vor Kurogane, noch vor Ashura hatte sie wirklich Angst. „Kurogane-san!“, rief sie verzweifelt dem völlig abwesend wirkenden Mann zu. „Bitte hör auf!“ „Was soll das...“, zischte dieser. „Geh da weg!“ „Nein.“ Das überraschte Ashura-san offenbar und auch ihr Freund sog hinter ihm die Luft ein. Einen Moment wirkte es als könne sie den Krieger erreichen, denn dieser zog das Schwert etwas zurück, steckte es aber nicht in die Schwertscheide zurück. Stattdessen griff nach ihr und zog so fest, dass sie hinter ihn stolperte. Hart und grob. Doch Shaolan hielt weiterhin sein Versprechen und gab den Weg nicht frei. „Was zur Hölle..!“, wurde er auch schon seinem Lehrmeister angefahren. „Du richtest das Schwert auf den Falschen!“ Dann blickte er zu Fyes Ebenbild. „Bist du das? Manipulierst du sie? Wie Puppen? Verflucht noch mal!“ Das nächste geschah blitzschnell und ohne, dass sie hätte einschreiten können: Kurogane griff nach dem 'Gründer', doch Ashura-san stellte sich ihm in den Weg. Dann sah sie nur die Schwertschneide aufblitzen und presste entsetzt die Augen zusammen. Ein klirrender Ton durchschnitt die Luft und sie fürchtete jeden Moment einen Körper auf den Boden sinken zu hören. „Die Prinzessin hat mich darum gebeten“, hörte sie Shaolans Stimme, beherrscht und angespannt. Er hatte die Attacke abgeblockt, doch seine Arme zitterten allein von der Wucht des Schlages. Sakura warf einen verzweifelten Blick auf die Hainleute, die immer noch mit all diesen Waffen am Eingang standen und nicht wussten, auf wen sie zielen sollten. Ashura-san selbst schwieg immer noch, stand einfach nur da, als würde er auf irgendetwas warten. „Wir wollen ihn noch befragen, also verletzen Sie ihn nicht zu stark“, bemerkte Dr.Kyle und sie machte das wirklich wütend. Egal wie sehr man jemand hasste, ihn einfach zu verletzen oder zu töten, das war einfach.... einfach... sie hatte so genug davon, dass sich in dieser Welt alle verletzten, erst recht ihre lieb gewonnen Reisekameraden sich selbst! Doch bevor sie weiter etwas sagen konnte, griff jetzt auch ihr neuer Freund ein. „Bitte... Kuro-sama... mach nicht alles kaputt in deiner Wut.“ Sie hielt die Luft an, doch der Krieger steckte Hien nach einer gefühlten Ewigkeit tatsächlich weg. Erleichtert wollte sie ihrem neuen Freund ein beruhigendes Lächeln zuwerfen. Doch Fyes Ebenbild sah sie gar nicht, hatte Kurogane fixiert und irgendwie wirkte es gerade nicht so als begegneten sie sich zum ersten Mal. ______________________________________________ Fye Plötzlich fand sich er sich im Fokus dieser wütenden Augen wieder und wünschte sich fast Ashuras kalten, distanzierten Goldton zurück. Er fühlte sich hin und her gezerrt zwischen einem idiotischen Grinsen, Herzrasen, Steinen im Bauch und einem lähmenden Gefühl der Angst, dass das alles hier und jetzt zerbrechen würde. Er löste seine Hand von der seines Königs und trat einen Schritt auf den Krieger zu, zwischen die beiden Männer. Kurogane würde ihn nicht angreifen, selbst wenn er in ihm einen Feind erkennen würde. Einen Moment lang glaubte Fye einen Fremden vor sich zu haben. In seinen Träumen hatte er kaum etwas von Kurogane mitbekommen, seit er wieder in dieser Welt war. Nur Erinnerungen und Farben, Dialogfetzen. Wie etwas, das längst vergangen war, obwohl es sich gerade jetzt abspielte. Auch seine eigenen Erinnerungen waren von Gefühlen und Zeit und der weißen Monotonie dieses Gefängnisses gefärbt. Fye wurde von oben bis unten gemustert, lange verweilte der Blick auf seiner Augenklappe. „Nimm sie ab“, forderte Kurogane. Und mit einem Seufzen zog er sich das samtene Stück Stoff vom Gesicht. Ashura hinter ihm schwieg, selbst die bewaffnete Gruppe am Eingang tat es ihm gleich. Beobachtete sie nur. „Zufrieden?“ Wieder griff der Krieger nach ihm. Es war unerwarteter Weise gar nicht grob, eher so als erwartete er durch ihn hindurchzugreifen und beinahe unsicher verweilte die Hand an seinem Arm, zum Glück oberhalb des Stoffes. Dennoch spürte der Gefangene jeden einzelnen Finger des Kontaktes, die Körperwärme,den ungleichmäßige Druck, der scheinbar unentschieden von den Muskeln ausging. Einen Moment verweilten sie einfach so, dann ging ein Ruck durch den Krieger und ein Ruck auch durch Fye, denn er wurde nach vorne gezogen, nicht ganz so brutal wie die Prinzessin zuvor. „Du kommst mit“, brummte der Krieger. „Okay.“ Alles, was er tun konnte, bevor ihn Kurogane durch den Ausgang aus diesem Gefängnis zerrte, war stumm mit den Lippen ein 'Danke in Ashuras Richtung zu formen. ___ Ende Kapitel 34________ Copyright wie immer, nicht bei mir. Spiele nur. @ LadyOcean: oh, du bist immer noch dabei? Das freut mich! Danke für das Feedback. Meinst du mit „am Anfang“ das Kapitel oder die FF. allgemein? 35. Kapitel - (Brennen) ----------------------- Kurogane Kein Blut. Kein Aufbau. Kein Ventil. Keine Wut. Allein durch ein paar Worte, in einer vertrauten Stimme von einem Fremden ausgesprochen - der nicht wissen konnte, dass er mit diesen Worten genau ins Schwarze traf - hatte er jegliche Motivation verloren hier irgendwem die Kehle durchzuschneiden. Wie oft hatte er Fye Gewalt angedroht. Wie oft hatte er ihn tatsächlich geschlagen. Unfähig in seiner Wut mit all den widersprüchlichen Gefühlen klarzukommen, die in ihm tobten. Wie oft hatte er verdächtigt, gemotzt, gedrängt und beschuldigt. Ohne etwas zu sehen, ohne irgendetwas zu sehen. Wohl wissend, dass die anderen ihn nicht lange mit ihrer 'wertvollen Beute' allein lassen würden, zog er den selbstproklamierten Gründer ein paar Schritte durch den weißen Gang, der nach ein paar Metern in Ashuras Villa enden würde. Er erwartete immer noch die Phagen, doch was diese pistolenschwingenden Idioten auch darin taten, es schien diesen Ashura nicht dazu zu inspirieren irgendetwas auf sie zu hetzen. Weswegen hatten sie ihn noch mal mitgeschleppt? Weil er kämpfen konnte? Lächerlich... oder keiner von ihnen traute sich wirklich eine Waffe abzufeuern. Sein Schädel brummte immer noch, plötzlich müde. So wie es aussah, hatte er nun wirklich all seine Stärke verloren. Nicht einmal mehr genug Feuer, um zu zerstören, nachdem er schon nicht beschützen konnte. Ein blaues Auge, die Verletzung auf der selben Seite wie 'Fye'. Der Blonde auf dem Video hatte auch eine Augenklappe getragen und die Wunde im Gesicht des Gründers war längst vernarbt. Verwirrend genug, wenn es in jeder Welt ein Ebenbild von ihnen gab, hoffnungslos da durchblicken zu wollen, wenn da noch weitere 'Laborerzeugnisse', 'Doppelgänger', 'Klone' hinzukamen. Die Schultern des Gründers waren etwas eingesunken, sein Blick abgewendet und Kurogane wünschte sich, wünschte sich wirklich, er könnte noch nur eine einzige Frage stellen. Nur ein einziges Mal diesen Mann anfahren und Antworten einfordern; oder ihm eine runterhauen; oder wünschen, dass er bei allen Göttern verflucht noch mal nicht aussähe wie der Magier. Wünschte sich am allermeisten das Gefühl weg, diesen Mann umarmen zu wollen und sich für ein paar Sekunden vorzumachen, er wäre jemand, der ihm wichtig wäre – anstatt eines Fremden. Er wusste nicht mal, was er mit ihm hier draußen wollte. „Kuro-sama...?“ „Nenn mich nicht so.“ „Wie sonst?“ „Kurogane.“ Der Gründer zuckte mit den Schultern und aufgrund der Bewegung merkte Kurogane erst, dass er ihn immer noch festhielt. Er befahl seinem Arm loszulassen, doch er konnte nicht. Der Gründer biss sich auf die Lippe und sah ihn direkt an, wirkte als wolle er etwas sagen, wüsste dann aber doch nicht, was. „Kuro-sa-“ „'KUROGANE' VERDAMMT NOCH MAL!!!“, brüllte der Krieger los. Kein Blut. Kein Aufbau. Kein Ventil. Keine Wut. Der andere Mann schluckte hart, und hob ungeachtet dessen seinen freien Arm, die behandschuhte Hand schwebte unsicher vor Kuroganes Gesicht. Und da war wieder dieses Gefühl, dieses beklemmende Gefühl, das er schon so oft gehabt hatte; Jedes Mal, wenn er in dieser Welt aufwachte. Er hatte von Anfang an gewusst, dass sie diese Welt so schnell wie möglich verlassen sollten und er hatte Monate in ihr verbracht. Er war in ihr gelandet in dem Wissen, dass irgendetwas nicht stimmte, doch war er zuversichtlich gewesen, hier mit seiner Reisegruppe wieder raus zu kommen und nach Japan zurückzukehren. Er hatte gewusst, wer er war, wer ihm wichtig war und wohin er wollte. Nun konnte er sich nicht einmal mehr rühren, kam gegen das alles nicht an, kam nicht gegen dieses Gefühl von Realitätsverlust an, das anstatt seiner Stärke ihn nun auszufüllen schien. „Oh, Kuro-sama....“, murmelte Fyes Stimme neben ihm und strich vorsichtig über seinen Hinterkopf, so wie es sein Ebenbild immer getan hatte. Den Nacken entlang, weil er wusste, dass das eine privilegierte Stelle war, an der sich der Krieger verletzlich zeigte. „Es tut mir Leid.... es tut mir so Leid.. ich dachte.... ich dachte, ich würde endlich mal etwas richtig machen...“ Die Stimme des Gründers brach, so wie es die des Magiers immer tat, wenn er sich sammelte, nachdem Kurogane wieder einmal total in Schwarze getroffen hatte und er der Welt nichts mehr vormachen konnte. Erst als seine verkrampfte Hand den Gründer etwas mit sich herunterzog, merkte Kurogane, dass er auf die Knie gesunken war. Doch der Gründer nutzte die Gelegenheit zur Flucht nicht, sondern beugte sich weiter herunter und drückte ihn mit der Hand an seinem Nacken in eine leichte Umarmung, die nach Wasser und Chemie roch. Der weiße Anzug war leicht feucht, der Stoff rau, doch darunter konnte der Krieger lebendige Wärme fühlen, sogar einen Puls als seine schmerzende Stirn gegen seinen Bauch lehnte. Und er schloss die Augen und da war nur Meeresrauschen in der Dunkelheit. Fye Natürlich war Kuroganes Ausbruch nicht unbemerkt geblieben und kurze Zeit später kamen die Kinder und die Hainleute in den Flur gestürmt. „Alles in Ordnung?“, fragte ihn die dunkelhaarige Frau. Fye war nicht ganz klar wen sie meinte, nickte aber. Eine Lüge, denn hier war so gar nichts in Ordnung. Die Kinder schienen entsetzt, als sie Kurogane auf dem Boden knien sahen. Doch jeglicher andersartiger Ausgang dieser Situation wurde von einem ohrenbetäubenden Donnern und einem heftigen Beben vereitelt. Die Prinzessin schrie auf und die Hainleute suchten Deckung, auch er selbst wurde von den Füßen gerissen und landete hart auf dem blitzblanken, weißen Boden. Ein weiterer Donnerschlag folgte und durch die Intensität der Druckwelle wurde ihm fast schwarz vor Augen. War das Ashuras Werk? Doch dieser hatte weit andere Methoden sie am Gehen zu hindern oder gar zu töten. Erst recht würde er nicht das Wohlergehen seines 'Patienten' gefährden, nicht wenn der König auch nur die letzte irrationale Hoffnung hatte, dass er im Zeitrahmen von 40 Minuten wieder kam. Und irrationale Hoffnungen und Wünsche, davon hatten sie selbst nach all der Zeit, einen schier unendlichen Vorrat. Nach einigen Sekunden Stille sah Fye zu Kurogane auf, der schützend über ihn kniete. Ein paar weitere schnelle Herzschläge und auch die anderen regten sich langsam wieder. Vorsichtig strich Fye mit behandschuhten Fingern über das Gesicht über ihm, die Tränen weg. „Bevor du mich wieder anmotzt“, sagte er leise, „Ich habe keine Ahnung was das war...“ Shaolan Eine Detonation! Wie bereits im Einkaufszentrum klirrten ihm die Ohren und er zog die Prinzessin schützend zu sich, wusste dass weder Hien noch die anderen Waffen sie schützen könnten, wenn der unterirdische Gang tatsächlich über Ihnen zusammenbrach. „Wa-.. was?“, brachte ChuNyan unter Tränen hervor, nachdem ein paar weitere Sekunden Stille vergangen waren. „Ist das dein Werk?!“, fuhr Souma Fyes Ebenbild an, das sich gerade aufrichtete. Dieser schüttelte den Kopf und wirkte selber geschockt. Der einzige, der gerade ruhig zu sein schien, war der Arzt. „Wir müssen hier raus. Selbes Protokoll wie bei Zwangsräumungen. Zweiergruppe bilden und sich merken, wer zu einem gehört. Nur darauf achten, lasst euch nicht ablenken und verlauft euch nicht. Wir müssen die Villa verlassen. Nach oben. Unterirdisch werden wir hier noch lebendig begraben.“ Das brachte ChuNyan nur noch mehr in Panik und auch Sakura presste verängstigt ihr Gesicht gegen seine Schulter. Tief durchatmend, nickte Shaolan und wollte sich schon mit der Prinzessin Richtung Ausgang bewegen, als er sah, dass Kyle statt dessen zurück in den Laborraum ging. „- was..? Kyle!“, bemerkte es jetzt auch Souma. „Was hast du vor?“ „Diesem Bastard eine Kugel durch den Kopf jagen. Meinst du ich bin den ganzen Weg hierher gekommen, um den Mann zu verschonen, der uns diesen ganzen Ärger verursacht hat?“ „Niemand jagt hier jemanden eine Kugel durch den Kopf!“ Souma schien entsetzt, obwohl sie selbst immer noch eine Waffe in der Hand hielt. „Dafür sind wir hier!“ „Wir sind hier um den Gründer zu finden!“, unterbrach ChuNyan die beiden argumentierenden Erwachsenen. „Und wir haben ihn gefunden! Er kann uns helfen!“ „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun! Und wir wissen nicht einmal, ob er irgendetwas bewirken kann!“ „Ich habe jede Nacht bereut, was wir in den Laboren getan haben, Kyle“, Souma war auf ihn zugeschritten und hatte ihm am Kragen gepackt. „Jede Nacht! Was wir nicht nur unseren Patienten angetan haben, auch unseren Kollegen und Freunden! Ich bin nicht hierher gekommen, um jemanden zu exekutieren!“ „Doch. Bist du.“, antwortete der Arzt und Shaolan konnte an ihrem Blick sehen, dass er Recht hatte. Unauffällig warf Shaolan einen Blick durch die Tür zurück und atmete erleichtert durch. „Wir sollten gehen“, versuchte er möglichst ruhig zu sagen, obwohl sein Herz ihm bis zum Hals schlug und er nicht gewusst hätte, wie er die beiden hätte aufhalten sollen ohne sie zu verwunden. Seinen Lehrmeister konnte er erreichen, doch diese beiden waren Fremde und er traute sich mit Hien nicht wirklich zu schon zwischen Freund und Feind unterscheiden zu können. „Ashura-san ist längst verschwunden.“ Fye Fye lächelte trotz allem etwa sin sich hinein. Natürlich war er das. So paranoid wie Ashura war, hatte der Raum mehr als einen Ausgang, vermutlich befand sich sein König längst in den Ruinen von Ruval. „Dann hält uns ja nichts mehr auf“, brummte nun auch der Krieger, der sich mittlerweile gefasst hatte. Sie liefen den Gang hinauf und fanden sich in einem Flur Ashuras Villa wieder. Einen Moment wirkte die Gruppe orientierungslos, doch Fye war in diesen Räumen großgeworden. „Wohin wollt ihr?“ „Nach oben“, antwortete der den Arzt. „Wir werden von einem Flugschiff abgeholt... wenn wir Glück haben.“ Auch hier oben war Donner zu hören, der jedoch diesmal zu weit weg war, um den Boden wesentlich zum Beben zu bringen. Was passierte da draußen bloß? Doch da an ruhige, klärende Gespräche gerade eh nicht zu denken war und seine Zeit tickte, setzte er sich einfach in Bewegung und rannte los. Die unzähligen Gänge entlang, vorbei an all den Illusionen und falschen Türen und geheimen Gängen, jeden Zauber auswendig kennend – die Villa bestand zur Hälfte aus solchen Illusionen, die über ihre wahre Größe und Aussehen hinweg täuschten. Sie stiegen eine weitere Treppe hoch, hier hatten sich die Zimmer der höherstehen Bediensteten befunden, auch hier alles penibel sauber, obwohl hier niemand mehr lebte. Eine weitere Treppe, Gästezimmer, zweite Küche, die Bibliothek. Es tat gut zu rennen, zu laufen, zu brennen und endlich aus all dem Weiß und der Stille herauszukommen. Es schien im fast als wäre all der Krach dort draußen sein persönliches Geschenk. Kurogane lief direkt neben ihm und je höher höher sie kamen, desto näher kam auch der Donner. An der letzten Treppe zum Dach ließ seine eh nicht besonders gepflegte Kondition endgültig nach und ihm wurde fast schwarz vor Augen. Doch der Krieger packte ihn nur mit einer fließenden Bewegung und nahm ihm im Lauf hoch, trug ihn das letzte Stück. Sakura Shoalan hielt ihre Hand fest in seiner während sie durch Gänge rannten, Fyes Ebenbild hinterher. Hoffentlich würde er sich nicht überanstrengen, doch sie konnte sich nicht wirklich darum Gedanken machen. Zu viel prasselte auf einmal auf sie ein. Nicht nur die erschreckenden Ereignisse um Ashura, nicht nur das Donnern und das gelegentliche Beben des Fußbodens und der Wände, die sie an die Explosion im Einkaufszentrum vor wenigen Tagen erinnerte. Nein, alles um sie herum schien zu verschwimmen, im Chaos und dem Schmerz, der in der Luft um sie herum war. Ständig sah sie Schatten oder streiften sie Emotionen von Geistern, hörte sie Stimmen, Schreie. Die Gänge der Villa veränderten immer wieder ihr Aussehen, wurden zu Steinmauern mit großen Fenstern, hinter denen tosende Schneestürme zu sehen waren statt gepflegter Gärten. Der Teppich auf einmal feucht und die Luft eiskalt. Endlich waren sie oben und ein heftiger Wind empfing sie. Was sie sah, als sie endlich wieder zu Atem gekommen war: Sie befanden sich auf einem Wachturm hoch über der Villa, die nun aussah wie ein Schloss. Doch das war nicht das Schreckliche. Das Schreckliche war, dass sie von hier aus fast ganz Omehlas sehen konnte, all das Grün und die Seen und die Tiere und vereinzelten Fachwerkhäuser, die sie Stunden lang beobachtet und auf der Suche nach ihren Reisekameraden durchstreift hatte. Darüber fegten Flugschiffe hinweg, immer und immer wieder, und jedes Mal wenn sie hochzogen, um im wolkigen Himmel zu verschwinden, gab es kurz später einen lauten Donner und an einer weiteren Stelle entstand eine Feuerwand. Ganz Omehlas brannte. Neben ihr ging ihr Freund in die Knie und starrte völlig geschockt auf die Szene vor sich. Auch Sakura selbst kämpfte mit den Tränen. Nun, eigentlich hatte sie den Kampf schon längst verloren, denn das alles sah sie nur noch verschwommen. Sie hatte schreckliche Angst, doch in erster Linie fühlte sie nur eine tiefe Trauer. Wer immer die Leute waren, die in den Flugschiffen saßen, dort unten waren auch Menschen. Auch wenn ihr ChuNyan, Souma und Dr.Kyle immer hatten weißmachen wollen, dass es 'böse' Menschen waren. Ashura-san hatte ihr einmal erklärt, dass Omehlas der letzte Garten von Niaoulli wäre. Ansonsten bestand diese ganze Welt nur noch aus Eis und Schnee und feindlicher Magie, Orte, an denen niemand mehr leben konnte, nicht einmal andere Lebewesen wie Tiere. Daher waren die beiden Städte die letzten Zuflucht und Omehlas das letzte Stück grüne Natur, das es überhaupt noch gab. Ein heftiger Windstoß riss sie fast von den Füßen, doch Shaolan hielt sie fest und als sie hoch blickte, erkannte sie, dass ein Flugschiff genau über ihnen schwebte. Eine Luke ging auf und die Leute darin gestikulierten wild, wollten, dass sie einstiegen. Sie sah, dass der Gründer Kurogane irgendetwas zuschrie, doch sie konnte es durch den ganzen Lärm und den Wind nicht hören. Ein anders Flugschiff sauste über sie hinweg und warf ganz in ihrer Nähe eines dieser Donnergeschosse ab. Alles wackelte und diesmal konnte sie sogar die Wärme des Feuers spüren. Völlig erschrocken ließ sie sich von Shaolan nach oben heben und die Leute im Schiff zogen sie durch die Luke. Nach ihr wurde ChuNyan hinauf gehoben und die beiden Mädchen fielen sich sofort in die Arme, hielten sich aneinander fest. Die Leute hier konnte sie nicht ansehen und daher drückte sie einfach nur ihr Gesicht gegen die Schulter ihrer Freundin und hoffte bald aus diesem Alptraum aufzuwachen. Kurogane „WAS SOLL DAS HEIßEN? DU KANNST HIER NICHT WEG?“, schrie Kurogane den Mann vor sich durch den Lärm zu. Natürlich kam der Gründer mit ihnen, deswegen waren sie ja hergekommen! Auch wenn er selbst nicht wusste, warum auf einmal die Hölle um sie herum ausbrach und warum er nichts von dem Rückzugsplan mit dem Schiff gewusst hatte. Der andere Mann schüttelte den Kopf und wirkte als würde er gleich umkippen, oder bei der nächsten Explosion über das Geländer fallen. Er blickte nach unten, dann wieder zu ihm und hinauf zur Luke, durch die gerade Souma und Kyle geklettert waren. Der Krieger war kurz davor ihn einfach zu packen und gegen seinen Willen durch diese verdammte Luke zu zerren! Fye Hatte er das getan? Warum verstand er dann nicht einmal ansatzweise, was dort unten geschah? War es das, was Ashura hatte verhindern wollen? 'Ich tue das, um dich zu schützen. Dieses Land braucht Stabilität – um jeden Preis'. Der Lärm fraß sich in seinen Kopf, jedes Donnern ließ jedes einzelne seiner Organe verkrampfe. Er hatte das Gefühl so weit gerannt zu sein, endlich seinen Gefängnis und der Wiederholung entflohen, um letztendlich nun wortwörtlich an einem Abgrund zu stehen. Der Lärm zerstörte ihn, die Welt brannte und die Farben mischten sich ineinander bis ihm schlecht wurde. Ganz Omehlas brannte, dieses Land zerstörte sich selbst und er wusste nicht wie er all die Toten und all die Zerstörung wieder ausgleichen sollte.... selbst wenn er es schaffen sollte jetzt noch umzukehren, wenn Ashura überhaupt noch lebte, es war eine Frage von Minuten bis auch die Villa getroffen wurde. Vermutlich würde die Bombardierung beginnen sobald sie eingesammelt worden waren. Er versuchte durch den ganzen Rauch über die Grenzen Omehlas heraus zu sehen, zur Eiswüste, doch das war unmöglich. Was hatte er gewollt, als Ashura ihm seine Freiheit zurück gab? Darauf musste er sich konzentrieren. Wie viel Zeit hatte er noch? Tief atmete er durch, schloss die Augen und versuchte sich auf das Trommeln seines wild schlagenden Herzens zu konzentrieren. Hier war immer noch das Zentrum der Magie. Er öffnete die Augen und sah nur Feuer. Er drehte sich um und sah den Mann an, den er fast zerstört hatte. Welchen Weg er auch nahm, es würde wieder so werden. Der Krieger sah aus als würde er ihn jeden Moment niederschlagen und zwingen mitzukommen. Die Hand war schon wieder an seinem Arm, doch irgendetwas musste er bemerkt haben, denn er stockte. Kurogane sah selbst so unglaublich müde aus. Er beugte sich zu ihm und einen Moment war es still, bis auf das Rauschen des Windes, das ihn an ein Hochhaus unter zwei Monden erinnere. „Fye, was passiert wenn du hier weggehst?“ Der Name an seinem Ohr ließ ihn verwirrt aufsehen und wie sehr er sich wünschte, er hätte nur 10 Minuten Ruhe, um alles zu erklären. Er lehnte sein Gesicht an Kuro-samas und sprach in sein Ohr. Die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus und es war wirr und nicht mal die Hälfte von dem, was er eigentlich hatte sagen wollten, doch sie hatten keine Zeit. Sie hatten keine Zeit. „Kuro-sama... ich 'träume' diese Welt, ich bin der Gründer.. Ich... ich wollte dir so viel erklären, aber du musst jetzt gehen und darfst nicht wieder kommen. Nicht schon wieder. Dir und den Kindern wird nicht passieren, aber du darfst nicht wiederkommen! Ich reise nicht mehr weiter mit euch, ich... Du bist so oft wieder gekommen, doch das hier war mein Preis für meinen Wunsch. Ashura hat den Preis umgehen können, doch es ist endgültig Zeit ihn zu zahlen, auch du kannst daran nichts ändern. Es ist... das einzige, was ich je richtig gemacht habe... und... und… ich wünschte es würde dich nicht so verletzten... weil… weil ich dich so verdammt gerne habe. Doch bitte, versprich mir, dass du nicht wiederkommst... geh nach Japan, zu Tomoyo-hime, aber: Komm. Nicht. Wieder.“ Er würde nicht in dieses Raumschiff steigen und Kurogane noch einmal den Anblick aussetzen, wie jemand, den er beschützen wollte, vor seinen Augen starb. „Danke für alles... du hast mir so schöne Träume beschert, doch du musst aufwachen!“ Der Krieger löste sich und sah ihn mit geweiteten Augen an. Verwirrt, atemlos, tausend Gedanken im Kopf und: „Was zur Hölle redest du da?“ Fye schüttelte den Kopf und löste sich. Starrkopf... Er löste sich von dem Krieger, der ihn misstrauisch ansah. Oben von der Luke hörte er Rufe, dass sie 'gefälligst ihre Ärsche bewegen' sollten. Kurogane Und dann kapierte er es. Wie, wusste er nicht genau. Ein Wunder, dass er überhaupt noch irgendeinen Gedanken fassen konnte, oder wollte. Dass irgendetwas überhaupt Sinn ergab. Doch als sich der Gründer nach seinem Redefluss löste und er in dieses blasse Gesicht sah, nackt von jedem Lächeln und dem Blick, der genau das spiegelte, was er fühlte, da wusste er es einfach. „Du stirbst, wenn du von hier fortgehst... genau so wie dein Ebenbild...“ Fye hatte ihn scheinbar trotz des Lärms verstanden. „Ich sterbe in 20 Minuten, ich habe nur nicht vor es in deiner Gegenwart geschehen zu lassen. Und hier kann ich zumindest....“ Der Idiot schüttelte den Kopf, versagte ihm schon wieder Antworten. Kurogane wollte schon wieder an die Decke gehen, eine Hand schon zur Faust geballt. Er wollte nichts lieber als Fye mitziehen, in dieses Flugschiff zerren und irgendwie retten. Denn 20 Minuten waren ihm gut genug, um die Wette einzugehen. Um irgendwie Mokona dazu zu bringen, doch noch Kontakt mit der Hexe aufzunehmen (mit Fyes Gründerfähigkeiten konnten sie sicher die Hexe kontaktieren oder auch sonst fanden sie irgendwie einen WEG!) und …. er würde alles zahlen, um diesen Idioten mitzunehmen. Das war wichtiger als Blut. Wichtiger als Aufbau. Wichtiger als ein Ventil. Wichtiger als Wut. Doch er konnte sich nicht rühren. Eine weitere Detonation riss sie fast von den Füßen und über ihm war ein Fluchen zu hören. Hier wurde es auch für die Kinder zu gefährlich. „WIR KOMMEN NICHT!“, schrie er nach oben und erntete unverständliche Blicke. Er schüttelte den Kopf. „FLIEGT ENDLICH!“ Scheinbar hatte der Pilot noch etwas gesunden Menschenverstand übrig und endlich hob das Luftschiff ab und verschwand im mittlerweile völlig verrußten Himmel. Als er sich umdrehte, sah ihn der Kerl völlig fassungslos an. „Bist du wahnsinnig?!“, fragte Fye. Durch das abwesende Motorrauschen und den Flugwind konnten sie sich nun etwas besser verständigen. „Du solltest mit, du verdammter Idiot!“ „Das ist mein Text“, erwiderte Kurogane mit einem humorlosen Grinsen. _____Kapitel 35 Ende_____ 36. Kapitel - (Exil) -------------------- //All this running around Well it’s getting me down Just give me a pain that I’m used to I don’t need to believe All the dreams you conceive You just need to achieve Something that rings true // - depeche mode Fye „Wie lange hast du noch?“, fragte Kurogane zwischen zwei Donnern. (Und er: Wortlos, leer, atemlos anhand dieser Zerstörung, die Welt aus den Fugen, Euphorie wie Phosphor ausgebrannt, Farben und Töne wie hämisches Gelächter, wie schleichendes Gift kroch Verzweiflung in ihm hoch. Weit tödlicher als alles, wovor Ashura ihn je zu beschützen behauptet hatte.) Sie saßen auf den Boden, an die Mauer gelehnt, beide nicht bereit der Zerstörung zu ihren Füßen weiter zuzusehen. Hatte Ashura kein Verteidigungssystem für einen Luftangriff oder warum gab es keine Gegenwehr? Gehörte das auch zu seinem Versprechen? Einfach all seine Bemühungen für 'Sicherheit' und 'Stabilität' zu sorgen einzustellen und Fye freie Hand zu lassen? Doch wie sollte er gegen so etwas ankommen? Er fühlte sich, als stände er wieder am Anfang. Nur älter, nur müder, nur diesmal nicht allein und er blickte den Mann neben sich an, riet: „12 Minuten...“ „Hm...“ Der Krieger riss seinen Blick vom Himmel los, musterte ihn nicht zum ersten Mal nachdenklich von oben bis unten, als könnte er es nicht glauben, oder als würde allein seine Gestalt ihm Antworten geben. „Okay...“, brachte Fye endlich heraus und versuchte seinen Ton leicht zu halten. „Worauf willst du als erstes ne' Antwort?“ „Wer sagt, dass ich jetzt noch Antworten will?“ „Warum bist du dann hier? Du bist doch nicht den ganzen Weg gekommen, nur um mit mir hier ein Pläuschchen zu halten.“ Der Krieger sah ihn an als hätte er eine unglaublich dumme Frage gestellt und Fyes Grinsen wurde zu einem ertappten, leichteren. Oh, ja, genau deswegen liebte er diesen Mann. „Ich dachte ich könnte mein Versprechen nicht halten. Doch ich kann es. Also bleibe ich.“ Fye schwieg und hielt einfach nur den Blick aus den roten Augen stand, während um sie herum sprichwörtlich die Welt unterging. „Das hast du nicht mir verspr-“ Er stockte und sein Herz schlug lauter als der Donner, als Kurogane sich zu ihm runterbeugte und vorsichtig auf die Stirn küsste. Dann eben nur noch 9 Minuten? „Kuro..gane?“ „Ich weiß es, du Idiot.“ „Du.. du weißt es? Was? Alles?“ Kurogane zuckte mit den Schultern und ein weiterer Donner erzwang eine Pause, bevor er weitersprechen konnte. „Was soll das heißen, 'alles'? Was ich weiß, kann ich mir nicht erklären, wie das überhaupt möglich sein kann. Doch dieser ominöse 'Gründer', der verdamme Magier und der Kerl, der mich die letzten Wochen wahnsinnig gemacht hat... das ist alles die selbe Person. Das bist alles du.“ Eine solche Sicherheit lag in den Worten, die Fye fast beneidenswert fand. Sprach man so, wenn man endlich nach all dem zweifeln eine Wahrheit gefunden hatte? Eine, an die man wirklich glaubte und an die man nicht nur einfach glauben wollte? „Woher-?“ „Du... eure Aura, eure Art zu sprechen, wie du mich ansiehst, was du weißt, einfach... ein Bauchgefühl. Und mir hat mal jemand gesagt, dass ich mich mehr darauf verlassen soll.“ Kurogane sah weg, als wäre ein Bauchgefühl etwas verwerfliches. „Außerdem, du hast gesagt, dass wir ohne dich weiterreisen sollen: das würde nur der verdammte Magier sagen, den wir sonst hier nirgends finden. Du hast selbst zugegeben der Gründer zu sein, obwohl ich immer noch nicht kapiere, was das sein soll... Und...du wolltest nicht vor meinen Augen umkippen, nachdem ich dich gewaltsam hier weggezerrt hätte – also weißt du, was passiert ist. Den Rest.... weiß ich einfach. Du bist zu sehr wie er... Es scheint unmöglich und verrückt und verdammt verdreht... doch das ist in dieser Welt ja irgendwie alles.“ Der Boden bebte und Fye bildete sich ein, der Wachturm würde etwas schwanken. Doch das Schlachtfeld war noch nicht bei ihnen angekommen und auch keine Phagen aufgetaucht. Fye musste Kurogane seine Annahme nicht bestätigen, es wirkte wie verschwendeter Atem. Sie schwiegen. Die Bomben schwiegen nicht. Doch hier zu sitzen fühlte sich mehr nach Leben an als all die Ewigkeit im Glasgefängnis. Am liebsten würde der nun Befreite einen tiefen Atemzug nehmen, auch wenn es Dreck und Asche war, einfach nur, weil er es konnte. Er spürte, wie sein Auge tränte von all dem Schmutz und dem Schmerz in seiner Brust, daher drückte er lieber den Ärmel an seinen Mund. „Hier...“, murmelte Kurogane und reichte ihm seinen Umhang, den er über den weißen Kittel getragen hatte. Dankbar nahm Fye ihn an und presste ein Stück davon an den Mund, atmete durch den Stoff hindurch, der die Luft etwas filterte. Durch die Bewegung waren sie ein wenig näher aneinander gerückt und nun, da er nicht mehr fürchten musste dafür eine gewischt zu bekommen, lehnte er seine Schulter etwas gegen die des anderen Mannes. „Ha... ich würde dir das gerne Kuro-gerecht erklären, so dass du nicht denkst, ich spinne total -“ „Zu spät“, bemerkte der Krieger. „ - In dieser Welt ist alles ein Teil von mir. Und... obwohl Ashura die meiste Kontrolle hatte, fand ich ab und an einen Schlupfloch. 'Fye'... also, jemand aus den Laboren – Ashura verwendet diese Menschen.... meine … hm... Kopien könnte man sagen...“ „Klone?“ „Du kennst das Wort?“ „Ich bin Wochen in dieser Welt gewesen und 'Laborerzeugnisse' ist echt zu lang.“ Fye lächelte schief. Hustete. „Durch ihn konnte ich quasi ein Teil von mir hier rausschmuggeln. Deswegen hatte er... also ich... auch keine Erinnerungen. Er war schon... er selbst, aber gleichzeitig ich... ich wollte, dass du denkst, er sei dein vermisster Reisekamerad und ihn an meiner statt mit in die nächste Welt nehmen. Es wäre schwierig gewesen, doch ich habe ihn mit einem Zauber belegt, dass es irgendwie geklappt hätte. Dann wärest du nicht wiedergekommen, du hättest keinen Grund..., weil -“ „Ich nicht gewusst hätte, dass etwas fehlt?“ „Ja. Eine ziemlich gute Lüge, selbst für mich, nicht wahr?“ _____________________________________________ Shaolan „Kehren Sie um, unsere Freunde sind noch da unten!“ „Sie wollten nicht einsteigen! Wir müssen zuschlagen bevor die Industriellen reagieren können. Wir haben alles auf diesen Angriff gesetzt. Wenn er nicht gelingt, ist es unter Todesurteil!“ „Aber da unten ist der 'Gründer'“, rief ChuNyan. Doch der Rebell sah sie nur an, als hätte er keine Ahnung wovon sie redete. „Wer?“ „Das ist jetzt auch egal“, mischte sich der Arzt ein und legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter, zog sie etwas zurück, bevor sie noch auf den Mann losging. „Wir brauchen diesen Wunderheiler nicht, schau aus dem Fenster, Kind. Wir siegen auch so.“ Völlig fassungslos wurden er und Souma von dem Mädchen angestarrt und ihre Schultern bebten beinahe vor Wut oder vor unterdrückten Tränen. „Du hast es gewusst! Du hast die ganze Zeit gewusst, dass es einen Angriff geben würde!“ __________________________________________________ Fye „Warum solch ein Trick? Hättest du nicht einfach sagen können, dass du hierbleiben willst?“, fragte Kurogane nach einer Weile, das alles offensichtlich erst mal verarbeitend. „Das habe ich“, erwiderte Fye. „Vier Mal. Du bist jedes Mal wiedergekommen, hast bei der Hexe einen weiteren Preis bezahlt.“ Kurogane verzog das Gesicht und musterte ihn, als wollte er ihm eine weitere Lüge auftischen. „Ich erinnere mich nicht daran.“ „Sag ich ja. Ich fürchte wir haben keine Zeit und ich nicht den Atem übrig dir jeden einzelnen deiner sturen Versuche auseinander nehmen.... Das auf dem Video war das zweite Mal“, fügte er nach einem Moment hinzu, bemerkte den belegten Unterton in seiner Stimme selbst und versuchte nicht weiter darüber nachzudenken. Nach all der Zeit fühlte sich die Nähe einer anderen Person so unglaublich gut an und er fast vergessen konnte, dass sie hier am Ende waren. Am Ende von allem. „Kann ich dann dir ne Frage stellen?“, fragte Fye und gab den Drang nach seinen Kopf etwas gegen Kuroganes Oberarm zu lehnen. Es stahl ihm Zeit, doch die war er gern bereit zu zahlen. Denn das hatte er doch gewollt, oder? Ende der Monotonie, Ende der Wiederholungen, Ende der Träume. Ashura wäre wenig begeistert, dass er all seine Minuten verspielte - nun auf dem Höhepunkt seiner Kraft - allein durch sinnlosen Körperkontakt, während der König selbst ihn in dieser Welt kein einziges Mal hatte wirklich berühren können. „Mach.“ „Warum bist du hier?“ „“Hier“ hier oben?“ Fye nickte. „Hab ich doch schon gesagt. Wenn du es jetzt nicht kapiert hast, kann ich dir auch nicht mehr helfen.“ „Hey, 8 Minuten!“ Kuroganes Gesicht verzog sich etwas als er das so leichtfertig sagte und sah weg. Fye tat es Leid, erinnerte sich an die Tränen, die er vorhin weggewischt hatte und nach all der Zeit noch nie bei dem anderen Mann gesehen hatte. „Ich habe es einen wichtigen Menschen versprochen“, sagte Kurogane. Ihm war schwindelig und er wusste, dass es bald zu spät war. Der Krieger sah ihn an, ballte die Fäuste und blickte dann zum Himmel. Verwundert zog er die Augenbrauen zusammen, diese Stirnfalte prominent wie eh und je, vertraut, auch mit dreckigen Gesicht noch. „Es ist ruhig...“, er stand auf und blickte auf Ohmelas, von dem vermutlich nicht mehr so viel übrig war. „Sie haben aufgehört.“ Fye zuckte mit den Schultern und sah zu ihm auf. Hoffte trotz allem, dass Ashura noch lebte und gleichzeitig, dass er von irgendeinem Stein zerquetscht oder irgendeiner Bombe verbrannt worden war. ________________________________________ Sakura Sakura sah endloses Weiß unter sich hinwegziehen. Es erinnerte sie an eine Wüste, eine endlose glitzernde Wüste aus Eis. Ihr selbst war warm, so als brannte das Feuer Omehlas direkt auf ihrer Haut und obwohl verklungen, betäubte der Nachklang der Gefühles des Chaos und der Trauer und der Zerstörung immer noch alles in ihr. Alles hier wirkte so unglaublich leblos und gleichzeitig unsagbar lebendig. Sie konnte es nicht fassen. Es gab keine Geister, es gab kein Grün und auch bei ihrem letzten Versuch hatte Mokona Yuuko-san nicht erreichen können. Shaolan redete mit den Soldaten, ChuNyan war auch verschwunden und Kurogane und Fyes Ebenbild hatten sie in Omehlas zurückgelassen. Sie hatte sich noch nie so hilflos gefühlt. _____________________ Fye „Als ich nach Ceres zurückkehrte, war alles zerstört...“, sagte Fye. „Es gibt diesen Mythos... in Ceres... wenn die Welt stirbt, dann... entsteht im Zentrum der Magie ein Traum, ein Minikosmos, in dem all die Erinnerungen und Lebensfunken existieren können, die... Essenz. Magie... auch Lebensenergie.. ihr ist es egal, in welcher Art Realität sie fließt. Bis es besser wird... ein Exil sozusagen. Oder ein Winterschlaf.“ Wind fuhr über seine feuchte Stirn, der atmende Körper neben ihm, der harte Stein, der durch seinen Anzug kroch und der kühle Wind, der Zeit aus seinen Lungen wehte, ticktock ticktock. Lautsprecherrauschen gleich, hart wie Glas, warm wie die Flüssigkeit, die ihn in den Schlaf zwang, schlug sein Herz. Nur echter, nur brutaler, nur schöner. „Doch dieser Zauber braucht unglaublich viel Energie.... Weißt du, was im ganzen Kosmos die stärkste Energie hat, die größte Macht, das meiste Potenzial?“ Kurogane schüttelte den Kopf, er spürte es an seiner Schulter und der Magier schmiegte sich mehr in den Umhang, der noch zu seinen Knien lag und wunderbar nach dem anderen Mann roch. „Sterbende Dinge. Menschen und Tiere sammeln kurz vor ihrem Tod noch einmal all die letzte Energie und tun Dinge, zu denen sie eigentlich keine Kraft mehr haben sollten. Sterne, bevor sie sterben... explodieren sie, geben so immens viel Energie von sich, sodass alles in ihrer Umgebung verbrennt.“ „Das war dein Preis? Ich dachte man könnte keine Preise zahlen, das Leben betreffen.“ „Bei der Hexe nicht“, korrigierte Fye. „Dieser Zauber liegt in der Natur des Landes Ceres selbst, ist also an sich schon ein Naturgesetz.“ Kurz blickte er zu Kurogane, um sicher zu gehen, dass der andere Mann ihm noch folgen konnte. Ihre Welten und Verständnis von Magie waren so unterschiedlich, dass es selbst auf ihren Reisen immer wieder zu Missverständnisse gekommen war. „Doch Ashura hat meinen Zauber unterbrochen, ihn manipuliert. Es gelang ihm diese Energie in einem weiteren Zauber einzufangen, kurz bevor sie verbraucht war. Genug um diesen Traum zu erschaffen, genug, um mich am 'Leben' zu halten. Eine Supernova stoppen, könnte man sagen... Ziemlich beeindruckend, so gesehen.“ Er wusste nicht, was das noch bringen sollte, doch er wollte dass Kurogane verstand, was diese 'Welt' hier war, was passiert war und warum er all das getan hatte. Er wollte, dass Kurogane die Wahrheit wusste, ihn einmal – das letzte Mal – nicht täuschen und manipulieren. Denn das hatte ja bisher so viel gebracht... Selbst Lügner und Feiglinge brachten also am Ende etwas Rückrad auf und so viel wie Kurogane gezahlt hatte und so oft wie er ihn nicht aufgegeben hatte... Fye schuldete ihm Antworten. Tausendmal. „Und seit dem holt er mich immer wieder von der Explosion fort, hält mich am Leben. Doch der Traum ist… er ist unvollständig. Zu sehr mit mir verbunden... ganz Styrax-City sieht aus wie ein Sammelsurium unserer Reisen und selbst den Namen dieser ganzen 'Welt' - Niaoulli - habe ich aus einem Kräuterbuch in Oto. Alles kommt durcheinander, weil ich nicht nur diesen Traum aufrecht erhalte, sondern auch noch meine eigenen Träume träume. Mein Bewusstsein und meine Erinnerungen sollten nicht in den Zauber gewoben werden… Und die Magie... die weiß, dass sie nicht so fließt, wie sie fließen soll und wendet sich gegen die Menschen hier. Sie weiß, dass ihr ein Preis vorenthalten worden ist. Im Endeffekt habe ich nur weiteres Leid für die Menschen von Ceres verursacht.“ Kurogane kniete sich vor ihn, die Stille war so perfekt und Fye wünschte, er könnte sich dazu bringen sein Auge zu öffnen und ihn anzusehen. Doch er wusste nicht, ob er es wirklich sehen wollte. „Das ist bescheuert.“ Fye riss nun doch sein Auge auf, und sah den Mann vor sich etwas wütend an. „Aha? Und was ist deine Expertenmeinung dazu?“ „Ich kapier nichts von Magie, ich weiß gar nichts über Ceres – doch eigentlich ist doch dieser Ashura-Typ Schuld, dass es jetzt so ist, wie es ist, oder? Und die Leute hier, du hast sie doch nicht gezwungen Dinge in die Luft zu jagen.“ „Ceres war ein friedliches Land! Es hätte so wieder werden sollen!“, Fye wäre am liebsten aufgesprungen, um auf und ab zu gehen. Irgendwie das Gefühl loszuwerden, welches gerade in ihm hochkroch. All die Jahre in Träumen, in denen er gesehen hatte, was in diesem Land passierte.... sich immer noch einredete, dass es besser als Nichts war... fast schon die Hoffnung aufgegeben hatte, jemals diesen Zauber beenden zu können. Selbst gar nicht mehr wusste, ob es das alles wert war. Einfach nur müde war und angefüllt von Wünschen, die ihn nicht allein ließen, immer wieder in diese Welt zurückkamen und ihn vor eine Wahl stellte, die er einfach nicht hatte! „Und wie kam es dann, dass deine Welt starb?! Zu viel Harmonie?“ Schweigen. Er wollte sich nicht daran erinnern, also gab er Kurogane einfach keine Antwort. „Was auch immer... Was auch immer.... okay. Deine Welt war tot und du hast versucht sie wiederzubeleben, kapier ich das richtig?“, lenkte Kurogane ein. Fye nickte. „Indem du denen, die eigentlich schon tot waren, eine Illusion vorspieltest, dass sie noch leben, weil ihre Erinnerungen und so nen Kram immer noch in ein paar magischen Steinen schlummerte?“ Fye zuckte mit den Schultern, zu erschöpft, um wirklich eingeschnappt zu sein, dass Kurogane mit seinem magischen Laienwissen über ihn urteilte. Kurogane griff nach seine Umhang, suchte seine Hände dort und hielt sie fest, verleitete ihn dadurch ihn doch irgendwie anzusehen. „Also... noch mehr zusammengefasst.... du hast das einzig noch Lebendige in Ceres genommen, dich, und versucht es umzubringen, um eine Illusion zu erschaffen. Das ist es, was ich mit bescheuert meine.“ „Eine Illusion mit Leben, FÜR Leben!“ „Ein Traum.“ „Du hast wirklich nicht genug Ahnung von Magie, um das zu kapieren!“ Der Krieger seufze und schüttelte den Kopf, doch mit einem sanften Lächeln, das Fye wirklich überraschte. Ohne etwas zu sagen, setzte er sich wieder neben ihm, sah in den Himmel, der sich langsam wieder klärte. „Ich würde das selbe tun, wenn ich dafür meine zerstörte Heimat wieder zurückholen könnte...“, sagte er leise. „Doch es geht nicht... man kann nur lebende Menschen beschützen.“ „Ich-“ „Ich will kurz vor dem Ende nicht mit dir streiten, du Idiot. Du kannst ja kaum vernünftig atmen.“ __________________Kapitel 36 Ende______ Kommentar: So, nun die Fortsetzung. Sorry, dass es wieder was gedauert hat. Doch meine Betas und ich sind momentan ziemlich im Stress. Jedoch ist alles schon geschrieben, auch das Ende und der Prolog. Feedback ist natürlich gerne gesehen. Copyright: Selbstredend ist der Status quo noch gegen, ich habe keine Rechte an TRC und auch nicht an den Lyrics und mache kein Geld mit dieser FF. 37. Kapitel - (Jenseits des Traums) ----------------------------------- Kommentar: Dies ist nun das letzte Kapitel. Es wird noch einen Epilog geben. Doch hiermit ist sie endlich fertig, meine kleine Geschichte, die ich über die Jahre hinweg geschrieben habe und die mir daher sehr ans Herz gewachsen ist! Es war ein Akt alle Fäden wieder zusammen zu bekommen, doch letztendlich bin ich recht zufrieden, so wie es gelaufen ist. Ich hoffe alle, die suchen, finden ihre Antworten – vielen Dank an alle, die bis hier hin mitgelesen haben! Auch danke an meine Betas, die vergangenen und die für dieses Kapitel und den Epilog, nämlich N. und I., die mir auch mit ihren Feedback immer Motivation gegeben haben weiterzuschreiben. @ Lady Ocean: Dein letzter Kommentar hat mich inspiriert doch noch ein wenig Ashura+Fye Vergangenheit reinzunehmen. Ich hatte diese Geschichte lange konzipiert, bevor Fyes Vergangenheit im Manga klar wurde (also schon vor Ewigkeiten) und daher ist meine Version der Ereignisse leicht anders. Aber nun, viel Spaß! Feedback ist natürlich immer erwünscht! ______________________________________________________ Kapitel 37 – Jenseits des Traums Es gibt eine Legende in diesem Land. Ein Märchen fast. Dass in Zeiten des Todes und der Kälte - wenn selbst die Magie, diese alles durchdringende Lebenskraft, verwelkt wie der letzte Samen unter der Eisschicht eines ewigen Winters - ein Traum entsteht. Ein Traum, eine Welt, ein Exil: Und dort schlummert alles, schlummert und wächst und erholt sich und die Bewegung beginnt von Neuem; im Kleinen, doch nicht minder mächtig, nicht minder echt. Dies ist eine Legende in einem Land voller Legenden. Voll vieler harter dunkler Winterstunden, in der man sich solche Geschichten erzählt. Eisiger Boden und kurze Sommer, in der die Magie so existenziell für das Überleben der Menschen ist, sodass sie natürlich auch die Hoffnung in letzter Stunde darstellt. Was erwartet man anderes in einem Land, in dem die Götter und Geister unter einem eisigen Ozean schlafen und schlafen, ewig schlafen? Und natürlich hört sie auch ein Kind von einem Mann. Das Kind wird später mal, viel später, ein mächtiger Magier sein und der Mann einmal ein verrückter König. Doch jetzt sind sie nur ein Geschichtenerzähler und ein Träumer an einem Feuer und draußen vor den Fenstern hört man kein anderes Geräusch als das Rauschen des Schneesturms. __________________________________ Und es gibt einen Reisenden und viele Preise zu zahlen. Doch es gibt ein Geheimnis hinter den Preisen und nun wird es verraten: Wenn wir auf die Welt kommen, haben wir nichts zu geben. Keinen Preis, den wir zahlen könnten. Wie kommt es dann, dass wir dennoch irgendwann zahlen, brennen, verlieren? Es liegt daran, dass wir bekommen, schöpfen, bauen und gewinnen. Doch das wusste das Kind, mittlerweile ein Mann, nicht, als er zurück kam und nur Trümmer und Blut vorfand. Berge von Trümmern, Flüsse von Blut. Wie in Sagen und Mythen, nur echt, nur jenseits von Lagerfeuern und Schaudern – nein. Und er ging hin und zahlte den Preis. __________________________________ Und es gibt einen anderen Reisenden, angefüllt von unbeantworteten Fragen und Groll und Blut und Erinnerungen an Trümmer. Berge von Trümmern, Flüsse von Blut. Wie in Sagen und Mythen, nur echt, nur jenseits von allem, was er als Kind fassen konnte. Und es gab keinen Preis zu zahlen, der all das rückgängig hätte machen können. __________________________________ Und der Geschichtenerzähler versuchte seinen Fehler wieder gut zu machen, indem er das letzte beschützte, was er noch nicht verdorben hatte – und verfehlte sein Ziel. Und der Magier versuchte dessen Fehler gut zu machen, indem er das beschütze, was noch übriggeblieben war – und verfehlte sein Ziel. Und der andere Reisende versuchte... _________________________________ Und nun waren sie hier und kein Mythos und kein Märchen erklärte so genau, was man tun musste, wenn es niemanden mit guten Ratschlägen, keine gütigen Götter und keine Geschichten mehr gab, an die man glauben konnte. Denn für den Krieger, also das Kind, das erwachsen geworden war, war es fast beängstigend wie ruhig es auf einmal war: Die Flugschiffe waren verschwunden und überraschenderweise war der Turm unter ihnen noch nicht zusammengebrochen, obwohl die Villa – oder besser gesagt das Schloss – getroffen worden war. In der Luft tanzten noch einzelne Aschepartikel, hatten sich auch in seinen Kleidern und Haaren verfangen. Doch ansonsten wirkte es fast friedlich, selbst der Himmel klärte sich langsam auf und der Sonnenstand ließ auf Nachmittag schließen. Fye saß neben ihm (der verdammte Magier/ diese 'Gründer-Märchengestalt'/ die Essenz dessen, was nun von einem Mädchens namens Chi bewacht irgendwo lag und die dunklen Spuren am Hals - vielleicht, vielleicht auch nicht - noch trug) und murmelte irgendwelche Zauberformeln vor sich hin. Abwesend blickte Kurogane auf das blaue Licht, das sich an seinen Fingerspitzen sammelte. „Wenn du mich wegschickst, dann komme ich wieder“, warnte er den Magier. „Ich meine es ernst, ich finde einen Weg.“ „Wenn du hiernach wiederkommst, bin ich tot...“ „Hat dich bei Ceres auch von nichts abgehalten...“ „Kuro-sama. Ich weiß nicht, was passiert, wenn der Zauber zusammenbricht. Ich würde es lieber nicht riskieren. Außerdem, auch mit Essenz... Wenn du dich nicht an dieses Gespräch erinnerst, dann wirst du nie kapieren, was ich dir sagen will.“ „Dann Herzlichen Glückwunsch, ich habe es scheinbar immer noch nicht kapiert.“ Dass er die Essenz irgendwo verloren hatte, gestand er lieber nicht, sonst würde ihm der verdammte Magier auf jeden Fall sonst-wo-hin zaubern. „Du kannst mich nicht retten. Selbst wenn ich wollte, du kannst es nicht. Akzeptier das endlich“, bemerkte Fye fast kalt und gleichzeitig unsagbar sanft. Das Geschenk der Ehrlichkeit hart und kostbar zugleich. Wenn es nicht eine Lüge war. „Und du hast bei weitem nicht mehr genug Kraft, um zwei Zauber zu wirken. Ich mag nicht viel Ahnung von Magie haben, aber bin nicht ganz bescheuert!“ Fye sah ihn nur an. Älter, kälter, müder als der Mann, das Ebenbild, mit dem Kurogane die letzten Wochen zusammen gewesen war. Aber das war nur fair, denn Kurogane ging es genauso. Doch sie waren auch realer, klarer und Fye lehnte sich etwas an ihn, neigte sein Gesicht etwas näher, trotz der abweisenden Worte. Versuchte ihm dennoch Antworten zu geben und Kurogane ging nicht weg, stand nicht auf, schrie nicht rum, weil er wusste, dass Fye auf seine Art versuchte ihn zu beschützen. Nur ob das ihnen am Ende noch irgendetwas brachte, war fraglich. Er wünschte dennoch, er könnte etwas tun. Irgendeine Lösung finden. Wenn es nur eine einzige Möglichkeit, auch nur eine Chance gab.... doch ohne Stärke, kein Preis, keine Wunscherfüllung. Und all dieses Wünschen war eh sinnlos, wenn man nichts tun konnte. Doch selbst wenn ihm etwas einfiele, Fye würde ihn nicht lassen. Würde sich nicht gegen seinen Willen hier raus zerren lassen. Er hatte nicht ganz kapiert was es mit diesem Hokuspokus auf sich hatte, doch WAS er kapierte, war, dass es Fye das Leben kostete und die Alternative war ihn irgendwo einzusperren, wie es dieser Tyrann getan hatte. Es sah so aus als hätte er endlich seine Schlacht gefunden, in der er nicht siegen konnte: Es war nicht Ashura, es war Fye. Sie wurde nicht mit Schwertern ausgetragen, sondern mit ausharren. Der Magier murmelte weiter seinen ominösen Spruch und Kurogane starrte weiter in den Himmel, wartete die Sekunden, Minuten, ab. Wusste nicht, was er fühlen würde, wenn er diesen Idioten ein zweites (drittes? viertes? fünftes? Letztes.) Mal verlor. „Was passiert mit Sakura und Shaolan?“, fiel Kurogane plötzlich ein. „Du denkst doch nicht ernsthaft sie würden ohne uns diese Welt verlassen? Mokona kann auch gar nicht.“ „Sie sind weit genug weg und nicht Teil von Ceres. Sie werden einfach aufwachen. Was für dich nicht gilt, du bist zu nah...“ Ein Seufzen. „Geh und komm nicht wieder“, versuchte es Fye noch mal, diesmal sanfter. „Nein.“ „Ach, Kuro-sama, gib dir ne Chance, du wirst dich neu verlieben.“ „Hier geht es nicht um Liebe, du Idiot!“, entfuhr es ihm. Wie konnte Fye es wagen all dieses Chaos von Wochen, Monaten, vielleicht Jahren einfach so auf diesen simplen Begriff runter zu brechen? „Hier geht es darum, wer wir sind. Du bist ein Idiot, der nicht loslassen kann und ich bin ein Idiot, der nicht loslassen kann. Und weißt du, ich will es verdammt noch mal auch nicht! Weil ich so viel verloren habe, mir so viel aus den Händen gerissen wurde und ich gerade erst lerne wie man wirklich jemanden beschützen kann und dennoch ich sitze hier und schaue dir beim Sterben zu!“ Kurogane schüttelte den Kopf, kurz davor auch diesen verdammten Kerl zu schütteln, bis er es kapierte, bis er es endlich kapierte! Statt dessen schloss er die Augen, schwieg und auch Fye antwortete nichts mehr. Denn eigentlich konnte er Fye nichts entgegen setzen. Die ganze Zeit war er weggelaufen, und nun da er blieb und Verantwortung für etwas übernahm...wollte Kurogane seine ganzen Worte beinahe zurücknehmen, die er ihm über 'nicht Weglaufen' eingebläut hatte. Aber nur fast. Der Wind, die Höhe und die Stille erinnerte ihn an ein ganz ähnliches Gespräch, auf einem Hochhaus, nach einem ähnlichen Streit. Dieser verdammte Kerl, wie er am Abgrund stand und ihn mit einem Grinsen fragte, ob er mit ihm springen würde. Mit dem einzigen Unterschied, dass Fye diesmal wirklich sterben würde und nicht mal die Hand nach Kurogane ausstreckte. Selbst wenn, wie sollte Kurogane für eine 'sichere Landung' sorgen? Arrogantes Geschwätz, all das, was er jene Nacht gesagt hatte. „Damals auf dem Hochhaus...“, drückte Kurogane seine Gedanken aus -denn ernsthaft, was zähle sein Stolz und seine Verlegenheit jetzt noch? „Du hast nicht nur gesagt, dass ich mit dir springen soll, du hast gesagt, dass ich mit dir springen soll, wenn ich dir vertraue.“ „Ja, aber diese Version von mir dachte, ich könnte hier noch irgendwie weg. Mit dir.“ Er schloss die Augen. Erinnerte sich an ihren Streit, an das bezwingende Gefühl als er erfuhr, dass Fye den Hain vorzog statt mit ihnen weiterzureisen. Verrückt wie ähnlich die Situation nun war, wie ein Spiegel, wie eine Wiederholung. Er erinnerte sich an die zwei Monde, an die Lichter der Stadt, an die Wärme und all die Geräusche, zwischen denen sie sich ein Kokon aus Schweigen geschaffen hatten. In dem es nur ihren Atem und ihre Hände und all das zerbrechliche Vertrauen gab, um das sie zuvor gerungen hatten. „Ich vertraue dir. Doch ich weiß nicht wie ich für die Landung sorgen soll“, sagte er, ohne dass er es wollte. Fye sah zu ihm auf und lächelte und das war es fast wert hier zu sitzen und all die Hilflosigkeit auszuhalten. „Und ich liebe dich und weiß nicht mal, wie ich springen soll.“ „Kannst du den Zauber überhaupt noch korrigieren?“ „Ich.. kann es versuchen.. “, kam die müde Antwort und ein blaues Auge schloss sich, nahm die Farbe aus dem blassen, müden Gesicht voller Staub und Schmutz. Es veranlasste ihn Fye samt Umhang zu sich zu ziehen, das Gesicht in seinem Haar. Fye lehnte sich an ihn, schien fast in ihn versinken zu wollen. „Willst du das überhaupt?“ Fyes Schweigen war Antwort genug. ____________________________________ Es schien als würden sie schon ewig über all das Weiß fliegen und Shaolan wunderte sich, dass sie nicht schon längst Styrax-City erreicht hatten. Zu Fuß war es eine Tagesreise und statt schweren Maschinenteilen befanden sich nur einige Menschen auf dem Flugschiff. Er hatte versucht die Rebellen zur Umkehr zu bewegen, doch er war nur auf taube Ohren gestoßen. Dr.Kyle hatte die schreiende und anklagende ChuNyan kurzerhand mit einem Sedativum ausgeschaltet und Shaolan traute sich nicht so recht den beiden Erwachsenen gegenüberzutreten. Den Menschen, die ihnen Unterkunft gewährt und mit denen sie über eine Woche lang gelebt hatten. Nicht mit einem Schwert an seiner Seite, mit dem er noch nicht recht gelernt hatte, zwischen Recht und Unrecht zu unterscheiden. Stattdessen wand er sich lieber seiner Prinzessin zu, die schon seit Ewigkeiten durch das Bullauge nach draußen starrte. „Diese Welt ist wirklich endlos...“, flüsterte sie und tastet nach seiner Hand. Er ergriff sie und hielt sie fest. Sie war ganz kalt und ihr Gesicht war etwas aufgequollen durch die Tränen. „Keine Sorge, Kurogane-san ist stark. Er wird sicher auch den Gründer beschützen und dann... dann sehen wir weiter. Suchen Fye.“ Sie sah ihn an als wollte sie ihn korrigieren, doch dann schüttelte sie den Kopf und sah wieder nach draußen. Urplötzlich wurde es still um sie und das Schiff sank langsam ab. Shaolan sah sich um, um anhand der Reaktionen der Anderen herauszufinden, was los war, doch erschrocken stellt er fest: Niemand war hier. Vor ein paar Sekunden war alles noch in reger Betriebsamkeit gewesen, doch nicht mal mehr ChuNyans bewusstloser Körper lag auf dem Boden, noch waren die anderen Hainbewohner und Rebellen zu sehen. Er lief ins Cockpit, blinkende Lichter, keine Menschen. Unsicher betrachtete er die Flugkonsole, versuchte rationale Lösungen zu finden. Waren sie alle während dem Flug abgesprungen (doch das hätten sie gemerkt)? Gab es ein Dimensionstor (doch das hätte Mokona bemerkt)? Besagtes Zauberwesen traute sich in diesem Moment auch aus seinem Umhang hervor, blickte sich einmal um und flüsterte dann zu ihm: „Können wir jetzt Fye und Kurogane retten?“ Sakura lächelte und es schien ihm als wäre es seit Tagen das erste Mal. „Ja, Moko-chan, scheinbar wird uns jetzt niemand mehr davon abhalten.“ ______________________ Kurogane spürte wie Fye flacher und unregelmäßiger atmete. Er war ohnmächtig geworden. Der Wind wehte immer noch um sie herum und in der Ferne konnte er das Zischen von Feuer hören, das ihn daran hinderte die Augen zu schließen, um nicht in die Vergangenheit zurückversetzt zu werden. Oder in ein Lagerhaus, in eine dunkle Kiste mit der Angst einen Puls zu verlieren. Seine Hand wanderte zu dem kühlen Hals, ertastete den Rhythmus dort. Um sich herum konnte er bisher keine Veränderung feststellen. War der Idiot ohnmächtig geworden, bevor er irgendeinen Zauber beenden konnte? Ein Teil von ihm war froh, dass er ihn nicht wegteleportiert hatte, ein anderer fürchtete sich vor dem Moment, an dem auch dieser Körper endgültig leblos werden würde. Oder musste Fye erst sterben, damit der Zauber seine Wirkung entfaltete? Und dann? Dann war diese verrückte Welt perfekt, eine Welt, in der es kein richtiges Leben gab und ein Haufen Geister sich bekriegten? Doch es war nicht an ihm zu urteilen, es war auch sinnlos zu urteilen. Es war das, was Fye gewollt hatte. Ein Surren in der Luft ließ ihn nach oben blicken und da war ein grauer Fleck am Himmel, der sich gerade wieder klärte. Der Fleck kam näher und Kurogane erkannte es als Flugschiff. Hatten die Hainleute doch beschlossen ihren Gründer zu holen oder war der Angriff vorbei und sie versuchten noch irgendjemanden zu bergen? Der Landeanflug war etwas wackelig, das Schiff sank zu schnell ab und riss ein Stück der Mauer mit. Vorsichtshalber sprang er auf, lehnte den bewusstlosen Körper an seine Schulter und beobachtete wie das graue Transportschiff stockend wieder an Höhe gewann, sich die Luke öffnete und tatsächlich Shaolan ihnen die Hand entgegenstreckte. „Kurogane-san!“ Kurogane schüttelte fast automatisch den Kopf. Er konnte hier nicht weg und ärgerte sich über den Jungen. Gut, er konnte es nicht wissen, doch er gefährdete sie alle! Was wenn Fye jetzt starb und der Zauber wirkte und zu nem' verfluchten explodierenden Stern wurde (oder was auch immer) und somit auch die Prinzessin und den Bengel mitriss? „Alle Anderen sind verschwunden!“, rief ihn der Junge zu. „Sie sind einfach verschwunden, all die Rebellen und die Hainleute, selbst Styrax-City! Irgendetwas ist passiert, Kurogane-san!“ Oh ja, irgendetwas war passiert. Unschlüssig sah der Krieger auf den bewusstlosen 'Gründer' in seinen Armen, dann fiel sein Blick auf das zerstörte Omehlas. Die von EX installierten Schutzkreise waren zusammengebrochen und das, was er eine ganze Weile für Asche gehalten hatte, war grau gefärbter Schnee, der Stück für Stück sein Territorium zurückeroberte. Nun, was immer Fye auch getan hatte: Das taube Gefühl in seinem Kopf war endlich verschwunden und damit zog sich auch das beklemmende Gefühl zurück, das ihn in dieser Welt stets begleitet hatte. „Kann dieser verdammte Hase uns in einer andere Welt bringen?“ Shaolans Gesicht verschwand ein paar Sekunden aus der Luke, dann tauchte er wider auf und rief: „Ja, jederzeit.“ „Dann soll es das tun!“ „Aber was ist mit Fye-san? Und dem Gründer?“ Es sah so aus als wäre der Idiot tatsächlich gesprungen und nun war es an Kurogane für die Landung zu sorgen. Keine Ahnung wie. „Fye ist okay!“ Er griff nach Shaolans Hand und zog sich mit dessen Hilfe und Fye immer noch in festen Griff ins Flugschiff. _________________________________________________ Sakura lugte immer wieder durch die Scheiben des Cockpits nach ihren Reisekameraden, während sie irgendwie versuchte das Schiff gleichmäßig in der Luft zu halten. Das letzte, was sie jetzt noch sehen wollte, war, wie Shaolan aus der offenen Luke flog. Oder dass sich der Krieger wieder weigern würde mitzukommen. Ihr Kopf schmerzte etwas, doch das kam vermutlich vom ganzen Weinen. Alles in allem war ihr, als wäre ihr endlich eine schwere Last von ihrer Brust genommen worden. Als endlich alle an Bord waren, zog sie den Steuerknüppel zu sich und das Transportschiff schoss nach oben. _________________________________________________ In einem ganz anderen Traum saß er mit dem verdammten Magier in einer Stadt, die völlig von weißer Asche überzogen war. Es war ruhig und sie hatten es sich am höchsten Punkt, auf dem Dach eines Hochhauses, gemütlich gemacht. Fye ließ die Beine baumeln und Kurogane sah auf das verworrene Gassensystem Ruvals. „Das ist also deine Welt? So wie sie wirklich aussieht?“ „Vielleicht zeig ich sie dir mal in echt“, sagte Fye. „Vielleicht landen wir auf unseren Reisen mal da. Vielleicht schläft Ashura-ou dann oder träumt seinen eigenen Traum.“ Es war vollkommen still. Kein Wind. Nur ihr Atem, als wäre selbst die Zeit hier gestorben. „Was ist mit den Menschen? Den Hainleuten? Ashura?“ „Ashura ist Traumseher... er war nie wirklich Teil des Zaubers. Die anderen Bewohner von Ceres sind längst tot, sind Magie. Ich bin kein Gründer mehr.“ „Ah.“ „Hast du ein schlechtes Gewissen?“ „Man macht sich nur selbst verrückt, wenn man sich für alles die Schuld gibt, in einer Welt, die jemand anderes beeinflusst...Man kann nur tun, was man für richtig hält. Und das habe ich getan. Das hast du auch getan, Fye. Die Erschaffung dieses 'Traums', als auch seine Zerstörung.“ „Ich dachte stets, ich könnte es auch so besser machen. Einfach nur, indem ich es so wollte.“ „Du kannst nicht erzwingen, was du fühlst und bist.“ Es war völlig windstill und sein Kopf klar, angefüllt mit Dingen, die endlich etwas Sinn ergaben. „Im Endeffekt war es doch Ashuras Wahnsinn, der uns alle in diese Situation gebracht hat. Wie ein Dämon.“ Fye schüttelte den Kopf. „Er hat nur versucht seine Fehler wieder gut zu machen.“ Kurogane sah den Mann vor sich an und blickte dann in den Abgrund. „Danke.“ „Für was?“ „Für's springen.“ Der Magier grinste ihn an und sah nach oben, wo hinter einem Haufen Asche-Schnee vielleicht die Sonne verborgen war. Es war nicht mehr an ihm das zu beeinflussen. „Willst du jetzt einen Dank für die gelungene Landung?“ Kurogane erwiderte das Lächeln. „Wir sind doch noch gar nicht gelandet.“ „Wenn wir aufwachen, dann sag ich danke.“ ____Ende Kapitel 37____ Kommentar: Rechte für TRC auch hier nicht bei mir. Kein Geld wurde hiermit verdient und so weiter und sofort. Epilog: Epilog - (1-3) ---------------------- Epilog 1 Nebel um ihn herum. Sonst nichts als Rauschen. Meeresrauschen? Schneesturmrauschen? Oder war es nur das Blut in seinen Ohren? Stück für Stück verlor das Weiß um ihn herum seine Konsistenz und er erkannte die Hexe der Dimensionen. Schon wieder also. Statt eines mitleidigen Lächelns empfing sie ihn mit einem zynisch amüsierten Funkeln in den Augen, das machte sie ihm fast sympathisch. „Du kannst nicht wieder 'dorthin' weiterreisen. Du hast nichts wertvolles mehr, was du als Preis zahlen könntest.“ Ja, das wusste er. Obwohl er sich nicht erinnern konnte, was die anderen Preise gewesen waren oder das wievielte Mal er schon hier aufschlug. Er spürte es an dem leeren Gefühl in seiner Brust. Und seinen leeren Händen, seinem dröhnenden Kopf, an dem nagenden Gefühl... schon wieder... schon wieder etwas übersehen zu haben. Er bemerkte, dass er schwer atmete, als hätte er einen Kampf oder einen Lauf hinter sich – jeder seiner Knochen tat weh und er spürte leichte Verbrennungen von Eis in seinem Gesicht und an seinen Händen. „Wenn du jedoch etwas riskierst, was mehr wert ist, als das, was du dir wünschst und du die Wette gewinnst, bekommst du den Preis ohne Gegenleistung“, sprach sie weiter. “Etwas, was mir mehr wert ist als das?“ Gott, er wünschte, er würde sich noch fragen können, ob der verdammte Idiot das wirklich wert war. Er wünschte sich, er wäre wirklich noch an einem Punkt, an dem diese eine Sache nicht alles entscheiden würde. Doch er war es nicht. Und er war nicht bereit, sich so was bescheuertes wie Erinnerungsverlust von der Halsabschneiderin zu wünschen, um damit das Problem 'aus der Welt' zu schaffen. Wie gut das funktionierte, sah er fast jeden Tag an Sakura und Shaolan. „Ja, aber deine 'Zeit' mit ihm ist nicht genug, ich fordere noch etwas anderes.“ „Dann setz' ich zusätzlich mein Leben.“ Sie schwieg und er wartete. Müde und ungeduldig. „Das ist beeindruckend, aber dein Leben reicht nicht.“ „Warum, verdammt noch mal!?“, brüllte er frustriert. „Es ist nicht das, was dir wichtig ist.“ „Natürlich ist es das, sonst würde ich hier nicht stehen!“ Er hatte schon so oft Hals und Kragen riskiert, doch für sich selbst, für Tomoyo, für all das, was sein Leben ausmachte. Natürlich war ihm sein Leben wichtig, verdammt noch mal! Er machte das alles, um zu leben! Klar, dass sie das nicht kapierte. Doch sie schien schon weiter zu kalkulieren, wie sie ihm am Besten das letzte Hemd abnehmen konnte. “Hm...“, nachdenklich legte sich die Hexe einen Finger auf die Wange, “Ich verlange folgendes: Wenn du versagst, wirst du ihn nicht von seinem Schicksal bewaren. Auch wenn du daneben stehst und es könntest. Das ist meine Bedingung und ich lasse nicht mit mir handeln.“ Er starrte sie an und versuchte daraus irgendwie einen Sinn zu machen. Also er konnte nach Ceres zurück, aber wenn er Fye wieder nicht mitnehmen konnte, dann musste er Fye seinem Schicksal überlassen? Auch wenn er es ändern könnte? Was zur Hölle? Sein Blick fiel auf seine blutigen Hände. „Du kannst immer noch gehen“, bemerkte die Hexe. „Was bringt dir dieser Preis?“ Dass sie überhaupt so eine ominöse Wette mit ihm einging... Hieß das, sie umging damit die Tatsache, dass er nichts mehr zu zahlen hatte? „Das ist etwas, was du nicht verstehen kannst.“ Natürlich nicht. Er hörte den Spruch in letzter Zeit wirklich viel zu oft, vor allem von Fye. „Also, akzeptierst du die Bedingungen, oder nicht?“ Allmählich straffte er die Schultern und blickte ihr entschlossen, fast etwas abfällig, ins Gesicht. „Ich nehme an!“ _______________________ Epilog 2 Yuukos Garten war voller Eisblumen. Sie hatte es stets nur durch Mokonas Mund hindurch gesehen, doch der Hexe Geschäft bestand tatsächlich aus einem alten flachen Haus, mit wackeligen Gartentor und einem kleinen Teich voller gold-rot-weißer Fische. Es war zu warm für Schnee, doch so früh an diesem Morgen hatte der Tau sich verwandelt. In etwas glitzerndes, festes - ein knirschender Garten für noch wenige Minuten, bevor der Morgen die Blüten wieder freigab. Die Erwachsenen schliefen und auch Shaolan waren nach einer Weile die Augen zugefallen. Sie hatten fast die ganze Nacht darüber geredet, was in der letzten Welt geschehen war. Hatten an ihre Freunde und die Bomben gedacht und all die verwirrenden Gefühle und Eindrücke. Sie pflückte eine weitere Blume, die rau und gar nicht kalt unter ihren Fingerspitzen war. Sie wusste nicht genau, was geschehen war, doch sie hatte beschlossen einen kleinen Totenaltar zu schmücken, für all die Menschen in Niaoulli. Doch ihre Reisegruppe war endlich wieder vollständig und morgen früh würden sie wieder aufbrechen. Das war alles, was gerade zählte. ________________________ Epilog 3 Als er die Augen öffnete, hatte er das Gefühl sehr, sehr lang geschlafen zu haben. Ein wirrer Traum hing ihm noch nach. Jemand atmete gegen sein Gesicht und als er sich etwas bewegte, blickte ihn ein himmelblaues Auge an, ein nachdenklicher Ausdruck darin. Scheinbar war der verdammte Magier schon eine ganze Weile wach. Es war warm und weich und sicher in dem großen Bett, mit dem schwarzen Baldachin über ihnen und der von Räucheressenzen geschwängerten Luft. Kurogane erinnerte sich schwach, wie sie am Vortag (mal wieder) in Yuukos Garten gelandet waren. Doch diesmal brauchten sie keine Wünsche erfüllt, außer ein sicheres Bett für eine Nacht. Vorsichtig hob Kurogane seinen Arm und strich dem Idioten ein paar blonde Strähnen aus dem Gesicht. „Ich glaub ich hab ne Wette gewonnen.“ Fye sah ihn fragend an, doch scheinbar bestand er nicht auf die Antwort, oder brauchte noch mehr Zeit. Sie lagen nah an nah und Kurogane war auch recht zufrieden weiterhin ihren Atem zu teilen. „Eigentlich sollte ich sauer auf dich sein“, bemerkte Fye nach einer ganzen Weile. „Aber irgendwie bin ich es nicht.“ „Du wirst noch genug Gründe haben“, antwortete der Krieger mit einem Grinsen und wollte sich aufrichten, nicht bereit nach dieser sehr anstrengenden Träumerei gleich wieder einen Streit vom Zaun zu brechen. Doch Fyes Hand an seinem Arm hielt ihn davon ab. Hände fuhren zu seinen Ohren und legten sich darauf und unbewusst lehnte sich der Krieger in die vertraute Berührung (obwohl, in wie weit vertraut? Sie hatten das noch nie wirklich getan). Fye küsste ihn und es fühlte sich an, als wäre es das erste Mal, aber so vertraut wie eine Erinnerung. ____ Prolog Ende ______ Schlusskommentar: Okay, um der Verwirrung vorzubeugen: Epilog 1 = Prolog - nur der Dialog ist diesmal vollständig. Kurogane hatte in dieser 'Erinnerung' sich selbst gesehen, wie er den letzten Deal bzw. Wette mit der Hexe gemacht hatte, bevor er in die Traumwelt zurückkehrte. Ich meine, is' ja nur fair von Yuuko ihm zumindest nen' Hinweis zu geben, dass sie ne Wette abgeschlossen hatten. XD;;; Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)