Some Kind of Magic von MayTanner (Don't walk behind me I may not lead...) ================================================================================ Kapitel 3: Is He Really The Chosen? ----------------------------------- X X X Die nächsten Wochen verflogen nur so mit harter Arbeit. Sie mußte Lehrpläne durcharbeiten, die Geschichte der Mutanten erkunden, ihre Gegner im Bereich der Politik und im Kreis der Mutanten studieren, ihre Zauberkräfte wieder aktivieren und an ihrer körperlicher Fitneß arbeiten. Frederica mußte sich auch verteidigen können, wenn ihre Zauberkräfte einmal versagen sollten. Scott und Logan waren unerbittliche Lehrer, und Frederica begann, die Unterrichtsstunden mit ihnen im sogenannten Danger Room´ zu fürchten. Der Raum war eigentlich ein großer quadratischer Kasten, der von einem Mutanten namens Forge konstruiert worden war. Forge hatte durch seine Mutation die Begabung technische Neuerungen zu erfinden und zu bauen, ohne sie am Reißbrett entwerfen zu müssen. Er hatte zudem ein intuitives Verständnis für technische Weiterentwicklungen. Durch ihre Nachhilfestunden bei Ro, wie Storm liebevoll von ihren Freunden genannt wurde, wußte sie, daß Forge früher ein X-Men gewesen und nun für die Regierung tätig war, da es ja ein Leichtes für ihn war, seine Mutation zu verbergen. Der ganze Raum war mit einer großen Anzahl spezieller Sensoren ausgestattet, die virtuelle Gegner, feindliche Umwelten oder Waffen in 3-D-Effekt entstehen lassen konnten. Die Trainingseinheiten konnten durch eine mit doppeltem Sicherheitsglas verkleidete Loge verfolgt werden, die das Kontrollzentrum des Danger Rooms´ war. Schlimmer als die Anlage waren jedoch ihre beiden unerbittlichen Lehrmeister: Logan war zwar fast unverwundbar, doch Scott kompensierte dieses Manko mit Erfahrung und Taktiken, die sie nie in Erwägung gezogen hätte. Die zwei kannten wirklich kein Erbarmen mit einer blutigen Anfängerin, deren Blessuren nicht schnell so schnell verheilten und ihr einige unangenehme Nächte bereiteten. Der Professor teilte ihr auch zwei Räume im geheimen Kellergeschoß zu, wo sie sich eine Art magisches Studierzimmer und eine kleine Destille einrichtete. Als Lehrerin des Instituts hatte sie natürlich auch ein eigenes kleines Büro im Erdgeschoß und ein Zimmer im dritten Stock, wo außerdem Hank und Kurt wohnten. Ororo hatte sich den Dachboden ausgebaut und Jean und Scott lebten im zweiten Stock, wo auch einige der älteren Schüler wohnten. Logan wohnte im ersten Stock direkt neben der Hintertreppe, von wo er schnellen Zugang zum Garten und den nahegelegenen Wald hatte. Der Professor hatte seine Räume im Ostflügel des Erdgeschosses. Mit den geheimen Geschossen im Keller hatte die Mansion sechs Stockwerke und war so groß, daß Frederica sich anfangs immer verlief. Sie gab gerade einer der Klassen - am Institut wurden die Klassen nach Begabung und Neigung zusammengestellt - Französischunterricht. Es wunderte sie nicht, daß Rogue zu ihren Schülern gehörte, sie kam aus dem Süden, wo man oft noch Französisch als zweite Muttersprache sprach. Bobby war seiner Angebeteten natürlich gefolgt, hatte aber so seine Schwierigkeiten mit dem Akzent und der Grammatik, seine Stärke lag eher im naturwissenschaftlichen Bereich. Die beiden saßen nebeneinander und wirkten gereizt und mit den Gedanken woanders, Bobby sah richtig finster aus. Nach Ende ihrer Stunde entließ sie die Klasse, behielt Rogue jedoch zurück. "Rogue, bleib doch noch einen Augenblick.", bat Frederica freundlich lächelnd. Das hübsche Mädchen blieb vor ihrem Pult stehen und blickte düster in Fredericas Augen. "Was ist in letzter Zeit mit dir und Bobby los? Ihr beide seid so zerstreut, daß ich euch vielleicht für diese Klasse trennen muß. Es bringt nichts, nur dazusitzen und vor sich hin zu stieren." Rogues dunkle Augen blitzten ärgerlich auf, doch sie zog nur einen Schmollmund, der jeden Mann zum Strammstehen gebracht hätte. Niemand würde vermuten, daß die bloße Berührung ihrer Haut tödlich sein konnte. Das Mädchen hatte das unschuldige Gesicht eines Engels, doch aus ihren Augen strahlte der Schmerz von Jahrhunderten. "Rogue, bitte! Ich will dir gerne helfen." Frederica erhob sich und kam um den Schreibtisch herum, sie wollte Rogue an der Hand nehmen, doch sie versteckte ihre wie stets behandschuhte Hand hinter ihrem Rücken. "Sie können mir nicht helfen, Miss Rose. Das kann niemand! Trennen Sie mich ruhig von Bobby, das macht nichts, wir sind sowieso nicht mehr lange zusammen.", preßte das Mädchen hervor. Rogues Augen füllten sich mit Tränen, doch sie hielt sie tapfer zurück. "Ich verstehe. Es geht um deine Mutation, Du kannst Bobby nicht so nah sein, wie du gerne möchtest. Das Gefühl kann ich gut nachempfinden, mir geht es ähnlich, Rogue." Rogue schnaubte verächtlich: "Sie verstehen gar nichts, Sie haben Ihre Tracht abgelegt, Miss Rose! Sie können ein ganz normales Leben führen. Die bloße Berührung meiner Haut bringt jeden Menschen um!" Rogue wollte davon stürmen, doch Frederica hielt sie an der Schulter zurück. "Ich rede nicht von meinem Leben als Nonne, Rogue. Komm, ich zeige dir etwas, dazu brauche ich aber deinen Bobby.", erwiderte Frederica mit ruhiger Stimme. Frederica nahm Rogue an der Hand und gemeinsam suchten sie Bobby, den sie aus seiner nächsten Unterrichtsstunde holten. Frederica bat Jean telepathisch um Erlaubnis, ein kleines Experiment mit den beiden durchführen zu dürfen. Sie ging mit den beiden Schülern in ein kleines Studierzimmer und schloß die Tür hinter ihnen, damit niemand zusehen konnte, was sie drinnen machten. Frederica meinte dann: "Rogue, Bobby! Ich möchte ein kleines Experiment wagen. Würdest Du Bobby erlauben, mich zu küssen Rogue?" Beide Schüler starrte sie an, als hätte sie den Verstand verloren. "Kannst Du die Vorstellung ertragen, Rogue? Es ist wichtig. Es genügt ein einfacher Kuß auf den Mund." Bobby tauschte mit Rogue einen fragenden Blick aus. Sie waren neugierig, was passieren würde, deshalb nickte Rogue. Es war seltsam, aber Miss Rose war keine direkte Konkurrenz für sie. Die Frau war viel zu alt für Bobby. Mit siebzehn war die Kluft zu 25 schier unüberbrückbar, besonders für Jungs. "Na gut, Miss Rose. Ich weiß zwar nicht, was das soll, aber Sie haben bestimmt einen guten Grund" "Ja, den habe ich", bestätigte ihre Lehrerin mit undurchdringlicher Miene. Frederica stellte sich vor Bobby und hob den Kopf, weil der Junge viel größer als sie war. Mit ihren 1,62 m war sie sowieso eine der Kleinsten am Institut, da der größte Teil der Schüler schon im Teenageralter war. Bobby wurde rot, doch er nahm seinen Mut zusammen und beugte sich zu Miss Rose herunter, die die Augen schloß, bevor sich sein Mund auf ihre Lippen senkte. Sie wollte ihm die Sache nicht noch erschweren, indem sie ihn die ganze Zeit direkt ansah. Sein Herz klopfte zum Zerspringen, schließlich küßte man nicht alle Tage eine Lehrerin und dazu noch vor den Augen seiner Freundin. Plötzlich fühlte er sich ganz eigenartig, von Miss Roses Lippen schien eine unangenehme Hitze auszugehen, die durch seinen Körper kroch und einen Schweißausbruch bei ihm bewirkte. Dann durchfuhr ihn ein zuckender Schmerz, er unterbrach den Kuß und sank mit einem Aufschrei auf die Knie. "Bobby, was ist los?", rief Rogue bestürzt aus, ging neben ihm in die Knie und legte ihm den Arm um die Schultern. Der Junge griff sich an den Hals und schnappte keuchend nach Luft: "Es tut weh, so wie wenn wir uns küssen. Der Schmerz ist anders aber genauso schlimm." Bobby versuchte, seinen rasenden Puls zu beruhigen. Rogue sah fragend zu Frederica auf. "Meine Haut ist nicht tödlich, aber ein Kuß von mir schon, Rogue. Das hat mit einer Prophezeiung in meiner Familie zu tun. Jede Hexe ihrer Generation darf von keinem außer dem Auserwählten berührt werden. Ich kann Menschen umarmen, aber ich darf nur mit dem Mann intim werden, der nicht für mich bestimmt ist." Frederica ging ebenfalls in die Knie, um den jungen Leuten besser in die Augen sehen zu können. "Ich weiß, daß es nicht ganz dasselbe ist Rogue, aber ich habe einen Jungen fast umgebracht, in den ich in der Schule verknallt war. Ich verstehe euer Problem und ich werde versuchen, euch zu helfen. Vielleicht kann ich mit Magie einen Schutz für Bobby erschaffen. Versprechen kann ich natürlich nichts, aber ich werde mich bemühen." Bobby und Rogue dankten ihr und Frederica entließ die beiden. Bobby war vom Unterricht befreit, er würde noch etwas mit den Nachwirkungen des Kusses zu kämpfen haben, aber Frederica hatte darauf geachtet, daß der Kontakt nicht zu lange aufrechterhalten wurde. So etwas konnte sehr böse enden. X X X Das kleine Studierzimmer hatte ein Fenster zum Garten, das offen gestanden hatte. Logan ging oft im Wald auf Xaviers Grundstück spazieren, um Abstand von dem ganzen Rummel in der Schule zu bekommen, und kam auf seinem Rückweg zufällig an genau diesem Fenster vorbei. Als er sah, wie Bobby Frederica küßte, wäre er fast ins Zimmer gestürzt, doch Rogues Anwesenheit hielt ihn zurück. Er verfolgte aus einiger Entfernung mit seinem empfindlichen Gehör die Unterhaltung. Nachdem Bobby und Rogue das Zimmer verlassen hatten, sprang er lautlos über den Fenstersims ins Zimmer. "Bist Du deshalb Nonne geworden, Freddy?", fragte er. Logan lehnte sich an das Fensterbrett und verschränkte die Arme vor der Brust. Frederica fuhr erschrocken zu ihm herum, er hatte die schlechte Angewohnheit, sich an einen wie ein Raubtier heranzuschleichen. Sie wollte seine Frage nicht beantworten, vielmehr konnte sie das nicht, da sie selbst nicht einmal genau wußte, warum sie sich entschlossen hatte, für immer im Kloster zu leben. Sie wußte nur durch den Zwischenfall mit den Jungen über den Schutzzauber Bescheid. Die Erinnerung daran war zurückgekommen, als ihr Schwarm sich vor ihren Augen schreiend auf dem Boden gewunden hatte. Sie hatte jedoch keine Ahnung gehabt, warum man sie damit ausgestattet hatte. Da sie Waise war, konnte sie damals auch mit niemandem darüber sprechen. Sie hatte einfach Abstand zu Jungs gehalten und später beschlossen, dem Orden beizutreten. "Dein feines Gehör gibt dir nicht das Recht, Unterhaltungen zuzuhören, die dich gar nichts angehen. Und nenn mich nicht ständig Freddy!", blaffte sie ihn verärgert an. Fredericas Wangen färbten sich rot, weil Logans nonchalante Haltung sie ärgerte. Der Kerl war viel zu attraktiv, viel zu männlich und hatte ein zu großes Mundwerk. Er trieb sie manchmal regelrecht zur Weißglut, was allein schon eine Kunst war, denn eigentlich besaß sie ein sehr ausgeglichenes Wesen. Logan zog eine Augenbraue hoch und grinste breit: "Zu schade, daß dein Kuß tödlich ist. Ich habe mir schon oft vorgestellt, wie die kleine, keusche Freddy wohl so küßt." Dabei glitt Logans Blick überlegend zu ihren Lippen. Frederica kniff wütend die Augen zusammen, wie konnte der Kerl es wagen, so mit ihr zu sprechen! "Wirklich schade, Logan. Du wirst es nicht herausfinden, es sei denn, Du möchtest sterben." Frederica warf ihre langen Haare zurück und blitzte ihn herausfordernd an. Logan stieß sich vom Fensterbrett ab und kam langsam auf sie zu. "Ich weiß jetzt, warum Du mir immer in letzter Sekunde ausgewichen bist, wenn ich dachte, daß wir uns gleich küssen werden. Ich schob es auf deine Unerfahrenheit, aber Du hattest nur Angst, mir weh zu tun, süße Freddy", erwiderte er mit aufblitzenden Augen. Fredericas Atem beschleunigte sich mit jedem Schritt, den er näher kam. Sie wich zurück, bis sie von der Tür aufgehalten wurde und Logan sich mit seinen Händen daran abstützte. Sie war zwischen seinen stählernen Armen gefangen und sein attraktives Gesicht füllte ihr Gesichtsfeld aus. "Logan, hör auf mit dem Unsinn! Wir wollten uns nie küssen. Schlag dir das aus dem Kopf, ich würde dir nur weh tun." Auf Logans schmalen Lippen bildete sich ein kleines Lächeln, er hörte genau, wie rasend ihr Herz schlug und ihr ganz persönliches Aroma stieg ihm wie eine duftige Einladung in die Nase. "Freddy, mich kann nichts umbringen! Schon vergessen? Ich riskiere gerne ein wenig Schmerz, wenn ich dich dafür endlich aus meinen Gedanken verbannen kann." Während Frederica versuchte, den Sinn seiner letzten Worte zu verstehen, umfaßte Logan ihr Gesicht mit seinen kräftigen Händen und tippte ihren Kopf zurück. Ihr Mund öffnete sich, weil sie etwas sagen wollte, um ihn zurück zu halten, doch sein besitzergreifender Mund verschloß ihre Lippen mit einem heißen Kuß. Frederica mußte sich an seine Unterarme klammern, um nicht vollkommen den Boden unter den Füßen zu verlieren. Seine fordernden Lippen fühlten sich wunderbar an und als seine warme Zunge in ihren Mund drang, durchzuckte sie heißes Verlangen. Sie war so in den Kuß vertieft, daß sie gar nicht bemerkte, daß sie Logan keine Schmerzen zufügte. Er preßte sie mit seinem muskulösen Körper an die Tür und Frederica genoß die köstlichen Empfindungen, die er dadurch in ihr auslöste. Der erfahrene Logan kam als erster wieder zur Besinnung, er beendete den Kuß und lehnte seine Stirn an ihre, beide atmeten sie schwer und sahen sich eine Weile wortlos in die Augen. "Oh, Logan! Ich, habe ich, hast Du Schmerzen?", stammelte sie etwas zusammenhanglos. Frederica sah besorgt zu ihm auf. Ihre Lippen waren von seinen Küssen geschwollen und sie sah hinreißend aus, mit den dunkelroten Haaren, die in weichen Wellen ihr Gesicht umrahmten. Logan trat einen Schritt zurück und breitete die Arme aus, wie um zu zeigen, daß er noch heil war. Dann ließ er die Arme wieder sinken und lächelte sie breit an: "Nein, keine Schmerzen. Ich kann dich also gefahrlos küssen." Frederica klappte der Mund auf, doch ihr fehlten die Worte, Logan war immun gegen den Zauber? "Das kann nicht sein. Du mußt etwas gespürt haben, der Zauber ist stark und Jahrhunderte alt. Selbst wenn Du nicht stirbst, mußt Du doch seine Auswirkungen spüren." Frederica dachte verwirrt an die Zeit, als sie den Jungen in der Schule verletzt hatte. Das Wissen eine Hexe zu sein, hatte sie überflutet, doch sie konnte sich nicht an ihre direkte Vergangenheit erinnern, nur an Fetzen aus ihrer unbeschwerten Kindheit, die ihr die Informationen zutrugen. Sie hatte solche Angst vor diesen Fähigkeiten gehabt, daß sie mit niemandem darüber sprach und nur standhafter in ihrem Entschluß wurde, im Kloster wohnen zu bleiben. Logan zog sie an der Hand in seine Arme und küßte sie wieder, kurz aber heftig, so daß sie atemlos in seinen Armen lag. "Nichts! Keine Schmerzen." "Oh, mein Gott!", rief sie bestürzt aus. Frederica löste sich aus Logans Umarmung und starrte ihn ungläubig an. Die Prophezeiung war eindeutig, als Hexe durfte sie nur den Mann küssen, der für sie bestimmt war. Sie hatte sich schon von Anfang an zu Logan hingezogen gefühlt, ihn jedoch nicht als potentiellen Partner in Betracht gezogen. Ihr zukünftiger Gefährte würde ein Mann ihres Volkes sein. Ein Mann, der stark genug sein mußte, die Autonomie und die Macht seiner Frau nicht als eine Bedrohung anzusehen. Er mußte ein Krieger sein, der bereit war, sein Leben für das ihre zu lassen, sollte sie jemals von einem übermächtigen Gegner bedroht werden. "Was ist? Wieso erschreckt dich das? Du glaubst doch nicht an diese lächerliche Prophezeiung, über die Du vorhin gesprochen hast?" "Ich glaube fest daran, sie ist wahr! Aber ich glaube nicht, daß Du der Auserwählte bist, Logan. Keine Angst, Ich werde nicht hinter dir her rennen. Du kommst nicht in Frage, Logan. Der Auserwählte ist immer ein Zigeuner und kein Gadjo. Es ist immer ein Krieger, mit dem Ziel die Hexe in mir zu schützen, ein Mann, der meine Macht anerkennt. Es liegt wohl an deiner Mutation, daß Du den Kuß nicht als schmerzhaft empfindest." Frederica wollte sich mit diesen Worten selbst überzeugen, denn sie war nicht gegen ein so starkes Verlangen gewappnet. Die Prophezeiung hatte sie immer vor der Versuchung beschützt, denn wenn sie als Mensch unrein handelte, verlor sie ihre magischen Kräfte. Zwischen ihr und Logan bestand diese Barriere nun nicht mehr und das machte Frederica Angst. "Ich muß zu meiner nächsten Stunde, Logan. Wir sehen uns beim Training." Frederica wandte sich zur Tür und floh regelrecht aus dem Zimmer. Logan blieb sehr nachdenklich zurück, der Auserwählte war ein Krieger, aber ein Zigeuner? Er wußte ja gar nicht, was er war. Er hatte sehr lange in Kanada gelebt, das bedeutete aber nicht, daß er Kanadier war. Er konnte von überall hergekommen sein. Logan schüttelte den Kopf, das war doch vollkommener Unsinn. Er wollte Frederica, die Küsse hatten sein Verlangen nur gesteigert, sie verfolgte seine Gedanken und schlich sich in seine Träume. Sie würde ihm nicht so leicht entkommen, diese Prophezeiung würde ihn nicht davon abhalten, sie zu verführen. Mit einem sehr entschlossenen Ausdruck im Gesicht verließ er das Zimmer. X X X Eine Woche später kurz nach Beginn der Thanksgivingferien hatte der Professor eine Party organisiert, zu der wichtige Leute aus Politik und Gesellschaft eingeladen worden waren. Der Ruf der Schule mußte gepflegt werden, da seine Schüler später natürlich auch Colleges und Universitäten besuchen wollten. Und dazu brauchte man nun einmal gute Verbindungen, die auch gepflegt werden wollten. Xavier wollte mit der Feier auch den Gerüchten um die Schule entgegenwirken, dafür wurden auch die Lehrer und älteren Schüler eingespannt, die keine Möglichkeit hatten, nach Hause zu fahren. Sogar Kurt war mit von der Partie, da Dr. McCoy in Zusammenarbeit mit Forge ein Gerät entwickelt hatte, mit dem Kurt sein Äußeres Erscheinungsbild dem eines durchschnittlichen Mannes anpassen konnte. Er mußte einfach ein Armband am Handgelenk tragen, den sogenannten Image Inducer, und einen Sender daran aktivieren, der veranlaßte, daß er sich in den Augen der Menschen verwandelte. Es funktionierte wie eine Art Hologramm-Projektion, die man auch berühren konnte. Jean und Ororo hatten Frederica auf einen ausgedehnten Einkaufsbummel begleitet, bei dem sie nach einem Kleid gesucht hatten, das sie bei der Party tragen konnte. Jean hatte sie auch überredet ihre Garderobe aufzustocken, die noch recht kärglich war. Der Professor hatte ihr eigens dafür seine Kreditkarte mitgegeben, damit sie ihr Gehalt nicht vollkommen erschöpfen mußte. Die Familie Xavier hatte dem Professor ein so riesiges Vermögen hinterlassen, daß es für ihn ein Leichtes gewesen wäre, die stockende Konjunkturkurve der USA damit in die Höhe schießen zu lassen. Die wenigsten Leute wußten, wie reich der Professor tatsächlich war, da die Kellergeschosse, der Jet und alle erworbenen technischen Neuerungen nur Eingeweihten bekannt waren. Mit Patenten verdienten die X-Men ein regelmäßiges Zubrot, da sie ihre Entdeckungen gerne mit der Menschheit teilten. . . . Logan blieb fast sein Drink in der Kehle stecken, als Frederica hinter Jean und Ororo am Abend der Party, das Wohnzimmer betrat, wo sich die X-Men versammelten, bevor sie die Gäste am Haupteingang in Empfang nahmen. Sie trug ein knöchellanges ockerfarbenes Kleid mit einem weitschwingenden Rock aus mehrlagigem Tüll, das über und über mit goldenen Pailletten verziert war, so daß es wie gesponnenes Gold glänzte. Ihre Taille war von einem breiten goldenen Miedergürtel betont, das Oberteil schulterfrei und die Ärmel lang und bauschig, sie endeten in Manschetten an ihren schmalen Handgelenken. Ihre Mähne war lose zusammengesteckt und einige gelockte Strähnen umspielten ihr Gesicht und ihre bloßen Schultern. Jean in einem flaschengrünen Seidenkleid mit Spaghettiträgern trat neben Scott und stupste ihn grinsend an: *Logan wäre fast aus seinen Schuhen gekippt, Darling. Was sagst Du zu unserer Zigeunerprinzessin?* Scott und Jean hatten eine besondere telepathische Verbindung, die es ihnen immer erlaubte, ihre Gedanken still auszutauschen. *Wow! Logan ist verloren, würde ich sagen. Und ich übrigens auch, wenn irgendein Kerl dir heute zu nahe tritt, kann ich für nichts garantieren. Für dieses Kleid brauchst Du eigentlich einen Waffenschein!* Jean legte ihm lächelnd die Hand auf die Wange und küßte ihn kurz auf die Lippen. Es war schön, auch noch nach einer langjährigen Beziehung begehrt zu werden. Logan hatte keine Gelegenheit mehr, mit Frederica zu sprechen, weil der Professor ins Zimmer gerollt kam und das Eintreffen der ersten Gäste ankündigte. Die Lehrer waren dazu angehalten, die Gäste zu unterhalten und sollten keine Pärchen bilden. Logan ließ Frederica jedoch den ganzen Abend nicht aus den Augen, sie wurde von einer Schar von Bewunderern jeden Alters umringt. Ein Politiker aus dem New Yorker Stadtrat war ihr Tischherr, und er verschlang Frederica geradezu mit lüsternen Blicken, was Logan mit einem Stirnrunzeln quittierte. Nach dem Essen wurde auch noch getanzt und Scott und Logan wurden von dem Professor dazu angehalten, die anwesenden Damen nicht zu vernachlässigen. Logan war ein erstaunlich guter Tänzer, obwohl er sich mit Händen und Füßen gegen die Anwesenheitspflicht bei diesem Fest gewehrt hatte. Scott und er waren durch ihr beeindruckendes Äußeres sehr begehrte Tanzpartner, was durch ihre eleganten Smokings noch betont wurde. Beide großgewachsen und durchtrainiert, Scott, das Abbild eines Männermodells, und Logan, der verwegene Abenteurer, viele der anwesenden Damen gerieten über die beiden ins Schwärmen. Während eines Tanzes mit einer älteren Dame, bemerkte Logan aus den Augenwinkeln heraus, daß Frederica mit dem Abgeordneten in den Garten verschwand, wo einige Lichterketten zum Schmuck aufgehängt worden waren, um die Spazierwege zu erleuchten. Logan entschuldigte sich bei seiner Partnerin und ging den beiden nach. "...Miss Munroe ist eine sehr begabte Gärtnerin, sie hat natürlich Hilfe von einigen Schülern, die das Gärtnern erlernen möchten. Der Inhalt des Gewächshauses ist beeindruckend! Möchten Sie vielleicht einen Blick hineinwerfen, Mr. Donaldson?" Frederica ging am Arm des bulligen Mannes, der auf dem Weg stehen blieb und Fredericas Oberarme umfaßte. "Viel Lieber würde ich Sie küssen, Miss Rose. Sie sind sehr verlockend." Der Mittvierziger beugte sich zu ihr herunter, doch Frederica wich schnell einen Schritt zurück. "Mr. Donaldson, bitte nicht. Ich wollte Ihnen wirklich nur den Garten zeigen. Ich gehöre nicht zu den Sehenswürdigkeiten der Mansion.", versuchte Frederica, sich aus der unangenehmen Situation herauszureden. Der Mann hörte aber nicht auf sie, er zog sie an sich und preßte seinen Mund auf ihre Lippen und erstickte ihren Ausruf des Protests damit. Logan stand im Schatten und seine Klauen schossen aus seinen Händen, doch bevor er sich auf den Kerl stürzen konnte, wich der Mann mit einem Schmerzensschrei zurück. "Ah, was ist das! Meine Lippen brennen wie die Hölle." "Vielleicht eine allergische Reaktion auf meinen Lippenstift? Es ist wohl besser, Sie gehen ins Haus und waschen ihn mit Wasser ab, Mr. Donaldson.", riet Frederica dem Mann, indem sie Besorgnis vortäuschte. Der Mann hielt sich die brennenden Lippen und lief schnell in Richtung Haus. Auf Fredericas Lippen stahl sich ein selbstzufriedenes Lächeln, er würde ihr nicht noch einmal zu nahe treten. "Du hättest diesen Mistkerl früher abwehren müssen. Ich habe dir doch gezeigt, wie das geht. Verdammt!" Frederica fuhr zu Logan herum, der aus dem Schatten trat und finster auf sie hinab blickte. "Er ist ein wichtiger Mann, Logan. Er hat nur versucht, mich zu küssen. Du weißt doch, daß das niemand lange aushält." Logan knurrte etwas und riß Frederica in seine Arme: "Der nächste, der das wagt, wird von mir zu Shishkebap verarbeitet!" Logan küßte Frederica verlangend und erstickte jeden Einwand ihrerseits. Sie wehrte ihn zunächst ab, doch dann glitten ihre Arme um seinen Hals und sie bog sich ihm entgegen, ein paar kleine Küsse würden ihr schon nicht schaden. Sie hatte sich den ganzen Abend danach gesehnt, in seinen Armen zu liegen, war ihm absichtlich aus dem Weg gegangen, in der förmlichen Abendgarderobe nahm einem dieser Mann vollkommen den Atem. Sie konnte die schwärmerischen Blicke der anderen Frauen gut verstehen, nur nicht die bohrende Eifersucht, die sie dabei empfand. Logans Hände glitten über ihren Rücken und kamen unterhalb ihrer Taille zum Stillstand, so daß seine Fingerspitzen auf ihrem Hinterteil lagen. Frederica stöhnte leise auf und küßte Logan nur noch hungriger. Logan zwang seine Hände zur Ruhe, der Professor würde ihm nie verzeihen, wenn er sich jetzt mit Frederica von der Party verdrückte. Er wollte sie nur gründlich küssen, um den Abend ruhig zu überstehen. Mit ihrem Geruch in seiner Nase und ihrem Geschmack auf seinen Lippen würde ihm das sicher wesentlich leichter fallen. X X X Er sah eine rothaarige Frau blutend auf dem Boden liegen und fühlte, wie seine Brust aus lauter Verzweiflung zu bersten drohte. Er schrie wie von Sinnen ihren Namen und versuchte, die junge Frau am Leben zu erhalten, doch sie starb in seinem Armen, seinen Namen auf ihren Lippen, über die dunkelrotes Blut quoll. Noch im Schlaf spürte er wie seine Klauen zwischen seinen Fingerknöcheln herausschossen und das Laken dabei zerrissen. Er hatte Glück, daß er sich nicht selbst dabei verletzte. Rose ist tot, sie ist tot! Und ich bin daran schuld, ich bin ein Tier! Ich verdiene es nicht zu leben!´, hallten sein stummen Schreie durch seinen schmerzenden Kopf. Logan setzte sich abrupt im Bett auf und ließ seine gefährlichen Krallen wieder in seine Hände gleiten. Verdammt! Schon wieder ein Bettlaken ruiniert.´, dachte er genervt. Logan fuhr sich mit beiden Händen über das verschwitzte Gesicht und versuchte, den Alptraum abzuschütteln, der ihn seit Wochen verfolgte. Genau genommen hatte er ihn erst, seit Frederica Rose hier im Institut angekommen war. Er konnte nicht genau sagen, ob es eine Erinnerung an sein früheres Leben war oder nur ein verrückter Traum, der durch seine Gefühle für Frederica ausgelöst wurde. Die Frau in dem Traum hatte wie sie rote Haare und er konnte ihre Gesichtszüge nie genau erkennen, erinnerte sich auch nie an den Namen, mit dem sie ihn ansprach. Er wußte nur, daß es nicht Logan war. In seinem Traum verspürte er einen unbändigen Haß auf Logan. Er verzog den Mund, das klang wie ein perfekter Fall für einen Freudianer. Logan warf die zerfetzte Bettdecke zur Seite und schlüpfte in seine Jeans. Barfüßig und ohne Oberteil verließ er sein Zimmer. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und er wollte einen Spaziergang im Wald machen. Die Nacht war mild und er würde sich so der Natur näher fühlen, er fror nur selten, ein weiterer Vorteil seiner Mutation. X X X Frederica hatte den Wald auf Xaviers Grundstück aufgesucht, weil Vollmond war und sie einige Zutaten für Zaubertränke sammeln wollte, die in dieser Nacht besonders wirksam waren. Sie trug einen Weidenkorb über dem Arm und einen warmen Schal um die Schultern, da sie sich vor der kühlen Nachtluft schützen wollte. Auf einer Lichtung hatte sie einige Pilze entdeckt, die in einem Hexenkreis wuchsen, sie erntete sie mit dem rituellen Dolch, mit dem sie auch Jean die Verletzung zugefügt hatte, als sie hinter sich ein gefährliches Knurren vernahm. Sie schnellte hoch und drehte sich um, dabei das Messer fest umklammernd. Ihr gegenüber stand Logan im hellen Licht des Vollmondes wie ein junger, zorniger Gott. Die Lichtstrahlen spielten mit den ausgeprägten Muskeln seines nackten Oberkörpers, die von einer feinen Schweißschicht überzogen waren. An seinem wutverzerrten Gesicht erkannte Frederica, daß er nicht bester Laune war, das Tier in ihm, ein ruheloser Wolf, hatte eindeutig die Oberhand. Er hatte nicht umsonst den Codenamen Wolverine erhalten. In Situationen, die ihn emotional aufwühlten, verlor Logan die Kontrolle über das Tier in sich, und das zeigte sich im harmlosesten Fall in einem Anfall sehr schlechter Laune. "Was machst Du hier um diese Zeit, Freddy?", knurrte er mißgelaunt. Logan kam auf sie zu und ihr Herz begann, wie wild in ihrer Brust zu schlagen. Sie konnte nicht einmal sagen, ob aus Furcht oder vor Verlangen. Logan löste in diesem Augenblick beide Gefühle in ihr aus. Sie versuchte, sich mit dem alten Spruch zu beruhigen, daß bellende Hunde nicht beißen. Oder mußte das Sprichwort vielleicht eigens für Logan umformuliert werden: Sein Biß ist schlimmer als sein Bellen? "Es ist Vollmond und ich sammle einige Sachen, die ich für die Zubereitung von Zaubertränken benötige. Und hör endlich auf, mich Freddy zu nennen!", schoß sie zurück. Frederica warf den Kopf zurück und straffte die Schultern, sie hatte das gleiche Recht, hier zu sein, wie er. Auf Logans Gesicht breitete sich ein zufriedenes Grinsen aus. Das war noch besser als ein Spaziergang. Eine heftige Auseinandersetzung mit der aufmüpfigen, kleinen Hexe würde seine Laune merklich bessern. "Versuch mich davon abzubringen, Freddy!" Logan Grinsen wurde noch breiter und er sah mit Genugtuung, daß Fredericas Wangen sich vor lauter Empörung röteten. Sie warf ihre langen Haare mit einer heftigen Bewegung ihrer Hand über die Schulter und ging dann auf Logan zu. Sie stellte sich vor ihn und bohrte ihren ausgestreckten Zeigefinger in seinen Brustmuskel. "Fordere mich nicht heraus, Logan. Ich habe keine Angst vor dir. Laß deine verdamm... laß deine schlechte Laune nicht an mir aus!" "Oho, Du kannst also auch fluchen, Mädchen. Beginne ich, auf dich abzufärben?" Logan nahm ihre Hand und entfernte ihren unangenehm bohrenden Fingernagel aus seiner Brust. Fredericas Augen blitzten auf, sie zwang sich jedoch zur Ruhe. Logan wollte sie absichtlich provozieren und sie sollte sich soweit in der Gewalt haben, daß sie es nicht zuließ. Wie sollte sie sonst in Zukunft bei gefährlichen Missionen bestehen? "Was ist eigentlich mit dir los, Logan? Warum tigerst Du mitten in der Nacht hier herum?", fragte sie deshalb besorgt. Logan ließ Fredericas Hand los, als hätte er sich verbrannt und stopfte beide Hände in die Hosentaschen. Sein Gesichtsausdruck wurde, wenn das überhaupt möglich war, noch finsterer. Frederica war fast versucht, mit der Hand erschrocken an ihre Brust zu fahren, doch der pure Stolz hielt sie zurück. Sie waren Kollegen, keine Gegner in einem Kampf. "Ich brauche nicht so viel Schlaf wie normale Menschen. Manchmal muß ich eben, ach vergiß es! Geh zurück ins Haus und kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!" "Logan! Du führst dich auf wie ein kleines Kind. Was ist los? Ich dachte, wir wären Freunde.", schloß sie von seinem barschen Worten leicht gekränkt. Aus Logans Kehle drang ein tiefes Grollen, doch er bezwang den Impuls, Wolverine an seine Stelle treten zu lassen. Frederica war nicht verantwortlich für seine Alpträume. Sie dachte schon, er würde sie einfach stehen lassen, aber Logan lief nur zu einem umgestürzten Baum, auf dessen Stamm er sich setzte. "Ich habe Alpträume. Sie lassen mich nicht zur Ruhe kommen, deshalb komme ich oft hierher. Der Wald beruhigt mich." Logan strich sich über die feuchte Stirn und fuhr in seine stacheligen Haare, die noch mehr als sonst in Unordnung geraten waren. Frederica seufzte, als furchtloser Kämpfer war Logan unwiderstehlich, doch wenn seine verletzliche Seite hervor blitzte, war seine Anziehungskraft fatal. Sie setzte sich neben ihn auf den Baumstamm und legte die Hand auf sein Knie. Eine Geste, die ihm zeigen sollte, daß sie mit ihm fühlte. "Ro hat mir von deinen Alpträumen erzählt. Das gehörte sozusagen zu meinem Mutanten-Unterricht. Sind es die schrecklichen Träume über die militärischen Versuche an dir?" Logan zögerte kurz, sollte er ihr davon erzählen? Er sah auf ihre kleine Hand herunter, die es schaffte, ihm das Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln und fand, daß es Schlimmeres gab, als sich ihr anzuvertrauen. "Nein, diese Träume habe ich hinter mir gelassen. Nachdem Stryker gestorben ist, kamen sie nicht wieder. Ich träume von einer Frau, sie heißt Rose. Sie stirbt in meinem Traum, und ich fühle mich verantwortlich für ihren Tod. Sie nennt mich beim Namen, doch ich kann ihn nie richtig verstehen. In dem Traum ist Logan jemand anderes." Frederica kaute nachdenklich auf ihrer vollen Unterlippe, womit sie Logan unwissentlich in den Gewissenskonflikt stürzte, ob es richtig wäre, sie jetzt zu küssen. "Klingt merkwürdig und bei jedem anderen würde ich sagen, daß er nur die Verantwortung in seinem Leben nicht übernehmen möchte. Aber bei deiner dunklen Vergangenheit kann es doch sein, daß der Traum einen Teil davon aufdecken möchte. Du hast keine Erinnerung an dein früheres Leben, man kann nicht einmal dein genaues Alter bestimmen. Es könnte durchaus eine verschüttete, traumatische Erinnerung an dein früheres Leben sein." Logan seufzte: "Ja, das halte ich auch für sehr wahrscheinlich, nur kommt keiner an diese Erinnerungen heran. Der Professor hat es schon ohne Erfolg versucht. Alles vor der Zeit beim Militär ist scheinbar zu tief verschüttet." Er bemerkte, daß Frederica trotz ihres Schals fröstelte und erhob sich dann, um sie an der Hand auf ihre Füße zu ziehen. "Komm, es ist ziemlich kühl, ich bringe dich zurück ins Haus." Frederica akzeptierte seine Entscheidung, nicht weiter über sein Problem zu sprechen. Für Logans Verhältnisse hatte er ihr schon ziemlich viel verraten. Sie verkniff sich eine neckische Bemerkung, als er ihren Korb vom Boden aufhob und sie bei der Hand nahm. Er sah mit dem bloßen Oberkörper eher aus wie ein Satyr und nicht wie das Rotkäppchen im Wald. In stiller Eintracht liefen sie zum Haus und Logan begleitete sie bis zur Geheimtür im Erdgeschoß, da sie ja die gesammelten Kräuter und Pilze in ihre kleine Destille im Keller bringen wollte. Bevor er ihr den Korb in zurückgab, tippte er mit seiner freien Hand ihr Gesicht an ihrem Kinn zu sich hoch. "Mach bloß keine Dummheiten, Freddy! Ich kann förmlich riechen, wie es in deinem kleinen Hexenhirn brodelt. Ich komme schon ohne deine Hilfe zurecht." Er küßte ihr den Protest von den Lippen und Frederica konnte nicht widerstehen und fuhr mit beiden Händen in seine wilde Mähne. Nach einem sehr ausgiebigen Kuß drückte ihr Logan den Korb in die Hand und verschwand dann im Dunkeln. Als Frederica in den hellerleuchteten Aufzug gestiegen war, blickte sie mit einem sehr zufriedenen Lächeln auf ihre Hand herunter. Dort lag etwas, was sie gut gebrauchen konnte. "Wie gut, daß ich früher gut in der Hexenschule aufgepaßt habe. Dummheiten, pah!", murmelte sie vor sich hin. Sie verließ den Fahrstuhl und ging entschlossenen Schrittes zu ihrem kleinen Labor, wo sie den errungenen Schatz gleich in ein Kristallfläschchen tat. X X X "Ah, Logan. Gut, daß Du auch da bist.", begrüßte Professor Xavier seinen Mitarbeiter. Es war spät in der Nacht und in der Mansion war alles ruhig. Der Professor hatte Logan telepathisch zu einer Einsatzbesprechung in sein Büro bestellt. Storm und Gypsy Witch waren auch schon anwesend. Phoenix und Cyclops hatte Xavier auf Zwangsurlaub geschickt, da er fand, daß die beiden einige Zeit alleine miteinander verbringen sollten. "Professor, was ist los? Ein Notfall?", fragte Logan und ließ sich in einen bequemen Stuhl neben Storm gleiten. "Eher ein Hilferuf. Ich hoffe es wenigstens sehr. Vor etwa dreißig Minuten erhielt ich einen Telefonanruf von Pyro. Er bittet die X-Men um Hilfe, er ist vor Magnetos Leuten auf der Flucht und möchte zu uns zurückkehren." Logan zog die Augenbrauen hoch und tauschte mit Ororo einen Blick aus, die sein Mißtrauen zu erwidern schien. "Es könnte eine Falle sein, Professor. Sollen wir ihm wirklich zur Hilfe eilen und einen Angriff von Magnetos Leuten riskieren?", wandte Ororo dann ein. "Ein wahres Wort, Storm. Aber er war wirklich verängstigt, und was ich in der kurzen Zeit von seinen Gedanken erhaschen konnte, klang aufrichtig. Wir waren alle sehr von seinem Verhalten am Alkali Lake enttäuscht, aber John haderte schon ziemlich lange mit seinen Fähigkeiten. Er wollte nicht einsehen, warum er bei den normalen Menschen als Ausgestoßener galt. Wer von uns hat nicht auch schon einmal in Betracht gezogen, die Seiten zu wechseln? Wollen wir das einem Sechzehnjährigen verübeln, der sich seines Weges noch nicht sicher ist? Und Magnetos Versprechungen klingen immer süß in den Ohren der Enttäuschten." Frederica lächelte in sich hinein, der Professor war ein wunderbarer Mensch. Er schaffte es immer wieder, sie mit seiner unermeßlichen Güte zu überraschen. Sie wußte durch ihre Schulungen, daß Magneto und der Professor früher einmal auf derselben Seite gekämpft hatten und sie immer noch in einer Art freundschaftlicher Feindschaft miteinander verbunden waren. "Ich kann den Bengel abholen, wenn Sie möchten, Chuck!", schlug Logan lässig vor. Frederica fragte sich verwundert, woher Logan die Chuzpe nahm, den Anführer der X-Men so nonchalant anzusprechen. Das war für sie als hätte sie ihren früheren Bischof neckend in die Wange gekniffen. Aber Logan pfiff nun einmal auf die Konventionen. Den Professor schien das nicht zu stören, im Gegenteil er lächelte Logan weiterhin freundlich an: "Ich möchte, daß Du Gypsy Witch als Verstärkung mitnimmst, Logan." Logan wollte zum Widerspruch ansetzen, doch in den Augen seines Vorgesetzten erkannte er, daß dieser seine Ausflüchte nicht ernst nehmen würde. Freddy war durch sein knallhartes Training gegangen und durchaus fähig, einen Zweikampf zu bestehen. Pyro versteckte sich irgendwo am Strand entlang der Atlantikküste New Jerseys. Der Junge allein war keine Bedrohung für sie, eigentlich war es der perfekte Übungseinsatz, also gab Logan sich geschlagen und stimmte dem Ganzen zu. Frederica strahlte voller Tatendrang, während sie mit Logan zu den Umkleidekabinen ging. Sie brannte förmlich darauf, ihre Feuerprobe als vollwertiges Mitglied der X-Men zu absolvieren. X X X Eine halbe Stunde später saß sie neben Logan in einem dunklen Van aus dem gut bestückten Fuhrpark der Mansion, dessen Laderaum X-Men-gerecht umgebaut worden war. Sie war angetan mit der Lederkluft der X-Men, die sie erst vor einer Woche fertig angepaßt bekommen hatte. Äußerlich wirkte die kleine Hexe vollkommen ruhig, doch Logan hörte deutlich ihr heftiges Herzklopfen und ihre mikroskopisch feinen Ausdünstungen wurden durch den Geruch ihrer Nervosität überlagert. "Entspann dich Freddy! Wir werden nicht vor drei oder vier Stunden am Zielpunkt eintreffen. Du könntest etwas schlafen." Frederica zog ob dieser gönnerhaften Rede die Nase kraus, wenn sie mit Wolverines Kampferfahrung in die Schlacht ziehen könnte, wäre sie auch lockerer drauf. "Du hast gut reden, Logan! Mit dem ganzen Adrenalin, das gerade durch meinen Körper schießt, werde ich kein Auge zu tun können." Logan schmunzelte in sich hinein: "Wir holen einen Ausreißer zurück. Keine große Sache. Es sei denn, er verspürt das Bedürfnis, uns zum Frühstück zu rösten." "Richtig, Pyro beherrscht das Feuer.", meinte sie nachdenklich. Frederica runzelte die Stirn und sah zerstreut auf die vorbeiziehende Begrenzung des Highways. Sie versuchte, sich an all die Lektionen zu erinnern, in denen sie die Fakten über die Feinde der X-Men studiert hatte. "Magnetos rechte Hand, Mystique, ist doch ein Formwandler. Wie erkennen wir, ob sie nicht Pyros Gestalt angenommen hat?" "Ich erkenne diese Ratte an ihrem Geruch, Freddy.", gab er zurück, um sie zu beruhigen. Logan grinste breit, als Frederica ihm einen erstaunten Blick zuwarf: "Hast Du nicht richtig bei der Mutanten-Nachhilfe aufgepaßt, Kleines? Gesteigerte Sinneswahrnehmung. Das betrifft alle Sinne." "Oh!", entfuhr es Frederica, als sie an einige ihrer Trainingsstunden dachte. Kein Wunder, daß es ihr beim Training niemals möglich gewesen war, sich unbemerkt an ihn heranzuschleichen, wenn der Bursche einen durch seinen Geruchssinn orten konnte. Sie zog einen Schmollmund, Logan war einfach zuviel des Guten! Logans heißeres Flüstern schrak sie aus ihren Gedankengängen hoch: "Dein Körper verrät dich jedesmal Frederica. Du brauchst dich in meiner Gegenwart nicht zu verstellen." Er tat einen tiefen Atemzug und stieß dabei sein typisches Grollen aus, das ihr jedesmal einen Schauer über den Rücken jagte. "Die Natur ruft. Du bist heute bereit zu empfangen." Frederica klappte sprachlos vor Erstaunen die Kinnlade herunter. Logan konnte selbst das riechen? Ihre Wangen färbten sich dunkelrot, als ihr das Ausmaß seiner Fähigkeiten bewußt wurde. Sie konnte sagen oder tun, was sie wollte, Logan würde immer die Wahrheit an ihr riechen! "Großartig Logan! Wenn ich je einen Eisprungtest brauchen sollte, werde ich mich an dich wenden." Ihr trockener Kommentar entlockte Logan nur ein bellendes Lachen: "Bevor das passiert, solltest Du erst auf diesem speziellen Gebiet Erfahrungen sammeln, Schwester Frederica!", konterte er wie aus der Pistole geschossen, wobei er ihren früheren Titel ironisch betonte. Frederica gab als Antwort nur ein Schnauben von sich, weil er wieder ihre Schwachstelle isoliert und mitten ins Schwarze getroffen hatte. Auf diesem Gebiet sollte sie sich besser nicht mit ihm auf Diskussionen einlassen. Bücherwissen reichte einfach nicht aus, um diesem impertinenten Kerl den Mund zu stopfen. Logan grinste zufrieden vor sich hin, es war immer sehr unterhaltsam, wenn Freddy sich selbst ins Aus manövrierte. Und er hatte es geschafft, daß sie nicht mehr zu sehr an den nahenden Einsatz dachte. Für den Rest der Fahrt zog sie es jedenfalls vor, so zu tun, als ob sie schliefe... Fortsetzung folgt... Hosted by Animexx e.V. 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