Kyra von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 3: 5. März 2000 - John ------------------------------ 05. März 2000 um 22 Uhr 36 PM in einem Versteck der Bruderschaft in New York City, New York John hatte das Gefühl zu sterben. Dabei ging es ihm eigentlich ganz gut. Körperlich zumindest, aber seelisch gesehen war er ein absolutes Wrack. Er war kaputt und am Ende, und obwohl er körperlich in Hochform war, fühlte er sich innerlich ausgelaugt und wie zerschlagen. Er war müde. Er wollte schlafen. Und er wollte Kitty sehen. Aber Kitty würde er wahrscheinlich für eine lange Zeit nicht mehr sehen. Und Kyra ebenso wenig. Sein innerster Impuls war es aus diesem Kellerloch zu stürmen, sich das nächste schnelle Auto kurzzuschließen und sofort nach Las Vegas zu fahren. Aber dort würde sie wahrscheinlich nicht mehr sein, wenn er ankäme. Sie würde wieder in der Schule von Xavier sein – und dort war sie beinahe unerreichbar für ihn. Doch John konnte nicht mehr gehen. Dazu war der Zeitpunkt längst gekommen und er hatte ihn verstreichen lassen, als Kitty von ihm gefordert hatte, zu den X-Men zurückzukehren und sich rehabilitieren lassen. Nein, John gehörte zu Magneto, zur Bruderschaft. John stand hinter Magneto auf dem Podium, neben ihm standen dazu Mystique und Callisto, in deren Mitte er stand. Dies war eine von Magnetos zahllosen Versuchen, bei denen er versuchte, neue Anhänger zu gewinnen – und das erfolgreich. Die Welt sollte sich bereit machen. Für die Mutanten. „DIE MENSCHEN – ÜBERLEGT, WAS SIE JE FÜR UNS GETAN HABEN! SIE HABEN UNS MISSHANDELT, GEFOLTERT, GEJAGT UND GETÖTET! UND JETZT SOLLEN WIR NICHT FÜR UNSER RECHT ALS MUTANTEN KÄMPFEN DÜRFEN? FÜR UNSER RECHT ZU LEBEN? ICH SAGE, WIR HABEN DIESES RECHT!“ Lautes, zustimmendes Gebrüll antwortete auf Magnetos Worte. Callisto und Mystique lächelten sich zufrieden zu; diese beiden Frauen, die für Erik und seine Ziele bis ans Ende der Welt gehen würden und darüber hinaus. John zog bloß an seiner Zigarette, seine Miene verriet nichts. Sie war völlig starr – sowie auch sein Innerstes erstarrt war, seitdem er von Kitty getrennt war. Er fragte sich noch einmal, warum er dies alles tat. Für Kitty. Für Kyra, seine Tochter. Damit sie eines Tages in einer Welt leben konnten, ohne dass sie verachtet und gejagt wurden. Er wollte nicht, dass seine Tochter dasselbe durchmachen musste, wie er in seiner Kindheit. Damals, als die Kinder ihn bejubelten für seine Kunststücke mit dem Feuer und anderntags mit Steinen bewarfen. Sein Vater hatte ihn mit einem Gürtel windelweich geschlagen und als er endlich seine Kräfte kontrollieren konnte, hatte er das Haus in Brand gesteckt, um sich zu rächen und es hatte gut getan. Sein Vater hatte ihn verprügelt und seine Mutter hatte nichts getan, um es zu verhindern, aber es war egal gewesen. Die Genugtuung hatte überwogen und berauscht von diesem Gefühl war er gegangen. War in den nächsten Bus gestiegen, non-stop nach New York, wo er auf den Straßen von Manhattan gelebt hatte, bis Charles Xavier ihn aufgesammelt hatte. Doch selbst Xavier hatte seinen Hass auf die Menschen nicht tilgen können, denn dazu war es längst zu spät gewesen. „DIE MENSCHEN – SIE HABEN UNS SCHON IMMER GEHASST, NICHT WAHR? SIE HABEN SCHON IMMER DAS GEFÜRCHTET, WAS ANDERS IST UND WAS SIE NICHT VERSTEHEN KÖNNEN. UND DARUM HASSEN SIE UNS – ABER DAS GIBT IHNEN NICHT DAS RECHT, UNS MUTANTEN WIE DRECK ZU BEHANDELN! WIR SIND NICHT DES MENSCHEN FUSSABTRETERS! WIR WOLLEN LEBEN! UND WENN DER PREIS DAS BLUT DER MENSCHEN IST, DANN SOLL ES SO SEIN!“ Der Jubel verstärkte sich und brandete über sie hinweg. Magnetos Worte wurden begrüßt, denn sie alle wussten, wie wahr sie waren. Und jeder einzelne von ihnen wollte leben. Aber John wollte, dass Kitty und Kyra leben konnten. Das war nun das Einzige, was zählte. Was aus im selbst wurde, war ihm gleichgültig geworden, seit er Kitty hatte. Nur ihr Leben zählte. Für ihn war es bereits zu spät. Er würde so oder so in der Hölle schmoren und das wahrscheinlich zu Recht. Er dachte an Kitty, wie schon die ganze Zeit, denn seine Gedanken wollten sie einfach nicht loslassen. Immerzu sah er ihr trauriges Gesicht, wie die Tränen aus ihren Augen zu kullern begannen. Es war dieses eine Gesicht … und er sah es immerzu. Er wusste noch, wie er es kaum über sich gebracht hatte, Kitty und seine Tochter zu verlassen. Er war gegangen, beinahe geflohen, weil er den Abschied hinter sich bringen wollte. Er konnte ihr trauriges Gesicht nicht mehr ertragen, das ihn nun verfolgte, auf dem er immer und immer wieder die stumme Bitte las, gemeinsam mit ihr und Kyra zurück ins Institut zu gehen - zu den X-Men. Doch er hatte sich abgewendet und verschloss sich auch weiterhin vor dieser Möglichkeit, denn es war unmöglich, die Rückkehr zu den X-Men. Er war froh gewesen, dass er den Abschied hinter sich gebracht hatte, als er endlich aus dem St. Michael Hospital getreten war. Er hätte nicht gewusst, was er getan hätte, wäre er geblieben. Und dann war Magneto aus der Finsternis vor ihm aufgetaucht, beinahe so, als hätte die weißen Nebelschwaden erst jetzt frei gegeben, in dem Moment, als John aus dem Hospital getreten war. „Guten Abend, Pyro“, sagte er und ein leichtes Lächeln hatte sich auf die Lippen des alten Mutanten geschlichen. Er brauchte nur in Magnetos Augen zu sehen und John begriff, dass er alles wusste. John war völlig starr gewesen. „Magneto“, sagte er bloß, um irgendetwas zu sagen. Dann erst fragte er: „Wie hast du mich gefunden?“ „Unsere neue Freundin Callisto war mir bei dieser Suche nach dir ein wenig behilflich“, erwiderte Magneto und vollführte eine Armbewegung, ein Zeichen für ebenjene Callisto und Mystique, aus den undurchdringbaren Nebeln aufzutauchen, die über den Straßen hingen. Mystique lächelte ihm grüßend auf ihre mysteriöse Art zu, genauso wie es ihre Art war und wie sie es schon immer gemacht hatte. John nickte ihr nur kurz zu, aber sein Hauptaugenmerk lag immer noch auf Magneto. „Ich wusste, dass du die richtige Entscheidung treffen würdest“, sagte Magneto und wie immer hatte sein Lächeln etwas Berechnendes, als wäre genau das eingetreten, was er erwartet hatte. „Welche Entscheidung?“ „Zur Bruderschaft zurückzukehren. Denn das ist das, was du tun wolltest, nicht wahr, junger Pyro? Andernfalls wärst du bei deiner kleiner Freundin und deiner Tochter geblieben.“ John hatte es innerlich gewusst: Magneto wusste alles. Jetzt fragte sich nur, ob er diese Verbindung billigen würde. Nicht, dass er sich von Magneto davon abhalten lassen würde, Kitty zu besuchen in naher oder ferner Zukunft, aber mit Magnetos Zustimmung wäre es natürlich um einiges angenehmer und … unkomplizierter. „Ich weiß, du glaubst, ich würde diese Verbindung nicht billigen, aber das tue ich durchaus – schließlich ist Kitty Pryde eine starke Mutantin und deine Tochter wird demnach ebenso viel versprechend stark werden wie ihre Eltern – und einen starken Mutanten kann die Bruderschaft immer gebrauchen“, sagte Magneto. „Du siehst also, Pyro, ich befürworte durchaus diese Pläne – das heißt“, er verstummte kurz und seine Augen wurden zu Schlitzen, „solange du deinen Pflichten der Bruderschaft gegenüber auch nachkommst.“ John sah Magneto fest in die Augen. „Das werde ich, Magneto. Mach dir darum keine Sorgen.“ „Das tue ich auch nicht, schließlich kenne ich unseren Gott.“ Das letzte Wort hatte Magneto stark betont und ihm durchdringend in die Augen geschaut – und John wusste, was von ihm erwartet wurde. Seit diesem Gespräch war er Magneto kaum mehr von der Seite gewichen. Er wusste, was er zu tun hatte. Und so stand er nun auch hier, hinter Magneto als stille Unterstützung, bereit, jederzeit, das zu tun, was nötig sein würde. Und irgendwann würde es nötig sein, davon war er überzeugt. Für Kitty. Für Kyra. Für ein besseres Leben. Aber dennoch hatte er das Gefühl zu sterben, denn er war ohne sie – Kitty. Sie war diejenige, die ihn schon immer geliebt hatte, auch als sie es selbst noch nicht gewusst oder begriffen hatte. Sie war diejenige, die ihn auch noch dann liebte, als ich er sich schon längst von den X-Men abgewandt hatte. Sie hatte ihn gefunden und ihn geliebt. Sie wollte ihn. Er wollte sie. Das war alles, was zählte. John schloss die Augen. Er sah ihr Gesicht, wie sie bei ihrer Hochzeit in diesem atemberaubenden roten Kleid vor ihm gestanden hatte. Sie war kugelrund gewesen und hatte gestrahlt, sodass sie sozusagen aus sich innen heraus geleuchtet hatte – nie würde er mehr dieses Gesicht vergessen. „UND ZU WAS FÜHREN UNS ALL DIESE GEDANKEN? WOLLT AUCH IHR NUR REDEN, ABER NICHT HANDELN? WENN WIR ETWAS FÜR UNSERE ZUKUNFT TUN WOLLEN, DANN MÜSSEN WIR SIE SELBST IN DIE HAND NEHMEN – STEHT AUF UND KÄMPFT! DENN ES IST ZEIT FÜR EINE REVOLUTION! DIE ZEIT DER MUTANTEN IST GEKOMMEN!“ Das Geschrei der Menge war nun ohrenbetäubend. Und innerlich starb er dennoch. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)