Sterne funkeln immerfort von sherd (Georges Leben nach Freds Tod...) ================================================================================ Kapitel 13: ------------ Zurück in der Winkelgasse verbrachten sie weiterhin, wie auch schon vorher, jeden Abend gemeinsam. Immer, wenn George sie nach Hause brachte, musste er mit sich selbst kämpfen, um sie nicht zu küssen. Er wollte nicht, dass es beim ersten Mal so banal war. Angelina sollte später ihren Enkelkindern noch von diesem ersten, unvergesslichen Kuss berichten… Selbstverständlich hatte er auch schon einen passenden Tag dafür gefunden: den Valentinstag. Am vierzehnten Februar holte er sie, mit einem großen Straus roter Rosen, nach der Arbeit von Gringotts ab. Angelina fiel ihm daraufhin um den Hals und drückte ihm einen Kuss auf die Wange. Dann ergriff er ihre freie Hand und sie machten sich auf den Weg. „Wo gehen wir hin?“, wollte Angelina schließlich wissen, als George von selbst kein Wort darüber verlor. „Nach Hause.“, antwortete er und drückte zärtlich ihre Hand. Vor Georges Laden angekommen bestand er darauf, ihr die Augen zu verbinden und sie die Treppen nach oben in seine Wohnung tragen zu dürfen. „Ich bin viel zu schwer.“, protestierte Angelina daraufhin. „Ach was. Du Fliegengewicht doch nicht.“ „Doch. Ich bin wohl eher ein Pottwal.“ George lachte. „Ich trage dich trotzdem. Du solltest besser zustimmen, sonst werfe ich dich einfach über die Schulter.“ „Ich bin aber zu schwer! Du fällst bestimmt hin und brichst dir irgendetwas.“, beharrte sie weiterhin stur. Schon wieder musste er lachen: wie sie dastand, mit verschränkten Armen und ihrem halb beleidigtem, halb belustigtem Gesicht war sie einfach wunderschön. Aber eigentlich war sie das ja immer… „Naja, falls ich falle, lande ich wenigstens weich, nicht wahr? Bei so einem Pottwal hat man genug Auflagefläche.“ Schmollend schob sie die Unterlippe nach vorn. „Na das ist ja kein Kompliment.“, beschwerte sie sich. Theatralisch verdrehte George die Augen. „Was man auch sagt, es ist verkehrt.“, murmelte er mit einem leidenden Blick gen Himmel und zwinkerte Angelina dann zu. Unglaublich schnell schob er den einen Arm unter ihre Knie und den anderen unter ihre Arme, woraufhin sie einen erschrockenen Laut von sich gab, als sie plötzlich den Boden unter den Füßen verlor. „Ich hab doch gesagt, ich trage dich auf jeden Fall. Wärst du jetzt so nett, dir die Mütze über die Augen zu ziehen? Sonst muss ich das auch machen.“ Diesmal gehorchte Angelina. George trat nun mit ihr über die Türschwelle und warf die Tür hinter sich ins Schloss. Den Zauberstab hatte er in der linken Hand und da Angelina tatsächlich ein Fliegengewicht war, konnte er diese auch problemlos hinter sich verriegeln. Langsam stieg er die Treppen hinauf in die Wohnung, seine Traumfrau noch immer auf den Armen. Er fühlte Angelinas Anspannung, auch sein eigenes Herz schien in seiner Brust zerspringen zu wollen. Die Wohnungstür öffnete sich mit einem Schlenker seines Zauberstabs und er trat ein. Behutsam setzte er Angelina ab. „Die Mütze muss noch einen Moment so bleiben.“, sagte er, als er begann, ihren Mantel aufzuknöpfen und gleich darauf auszuziehen. Sie hatte eine hübsche, schwarze Bluse und ebenfalls dunkle Jeans angezogen. Ihre Haare waren zu einem wahnsinnig kompliziert aussehenden Zopf verflochten und sie trug Ohrringe. George musste unweigerlich grinsen, als er sich auch seines Umhangs entledigte. Sicherlich hatte Angelina schon geahnt, dass er irgendetwas Besonderes für heute geplant hatte, sonst wäre sie sicherlich nicht so herausgeputzt. Dann ergriff er ihre Hand und führte sie in die Küche. George stellte sich hinter ihr auf, legte seine Hände auf ihre Schultern und meinte schließlich: „Du kannst die Mütze jetzt absetzen.“ Angelina zog sich das störende Stück Stoff vom Kopf und blickte sich in der Küche um. In der Mitte des Zimmers stand ein kleiner Tisch mit zwei brennenden Kerzen und einem wunderbar duftendem Abendessen darauf. George nahm die Hand der sprachlosen Angelina, zog ihren Stuhl ein wenig zurück und wartete, bis sie sich gesetzt hatte. Dann nahm er selbst ihr gegenüber Platz. Beim Essen sprachen sie, wie sonst auch, über die Ereignisse des Tages. Außerdem lobte Angelina ihn für seine ordentliche Küche und das leckere Abendessen. Als sie nach dem Dessert jeder noch ein Glas Apfelwein getrunken hatten, stand George plötzlich auf und ging um den Tisch herum. Er reichte Angelina eine Hand, die sich ebenfalls erhob und ihn fragend anschaute. George trat erneut hinter sie und legte ihr die Hände auf die Augen. „Ich habe noch eine Überraschung.“, hauchte er sanft in ihr Ohr. Zärtlich aber bestimmt steuerte er Angelina geradewegs in sein Zimmer. Etwa in der Mitte des Raumes blieben sie stehen. „Lass die Augen noch zu.“, bat er, kurz bevor er die Hände wegnahm. Angelina fügte sich seinem Wunsch und lauschte angestrengt. Sie konnte die Geräusche nicht richtig deuten, die er da verursachte und war deswegen umso gespannter. Nach ein paar endlos langen Sekunden sagte er schließlich: „Jetzt kannst du die Augen aufmachen.“ Ihr stockte im ersten Moment schier der Atem. Sie dachte erst, es wären die kleinen Leuchtkugeln, die da so munter im Raum umher flatterten, erkannte aber bei genauerem Hinsehen, dass es lauter kleine Schmetterlinge waren, die bei jedem Flügelschlag die Farbe wechselten und im Flug einen dünnen glitzernden Schweif hinter sich herzogen. George trat neben Angelina und beobachtete mit ihr die kunterbunten Exemplare, die im Raum umher schwirrten. „Ich habe die leuchtenden Kugeln ein bisschen weiterentwickelt. Ich dachte, so gefallen sie dir besser.“, erklärte er ihr leise. Sie streckte die Hand aus und einer der Schmetterlinge landete auf ihrem Zeigefinger, wo er kurz sitzen blieb, bevor er weiterflatterte. „Die… sind wunderschön.“, stammelte Angelina und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Das hatte er nur für sie getan… nur, um ihr eine Freude zu bereiten, sie zu überraschen. Langsam drehte sie sich zu George herum und lächelte ihn glücklich an. „Sie sind allerdings nicht so wunderschön wie du.“, flüsterte er und strich ihr eine Strähne aus dem Gesicht. „Ach, du spinnst ja.“, murmelte Angelina, spürte aber, wie ihr die Tränen plötzlich die Wangen hinab rannen. George schlang die Arme um sie und zog das hübsche Mädchen so nah wie möglich an sich. „Für mich ist das aber die Wahrheit.“, sagte George leise und beugte sich hinab, um mit seinen ihre Lippen zu berühren. ‚So sollte ein erster Kuss aussehen…‘, dachte er und strich mit seinen Fingerspitzen langsam ihren Rücken hinab. Angelina legte ihm die Hände flach auf die Brust und erwiderte seinen zärtlichen Kuss. Sie hatte so lange darauf gewartet und wusste nun, dass es keinen perfekteren Moment als diesen hätte geben können. George führte sie vorsichtig hinüber zum Bett und drückte sie leicht darauf, sodass sie zum Liegen kam. Er legte sich daneben, stützte sich jedoch leicht auf seinen linken Ellenbogen und beugte sich nun über sie. Ihr süßer Atem, die weichen Lippen – George konnte einfach nicht genug von ihren umwerfenden Küssen bekommen. Angelina schlang die Arme um seinen Hals, fuhr ihm mit den Fingern immer wieder durchs Haar und kraulte seinen Nacken. Er hingegen legte die Hand an ihre Wange und fuhr mit den Fingerspitzen hinab zu ihrem Hals, als er etwas Kühles an ihrer heißen Haut tastete. Eine Kette? Bisher hatte er noch nie eine an ihr gesehen… andererseits hatte Angelina bislang auch immer Rollkragenpullover, wegen der Kälte draußen, getragen. Und er war ihr noch nie so nahe gewesen… Vorsichtig fuhr er mit den Fingern an der filigranen Kette entlang, bis er schließlich einen Anhänger gefunden hatte. Er erwiderte noch immer Angelinas drängende Küsse, versuchte aber nebenbei, aus welchem Grund auch immer, herauszufinden, was an dieser Kette hing. War das tatsächlich ein Schlüssel? Mühsam löste er sich von Angelina, die ihm einen glühenden Blick zuwarf. „Alles okay?“, fragte sie leise. „Hast du… ist das da ein Schlüssel, der an deiner Kette hängt?“, fragte George atemlos und setzte sich auf. Angelina tat es ihm gleich. „Ja,… wieso?“ Sie schien ein wenig verlegen zu sein. „Wozu gehört er?“, hakte George weiter nach und schaute Angelina ernst an. „Ich… ich weiß nicht.“, gestand sie, sichtlich verwirrt über diese plötzliche Wendung. „Ist er von Fred?“ Angelina erstarrte und nickte nach kurzem Zögern. Schnell griff George nach dem kleinen Kästchen auf seinem Nachttisch. Er hatte ganz vergessen, dass es dort stand und er eigentlich die Wohnung und den Laden nach einem passenden Schlüssel hatte absuchen wollen… „Macht es dir etwas aus, nachzusehen, ob er hier passt?“, fragte er hoffnungsvoll. „Nein, natürlich nicht, aber… ich verstehe nicht…“ George griff mit beiden Händen an ihren Nacken und löste den Verschluss mit zittrigen Fingern. Er steckte den filigranen goldenen Schlüssel in das Schloss des Kästchens, drehte ihn herum und klappte den Deckel auf. Angelina schaute ihn zunächst verwirrt an und blickte dann interessiert in das Kästchen hinein. Ganz obenauf lag ein Briefumschlag, auf dem ihr Name stand, was sie erstarren lies. George griff danach und überreichte ihn ihr wortlos. Sie verstand nicht, was das sollte. Angelina ergriff zwar den Umschlag, schaute ihren Gegenüber aber fragend an. „Was ist das für ein Brief?“, fragte sie verständnislos. Sie begriff nicht, wieso George sie mit einem so misstrauischen Blick bedachte. „Ich dachte, das kannst du mir vielleicht sagen.“, antwortete er und eine ungewohnte Härte lag in seiner Stimme. „Ich weiß es ja selbst nicht…“, murmelte Angelina, öffnete das Siegel des Umschlags und zog ein einzelnes Pergament heraus. Ang, jetzt musst du ihm alles erzählen. -Fred Nachdem sie die kurzen Zeilen gelesen hatte, spürte sie, wie erneut Tränen ihre Wangen hinab rannen. „Was ist los?“, wollte George wissen und schloss sie sofort in die Arme. Gerade eben war er noch wahnsinnig sauer gewesen, weil er sich in seinem Kopf schon die wildesten Fantasien ausgemalt hatte. Als er jedoch sah, wie sie weinte, schien sich sein Ärger in Luft aufgelöst zu haben. Diese wunderbare Frau konnte ihm einfach nichts Schlechtes wollen… richtig? Angelina schluchzte an seiner Schulter, bis er sie schließlich von sich wegschob, um ihr in die Augen sehen zu können. „Was steht in dem Brief?“, fragte er schließlich. Sie reichte ihm wortlos das Pergament. George las es mehrmals durch und schaute dann die noch immer weinende Angelina prüfend an. „Möchtest du mir etwas beichten?“, fragte er in vorwurfsvollem Ton. Es dauerte ein Weilchen, bis sie sich so weit unter Kontrolle hatte, dass sie sprechen konnte. „Du darfst mich nicht hassen, ja? Hör zu, damals in Hogwarts, als er mich zu diesem blöden Weihnachtsball eingeladen hat… das war alles meine Idee. Ich war schon so lange verknallt in dich und du hast immer nur mit irgendwelchen lustigen Sprüchen gekontert, wenn ich versucht habe, es zu beichten. Das hat mich in den Wahnsinn getrieben, wirklich. Ganz zu schweigen von meinen Andeutungen, dass ich gerne mit dir zum Ball gehen würde… Also hab ich irgendwann Fred um Rat gefragt, der sich eigentlich sicher war, dass du… naja, dass du mich auch gerne hast. Zusammen haben wir dann einen total hirnrissigen Plan ausgeheckt… Zuerst hat er mich also vor deinen Augen zum Ball eingeladen. Ich hab im ersten Moment wirklich gedacht, dass du jetzt endlich mal den Mund aufmachen würdest und ihm sagst, dass es dir nicht passt, weil du ehrlich richtig sauer ausgesehen hast. Aber nein, im nächsten Moment du hast deinem Bruder nur zugezwinkert und dann Katie gefragt. Ich war so sauer, ich hab wochenlang nicht mit ihr gesprochen… Naja, als das keine Wirkung gezeigt hat, musste ich mir ja etwas anderes überlegen… also sind wir einfach ewig lange beim Ball geblieben und haben getanzt, um ein paar Gerüchte zu schüren, was ja auch ganz gut funktioniert hast. Am nächsten Morgen beim Frühstück haben immerhin alle darüber gesprochen und ich hab dir angesehen, dass dich das rasend macht. Aber du hast deinen Bruder lediglich damit aufgezogen, wie alle anderen… ich hab die Welt nicht mehr verstanden… also war Fred so nett zu tun, als wären wir ein Paar. Immer, wenn wir uns getroffen haben, musste er sich mein Rumgejammer anhören und wir haben jede deiner Aussagen mir gegenüber genauestens analysiert. Er war wirklich süß… und irgendwann wart ihr dann einfach weg, von dem einen auf den anderen Tag. Ich hab die Welt nicht mehr verstanden, weil ich immer gedacht habe, dass du mich auch magst. Aber... aber dann war da keine Eule, gar nichts. Ich hab wochenlang nur geheult. Fred musste mir schwören, dass er den Mund hält und dir nichts sagt und ich bin froh, dass er das auch getan hat. Ich wollte nicht, dass du irgendwie das Gefühl hast, dass du beeinflusst wirst, weißt du. Tja, eines Tages war ich dann bei euch im Laden und… naja, es hat mich wieder umgehauen. DU hast mich wieder umgehauen, obwohl ich echt dachte, ich wär drüber hinweg. Fred meinte die ganze Zeit, ich solle mitkommen, du würdest dich wahnsinnig freuen mich zu sehen… aber ich konnte nicht. Ich hab gesagt, ich würde später wiederkommen, wenn keine Kunden mehr da sind. Das hab ich auch gemacht, aber… naja, das war wohl der Tag, an dem ihr zu eurer Tante geflüchtet seid. Ich bin dann in den folgenden Monaten jeden Tag nach der Arbeit am Laden vorbei gelaufen, aber die Fenster waren immer dunkel… und irgendwann waren da diese blöden Münzen von den DA Treffen, also bin ich sofort nach Hogwarts gereist und… naja, Fred hat mich beiseite genommen und gesagt, dass ich dir sagen soll, was Sache ist, dass ich in dich verknallt bin, solange ich noch die Gelegenheit dazu habe. Und ich wollte nicht, hab mich geweigert, weil ich dachte, du würdest… so eine wie mich eh nicht wollen. Dann hat er mir die Kette mit dem Schlüssel gegeben und mich gebeten, nein, angefleht, dass ich sie tragen soll, immer, nicht einmal zum Schlafen sollte ich sie abnehmen. Er meinte, eines Tages würde ich dir schon alles erzählen müssen, ob ich nun will oder nicht und er würde schon dafür sorgen. Ich hab das damals nicht verstanden. Jetzt aber schon.“ Wieder brach sie in Tränen aus. George war für ein paar Sekunden wie betäubt, er musste diese Flut an Informationen erst einmal verarbeiten, während sie unaufhörlich schluchzte. Als er sich wieder gefangen hatte, rutschte er neben Angelina, zog sie auf seinen Schoß und umarmte sie fest. „Hör auf zu weinen.“, bat er und strich zärtlich über ihr langes Haar. „Dann lass mich nicht wieder allein.“, murmelte sie und klammerte sich fest an ihn. „Wie könnte ich das?“, flüsterte er und gab ihr einen kurzen Kuss. „Heißt das, du hasst mich nicht?“, fragte sie, nachdem George sich wieder von ihr gelöst hatte. „Ganz bestimmt nicht. Wieso sollte ich?“, wollt er wissen und trocknete ihre Wangen mit dem Stoff seines Hemdärmels. „Weil… naja. Weil wir dich damals in Hogwarts so an der Nase herumgeführt haben, weil ich dir selbst jetzt noch alles so lange verschwiegen habe.“, sagte sie leise und schniefte. George lächelte und drückte Angelina dann so fest wie möglich an sich. „Was damals war, ist egal. Zählt nicht das, was wir jetzt haben?“, flüsterte er in ihr Ohr. Er war glücklich, so glücklich, dass er wirklich immer nur der Eine für sie gewesen war, dass er es selbst jetzt noch war. Angelina Johnson war verknallt in ihn und die frühere Scheinbeziehung mit seinem Zwillingsbruder war egal, weil er wusste, dass Fred das für ihn getan hatte; dass er ihm hatte helfen wollen, glücklich zu werden. Auf seine eigene, abgedrehte Art und Weise. Vorsichtig ließ er Angelina los und tastete nach der Schatulle, um zu sehen, was noch darin war. Als nächstes kramte er einen Stapel alter Fotos heraus, die ausschließlich Angelina und George zeigten, meist beim Lernen, dem Quidditchtraining oder während der Mahlzeiten in der großen Halle. „Wow, wo hat er die denn alle her…“, murmelte Fred und sah begeistert zusammen mit Angelina die Fotos durch. Auf jedem Bild war es das Gleiche: die beiden sahen einander nie direkt an, sondern warfen sich nur verstohlene Blicke zu. Als sie das feststellten, mussten sie lachen. Es war all die Jahre so offensichtlich gewesen – wahrscheinlich für jeden. Nur sie selbst hatten nie zueinander gefunden. Das letzte Bild zeigte die beiden während ihres einzigen Tanzes zum Weihnachtsball. George lachte leise. „Daran kann ich mich gar nicht erinnern.“, sagte er schließlich. „Kein Wunder, du warst auch wahnsinnig betrunken.“ Er nickte bedächtig. „Stimmt. Es mich echt krank gemacht hat, dass du mit Fred auf dem Ball warst.“ Angelina lächelte und selbst mit ihren geröteten Augen war sie noch immer unbeschreiblich, unwiderstehlich schön. „Wir dachten zuerst, unser Plan geht auf, als du mich um einen Tanz gebeten hast. Aber danach warst du ganz plötzlich verschwunden.“ „Ich weiß nur, dass ich am Morgen im Badezimmer auf dem Fußboden aufgewacht bin… anscheinend ging es mir wohl nicht mehr so gut.“ Sie schwiegen eine Weile und schauten dem Pärchen – sich selbst – auf dem Bild dabei zu, wie sie über die Tanzfläche wirbelten. „Das Bild ist wunderschön.“, bemerkte Angelina und legte den Kopf auf die Schulter von George. Dieser nickte. „Ja, und dafür, dass ich so betrunken war, tanze ich doch erstaunlich gut, oder was?“ Er legte die Fotos beiseite und holte als Nächstes ein paar Pergamente aus dem kleinen Kästchen hervor. „Okay, nun wird’s peinlich.“, sagte Angelina und schlug die Hände vors Gesicht, während George die Zettel las. Fred und sie hatten sich damals während der Unterrichtsstunden öfter kleine Nachrichten geschrieben. George hatte angenommen, dass es dabei um irgendwelche Liebesbotschaften gehandelt haben musste und war deswegen jetzt überrascht, als er feststellte, dass er der Mittelpunkt war. ‚Er hat mich vorhin angelächelt, als ich dir mit dem Tagespropheten eins auf den Deckel gegeben habe – ob das etwas zu bedeuten hat? ‘ ‚Er hat Süße zu mir gesagt – das hat er vorher noch nie gemacht! ‘ ‚Er hat die Verabredung mit Katie abgesagt – warum? ‘ Unter all ihre Fragen hatte Fred in seiner kleinen, unordentlichen Schrift seine persönliche Meinung und Beurteilung dazu verfasst. Immerhin kannte er seinen Bruder am besten und wusste somit sicherlich besser als alle anderen, was er mit diesem und jenem Verhalten sagen wollte. „Das ist echt süß.“, bemerkte George, nachdem er den letzten Zettel zu Ende gelesen und beiseite gelegt hatte. Angelina nahm ihre Hände wieder herunter, hinter denen sie ihr Gesicht verborgen hatte. „Ich finde es eher peinlich.“, gestand sie. „Würde ich an deiner Stelle auch.“, neckte George sie und gab ihr einen kleinen Kuss auf die Stirn. Dann griff er wieder nach der Schatulle. Jetzt war nur noch ein kleines, schwarzes Döschen darin. „Jetzt wird es dann peinlich für mich, fürchte ich.“, gestand er und machte keine Anstalten es heraus zu nehmen. Also griff Angelina stattdessen danach und ließ es mit einer kleinen Bewegung aufschnappen. Zum Vorschein kam ein hübscher, etwa Kleinfingergroßer Stein, der in allen Farben des Regenbogens schimmerte. Wie die Schmetterlinge, die noch immer um sie herum flatterten. Angelina zog an dem Stein und stellte fest, dass er an einer Kette befestigt war. Prüfend hielt sie ihn in den bunten Lichtern, die mit jedem Flügelschlag wechselten, nach oben und besah ihn sich von allen Seiten. „Der ist echt hübsch. Wieso ist der da mit dabei?“ George atmete tief ein und aus, bevor er antwortete. „Eigentlich war er für dich gedacht, so als Weihnachtsgeschenk, weißt du. So solltest du erfahren, was ich für dich empfinde… Aber dann… naja, hattest du ja ein Date mit meinem Bruder und da hielt ich es nicht mehr für sonderlich angebracht ihn zu verschenken. Eigentlich hatte ich die Kette weggeworfen, aber Fred scheint sie wohl wiedergefunden zu haben.“ „Die ist… wirklich für mich gewesen?“, fragte Angelina atemlos und betrachtete den Stein von allen Seiten. Etwas so wunderschönes, nur für sie? „Eigentlich ist sie noch immer für dich, weißt du?“, sagte George plötzlich und nahm ihr die Kette aus der Hand. Mit ein paar geschickten Handgriffen hatte er sie ihr auch schon umgelegt. Angelina betrachtete den Stein und war noch immer völlig sprachlos, während George damit begann, die gefundenen Dinge wieder in das Kästchen zurück zu räumen und es anschließend auf den Nachttisch zu stellen. Dann nahm er vorsichtig Angelinas Kopf zwischen seine Hände, sodass sie den Blick heben und ihn anschauen musste. „Es hätte alles so einfach sein können, zwischen uns, schon von Anfang an, weißt du.“, sagte er dann. Angelina nickte leicht und lächelte. „Was lange währt wird letztlich gut, oder wie war das doch gleich?“, sagte sie daraufhin. Schließlich streckte George sich lang auf dem Bett aus und zog Angelina zu sich, sodass diese halb auf ihm lag. Wieder küssten sie einander; zärtlich, vorsichtig. Irgendwann löste sie sich von ihm, wenn auch ein wenig widerwillig, um den Kopf auf seiner linken Brust abzulegen. George strich mit der einen Hand über ihr langes Haar den Rücken hinab, die andere ruhte flach auf seinem Bauch. „Dein Herz schlägt so schnell.“, stellte Angelina irgendwann fest. George lächelte. „Liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich so wahnsinnig freue.“ Zufrieden beobachtete er die leuchtenden Schmetterlinge, die immer wieder kurz auf ihnen landeten, um gleich darauf ihren Weg fortzusetzen. Irgendwann, als er schon beinahe eingeschlafen war, spürte er plötzlich, wie Angelina aufstand. Er ließ die Augen geschlossen und lauschte nur, wie sie im Flur ihren Mantel anzog und leise die Wohnungstür hinter sich schloss. Im ersten Moment wunderte er sich ein wenig darüber, dass sie schon ging, vor allem, ohne sich zu verabschieden. Allerdings war er jetzt gerade einfach zu müde, um weiter darüber nachzudenken… Als er am nächsten Morgen erwachte, brauchte George eine ganze Weile, um sich zu orientieren. Die Schmetterlinge hatten sich bereits in Luft aufgelöst und Angelina war nicht mehr da, wie er enttäuscht feststellte. Wann war sie denn gegangen? Schnell schwang er die Beine aus dem Bett und ging unter die Dusche. Als er frische Kleidung angezogen hatte, schlang er schnell etwas zum Frühstück herunter und warf sich dann seinen Mantel über. Er rannte die Stufen nach unten und verriegelte dann die Ladentür hinter sich. Gierig sog er die kalte Morgenluft ein und es kümmerte ihn keineswegs, dass es wahnsinnig schneite und er innerhalb weniger Sekunden mit einer dünnen weißen Schicht aus Eiskristallen bedeckt war. Gutgelaunt rannte er den kurzen Weg zu Angelinas Haus beinahe und klopfte dann an ihrer Haustür. Es dauerte ein Weilchen, bis sie ihm schließlich, nur in einen Bademantel gehüllt, öffnete. Seltsamerweise schien sie eher erschrocken als erfreut zu sein, ihn hier zu sehen. „George?“ „So lange nicht gesehen und du erkennst mich noch. So ein Glück!“ Er warf einen Blick auf ihre nackten Beine und grinste. „Anscheinend komme ich genau im richtigen Moment.“ Sein Lächeln erstarb, als er die tiefen Ringe unter ihren Augen bemerkte. Bildete er sich das nur ein oder sah sie wirklich so aus, als hätte sie bisher noch nicht geschlafen? „Ist alles okay?“, fragte er dann, als sie schwieg. Angelina lächelte gezwungen. „Ja, klar… ähm… kannst du vielleicht später wiederkommen?“ „Hey Angelina, wo bist du?“, ertönte plötzlich eine eindeutig männliche Stimme aus dem Haus hinter ihr. Sämtliche Farbe schien aus ihrem dunklen Gesicht zu weichen. George fühlte sich, als hätte ihm jemand ein Messer in die Brust gerammt. „Ich dachte, du lebst alleine.“ „Tu ich auch, aber… naja…“ „Hast du Besuch?“ „Ähm, nicht wirklich…“ „Willst du mir vielleicht irgendetwas sagen?“ „George, wirklich, ich kann dir alles erklären, aber nicht jetzt, weil-“ Er unterbrach sie mit einer ungeduldigen Handbewegung. „Schon klar, hab verstanden. Glaub ja nicht, dass du mich so schnell wiedersiehst.“, knurrte er und wandte sich um. Angelina schloss die Tür schnell hinter ihm, ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren. Hosted by Animexx e.V. 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