Spiel der Liebe von Erdnuss91 ================================================================================ Kapitel 44: Lampenfieber ------------------------ Jetzt ist Uruha schon ganze drei Monate in der Klinik. Die Arbeiten an der Single sind längst abgeschlossen und bis auf ein paar Promotermine hier und da habe ich im Grunde nichts zu tun. Die ersten paar Wochen ohne ihn hatte ich die komplette Wohnung gesäubert und ich hatte meinen Kram ausgemistet. Das war bitter nötig, denn die letzten Monate ist einiges liegen geblieben. Und selbst als Uruha hier einzog hatten wir ja nur das nötigte von in ihm ein meiner Wohnung verstaut. Und jetzt konnte ich auch endlich einiges von seinen Sachen aus dem Keller holen und in die Schränke räumen. Vielleicht hilft ihm das auch dabei meine Wohnung als unsere zu betrachten. Es ist zudem einfach nur anstrengend wieder alleine zu sein, wenn man für sehr lange Zeit immer jemanden an seiner Seite hatte. Und auf der Tour war ich bis auf wenige Ausnahmen nie alleine. Wenn ich jetzt mal einen schlechten Tag habe, dann muss ich mich selbst motivieren. Und ich will auch die Zeit sinnvoll nutzen um Kraft für die kommenden Wochen zu tanken. Natürlich habe ich meinen Freund an den Wochenenden besucht, aber viel auf dem Klinikgelände kann ich auch nicht mit ihm machen. Hauptsächlich liegt das an der Presse, denn die darf ja nichts von dem Aufenthalt und unserer Beziehung mitbekommen. Deshalb war ich auch so froh darüber, dass er nach über 2 Monaten endlich eine Nacht pro Woche heimkommen konnte. Hier in der Wohnung haben wir freie Bahn und müssen keine Rücksicht auf andere nehmen. Das erste Mal hatte ihn komplett überfordert und ich hatte dann auch an dem Tag zusammen mit Reita überlegt, ob wir Uruha nicht besser umgehend zurück in die Klinik bringen. Denn dort hätte er wenigstens was stärkeres gegen die Panikattacken bekommen. Aber letztendlich hatten wir uns dagegen entschieden, denn nach der Entlassung ist das ja auch nicht mehr möglich. Und genau dieser große Tag steht in einem halben Monat an. Aus dem Grund haben wir jetzt auch eine handvoll Therapiesitzungen zusammen, was wirklich anstrengend ist. Und ich war deshalb auch schon bei einigen Organisationen, die mir erklärt haben wie ich die Situation besser handhaben kann. Es muss sich halt grundlegend etwas an unserem Verhalten gegenüber Uruha ändern, ansonsten landet er schon wieder in der Psychiatrie. Und genau das will keiner von uns. Zu manchen Terminen hatte mich auch Reita begleitet, da er ja auch ziemlich viel Zeit mit Uruha verbringt und mir eine größere Stütze sein will. Um mit dem Umstand fertig zu werden habe ich auch wieder regelmäßig Therapiestunden bei meinem Therapeuten. Er betont immer wie wichtig es ist, dass ich mich nicht herunter ziehen lasse. Und ich soll meine Freunde um Hilfe bitten, damit nicht mehr so eine große Last auf meinen Schultern ist. Auch nach der Entlassung wird Uruha noch sehr lange in Therapie sein und wir werden wahrscheinlich dann in naher Zukunft eine Paartherapie machen. Wir wollen an unserer Beziehung festhalten und ich denke wir brauchen dabei jede Hilfe, die wir bekommen können. Und in der Klinik habe ich schon gemerkt wie gut die Gespräche zu dritt sind und das es Uruha dann auch um einiges leichter fällt über alles zu reden. Es ist äußerst wichtig, dass wir einmal über alles was passiert ist reden damit es uns nicht noch einmal den Boden unter den Füßen wegreißt. Und genau das ist ja zuletzt passiert. Mein Therapeut hat mir auch dabei geholfen wieder Mut zu fassen und eben nicht mit meinem Freund Schluss zu machen. Direkt nach der Tour wäre ich am liebsten auch aus der Band raus, weil ich einfach nicht mehr konnte. Die Versagensängste waren einfach zu groß und ich habe nach wie vor Angst vor Uruhas Entlassung. Was ist wenn wir ihm wirklich nicht helfen können? Einmal hatte ich nachts vollkommen aufgelöst Kai angerufen, welcher auch prompt kam um mich wieder zu beruhigen. Er hatte dann auch gefühlt Stunden mit mir über das Thema Band gesprochen und was wir als Gruppe machen können um Uruha besser zu unterstützen. Er geht auch einmal pro Woche mit mir einkaufen, da mich das alleine komplett überfordert. Danach kochen wir oft zusammen und machen uns einen schönen Tag. Mein Therapeut meinte, dass das wahrscheinlich bald wieder besser wird und ich einfach noch Geduld brauche. Meine Tabletten wurden nach der Tour noch einmal angepasst wegen der Unruhe und der Übelkeit und seit dem klappt es wenigstens wieder mit dem Essen. Dank ihnen bin ich tagsüber viel ruhiger und die Aufnahmen für die Single sind auch dementsprechend gut verlaufen. Es ist schön wieder konzentriert arbeiten zu können und das nutze ich momentan richtig aus in dem ich mich an neue Songs setze. Mein Therapeut gibt mir zudem immer wieder Aufgaben mit und die helfen mir dabei meine Gedanken zu ordnen. Und dank denen fällt es mir auch etwas leichter mit all den Sorgen umzugehen. Wir gehen halt jetzt nach und nach jedes Szenario durch und somit habe ich wenigstens schon einmal einen Plan, was ich in welchem Fall tun soll. Auch Uruhas ambulanter Therapeut war dafür und mal schauen, ob das hilft oder eben nicht. Gerade gehe ich die Interviewzettel durch, damit ich am Wochenende nur noch ein paar mit Uruha zusammen ausfüllen muss. So haben wir wenigstens etwas sinnvolles zu tun und können die Stille überbrücken. Wobei am Samstag auch der Rest der Band kommt und mal schauen, was wir dann machen. Erst einmal wollen wir nur einen gemütlichen Abend miteinander verbringen und dann müssen wir gucken wie es Uruha geht. Es stehen nämlich direkt nach seinem Aufenthalt Interviewtermine an, die der Manager nicht absagen möchte und zu denen soll auch Uruha mit. Aber das geht natürlich nur, wenn er sich bereit dafür fühlt, denn ein völlig zugedröhnter Uruha ist keine Option. Wir wollen halt nichts überstürzen und wenn er nicht möchte, dann ist das laut Manager auch vollkommen in Ordnung. Wobei ja Fragen bezüglich des Gerichtsprozesses und alles was damit zusammen hängt ohnehin tabu sind, aber trotzdem hat Uruha Angst vor solchen Terminen. Denn die Sensationsgier der Reporter kennt keiner Grenzen und es wäre nicht das erste Mal, dass uns solche Fragen gestellt werden. Es gibt auch die Theorie, dass das alles nur ein PR-Gag ist. Oder dass Uruha es sogar wollte, dabei können auch Männer vergewaltigt werden. Diese Theorien machen mich einfach nur wütend, denn beinahe hätte ich wegen alldem meinen Freund verloren. Und wahrscheinlich würden die Polizeiberichte noch nicht einmal das Maul von diesen Geiern stopfen. Wie kann man bitteschön nur so skrupellos sein? Eigentlich müsste ich jetzt glücklich sein, denn es läuft eigentlich ganz gut. Auch wenn ich mich um ehrlich zu sein frage, ob es jemals wieder richtig gut werden wird. Uruha ist nach wie vor ziemlich unsicher und ich muss ihm oft mit Worten bestätigen, dass sich zwischen uns beiden nichts geändert hat. Laut seinem Psychologen in der Klinik soll ich mir keine Gedanken machen, denn Uruha würde ziemlich offen und auch viel über mich sprechen. Gegenüber anderen sagt er zwar immer, dass ich eine Frau bin aber das ist vollkommen okay so. Es muss ja nicht jeder wissen, dass er schwul ist und wahrscheinlich ist es auch besser so. Nachher kommt das doch noch auf diesem Wege raus und das käme mit den ganzen Schlagzeilen rund um die „Vergewaltigung“ und dem Gerichtsprozess nicht gut. Und leider gibt es einfach auch zu viele homophobe Menschen und wer weiß wie seine Mitpatienten drauf sind oder die Pfleger? Deshalb weiß es auch nur sein Psychologe und das ist eigentlich schon einer zu viel. Manchmal wünsche ich mir, dass ich offen zu Uruha stehen könnte. Wobei es wenigstens in unserem Freundeskreis kein Thema ist und das ist schon einmal viel wert. Uruha sieht das anders, denn er hält unsere Beziehung gerne geheim. Er hat zudem nach wie vor Angst davor, dass uns was passieren könnte. Das mit der Angst ist leider ein ständiges auf und ab, wobei das durch die jetzige Therapie um Welten besser geworden ist. Mittlerweile geht er auch in den Abendstunden mit mir durch den Park und das ohne wegen jedem kleinen Geräusch zusammen zuzucken. Und auch sonst ist er wieder um einiges ruhiger und gelassener, was aber hauptsächlich auch an den richtigen Medikamenten und der Therapie liegt. Und ich bin einfach nur froh darüber, dass die endlich die richtige Kombination gefunden haben und er nicht mehr suizidal ist. Denn das war mit einer der schlimmsten Dinge die letzten Monate! Es hat mir aber auch gezeigt wie es wohl für Uruha gewesen sein muss, als ich diese Phase hatte. Und da war ich zeitweise doch sehr stark alkoholisiert, was mich ja zusätzlich noch unberechenbarer machte. Zudem ich bin einfach nur froh über die positiven Änderungen, denn somit wird sich auch viel in unserer Beziehung ändern. Und das heißt auch sie wird um einiges normaler werden, wie auch immer man normal definieren möchte. Als die Türklingel geht erschrecke ich mich ziemlich. Wer will denn bitte um die Uhrzeit etwas von mir? Der Rest der Band kündigt sich immer vorher an, da ich sie ausdrücklich darum gebeten hatte. Grummelnd gucke ich an mir herunter und bin froh darüber halbwegs vorzeigbar auszusehen. Heute wollte ich nichts großartig mehr tun und deshalb lauf ich mit einer alten Jogginghose und einem alten T-Shirt herum. Widerwillig gehe ich zur Tür, gucke durch den Spion und lasse Akiya und Kai rein. Warum hat er mich nicht vorgewarnt? Oder wusste er, dass ich dann von vorneherein abgesagt hätte? Kai hat eine große Plastiktüte in der Hand und grinst mich freudestrahlend an. Nacheinander nehmen mich beide in den Arm und Kai marschiert ohne groß etwas zu sagen in die Küche. Soweit ich das gesehen hatte waren da Transportschalen für Essen in der Plastiktüte? „Und wie geht es dir, Aoi-chan?“, erkundigt sich Akiya. „Bin ziemlich nervös, da am Wochenende Uruha heimkommt und wir ihn wegen der Auftritte fragen wollen. Ich hab Angst davor, dass er noch nicht bereit sein könnte. Und dir?“, erwidere ich. Zusammen gehen wir in die Küche und setzen uns auf die Stühle. „Mir geht’s gut. Wie kommst du darauf, dass er noch nicht bereit sein könnte? Letztes Wochenende war er doch super drauf und laut deinen Erzählungen geht es doch bergauf bei ihm“, erwidert er. Kopfschüttelnd entgegne ich: „Das hatten wir nach dem letzten Psychiatrieaufenthalt auch gedacht und ich möchte den Fehler nicht wiederholen. Es ist einfach so schwer die Situation richtig einzuschätzen und ich habe richtig Angst davor, dass wir ihn zu der falschen Entscheidung drängen. Nachher geht er nur mit zu den Interviews um uns einen Gefallen zu tun und nicht weil er bereit dazu ist wieder arbeiten zu gehen. Die ganze Bandsache hat ja erst zu dem Schlamassel geführt.“ Akiya schaut mich nachdenklich an und legt eine Hand auf mein Knie. Mit fester Stimme versichert er mir: „Aber die Band liebt er doch nach wie vor und ihr spielt doch wenn er hier ist zusammen auf der Gitarre und im Studio war er ja auch schon. Ich glaube du machst dir da gerade unnötig Gedanken. Und so wie ich ihn letzte Woche erlebt habe ist er durchaus wieder in der Lage 'nein' zu sagen und deshalb solltest du ihm auch was die Interviews betrifft vertrauen. Vorerst habt ihr ja was die Band betrifft ohnehin frei und dann könnt ihr euch ja langsam an den Rest herantasten.“ Unsicher beiße ich mir auf die Unterlippe und frage mich, ob Akiya ihn richtig einschätzt. Die letzten Wochen ist mein Freund tatsächlich wieder sehr selbstständig geworden was Entscheidungen betrifft und wenn ihm etwas nicht gepasst hat, dann hat er es in der Regel auch gesagt. Und das habe ich vor allem an den Wochenenden hier in der Wohnung gemerkt, wenn er darauf bestanden mit mir zusammen zu essen. Ich neige leider immer noch dazu mal Mahlzeiten auszulassen und er muss ja auch darauf achten wie viel er am Tag zu sich nimmt. Lächelnd meint Kai: „Wir müssen ja nicht direkt mit der Tür ins Haus fallen, wenn er hier ist. Wir wollten ja erst einmal nur den Abend zusammen als Band verbringen und dann sehen wir ja, ob ihm das alles zu viel ist. Es sind ja auch nur keine Interviews mit Zeitschriften und irgendwelchen Radiomoderatoren, da sagt jeder von euch beiden Satz wenn überhaupt.“ Trotzdem ist es der erste öffentliche Auftritt von Uruha seit über 3 Monaten und das darf man ja nicht unterschätzen. Aber ich glaube der Rest der Band sieht das nicht so kritisch, weil sie im Gegensatz zu mir ja nicht die ganzen Stunden in der Klinik verbringen. Und vor allem bei den Therapiesitzungen erfahre ich Dinge, die ich eigentlich gar nicht wissen möchte. Aber als Lebensgefährte von Uruha ist es schon von Vorteil auch konkret zu wissen was ihn belastet und einiges betrifft halt die Band. Aber solange Uruha die anderen nicht einweihen will, werde ich was das betrifft schweigen. Er hat nun einmal Angst davor alles zu verlieren, nur weil er eben so Schwierigkeiten hat mit der Vergewaltigung zu leben. Und vor allem mit der Gefahr, dass es noch einmal passieren könnte und der Täter mal wieder ein durchgeknallter Fan ist. Und da ist noch so vieles mehr was ich den anderen nicht sagen darf bzw. kann. Vielleicht würden sie dann alles nicht mehr so locker sehen? Wobei sie ja auch wissen, dass Uruha nicht geheilt aus der Klinik entlassen wird und noch ein langer Weg vor uns liegt. Aber trotzdem habe ich an manchen Tagen das Gefühl, als würden sie die Tatsache verdrängen. --------------- Und liest das hier noch jemand? :) Mittlerweile umfasst die FF ganze 300 Seiten :o Und in ein paar Monaten ist sie schon 12 Jahre alt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)