A Reason to live von Lady_Ocean ================================================================================ Kapitel 1: A Reason to live --------------------------- Vorwort: Das ist mein Beitrag zur Erweiterung der TRC-FF-Datenbank. Ich finde nämlich, dass es von diesem Manga noch vieeeel zu wenige Fanfics gibt ^^. Und vielleicht fühlt sich der ein oder andere ja berufen, es mir gleichzutun und ebenfalls eine kürzere oder längere Geschichte zu diesem tollen Manga zu verfassen. Diese FF beschreibt ein mögliches Ende des Kampfes gegen Ashura und setzt von der Erzählung her genau in diesem Kampf, also bei Kapitel 162 an. Man muss also die aktuellen Geschehnisse weitestgehend kennen, um das Folgende verstehen zu können. Dummerweise ist heute auch schon Kapitel 163 rausgekommen und damit stimmt meine Version natürlich vorn und hinten nicht mehr mit dem Manga überein, aber was solls. Ich kann es nicht ändern. Ich hoffe, ihr könnt das verschmerzen und viel Spaß beim Lesen! Pairing: KuroFye Kapitel: 1/1 Disclaimer: Charaktere und alles Weitere gehören den großartigen Zeichnern von Clamp (leider ^^). ~-~*~-~ A Reason to live Obwohl es anfangs der Wunsch des Magiers gewesen war, nie wieder hierher zurückkehren zu müssen, hat es die mittlerweile nur noch aus drei Leuten und Mokona bestehende Truppe nun doch nach Ceres Country verschlagen. Das Ironischste daran war, dass es letztendlich Fyes eigener Wille gewesen war, der sie hierher gebracht hatte. Die jüngsten Ereignisse hatten ihn verständlicherweise am stärksten von ihnen allen mitgenommen und nun schien er zum ersten Mal seit Beginn ihrer Reise den Mut zu haben, sich seinem Schicksal zu stellen anstatt nur vor diesem davonzulaufen. … Auch wenn sie das unausweichlich in König Ashuras Fänge geführt hatte, den Grund für Fyes Abneigung gegen seine Heimat. Das Schlimmste jedoch war, dass der Magier seinem ehemaligen Herrscher hoffnungslos unterlegen zu sein schien. Ashura kannte Fyes Schwäche – seinen verstorbenen Zwillingsbruder und all die Schmerzen, die beide in der Vergangenheit hatten erleiden müssen – und nutzte diese skrupellos aus. Auch Shaolan hatte schwer mit einem Fluch zu kämpfen, der ihm alle Sinne raubte und jegliches Handeln unmöglich machte. So war Kurogane der Einzige, der sich frei bewegen und kämpfen konnte – was ihn Ashura jedoch trotzdem keinen Schritt näher brachte, weil er all seine Kraft brauchte, um sich vor Fyes in dem Raum explodierender Magie zu schützen. Mit jeder Welle, jedem Ausbruch von Magie wurde Kurogane sich bewusster, dass er sich beeilen musste, denn die Bilder, mit denen Fye konfrontiert worden war, überforderten ihn haltlos und brachten ihn zusehends näher an den Rand des Wahnsinns. Der Ninja hatte fast das Gefühl, die magischen Angriffe würden sich immer stärker gegen ihn richten. Endlich gelang es ihm, eine Unstetigkeit in der Barriere auszumachen, die Fye um sich herum errichtet hatte und diese mit Souhi zu durchbrechen. Sein primäres Ziel galt nun der Zerstörung der Illusion von Fyes Zwillingsbruder, die der Magier krampfhaft umklammert hielt. Mit einem blitzschnellen Griff schaffte er es endlich, den Magier zu Boden zu drücken und seinem Wüten erst einmal Einhalt zu gebieten. „Deine Vergangenheit hat nichts mit mir zu tun. Und außerdem, falls das, was dieser Typ uns hier zeigt, wirklich deine Vergangenheit ist, dann macht sie überhaupt keinen Sinn! Wenn deine magischen Kräfte umso stärker werden, je häufiger du sie benutzt, würden sie enorm anwachsen, wenn du sie so oft einsetzt, wie du willst. Das würde es für den Fluch umso schwieriger machen, seine Wirkung zu entfalten, wenn er nur auf Leute mit höheren magischen Fähigkeiten als deiner eigenen reagiert. Doch in der Vergangenheit, die wir gerade gesehen haben, sagte Ashura: ‚Wenn dieses Tattoo sich an deinem Körper befindet, kann deine Magie nicht weiter anwachsen, bis das Ornament verschwindet. Was würdest du damit erreichen?“ In einer der unzähligen Glasscherben, die in dem Raum umherschwebten, zeigte sich erneut das Stück aus Fyes Vergangenheit, welches Kurogane eben angesprochen hatte, diesmal in leicht veränderter Form: „Es ist schon okay“, beschwichtigte Ashura den jungen Fye gutmütig. „Es wird problematisch, wenn deine magische Kraft allzu schnell zu stark wird. Der Fluch, denjenigen zu töten, der stärker ist als du, wird gebrochen, nachdem er einmal in Kraft getreten ist. Derjenige, den du dann für mich töten musst…muss ich selbst sein.“ Mit diesen Worten nahm König Ashura den jungen Magier beruhigend in die Arme, versuchte, ihm das Verstehen dieser schweren Bürde so gut es ging zu erleichtern. Die Erinnerung zerbrach, als Kurogane mit seinem Schwert dazwischen ging. „Hör auf mit dem Schwachsinn!“, zischte er sichtlich gereizt. „Was zur Hölle planst du, dass du uns eine Vergangenheit zeigst, die so leicht zerfällt?“ Ashura lächelte überlegen. „Ich möchte nur, dass du mir meinen Wunsch gewährst, Fye.“ Sofort konnte Kurogane das Glühen in den Augen des blonden Magiers sehen, welches von neuer Kampfbereitschaft und Stärke zeugte, die diesmal eindeutig gegen ihn gerichtet waren. Mit einem ziemlichen Kraftaufwand gelang es ihm, Fye weiterhin am Boden festzunageln, doch er wusste, dass dies keine Lösung war. Er versuchte erneut, mit seinen Worten zu seinem Gefährten durchzudringen. Vielleicht gelang es ihm, Fyes letzten Rest Vernunft wachzurütteln. „Was mit deiner Vergangenheit ist, ist deine Sache! Ich habe damit nichts zu tun! Aber lass dich von diesem Betrüger nicht einfach so reinlegen, damit er dir kurzerhand den Kopf umdrehen kann! Weil aufgeflogen ist, dass seine nette, kleine Geschichte einen Fehler enthält, hat er sie kurzerhand umgedichtet – als ob das nicht schon lächerlich genug wäre! Außerdem hast du mir selbst, kurz bevor wir hierher gekommen sind, die Macht verliehen, Souhi auch ohne Mokonas Hilfe benutzen zu können. Damit hast du mir die Möglichkeit gegeben einzugreifen und ich bin mir sicher, du wusstest, warum du das getan hast. Und falls du es vergessen hast: Bis gestern warst du felsenfest davon überzeugt, nie wieder hierher zurückkehren zu wollen. Ich weiß nicht, was genau damals los war, als unsere Reise begann, aber ich kann nicht glauben, dass du wegen so trivialer Gründe, mit denen dieser Lügner uns hier abspeisen will, diesen Entschluss gefasst hast. Und du würdest deswegen erst recht nicht dein Leben wegwerfen können. Das wäre nicht der Fye, den ich kenne! Das wäre nicht der Fye, der so entschlossen ist, Sakuras Federn zurückzuholen, dass er freiwillig in die Höhle des Löwen gehen wollte und das auch noch allein! … Aber du musst das nicht allein durchziehen.“ Kurogane hatte bemerkt, dass Fyes Widerstand im Laufe seiner kurzen Rede geringer geworden war, sodass er es zum Ende hin sogar wagen konnte, den Kopf des Blondschopfs an den Haaren hochzuziehen, sodass dieser ihn direkt ansehen musste, ihm tief in die Augen blicken musste, um all die Wahrheit und die Überzeugung in ihnen zu erkennen, die er ihm mit all seiner Macht zeigen wollte. Und Fye bemerkte diese Gefühle. Stechend wie Nadeln brannten sie sich in sein Auge, in seinen Geist ein und bohrten sich darin fest. Ein unstetes Flackern erfüllte die eisblaue Iris, gefolgt von einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck. Endlich sah Kurogane, dass Fye kämpfte, sich mit aller Macht gegen diese zerstörerische Macht in sich wehrte und sich dabei krampfhaft an das Stück Wahrheit klammerte, das der Ninja ihm gerade zurückgegeben hatte. Wie der sprichwörtliche Ertrinkende, der sich an den Strohhalm klammerte. Aus dem Augenwinkel heraus sah Kurogane, wie sich Ashuras Gesicht vor Wut verzerrte. Er hob langsam seinen rechten Arm auf Brusthöhe an und verkrampfte die Hand zu einer skurrilen Kralle, scheinbar um Energie zu sammeln. Doch sein Tun wurde abrupt unterbrochen, als ein weißer, Licht durchfluteter Runenkreis auf dem Boden erschien und den König einschloss. Ein kurzer Blick zu Shaolan zeigte dem Schwarzhaarigen, dass dieser es wohl sein musste, der diese Magie gewirkt hatte. Er sah noch immer so aus, als könnte er sich kaum bei Bewusstsein halten, doch anscheinend hatte die Magie, die auf ihn wirkte, ein wenig nachgelassen. Ashuras Konzentration musste sich wohl zu sehr auf Fye und ihn verlagert haben, nachdem sein Plan, dass sich der Magier und der Schwertkämpfer gegenseitig den Garaus machten, vorerst gescheitert war. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern, preschte Kurogane nach vorn, die Spitze Souhis auf die Stelle an Ashuras Panzer gerichtet, unter der er ganz sicher das Herz des Herrschers getroffen hätte. Doch Ashura wäre nicht so mächtig gewesen, wenn er die Bewegung nicht rechtzeitig bemerkt hätte. Noch immer etwas behindert durch Shaolans Siegelzauber, gelang es ihm, das Schwert in seiner Bewegung zu stoppen, kurz bevor es einen Kratzer auf dem makellosen Brustpanzer hinterlassen konnte. Doch zurückstoßen konnte er es auch nicht, denn obwohl Kurogane selbst kein Magier war, so war doch zumindest sein Schwert magischer Abstammung und es reagierte sehr fein auf den Willen seines Meisters, sodass es erbitterten Widerstand gegen die gegen sich gerichtete Magie leistete. Nach einigen Augenblicken bemerkte Kurogane jedoch, wie seine Kräfte langsam zu unterliegen schienen. Obwohl er noch immer mit voller Kraft und ungebrochenem Willen kämpfte, hatte er immer mehr Mühe, das Schwert auch nur an derselben Position zu halten. Anscheinend hatte Ashura immer noch Kraftreserven übrig. Verdammt, wenn das so weiter ging…nein, daran wollte der Krieger lieber gar nicht erst denken. Plötzlich nahm er eine zögerliche Bewegung rechts von sich wahr. Eine zittrige Hand, umhüllt von einem schwarzen Handschuh, streckte sich langsam neben ihm aus, gefolgt vom Gesicht des Magiers, das durch die inzwischen stark hervortretenden Adern und den frischen Schweiß, der jedes Stück Haut bedeckte, erschreckend stark an weißen Marmor erinnerte. Zwar war ihm nur die von der Augenbinde verdeckte Seite des Kopfes zugewandt, doch Kurogane musste Fye diesmal nicht in die Augen sehen, um erkennen zu können, dass er gerade einen Kampf auf Messers Schneide in seinem Innern ausfocht, viel schlimmer noch als der, den Shaolan oder er selbst momentan ausfochten. Die linke Hand des Magiers stützte sich schwach an Kuroganes Schulter ab, als er sich immer weiter vorlehnte, um Souhis Griff mit seiner rechten Hand zu erreichen. Sachte legte er sie auf Kuroganes um den Schwertgriff verkrampften Finger, einen Moment später spürte der Ninja eine seltsam kribbelnde Wärme durch seine Adern fließen, so als hätte jemand das Blut in ihnen plötzlich um einige Grad erwärmt. Dann bemerkte er eine Veränderung in seinem Schwert vor sich gehen. Es wirkte plötzlich um ein Vielfaches stärker, als es ohnehin schon war und Kurogane wusste, dass er jetzt seine wohl einzige Chance bekam, diesen Kampf zu beenden. „Nein…“ Ashuras Augen weiteten sich ungläubig, als er spürte, was Fye mit seiner Magie gewirkt hatte. Das hätte er niemals für möglich gehalten! Er hatte ihn unterschätzt- Mit einem einzigen glatten, harten Ruck schnellte das Schwert nach vorn und beendete die Bewegung, die es scheinbar vor einer Ewigkeit begonnen hatte. Ein gekeuchtes Stöhnen entkam Ashuras Kehle, als dieser mit vor Schock geweiteten Augen nach hinten kippte, erste Blutspritzer aus der Öffnung in seinem Panzer herausschossen. Als er auf dem kalten, harten Boden aufgeschlagen war, hob er noch einmal kraftlos die Hand – scheinbar versuchte er immer noch, irgendetwas gegen Fye und Kurogane auszurichten – doch es war zu spät. Sein Leben verließ seinen Körper, noch bevor er einen letzten Fluch hätte bewirken können. Als schließlich alles mit einer erdrückenden Grabesstille bedeckt wurde, verlor auch Fye seinen letzten Rest Kraft und kippte ohnmächtig vornüber. Wenn Kurogane ihn nicht reflexartig mit seinem linken Arm gehalten hätte, wäre auch er ungebremst auf dem harten Boden aufgeschlagen. Ein Blick in den hinteren Teil des Raumes zeigte ihm, dass Shaolan, der sich zwischendurch zumindest auf die Ellbogen hatte stützen können, nun ebenfalls wieder der Länge lang auf dem kalten Stein lag. Doch er war nicht bewusstlos. Er atmete keuchend und stoßweise, Schweiß lief ihm übers Gesicht und hatte seine Sachen durchtränkt, doch er hielt zitternd sein Gesicht auf Kurogane gerichtet und schenkte ihm kurz ein schwaches Lächeln. Es war überstanden. Nachdem Shaolan sich so weit erholt hatte, dass er wieder laufen konnte, machten er und Kurogane, der Fye wieder über der Schulter trug, sich auf die Suche nach einem Zimmer, in dem sie sich vorerst ausruhen und vor allem Fye ablegen konnten. Aus seinem ohnehin schon unnatürlich verfärbten Gesicht und der Kälte, die von seinem Körper ausging, schloss Kurogane, dass der Magier nicht mehr lange so herumtransportiert werden konnte. Er brauchte ein Bett und viel Wärme. Am besten durch ein Feuer. Aber wie sie das bewerkstelligten, darüber würden sie erst nachdenken, wenn sie das erste Problem gelöst hatten. In der ersten Etage wurden sie fündig. Sofort legt der Ninja seinen Begleiter in die Schlafstätte, legte den gefütterten Mantel enger um den schmächtigen Körper seines Besitzers und zog ihm die dicke Daunendecke bis kurz unter die Nase. Shaolan hatte ein wenig Holz aufgetrieben und entfachte ein Feuer in dem Kamin, der sich auf der anderen Seite des Zimmers befand. Eine Weile sagte niemand ein Wort, selbst Mokona gab keinen einzigen Ton von sich. Es saß bloß auf Fyes Kopfkissen und strich diesem besorgt über die Stirn und Wangen, um ihm mit seiner Magie ein wenig Linderung zu verschaffen. „Er kämpft immer noch gegen den Fluch an“, unterbrach Shaolan schließlich das Schweigen. Kurogane sah ihn aus dem Augenwinkel heraus an. „Fye-sans zweiter Fluch war wohl ursprünglich gegen dich gerichtet gewesen, aber es ist ihm gelungen, seine Wirkung im entscheidenden Moment zu unterdrücken. Der Fluch ist entfesselt, aber er hat Fye-sans Körper nicht verlassen können. Ashuras – und wahrscheinlich auch Fei Wangs – Magie sind immer noch mit seiner eigenen vermischt.“ „Und was bedeutet das?“ Kurogane ahnte nichts Gutes. „Die Magie muss unbedingt in ihre Reinform zurückkehren. Es kann nur die Kraft einer Person in einem Körper existieren, und zwar nur die des Besitzers. Fremde Magie zerstört dich, wenn sie nicht abgestoßen werden kann. Das ist auch der Grund, weshalb Flüche immer tödlich enden, wenn man sie nicht brechen kann.“ Kuroganes Augen weiteten sich vor Schreck, als er seinen Kopf herumriss und erneut das leichenblasse Gesicht des Magiers ansah. Für einen Moment verspürte er den Drang nachzuprüfen, ob Fye immer noch so eiskalt war – oder ob er inzwischen nicht eher Fieber hatte, so wie ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Allerdings entschied er sich genauso schnell gegen diese Maßnahme, wie sie ihm in den Sinn gekommen war. Das mulmige Gefühl in seiner Magengegend ließ sich jedoch nicht so einfach beseitigen. Er hatte sogar schon mit dem Gedanken gespielt, erneut die Dimensionshexe um Hilfe zu bitten – aber was hätten sie ihr schon bieten können für Fyes Leben? Sie hatten kaum noch etwas, was sie auf ihrer gefährlichen Mission entbehren konnten. Die Prinzessin hatte ihr Glück geopfert, um das Leben ihrer Kameraden zu retten. Das war ein herber Verlust, von dem sie nicht einmal wussten, ob sie ihn überhaupt ausgleichen konnten. Wenn jetzt noch einer von ihnen eine wichtige Eigenschaft einbüßte, liefen sie Gefahr, ihre Suche nicht mehr beenden zu können. Shaolan und Mokona wussten das mit Sicherheit auch, sonst hätten sie diese Möglichkeit längst zur Sprache gebracht. „Keine Sorge“, beschwichtigte ihn Shaolan, „er wird das schon machen. Er kämpft gegen den Fluch an und wird ihn sicherlich besiegen. Fye-san ist stark, selbst wenn seine Magie halbiert wurde.“ „Na hoffentlich“, knurrte der Ninja. „Wenn er wieder davonläuft, verfolge ich ihn wenn nötig bis in die Hölle und mach ihn persönlich fertig, diesen Feigling!“ Auf Shaolans Lippen zuckte ein kurzes Lächeln auf. „Ich denke nicht, dass er aufgibt.“ „Was macht dich da so sicher?“ Shaolan überlegte einen Moment, wie er es am besten beschreiben sollte. „Vorhin, als du versucht hast, Fye-san zur Vernunft zu bringen, da…habe ich etwas in ihm gespürt. Ich habe zwar durch den Lärm nicht verstanden, was du zu ihm gesagt hast, aber es scheint einen großen Eindruck auf ihn gemacht zu haben, denn da hat er endlich begonnen, gegen sein Schicksal anzukämpfen. Sein Wille scheint wirklich stark zu sein.“ Halb in Gedanken versunken musterte Kurogane den Magier erneut. Ob es die Erwähnung der Prinzessin gewesen war, die seine Lebensgeister zurückgebracht hatte? Wahrscheinlich, denn ihretwegen hatte er die Reise in dieses Land überhaupt angetreten. Na ja, ihm konnte es egal sein, was der Grund dafür war, dass der dumme Blondschopf endlich einmal das Richtige getan hatte. Hauptsache, er hatte es getan. Bei diesen Gedanken streifte ein wehmütiger Zug Kuroganes Herz. Nachdem Shaolan sich noch eine Weile ausgeruht hatte, hatte er einen Entschluss gefasst: „Kurogane-san, ich werde nach dem Körper der Prinzessin suchen. Er ist irgendwo in dieser Welt und ich hoffe, er ist innerhalb des Schlosses. Ich weiß nicht, ob die Kälte, die draußen herrscht, ihr auch ohne Seele Schaden zufügen kann.“ „Wir kennen uns in dieser Welt kein bisschen aus und es scheint auch niemanden mehr zu geben, der uns bei der Suche helfen könnte – außer unserem ohnmächtigen Freund hier. Also sei vorsichtig.“ „Natürlich. Obwohl ich vermute, dass Ashura die einzige Gefahr hier dargestellt hat.“ „Trotzdem. Das Schloss ist riesig und in so alten Gemäuern gibt es immer Fallen, also halt die Augen offen.“ „Mach ich. – Mokona, kommst du mit mir?“ Das weiße Knäuel wippte nachdenklich den Kopf hin und her. „Ich weiß nicht, ob ich dir eine große Hilfe sein kann. Ich spüre zwar Sakuras Federn, aber die sind Teil ihrer Seele. Ihren Körper kann ich nicht finden.“ „Das macht nichts. Aber es ist allemal besser, wenigstens zu zweit zu suchen.“ „Da hast du Recht.“ Mit einem zustimmenden Nicken hüpfte das Manjuu von Fyes Kissen und kletterte auf Shaolans Schulter. „In ein paar Stunden sind wir wieder da und berichten, was wir entdeckt haben.“ „Okay.“ „… Pass bitte gut auf Fye-san auf.“ „Jetzt geh schon!“, lenkte Kurogane ab und sah zu, wie sich die schwere Holztür hinter dem Jungen schloss. Gut aufpassen? Na ja, weggehen würde er sicherlich nicht, aber was konnte er sonst schon tun, außer über den Schlaf des Magiers zu wachen? Als er wieder in das kreidebleiche Gesicht des Schlafenden blickte, zuckte seine rechte Hand ein kleines bisschen. Na ja, vielleicht sollte er wirklich einmal nachprüfen, wie warm Fye sich anfühlte. Dann würde er sich auch besser entspannen können. Prüfend legte er einen Handrücken erst auf Fyes Wangen, welche fast unverändert kalt waren, dann auf die Stirn, die förmlich zu glühen schien. „Wehe, du flüchtest schon wieder vor dem Leben…!“, flüsterte der Ninja seinem Gegenüber leise aber eindringlich zu. Dann ging er hinüber zu dem Stuhl, auf dem bis eben noch Shaolan gesessen hatte, und machte es sich darauf bequem – soweit das bei einem einfachen Holzstuhl möglich war. Er wusste selbst nicht genau warum, aber er konnte den Magier nicht einfach gehen lassen. Selbst nachdem Fye sich so sehr von ihm distanziert hatte, als er mit dem Preis seines eigenen Blutes dessen Leben gerettet hatte, konnte er ihn einfach nicht sterben lassen. Natürlich wollte er auch nicht, dass dem Jungen oder der Prinzessin irgendetwas zustoß; auch sie würde er mit seinem Leben verteidigen. Aber...bei dem Magier fühlte es sich auf eine seltsame Art anders an. Er wusste nicht wirklich, warum das so war. In seinem Leben hatte Kurogane schon viele Leute in den Tod gehen sehen – freiwillig, unfreiwillig, mit etwas Nachhilfe von ihm selbst... Aber bei Fye war es einfach anders. Und auch wenn er ihm angeboten hatte, ihn persönlich ins Grab zu schicken, wenn er das so sehr wollte, wusste er im Grunde doch ganz genau, dass er das niemals konnte. Natürlich könnte er auch die Prinzessin und ihren mutigen Helfer nicht töten, sie waren ihm im Verlauf ihrer Reise viel zu sehr ans Herz gewachsen und sie bettelten nicht dauernd darum, sich von der Welt der Lebenden verabschieden zu dürfen, aber... Bei Fye war dieses Gefühl noch bestimmter, intensiver. Der Blonde hatte nie richtig gelebt, das war ein großer Unterschied zwischen ihm und den beiden Kindern. Und auch zu Kurogane selbst, denn obwohl er ebenfalls in der Vergangenheit tiefe Wunden hatte erleiden müssen, so konnte der Ninja trotzdem mit Sicherheit von sich behaupten, auch viele schöne Augenblicke erlebt zu haben, mit ganzer Seele gelebt zu haben. Wollte er Fye deshalb nicht sterben lassen? Weil dieser einfach noch nicht wusste, was das Leben wirklich war? Ja, irgendwie wollte er es ihm zeigen, ihm klarmachen, weshalb sein Verhalten so falsch gewesen war. Erneut suchten die feuerroten Augen das blasse Gesicht und musterten es für einige Augenblicke traurig. ‚Also lass dich nicht so hängen und komm zurück zu uns, damit du irgendwann nachholen kannst, was du bisher verpasst hast.’ Kurogane warf gerade einen Teil des kürzlich zertrümmerten Nachtschranks aus einem Nachbarzimmer in den Kamin ihres Raumes, um das Feuer am Brennen zu erhalten, als ein sichtlich deprimierter Shaolan und ein trüb dreinblickendes Mokona hereinkamen. „Habt ihr irgendwas gefunden?“, fragte der Ninja dennoch mit der leisen Hoffnung, dass die beiden wenigstens etwas Brauchbares entdeckt hatten. „Nicht viel. Das Schloss ist riesig und mit den Fallen hattest du Recht. Man muss aufpassen, wo man hintritt. Außerdem scheint es jede Menge Geheimgänge zu geben, die größtenteils durch Magie versteckt sind. Bei einigen habe ich einen Öffnungsmechanismus herausgefunden, bei vielen nicht. Wahrscheinlich habe ich nicht einmal alle versteckten Gänge entdeckt.“ „Hm.“ Das war nicht unbedingt das, was er sich erhofft hatte. Noch mehr schlechte Nachrichten konnte er jetzt eigentlich nicht gebrauchen. „Aber wir haben auch eine Küche entdeckt, in der es sogar Lebensmittel gibt. Die sehen auch ganz essbar aus. Und es ist nicht sehr weit weg von hier.“ Na ja, das war immerhin besser, als gar keine guten Nachrichten zu hören. „Aber vom Körper der Prinzessin fehlt noch jede Spur, oder?“ Shaolans Mine verfinsterte sich augenblicklich wieder. Seine Augen nahmen einen gequälten Ausdruck an. „Leider ja. Aber wir vermuten, dass sie hier irgendwo im Schloss sein muss. Dieses Mädchen, das der Prinzessin den Sprung durch die Dimensionen ermöglicht hat...Fye schien sie sehr gut gekannt zu haben. Wahrscheinlich hat sie früher mit ihm hier im Schloss gelebt. Da ist es wahrscheinlich, dass sie nach dem Dimensionssprung hierher zurückgekehrt ist.“ Diese Idee klang gar nicht mal so abwegig, auch wenn sie natürlich noch lange keine Garantie war. Kurogane hütete sich jedoch, seinen letzten Gedanken laut auszusprechen und Shaolan damit auch sein letztes Stück Hoffnung zu entreißen. „Wie geht es Fye-san?“, wechselte der braunhaarige Junge das Thema. „Unverändert“, war die knappe Antwort. Shaolan blickte den Schlafenden prüfend an: „Ich habe das Gefühl, dass da noch etwas anderes nicht stimmt mit seiner Magie.“ „Wie meinst du das?“ Innerlich war Kurogane sofort arlamiert, doch er bemühte sich, nichts davon nach außen dringen zu lassen. „Ich weiß nicht...“, erklärte Shaolan zögerlich. „Ich weiß nicht einmal, ob das wirklich ein schlechtes Zeichen ist. Da ist etwas in ihm, das weder zu Fei Wang noch zu Ashura gehört, und es scheint nicht in ihm herumzuwüten. Ich habe keine Ahnung, was das sein könnte, aber es gehört wahrscheinlich auch nicht zu Fye – obwohl es seiner Magie irgendwie ähnelt.“ Schlau wurde Kurogane daraus nicht, aber er versuchte gar nicht erst, weiteres zu erfahren. So, wie die Worte des Jungen geklungen hatten, verstand er auch nicht mehr als das, was er ihm gerade beschrieben hatte – also im Grunde nichts. Oder konnte er sich nur nicht richtig ausdrücken? Magier...die soll nun irgendwer verstehen. Vielleicht konnte er sich auch bloß deshalb keinen Reim auf diese Worte machen, weil er selbst keiner war. Es war ihm schon öfters aufgefallen, dass sie eine andere Wahrnehmung zu besitzen schienen als Leute wie er. Selbst die Prinzessin hatte diese seltsame Fähigkeit, obwohl ihre Magie und ihre Erinnerungen noch lange nicht vollständig waren und sie nicht willentlich zaubern konnte. Aber sie spürte die Natur. Sie spürte sie so deutlich wie Kurogane die Präsenz anderer Menschen, selbst wenn er nichts sehen konnte. Und Shaolan konnte scheinbar die unterschiedlichen Arten von Magie gut unterscheiden – was ihn wieder zum Ausgangspunkt seiner Gedanken zurückbrachte: Diese neue Energie, die der Junge plötzlich bei Fye spüren konnte. Was es wohl war? Der Ninja konnte bloß hoffen, dass es auch harmlose Formen von Magie gab, die nicht sofort Schaden anrichteten, wenn sie sich irgendwo befanden, wo sie nicht hingehörten, denn noch mehr Probleme brauchte der Magier momentan wirklich nicht. Sein Körper schien vom Kampf gegen den Feind an sich und das daraus resultierende Fieber noch immer schwächer zu werden. Er verbrannte viel Energie, hatte aber nicht die Möglichkeit, neue aufzunehmen. Wenn er den Fluch nicht bald besiegt hatte, würde er am Ende noch an Erschöpfung sterben. Kurogane biss sich verbittert auf die Lippen. Es konnte doch nicht alles so aussichtslos sein! Das wäre einfach zu viel der Ungerechtigkeit. Der Blonde hatte so viel durchmachen müssen in seinem Leben und endlich – nach Jahren des Leids – schien es, als würde irgendwo in weiter Ferne ein Licht am Ende des Tunnels auf ihn warten. Es durfte einfach nicht sein, dass seine Lebenszeit nun ein Ende fand. Nicht auf diese Art und Weise! So grausam konnte einfach kein Schicksal sein... Das Gewicht, das der Ninja schon auf seinen Schultern gespürt hatte, seit sie Ceres betreten hatten, schien mit einem Mal noch ein ganzes Stück schwerer geworden zu sein. Und er hatte jetzt das dringende Bedürfnis, allein zu sein. „Kannst du uns noch etwas zu Essen aus dieser Küche besorgen? Und nimm am besten Mokona mit. Das Wollknäuel kann sich mal nützlich machen und dir beim Tragen helfen.“ Etwas verletzt von diesem kühlen Kommentar legte besagtes Knäuel die Ohren an und begab sich in eine Position, als würde es Kurogane jeden Moment entweder die Leviten lesen oder ihn anspringen wollten. Es konnte jedoch keine der beiden Möglichkeiten in die Tat umsetzen, denn Shaolan hatte es sogleich behutsam in den Arm genommen und war mit ihm zur Tür gegangen, bereit, dem Wunsch des Ninja nachzukommen. „Okay, werde ich machen.“ Auch wenn Kurogane um einen neutral-teilnahmslosen Gesichtsausdruck bemüht gewesen war, so waren dem Jungen immer wieder kleine Anzeichen dafür aufgefallen, dass es im Innern des Schwarzhaarigen bei weitem nicht so ruhig aussah wie außen. Schließlich hatte er genug Zeit gehabt, ihn während seiner Rückkehr von der Suche nach Sakura zu beobachten. Viel mehr außer dem bewusstlosen Fye, einem ausnahmsweise regungslosen Mokona, dem prasselnden Feuer und Kurogane gab es schließlich nicht zu sehen. Und da war Letzterer immer noch der am wenigsten langweilende Blickfang. Mit einem leisen Klacken schloss er die schwere Tür hinter sich und machte sich auf den Weg. Als er endlich allein mit Fye in dem tristen Raum war, gestattete Kurogane sich einen Moment der Schwäche, wischte sich mit den Händen über das Gesicht und die ein wenig schmerzenden Augen und seufzte tief auf. Er war noch immer geschafft von den körperlichen und auch geistigen Strapazen, die der Kampf gegen Ashura mit sich gebracht hatte, und bisher hatte er noch nicht die Möglichkeit gehabt, sich davon zu erholen. Eigentlich hatte er das noch immer nicht, denn schon ein kurzer Blick in Richtung des Bettes, in dem sein Begleiter lag, genügte, um das bisschen Anspannung, was er gerade versucht hatte, von sich zu nehmen, doppelt zurückkehren zu lassen. Und obwohl Kurogane erschöpft und müde war, war er gleichzeitig so wach und angespannt wie schon lange nicht mehr. Dieser Zustand erinnerte ihn ein wenig an früher, als er seine Tage damit verbracht hatte, Dämonen niederzustrecken, die versuchten, in sein Land einzufallen. Manchmal hatte es richtige Eskapaden gegeben, sodass er gezwungen gewesen war, mit der Unterstützung anderer Kämpfer an die Landesgrenzen zu ziehen und dort mehrwöchige Frontkämpfe auszufechten. Während solcher Zeiten hatte er auch nie richtig schlafen können. Die Aufregung, die das Bewusstsein der Gefahr mit sich brachte, hatte pausenlos Adrenalin in seine Adern gepumpt, was ihm jedes Ruhen unmöglich gemacht hatte. Und jetzt schaffte es schon eine einzige Person, diesen Zustand in ihm auszulösen. Es war beinah lächerlich. Hatte die Reise mit dem immer grinsenden Honigkuchenpferd und den Kindern ihn schon so weich werden lassen? Nachdem das von Shaolan mitgebrachte Essen über dem Kaminfeuer angebraten und verzehrt worden war, bemerkte Kurogane, wie die Müdigkeit langsam an dem Jungen zu nagen begann. Zuerst sah er es in dem gelegentlich abwesenden Blick, der später teils minutenlang starr auf einem unbestimmten Punkt im Raum verharrte. Schließlich kamen auch leichtes Frösteln und immer regelmäßiger wiederkehrendes Gähnen hinzu. „Willst du dich nicht langsam hinlegen?“, schlug der Ninja schließlich vor, als er diesen Zustand nicht länger ertragen konnte. Er verstand ja, dass auch Shaolan sich um Fye und die Prinzessin – um letztere wohl ganz besonders – sorgte, aber er war dennoch ein Kind, nie für den Kampf ausgebildet worden, und er war ganz sicher nicht daran gewöhnt, nach so vielen Strapazen auch noch die Nacht durchzumachen. „Geht schon…“, gab dieser trotzdem leise zurück, ein erneutes Gähnen unterdrückend. „Wenn du morgen die Augen nicht mehr aufbekommst, hilft das keinem. Wer soll denn dann die Suche nach der Prinzessin fortsetzen, wenn du keine Kraft mehr hast?“ Der Junge schwieg betreten. Er wusste, dass der andere Recht hatte, aber dennoch...auch er wollte über Fyes Schlaf wachen, wenn er schon sonst nichts tun konnte. Sein Blick ging automatisch in die Richtung des noch immer käsig-weißen Mannes, als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen. Kurogane bemerkte es und erkannte daran den Grund für Shaolans Willen, sich wach halten zu wollen. „Er wacht auch nicht schneller auf, wenn ihn zwei Leute statt einem die ganze Zeit beobachten.“ „Aber willst du dich nicht auch langsam ausruhen?“ „Keine Sorge, im Gegensatz zu dir habe ich noch jede Menge Kraftreserven. Ich bin so etwas gewohnt. Mir macht es nichts aus, mal eine Nacht lang nicht zu schlafen.“ „... Na gut“, willigte der Junge schließlich ein. Aus einem der anderen Zimmer nahm er eine Strohmatratze vom Bett und legte sie in ihrem Zimmer auf den Boden, damit er nicht auf dem kalten Stein liegen musste. Woanders könnte er gar nicht schlafen, denn im Rest des Schlosses war es einfach zu kalt. Wahrscheinlich waren die Bewohner, die einstmals hier gelebt hatten, schon so lange tot, dass sämtliche Wärme längst aus den dicken Mauern entkommen war. Doch davon einmal abgesehen hätte Shaolan anderswo auch gar keine Ruhe gefunden. Es beunruhigte ihn schon genug, während des Schlafs nicht zu wissen, wie sich Fyes Zustand veränderte. Allein in einem anderen Raum hätte er es momentan nicht ausgehalten. Mokona sprang wieder von Fyes Kissen und gesellte sich zu Shaolan, kuschelte sich dicht an seine Brust, nachdem dieser es sich einigermaßen bequem gemacht und in einem Schrank sogar noch eine dünne Decke gefunden hatte. Kurogane hatte das magische Wesen dabei keines Blickes gewürdigt. Anscheinend war es immer noch beleidigt wegen der Bemerkung vorhin. Dem Ninja sollte es Recht sein. So hatte er seine Ruhe und konnte seine ganze Aufmerksamkeit dem Magier widmen. Er musste wohl doch ein wenig weggedämmert sein, denn mitten in der Nacht schreckte Kurogane plötzlich auf. Er wusste nicht, was ihn geweckt hatte. Das wusste er so oft nicht, wenn sich sein Körper in diesem Zustand befand. Aber sein sechster Sinn, der dann immer besonders gut funktionierte, hatte ihn noch nie im Stich gelassen. Das Erste, was er bemerkte, war, dass es ein wenig dunkler in dem Zimmer geworden war. Das Feuer war sehr weit nieder gebrannt. Daher stand er auf, streckte seinen verspannten Körper einmal ordentlich durch, ging leise an dem tief schlafenden Shaolan vorbei und legte einige dicke Scheite Holz nach. Bis zum Morgen würde es wohl gerade so ausreichen. Danach wollte er zu seinem Platz auf dem Stuhl zurückkehren, hielt jedoch inne, als er in Höhe von Fyes Bett war. Durch den spärlich flackernden Feuersschein konnte er kaum etwas in dem ruhigen Gesicht erkennen, nur dass sich noch immer frischer Schweiß in dem rötlichen Licht spiegelte, sah er allzu deutlich. Sein Zustand war sicher noch immer mehr als beunruhigend. Der Ninja hatte das Bedürfnis, noch einmal seine Hand auf die Stirn des Blonden zu legen, um zu sehen, was das Fieber machte. Als seine kühle Hand die heiße Stirn berührte, verharrte er einen Moment in dieser Position. Irrte er sich oder war es sogar noch schlimmer geworden? Und noch etwas fiel Kurogane auf, jetzt, wo sein Gesicht dem des Magiers etwas näher war: Er atmete ein wenig unregelmäßig, stoßartig und flach. Kuroganes Hand fuhr weiter über die Wange, den Hals, schlüpfte unter die warme Decke und den Mantel und blieb schließlich auf Fyes Brust liegen, bei der nicht nur die beunruhigende Atemweise, sondern auch das viel zu schnell schlagende Herz spürbar waren. Und als wäre das alles nicht schon schlimm genug, bemerkte Kurogane auch, wie der ganze Körper des Bewusstlosen leicht zu zittern schien. ‚Scheiße…’ Ratlos musterte der Ninja ihn von oben bis unten, krampfhaft überlegend, was er nur tun konnte, um Fyes Schmerz zu lindern. Eine eisige Klaue umkrallte sein Herz, schnürte ihm die Atmung ab, als unaufhaltsam das Bewusstsein zu ihm durchdrang, dass Fye dem Tod mittlerweile näher war als dem Leben und es fraglich war, ob er den nächsten Morgen überhaupt noch erleben würde. Fyes Gesicht zeigte eine kurze Regung. Für einen winzigen Augenblick verzog er leicht die blassen, trockenen Lippen und presste sie zu einem schmalen Schlitz zusammen. Seine Augen schlossen sich ein wenig stärker. Ohne Zweifel hatte er Schmerzen. Als Kurogane die Bewegung der Lippen beobachtet hatte, kam ihm eine vage Idee. Er wusste nicht, ob es in dem Fall helfen, ob es überhaupt funktionieren würde, aber er wollte nichts unversucht lassen. Er beschwor sein Schwert herauf, das er nach dem Kampf gegen Ashura wieder in seinem Körper verwahrt hatte, und schnitt sich mit der scharfen Klinge eine kleine Wunde in den Handballen, nah einer größeren Ader, sodass das Blut nicht allzu schnell herausfließen konnte. Dann drückte er mit der anderen Hand Fyes Kiefer auseinander, sodass sich seine Lippen einen spaltbreit öffneten und er ihm das Blut Tropfen für Tropfen in den Mund laufen lassen konnte. Nach einer halben Minute erneuerte er die Wunde, da sie bereits begonnen hatte abzutrocknen, und ließ erneut Blut in den Mund des Blonden tropfen. Nach rund einer halben Stunde gab er es jedoch auf, weil es nicht zu helfen schien. Obwohl er inzwischen einen größeren Schnitt auf seinem Handballen hatte, reichte das Blut einfach nicht aus, um ihm etwas Kraft zurückzugeben. Es war absolut kein Vergleich dazu, wenn Fye aktiv davon trank. Der Ninja suchte nun stattdessen unter der Decke nach Fyes rechtem Arm, zog diesen aus dem Ärmel des Mantels und entblößte die darunter liegende weiße Haut. Erneut schnitt Kurogane sich mit Souhis Klinge - diesmal in den Arm, nah an der Pulsader, wo augenblicklich wesentlich mehr Blut heraussprudelte. Gleich darauf stach er die Vene in Fyes Ellenbeuge an und presste seine stark blutende Wunde fest darauf. Er konnte nur hoffen, dass genug von seinem Blut mit in die Adern des anderen gelang, dass Fyes Blutdruck noch stark genug war, den anderen Lebenssaft mitzutragen… Nach einer scheinbar endlosen Ewigkeit, in der Kurogane so verharrt war, hatte er das Gefühl, Fyes Atmung würde sich ein wenig beruhigen und das Zittern ebbte langsam ab. Er wagte noch nicht, die Verbindung ihres Blutes zu trennen und nach dem Herzschlag des Blonden zu fühlen, doch er atmete trotzdem schon ein wenig auf. Gedankenverloren betrachtete der Ninja das Gesicht seines Gegenübers. Wenn es ihm auch nur ein winziges Bisschen half, dass er ihm auf diese Art sein Blut spendete, er würde die ganze Nacht so ausharren und die Prozedur fortsetzen, bis Fye endlich aufwachte oder zumindest in einen ruhigen, normalen Schlaf hinüber glitt, außer Gefahr, sein Leben zu verlieren. Eine Stunde später musste der Ninja sich eingestehen, dass „die ganze Nacht“ wohl doch eine etwas zu großzügige Schätzung gewesen war. Inzwischen spürte er seinen Arm durch die unbequeme Haltung und den deutlichen Blutverlust kaum noch, in seinen Schultern stach es, als hätte er Nadelkissen unter seinem Shirt und die Wunde, durch die sein Blut in Fyes Körper floss – sofern es nicht entkam und über ihre Arme nach unten tropfte – ziepte mehr als unangenehm. Allerdings lag Fye nun wieder ruhig da, keine krampfartigen Verspannungen, Atemstörungen oder Zitteranfälle signalisierten eine Verschlechterung seiner Lage. Also brach der Ninja die Verbindung schließlich ab, drückte mit der Hand seines verletzten Armes den Stich in Fyes Ellenbeuge ab und mit seiner anderen Hand den Schnitt in seinem eigenen Arm. Das war auch nicht unbedingt bequemer als die Haltung zuvor, er kam sich jetzt eher so vor, als wollte er sich selbst fesseln, aber das restliche Blut sollte schön bleiben, wo es war, also war diese Maßnahme unumgänglich. Als die Blutungen schließlich gestoppt waren, fühlte Kurogane noch einmal auf Fyes Brust nach dessen Atmung und Herzschlag. Es war wirklich alles ruhig. Zwar spürte er immer noch ein viel zu schnelles Klopfen gegen den Brustkorb, aber es war kräftiger als zuvor und gleichmäßig, ähnlich wie nach einem anstrengenden Kampf. Vorhin hatte der Herzschlag des Magiers eher an einen schwachen Trommelwirbel erinnert, bei dem der Trommler regelmäßig aus dem Takt gekommen war. Kurogane ließ die Hand noch ein wenig verweilen. Es beruhigte ihn ungemein, viel mehr, als er gedacht hätte, dieses schwache, aber zumindest stete Leben unter der Brust zu spüren. Schließlich zog er seine Hand zurück, versuchte, Fyes nackten Arm durch den Ärmel zurückzuschieben, grummelte, fluchte schließlich gedämpft, weil dieses schlaffe Ding einfach nicht zurück wollte, gab letztendlich auf, legte Arm und Mantel einfach so an den Körper des Magiers zurück und zog die Decke wieder glatt, damit er nicht fror. Apropos frieren: Das Feuer war auch fast aus. Und da Kurogane nun mal keine Magie anwenden konnte, so wie Shaolan, der das Feuer vorhin in Sekundenschnelle entfacht hatte, setzte er sich nach dem Nachlegen von neuem Holz vor den Kamin und pustete und wedelte abwechselnd Luft in den Schlund, um das Feuer in einem verzweifelten Versuch ebenfalls am Leben zu erhalten. ‚Da spiel ich lieber wieder die Krankenschwester für den Magier, das ist einfacher.’ Als es fast schon dämmerte, war auch das Feuer-Problem endlich behoben und Kurogane ließ sich erschöpft und schlechtgelaunt wieder auf seinen Stuhl fallen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er zum Schlafen kommen würde, aber dass er die halbe Nacht auf den Beinen bleiben durfte, hätte er auch nicht erwartet. ‚Wenn jetzt noch irgendwem einfällt, unbedingt sterben zu müssen, dann helf’ ich nach, so viel steht fest!’ Die restliche Zeit bis zum Sonnenaufgang verbrachte er damit, den Magier anzustarren, denn irgendwie gelang es ihm dadurch, gedanklich ein wenig abzuschalten und die schlechte Laune zu vertreiben. Müde war er immer noch nicht und würde es wohl heute auch nicht mehr werden. Seine innere Uhr war darauf eingestellt, dass es langsam Zeit zum Aufstehen war, und sie ließ sich durch nichts davon abbringen, das auch durchzusetzen. Ein Umstand, über den Kurogane heute und auch sonst sehr oft dankbar war. Shaolan ließ er allerdings schlafen, bis dieser von selbst aufwachte. Er sollte sich erholen, soweit er konnte. Kurz nach Sonnenaufgang regte sich der Braunhaarige, streckte sich und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Mokona wachte von diesen Bewegungen ebenfalls auf, hatte jedoch noch keine Lust, seinem Bettgenossen bereits beizupflichten und grub sich daher noch ein Stück tiefer in die dünne Decke ein. Shaolans erster Blick galt Kurogane. „Gut'n Morgen, wie geht’s dir, Kurogane-san?“, nuschelte er schlaftrunken. „Gut.“ „Was macht Fye-san?“ „Wird schon wieder.“ Der Blick des Jungen wanderte weiter Richtung Bett. Anhand von Fyes Magieströmen fand er die Aussage des Ninja bestätigt. „Scheint, als hätte er den Fluch endlich abgeschüttelt. Gott sei dank!“ Ein erleichtertes Seufzen verließ seine Kehle, während er sich nun ganz aus seiner Schlafstätte befreite. Er torkelte ein wenig und wirkte auch sonst leicht gerädert, aber das würde schon verschwinden, sobald er ein paar Schritte gelaufen war und etwas im Magen hatte. Die paar Schritte waren schnell erledigt, als Shaolans Blick auf die Stelle fiel, an der am Abend zuvor noch der Holzvorrat gelegen hatte. Gerade einmal drei dünne Splitter waren übrig geblieben. Und das Holz im Kamin war auch schon fast wieder niedergebrannt. „Ich geh neues Holz suchen.“ Kurogane nickte ihm bestätigend zu, während Shaolan das Zimmer verließ. „Hey, Fellkugel!“, versuchte er Mokona anzusprechen. Nichts rührte sich. „Jetzt komm schon...“ Mit drei Schritten war Kurogane bei Shaolans Schlafställe und zog die Decke weg, unter der ein unzufrieden murrendes Mokona zum Vorschein kam. „Na komm, Zeit zum Aufstehen. Der Junge ist sogar schon unterwegs und arbeitet.“ „Mokona will aber noch ein bisschen weiterschlafen...“, kam die leise gejammerte Antwort. „Du kannst den ganzen Tag schlafen, aber es wäre eine große Hilfe, wenn du jetzt erst mal ein wenig helfen könntest. Wir brauchen etwas zum Frühstück. Der Junge hat mit Sicherheit auch Hunger.“ Zuerst blinzelte Mokona ihn nur aus einem Auge an, nach einigen Momenten des Nachdenkens entschied es sich dann wohl dafür, auch das zweite Auge zu öffnen und der Bitte folge zu leisten. „Na gut, Mokona holt Frühstück für uns.“ Mit den Worten sprang es auf die Beine und hopste zur Tür. „Prima“, grinste Kurogane. Anscheinend hatte ihr kleiner Begleiter ihm seine Bemerkung vom Vortag endlich verziehen. Er öffnete dem kleinen Wesen die Tür und ließ sie einen Spalt breit offen stehen, damit es nachher wieder hinein kam. In der Zeit ging Kurogane noch einmal zu Fye hinüber und prüfte dessen Stirn. Immer noch deutlich wärmer als normal, aber im Vergleich zur Nacht sicher einige Grad abgekühlt. Auch der Schweiß in seinem Gesicht, besonders im Stirnbereich, trocknete allmählich ab, was bedeutete, dass nicht mehr dauernd neuer nachgebildet wurde. Ein zufriedenes Lächeln schlich sich auf Kuroganes Lippen, dann nahm er die Hand wieder weg und kehrte zu seinem Stuhl zurück. Mokona kam wenig später wieder und brachte Brot, Käse und einige Früchte zum Vorschein, die es alle irgendwie in seinem Mund transportiert hatte. Kurogane war gerade dabei, Brot und Käse mit seinem Schwert zu schneiden, als Shaolan mit einem Stapel Bretter in den Armen ebenfalls zurückkehrte. Der Form des Holzes nach zu urteilen könnte das mal eine Tür gewesen sein. „Oh, ihr habt schon was zu Essen geholt?“, kam die verwunderte Frage auf das etwas veränderte Erscheinungsbild im Zimmer. Mokona kam daraufhin sofort auf ihn zugesprungen und hopste vergnügt auf den Holzstapel, den Shaolan noch trug. „Ja! Mokona war ganz allein in der Küche und hat dort das Frühstück gesucht!“, trällerte es frohlockend. „Danke, das hast du toll gemacht, Mokona.“ Nach diesem Lob freute sich das kleine Wesen gleich noch mehr und wippte eifrig auf Shaolans Kopf auf und ab. So konnte dieser das Holz endlich ablegen und sich dann von Kurogane einen Teil des Frühstücks abholen. Während er im Stehen aß, machte er sich eine gedankliche Notiz, beim nächsten Mal, wenn er das Zimmer verließ, noch einen Stuhl von einem anderen Raum mitzubringen. Sobald er fertig gefrühstückt hatte, machte Shaolan sich erneut auf die Suche der Prinzessin. „Gestern haben wir das Erdgeschoss und die erste Etage sowie den linken Flügel der zweiten Etage abgesucht. Heute werden Mokona und ich uns den Rest der zweiten Etage, die dritte und den Turm im Südflügel vornehmen“, verkündete der Junge, Mokona bereits startbereit im Arm haltend. „Okay, aber lass irgendwann mal von dir hören, damit ich weiß, dass es dir gut geht“, erwiderte Kurogane. Er kam sich wirklich langsam vor wie ein Vater, der seinen Jungen beim Rausgehen zum Spielen noch einmal ermahnte, was er nicht durfte und worauf er Acht geben musste. Er erinnerte sich daran, wie Fye in Pfiffle Country einen neuen Spitznamen für ihn auserkoren hatte, den er dann bei jeder Gelegenheit zum Besten gegeben hatte: „Papa Kurogane.“ Es klang irgendwie skurril, nicht nur, weil er im Leben noch nie über Kinder nachgedacht hatte, sondern auch, weil es ihm plötzlich so lang her schien, seit der Magier so vertraut mit ihm umgegangen war. Klar, er hatte es gehasst, wenn der schlaksige Hampelmann seinen Namen verunstaltet hatte. Und diesen Spitznamen fand er besonders schrecklich. Aber manchmal ertappte er sich dabei, wie er sich insgeheim wünschte, doch noch einmal einen dieser bekloppten Namen aus Fyes Mund hören zu können. Besonders seit sie hier waren – in diesem Land...in diesem Raum...Kurogane musste sich eingestehen, dass er ein wenig Angst davor hatte, wenn Fye aufwachte. Er wusste nicht, was dieser nun überhaupt wollte. Als er ihn das letzte Mal mit knapper Not dem Tod entrissen hatte, war es eindeutig gegen den Willen des Magiers gewesen. Fye hatte sterben wollen – aus Angst davor, wofür Shaolans Klon seine gestohlene Macht missbrauchen würde, aus Angst vor Ashura, vor seiner eigenen Vergangenheit und sicherlich auch vor der Zukunft, in der er einen der Menschen, die sich im Verlaufe der langen Reise irgendwie in sein Herz geschlichen hatten, durch den ihm auferlegten Fluch töten musste. Kurogane hatte es nicht zugelassen, nicht zulassen können, und musste seither damit leben, dass der Magier sich von ihm distanziert hatte. Was würde passieren, wenn Fye noch immer nicht leben wollte und Kurogane ihn schon wieder gegen seinen Willen im Leben festgehalten hatte? Er wusste nicht, was dann passieren könnte, doch er hatte Angst davor. Der furchtlose Ninja Kurogane hatte Angst... Verletzt wandte er den Blick von der schlafenden Person ab. Er ertrug es nicht länger, in das Gesicht dieses rätselhaften Menschen zu blicken. Wenn er doch wenigstens einmal ehrlich mit sich und seinen Mitmenschen wäre. Dann könnte Kurogane versuchen, ihn zu verstehen. Er könnte versuchen, ihm zu helfen. Irgend etwas musste man doch tun können, um ihn aus diesem tiefen Loch herauszuholen, in dem seine Seele noch immer festsaß, seit man ihn mitsamt seines Körpers dort hineingeworfen hatte, getrennt von seinem Zwillingsbruder, dem einzigen Menschen, der ihn wohl jemals richtig verstanden hatte... Kurogane spürte ein leichtes Stechen in der Brust. Aber warum? Aus Mitgefühl? Ungewissheit? Was war es nur, was ihn einfach nicht loslassen wollte? Es war irgendwann am Nachmittag, als er zwei aufgeregte Stimmen quer durchs Schloss lärmen und unzählige Male widerhallen hörte: Die eines Jungen kurz nach dem Stimmbruch und das quietschige Fiepen des Wollknäuels. Verwundert ging er zur Tür, um nachzusehen, was die beiden so sehr in Aufruhr versetzte, da wurde das schwere Holzbrett auch schon von außen auf- und ihm direkt vor die Nase geschlagen. „Oh, entschuldige, Kurogane-san“, brachte Shaolan atemlos heraus, als er sah, wie der Ninja auf dem Boden saß und sich mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck den Nasenrücken rieb. „Erzähl lieber, was los ist, dass ihr hier so durch die Gänge hetzt, als wäre eine Horde Dämonen hinter euch her“, lenkte er auf den Grund für dieses seltsame Verhalten zurück. Sofort nahmen sowohl Shaolans als auch Mokonas Gesicht einen festen Ausdruck an. „Wir haben Prinzessin Sakuras Körper gefunden.“ Da standen die drei nun, Mokona, Shaolan und Kurogane, und renkten sich die Hälse aus bei dem Versuch, an die weit, weit über ihnen in der Dunkelheit verschwindende Decke des Südturms zu blicken, an der sie schemenhaft zwei schwebende Gestalten und jede Menge blassblonde, ellenlange Haare sehen konnten. Shaolan und Mokona hatten darauf bestanden, dass Kurogane mitkam und sich selbst ansah, wo sich der Körper der Prinzessin befand, weil beide keinen Rat hatten, was sie jetzt tun konnten. Und nachdem er erst gezögert und sich noch einmal vergewissert hatte, dass es dem Magier nicht wieder schlechter ging, war er dem Jungen mit dem hasenartigen Wesen im Arm gefolgt. Wenn man lange genug hinsah, konnte man das etwas seltsam anmutende Gebilde, das mindestens dreißig Meter über ihnen schwebte, sogar entschlüsseln: Das viele blonde Haar gehörte zu dem Mädchen, das Sakuras Körper in diese Dimension gebracht hatte. Mit ihren Haaren und Armen hatte sie eben jenen eng umschlungen an sich gebunden, sodass nur Teile der Kleidung, die die Prinzessin in Infinity getragen hatte, sowie ein Stück ihrer fuchsbraunen Haare zu sehen waren. Das brachte sie der Lösung ihres Problems jedoch keinen Schritt weiter: Wie sollten sie den Körper von dort oben herunter bekommen? Shaolans Magie reichte nicht aus, das hatte er bereits probiert. Und bei Mokonas 108 Fertigkeiten war auch nichts dabei, was hier helfen konnte. Kurogane konnte allerdings noch viel weniger ausrichten, denn das Einzige, was er wirklich beherrschte, war der Umgang mit seinem Schwert. Und daran war hier gleich gar nicht zu denken. Es blieb ihnen wohl nichts anderes übrig als zu hoffen, dass Fye endlich wieder aufwachte. Er würde wohl am ehesten wissen, was zu tun war. Zumindest war das ihre einzige Hoffnung. Nun, da er hier nichts weiter tun konnte, wollte der Ninja lieber wieder zurück in das Zimmer, in dem der Magier lag. Auch wenn das Schloss, und wahrscheinlich sogar der Rest dieses Landes, praktisch ausgestorben war, so gefiel es ihm nicht, den „Patienten“ zu lange unbeaufsichtigt zu lassen. „Geh ruhig, ich bleibe noch ein bisschen hier“, meinte Shaolan, als Kurogane den Gang zurückblickte, auf dem sie gekommen waren. „Okay. Und mach dir keine Sorgen. Du sagst ja selbst, dass die Prinzessin von einem sehr starken Bann umgeben ist. Es wird ihr sicher gut gehen.“ Ein trauriges Lächeln umspielte Shaolans Lippen. „Und du mach dir auch nicht so viele Sorgen.“ „Ich mach mir ÜBERHAUPT KEINE Sorgen!“, fauchte der Ninja gereizt zurück. Für einen Augenblick wurde das Lächeln im Gesicht des Jungen belustigt. „Natürlich nicht. Ist schon gut.“ Damit drehte er sich wieder um und starrte weiter Richtung Decke. Kurogane verstand das Zeichen, dass der Junge nun gern in Gedanken bei der Prinzessin verweilen wollte, und ließ ihn in Ruhe. Als er den Rückweg antrat, hatte er immer noch diesen einen Satz von Shaolan im Hinterkopf. „Ich und mir Sorgen machen... Sicherlich nicht.“ - ‚Jedenfalls nicht mehr als nötig. Mal davon abgesehen, dass dieser Magier uns alle drei in Atem gehalten hat.’ Der Rest des Tages verlief für Kurogane so spannend, wie er bis vor der Entdeckung vom Körper der Prinzessin gewesen war: Rumsitzen, Däumchen drehen, Magier anstarren, Holz nachlegen. Und möglichst nicht so viel über den Blondschopf nachdenken, davon wurde er nur wieder depressiv. Als Shaolan am Abend wiederkam, wirkte er auch nicht unbedingt wie die Fröhlichkeit in Person. Wahrscheinlich hatte er die vergangenen Stunden damit verbracht, fieberhaft nach einer Möglichkeit zu suchen, um den Körper der Prinzessin von der Decke des Turmes zu befreien – und er hatte keine gefunden. Fyes Gesundheitszustand konnte ihn aber zumindest ein bisschen positiver stimmen. Das Fieber war inzwischen so gut wie abgeklungen und auch sonst schien sich alles mehr und mehr dem Zustand anzunähern, den man im Allgemeinen gern als „in bester Ordnung“ bezeichnete. Je besser es Fye ging, desto ausgelaugter fühlte sich jedoch Kurogane. Das viele Sitzen machte ihn schier wahnsinnig, er brauchte unbedingt Bewegung. Deswegen ergriff er nach Shaolans Rückkehr auch sofort die Gelegenheit und schaffte neues Feuerholz heran, wobei er sich endlich ein wenig austoben konnte. Anschließend tauschten er und Mokona die Plätze, sodass der Ninja sich mit Shaolan in der Küche bediente und Mokona auf den schlafenden Fye aufpasste. Nach dem Abendbrot merkte Kurogane, dass es nicht nur etwas zu Essen und Bewegung gewesen waren, die ihm fehlten. Langsam aber sicher kroch ihm auch die Müdigkeit in die Knochen und er spürte eine angenehme Schwere in seinen Gliedern. Allerdings zeigte er davon nichts, denn er sah auch Shaolan deutlich an, dass dieser geschafft war. Da es ihm lieber war, wenn diese Nacht noch einmal jemand auf Fyes Schlaf Acht geben würde und er das dem Jungen nicht zumuten wollte, übernahm er diese Aufgabe lieber wieder selbst und unterdrückte den Wunsch seines Körpers nach Schlaf, damit der Braunhaarige sich keine Sorgen um ihn machte. Allerdings blieb Shaolan diesmal auch länger wach als am Abend zuvor und so saßen sie teils schweigend, teils sich leise unterhaltend noch eine ganze Weile in dem kleinen, angenehm warmen Raum und sahen Fye oder dem Feuer zu. Schließlich hatten Shaolan und Mokona sich hingelegt und er war der Einzige, der wach blieb. Jetzt, wo nicht mehr als das leise, stetige Knistern des Feuers die Stille der Nacht unterbrach, spürte Kurogane, wie die Müdigkeit immer stärker versuchte, ihn ebenfalls in einen tiefen Schlaf zu ziehen. Doch er hatte Übung darin, lange wach zu bleiben und das würde er sicher noch einige Stunden durchhalten. Mindestens. Die Nacht hatte letztendlich doch mehr Stunden und siegte über Kuroganes Willen. Selbst der mit der Zeit immer unbequemer werdende Stuhl hatte irgendwann gar nicht mehr so sehr gestört, das Knacken des Feuers hatte er nicht mehr wahrgenommen und schließlich spürte er überhaupt nichts mehr, als seine Sinne immer tiefer in samtene Schwärze eintauchten und sich sein Körper endlich nahm, wonach er verlangte. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte, als er in der Dunkelheit plötzlich doch noch einmal aufwachte. Das Feuer brannte noch immer hell und kräftig, so wie er es zuletzt in Erinnerung hatte, aber...warum war das Bett plötzlich leer?! Die Erkenntnis traf ihn wie einen Donnerschlag. Fye war wach. Und er war nicht mehr hier. Wahrscheinlich war er noch nicht allzu lange weg, denn wenn der Magier in der Zwischenzeit aufgewacht war, dann musste Kurogane länger geschlafen haben, als ihm lieb war. Das Feuer war wahrscheinlich fast oder gänzlich niedergebrannt gewesen und wohl erneuert worden. Doch dass die Flammen noch so hell loderten, musste bedeuten, dass Fye erst kürzlich gegangen sein konnte. Kurogane stand auf, nahm sich den Kerzenhalter, der auf dem Kamin stand, zündete mit den Flammen die Kerzen an und verließ den Raum. Ihm fiel nur ein Ort ein, wo Fye zu finden sein könnte. Falls er ihn dort nicht antraf...tja, dann würde ihm wohl nichts weiter übrig bleiben, als zu Shaolan zurückzukehren und zu hoffen, dass der Magier von sich aus bald wieder da sein würde. Aber der erste Fall war ihm bedeutend lieber. Dann konnte er sich wenigstens davon überzeugen, ob es ihm gut ging. Kurogane sollte Recht behalten. Als er die letzte Stufe des Südturms emporgeklommen war und in den Gang einbog, der geradewegs in den hohen, runden Raum hineinführte, sah er eine blonde Gestalt mit weißem Wintermantel auf dem Boden knien, in seinen Armen noch einen weiteren Körper haltend – den der Prinzessin. Je näher Kurogane dem Ende des Ganges kam, desto langsamer wurden seine Schritte. Seine Zweifel vom Vormittag waren zurückgekehrt. Was, wenn Fye ihn nun endgültig hassen würde, wenn er ihn keines Blickes mehr würdigte oder sogar versuchte, auf ihn loszugehen? Natürlich könnte er ihn problemlos abwehren, sollte das der Fall sein. Und wenn es nicht anders ging, dann würde er diese Reise auch fortsetzen, ohne jemals wieder ein Wort mit dem Magier zu wechseln, doch unbedingt so haben wollte er es nicht. Es würde die ganze Sache nur noch schwerer machen – vor allem für die Kinder. Und so blieb er schließlich einige Meter hinter dem Magier stehen und musterte ihn unsicher. Wie sollte er ihn am besten ansprechen? Die Entscheidung wurde ihm kurz darauf abgenommen, als der Blonde selbst zuerst das Wort ergriff: „Ashura ist tatsächlich tot...“ „Wie geht es dir?“ Schweigen. Ein unterdrücktes Zittern lief durch Fyes Körper. Doch Kurogane wartete. Und erhielt schließlich eine Erwiderung auf seine Frage. „Sakura-chan geht es mit Sicherheit bedeutend schlechter als mir.“ „Was ist mit ihrem Körper?“ „Er scheint in Ordnung. Chii hat sie beschützt.“ Bei der Erwähnung dieses Namens wanderte Kuroganes Blick in die Höhe. Ja, wo war überhaupt das Mädchen mit den langen Haaren und den seltsamen Ohren geblieben? Er konnte sie nirgends entdecken. „Wo ist sie?“, fragte er daher nach. Inzwischen stand er direkt hinter Fye. „Chii gibt es nicht mehr. Sie war ein Produkt meiner Magie und einer Feder von Sakura-chan. Als die Feder sich mit der Seele vereint hat, zu der sie gehörte, war Chii bereits verschwunden. Das, was von ihr übrig geblieben war, war lediglich meine Magie, die in ihr steckte und deren Ziel es gewesen war, den Körper der Prinzessin zu schützen. Diese Aufgabe ist jetzt erfüllt, also ist sie ganz verschwunden.“ ‚Daher also der Bannkreis, den Shaolan nicht durchbrechen konnte…’ „Es ist Sakura-chans Seele, um die ich mir Sorgen mache“, holte Fye den Ninja aus seinen Gedanken. „Ihr wird es gut gehen.“ „Was macht dich da so sicher?“ „Die Dimensionshexe passt auf sie auf, selbst wenn Mokona nicht in der Nähe ist. Sie hätte Sakura diese Reise nicht antreten lassen, wenn sie nicht davon überzeugt wäre, dass sie es auch übersteht. Wenn sie diese Reise nicht schafft, dann hätten all die Handel, die wir alle mit ihr Abgeschlossen haben – besonders die, die Shaolans Klon abgeschlossen hat – keine Bedeutung mehr. Die Hexe ist auch eine Händlerin. Obwohl viele Tauschaktionen längst beendet sind, würde sie nicht zulassen, dass diese an Wert verlieren, denn dann hätte sie zu viel von uns verlangt. Außerdem mag sie die Prinzessin – auch wenn sie eigentlich unparteiisch sein sollte.“ „Selbst wenn – es ist meine Schuld, dass es soweit gekommen ist. Ich werde ihr nie wieder unter die Augen treten können.“ „Damit wirst du sie sehr traurig machen. Du hast sie doch gehört, als sich ihre Seele von ihrem Körper gelöst hat. Sie sagte, dass alles okay sei und du dir keine Sorgen machen sollst. Wie auch immer das passiert ist – die Prinzessin hat die Zukunft geändert in dem Moment, als dein Fluch sich gegen sie gerichtet hat.“ „Das ist es nicht...jedenfalls nicht allein.“ Obwohl Kurogane das Gefühl hatte, dass Fye noch weiter sprechen wollte, schwieg er eine lange Zeit. Zuerst überlegte er, ob er nachhaken sollte, damit der Magier endlich weitererzählte, doch dann entschied er sich dagegen, setzte sich stattdessen neben ihn, um ihm zu signalisieren, dass er Zeit hatte und warten würde, bis er eine Antwort auf die unausgesprochene Frage erhielt. Schließlich zog Fye die Prinzessin noch ein Stück stärker in seine Arme, wandte den Blick in eine andere Richtung, und flüsterte leise: „Es wäre gar nicht erst so weit gekommen, wenn ich euch von dem Fluch erzählt hätte. Ich hätte nicht länger mit euch reisen dürfen – nein, eigentlich hätte ich die Reise gar nicht erst antreten dürfen. Ich bin ein elender Verräter!“ „Damit könntest du Recht haben, dass du uns besser gar nicht erst getroffen hättest“, pflichtete Kurogane ihm bei. Der Zug um Fyes Lippen wurde noch ein Stück bitterer. „Doch es wäre falsch und nur noch feiger von dir gewesen, wenn du uns einfach mittendrin im Stich gelassen hättest, egal aus welchen Gründen. Wir alle wussten, dass du etwas vor uns zu verbergen hattest – etwas Wichtiges – aber trotzdem haben wir dir vertraut und uns auf dich verlassen. Ganz besonders die Prinzessin. Sie hat nie daran gezweifelt, dass du ein guter Kerl bist und ihr zur Seite stehst. Und davon ist sie auch jetzt noch überzeugt.“ Insgeheim fragte Kurogane sich, seit wann er so viel redete. Das war normalerweise die Aufgabe des Blondschopfs, doch heute war dieser eher wortkarg. „Das ändert nichts daran, dass ich euch verraten habe.“ „Und DAS ändert nichts daran, dass wir dir alle verziehen haben und dich weiterhin an unserer Seite haben wollen. Sakura, Shaolan...und ich.“ „Warum macht ihr es mir nur so schwer?“ „Du bist es, der sich dauernd den schwersten Weg aussucht. Kannst du uns nicht einmal vertrauen und dir selbst verzeihen?“ „Ich vertraue euch, voll und ganz. Je länger wir zusammen unterwegs waren, desto überzeugter war ich davon, dass ihr alle herzensgute Menschen seid. Selbst du, Kurogane, obwohl du immer so griesgrämig tust.“ Ein wenig verwunderten den Ninja diese Worte. Dieses Eingeständnis hätte er nicht erwartet, bei der derzeitigen Verbohrtheit seines Gesprächspartners. Und noch etwas fiel ihm auf: Die Art, wie der Blonde seinen Namen betont hatte. Es hatte so schlichtweg natürlich geklungen und das wohl zum ersten Mal, seit Fye sich diese peinlichen Spitznamen abgewöhnt hatte. Er wusste, er hatte ihm damit zeigen wollen, dass er ihm die Rettung seines Lebens nicht verzieh und stets hatte der Ninja einen steifen, unnahbaren Unterton aus dem Ende seines Namens herausgehört, eine unpassende, wenn auch kaum hörbare Betonung, die dort einfach nicht hineingepasst hatte. Das hatte er diesmal nicht gehört... „Und gerade deshalb kann ich mir nicht verzeihen, verstehst du das nicht?“ Der Ninja stöhnte innerlich auf. Da war sie wieder, diese verfluchte Verbohrtheit! „Nein, ich verstehe es nicht! Und ich will es auch nicht verstehen, denn du kapierst genauso wenig. Wie oft soll ich es dir noch sagen, dass deine Vergangenheit nichts mit uns zu tun hat? Dauernd nimmst du sie als Vorwand für deine Entscheidungen und deine Handlungen, bloß um eine Rechtfertigung zu haben, mal wieder wegrennen zu können. Stell dich ihr endlich, sieh ein, dass es Dinge gibt, die nicht rückgängig zu machen sind und blick, verdammt noch mal, nach vorn, um es in Zukunft besser zu machen und nicht schlimmer!“ Der Magier wirkte geknickt, das sah Kurogane ganz deutlich, aber es kümmerte ihn im Moment nicht. Er spürte nur eine Mischung aus Wut und Betroffenheit. ‚Da kann man auch gegen Wände reden!’, schloss er diesen Fall für sich und erhob sich wieder, um in sein Zimmer zurückzukehren und vielleicht noch ein paar Stündchen Schlaf bekommen zu können. „Denk einfach mal drüber nach. Die Entscheidung, hierher zurückzukommen, war zumindest schon mal ein guter Anfang“, warf er ihm noch über seine Schulter hinweg nach, bevor er sich endgültig in Bewegung setzte. Bevor er den spärlich erleuchteten Gang nach unten jedoch erreichte, hielt ihn Fyes Stimme noch einmal auf. „Kurogane?“ „Ja?“ „… Ach, schon gut.“ Der Ninja zuckte mit den Schultern, darüber grübelnd, was Fye jetzt wohl gewollt haben konnte, und trat den Rückweg an. Besagter Magier verharrte noch immer regungslos in derselben Pose, in der er sich schon befand, seit er den Raum betreten und Sakuras Körper mit seiner Magie befreit hatte. Er fühlte sich einfach fürchterlich. Damals, als er die Reise nach der Suche der Federn angetreten hatte, war ihm nicht wichtig gewesen, wer seine Begleiter sein würden und wie sie waren, doch die drei hatten es schnell geschafft, einen festen Platz in seinem erfrorenen Herzen zu finden und es von innen gewärmt. Kurogane hatte gesagt, dass sie ihm vertrauten, ihn brauchten...aber noch viel mehr brauchte er sie. Das wusste er nicht erst, seit in Infinity alles aus dem Ruder gelaufen war, sondern schon viel länger, noch bevor sich herausgestellt hatte, dass der Shaolan, mit dem sie ihre Reise begonnen hatten, nur eine Kopie seines wahren Selbst war. Deshalb hatte er verzweifelt versucht, das fremde Herz in dessen Körper festzuhalten, als sein Siegel brach und es versuchte, zu seinem wahren Besitzer zurückzukehren. Er hatte sich nicht wehren können, als der Klon ihm sein rechtes Auge ausstach und wenn Kurogane nicht dazwischen gegangen wäre, dann hätte er sein anderes Auge sicher auch verloren. Und sein Leben... Sein Herz verkrampfte sich schmerzhaft, als er daran dachte, wie aufgebracht der sonst so unnahbare Ninja in diesem Augenblick gewesen war. Fye hatte die Umstände, unter denen er sich befunden hatte, als eine Möglichkeit gesehen, das drohende Unheil, welches seine Begleiter durch ihn sicher erwartet hätte, abzuwenden, doch Kurogane hatte es nicht zugelassen. Selbst wenn er sich mithilfe seiner Magie gewehrt hätte, hätte der Schwarzhaarige alles daran gesetzt, ihn am Leben zu erhalten, das war ihm in dem Moment bewusst geworden. Ja, er hatte versucht, davonzulaufen. Er war ein Feigling. Kurogane hatte vollkommen Recht, wenn er das sagte. Aber er stellte eine Gefahr dar. Das war schon immer so gewesen, ihm in die Wiege gelegt worden, mitsamt seinem zweiten Ich, seines Zwillingsbruders. Er war dazu geboren, allen Unglück zu bringen, mit denen er in Berührung kam. Warum konnten sie ihn dann nicht einfach zurück lassen? Selbst sein Bruder, dessen Namen er nun trug, schien ihn noch immer irgendwie zu umgeben und auf ihn aufzupassen. Er hatte ihn gespürt, als er gegen den Fluch in sich um sein Leben gekämpft hatte. Die ganze Zeit über hatte er das Gefühl gehabt, Fye hätte ihm beigestanden und geholfen, ihm Kraft gegeben. Und nicht nur Fye...auch Kuroganes Präsenz hatte er gespürt. Besonders als er gedroht hatte, den Kampf gegen die tödliche Macht in sich zu verlieren, hatte er Kuroganes Seele in all seinen Details wahrnehmen können, so hell und kraftvoll, als wäre es seine eigene gewesen. Warum tat er all das nur für ihn? Fye hatte stets versucht, ihn auf die Palme zu bringen und er war wunderbar darauf eingestiegen, jedes Mal. Er hatte den Ninja ignoriert und dieser hatte es akzeptiert, den Abstand zwischen ihnen nicht verringert, aber dennoch stets aus der Entfernung ein wachsames Auge auf ihn gehalten. Er hatte ihm verziehen, dass er sie alle verraten und die Prinzessin schwer verletzt hatte. Er hatte ohne zu zögern Ashura herausgefordert, obwohl er als erfahrener Krieger genau gewusst haben musste, mit was für einer Macht er sich da anlegte. Und er hatte ihm erneut in der Stunde seines Todes beigestanden und ihn ins Leben zurückgezogen. Warum das alles? „FYE-SAN!!!“ Der Magier konnte seine Gedanken nicht zu Ende bringen, denn in diesem Moment hallte Shaolans laute Stimme an den Wänden wider und der Junge kam aufgeregt auf ihn zugesprintet, fiel ihm um den Hals und klammerte sich so fest an ihn, als hätte er Angst, der Magier würde für immer verschwinden, wenn er ihn wieder losließ. „Ich bin so froh, dass du wieder zu dir gekommen bist! Gestern hatte ich solche Angst, dass wir dich verlieren könnten...“, brachte der Junge mit einer Mischung aus Erleichterung und Verzweiflung in der Stimme heraus. Fye konnte nicht anders, als seinen linken Arm unter dem Körper der Prinzessin hervorzuziehen und ihren Körper stattdessen auf seine Beine zu betten, damit er Shaolans Umarmung sanft erwidern konnte. Es versetzte ihm gleich einen noch stärkeren Stich zu sehen, wie Recht Kurogane vorhin gehabt hatte, als er sagte, dass sie ihn brauchten. Wenn er wirklich gestorben wäre, was hätte das für ein unsäglicher Schmerz für den Jungen und seine Prinzessin bedeutet? Und der Ninja? Wahrscheinlich hätte er es nicht gezeigt, so wie er seine Gefühle eigentlich nie preisgab, aber wahrscheinlich wäre es ihm nicht besser ergangen als den anderen beiden. Fye drückte den Jungen noch ein wenig fester an sich. Wie sollte er sie jemals allein lassen können, wenn er sie damit derart verletzte? Er hatte genug angerichtet, er durfte nicht zulassen, dass die einzigen Menschen, die ihm noch etwas bedeuteten, leiden mussten, erst recht nicht seinetwegen. Aber das bedeutete gleichzeitig auch, dass er leben musste. Leben, und mit dem Schmerz umgehen, die dieses grausame Schicksal ihm jahrzehntelang zugefügt hatte. Konnte er damit umgehen? Er wusste es nicht. Aber er würde es wohl müssen. Wieder musste er an Kurogane denken. Ob er den Jungen extra geweckt und hierher geschickt hatte, um ihm zu zeigen, was er mit Worten einfach nicht verstehen konnte? Wahrscheinlich. Und er kam nicht umhin, ihm gedanklich dafür zu danken, denn damit hatte er wohl verhindert, dass der Magier einen weiteren großen Fehler beging. Er musste sich eingestehen, dass er dem Schwarzhaarigen Unrecht getan hatte, als er ihm die Vereitelung seiner Flucht aus dem Leben in Tokyo nachgetragen hatte. Und dennoch konnte diese Erkenntnis seinen eigenen Schmerz nicht lindern. Die beiden verharrten sehr lange in dieser traurigen Zweisamkeit, die sie in diesem Moment vereinigte. Schließlich machte Shaolan den Vorschlag, dass sie in ihr Zimmer zurückgingen, sich stärkten und dann überlegten, was sie als nächstes machen konnten. Fye war momentan zwar überhaupt nicht nach Essen zu mute, aber er wusste, dass er den Jungen damit nur noch weiter beunruhigen würde, also fügte er sich und kehrte mit ihm und dem Körper der Prinzessin im Arm zurück. Während des Frühstücks herrschte betretenes Schweigen. Shaolans Gedanken schienen wieder Sakura zu gelten, deren Körper nun auf dem einzigen Bett im Zimmer lag. Kurogane musterte den Magier unauffällig und versuchte herauszufinden, wie es diesem ging. Seelisch vor allen Dingen. Fye im Gegenzug versuchte genauso heimlich den Ninja im Auge zu behalten und aus dessen wie immer versteinerten Gesichtszügen irgendeinen Gedanken abzulesen. Ob er immer noch wütend war auf ihn? Oder ob er sich inzwischen wieder beruhigt hatte? Gelegentlich bemerkte er, wie der Blick des anderen auf ihn fiel, sich jedoch sofort wieder woanders anheftete, sobald er selbst kurz in Kuroganes Richtung schaute. Ob er sich Sorgen um ihn machte? Noch einige Male bemerkte er den Blick des Schwarzhaarigen und war sich dann fast sicher, dass der andere sich Gedanken machen würde. Das beruhigte ihn ein wenig. Der Schwarzhaarige schien immer da zu sein, wenn er gebraucht wurde, sei es nun für Shaolan, Sakura...oder sogar für ihn. Vielleicht half es ihm, wenn er seine Sorgen einmal mit seinem Gefährten teilte und sich nicht nur allein mit ihnen herumplagte. Er hatte das Gefühl, Kurogane konnte er sich anvertrauen. Der Ninja schien ihn sowieso ständig durchschaut zu haben, egal wie sehr er versucht hatte, seine Gefühle zu verstecken. Das Erste, was sie nach dem Essen in Angriff nahmen, war, Yuuko zu kontaktieren. Vielleicht hatte sie einen Rat, was die drei nun tun konnten. Und hoffentlich würde der nicht zu teuer ausfallen. Die Hexe meinte jedoch, dass ihnen im Moment nichts übrig blieb, als darauf zu warten, dass die Seele der Prinzessin ihre Reise beendete und von allein in ihren Körper zurückkehrte. Solange sollten sie nach Möglichkeit in Ceres verweilen. Zum einen war es hier erst mal sicher und es drohte auch dem Körper des Mädchens keine Gefahr, zum anderen würde es schwieriger für die Seele, ihren Körper wiederzufinden, wenn sie zu oft die Dimensionen wechselten. Die Seele fand den Körper anhand seiner Erinnerungen und als sie von ihm getrennt worden war, hatte sie noch einen Hauch der neuen Welt gespürt, bevor beide endgültig den Dimensionssprung vollzogen hatten. „Sakura geht es gut. Watanuki ist bei ihr und begleitet sie in der Welt der Träume“, antwortete sie auf Shaolans besorgte Frage, ob sie wüsste, wie es der Seele der Prinzessin ging. Der Junge, den er im Haus der Dimensionshexe gesehen hatte, war also bei Sakura. Das beruhigte sie alle ein wenig. „Yuuko-san, ich habe noch eine Frage“, warf Fye ein, als Mokona die Verbindung zur Hexe bereits beenden wollte. Diese drehte sich noch einmal um und wartete auf das, was Fye wissen wollte. „Egal wie hoch der Preis ist...gibt es irgendeine Möglichkeit, Tote wieder lebendig zu machen?“ Die elegante Frau schwieg einen Moment. „Nein. Kein Preis der Welt kann den Wert einer Seele aufwiegen, deren Lebenszeit einmal erloschen ist.“ Sie wusste, an wen Fye bei dieser Frage gedacht hatte. Doch da konnte ihm niemand helfen. Nicht einmal Clow Reed hätte das vermocht. Fye sah betreten zur Seite. Er hatte mit dieser Antwort gerechnet. Auch wenn Fei Wang ihm damals versprochen hatte, dass er seinen Bruder mithilfe der Federn zurückholen konnte, so hatte er doch damals schon gewusst, dass dieser Mann ein niederträchtiger Mensch war, der nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht war. Trotzdem traf es ihn hart, diese Worte aus dem Mund der Dimensionshexe zu hören, denn nun hatte er Gewissheit. Dieses letzte, kleine Fünkchen Hoffnung, dass sich über all die Jahre hinweg tapfer in ihm erhalten hatte, erlosch. Als Kurogane erneut in einem der Nachbarzimmer war, um mit seinem Schwert verschiedene Holzgegenstände zu zerkleinern, trat Fye unerwartet auf ihn zu. „Was ist denn?“, fragte der Ninja verwundert. „Ich möchte mit dir reden.“ Wenig später fanden sich beide im Nordturm des Schlosses wieder, der genauso aufgebaut war wie der Südturm: Ein steinerner Gang führte in eine große, runde Halle, deren Decke irgendwo in luftigen Höhen in der Dunkelheit verschwand. In der Mitte des Raumes war im Boden ein Wasserbecken eingefasst, das mehrere Meter im Durchmesser maß und äußerst tief zu sein schien, denn trotz seines kristallklaren Wassers, durch den man bis auf den Boden hinabblicken konnte, schien dieser sehr weit entfernt zu sein. Auf dem Boden des Beckens befand sich, mit bloßem Auge nur noch schwer zu erkennen, ein länglicher, sechseckiger Kasten, in dem jemand einen scheinbar ewigen Schlaf schlief. Bei dem Körper lag noch etwas, etwas Rundes, bläulich Glänzendes, das fast schon von sich aus zu leuchten schien. Kurogane vermutete, dass es irgendein magischer Stein oder etwas Ähnliches war. „Ist das dein Bruder?“, fragte Kurogane. Natürlich kannte er die Antwort darauf längst, doch er wollte das Gespräch selbst einleiten, weil er das Gefühl hatte, dass es Fye nun doch schwer fiel, mit dem Reden zu beginnen. „Ja. Das ist Fye. Seit Ashura uns aus unserem Gefängnis herausgeholt hat, liegt er hier.“ „Und du hast die ganze Zeit nach einem Weg gesucht, ihm sein Leben wiederzugeben? Wenn du Magie studiert hast, dann müsstest du doch am besten wissen, dass das unmöglich ist.“ Wieder trat dieser verzweifelte Ausdruck in Fyes Gesicht. „Ich weiß...aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Fye...ich schulde ihm so viel. Es ist meine Schuld, dass er gestorben ist, ohne je richtig gelebt zu haben.“ „Es ist keine Schande, leben zu wollen. Und Fei Wang hätte euch niemals beide überleben lassen. Er wusste, dass eure Schwäche nur ihr beide wart.“ „Wenn ich damals an Fyes Stelle gestorben wäre-“ „Dann würde er jetzt hier neben mir sitzen, sich Vorwürfe machen und um seinen Bruder trauern“, beendete Kurogane den Satz für ihn. „Hör auf, dir deswegen Vorwürfe zu machen. Du hast nichts falsch gemacht. Es gab keine andere Möglichkeit für euch.“ „Dennoch...“ Fye ballte seine Hände so stark zu Fäusten, dass die Knöchel sich von seiner ohnehin blassen Haut deutlich abhoben. „Dennoch vermisse ich ihn. Er war der Einzige, der je zu mir gehalten hat, als uns die ganze Welt verurteilte, bloß...bloß weil wir am selben Tag geboren waren.“ „Menschen neigen leider zu solch dämlichen Aberglauben. Und es gibt immer wieder Unschuldige, die darunter zu leiden haben“, versuchte Kurogane, den vor unterdrückter Spannung zitternden Magier zu trösten. Als er ihn direkt anblickte, veranlasste ihn ein plötzlicher Impuls, seinen Arm um die Schulter des schmächtigen Mannes zu legen und noch ehe er groß darüber nachdenken oder es verhindern konnte, hatte sich sein Körper auch schon verselbstständigt. Fye wies diese Berührung jedoch nicht ab, saß erst einen Moment regungslos da, legte sein Gesicht dann jedoch vorsichtig auf der breiten Schulter des Ninja nieder und unterdrückte ein Schluchzen. „Wenn...wenn es dir dann besser geht, kannst du ruhig heulen“, stammelte der Krieger etwas verlegen. Ein Glück, dass der andere gerade nicht mitbekam, wie rot er im Gesicht war. Das wäre dann wirklich zu peinlich gewesen. Es kam ihm schon komisch genug vor, dass er hier den Seelenklempner spielte und seine Hilfe auch noch angenommen wurde! Damit hätte er nun gar nicht gerechnet. Fye begann tatsächlich, gedämpft zu schluchzen. Wahrscheinlich hatte er diese aufgestauten Gefühle ohnehin nicht länger aushalten können und hätte auch ohne die Aufforderung des Ninja die Tränen nicht mehr zurück halten können. Es dauerte nicht lange, da spürte Kurogane, wie sein T-Shirt an der Schulter feucht wurde, Fyes Schluchzer entkamen ihm nun immer freier und verzweifelter, seine Hände klammerten sich an seinem Arm und seinem Shirt fest. Kurogane wusste nicht so recht, was man am besten tat, wenn es jemandem schlecht ging und er Trost brauchte, also tätschelte er nur einige Male unbeholfen Fyes Rücken und hielt ansonsten lieber den Mund, bevor da noch etwas Falsches herauskam. Erst, als der Blonde sich wieder beruhigt hatte, sich mit einem leise gemurmelten „Danke“ von ihm löste und sich die letzten Tränenspuren von den Wangen wischte, sprach Kurogane wieder. „Wir sollten dem Jungen ein anständiges Begräbnis verschaffen.“ Der Magier sah ihn verständnislos mit einem noch immer geröteten Auge an. Anscheinend kannte er solche Rituale nicht. - Nun, wenn man sein halbes Leben in einem tiefen Loch verbracht hatte, in das hin und wieder Leichen geworfen wurden, war das wohl auch kein Wunder. „In meiner Heimat gibt man Toten ein richtiges Begräbnis, damit ihre Seelen Frieden finden und in eine andere Welt übergehen können“, erklärte er dem Blonden. „Wie macht ihr das?“ „Der Verstorbene wird gebadet, neu eingekleidet, erhält Beigaben von Verwandten und Freunden, damit sich die Seele immer an die Hinterbliebenen erinnern kann, und dann wird der Körper verbrannt. Am besten über Kiefernholz, aber ich vermute, das werden wir hier nicht finden. Anschließend wird die Asche in ein Gefäß gefüllt, die man im Haus der Familie auf einem speziellen Altar aufstellt, vor dem für das Wohl der Seele gebetet werden kann.“ Ein trauriges Lächeln umspielte Fyes Lippen. „Das klingt nach einem schönen Brauch. Wir sollten das auch machen, damit Fye endlich Ruhe findet“, willigte der Magier ein. So zog er sich seinen Mantel und das Shirt aus, um zum Boden des Sees hinabzutauchen, Fye aus seiner Schlafstätte herauszuheben und ihn mit an die Oberfläche zu bringen. „Gibt es hier überhaupt so etwas wie eine Urne?“, gab Kurogane zu bedenken, als der Blonde sich wieder ankleidete. „Ich denke nicht, aber wir finden sicher einen Ersatz. Und das mit den Kiefernzweigen bekommen wir sicher auch hin.“ Der Ninja hatte keine Ahnung, was dem Blondschopf durch den Kopf ging, und dieser machte auch keine Anstalten ihn aufzuklären. Also wartete er ab und folgte ihm zurück in ihr Zimmer, wo Shaolan und Mokona bereits voller Sorge auf die beiden gewartet hatten. Als sie die Person in Fyes Armen sahen, verstanden sie. „Und? Wo willst du das Zeug nun hernehmen?“, fragte Kurogane schließlich, als der Magier seinen Bruder auf Shaolans Strohbett ablegte. „Gleich. Erst einmal wollen wir ihn doch ordentlich einkleiden, oder?“ Kurogane brauchte den Toten nur mit einem kurzen Blick zu betrachten, um zu wissen, dass Fye Recht hatte. In dem schäbigen Leinensack konnte er nicht bleiben. Wahrscheinlich gab es hier im Schoss mehr als genügend schöne Kleider, wenn man nur wusste, wo man zu suchen hatte. Und Fye wusste es anscheinend. Wenig später kehrte er mit einem wunderschönen weißblauen Seidengewand zurück, welches an den Ärmeln, dem Halsbereich, an der Seite und den Enden der Hosenbeine durch filigrane Silberornamente verziert war. Wenn Kurogane seinen Begleiter so musterte, kam es ihm vor, als wäre dieser mit neuer Lebenskraft dabei, seine Arbeit zu vollziehen. Schon nachdem seine Tränen oben im Nordturm endlich versiegt waren, hatte er das Gefühl gehabt, als ginge es ihm bereits ein wenig besser, jetzt, da er sich endlich einmal alles von der Seele hatte weinen können. Und dieser Gedanke, seinem Bruder eine letzte Ehre erweisen zu können, schien ihm ein wenig Hoffnung zu geben. Als der Verstorbene endlich umgezogen war und Fye sich auch um dessen Frisur gekümmert hatte – sie sah jetzt so aus wie seine eigene und machte die Ähnlichkeit der beiden trotz des Altersunterschieds und der tiefen Furchen im Gesicht des Jüngeren unverkennbar – bekam Kurogane endlich eine Antwort auf seine vorherige Frage. Wenn auch nur indirekt. „Mokona, kann ich bitte noch einmal mit Yuuko-san reden?“, bat er das Manjuu. „Natürlich!“ Und schon stand die Verbindung wieder. „Hallo Yuuko-san! Könntest du mir bitte Kiefernzweige und einen Gegenstand geben, in dem man Asche verwahren kann?“ Von da wehte also der Wind… Kurogane musste zugeben, dass diese Idee gar nicht mal so schlecht war. Nur wovon Fye das bezahlen wollte, war ihm ein Rätsel – auch wenn die gewünschten Dinge sicher nicht so teuer würden. „Ihr wollt eine Beerdigung durchführen?“, fragte die Hexe zurück. „Ja. Fye soll endlich Frieden finden können. Ich habe das Gefühl, seine Seele ist noch immer rastlos“, erklärte der Magier und dachte dabei an die Zeit, in der er bewusstlos gewesen war und die Aura seines Zwillings gespürt hatte. „Die Urne sollte nicht allzu groß sein, wenn du sie auf deiner Reise bei dir behalten willst, oder?“, gab die Hexe zu bedenken. „Stimmt...hast du irgendetwas Passendes da?“ „Ich denke schon.“ „Was bekommst du dafür?“ „Den Stein, der bei dem anderen Fye liegt, ist angemessen.“ „Der Flourite?“ Fye war überrascht. Mit so einer einfachen Bezahlung hätte er nicht gerechnet. Doch jetzt, wo die Hexe ihn erwähnte, fiel ihm wieder ein, dass Ashura ihm diesen Stein bei ihrer ersten Begegnung geschenkt hatte, also war es seiner, auch wenn er die ganzen Jahre über bei seinem Zwillingsbruder gelegen hatte. „Genau der.“ Ohne zu zögern reichte Fye den leuchtenden Stein an Mokona weiter, das ihn auch sogleich mit seinem Mund aufsog und ihn damit in Yuukos Dimension brachte. „Bezahlung erhalten. Geht auf das Dach des Schlosses, dann wird Mokona die gewünschten Gegenstände herausgeben.“ Damit war das Gespräch beendet. Fye bat auch Shaolan, bei ihrer Zeremonie beizuwohnen. Obwohl dieser die Prinzessin nicht gern allein ließ, verstand er nur zu gut, dass dieses Ereignis sehr wichtig für Fye war und willigte daher ein. Das Holz kam, sobald sie unter blauem Himmel waren und Mokona einige Schritte Richtung Mitte der Dachterrasse gehüpft war, fein säuberlich ausgestapelt aus seinem Mund. Nachdem Fye seinen Bruder darauf gebettet hatte, kam auch die Urne, ein kleines Kreuz aus Silber, verziert mit winzigen Diamanten und Saphiren, befestigt an einer silbernen Kette, hinterher. Aus seiner Brust beschwor Fye eine kleine, abgenutzte Holzpuppe mit schwarzen, matten Augen und einem abgebrochenen Bein hervor, die er dem Toten in die Hand legte. Früher, bevor sie getrennt worden waren, hatten sie viele solcher Holzspielzeuge besessen, mit denen sie immer lange und ausgiebig zusammen gespielt hatten. Diese Puppe war das letzte, was ihm von damals geblieben war. Er betrachtete den matten Körper des Jungen noch einmal liebevoll und ausgiebig, bevor er ihm sacht auf die Stirn küsste und schließlich mit seiner Magie das Holz in Brand steckte. Wortlos sahen sie zu, wie sich die Flammen erst langsam, dann immer schneller durch das Holz fraßen und allmählich auf den Körper des Verstorbenen übergriffen. Fye spürte bei diesem Anblick ein unglaublich beklemmendes Gefühl in seiner Brust und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er noch lange allein stehen konnte. Fast automatisch suchte seine zitternde linke Hand einen Zipfel von Kuroganes Jacke und klammerte sich unauffällig daran fest. Der Ninja spürte die Bewegung natürlich sofort, brauchte nicht einmal den Blick zu senken, um zu wissen, was diese Geste zu bedeuten hatte. Einige Augenblicke musterte er Shaolan, der jedoch unentwegt ins Feuer starrte und nichts von Fyes Bewegung mitbekommen zu haben schien, also löste er langsam seine vor der Brust verschränkten Arme und legte seine rechte Hand sanft auf die des Magiers, um ihm damit anzudeuten, dass er bei ihm war, dass er für ihn da war. Kaum dass sich ihre Hände berührten, wurde der Ausdruck in Fyes Gesicht ein wenig weicher. Kurogane hatte also richtig vermutet. Er brauchte jetzt einfach jemanden, der ihm sagte, dass er nicht allein war. Als die Sonne längst untergegangen und das Feuer so gut wie niedergebrannt war, wurde es schnell sehr kühl auf dem zugigen Dach. Shaolan konnte das Schlottern seiner Knochen kaum noch unterdrücken und Fye tat dieser Anblick Leid, wenn er zu ihm herübersah. „Geh ruhig wieder rein und schau nach der Prinzessin. Es wird sicher noch eine ganze Weile dauern, bis das Feuer endgültig verloschen und die Asche kalt genug ist, um sie in die Urne füllen zu können.“ „Ist das auch wirklich okay für dich?“ „Natürlich. Ich bin dir dankbar dafür, dass du so lange hier warst. Aber jetzt geh ruhig!“ Damit war Shaolan schließlich überzeugt, machte sich mit Mokona auf den Rückweg und ließ die beiden anderen allein zurück. Es verging noch eine ganze Weile in schweigender Stille, in der Fye und Kurogane das ersterbende Feuer beobachteten. Dass ihre Hände noch immer aufeinander ruhten, bemerkten sie gar nicht mehr. „Geht es dir jetzt besser?“, fragte Kurogane irgendwann schließlich. Die Frage drängte sich ihm schon seit einiger Zeit auf. „Ja...ich denke schon. – Wo genau gehen eure Seelen eigentlich hin, wenn sie sterben?“ „In eine Welt, die unserer gar nicht mal so unähnlich ist. Dadurch können die Verstorbenen uns beobachten und wissen immer, was wir tun, wie es uns geht, ob wir an sie denken…“ Nostalgisch betrachtete Fye den wunderschönen Nachthimmel. Er hatte das Gefühl, als würden die Sterne heute besonders hell strahlen. „Gibt es in dieser Welt Schmerzen?“ „Nein. Den Seelen geht es gut. Der einzige Schmerz, den sie spüren können, ist der, wenn sich ihre geliebten Menschen im irdischen Leben grämen. Also versuch, ein bisschen fröhlicher zu sein, damit er sich nicht um dich sorgen muss. Den Toten kannst du nämlich nichts vormachen.“ Ein warmes Lächeln trat in Fyes Gesicht. „Danke für alles...Kuro-rin.“ Im ersten Moment starrte der Ninja den neben ihm stehenden Magier verdutzt an. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem Grinsen. „Ich dachte, du hättest dir das abgewöhnt?“, gab er halb belustigt, halb beleidigt zurück und wuschelte zur Unterstreichung einmal kräftig mit der rechten Hand durch die blonden Haare. Fye kicherte ein wenig und lehnte seinen Kopf an die breite Schulter neben sich. „Danke...“ Kurogane wurde dabei so warm ums Herz, dass er ganz vergaß, seine Hand wieder herunterzunehmen und so rutschte sie einfach nur ein Stück zur Seite, bis sein rechter Ellbogen sacht auf Fyes Schulter ruhte und die Finger gedankenverloren mit einigen der platinblonden Haarsträhnen spielten, während sie beide in die unendliche und doch hell erleuchtete Nacht hinausblickten. Fin ~-~*~-~ Ja, das wars. Hat mich drei Nachtschichten gekostet, aber es hat Spaß gemacht, mal wieder etwas zu schreiben. Obwohl ich beim Betalesen das Gefühl hatte, echt grottig geschrieben zu haben -.- . Das Gefühl hat sich im Übrigen über Jahre hinweg erhalten und nun habe ich die ganze Geschichte noch einmal gelesen und hoffentlich an der ein oder anderen Stelle noch ein wenig ausfeilen können. Über ein paar Kommis würde ich mich natürlich sehr freuen ;). Lady_Ocean Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)