Der Schwur der 'Göttersöhne' von Sonna-Eraseus (Seth x Atemu) ================================================================================ Kapitel 14: Chapter 14 ---------------------- Chapter 14 Die Krieger blieben stumm, als von der Decke Staub und kleine Steine auf sie herabrieselten. Die Wände wackelten leicht, der Boden bebte etwas. Doch sie blieben stehen. Keine Regung war in ihren Gesichtern zu lesen. Sie wussten, was jetzt kommen würde. Kommen musste. Fawe hatte mit Sicherheit gespürt, dass sie ihre Macht zurückhatten. War er bis jetzt noch untätig geblieben – aus welchem Grund auch immer – so konnte er sich das jetzt nicht mehr leisten. Jetzt hieß es, wer zuerst angriff, war im Vorteil. Diesen Vorteil würde sich der Magier bestimmt nicht entgehen lassen. Und so war es auch. Nachdem das Beben aufgehört hatte, standen im Raum verteilt vier Gestalten. In jeder Ecke einer, hatten sie die Krieger und ihre Schattenmonster eingekreist. „So sieht man sich wieder“ sprach der erste von ihnen – Incendius. Das Feuer sah sie mit glühenden Augen an, bereit, jeden Moment loszuschlagen. „Unser Meister wünscht euch zu sehen. Kommt ihr freiwillig mit oder müssen wir euch dazu zwingen?“ Es war Caelus anzusehen, welche Möglichkeit er vorziehen würde. Dieses angriffslustige Lächeln, das sie alle zur Schau trugen. „Ach? Wünscht euer Meister das?“ Seths Stimme troff nur so vor Sarkasmus. „Dann wollen wir ihn mal nicht warten lassen. Oder was meint ihr dazu, Pharao?“ „Ganz eurer Meinung, Hohepriester. Aber bevor wir ihnen folgen, müssen wir hier noch etwas erledigen.“ Sprach’s und tat’s. Wind entstand in der Grabkammer, zerrte an ihrer Kleidung, an ihren Haaren, fuhr in die Ritzen in den Wänden, brach sie noch mehr auf. „Seth, warnst du bitte die anderen?“ Der nickte und konzentrierte sich dann darauf, Tea, Tristan und die anderen zu erreichen. Schickte ihnen eine Warnung, sich von dem Grab zu entfernen. Dann halfen Jono und er dem Pharao, das Grab zum Einsturz zu bringen. Der Wind breitete sich im Gang aus, brach das gesamte Gebäude zum Wackeln. Staub und Steine fielen von der Decke, die Wände stützten ein. Mittendrin standen unbeweglich die Beteiligten. „Was soll das?“ knurrte Stagnus. Er mochte diesen Sand, der da auf ihn nieder rieselte, so gar nicht. „Ist das nicht offensichtlich? Wir bringen hier alles zum Einsturz. Dieses Grab hat seinen Zweck erfüllt und wird nun nicht mehr gebraucht. Wie sieht es aus? Können wir? Wir wollen euren Meister ja nicht warten lassen.“ Ein belustigtes Funkeln war in Atemus Augen erschienen. Ein wenig freute er sich schon darauf, Fawe fertig machen zu können. Wäre er nicht wieder aufgetaucht, hätten sie ein ganz normales Leben führen können. Vielleicht hätte es noch ein wenig gedauert, bis er und Seto zusammengefunden hätten, aber sie hätte ein Leben ohne kämpfen führen können. Diese verpasste Chance würde er Fawe heimzahlen! „Nun denn, dann kommt.“ Incendius verschwand als erster in einer Stichflamme. Die anderen drei Elemente streckten jeweils eine Hand zu den Kriegern aus, die von diesen mit abschätzendem Blick ergriffen wurden. Fast teuflisch wurden sie angegrinst, als sich die Elemente mit ihnen wegtransportierten. Die drei Schattenmonster blickten noch einen Moment sorgenvoll auf die Stellen, wo bis eben noch ihre Herren gestanden haben. Leicht unwohl war ihnen schon. Dann verschwanden auch sie ins Reich der Schatten, um da zu sein, wenn ihre Herren sie brauchten, sie riefen. Zurück blieb ein einstürzendes Grabmal. ~ Das Beben rund um das Grab schien gar nicht mehr aufhören zu wollen. Wurde immer stärker. Die Schreie verhallten ungehört in der Wüste. Während die Jugendlichen hauptsächlich Angst um sich hatten, breitete sich in den Erwachsenen eine schlimme Erkenntnis aus. Wenn das so weiterging, dann ... „Joey! Yugi! Kaiba!“ schrieen Tea und Tristan aus vollem Halse. Sie hatten weniger Angst um sich als um ihre Freunde. Wenn die drei da nicht sehr bald herauskamen, dann ... *Bringt euch in Sicherheit* hörten sie alle eine Stimme in ihrem Kopf. Die Schreie wurden leiser. „Was ...?“ hauchte Tea fassungslos. Das war doch Kaibas Stimme. Aber wie ...? *Weg vom Grab!* schrie er sie alle ein zweites Mal an. Miss Hame riss sich aus ihrer Starre los. Egal ob sie sich das gerade nur eingebildet hatte oder nicht. Sie musste ihre Schüler von hier wegbringen. Schlimm genug, dass bereits drei verloren waren. „Los, weg von hier. Ab zu den Leitern mit euch“ schuppste sie die erste Gruppe Richtung Leitern. Die setzte sich mechanisch in Bewegung, keiner wollte, wenn er ehrlich war, auch gar nicht verstehen, was hier gerade vor sich ging. Zusammen hetzten sie auf die paar Leitern zu, die einen Weg in Sicherheit versprachen. Hinter ihnen rumpelte es immer lauter. Man hörte das Knallen von einstürzenden Wänden, Stein krachte auf Stein. Staub und Sand wirbelten durch die Luft. Wie sie es schließlich geschafft hatten, sich alle in Sicherheit zu bringen, konnte hinterher keiner sagen. Tatsache war, dass sie es geschafft hatten und darüber waren sie mehr als froh. ~ Mit leichtem Staunen im Blick sahen sie sich um. Sie hatten damit gerechnet, dass Fawe irgendwo in der Wüste auf sie warten würde. So wie beim letzten Mal. Stattdessen ... die massigen Felsen schlossen ein Tal ein, die Bergspitzen berührten beinah die Wolken und die Sonne, die durch eine Schneise in den Felsen in diesen Talkessel schien, wurde von den blank geputzten Felsen reflektiert. Tauchte alles in ein fast überirdisch wirkendes Licht. „Herzlichen Willkommen zu eurem Untergang.“ Die Stimme Fawes hallte durch das gesamte Tal, fast diabolisch. „Das glaubst aber auch nur du“ entgegnete Jono selbstsicher. „Du und deine Elemente – ihr werdet genauso enden wie beim letzten Mal.“ Belustigtes Lachen war die Antwort. „Oh nein, das glaube ich nicht. Noch mal werde ich mich nicht einsperren lassen. Habt ihr gehört?! Los, greift sie euch!“ gab er den Befehl an die Elemente. Die schienen nur darauf gewartet zu haben. Mit einem freudigen – fast irren – Glitzern in den Augen griffen sie an. Von verschiedenen Seiten kamen sie mit einem unglaublichen Tempo immer näher. Die ‚Krieger des Schicksals’ standen fast gelassen da, konzentrierten sich. Beobachteten ihre Gegner. Was für einen Angriff würden diese als erstes starten? Incendius erschuf jede Menge Feuerkugeln, die um ihn herum schwirrten. Das tiefrote Feuer schien fast lebendig. Unter Terrenus erbebte der Boden. Seine braunen Augen hatten den Gegner fixiert, starrten ihn an. Das Gestein wurde ein paar Zentimeter aufgeworfen, so als ob ein Riesenwurm sich unterirdisch fortbewegte. Stagnus und Caelus schossen nebeneinander her. Das Wasser, das Stagnus herbeigerufen hatte, wurde von einem mächtigen Luftstrom erfasst und flog direkt auf sein Ziel zu. „Na dann ...“ „Viel Glück ...“ „Für die Zukunft ...“ Ein jeder beobachtete das Element, das auf ihn zugeschossen kam. Analysierte den Angriff, gegen den man sich in wenigen Sekunden verteidigen würde müssen. Die rechte Hand nach unten ausgestreckt, gingen sie etwas in die Knie, bis sie den Boden berührten. Die Handfläche über eine scharfe Kante ziehend, zuckten sie nicht mal zusammen, ignorierten den kurzen Schmerz. Noch im Hochkommen schlossen sie die Hand zur Faust, verteilten das Blut. Die Hand wieder öffnend, wurde sie etwas nach vorne gestreckt. „Durch die Bindung des Blutes rufe ich, dein Meister, dich. Komm zu mir“ intonierte ein jeder von ihnen. „Auge des Timäus.“ „Klaue des Critias.“ „Klaue des Hermos.“ Die Schwerter hörten diesen Ruf und folgten ihm. „Nun werden wir ja sehen, wer hier gegen wen verliert“ murmelte Jono zu sich selbst, da war auch schon Terrenus heran. Oder vielmehr sein Angriff. Das Element selber blieb einige Meter vor seinem Gegner stehen, nur die Erde bewegte sich weiter. Schoss vor Jonos Füßen in die Höhe und begrub ihn beinah unter sich. Aber eben nur beinah! Die Erde wurde zur Seite gestoßen und zerfiel in ihre Einzelteile. „Danke, Seth“ nickte der Blonde seinem Freund einmal kurz zu, dann musste er sich wieder auf Terrenus konzentrieren. In dessen Hand war inzwischen ebenfalls ein Schwert erschienen, das zwar wie Erde aussah, aber ganz gewiss nicht deren Konsistenz besaß. Das wusste Jono nur zu gut aus eigener Erfahrung. Dieses Schwert war genauso hart und scharf wie eines aus Metall. Er hob sein Schwert. Keine Sekunde zu früh. Klirrend prallten seines und das Erdschwert aufeinander. Den Rückstoß spürte er bis in die Schultern. Luft wurde zischend eingezogen. Verdammt, tat das weh. Die Zähen zusammenbeißend, sammelte er Kraft und drückte Terrenus einige Schritte zurück. Tief holte er Luft. Jetzt machte sich bemerkbar, dass er schon eine ganze Weile nicht mehr wirklich gekämpft hatte. „Was ist? Schon kaputt?“ grinste Terrenus ihn schadenfroh an. „Von dem bisschen? Bestimmt nicht!“ gab er keck zurück. Niemals würde er gegenüber seinem Feind eine Schwäche zugeben. Noch einmal tief Luft holend, machte er sich zum nächsten Angriff bereit. Konzentriert befahl er das Wasser zu sich, das sich im Erdreich befand. Ließ es sich unter Terrenus ansammeln. Mit einem Aufschrei hob er sein Schwert und führte den nächsten Angriff aus. Wieder prallten ihre Schwerer aufeinander, den Rückstoß ignorierte er diesmal geflissentlich. Leicht hatte er seinen Gegner in die Knie gedrückt. „Was denn? Schon kaputt?“ gab er die Frage mit einem schadenfrohen Grinsen zurück. Er befahl das Wasser an die Oberfläche. Noch bevor Terrenus eine Erwiderung von sich geben konnte, fand dieser sich auf dem Boden sitzend wieder. Das Wasser hatte ihn seines sicheren Standes beraubt und die Kraft, die Jono einsetzte, tat ihr übriges. Die Schwerter immer noch gekreuzt, blitzten ihn die braunen Augen Jonos an. „Zu viel Selbstsicherheit kann einem manchmal schaden.“ Die blauen Augen beobachteten konzentriert, wie Caelus und Stagnus auf ihn zugerast kamen. Ließen diesen mit Wasser angefüllten Luftstrom keine Sekunde lang aus den Augen. Für die Schutzwand würde er eine Menge Energie benötigen. Konzentration machte sich in ihm breit, die Schutzwand erschien zwischen ihm und diesem Angriff. Es konnte nur noch Bruchteile einer Sekunde dauern, bis der Aufprall kam. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, das Jono beinah von einer Lawine aus Erde verschlungen wurde. >Verdammt!< fluchte er innerlich ziemlich laut. Eine Schockwelle loslassend, zerbarst die Erdlawine. Das „Danke, Seth“ nahm er kaum wahr. Zu sehr wurde seine Konzentration von dem Aufprall abgelenkt, der in dieser Sekunde erfolgte. Es kostete ihn einiges an Mühe und Magie, den Schutzwall nicht brechen zu lassen. Irgendwie schaffte er es. Die Wand hielt, wenn auch nur knapp. Nach Luft schnappend, ging er in die Knie, die Wand löste sich in ihre Bestandteile auf. Die beiden Elemente sahen ihn grimmig an. Sie waren wohl nicht sehr erbaut darüber, dass ihr Angriff ins Leere gegangen war. „Na wartet“ flüsterte Seth zwischen dem Luftholen. „Nicht mit mir.“ Er hob den Blick, seine Augen funkelnden vor Wut. Das Schwert in der rechten Hand, überlegte er, wie er am besten vorgehen sollte. Eine Strategie musste her, mit der er die Stärken und Schwächen seiner Gegner am besten gegeneinander ausspielen konnte. >Mit Feuer kann ich etwas gegen Stagnus ausrichten. Gleichzeitig wird Feuer durch Luft nur noch weiter angefacht. Aber damit kann ich Caelus nichts anhaben. Wobei ... gegen Caelus kommt eigentlich kein Element an. Aber vielleicht ...< grübelte der Hohepriester. Die Gedanken schossen ihm innerhalb von Sekundenbruchteilen durch den Kopf. Dann bewegte er sich auch schon wieder. Das Schwert erhoben, stürmte Seth auf die beiden Elemente zu, bevor diese ihren nächsten Angriff ausführen konnten. Grimmig sahen sie ihm entgegen, ließen ihre Schwerter erscheinen. Sie hatten etwas Abstand zwischen sich gebracht und warteten auf ihren Angreifer. Das Schwert Seths krachte auf das Wasserschwert Stagnus’. Wider der Naturgesetze fuhr das Metal nicht einfach durch das Wasser hindurch, sondern prallte an ihm ab. Über die gekreuzten Klingen blickten sich zwei paar blauer Augen an. Wütend. Ärgerlich. Gleichzeitig drückten sie ihre Schwerter gegeneinander, wollten den anderen nach hinten wegschupsen. Doch nichts geschah. Ärger war in ihren Gesichtern zu lesen. Keiner wollte nachgeben. Über Seths Gesicht huschte ein fieses Grinsen. Noch bevor Stagnus reagieren konnte, ließ sich der Hohepriester seitlich nach hinten wegfallen. Nach Gleichgewicht ringend, stolperte Stagnus einige Schritte nach vorne, übersah eine der kleinen Felsspalten und verlor nun doch das Gleichgewicht. Prallte mit Caelus zusammen und riss diesen mit sich zu Boden. Diese Verschnaufpause ausnutzend, versuchte Seth sich auf das Feuer in der Umgebung zu kontrollieren. Er spürte ganz schwach den Widerhall auf seine Suche. Doch ihm wurde eines ganz schnell klar. Das Feuer war zu weit weg. Bis er es hier hatte, würde zu viel Zeit vergehen und ob das Feuer dann noch genügend Kraft hatte, um als Waffe zu dienen, war fraglich. Aber woher sollte er jetzt Feuer bekommen? Seine Gedanken rasten. Irgendeinen Ausweg musste es geben. >Flammenschwertkämpfer!< Genau, das war die Idee. Sein Blick fuhr zu Jono hinüber. Der hatte gerade die Klingen mit Terrenus gekreuzt. *Jono* baute der Hohepriester die Verbindung auf. *Was?* kam es sofort zurück. *Ich müsste mir mal dein Schattenmonster ausleihen.* *Ach? Bitte, mach.* Jono konzentrierte sich wieder auf seinen Kampf und Seth kappte die Verbindung. >Flammenschwertkämpfer< schickte er seinen Gedanken auf den Weg ins Reich der Schatten. Sie hatten sich an Menschen gebunden, hatten sich Herren ausgesucht und durften somit das Reich der Schatten nur noch dann verlassen, wenn sie gerufen wurden. Entweder direkt von ihrem Herrn oder von jemandem, der dessen Erlaubnis besaß. Wie auf Kommando erschien der Flammenschwertkämpfer neben Seth und sah diesen fragend an. Auch wenn sie im Schattenreich alles beobachten konnten, was hier geschah, Gedankenlesen gehörte nicht zu ihren Fähigkeiten. „Ich könnte etwas Feuer gebrauchen. Das Feuer im Berginneren ist einfach zu schwach“ erklärte der Magier dem Schattenwesen. Dieser nickte nur. Sein Schwert ziehend, wurde dieses in ein Meer aus Flammen getaucht. Gerade von sich gestreckt, hielt er sein Schwert Seth hin. Sein eigenes Schwert mit der Spitze in den Boden rammend, streckte Seth die Hände aus, lies sie über die Flammen fahren, schien sie mit sich zu ziehen. Schließlich schwebte vor dem Hohepriester eine große leuchtend rote Flamme in der Luft, die Hände hielt er als eine Art Schale unter diese. Dieser Vorgang hatte nur Sekunden gedauert und doch standen Stagnus und Caelus wieder auf den Beinen. Mit der einen Hand das Schwert fest umklammernd, beobachteten sie Seth, wie dieser sich Feuer besorgte. Was er damit wohl plante? Der Schwertkämpfer verbeugte sich leicht und verschwand wieder im Reich der Schatten. Hier war er genauso angreifbar wie ein Mensch und stand den Auserwählten nur im Wege herum, solange sie seine Hilfe nicht benötigten. „Was hast du mit dem Feuer vor, Hohepriester?“ erklang Caelus’ belustigte Stimme. „Das wüsstest du wohl gerne, was?“ grinste Seth, ohne eine wirklich Antwort zu geben. „Das wirst du gleich sehen.“ Die Flamme löste sich von ihrem Platz, bewegte sich auf die beiden Elemente zu und wurde dabei immer größer. Die Hitze breitete sich aus. Stagnus setzte ein paar Schritte nach hinten, weg von dieser Flamme. Schon spürte er, wie sein Körper zu brodeln anfing. Dieses Feuer war kein normales Feuer und ihm deshalb umso gefährlicher. „Na, du scheinst mich vergessen zu haben“ trat Caelus zwischen die Flamme und Stagnus. „Mir macht das Feuer nichts aus.“ Der Wind erschien, spielte mit der Flamme, gab ihr noch mehr Nahrung. Caelus blieb seelenruhig stehen, als das Feuer ihm näher und näher kam. Auch als es um ihn herum zu tanzen begann, rührte er sich keinen Zentimeter von seinem Platz weg. „Das ist so doch etwas langweilig, findest du nicht auch?“ sah es Seth leicht belustigt an. Auf eine Handbewegung hin löste sich eine kleine Luftströmung aus dem großen Ganzen, nahm etwas Feuer mit sich und raste dann auf Seth zu. Wurde immer schneller und schneller. Seth war so darauf konzentriert, das Feuer unter seiner Kontrolle zu behalten und gleichzeitig seinen Plan weiter zu verfolgen, dass er die Gefahr zwar sah, ihr aber nicht mehr ausweichen konnte. Ein heftiger Schmerz durchzuckte seinen gesamten Körper, als das Feuer ganz nahe neben seinem Kopf vorbeifuhr, die Haare versenkte. Der Wind, der ihn genau traf, eine lange, schmale Wunde auf seiner Wange hinterließ. Das Blut floss diese hinab, hinterließ eine nasse, kalte Spur, zu seinem Kinn und tropfte von dort zu Boden. Das Blau seiner Augen wurde einen Tick dunkler, sahen den Verursacher durchdringend an. Er machte keine Anstalten, das Blut wegzuwischen oder gar die Blutung zu stoppen. So tief war die Wunde nicht, dass das Blut nicht schon bald durch die Luft geronnen sein würde. „Das wirst du büßen“ murmelte er leise. Caelus Antwort bestand aus einem hämischen Lachen. Ein Lachen, das ihm aber schon sehr bald verging. Dem Element stockte der Atem, es riss seine Augen auf und sah Seth geschockt an. Das Feuer, das eben noch fast spielerisch um ihn herumgetobt hatte, schien nun in Angriffslaune. Ganz dicht um seinen Körper tanzte es, schien ihn aufzuzehren. „Kann dir das Feuer wirklich nichts anhaben, Caelus?“ war die leicht spöttische Stimme des Hohepriesters zu hören. Der blaue Blick sprühte nur so vor Belustigung. „Du solltest nicht immer so überheblich sein. Das könnte gewaltig ins Auge gehen.“ Caelus hörte diese Worte, wollte auf Seth zugehen, ihm die Kehle zuschnüren, ihm den Atem rauben. Doch er kam keinen Schritt weit. Eine unsichtbare Wand verhinderte, dass er sich vom Fleck rühren konnte. Die Hände erhoben, tastete er einmal in die Runde. Diese Wand schloss ihn ein, wie ein Käfig aus Glas. Erkenntnis machte sich in seinem Blick breit. Von draußen konnte kein Sauerstoff mehr hereinkommen. Und das, was sich an Sauerstoff noch in diesem kleinen Raum befand, hatte das Feuer in Rekordzeit verbraucht. Um zu überleben, musste es seinen Sauerstoff also von woanders beziehen. Von ihm! Sein Körper bestand aus Luft – und somit auch aus Sauerstoff. Das Feuer verzehrte ihn. Raubte ihm seine Kraft. Der Pharao sah seinen Gegner an, ohne eine Miene zu verziehen. Gegen Incendius hatte er bereits gekämpft, konnte diesen etwas einschätzen. Aber leider galt das umgekehrt genauso. Er würde also alles andere als ein leichtes Spiel haben. Er konzentrierte sich auf die Schatten, die die Feuerkugeln auf den Boden warfen. Wie sehr er seine Schattenmacht ‚vermisst’ hatte, spürte er nun zum ersten Mal überdeutlich. Die Feuerkugeln gehorchten seinem Willem, änderten ihren Kurs und krachten neben, über, hinter ihm in die Felsen. „Hast du seit unserem ersten Kampf etwa nichts dazugelernt, Incendius?“ fragte er diesen spöttisch. Genauso hatte damals ihre erste Begegnung begonnen. „Oh doch, das habe ich ...“ stürmte das Element weiter auf seinen Gegner zu. Das Feuerschwert hielt er bereits in der Hand und war bereit, es auch einzusetzen. „... Pharao.“ Ihre Schwerter krachten aufeinander. Atemu hatte sein Schwert nur gerade eben noch hochreißen können, dementsprechend im Nachteil befand er sich auch gerade. Er war von Incendius in die Knie gedrückt worden. Eine sehr ungünstige Position. Atemu musste zugeben, dass Incendius wirklich etwas gelernt hatte. Beim letzten Mal hatte er sich noch verunsichern lassen. Diesmal schien er damit gerechnet zu haben und hatte seinen abweichenden Feuerkugeln nicht weiter Beachtung geschenkt. Aber er wäre es nicht würdig gewesen, als Pharao über ein ganzes Reich zu herrschen, wenn er nicht auch aus ungünstigen Situationen wieder herauskommen würde. Kampftraining und Strategieübungen hatten von klein auf auf seinem Stundenplan gestanden. Noch drückte er mit ziemlicher Kraft gegen das Flammenschwert, stemmte sich mit den Füßen am Boden ab, verhinderte so, das Incendius ihn vollkommen zu Boden drücken konnte. Ihre Blicke ließen keinen Moment das Gesicht ihres Gegners aus den Augen. Beide wussten vom anderen, dass dieser kämpfen konnte. Achteten auf jedes noch so kleine Anzeichen, das ihnen den nächsten Angriff ankündigte. Ein Lächeln erschien in Atemus Mundwinkeln. Er wusste, dass sie sich gegenseitig beobachteten. Genauso wie Incendius. Und doch ... sich nichts anmerken zu lassen, war bei den Ansprüchen an einen Pharao das A und O. Wenn die Staatsfeinde allzu leicht erahnen konnten, was der Pharao dachte, war das nicht unbedingt zum Vorteil des Landes. So auch hier. Auch wenn Atemu lächelte, hieß das noch lange nicht, dass er auch genau jetzt etwas ausführen würde. Er liebte es, seine Gegenüber zu verwirren. Sie mit seinen Aktionen hinters Licht zu führen. Incendius schien damit zu rechnen, dass Atemu genau dann, wenn er das erste Anzeichen für einen Machtwechseln in seine – Atemus – Richtung wahrnahm, auch etwas unternehmen würde. Die Tatsache, dass Atemu trotzdem noch ganz ‚friedlich’ vor ihm hockte und sich ihre Klingen weiterhin keinen Zentimeter von ihrem Platz bewegten, schien das Element unruhig werden zu lassen. Genau diesen Moment hatte Atemu abgewartet. Als er die kurze Unsicherheit in den roten Augen sah, handelte er. Er trat einen Schritt zurück, ging dabei noch weiter in die Hocke und ließ sich dann nach hinten fallen. Einige der spitzen Felsen drückten in seinen Rücken, als er sich abrollte, aber er ignorierte den Schmerz. Verbannte ihn in einen hintersten Winkel seiner Wahrnehmung. Als er wieder auf die Beine kam, sah er gerade noch, wie Incendius nach vorne stolperte, auf der Suche nach seinem Gleichgewicht. Die Kraft, mit der er gegen Atemus Schwert gedrückt hatte und die ja nun keinen Gegenpol mehr besaß, hatte ihn unweigerlich nach vorne gerissen. Aber leider stolperte er nur wenige Schritte, dann hatte er sein Gleichgewicht wieder. Rote Augen funkelten ihn wütend an, das Violett blickte nur gelassen zurück. In einem Kampf kam es darauf an, seine Gefühle unter Kontrolle zu halten und sie zu seinem Vorteil zu nutzen. Incendius stand ein paar Meter von Atemu entfernt, schien zu überlegen, wie er nun weiter vorgehen sollte. Ebenso wie Atemu. Seine Gedanken huschten hin und her, suchten nach einer Strategie, während sein Blick nach seinen Freunden suchte. Kamen sie mit ihren Gegnern zurecht? Jono und Terrenus standen sich gegenüber, die Klingen gekreuzt. Seth hatte seine beiden Gegner wohl auch unter Kontrolle, vor ihm in der Luft schwebte eine Flamme und Atemu war, als ob er für eine Sekunde den Flammenschwertkämpfer gesehen hätte. Doch schon wurde seine Aufmerksamkeit wieder von seinem Gegner in Anspruch genommen. Mit erhobenem Schwert kam Incendius auf den Pharao zu. Seine Augen funkelten vor unterdrückter Wut und Hass. Er hasste den Pharao. Den und seine Freunde. Genau wie die anderen Elemente. Diese drei hatten keine Angst vor ihnen, wagten es, sich ihnen in den Weg zu stellen. Das konnte keiner von ihnen zulassen. Nebenbei standen diese drei auch noch den Zielen ihres Meisters im Wege. Mit einem Krachen prallten beide Schwerter aufeinander. Das Metall sprühte Funken, wurde an der Stelle, wo es das Flammenschwert berührte, glühend rot. Die Hitze dieses unnatürlichen Feuers verbrannte alles. Alles, bis auf dieses Schwert. Das ‚Auge des Timäus’ war ein besonderes Schwert. Von den Monstern geschmiedet, vor Urzeiten hergestellt, besaß es die Stärke aller Schattenmonster, die seither gelebt hatten. [fragt mich bitte keiner, wo diese Idee jetzt herkommt. Die war einfach so da T_T] Ebenso wie seine beiden ‚Brüder’ ‚Klaue des Critias’ und ‚Klaue des Hermos’. Normale Schwerter wären schon beim ersten Aufprall mit den Elementschwertern in tausend kleine Teile zerborsten. Aber diese Schwerter ... ... die nicht ... „Ich werde dich fertig machen, Pharao. Von dir wird nichts mehr übrig bleiben.“ Beide hatten sich einige Schritte voneinander entfernt und umkreisten sich nun lauernd. „Ach ja?“ Fast herausfordernd klang Atemus Stimme. „Das hast du beim letzten Mal auch behauptet. Und was war?“ Der Pharao täuschte einen Angriff vor. Sein Schwert fuhr nach unten, auf Incendius Seite zu, gefolgt von dem roten Schwert. Doch kurz bevor sie aufeinander trafen, lenkte Atemu seines blitzschnell um. Nun befand es sich auf dem Weg Richtung Kniekehle. Traf sie. Mit einem Keuchen knickte dem Element sein Bein weg. „Alles nur heiße Luft“ beendete Atemu seinen Satz. Mit einem wütenden Aufschrei stieß Incendius sein Schwert nach oben. Atemu wich einen Schritt zurück, allerdings nicht schnell genug. Ein heftiger Schmerz zuckte über seine Brust. Dort lief das rote Blut über sein weißes Oberteil, zog seine Spuren. „Heiße Luft?“ Incendius stand wieder auf beiden Beinen und sah hämisch seinen Gegner an. Atemu fluchte innerlich. Verdammt, brannte das. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Incendius sich so schnell erholen würde. Das würde ihm garantiert nicht noch einmal passieren. „Nun gut, ein kleiner Windhauch ist schon draus geworden“ musste Atemu zugeben. Aber man sah Incendius an, dass ihm dieses ‚Kompliment’ nicht besonders gefiel. „Warts ab. Wenn du erstmal der Verlierer bist ...“ drosch das Element wieder mit seinem Schwert auf Atemu ein. Der parierte die ersten Angriffe lediglich, bevor er zum Gegenangriff überging. Einen Fuß stemmte er in eine Felsspalte, wollte den bestmöglichsten Halt bekommen. Mit aller Kraft stieß er Incendius von sich, nutze die eine Sekunde Handlungszeit, um in die Hocke zu gehen, das Schwert einmal über den Boden fahren zu lassen und dann mit Schwung Incendius die Beine wegzuschlagen. Dieser zischte wütend, als er das Schwert spürte. Durch die Wucht wurde ihm der Halt weggerissen und er landete auf dem Boden. Wasser. Er konnte Wasser nicht ausstehen. Hasste es! Und dann wagte dieser kleine Pharao, ihn damit zu berühren. >Das wirst du mir büßen!< Atemu hatte nämlich – genau wie Jono – das Wasser aus dem Berginneren an die Oberfläche befohlen und es dann, als sein Schwert über den Boden gefahren war, auf dieses ‚übertragen’. Er hob den Blick, sah mit einem Grinsen zu Incendius hinüber und kam aus der Hocke wieder hoch. Die paar Sekunden Verschnaufpause nutzend, sah er wieder nach seinen Freunden. Jono lieferte sich immer noch einen Schlagabtausch mit Terrenus und Seth hatte Caelus in Feuer gehüllt. Wie er das wohl geschafft hatte? Gerade wollte sich Seth Stagnus zuwenden, als ... „Hohepriester, wie wäre es mit etwas Feuer?“ Der Angesprochene drehte sich überrascht um, als er die Stimme Atemus hörte. Er blickte seinen Pharao fragend an, solange bis sich die blauen Augen weiteten. Dann hatte er sich wieder unter Kontrollen und wandte seine Aufmerksamkeit zurück zu seinem Gegner. *Geht es dir gut?* hörte Atemu Seths besorgte Stimme. *Ja ja, geht schon. Was ist nun?* *Nur zu gerne. Aber woher nehmen?* Die tiefe Stimme hörte sich nicht im Mindesten beruhigt an, aber sie beide wussten, dass sie sich um Wunden und alles andere erst nach dem Kampf würden kümmern können – wenn überhaupt. *Wenn es weiter nichts ist* grinste Atemu gedanklich zurück. Er konzentrierte sich kurz. Eine der Feuerkugeln hatte er die ganze Zeit hinter einem der Felsen festgehalten. Hatte einen Teil seiner Konzentration darauf verwand, ihren Schatten festzuhalten. Irgendwie hatte er gespürt, dass es ihnen noch hilfreich sein würde. Als diese nun auf Seth zuraste und kurz vor ihm stehen blieb, konnte er die Überraschung Seths richtig spüren. *Na, das nenn ich aber mal ein Feuer.* Damit würde er Stagnus so einige Probleme bereiten können. ~ Miss Hame ging aufgelöst im Zelt auf und ab. Es war erst wenige Minuten her, dass sie drei ihrer Schüler verloren hatte. Die Stimme von Professor Junyo, der die Lage gerade über Funk Mister Yoshida erklärte und diesen bat, die Polizei zu verständigen und zusammen mit dieser herzukommen, hörte sie gar nicht. Ebenso wenig wie sie Mister Kano beachtete, der seit Minuten versuchte, sie zu beruhigen. „Das wäre erledigt. Yoshida wird gegen Nachmittag mit der Polizei hier eintreffen.“ Von der anderen beiden Professoren und Meyer bekam er ein stummes Nicken als Reaktion. Mister Kano blickte lediglich kurz einmal in seine Richtung und wandte dann seine Aufmerksamkeit wieder der Lehrerin zu, deren Auf-und-Ab-Geherei bereits ihre Spuren im Sand hinterlassen hatte. „Miss Hame, nun beruhigen Sie sich doch mal“ versuchte Mister Kano es zum x-ten Mal. Bisher hatte er nie eine Antwort bekommen und rechnete auch diesmal wieder mit eisigem Schweigen der Lehrerin. Doch ... „Verdammt noch mal, Mister Kano!“ Miss Hame sah ihn aufgebracht an. „Wie soll ich mich denn bitteschön beruhigen, wenn ich weiß, dass gerade drei meiner Schüler gestorben sind? Wie soll ich mich da beruhigen? Erklären sie mir das mal!“ Tränen bahnten sich ihren Weg die Wangen hinunter, die Hände zu Fäusten geballt, versuchte sie verzweifelt Luft zu holen. Sie hatte das Gefühl zu ersticken. Verdammt noch mal! Sie war für ihre Schüler verantwortlich gewesen. Sie hätte dafür Sorge tragen müssen, dass die drei nie dieses Grab betreten hätten. Sie hätte sie eigenhändig aus diesem Grab wieder rausschleifen müssen. Sie war für ihren Tod verantwortlich. Wie sollte sie das nur den Angehörigen erklären? Wie sollte sie Kaibas kleinem Bruder sagen, dass sein Bruder tot war? Wie sollte sie Yugis Großvater sagen, dass sein einziger Enkel nicht mehr zurückkehren würde? Wie sollte sie ... Miss Hame lachte auf. Hysterisch. Verzweifelt. Unglücklich. Verdammt, sie wusste noch nicht einmal, wer von Wheelers Familie noch lebte. Die anderen beiden waren ja durch ihre Position im Duell-Monster-Spiel und als Firmenchef oft genug im Fernsehen aufgetaucht, mitsamt Kommentaren zu ihren Familien. Nur Wheeler nicht ... Sie musste unbedingt Gardner und Taylor fragen, wer von Joeys Familie noch lebte. Und ... vielleicht sollte sie sich auch um diese beiden etwas kümmern. Schließlich hatten sie vor wenigen Minuten mit angesehen, wie ihre besten Freunde lebendig verschüttet worden waren. Sie musste ... Die Tränen rannen ihr weiter über die Wangen. Verflucht! Sie musste doch für ihre Schüler da sein. Das war ihre Pflicht als Lehrerin. Und was tat sie? Sie stand hier, heulte herum und wusste einfach nicht weiter. „Erstmal sollten Sie tief durchatmen“ spürte sie eine tröstende Hand auf ihrer Schulter. Durch ihren Blick nahm sie verschwommen Mister Kano wahr, der neben ihr stand. Aufmunternd lächelte er sie an. „Tief Luft holen“ befahl er noch einmal. Und sie tat, was er sagte. Holte tief Luft. Immer und immer wieder. „Sehr gut. Wie sollen Sie denn so aufgelöst Ihrer Klasse gegenübertreten.“ Er hielt ihr ein Taschentuch hin – wo hatte er das denn bitte auf die Schnelle aufgetrieben? „Danke“ lächelte sie leicht und wischte sich die Tränen ab. Er hatte ja Recht. Erstmal musste sie sich beruhigen, dann konnten sie sich daran machen, mit ihrer Klasse zu sprechen. Die Wissenschaftler sahen die Frau an. Es war ja nicht so, dass es ihnen egal war, was da gerade passiert war, aber so etwas gehörte nun mal zu ihrem Beruf. Niemand hatte gesagt, dass es ungefährlich war, in noch nicht gesicherten Ruinen einen Rundgang zu wagen. Damit musste man jedes Mal rechnen, wenn man an einer Ausgrabung teilnahm. Nicht selten waren schon bei den reinen Ausgrabungen Menschen gestorben. Dass es diesmal drei Jugendliche getroffen hatte ... Auch wenn man es ihnen nicht ansah, ging ihnen das ebenfalls sehr nahe. Nur hatten sie gelernt, mit solchen Katastrophen einigermaßen umzugehen. „Miss Hame ...“ fing Professorin Turner an. Sie kannten sich zwar erst seit zwei Tagen, aber dennoch hatte sie die Frau in ihr Herz geschlossen. So wie sie sich um ihre Schülerinnen gekümmert hatte, sah man ihr an, dass sie zur Lehrerin berufen war. Die Angesprochene richtete ihren Blick nun auf die Professorin. Sah sie fragend an. „Na kommen Sie. Wir beseitigen jetzt erstmal die Spuren dieses ‚Ausbruchs’ und dann sehen wir nach ihren Schülerinnen, okay?“ Vielleicht würde sie die Lehrerin wenigstens für die nächsten paar Minuten auf etwas andere Gedanken bringen. Momentan sah man ihr an, dass sie jeden Augenblick wieder in Tränen ausbrechen würde. Kaum merklich nickte Miss Hame und ging dann zusammen mit der Wissenschaftlerin zu deren Zelt hinüber. Die Herren blieben im Zelt zurück, schauten den beiden Damen wortlos hinterher und hofften, dass Miss Turner die Lehrerin wenigstens etwas würde aufmuntern können. Im Rest des Zeltlagers herrschte genauso Stille wie nun in diesem Zelt. Überall saßen die Jugendlichen in Gruppen zusammen, schwiegen sich an, weinten stumm oder schluchzten leise. Keiner hatte bis jetzt richtig verarbeitet, was geschehen war. Viel zu schnell war alles passiert. Das Grab, das einkrachte, die Panik, die ausbrach, das Rennen ums eigene Leben. Die Mädchen hatten sich in Gruppen zusammengesetzt, hielten sich gegenseitig im Arm und schluchzten leise vor sich hin. Ihre Blicke starrten apathisch ins Leere. Nichts um sich herum nahmen sie wahr. Die Jungen saßen im Schatten oder in ihrem Zelt, schwiegen sich an und starrten blicklos den Sand vor ihren Füßen an. War das eben wirklich passiert? War das alles real? Sie konnten es kaum glauben. Mittendrin und doch weit von allen anderen entfernt, saß Tristan mit der schluchzenden Tea im Arm. Das Mädchen konnte gar nicht mehr aufhören zu weinen. Unaufhörlich rannen ihr die Tränen über die Wangen und auch bei Tristan hatte das Nass Spuren in seinem staubbedeckten Gesicht hinterlassen. Während er Tea festhielt, war sein Blick in die Ferne gerichtet. Wo vor wenigen Minuten noch Staub in Mengen in der Luft gehangen hatte, war nun nichts mehr. Nichts. Gar nichts. Nichts zeugte mehr von dem Unglück. Nichts außer die aufgelösten Klassenkameraden. Tristan konnte – und wollte – einfach nicht glauben, dass Yugi, Joey und Kaiba unter diesem Haufen von Steinen begaben lagen. Nein, das konnte nicht sein. Schließlich hatten die drei die Welt gerettet. Da ließen sie sich doch von so etwas nicht aufhalten. Sie waren dort unten rausgekommen. Irgendwie. Und dass sie sich noch nicht wieder bei ihnen gemeldet hatten, hatte bestimmt einen ganz einfachen – und doch triftigen – Grund. Bestimmt. Da glaubte er ganz fest dran. Das war seine Hoffnung, an die er sich klammerte. Und sobald Tea sich etwas beruhigt hatte und er mit ihr darüber gesprochen hatte, würde sie ihm sicherlich zustimmen. Ganz sicher ... ~ Wie lange sie inzwischen schon kämpften, konnte keiner von ihnen sagen. Minuten? Stunden? Tage? Ewigkeiten? Im Grunde war diese Information auch nebensächlich. Hauptsache war nur, dass sie diesen Kampf nicht verloren. Wie lange er dauerte, spielte keine Rolle ... Atemu hörte seine Knochen knacken, als er gegen die Wand geschleudert wurde. Schmerz fuhr durch seinen ganzen Körper, vernebelte ihm für eine Sekunde die Sinne. Dann hatte er sich wieder soweit unter Kontrolle, dass seine Selbstbeherrschung alles weitere übernahm. Das Stöhnen, was ihm über die Lippen entfliehen wollte, wurde verschluckt. Die Schmerzen in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verbannt. Das Schwert umklammerte er mit der rechten Hand, hob es nun langsam auf. Der Schnitt, der einmal quer über seinen Oberarm verlief, riss wieder auf und das Blut bahnte sich seinen Weg nach unten. Er blinzelte ein paar Mal. Die Wunde auf seiner Stirn blutete ebenfalls wieder, wenn auch nicht stark. >Verdammt, wenn das so weitergeht, dann ...< Da war Incendius auch schon wieder heran. Atemu konnte nur noch sein Schwert hochreißen, als er auch schon mit voller Wucht gegen die Felswand hinter ihm gedrückt wurde. Spitze Felskanten bohrten sich in seinen Rücken, er spürte das Blut in kleinen Bächen herunterfließen. „Na, Pharao, wo ist denn nun deine große Klappe geblieben?“ höhnte Incendius ihm ins Gesicht. Steigerte seine Kraft noch etwas. Genoss sichtlich den Schmerz, der sich trotz aller Selbstbeherrschung in den violetten Augen zeigte. Auf den ersten Blick sah man es ihm zwar nicht an, aber auch bei ihm hatte der Kampf Spuren hinterlassen. Sein Brustkorb hob und senkte sich etwas heftiger als noch zu Beginn, seine Kraft hatte etwas nachgelassen und auch seine Standsicherheit ließ des Öfteren nach. >Warten wir mal ab, wo deine am Ende des Kampfes sein wird< dachte Atemu innerlich. Wenn er den Mund geöffnet hätte, wäre ihm sicherlich ein Stöhnen entwichen. Und diese Genugtuung wollte er seinem Feind nicht geben. Irgendwie musste er von dieser Felswand wegkommen. Sonst würde noch sein gesamter Rücken aufgerissen werden. Nur wie sollte er das machen? Mit einem abgehackten Schrei wurde Incendius zur Seite gerissen. Der Druck auf ihn verschwand und der Schmerz in seinem Rücken nahm ab. Er spürte das Blut stärker fließen, aber darum würde er sich später kümmern. „Pharao!“ holte ihn Seths Stimme in die Gegenwart zurück. Sein Hohepriester hörte sich genauso geschafft und fertig an, wie er sich fühlte. Sein Blick glitt nach rechts, wo er den Braunhaarigen knien sah. In der linken Hand hielt er das Schwert, die rechte war in seine Richtung ausgestreckt. Er hatte Incendius mit einer Schockwelle zur Seite gerissen. Doch so schnell, wie Incendius weggeschleudert worden war, genauso schnell stand er auch schon wieder vor Atemu. Seth beachtete er gar nicht. Sollten seine beiden Brüder am Schluss noch etwas von dem Hohepriester übrig gelassen haben, würde er ihm schon zeigen, was er von Einmischung in einen Kampf hielt. Aber erstmal stand der Pharao auf Platz eins seiner Liste. „So leicht kommst du mir nicht davon“ drohte er. Das Schwert erhoben, schlug er auf Atemu ein. Doch diesmal blieb dieser standhaft. Ließ sich nicht wieder gegen die Felsen drängen. Den Schmerz in seinem Rücken ignorierend, setzte er zum Gegenangriff an. Auch wenn dieser ohne wirklichen Plan nichts bringen würde. Er musste sich schnell was einfallen lassen. Sehr schnell. Aber bis dahin ... >Wenn ich schon untergehe, dann nur mit einem Knall!< Seth atmete schwer. Der Kampf mit zwei Elementen war nicht gerade einfach. Stagnus hatte ihm trotz der Feuerkugel einige Schwierigkeiten bereitet und dann war es Caelus auch noch gelungen, dank seiner schwindenden Konzentration den Käfig zu zerbrechen. Das Feuer hatte er auf Seth geschleudert, was bei diesem mehrere Brandblasen und Verbrennungen zur Folge hatte. Die gerötete Haut brannte fürchterlich und machte es ihm nicht gerade leichter, sich zu konzentrieren. Caelus hatte sich leider recht schnell erholt und zu zweit griffen sie dann den Hohepriester an. Der musste alles an Konzentration dazu aufbringen, sich gegen die Schwerthiebe zu verteidigen. Ab und an war es ihm gelungen, mit kleinen Magieattacken Stagnus und Caelus ins Straucheln zu bringen, aber nie hatte er eine längere Verschnaufpause für sich herausholen können. Wenn er mal richtig getroffen hatte, dann immer nur einen. Und während sich der eine zwei, drei Sekunden erholte, hatte der andere unermüdlich weiter auf ihn eingeschlagen. Schließlich kam es soweit, dass die beiden Elemente ihn mit einer vereinten Attacke – die gleiche, die sie auch zum Anfang des Kampfes eingesetzt hatten – für einige Sekunden vollkommen außer Gefecht gesetzt hatten. Mit hämischem Grinsen blickten sie aus einigen Metern Entfernung zu ihm herunter. Das irre Glitzern in ihren Augen hatte sich nur noch verstärkt. Fehlte nur noch, dass sie anfingen wie verrückt zu lachen – aber diesen Part hatte zum Glück Fawe für sich gepachtet. Spurlos war dieser Kampf aber auch an ihnen nicht vorbeigegangen. Des Öfteren hatten Seths Magieattacken und sein Schwert schmerzvolle Wunden geschlagen und empfindliche Stellen getroffen. Mit Mühe kämpfte der Hohepriester sich auf seine Knie hoch. Tief zog er die Luft ein, versuchte die Nebelschleier vor seinen Augen zu vertreiben. Den Blick nach unten gen Boden gerichtet, verschwamm alles vor ihm. Mit den Händen musste er sich abstützen. Ein Gefühl, als würde sich alles um ihn herum drehen, bemächtigte sich seiner. Verdammt, war er etwa mit dem Kopf so heftig auf den Felsen aufgekommen? Atemzug für Atemzug klärte sich sein Blick wieder. Er ergriff sein Schwert und hob den Blick. Die blauen Augen weiteten sich. Erschocken hielt er die Luft an, stieß sie dann zischen wieder aus. Die rechte Hand erhebend, kramte er den letzten Rest seiner Magie zusammen und ließ sie auf Incendius los. „Pharao“ rief er mit überschlagender Stimme. Sein Verstand sagte ihm, dass er sich lieber auf seine beiden Gegner konzentrieren sollte, aber sein Herz schrie etwas ganz anderes. Wie wollte er eine Welt retten, wenn er es nicht einmal schaffte, seinen Geliebten zu beschützen? So unsinnig dieser Gedanke eigentlich auch war – hatte er doch beides schon bewiesen – er war da. Und gegen Gefühle kam der rationale Verstand nun mal nicht an. Durch den Nebel, der sich wieder um seinen Verstand legte, hörte er Schritte auf sich zukommen. >Reiß dich zusammen, Seth< wies er sich selber zurecht. Er konnte es sich jetzt auf keinen Fall leisten, ohnmächtig zu werden. Den Kopf der Geräuschquelle zuwendend, kämpfte er sich auf die Füße hoch. >Wenn ich schon untergehe, dann nur mit einem Knall!< Ein Stöhnen kam ihm über die Lippen, als sich die flache Seite des Erdschwertes in seinen Magen bohrte. Jono ging in die Knie, ließ sein Schwert nicht los. Der Blick wanderte nach oben, traf den von Terrenus. Dieser entgegnete seinem Blick hämisch grinsend. „Was denn? War das etwa schon alles?“ traf Terrenus’ Fuß die Schulter des Blonden und schuppste diesen nach hinten weg. Voller Wucht schlug er auf dem Boden auf, stieß sich den Kopf und Schlieren erschienen vor seinen Augen. Ein unglaublicher Schmerz durchfuhr seinen Körper. Mit Mühe gelang es dem Blonden, seine Augen zu öffnen, er zwang die Schleier vor seinen Augen zurück. Das fiese Lachen von Terrenus erreichte seine Ohren, ließ ihn kurz zusammenzucken. >Scheiße tut das weh!< Sein Kopf brummte wie selten. Er sah an sich herunter, wollte feststellen, woher der Schmerz eben gekommen war. Ihm stockte der Atem. >Scheiße!< fluchte er ein weiteres Mal. Irgendwie hatte er es geschafft, sich seine Wade an einem der spitzen Felsen aufzureißen, die hier überall zu finden waren. Bestimmt fünfzehn Zentimeter lang und der Menge an Blut nach zu urteilen, nicht nur oberflächlich. >Ob ich damit stehen kann?< „Was ist? Willst du nicht langsam mal aufstehen?“ Jono sah seinen Gegner wütend und ärgerlich an, schluckte die bissige Bemerkung allerdings herunter. >Tief durchatmen, Jono< wies er sich selber an. >Beruhig dich und dann überlegst du dir nen Plan.< Genau wie Atemu und Seth es ihm immer wieder beim Training eingetrichtert haben. Überlass in einem Kampf nie deinen Gefühlen das Handeln. Tief Luft holen und nachdenken. Dann erst handeln. Die braunen Augen blitzten entschlossen auf. Den erwarteten Schmerz verbannte er in den entferntesten Winkel seines Verstandes, als er sich auf die Füße kämpfte. Die Zähne zusammenbeißend, verbat er sich, auch nur den leisesten Schmerzlaut von sich zu geben. Diesen Triumph würde er Terrenus nicht gönnen – außerdem besaß auch er so etwas wie Stolz. Das Schwert mit beiden Händen fest umklammernd, setzte er zum nächsten Angriff an. >Wenn ich schon untergehe, dann nur mit einem Knall!< ~ Miss Hame betrat das Zelt, in dem ihre Schülerinnen untergebracht waren. Stumm gingen diese langsam zwischen ihren Schlafplätzen hin und her und packten ihre Sachen. Taschen und Koffer lagen überall offen herum und fast lieblos flogen die Klamotten dort hinein. Die Deckel wurden zugeknallt, Schlösser abgeschlossen. Die eine oder andere fuhr sich mit den Händen über die Augen, wischte die Tränenspuren beiseite. Die Lehrerin sah ihre Schülerinnen an. So still erlebte sie diese selten. Normalerweise war immer fröhliches Lachen und Geplapper zu hören. Es tat ihr in der Seele weh, sie so aufgelöst zu sehen. Sie wusste, es lag weniger daran, ‚wer’ gestorben war, als vielmehr daran, ‚das’ jemand gestorben war und die ganze Aufregung und Panik drum herum. Sie hoffe nur, wenn ihre Schülerinnen erstmal wieder Zuhause und bei ihren Eltern waren, dass sie diesen Schrecken dann so gut wie möglich verarbeiteten. Vergessen können würden sie es schwerlich. Nicht wenn in den Wochen bis zum Schuljahresende drei Plätze in der Klasse leer bleiben würden. Ihr Blick glitt weiter und blieb an einem braunhaarigen Mädchen hängen, das neben ihrem gepackten Koffer saß und von den anderen schon fast krampfhaft nicht angesehen wurde. Durch das Chaos in ihrem Verstand sagte allen eine Stimme, dass es ihr am schlimmsten gehen musste. Miss Hame ging durch ihre Schülerinnen hindurch, legte der einen oder anderen in dem Versuch sie zu trösten, kurz die Hand auf die Schulter und kam schließlich bei Tea an. Setzte sich neben sie und schwieg erstmal für ein paar Augenblicke. Vielleicht fing das Mädchen ja von alleine an zu reden. Die Lehrerin hoffte, dass das Mädchen nicht allzu sehr unter Schock stand. Dass sie sich nicht in den Gedanken verrannte, dass das alles nur ein böser Traum war und Joey und Yugi – und Kaiba – gar nicht verschüttet waren. Dass sie sich weigern würde, von diesem Ort wegzugehen. Doch als sie dann in das Gesicht des Mädchens schaute, stockte ihr der Atem. Fast wünschte sie sich, das Mädchen würde schreien und toben und weinen, damit könnte sie noch am ehesten umgehen. Stattdessen sah sie ein Mädchen, das ganz ruhig dasaß, dessen Tränenspuren so gut wie nicht mehr sichtbar waren und nur noch die leicht roten Augen zeugten davon, dass sie sich vor nicht allzu langer Zeit die Augen aus dem Kopf geheult haben musste. Auch wenn der Blick stur auf den Boden gerichtet war und nichts wahrzunehmen schien, so hatte sich doch ein fast beruhigendes Lächeln auf die Lippen geschlichen. >Was Tea wohl denkt?< fragte sich die Lehrerin besorgt. „Tea?“ sprach sie sie leise an. Keine Reaktion. „Tea?“ Diesmal etwas lauter. Wieder keine Reaktion. Sie legte eine Hand auf die schmale Schulter, zwang mit der anderen Hand den Kopf etwas herum. Konnte ihr so in die Augen sehen. „Tea?“ fragte sie ein weiteres Mal. Keine Reaktion ... bis sie sah, wie sich die Augen leicht bewegten, etwas zu suchen schienen und schließlich am Gesicht der Lehrerin hängen blieben. „Miss Hame?“ war die leise Stimme des Mädchens zu hören. „Wie geht es dir?“ „Ganz gut ...“ Langsam sprach sie, als schien sie überlegen zu müssen. Besorgt sah die Lehrerin sie an. Irgendwas stimmte doch hier nicht. „Wirklich?“ Das Mädchen nickte, befreite ihren Kopf aus dem Griff der Lehrerin. „Ja, mir geht es gut. Machen Sie sich keine Sorgen.“ Miss Hame blicke noch immer etwas skeptisch, aber wie es schien, ging es Tea soweit wirklich ganz gut. „Na wenn das so ist ...“ lächelte sie ihr aufmunternd zu und stand dann auf. Wandte sich an alle Schülerinnen. „Bis die Wagen kommen, kann es nicht mehr lange dauern. Lasst Euch mit dem Packen also nicht mehr allzu viel Zeit.“ Dann verließ sie das Zelt wieder, um nach den Jungs zu sehen. In dem Zelt der Jungs herrschte eine fast noch schlimmere Stimmung als bei den Mädchen. Hier weinte keiner still vor sich hin. Sie kämpften gegen das Chaos in sich an, indem sie Witze rissen und rumalberten. Nicht selten flogen die Kissen durch die Gegend, trafen den einen oder anderen Kopf und wurden dann nach einem wütenden Rumdumblick, woher das Geschoss kam, wieder zurückgepfeffert. Als Miss Hame eintrat, flogen gerade zwei Kissen durch die Luft, haarscharf an ihr vorbei. Doch die Schüler schienen sie gar nicht zu bemerken. Sogleich flogen die Kissen wieder zurück und der nächste Kissenwerfer stieg in das Spiel mit ein. Die wenigsten der Jungs hatten ihren Koffer auch nur zur Hälfte gepackt. Die Lehrerin schüttelte den Kopf. Sie wusste nicht, was schlimmer war. Die betrübte Stimmung bei den Mädchen oder diese fast ausgelassene Stimmung bei den Jungs. Nun, solange jeder damit zu Recht kam, würde sie dieses herumalbern gewiss nicht verbieten. Außerdem war sie lange genug Lehrerin, um zu wissen, dass Jungs nicht in Anwesenheit ihrer Kumpels weinten. Das gehörte sich einfach nicht. Aber sobald sie Zuhause waren und sich alleine in ihrem Zimmer verkriechen konnten, würde sich das hoffentlich ändern. Wie auch schon im Mädchenzelt, so gab es auch hier eine kleine Ausnahme. Tristan saß auf seinem Koffer, den Rucksack neben sich stehend. Außerdem drei weitere gepackte Koffer und einen Rucksack. Er hatte genau den gleichen Gesichtsausdruck drauf wie Tea eben. Leicht abwesender Blick, so gar nicht verzweifelt oder panisch. Dazu ein Lächeln, als würde alles wieder gut werden. >Hat Tristan etwa auch Mutos, Wheelers und Kaibas Sachen gepackt?< fragte sie sich leicht besorgt. Eigentlich hatte sie diese Aufgabe selber übernehmen – oder zumindest Mister Kano übertragen wollen. Neben Tristan tretend, sah sie, wie dieser das Kissen, was gerade auf ihn zuflog, aus der Luft wischte, bevor es ihn treffen konnte und postwendend zurückwarf. Scheinbar war er ansprechbarer als seine Freundin. „Tristan?“ sprach sie ihn an. Der reagierte sogleich und drehte den Kopf zu ihr um. „Oh, Miss Hame. Was führt Sie denn hierher? Ist unser Taxi schon da? Ich habe gar keine Motoren gehört.“ „Nein, nein, das wird wohl noch ein paar Minuten dauern, Tristan. Ich wollte eigentlich nur mal gucken, wie es Euch allen geht.“ „Das sehen Sie ja. Wir haben das hier ganz gut verkraftet.“ Er wusste genauso wie seine Lehrerin, dass das nur die halbe Wahrheit war. Vielleicht sah es momentan so aus, als ob alles wieder in Ordnung wäre, aber das war es ganz sicher nicht. Sicher, für ein paar Minuten hatten hier in diesem Zelt bestimmt alle verdrängt, was passiert war. Aber spätestens wenn sie in den Wagen saßen und durch die Wüste fuhren, würden die Panik und der Schrecken zurückkehren. Aber bis dahin ... „Das sehe ich“ antwortete sie leise. „Und wie geht es dir?“ „Mir? Soweit ganz gut.“ Er hätte ihr ja auch gerne gesagt, warum es ihm so gut ging. Dass er einfach nicht glauben wollte, dass seine Freunde verschüttet worden waren und sicherlich irgendwie aus dem Grab herausgekommen waren. Nur konnte er ihr ja schlecht erklären, dass die drei so etwas wie ‚übermenschliche’ Kräfte besaßen. Irgendwie hatten sie es dort bestimmt rausgeschafft. Da war er sich sicher. „Nun denn ... sorgst du etwas dafür, dass sich die anderen mit Koffer packen etwas beeilen? Ich möchte hier weg, sobald die Wagen da sind.“ Tristan nickte nur und sah seiner Lehrerin hinterher, wie sie sich einen Weg aus dem Zelt kämpfte, an fliegenden Kissen vorbei. Und selbst wenn er nicht daran glauben würde, dass die drei es irgendwie aus dem Grab geschafft hatten ... >Joey und die anderen hätten nicht gewollt, dass wir heulend zusammenbrechen.< Miss Hame trat aus dem Zelt und blieb einen Moment stehen, sah mit geschlossenen Augen in die Sonne. Was würde sie froh sein, wenn sie alle wieder zurück in Japan waren. Wenn das Flugzeug auf japanischem Boden aufsetzte und sie ihre Schüler und Schülerinnen ihren wartenden Eltern übergeben konnte. Wenn sie etwas von ihrer Verantwortung abgeben konnte. Sie öffnete die Augen wieder, sah in die Ferne. Täuschte sie sich oder waren das dort hinten Staubwolken? Sollten die Polizei und ihr Abholdienst schon so bald hier sein? Nun, ihr sollte es recht sein. Die Professoren hatten zum Glück zugestimmt, die Angelegenheit mit der Polizei zu klären. Keiner ihrer Schüler sollte auch nur in die Nähe eines Polizisten kommen. Dafür würde sie schon sorgen. Das mussten sie sich nun auch wieder nicht antun. Zusammen mit Mister Kano würden sie dann nach Kairo zum Flughafen zurückkehren, wo sich dieser dann um einen Flug nach Japan kümmern würde. In der Zwischenzeit würde sie in der Schüle anrufen und dem Direktor Bescheid sagen, damit dieser Zuhause alles weitere regeln konnte. ~ Ihr Atem ging keuchend, sie hatten Probleme, ruhig stehen zu bleiben und nicht selten verschwamm alles vor ihren Augen. Mit Mühe hielten sie ihre Schwerter oben, als sie von den Elementen Zentimeter für Zentimeter zurückgedrängt wurden und schließlich Rücken an Rücken dastanden. „Das sieht nicht gerade gut für uns aus“ ließ sich Jono vernehmen. Seine Wunde am Bein war mittlerweile vom geronnen Blut und Staub verklebt, aus dem es hier und da allerdings ab und an noch zu bluten anfing. Blaue Flecken überall am Körper, sowie die eine oder andere Quetschung. Außerdem hustete er Blut, wohl als Folge des heftigen Schwertschlags, den er abbekommen hatte. Die Verbrennungen Seths waren dazu übergegangen, Blasen zu bilden, die bei jeder noch so kleinen Berührung tierisch wehtaten. Auch bei ihm waren jede Menge Prellungen und Quetschungen zu sehen und der Schnitt in seinem Gesicht sah auch nicht gerade sehr gesund aus. Blutreste klebten immer noch an seiner Wange und seinem Hals. „Sag mir etwas, was ich noch nicht weiß“ grummelte er zurück. Von Atemu war lachen zu hören, das alsbald in ein zischendes Husten überging. Etwas Blut fiel vor ihm auf den Steinboden und trocknete sehr schnell weg. Mittlerweile stand die Sonne hoch am Himmel und kannte kein Erbarmen. Sein Hemd war am Rücken festgeklebt und bei jeder Bewegung riss eine der vielen kleinen Wunder erneut auf, ließ erneut etwas von dem warmen Nass an der Haut hinunterrinnen. Sein rechter Arm war überall von geronnenem Blut bedeckt. „Was gibt es denn da zu lachen?“ bekam der Pharao gleich von zwei Seiten zu hören. Was seinem Lachanfall nicht gerade zuträglich war. Als er wieder soweit Luft bekam, dass er antworten konnte, meinte er immer noch lächelnd: „Egal wie tief wir in der Scheiße stecken, ihr beide werdet euch wohl nie ändern.“ Hohepriester und Tempeldiener warfen sich einen Blick zu, der alles sagte. Wenn der Herr Pharao sonst keine weiteren Probleme hatte ... „Wir sollten uns mal überlegen, wie wir hier wieder rauskommen.“ Atemus Stimme hatte ihren Ernst wieder gefunden. „Sonst seh ich schwarz für uns.“ „Irgendwie müssen wir die Elemente wegsperren.“ „Aber dazu bräuchten wir etwas Zeit, um uns zu konzentrieren“ spann Jono Seths Plan weiter. „Und um Zeit zu bekommen, müssen wir sie beschäftigen“ dachte Atemu weiter. „Und wie beschäftigen wir sie?“ Das war wieder Seth. Alle drei überlegten eine Sekunde, dann „Nun, wie wäre es denn ...“ flüsterte Jono und teilte den anderen seine Idee mit. „Das ist so was von irrwitzig, dass es schon fast wieder funktionieren könnte“ kommentierte Seth. „Von mir aus.“ Jono sah zum Pharao. Der nickte. „Gut, machen wir es so. Solange keiner sonst ne Idee hat, ist das unsere einzige Chance.“ Die Kämpfer konzentrierten sich, blendeten allen Schmerz aus. Die vier Elemente sahen ihnen erstaunt zu. Was hatten die denn nun vor? Doch keiner griff ein und versuchte, sie aufzuhalten. Sie waren der Meinung, den Kämpfern schon so viel zugesetzt zu haben, dass sie ihnen nicht mehr gefährlich werden konnten. Wie falsch sie damit lagen, würden sie schon sehr bald zu spüren bekommen ... Wind kam auf, wirbelte Staub hoch und bildete so etwas wie einen lebendigen Schutzwall um die Auserwählten. Diese hoben die Hand mit dem Schwert gen Himmel, schlossen ihre Augen und riefen mit lauter Stimme, die im ganzen Bergmassiv zu hören war: „Auge des Timäus.“ „Klaue des Critias.“ „Klaue des Hermos.“ Die Sonne brach sich am Metall. Der Wind brauste noch mehr auf. Und wie aus dem Nichts erschienen die drei Drachen, die die Macht der Schwerter verkörperten. Sekunden später erschien noch ein vierter Drache, der die verbliebene Lücke auffüllte. Jeder Drache behielt durch den tosenden Wind eines der Elemente im Blick und würde sofort Alarm schlagen, sollte sich eines auch nur einen Zentimeter bewegen. Die Elemente sahen mit verwundertem Ausdruck auf das Schauspiel, was sich ihnen bot. Was – zum Teufel – sollte das werden? Im Schutz von Wind und Drachen hielten die Auserwählten die Augen geschlossen, das Schwert sank gen Boden. Jeder konzentrierte sich auf das Element, was ihm am nächsten war. Murmelten leise Worte vor sich hin. Immer wieder diesen uralten Vers von vorne anfangend. Synchron verließen die Worte ihren Mund, gaben sich gegenseitig Kraft und wurden dadurch noch stärker. „Vier Elemente, Feuer und Wasser, Luft und Erde. Ein Gefängnis, Gegenteilig wie sonst nichts. Eingesperrt.“ Einige Minuten lang intonierten sie diesen Spruch immer wieder vor sich hin. Achteten nicht auf die paar halbherzigen Angriffe der Elemente, die immer noch nicht wirklich kapiert hatten, was hier gerade geschah. Vielleicht ahnten sie etwas, mehr aber auch nicht. Die Angriffe wurden vom Wind und von den Drachen abgewehrt. Ohne auch nur eine Sekunde mit ihrem Murmeln aufzuhören, setzten sie sich in Bewegung. Stürmten aus dem schützenden Kreis aus Wind heraus, das Schwert leicht erhoben. Die Elemente standen überrascht da und hatten kaum Zeit, sich auf ihre Verteidigung zu konzentrieren. Da waren die Krieger auch schon heran. Das Schwert niedersausen lassend, schlug Jono Stagnus das Schwert aus der Hand. Rannte ihm um und drückte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ihrer Macht beraubt“ stieß er hervor. Die blauen Augen Stagnus’ starrten ihn sprachlos an. Caelus kam gar nicht dazu, sein Schwert überhaupt zu heben. Alle restliche Kraft aus sich rausholend, schlug Atemu ihm das Schwert in die Seite. Mit einem erschrockenen Aufschrei ging Caelus in die Knie. Spürte die Hand auf seiner Schulter und nahm die gemurmelten Worte wahr. „Ihrer Macht beraubt.“ Das Schwert halb erhoben, sah Terrenus dem Hohepriester entgegen. Weiter kam er nicht, wurde seine Hand doch von einer unsichtbaren Macht festgehalten. Seths Magie. Er spürte das Metall, wie es gegen seinen Kopf donnerte und ihm leicht schwummrig wurde. Wie durch Watte hindurch nahm er die Hand wahr, die ihn berührte und hörte die zischende Stimme. „Ihrer Macht beraubt.“ Alle drei Elemente sahen ihren Gegenüber wie erstarrt an. Schrecken machte sich in ihnen breit. Die Luft um sie herum fing an zu flimmern und zu wabern. Die Sonne heizte die Felsen zwar auf, aber stark genug, um sie zum kochen zu bringen, war sie noch lange nicht. Dieses Flimmern hatte einen anderen Grund. Wie von Sinnen fingen drei der Elemente zu schreien an. Schrieen, als ob ihr Leben davon abhing. Man sah ihnen an, dass sie kämpften – gegen was auch immer. Doch es half alles nichts. Diesen Kampf würden sie nicht gewinnen. Das Flimmern wurde immer stärker, eine Art Nebel stieg auf, hüllte die Gestalten ein. Sekunden später, als der Nebel sich auflöste, war von ihren nichts mehr zu sehen. Die drei Krieger hatten, kaum das sie den letzten Satz ausgesprochen hatten, wieder den Anfang des Spruches aufgesagt. Immer wieder wiederholten sie ihn, als sie nun mit erhobenem Schwert auf Incendius zutraten. Rechneten damit, das es bei ihm durch den fehlenden Überraschungseffekt nicht ganz so leicht werden würde. Doch wie es schien, sollte es so werden. Incendius starrte wie gebannt auf die Plätze, wo bis vor wenigen Sekunden noch seine Brüder gestanden hatten. >NEIN!< war alles, was immer wieder durch seine Gedanken zog. Sie hatten sich doch geschworen, dass sie sich nicht noch einmal einsperren lassen würden. Sie hassten es, wenn sie sich nicht frei bewegen konnten. Ihre Macht nicht einsetzen konnten. Vom gegenteiligen Element umgeben zu sein. Ihrer Freiheit beraubt. Sie hatten sich geschworen, dass es nicht noch einmal passieren würde! Und jetzt?! Jetzt war es doch so gekommen. Wie betäubt sah er die drei Kämpfer an, die auf ihn zukamen. Ihn auch einsperren würden. Er wollte kämpfen, wollte sich wehren, doch kein Muskel gehorchte ihm. Sie waren sich so sicher gewesen, dass sie die Krieger dieses Mal würden besiegen können. Sie hatten sie ja auch schon in die Ecke gedrängt. Viel hatte nicht mehr gefehlt und sie wären die Sieger, die Gewinner gewesen. Aber leider hatten ihr Selbstvertrauen und ihre Siegesgewissheit sich selbstständig gemacht. Hatte sie blind für das gemacht, was ihre Feinde vorhatten. Das hatten sie nun davon. Wieder besiegt. Wieder eingesperrt. Die Auserwählten waren heran, streckten ihre Hand nach Incendius aus, konnten kaum glauben, dass es so einfach werden würde. „Ihrer Macht beraubt.“ >Ob unser Meister uns noch ein drittes Mal verzeihen wird?< war sein letzter Gedanke, als er die flimmernde Luft um sich herum wahrnahm und vom Nebel eingehüllt wurde. Sich nur Sekundenbruchteile später in seinem Gefängnis wieder fand. Kaum war auch das letzte Element sicher in seinem Gefängnis verwahrt, gingen die drei Kämpfer nach Atem ringend in die Knie. Es hatte sie viel Kraft gekostet, den Wind und gleichzeitig auch die Drachen zu rufen. Dazu dann auch noch die Eile, mit der sie die ersten drei Elemente hatten ausschalten müssen. Sie schmeckten Blut auf ihrer Zunge, spürten, wie es ihren Arm, den Rücken, das Bein oder am Gesicht herunterlief. Schmerz zuckte immer wieder durch ihr vernebeltes Gehirn, wenn auch nur schwach, war er doch zum Großteil bereits zur Gewohnheit geworden. Sie merkten sehr deutlich, dass diese Körper das Kämpfen so gar nicht gewohnt waren. Ihr Verstand wusste, was zu tun war, aber der Körper kam dem nicht hinterher. Es waren gerade mal zweieinhalb Wochen vergangen, seit sie ihre Erinnerungen wiederhatten. Zweieinhalb Wochen, in denen sie diese Körper an das hätten gewöhnen müssen, wofür sie vor fünftausend Jahren Jahre Zeit gehabt hatten. Zweieinhalb Wochen, in denen sie ihre Kräfte zurückholen und sie auch noch wieder kontrollieren lernen mussten, wofür sie beim ersten mal fast zwei Monate Zeit gehabt hatten. „Ich finde, so schlecht haben wir uns doch gar nicht geschlagen. In Anbetracht der Umstände“ sprach Jono das aus, was auch die anderen beiden dachten. „Aber leider sind wir noch nicht am Ende angekommen“ stimmte Seth zu. „Und das werdet ihr auch nie!“ hallte eine Stimme durch das Bergmassiv. Wütend. Aufgebracht. Zornig. Fawe tauchte auf einem Felsvorsprung auf, die losen Steine wirbelten um seine Füße herum, zusammen mit Staub. Seine mächtigsten Diener waren besiegt. Das hieß aber leider noch lange nicht, dass Fawe nun macht- oder schutzlos war. Immerhin war er einst einer der mächtigsten Magier gewesen, die die Welt je gesehen hatte. Schon allein sein Name hatte vor Urzeiten Angst und Schrecken verbreitet. Als er dann die Urelemente zu seinen Dienern erklärt hatte, war seine Macht nahezu unendlich geworden. Doch leider hatten so starke Diener auch ihren Nachteil. Man neigte dann dazu, sich mehr und mehr auf sie zu verlassen und seine eigene Macht nicht mehr zu gebrauchen. Ließ sie ruhen. Dass dies eine nicht gerade förderliche Tatsache im Krieg war, hatte Fawe schon beim letzten Kampf festgestellt. Nachdem die drei Auserwählten die Elemente besiegt hatten, war Fawe kein wirkliches Problem mehr. Zu lange hatte seine Magie geschlafen, war eingerostet und stellte keine drohende Gefahr mehr dar. Das wusste Fawe selber auch nur zu gut. Wenn er jetzt nicht schnell handelte und seine Gegner ausschaltete, würde er sich im Käfig aus Nichts wieder finden. Und das schneller als ihm lieb war. „Ach ja?“ fragte Jono zurück. Er kniete immer noch auf dem Boden, das Schwert als Stütze in den Boden gestemmt. Den Blick erhoben, sah er Fawe fast herausfordernd an. So oder so würde dieser Kampf in den nächsten Minuten entschieden werden. Viel Energie hatte keiner von ihnen drei mehr übrig und wenn sie bis dahin Fawe nicht besiegt hatten, würden sie entweder vor Erschöpfung zusammenbrechen oder von Fawe getötet werden. Es blieb ihnen nur, alles auf eine Karte zu setzen. Sterben würden sie so oder so. Blieb nur die Frage offen, ob sie Fawe mit sich rissen oder nicht. Sie mussten Fawe dazu bringen, dass er unaufmerksam wurde. Dass er in seiner Wut nichts um sich herum wahrnahm. So hätten sie eine Chance, ihn zu besiegen. „Da wäre ich mir an deiner Stelle nicht so sicher“ schoss Seth hinterher. Langsam kämpfte er sich auf die Beine. Musste Fawe mit Worten und Aktionen dazu kriegen, dass er zornig wurde. „So leicht geben wir nämlich nicht auf“ stand Atemu nur Sekunden später neben seinem Hohepriester. Sein Atem ging pfeifend und leicht stockend. „Das müsstest du doch wissen.“ Jono biss die Zähne zusammen und kam auf die Füße, das Schwert immer noch als Stütze in den Boden gerammt. „Oh nein! Nicht dieses Mal! Dieses Mal werde ich gewinnen! ICH! HÖRT IHR?!“ schrie Fawe in den Wind. So ruhig und überlegt er sonst immer war. Seine Diener waren nicht mehr da, waren besiegt. – Wie beim letzten Mal. Er sah seinen Plan durchkreuzt. – Schon wieder! Das ging ihm langsam aber sicher gegen den Strich! „Bist du dir da so sicher?“ stichelte Jono weiter. Ein fieses Grinsen auf den Lippen. Langsam hob er sein Schwert, blickte Fawe über die drei Drachen hinweg an. Die schwebten immer noch seelenruhig auf ihren Plätzen und sahen fast gelangweilt dem Geschehen zu. „Und ob ich mir da sicher bin! Noch mal werde ich mich nicht von euch besiegen lassen! Man sieht euch an, dass ihr fertig seid. Seid doch mal ehrlich, ihr habt doch kaum noch genug Kraft, um zu stehen. Geschweige denn eure Drachen auf mich zu hetzen oder gar selber anzugreifen! Seht es ein: ihr seid diesmal diejenige, die verloren haben!“ Unheimliches Lachen füllte diesen Ort aus, drang in jede Felsspalte, brach sich an den Wänden. Die Schwerter erhoben, starrten sie Fawe wortlos an. Oh ja, Recht hatte er mit dem, was er sagte. Jedenfalls in einigen Punkten. Genug Kraft, um die Drachen auf ihn zu hetzen, hatten sie nicht mehr. Aber das hatten sie auch gar nicht vor. Ihr Plan sah etwas anderes vor. >Schwarzer Magier< schickte Atemu den Befehl zum Angriff los. >Flammenschwertkämpfer< gab auch Jono das Zeichen. Hinter Fawe zwischen den Felsen wurden zwei Gestalten sichtbar, die lautlos näher kamen und dann mit einem Knall den Vorsprung vom übrigen Felsen lösten. Mit einem überraschten Schrei stürzte Fawe in die Tiefe, inmitten von Geröll und Staub. Ein lauter Knall ertönte, als er auf dem Boden aufkam. Der Schrei wurde mittendrin abrupt abgebrochen. Noch bevor sich Staub und Sand wieder gelegt hatten, tauchten in ihm Schatten auf. Drei Schatten, die unheilvoll dem Zentrum Schritt für Schritt näher kamen. Über dem aufgewirbelten Staub schwebten die drei Drachen, zu denen sich der Weiße Drache wieder gesellt hatte, der vorher bei seinem Herrn gewacht hatte. Der Schwarze Magier und der Flammenschwertkämpfer gesellten sich zu den vieren und sahen fast unbeteiligt zu, was weiter geschah. Die letzten Kraftreserven zusammenkratzend, schritten die drei Auserwählten durch den Staub. Schenkten ihm keine Beachtung, wie er in ihre Atemwege kroch, ihnen die Augen verklebte, in ihren Wunden brannte. Sie hörten das Husten und Spucken Fawes, hörten, wie er sich aufrappelte, dabei Steine zur Seite schob. Hörten die leisen Flüche, die nur von fast unerträglichen Schmerzen kommen konnten. Von drei Seiten kamen sie ihm immer näher. Kreisten ihn immer weiter ein. Langsam und leise fingen sie an zu sprechen. Flüsterten Worte vor sich hin. Ein Flüstern, das mit jedem Schritt, jeder Sekunde, lauter wurde. Eindringlicher. Intensiver. „Alles, das zu Nichts wird, Zu dem, was man nicht zerstören kann. Lass ihn nie wieder frei, auf dass die Welt von ihm verschont bleibt. Das Siegel soll ewig halten und ihn nie wieder freigeben: Fawe, den Herrn der Elemente. Siegel, von vier Steinen gebildet, einer für jedes Element sollen sie den Käfig halten!“ Die Stimme Fawes wurde immer schriller, je weiter der Bann gesprochen wurde. Schriller, panischer. >NEIN!< Sie hatten es wieder geschafft. Sie sperrten ihn wieder ein. Und er wusste ganz genau: der Zeitpunkt, an dem er das nächste Mal befreit werden würde, lag noch in ferner, ferner Zukunft. Nicht nur dass sie den Käfig mit den vier Steinen versiegelten, nein, sie mussten auch noch den gleichen Bann benutzen wie damals die Magier, die ihn zum ersten Mal besiegt hatten. Doppelte Absicherung. Wenn es nicht um ihn gegangen wäre, hätte er beinah so etwas wie Anerkennung für seine Gegner aufgebracht. Sie lernten dazu. Der aufgewirbelte Staub verdichtete sich um ihn. Wurde zu einer undurchdringlichen Masse, in der er eingeschlossen wurde, von der sein Schrei erstickt wurde. Nur Sekunden später explodierte alles mit einem gigantischen Knall, die Felsen fingen zu beben an, Geröll und Steine polterten gen Boden, rissen auf ihrem Weg immer mehr Steine mit sich. Wurden zu einer Felslawine. Wie Donner hallte es weit über die Berge, jagte den entfernt lebenden Menschen kalte Schauer über den Rücken. Die Stimme der Erde, die den Tod von Lebewesen ankündigte ... Die drei Auserwählten wurden von der Druckwelle der Explosion mitgerissen, nach hinten geschleudert und krachten gegen die Felswand. Die Felsen stürmten auf sie ein, zerquetschen ihnen die Knochen, rissen die Haut auf. Ihre Schreie gingen im lauten unheilvollen Donnern unter. Minuten dauerte es, bis sich der Staub gelegt hatte. Die Sonne hatte ihre Wanderung nicht abgebrochen, war im Begriff, unterzugehen. Genau wie sie, würden auch hier und heute drei Leben untergehen. Hustend und nach Luft ringend wurden sie von den Felsen eingequetscht. Ihre Blicke suchten sich, fanden sich. Das Wissen, wie es um sie stand, stand jedem in die Augen geschrieben. Schmerzlaute unterdrückend, versuchten sie, sich von den Felsen zu befreien. Schoben sie Stück für Stück beiseite. Dass sie ihre Knochenbrüche und Verletzungen dadurch noch verschlimmerten, ignorierten sie. Es fühlte sich für sie wie eine Ewigkeit an, die sie so zubrachten. Doch endlich hatten sie es geschafft. Taumelnd liefen sie aufeinander zu, fielen sich halb in die Arme. Blut lief jedem aus allen möglichen Wunden. Jono konnte einen Fuß nicht mehr bewegen, Seth hatte fast unerträgliche Schmerzen im Bein und Atemu konnte seinen linken Arm nicht mehr gebrauchen. „Wir ... haben es ... geschafft“ brach es aus Jono heraus. Tränen rannen über seine Wangen, zogen eine Spur durch das dunkle, geronnene Blut und den Staub. „Wir haben es wirklich geschafft.“ Diesmal ohne nach Atem ringen zu müssen. „Ja, wir haben es geschafft“ bestätigte Atemu. „Die Erde ist erstmal gerettet. Aber damit das auch so bleibt ...“ Er sah zu Seth, wartete, bis er dessen Blick eingefangen hatte und sah dann zu einer Stelle, ein paar Meter weiter weg. „Du musst die Steine noch zu ihren Wächtern zurückschicken.“ Seth nickte wortlos, streckte seine Hände nach seinen Freunden aus und als er die Wärme der anderen Körper fühlte, griff er auf deren Energie zurück, die eigentlich schon gar nicht mehr vorhanden war. Es war sowieso ein Wunder, das sie noch sprechen, geschweige denn sich bewegen konnten. Aber er würde den Teufel tun und sich darüber beschweren. Mit aller ihm noch verbliebener Konzentration verwand er seine Magie darauf, die vier Steine zurück in ihre Kisten zu schicken. Auf seinen Pharao vertrauend, dass dessen erneutes Vertrauen in die Wächter sich diesmal auszahlen würde. Doch wer weiß? Vielleicht hatten die Wächter eine gute Erklärung für ihren Fehler. Nun, selbst wenn, erfahren würde den von ihnen keiner mehr und letztendlich war es doch uninteressant, warum es geschehen war. Es war nun mal geschehen und ließ sich damit auch nicht mehr ändern. Die Steine sirrten in der Luft, drehten sich im Kreise und mit einem letzten schrillen Laut verschwanden sie am Horizont, flogen zurück zu ihren Wächtern. Die Umklammerung ihrer Hände nicht lösend, brachen sie zusammen. Die Schlieren vor ihren Augen verstärkten sich, das Blickfeld wurde immer mehr von Schwärze eingenommen. Eine Ohnmacht kündigte sich an. Die Drachen und Schattenmonster in der Luft blickten traurig auf die Krieger. Auch wenn sie wussten, dass dies alles einen Grund hatte – so war es doch nicht fair. Es war nicht fair, den Kampf um die Zukunft der Welt immer wieder von Wesen austragen zu lassen, die eigentlich nicht in diese gehörten. Würden die Menschen nicht so blind durch die Gegend laufen, würden die Göttersöhne erst gar nicht gebraucht werden. Dann könnten diese in ihrer Welt glücklich und friedlich leben, sich ihre eigene Zukunft aufbauen. Aber stattdessen ...? Der Atem stockte, setzte immer wieder für Sekunden aus. Lange würden sie nicht mehr durchhalten. Die Gefühle in ihrem Inneren tobten durcheinander. Einerseits waren sie nicht traurig darüber, dass sie starben. Wussten sie doch, dass sie sich sicher irgendwann wieder sehen würden. Jeder wurde wiedergeboren, jeder bekam eine neue Chance. Sie hielten zusammen, wie Pech und Schwefel. Sie würden sich im Jenseits nicht verlieren und sich darum im Diesseits wiedertreffen. Andererseits war da diese Traurigkeit. Traurigkeit darüber, dass sie sich nicht von ihren Freunden und Familien hatten verabschieden können. Die Menschen, die wegen ihres Verschwindens sicherlich traurig und verzweifelt sein würden. Sie waren traurig, dass sie der Grund für deren Tränen waren und ihnen diese nicht abwischen konnten. Ganz verschwommen und von Schwärze durchzogen war ihr Blick. So sehr sie sich auch anstrengten, klärte sich ihr Blick nicht. Ließ nicht zu, dass sie ihre Umgebung klar und deutlich erkennen konnten. Das sie ihren Gegenüber wirklich ansehen konnten. Sie versuchten zu sprechen, doch anstatt Wörter verließen nur Gestammel und Stöhner ihre Kehle. Ihre Kraft verließ sie endgültig! Die Augen schlossen sich, fast unendlich langsam. Ein letztes Heben und Senken des Brustkorbes. Der letzte Atemhauch, der über die Lippen kam. Einen letzten Satz mit sich tragend. „Für Jetzt und in alle Ewigkeit.“ Drachen und Schattenmonster schwebten wie versteinert in der Luft. So leise der Satz auch in den Wind gesprochen worden war, so kam er doch bei ihnen an. Sie mochten – und wollten – es kaum glauben. Wie hatte die Natur nur Wesen mit solcher Herzensgüte schaffen können? Wesen, die das Schicksal der Menschheit über ihre eigene Zukunft stellten? Eine Zukunft, die von Frieden und Glück beherrscht wäre. Eine Zukunft, die ein um so vieles besseres Leben versprach als das, welches sie jetzt führten ... Die Schwerter, die unter den Trümmern begraben lagen, glühten auf und waren kurz darauf verschwunden – mit ihnen die drei Drachen. Zurück im Reich der Schatten, würden sie darauf warten, dass die nächsten Göttersöhne ihre Hilfe benötigten. Ob es dann wieder diese beiden waren? Die Schattenmonster blickten mit unbewegtem Ausdruck auf die drei reglosen Gestalten, die zwischen den Felsen lagen. Im Leben hatten sie sich bedenkenlos aufeinander verlassen können und auch im Tode hatte diese enge Bindung sie nicht verlassen. Ihre Finger hatten sich ineinander verkrallt, ließen sich nicht los. Die Sonne ging gerade hinter den Bergspitzen unter, tauchte alles in ein intensives rotes Licht, das von den Berghängen reflektiert wurde. Erreichte auch das Zentrum der Verwüstung, die hier überall zu sehen war. Das Brandmal der Götter fing zu leuchten an, die Luft um sie herum sirrte. Ein helles goldenes Licht breitete sich über die Körper aus, verdichtete sich zur Mitte hin und ließ die sieben Millenniums-Gegenstände erscheinen. Drei machten sich sofort auf ihren Weg, zurück zu ihrem Wächter. Die anderen vier blieben in der Luft schweben. Die Sonnenstrahlen wurden kürzer und kürzer, die Sonne verabschiedete sich. Drache, Magier und Flammenschwertkämpfer schwebten genau über ihrem jeweiligen Herrn. Traurigkeit hatte sich in ihrem Blick breit gemacht, welcher leicht feucht schimmerte. Sie würden ihrer Pflicht nachkommen. Für die Ewigkeit war ihr Schwur gewesen. Und diesen Schwur würden sie halten. Egal wie lange sie in Stein eingeschlossen sein würden. Auch wenn sie nie wieder aus ihrem Schlaf erwachen sollten ... Die Erde fing wieder an zu beben, dabei war sie doch gerade erst zur Ruhe gekommen. Lose Steine rollten den Hang hinab, auf den Mittelpunkt der Verwüstung zu. Rissen auf ihrem Weg weitere Felsen mit sich, gewaltige Brocken. Wirbelten Staub auf, verwehrten den Blick. Rumpeln und Donnern war zu hören. Gewaltiges Krachen. Minuten vergingen, bis sich der Staub wieder gelegt hatte, den allerletzten Sonnenstrahlen einen Blick gewährte. Die Steine hatten sich über die Auserwählten gelegt, hatten einen Hohlraum gebildet, eine neue Grabkammer. Ohne Sarkophag, ohne Verzierungen. Noch waren die Spuren zu sehen. Die Spuren, dass das alles hier nicht natürlich entstanden war. Doch in ein paar Jahren würde kein Mensch mehr vermuten, dass sich unter all den Steinen, Felsen und Pflanzen, die hier wachsen werden, ein Grab befindet. An den Wänden waren noch die Spuren zu sehen, die die Schattenmonster hinterlassen hatten. Sie befanden sich nun in ihrem Wächterschlaf. Neben sich eingeritzt in den Felsen die stumme Warnung für all diejenigen, die sich hierher verirrten. Die letzten Sonnenstrahlen verließen diesen Ort, tauchten ihn ins Dunkel. Auf Leben folgte Tod. Aus dem Tod entstand Leben. Die Sonne verschwand, machte Platz für die Nacht, auf die auch immer wieder unweigerlich ein neuer Tag folgen würde ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)