Der Bulle und der König von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: Der Anfang vom Ende ------------------------------ „Mako-chan... Hey, Mako-chan… Duuuuu, Mako-chan…” Das Quengeln nahm kein Ende. Mako-chan, Mako-chan, Mako-chan. Dies war nicht das erste Mal, dass Makoto Takashi verhaften musste. Seit Makoto bei der Polizei von Ikebukuro war, begegneten sich die beiden öfters mal auf „geschäftlicher“ Basis. Und lachten darüber. Takashi würde Makoto die Hände hinstrecken, damit Makoto ihn in Handschellen legen könnte und wenig später würde Makoto einen sehr aufgedrehten Takashi per Arschtritt wieder aus dem Präsidium befördern. Doch nicht diesmal. Diesmal, so wusste Makoto, würde der König sein Reich nicht so schnell wiedersehen. Es bedurfte weder Beweisen, noch eines Geständnisses, denn Makoto, katastrophalerweise in Yokoyamas Begleitung, hatte ihn auf frischer Tat ertappt – beim Morden. Yokoyama, der sich von Yoshioka hatte überreden lassen, wieder in den Dienst zu treten, war gerade dabei, in den BMW, den er einst in einer Wette an Makoto verloren hatte, einzusteigen, als es passierte. Erst dachten sich die beiden Gesetzeshüter nichts dabei, schließlich jagte doch ständig irgendein G-Boy einen Black Angel, irgendein Gelber lief ständig vor einem Schwarzen davon. So auch vorhin, als Kyoichi, Anführer der Black Angels, in einem Affenzahn vor Takashi davonrannte und Takashi ihn mit einem gezielten, aus einem Videospiel abgeguckten Tritt zwischen die Schulterblätter, mitten auf der Straße zu Fall brachte. Normales Szenario. Die beiden liebten es schließlich, sich gegenseitig grün und blau zu schlagen, mit Essbesteck zu piercen und Treppen runterzuwerfen. Leider war es diesmal anders und Kyoichis masochistisches Grinsen erblasste schneller, als Makoto „Das reicht, du Vollidiot!“ brüllen konnte. Während Takashi diesmal besonders zu strahlen schien. Der schmächtige König der G-Boys saß breitbeinig in Kyoichis Kreuz und zielte immer wieder auf Kopf und Genick seines Gegners, dem alle Tänzchen und alles Französisch der Welt nicht mehr helfen konnten. „Biä fä pua toa, kretä!“ kläffte Takashi in etwas, das wohl Französisch darstellen sollte, während seine Faust immer mehr die Farbe von Kyoichis Haaren annahm, die von all dem Blut in wirren Strähnen aneinander klebten. Als Makoto es endlich schaffte, mit der eigenen Hand zwischen Takashis Faust und Kyoichis Genick zu fahren, bewegte der Untere sich schon nicht mehr. Die Sanitäter, die wenige Minuten später eintrafen, konnten nur noch seinen Tod feststellen, während Takashi, obwohl Makoto ihn von hinten an den Handgelenken festhielt, fröhlich triumphierend auf und abhopste und brüllte, „Kyon-chan, ich hab dir doch gesagt, dass ich dir die Fresse einhaue, wenn du wieder doof bist! Bukuro braucht keinen doofen Bandenchef, nur mich!“ Makoto wusste ganz genau, dass Takashi zwar durchgeknallt und vollkommen gestört, aber keineswegs dumm war und wusste, wie man jemanden vernünftig, krankenhausreif, halbtot oder totprügeln konnte. Takashi hatte noch nie versehentlich jemanden umgebracht. Egal, wie übel er seine Gegner zurichtete, immer mied er rigoros die empfindlichen Stellen. Und Kyoichi war stark genug, sich gegen einen Takashi, der ihn nur halbtot prügeln will, zu wehren. Egal, was Makoto oder Takashi noch für Argumente hätten bringen können, es war ein eindeutiger Mord. Kein Totschlag, keine Körperverletzung mit Todesfolge, kein Unfall, sondern Mord. Und darauf stand die Todesstrafe. Und Makoto hatte die „Ehre“, seinen besten Freund zu verhaften und ins Verderben zu schicken. Ihm war zum Kotzen zumute, er spürte den Boden unter den Füßen nicht mehr und alles wurde wie überbelichtet, so hell und unwirklich. „Mako-chan...“ quengelte es wieder vor ihm, während er Takashi, noch immer in Handschellen, durch den Gang des Polizeipräsidiums Richtung Haftkeller schob, Mako-chan, weißt du...“ “Was!?“ fauchte Makoto ihn schärfer an, als er eigentlich wollte. „Deine Hände sind kalt.“ „Ich glaub eher, du bist überhitzt...“ „Und nass sind sie auch. Aua....“ Wie der König einer dreihundert Mann starken Schlägerbande so wehleidig sein konnte, wenn er nur einen Handrücken an die Birne bekam, war Makoto seit jeher ein Rätsel. Aber noch nie zuvor tat das quäkende „Aua“ ihm selbst so weh. Und ihm war danach, dem Strohkopf, dessen weiße Kleidung jedes Blutbad zu überstehen schien, noch mehr davon zu entlocken. Ihm war danach, Takashi so richtig zu verprügeln und anzuschreien. „Warum lernst du nicht?“ – „Hör auf mit dem Scheiß!“ – „Wegen einer scheißkindischen Bande..!“ Was waren die G-Boys und die Black Angels letztendlich? Takashi bedeuteten seine Boys viel, während Kyoichis Angels lediglich eine Trotznummer gegen seinen ehemaligen Anführer waren. Aber egal, was sie ihren Führern bedeuteten, diese Banden waren letztendlich nichts weiter, als ein Haufen gelangweilter Jungs ohne Zukunft, die sich um Ikebukuro prügelten, als ob es was zu holen gäbe. Als ob es nicht möglich wäre, unter Mitmenschen, die einander weder kennen, noch kümmern, in einer Stadt zusammenzuleben. Zwar machten sich die G-Boys noch hier und da nützlich, aber unterm Strich blieb eine unsinnige Bande dummer Jungs. Und wegen so was riskierte Takashi also die Todesstrafe. Dabei wusste er längst, dass nicht Kyoichi oder seine Männer Rika, Shun, Mitsuru und die anderen ermordet hatten, sondern Yamai, der außer Reichweite ebenfalls in der Todeszelle saß. Und auch Yamai war nicht die Quadratwurzel allen Übels, denn der hatte nur auf Wunsch von Hikaru und gelegentlich auf Auftrag des Kyougokuclans gehandelt. Wobei zumindest Hikaru ebenfalls nicht allein schuldig war, hatte ihr Vater sie doch zu dem Monster gemacht, das sie war. Und wem würde ihr Vater dann die Schuld geben? Letztendlich kam es doch nur darauf an, wer schlussendlich handelte. Egal, was Kyoichi Takashi getan haben mochte, und mehr als Verrat und Körperverletzung war das nicht, Takashi war es, der eines Abends beschloss, ihn zu töten. Und er hatte dabei ein wenig zu viel Spaß, als dass man ihn gezwungen haben könnte. Niemand konnte ihn hier noch rausreden. Wäre Makoto wenigstens allein gewesen. Dann hätte er Kyoichis Tod auf jemand anders schieben können, vielleicht hätte er ihn sogar verhindern können oder Kyoichi eigenhändig mit seiner Dienstwaffe erschossen, „Notwehr, Gefahr im Verzug“, ehe Takashi ihm irgendwelche einschlägigen Wunden hätte einschlagen können. Aber er war nicht allein gewesen, und Yokoyama, das wusste Makoto ganz genau, musste sich gerade ziemlich toll finden. Kaum waren sie im Präsidium angekommen, war er auch schon zu Yoshioka geeilt um stolz zu verkünden: G-Boys König Takashi Andoh ist geschnappt und kommt nie wieder raus! Und war es nicht toll für einen Sadisten wie Yokoyama, dass ausgerechnet Takashis bester Freund ihn verhaften und in die Zelle führen musste? „Mako-chan,“ blökte Takashi müde, während Makoto ihn etwas grob in seine Zelle beförderte, „Ich hab Hunger, kaufst du mir einen Kloß?“ „Seh ich so aus?“ grummelte Makoto und setzte Takashi auf ein Bett, das eines Königs nicht gerade würdig war. Takashi würde wohl lieber in seinem gelben Büschen oder in den Sesseln der Sauna seines dauerbesoffenen Vaters liegen. Da bohrten sich ihm wenigstens keine Sprungfedern in seinen dünngepolsterten Hintern. Jetzt grinste Takashi ihn auch noch so unschuldig an. Makoto wusste nicht, wie lange er das noch aushalten sollte, ohne sich zu vergessen. „Mako-chan sieht heute echt fertig aus.“ „Mako-chan hätte auch eigentlich längst Feierabend,“ knurrte Makoto und seine Stimme wurde langsam immer lauter, „Aber nein, irgend so ein Vollidiot, der eine Steckdose mit seiner pseudorussischen Freundin verwechselt haben muss, musste ja unbedingt vor meiner Nase einen pseudofranzösischen Balletttänzer totprügeln!“ „Weeeeeeeer?“ fragte Takashi mit weit offenen Mund und Augen, ohne dabei das naive Grinsen zu verlieren. Hätte er den Mund noch ein Stück weiter geöffnet, wäre ihm wohl die Sabber übers Kinn gelaufen. „Takashi!“ brüllte Makoto ihn jetzt an und die Hand rutschte ihm aus und fuhr schallend über Takashis Gesicht, das nun endlich etwas passender dreinschaute. Auch seine heitere Haltung verwandelte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen in eine eher Niedergeschlagene. Takashi liebte Schläge, nur „Mako-chans“ taten irgendwie weh. „Mako-...“ “Nein.“ „Ich hab noch gar nichts gesagt,“ schmollte der weiß-blonde Wurm, dessen Gesicht im Schatten des Bettes über ihm gruselig finster wirkte, „Bleibst du noch ein bisschen?“ Nichts würde Makoto lieber tun, als bei Takashi zu bleiben und ihn gegen Haftrichter, Yokoyama und alle anderen zu verteidigen, aber länger hielt er es nicht mehr aus. Er musste hier weg. Es wirkte alles so unwirklich. Er hockte da, in einer Zelle, gegenüber sein bester Freund, den er soeben verhaften musste und gleich in einer vermutlichen Todeszelle zurücklassen würde. Ihm wurde immer übler, immer schwindliger, und er setzte sich neben Takashi aufs Bett, eher er mit dem Gesicht vorwärts gekippt und zwischen Takashis Beinen gelandet wäre – und belohnen wollte er Takashi nicht auch noch. Und prompt ließ Takashi sich seitlich an Makotos Schulter sacken und schmiegte seinen Kopf an Makotos Hals. Seine Haare kitzelten Makoto im Ohr, im Nacken, pieksten in sein linkes Auge und stanken nach Haarlack. Der Junge hatte Sorgen... Haare stylen – fürchterlich, mit Verlaub – und Leute verprügeln. Das würde ihm hier nichts bringen. Während er für seine Löwenmähne und die redegewandten Fäuste dort draußen dreihundert Mann zu Füßen hatte, hatte er hier genau ein verkalktes Klo, ein quietschendes Doppelbett, einen Mülleimer und ein Kellerfenster. Der Schimmel an den Wänden kam Bonus. „Ne, Mako-chan, wenn ich hier wieder rauskomme, trittst du dann endlich den G-Boys bei?“, fragte Takashi unbekümmert, während er sich Makotos Handabdruck von der Wange rieb. „....“ „...bei?“ „Also, weißte...“ „...beeeeeeeiiiiiiiiii?“ Warum auch nicht. Es würde die G-Boys bald ohnehin nicht mehr geben und wenn es Takashi glücklich machte, war dieses kleine Versprechen nicht viel. „Warum auch nicht... ihr könntet einen Erwachsenen gebrauchen, mit einer Knalltüte wie dir als Boss.“ Takashi grinste. Auch Makoto musste kurz grinsen bei dem Gedanken, ihm nach jahrelangem Quengeln endlich das Ja-Wort gegeben zu haben. Das Grinsen verging ihm so schnell, wie es gekommen war und er wurde brutal auf den betonharten Boden der Tatsachen zurückgeholt, als er spürte, wie neben ihm ein dünner Arm versuchte, hinterm Rücken hervorzukommen, wohl um Makoto wieder einmal zu nahe zu kommen. Früher hätte er hämisch gelacht, wenn Takashi in Handschellen versucht hätte, ihn zu begrabschen, doch nun war es nur mehr herzzerreißend, diesem knochigen Arm beim Zappeln zuzusehen. Auch die Handgelenke hatten bereits ihre Spuren von den Schellen, auch, wenn man es im schummrigen Licht der Zelle und im Schatten des Hochbetts, kaum sehen konnte. Die hatte Makoto ihm angelegt. Im Gegensatz zu Takashi, war er es nicht gewohnt, Männern händchenzuhalten und hatte sich so beim Anlegen der Handschellen verschätzt und sie viel zu eng gestellt. Bei Takashis dünnen Ärmchen war es aber auch zu leicht, sie zu weit zu stellen. Makoto beschloss, noch ein wenig bei seinem Freund zu bleiben, auch, wenn er wohl bald den Mülleimer aus der fernen rechten Ecke der Zelle brauchen würde. Er konnte sich einfach nicht dazu bringen, aufzustehen und zu gehen und hinter sich seinen langjährigen besten Freund für immer zurückzulassen. Stunden vergingen und Makoto merkte, was für ein Fehler es war, nicht gleich gegangen zu sein. Der gefesselte, müde, unschuldig dreinschauende Takashi, der mittlerweile mit dem Kopf auf Makotos Schoß schlief, fühlte sich an, wie tausend Tonnen Blei, die ihn lähmten, festhielten. ‚Wenn ich jetzt gehe...’ Es war, als würden seine Füße Wurzeln schlagen. Wann würde er jemals wieder aufstehen oder sich wenigstens bewegen? Wie lange verharrte er schon in dieser lebenden Totenstarre? Und plötzlich ging die Tür auf. Der plötzliche Lichteinfall und der Luftzug, der durch die Tür hineinkam, trafen den benebelten Makoto wie ein Schlag und er konnte sich gerade noch die Hand vor den Mund pressen und sein Abendessen daran hindern, auf Takashis wirres blondes Haar niederzuprasseln. „Majima, raus hier, Schluss für heute.“ Yokoyama, wie immer eiskalt, gnadenlos und jeglichen Taktes beraubt, schien Makotos Muskeln allein durch seine Präsenz zu stimulieren und wie ferngesteuert hob er vorsichtig Takashi von seinem Schoß und ließ ihn sanft aufs Bett fallen. Der kleine König nuschelte etwas von „...ko-chan“, was Makoto sich zu verstehen weigerte, und schlief eingerollt weiter. Dem Gemälde fehlte zur Vervollständigung nur noch, dass Takashi sich den Daumen in den Mund schob – was er gelegentlich sogar tat. Vorsichtig löste Makoto die Handschellen und Takashi griff sofort seine Füße. Denn auf die musste er ja aufpassen. ’Wenn ich ihn nur gleich hier, im Schlaf, erschießen könnte...’ Scheiß Yokoyama. 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