Mondscheinkinder von MangaEngel ================================================================================ Kapitel 22: Wahre Freunde ------------------------- Ich hatte erst gedacht, ich hörte nicht richtig, als mir an einem Abend Susan - eine 42-jährige Contergangeschädigte, die zwar zu den Rollstuhlfahrern zählte, aber dennoch viel mit Missgebildeten wie mir zusammen war - sagte, dass Kai weg war. Ich hatte es fast befürchtet, denn er lief mir mittlerweile grundsätzlich hinterher, wenn ich das Zimmer verließ, selbst, wenn ich nur für ein paar Minuten weg wäre und nichts wichtiges tun wollte. Er hatte Angst vor dem Allein sein, dass hatte ich schon geahnt und nachdem wir zwei Tage voneinander getrennt waren, schien er es nicht mehr ausgehalten zu haben. Masa reagierte mit ebenso viel Entsetzen wie ich und dieses wuchs in uns, als uns immer noch verboten wurde, das Haus zu verlassen. Wir wussten nichtmal, warum Kai urplötzlich in Quarantäne oder sowas gesteckt wurde, doch es machte mich und offensichtlich auch Masa sehr wütend. Susan hatte mir zum Glück gesagt, was die Ärzte glaubten, wie er entkommen war und ich beschloss, dasselbe zu tun. Zuerst wollte ich, dass Masa blieb, denn er konnte zwar trotz Blindheit viel, aber ich hatte Angst, dass er die Regenrinne runterfiel. Doch er bestand auf eine gemeinsame Flucht und schaffte das Klettern auch einigermaßen gut, so das wir beide erfolgreich vom Balkon ins Erdgeschoss kamen. Wir rannten zuerst einmal in den Wald, um nicht entdeckt zu werden und besprachen uns dort, wo wir ihn am Ehesten finden könnten. Ich vermutete, dass er zu einer Stadt im Tal wollte, um so mit Bus, Bahn oder ähnlichem weg zu kommen, doch Masa wies diese Idee ab, da auch Kai wüsste, dass sie ihn dort zuerst suchen würden. Er vermutete den Olymp und obwohl mir anfangs nicht klar war, wieso er ausgerechnet zu einem Berg wollte, doch dann erinnerte ich mich wieder an sein Buch, an die Naturbilder und konnte Masas Denkansatz verstehen. Und so liefen wir los, immer durch den Wald, allerdings darauf achtend, dass die Straße in Sichtweite war. Masa hatte starke Probleme, in dieser fremden Umgebung nicht zu stolpern oder gegen etwas zu laufen, allerdings vertraute er mir mittlerweile vollkommen und ließ sich ohne Angst von mir an der Hand führen. Wir liefen nach dem Morgengrauen weiter und selbst als wieder Nacht wurde, stoppten wir nicht. Erst am zweiten Morgengrauen machten wir eine Pause, denn an einem Hang zu laufen - und dazu noch an einem Bewaldeten - war nicht wirklich einfach gewesen. Doch auch Kai hatte vermutlich diesen Weg über den Hang genommen und konnte daher nicht viel weiter sein als wir. Wir hatten uns kurz hingelegt und am späten Nachmittag liefen wir auch wieder weiter. Ich hatte die ganze Zeit gehofft, dass wir ihn irgendwo sehen, doch als ich tatsächlich etwas Buntes zwischen dem Laub liegen sah, blieb mir fast das Herz stehen vor Freude. Ich sagte Masa kurz Bescheid und zusammen gingen wir den Hügel ein Stück hinab und liefen auf den liegenden Kleiderhaufen zu. Doch meine Freude erlosch schneller als mir lieb war. Kai atmete hastig und schwer und obwohl er anscheinend wach war, bemerkte er uns nicht. Er zitterte am ganzen Körper und als ich vorsichtig mit der Hand unter seine Maske fuhr, merkte ich, dass sein Gesicht vollkommen verschwitzt und heiß war. „Oh Shit, ich glaube, er hat Fieber!“ sagte ich nur und auch Masa tastete sein Gesicht ab. Ich überlegte, was wir am Besten machen sollten, doch in mir machte sich Panik breit. Wer weiß, wie lange er schon hier lag und wenn er so stark schwitzte, musste er dringend etwas trinken, doch wir hatten nichts mitgenommen. „Wir müssen ihn zurückbringen! Am Besten, wir tragen ihn zusammen zur Straße, ab da kann ich ihn alleine tragen, wenn du mich führst.“ sagte Masa und ich war wieder mal beeindruckt von seiner Fähigkeit, ruhig zu bleiben. Gesagt, getan, wir trugen ihn gemeinsam vorsichtig den Hang hinunter, ich hebelte ihn auf Masas Rücken und gemeinsam gingen wir schnellst möglich wieder zurück. Kai schien währenddessen in Fieberträumen gefangen zu sein, er redete leise mit sich selbst, kurz dachte ich sogar, er hätte uns erkannt, da er unsere Namen nannte. Es begann wieder dunkel zu werden und das Dorf war noch sehr weit weg, wir waren nun zwar schneller als auf dem Hang, aber dennoch würden wir bestimmt 1 ½ Tage brauchen, um dort anzukommen und ob Kai es solange aushielt, war die Frage. Allerdings wurde mir auf dem Weg klar, was für ein Glück wir eigentlich noch hatten. In Panik tun Menschen manchmal dumme Dinge, doch Kai war zum Glück nicht auf die Idee gekommen, seine Kleidung auszuziehen, sei es aus Kraftlosigkeit oder ob sein Verstand es ihm verboten hatte. Mehrmals sah ich unsicher zu Masa. Kai war bestimmt nicht leicht, zudem dürfte Masa mit nur einem kurzem Nickerchen innerhalb von zwei Tagen ziemlich k.o. sein, doch er lief unbeirrt und schnell. Zudem wies nichts ausser seinem beschleunigtem Atem darauf hin, wie kraftzehrend dieser Weg für ihn sein musste. Zweimal bot ich ihm auf dem Weg zum Dorf an, dass wir wenigstens kurz pausierten oder das ich versuchen würde, Kai ein Stück zu tragen, doch Masa schien sich an dieser Aufgabe festgebissen zu haben und weigerte sich, auch nur eine Sekunde Zeit zu verlieren. So schafften wir es, entgegen meiner Schätzung, schon am Abend im Dorf zu sein. Dort hatte uns irgendwer anscheinend schon entdeckt, denn noch vor dem Erreichen des ersten Hauses rannten uns Ärzte und einigermaßen Gesunde entgegen, um uns Kai abzunehmen. Die Stationsärztin war mit die Erste, sie begutachtete ihn kurz, ließ ihn dann in die Dorfklinik bringen und sah uns noch kurz an, ehe sie ein irgendwie komisch klingendes „Danke“ sagte und sich wegdrehte. Der Gruppe folgen konnte sie allerdings nicht, denn kurz, nachdem Kai von Masas Schultern genommen wurde, brach dieser plötzlich zusammen und so musste auch Masa in die Praxis gebracht werden. Dort stellte die Ärztin, die sich mir mittlerweile als Miss Summer vorgestellt hatte, Erschöpfungserscheinungen fest und verordnete ihm Ruhe. Bei Kai sah es dagegen wesentlich schlimmer aus. Er hatte sich den linken Fuß verstaucht, welcher gewaltig angeschwollen war, zudem hatte er hohes Fieber und litt unter Dehydratisation. Allerdings hatte er anscheinend rechtzeitig aufgehört, weiterzulaufen und sich so Kraft aufbewahrt, die ihn vor dem lebensgefährlichen Bereich bewahrt hatte. Anfangs sollte ich nach wie vor von ihm weg bleiben, doch da ich und Masa Kai zurückgebracht hatten, erlaubte es die Direktorin schließlich. Kai lag einfach nur schwer atmend und schlafend da mit einer Kältekompresse auf der Stirn. Die Fenster waren alle verdeckt, so dass ich trotz der Tatsache, dass es Mittag war, in einem von Lampen schwach beleuchtetem Raum saß. Ich war anfangs immer von Kais zu Masas Zimmer und zurück gewechselt, doch das ging der Ärztin anscheinend irgendwann auf die Nerven und sie stellte beide Betten in ein Zimmer. Ich zerrte diese in ihrer Abwesenheit so nah aneinander, dass ich dazwischen sitzen und von jedem die Hand halten konnte. Beide schliefen friedlich und vermutlich würde ich, von der kleinen Fluchtaktion abgesehen, auch für den Rest der Woche nicht viel von Griechenland zu sehen bekommen, doch das war mir egal. Ich würde einfach ein Buch über Griechenland kaufen, mit Kai in diesem herumblättern und Masa dabei daraus vorlesen. Und wir hätten dann alle Drei mehr von Griechenland als jeder Andere hier. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)