Mondscheinkinder von MangaEngel ================================================================================ Kapitel 10: Leuchtender Mond und schimmernde Sterne --------------------------------------------------- Stumm folgte ich Masa, von dem ich mittlerweile wusste, dass er eigentlich Masayoshi hieß, aber der Name wäre mir auch zu lang gewesen. Ich wusste nun, dass er 22 war, also vier Jahre älter als ich. Mary dagegen war erst 16, also zwei Jahre jünger, obwohl ich sie spontan sogar auf 13 getippt hätte. Mir war etwas unwohl im Magen, wenn ich daran dachte, dass ich vorhin gesagt hatte, sie dürfe mich sehen, aber nachdem sie ihr Gesicht so ...so ...ab...artig...verformt hatte, kam ich mir selbst irgendwie nur noch halb so hässlich vor mit meinen Narben.... Auch, wenn diese dafür schmerzen... Schließlich standen wir in der finsteren Eingangshalle, wo Masa die Türe öffnete und ich mich spontan fragte, warum diese offen war, aber vermutlich wusste die T-Rex Bescheid von unserem Ausflug. Wir gingen raus und trotz meiner dicken Kleidung spürte ich eine kühle Brise und erschauerte leicht. Nur Marys unentwegte Gekicher ging mir langsam ein wenig auf den Geist, doch Masa schien es nicht zu hören oder es schon gewöhnt zu sein. Ich tippe auf letzteres. Er lief munter vor sich hin, anscheinend genau wissend, wo er lang muss, während Mary und ich ihm wie Küken dem Huhn hinterherliefen. Er ging in ein Waldgebiet...naja, die ganze Klinik war von Wald umgeben...egal, jedenfalls lief er in den Wald rein und schien immer noch genau zu wissen, wo er lang muss. Ich habe keine Ahnung, wie lange wir liefen, aber nach einiger Zeit wurde ich nicht das Gefühl los, dass wir dank unserem Führer im Kreis liefen, allerdings war ich wohl der Einzige, der das dachte, da Mary immer noch fröhlich mitging und Masa fest überzeugt schien, den Weg zu kennen. Während wie so durch den Wald liefen sprachen wir kein Wort, man hörte nur das Knacken der Äste, auf die wir traten und manchmal eine Eule oder Grillenzirpen. Doch ich hatte mich anscheinend geirrt, ich konnte knapp vor uns eine Lichtung sehen, die Masa anscheinend angezielt hatte. Wir betraten diese, es war ein kleiner baumfreier Hügel, der perfekt im Mondlicht lag. Es sah aus, als wäre es eine Abbildung von einem Gemälde, es fehlte nur noch ein Einhorn oder eine Elfe, die auf diesem Hügel stand und im blassen Licht silbern leuchtete. Der Mann vor uns steuerte die Hügelspitze an und setzte sich dort, Mary und auch ich taten es ihm nach. Das Gras war ziemlich niedrig für wildes Gras, aber es hatte eine schöne, durch die Nacht türkisblaue Farbe. „Was siehst du?“ hörte ich auf einmal Masa. Er saß in der Mitte von Mary und mir, diese lehnte sich mit dem Kopf auf seine rechte Schulter und beobachtete mich von dort. Ich sah ihn nur verwirrt an. „Wieso fragst du das, wenn ich es dir sage, weißt du doch letztendlich immer noch nicht, wie es aussieht.“ meinte ich nur, doch er lächelte und Mary kicherte kurz amüsiert. „Dann erklär es mir so, dass ich es verstehe.“ meinte er bloß freundlich, seine leeren Augen starrten dabei durch meinen Kopf durch in ein, vermutlich schwarzes, Nichts und ich fragte mich, wie man einem Blinden das erzählt, was man mit den Augen sieht. Ich sah mich um und zum ersten Mal fiel mir auf, wie viele Farben selbst die Nacht hatte. Das Blätterwerk der Bäume, das Gras, der Himmel, selbst der Mond bestand aus unzählbar vielen Farben und sie änderten sich mit jedem Blinzeln, schienen mich ärgern zu wollen, dass dieser Anblick unmöglich zu erklären war. Formen würde ich ihm nennen können, doch das Bild wäre nur eine Skizze, unfertig, unbefriedigend, einfach nicht so herrlich, so schön, so berührend...wie jetzt. Mary kicherte wieder, als könne sie in meinem Kopf lesen und als sie neckisch: „Was ist, erkläre es ihm.“ sagte, konnte ich mir denken, dass sie es ahnte. Vermutlich hatte er dieses Spielchen auch schon mit ihr gespielt...genauso wie alles davor. Für einen Moment hatte ich ein unschönes Gefühl im Bauch, ich mochte diesen Gedanken nicht, einfach wie nach einem Lehrbuch, dass einmal Recht gehabt hatte, behandelt zu werden. Doch Masa hatte mich während meinen Gedankengängen unentwegt angesehen...oder zumindest den Kopf in meine Richtung gedreht und mich erwartungsvoll angesehen. Ich seufzte. „Naja, also...also vor uns geht dieser Hügel...halt runter. Und ein Stück hinter dem Ende fängt der Wald an, der...“ „Wie genau soll ich mir diesen absinkenden Hügel vorstellen?“ unterbrach er mich und ich biss mir auf die Lippe. Ich fühlte mich wirklich überfordert, ihm das zu erklären. Ich schloss frustriert die Augen, doch wie von selbst tauchte der Hügel, der Wald, der Himmel mit Mond und Sternen auf...ziemlich skitzenhaft, fast wie...wie... „Der Hügel besteht halt aus...aus vielen dünnen Gashalmen. Sie sind sehr beweglich, wenn der Wind über sie streicht, dann bewegen sie sich wie das Wasser, mit Wellenbewegungen und sehen aus wie weiches Fell. Sie glänzen richtig im Licht, so als würden ihre Konturen an den Stellen verschwimmen. Bei dem Waldstück wird durch den Schatten der Bäume das Gras aber schwarz, man erkennt nicht mehr wirklich das Gras selbst. Die Baumstämme sind große Säulen, nur mit ungleichmäßiger Aussenhaut. Sie haben Beulen, Löcher und oben an der Spitze sprießen Äste aus diesem, fast wie die Beine eines Käfers aus dem Körper. Durch die raue Rinde haben Bäume eine ganz eigene Schattengebung, jeder...wirkt anders. Die Baumgipfel dagegen sind wie weiche Wattebausche. Ohne bestimmte Formvorgabe, vollkommen vormbar, aber immer an den Stamm gebunden, als halte dieser das Blattwerk fest, während er wegfliegen möchte. Auch die Blätter wirken wie das Gras, nur ist es da nicht wie Fell, es wirkt mehr...wie Wellen. Ungleichmäßige Wellen, sie übersteigen einander oder laufen friedlich nebeneinander. Der Himmel ist...sehr dunkel und hat eine unregelmäßige Farbe, einige Stellen sind heller als andere. Vor allem die Milchstraße, knapp über uns... Sie wirkt wie Nebel sie hat keinen festen Umriss und verläuft sich im sie umgebenden Himmel. Die Sterne wirken dabei wie kleine leuchtende Flecken, auch sie scheinen zu verschwimmen, aber man erkennt gut ihre runde Form. Sie schimmern dadurch ein wenig und wenn man lange genug hinsieht, erkennt man immer mehr, der ganze Himmel ist voll davon. Und der Mond... Er ist strahlend weiß und rund, nur ein paar gräuliche Flecken sind auf ihm. Weil er so leuchtet, ist eine Art Schein um ihn, aber er selbst verschwimmt nicht.“ „Erklär mir die Farben. Bitte.“ unterbrach er mich wieder, den Kopf gen Himmel gerichtet. Ich sah ihn kurz an, der Mondschein setzte kleine leuchtende Funken in seinen Augen, die seinen Blick mystisch, ja fast magisch wirken ließen, fast, als hätte irgendeine Macht ihm tatsächlich für diesen Augenblick das Sehen geschenkt. Doch ich besann mich wieder und sah nach vorne. „Das Gras ist grün und blau. Es hat eine Farbe, die, wenn man sie lange ansieht, ein kaltes Gefühl auswirkt, aber gleichzeitig wirkt sie sehr beruhigend auf einen, vor allem, wenn durch den Wind der Schatten und das Licht das Gras zum Leuchten bringt. Die Baumstämme sind braun, ein ganz dunkles Braun, fast schon schwarz, weil sie in ihrem eigenen Schatten stehen. Es ist im Gegensatz zum Gras und zu den Blättern eine warme Farbe, wenn auch dunkel. Die Blätter der Bäume sehen genauso wie das Gras aus, nur heller, vielleicht, weil mehr Licht dran kommt. Der Himmel ist dunkelblau, diese Farbe ist wohl die, bei der man am ehesten ein Gefühl von Kälte bekommt neben weiß. Sie ist fast schwarz, aber hat eine sehr ruhige Wirkung und wirkt unendlich...Vielleicht ist der Himmel das auch... Die Sterne und auch der Mond dagegen sind weiß, fast, als wären sie pures Licht, als würden sie Lampen sein.“ Masa seufzte und schloss kurz die Augen. Ich fragte mich warum, da beides dasselbe sein musste, doch vielleicht hilft Menschen das Augen schließen, um sich etwas vorzustellen, was man gerade nicht sieht – und wenn es nur schwarz ist. Er saß kurze Zeit sinnierend so da, ehe er, ohne die Augen zu öffnen, zu reden begann. „Es muss herrlich aussehen... Ich glaube, sollte dieser Chip jemals voll funktionsfähig sein, werde ich die Augen erst nachts hier öffnen, um zu sehen, wie es aussieht.“ Ich bekam kurz einen Kloß im Hals, fast, als überfalle mich eine starke Sentimentalität. Plötzlich musste ich lachen. Masa öffnete die Augen, obwohl er genauso viel sah wie mit geschlossenen Augen, und schaute zu mir. „Was ist?“, fragte er. Ich lachte noch kurz, ehe ich die beiden verwirrten Personen neben mir ansah. „Weißt du, ich habe das wichtigste vergessen.“ meinte ich und beide sahen noch irritierter aus. „Und was soll das sein?“ fragte mich Mary neugierig. Ich schmunzelte noch ein letztes Mal, ehe ich zum Mond hochsah. „Ich habe vergessen, zu erwähnen, dass auf eben diesem Hügel voller Gras wie Fell, umgeben von Bäumen mit Stämmen wie Säulen und Blättern wie dem Meer, direkt unter dem unendlichen Himmel mit leuchtendem Mond und schimmernden Sternen, drei ziemlich seltsame Menschen sitzen...“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)