Mondscheinkinder von MangaEngel ================================================================================ Kapitel 8: Ängste & Wünsche, Tod & Freude ----------------------------------------- Ich hörte den Beiden zu, wie sie sich stritten und das Thema gefiel mir gar nicht. Mir gefiel die Einstellung des Kleinen zwar auch nicht, aber das Mary ihn so provozierte war da doch etwas sehr übertrieben, doch ich konnte raushören, dass sie sich in eine Raserei geschrien hatte, wo man sie mit Wiederstand oder Aufhalten nur noch aufgewühlter machte. Ich wartete schweigend ab, hoffte, dass Kai irgendeine Antwort fand, die sie beruhigte, was immer diese sein möge. Er fand sie, sie blieb still, doch es war kein befriedigtes Schweigen... Er spielte mit dem Todbegriff. „Du hast keine Ahnung, was du redest, oder?“ fragte ich sachlich, versuchte, mich über solch gedankenlosen Worte nicht auch aufzuregen. „Denkst du, du hast Ahnung, wie es mir geht, ob ich vielleicht nicht doch einen Grund habe, mir den Tod zu wünschen?“ konterte und seine Stimme klang ziemlich bissig. Aber dennoch war ich überzeugt, dass er nur durch meine Frage widerspenstig war. „Nun... Wenn du so gerne sterben willst... Dann brauchst du hier nur deine Maske abnehmen und auf die Krebsgeschwüre warten. Und dann fragst du nach aktiver indirekter Sterbehilfe, schluckst das Medikament und schon ist es vorbei. Oder du stürzt dich direkt jetzt aus dem Fenster. Oder du erhängst dich nachts in deinem Zimmer. Wenn du so unbedingt Selbstmord begehen willst, dann tu es. Entgeh dem Leid eines Versuchskaninchens, denn der wird garantiert nicht schnell gehen.“ Schweigen. Beide blieben stumm, bis ich urplötzlich Mary aufschreien hörte und irgendwas laut krachend zu Boden fiel. Mary kreischte was von wegen „Bist du wahnsinnig?!“ und „Nein!“ und anscheinend hatte Kai wohl das von mir gesagte befolgen wollen. Neben mir hörte ich, dass beide sich zu kabbeln schienen. Ich nahm langsam meinen Blindenstock, ortete kurz, wo und wie die Beiden lagen und schlug kräftig da zu, wo wohl der Bein-Hintern-Bereich sein musste. Beide schrien kurz schmerzlich auf, also hatte ich wohl beide erwischt. „Hört auf mit dem Quatsch, die Leute gucken bestimmt schon.“ meinte ich nur und nach einer kurzen Pause hörte ich Stühle rücken und beide saßen wohl wieder. „Und? Fühlst du dich gut, wenn du so stur und trotzig bist?“ fragte ich in die Richtung, wo Kai zuletzt gesessen hatte. Ich hörte ein gereiztes Schnauben und musste grinsen. „Wenn ich dir sagen würde, du sollst mir von der Theke einen neuen Kaffee bringen, würdest du das auch so einfach machen?“ Schweigen. „Ich glaube dir nicht, dass du so dringend sterben willst. Ich habe mich informiert, verdammt viele in deinem Alter tun das, sie stellen sich in die Sonne und verbrennen oder sterben im Krankenhaus nach der Aktion. Du dagegen hattest gottverdammte Angst, als ich dir deine Kopfbekleidung entfernt hatte. Du hast Angst vor der Sonne, vor den Schmerzen, vor dem Tod. Du hast im Grunde durchaus einen guten Grund für diesen Wunsch. Aber er ist nicht in dir. Wenn ich dich auf einen leeren Parkplatz stellen würde bei wolkenlosem Himmel und wollte dir auch nur deinen Handschuh wegnehmen, würdest du mich im Notfalls sicher sogar beißen und treten, um mich dran zu hindern.“ Er schwieg immer noch, aber ich hörte Mary ruhiger atmen, anscheinend schlugen meine Worte bei ihm an und sein Trotz wich langsam wieder dem realistisch denkendem Kai. „Weißt du, ein Leben im Dunkeln klingt zwar schlimm, aber es kommt auch drauf an, was du draus machst. Ich bin stolz darauf, dass ich meine Augen nur wegen Dingen wie Farben vermisse, aber sie sonst nicht brauche. Ich habe mich an das Schwarz gewöhnt und werde das Sehen wohl mit Augen schließen die erste Zeit verhindern wollen, statt es zu genießen. Bei dir ist es genau gleich. Sonne ist dir nicht erlaubt, aber du hast dennoch die Nacht und mit Vorsorge sogar den Tag. Doch du siehst nur Angst und Schmerz. Wenn du sehen würdest, dass man auch mit Maske oder im Dunkeln ein Leben wie ein relativ normaler Mensch führen kann, dann hättest du gerade lauthals darüber gelacht, dass wir dir deinen Spruch geglaubt haben.“ Er seufzte und ich hörte irgendein Geräusch in Verbindung mit Kleidung, anscheinend hatte Mary ihn umarmt oder ihm die Hand auf die Schulter, die Hand oder sowas gelegt. Doch immer noch schwieg er. „Magst du Nachtwanderungen?“ fragte ich ihn einfach spontan. Keine Reaktion, aber ich war mir sicher, zumindest seine, wenn auch verwirrte, Aufmerksamkeit zu haben. „Ich habe im Radio heute morgen gehört, dass es auch heute Nacht unbewölkt ist, ausserdem solls 16°C sein. Wie wärs, wenn wir ein bisschen spazieren gehen.“ Mary begann sofort zu kichern, sie liebte sowas, auch, wenn die vorherigen mit verbundenen Augen waren, was ich dieses Mal nicht vorhatte. „Komm schon, Kai. Das wird lustig!“ versuchte Mary ihn zu begeistern und er seufzte mehrmals recht schwermütig. Ich überlegte, wie ich ihn locken könnte, was ihn vielleicht motivieren könnte, ja zu sagen. „Naja, du musst nicht. Dann gehen Mary und ich heute alleine. Aber vergiss nicht, dass du das Zimmer nicht abschließen darfst, solange sie weg ist.“ Ich hörte, wie Mary protestieren wollte, doch mit einer Handbewegung ließ ich sie verstummen. Kai hatte bei diesen Worten ein leicht wehmütiges Geräusch gemacht und zeigte mehr als deutlich, dass er entweder nicht allein im Zimmer sein wollte oder aber mit Anderen, in diesem Falle Mary und mir, etwas unternehmen wollte. Ich lehnte mich zu ihm und suchte kurz tastend seine Hand, ehe ich sie fand und in meine Hände nahm. Das Leder war angenehm weich, obwohl seine Haut viel samtiger sein müsste, wenn sie der am Gesicht gleichkam. „Wenn du mitwillst, dann sag einfach ja oder nicke, wenn du es nicht laut sagen möchtest. Keiner hat dir verboten, mit Menschen zusammen zu sein und Spass zu haben. Das bist nur du. Und du willst es dabei eigentlich doch selbst nicht, stimmts?“ Er schluckte schwer und krallte leicht in meine Hände, ehe ich Mary aufjubeln hörte und daraus wohl ein Nicken schließen konnte. Ich nickte ihm erfreut zu und streichelte ihm nochmal über den Handschuh, ehe ich sie losließ und aufstand. Als Mary mich verwirrt nach meinem Vorhaben fragte, erwiederte ich nur, dass ich in der Küche nach ein wenig Proviant für heute Nacht fragen wolle und sie begann noch erfreuter zu kichern. Mit einer recht erfreuten Stimme versicherte mir Betty, die Küchenchefin, dass ich um 18 Uhr ein Päckchen mit belegten Broten abholen könne und wir vom Abendessen befreit sein würden. Ich nickte nur, ehe ich wieder zum Tisch zurückging. Ich war zuversichtlich, diesem verschüchterten Jungen zumindest ein wenig den Gedanken von Lebensfreude näher zu bringen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)