The waves of time von MorgainePendragon (Eine Geschichte von Liebe, Schmerz und Tod. Und von Wiedergeburt…) ================================================================================ Kapitel 9: And you and I... --------------------------- Ich weiß nicht mehr, wie lange wir so dasaßen, eng umschlungen, einer Trost beim anderen suchend. Es musste jedoch eine sehr lange Zeit gewesen sein, denn das Feuer war komplett heruntergebrannt und die glühende Asche verströmte nur noch ein ganz vages, mildes Licht. Wer von uns hatte die Tür geschlossen? Oder hatte es der Wind getan, der jetzt deutlich aufgefrischt war und mit tausend Stimmen ums Haus heulte? Ich hatte es vergessen. Es war auch gleich. Draußen herrschte ein Unwetter. Hier drinnen war eine warme Insel aus Geborgenheit entstanden, der ich niemals mehr entfliehen wollte. Kenshin bewegte sich. Sein Kopf lag noch immer an meinem, seine Wange warm an meiner. „Ich habe Angst…“, flüsterte er mit einem Mal. Ganz leise und so ruhig, als würde er eine Tatsache aufzeigen, die ihm bereits so vertraut war wie sein Leid an sich. Ich wusste und fühlte genau, was er meinte. Sagte jedoch nichts. Ich versuchte nur, mich noch enger an ihn zu schmiegen, in ihn hineinzukriechen, wenn dies nur irgend möglich gewesen wäre. Ich wollte nichts hören. Nichts von dieser realen Welt. Nichts, dass diesen Traum, in dem ich mich befand, zerstören könnte. Ich wollte unsere Insel nicht verlassen… „Ich habe Angst dich zu verlieren, dir weh zu tun…“, fuhr er fort. Ich schloss die Augen, kuschelte mein Gesicht in sein Haar. „Kenshin…“, ich war überrascht wie ruhig und leise meine Stimme klang, ganz entgegen meiner inneren Zerrissenheit. „Ich bin nicht sie. Ich bin weder Tomoe, noch bin ich Kaoru. Ich bin Madoka. Ich werde dich nicht verlassen.“ Er rückte nun ein Stück von mir ab. Jetzt war er es, der MEIN Gesicht in seine Hände nahm, so behutsam, als sei es etwas unendlich Kostbares. Der Blick seiner Augen war innig, schien mir bis in die mir selbst unbekannten Tiefen meiner Seele zu dringen. „Ja.“, flüsterte er. „Ja, du bist nicht sie.“ Sanft strichen seine Daumen über meine Wangen, wischten die Tränen fort. Und dann küsste er mich. Die Stirn, meine Augenlider, eines nach dem anderen. Ganz leicht berührten seine Lippen meine Haut. Ich erschauerte. Er hauchte Küsse auf meine Nase, meine Wangen, die Schläfen. Er küsste meine Mundwinkel, unendlich vorsichtig und zärtlich. Er nahm sich Zeit, mein Gesicht zu erforschen und zu liebkosen. Ich hatte gesagt, ich sei nicht Tomoe und auch nicht Kaoru. Dies stimmte. Ich war mir meines Selbst noch nie so bewusst gewesen, wie in jenen zeitlosen Momenten, als wir uns liebten. Und doch… Es war, als würde ich das alles kennen. Diesen Hauch von Melancholie, diesen unterschwelligen, ständigen Schmerz, der über all unseren Bewegungen und Berührungen lag. All das und auch sein wunderbarer, warmer Körper schienen mir so vertraut. Es war unheimlich. Und zugleich unendlich schön. Es war nur natürlich, dass unsere Körper nun vollendeten, was mit unseren Seelen begonnen hatte. Wir hatten uns gefunden. Es war unwichtig, in diesem einen Augenblick der Ewigkeit, wer ich war oder wer er war. Wichtig war nur, dass wir uns liebten, auf einer sehr tiefen, umfassenden und vollkommenen Ebene unseres Selbst. Unsere Körper waren nur äußerlich dazu in der Lage in der Liebe zu geben und zu nehmen. Doch was IN uns vorging, als wir uns vereinigten, ging viel, viel weiter und sehr viel tiefer. Ich hatte so etwas noch nie erlebt und nie geahnt, dass so etwas überhaupt möglich war. Er war über mir und zugleich spürte ich kaum, dass er da war, so leicht war die Berührung, so selbstverständlich sein Körper auf meinem. Ich fühlte seine Brust an meiner, seinen Herzschlag und seine Wärme, die ganze Länge seiner Schenkel, als sich unsere Beine verflochten. Seine Haut, glatt und geschmeidig, bedeckte meinen ganzen Leib. Sein Atem strich über mich hinweg. Ich nahm seine Wärme in mich auf, verfolgte mit der Hand seine biegsame Rückenlinie. Wann hatten wir uns ausgezogen? Ich wusste es nicht mehr, Zeit hatte keine Bedeutung. Nicht jetzt und niemals, wenn wir zusammen sein würden. Sein langes Haar floss seidig über unsere Körper. Es schimmerte wunderschön rotgolden im letzten Licht der verglühenden Asche. Seine Leidenschaft war von einer sehr sanften, ruhigen Art. Dennoch brachte sie meinen Atem und meinen Herzschlag dazu, sich zu beschleunigen. Er hatte ein lebendiges, niemals wirklich erloschenes Feuer in sich, das sanft und dunkel zu mir herüber floss, eine Gefühlswelt, die mich umfing, und in der ich mich nicht nur willkommen, sondern heimisch fühlte. Bei ihm konnte ich ICH sein. Das wusste ich einfach. Er schien meinen Körper besser zu kennen als ich selbst, streichelte mich mit weichen Fingerkuppen an den richtigen Stellen, sanft und gezielt. Nie hatte ich gedacht, dass Liebe so tief und restlos sein konnte. Ich spürte die Feuchte des Verlangens in meinem Mund, ein pochendes Brennen im Unterleib. ‚Ich darf nicht die Augen schließen!’, dachte ich, denn ich wollte all seine Schönheit, jede seiner Bewegungen nicht nur spüren, sondern auch sehen. Nichts durfte mir entgehen. All dies gehörte uns, nur uns. Ich wollte es in meine Gedanken aufnehmen, es dort einbrennen, um es niemals wieder zu vergessen. Was mich am stärksten verwunderte, war seine mühelose Sicherheit und Kraft, die fast spielerische Leichtigkeit aller seiner Bewegungen. Er presste sein Gesicht an meines, legte sein Knie zwischen meine Schenkel, bevor er in mich eindrang, mich ganz ausfüllte mit langsamen, harten Stößen. Mein Atem kam aus dem Takt. Ich spürte meinen und seinen Körper, fließend wie Wasser, wie gemacht füreinander, zusammengehörend. Meine Beine umfassten ihn, ich hielt ihn in mir fest, ich ließ ihn nicht gehen. Ich verbarg mein Gesicht an seinem Hals. Auch sein Pulsschlag war schnell. Er atmete tief. Ich stützte mich auf die Fersen, wölbte das Becken vor, tat mich ganz für ihn auf. Dann, plötzlich, zog ich mich zusammen, hielt ihn in mir fest, stöhnte leise an seinem Mund, fortgetragen von dem Gefühl süßer, beinahe schmerzhafter Verzückung. Er bewegte sich noch einen Moment lang. Seine geöffneten Lippen streiften mein schweißnasses Gesicht, glitten zärtlich über meinen Mund. Dann, in einer einzigen, langsamen und sehr tiefen Bewegung, spürte ich, dass auch er kam. Mir wurde heiß. Er unterdrückte ein Stöhnen. Ich schlang die Arme um ihn, als er seinen Kopf ermattet auf meine Brust sinken ließ. Wir lauschten beide auf unseren Atem, der sich nur langsam beruhigen wollte. Ich blickte in die Glut des heruntergebrannten Feuers und fand ein Echo dieses Anblicks in mir. Doch sollte dieses Feuer, dass in meiner Seele nun heller denn je brannte, niemals wieder verlöschen. Ich hielt ihn ganz fest. Später saßen wir eng aneinandergeschmiegt unter einer Decke am wieder entfachten Feuer. Wir saßen ähnlich wie am Abend am Bach, er hinter mir, mich mit den Armen umschlingend. Ich atmete ganz ruhig, in den Nachhall unserer Vereinigung versunken. Ich spürte ein Beben und Brennen, irgendwo tief in mir, dass mir sagte, dass ich nie genug von ihm bekommen würde, egal wie oft er mich auch ausfüllte. Er vervollständigte mich. Es war tatsächlich so, wie ich es schon bei unserer ersten Begegnung gefühlt hatte. Ohne ihn war ich nicht ich selbst. Ohne ihn war ich nur ein halber Mensch. Er lehnte sein Kinn an meinen Kopf, ganz sacht. Dann hauchte er einen Kuss in mein Haar. Ohne die Augen zu öffnen flüsterte ich: „Ich liebe dich, Kenshin.“ Seine Hand strich zärtlich durch meine langen Strähnen. „Mir scheint, als hätte ich es immer schon getan.“ Er schwieg, nur sein Atem ging regelmäßig an meinem Ohr, die Wärme ließ mich erschauern. „Ich bin mir ganz sicher, dass ich weder Tomoe, noch Kaoru bin. Doch etwas in mir… scheint dich zu kennen. So lange schon. Es ist als… hätte ich mein ganzes Leben lang etwas gesucht und es jetzt erst gefunden.“ Ich lauschte kurz in mich hinein. Dann fuhr ich fort: „Weißt du, was mir noch die Gewissheit gibt, dass ich nicht eine von… ihnen bin, von deinen… Frauen?“ Die Formulierung kam mir merkwürdig vor. Aber immer noch keine Antwort, nur seine beruhigende, beschützende Gegenwart. „Ich bin eifersüchtig auf sie.“, schloss ich endlich und mit einem Seufzen. „Ich liebe dich. Ich bin selbst erschrocken, wie sehr. Ich… möchte dir gehören und ich kann den Gedanken einfach nicht ertragen, dass diese Frauen… dass ihnen ein Teil deines Herzens gehört. Und ich daran niemals etwas ändern kann. An ihnen hängt deine Liebe, deine Erinnerung. Ja, vielleicht sogar dein ganzes Leid, der Schmerz, den du noch immer mit dir und in dir trägst. Ich könnte…“ Ich hielt inne und fuhr dann bitter fort: „Auf der anderen Seite muss ich ihnen ja fast dankbar sein. Denn ohne sie und ihren Tod wärst du wahrscheinlich nicht hier…“ Kenshin schlang nun beide Arme um meine Schultern, lehnte den Kopf an meinen. „Ich habe auch genug andere Menschen getötet, dass es meine ewige Wiederkehr begründen würde.“, sagte er traurig. „Aber diese beiden waren… Sie SIND…“ „Nein, sie waren.“, fiel er mir sanft ins Wort. „Ganz genau. Sie WAREN. Sie sind nicht mehr. Ja, ich habe sie geliebt. Sehr sogar. Tomoe, Kaoru…“ Ich zuckte bei diesen Worten unmerklich zusammen. „Aber das war in einem anderen Leben, zu einer anderen Zeit. Ich habe in vielen Frauen in jedem neuen Leben, dass zu führen ich gezwungen war, gehofft sie wiederzufinden. Doch in Wahrheit hatte ich etwas anderes gesucht und gebraucht. Ich habe mir mein eigenes Grab geschaffen, indem ich wie ein Blinder immer wieder in mein Selbstmitleid zurückgefallen bin und Dinge gesucht habe, die es gar nicht mehr gab. Niemand wird mir diese beiden Menschen je ersetzen können. Das ist wahr. Aber sie sind Erinnerung. Ich habe das nicht begreifen wollen. Ich suchte und suchte, und fand doch nie das, was ich wirklich brauchte. Vielleicht war es da, schon immer. Doch ich verschloss die Augen davor, klammerte mich an Altes, an Vergangenes. Du hast mir die Augen geöffnet. Du bist anders. Und ich liebe dich. Ich liebe DICH, Madoka. Jetzt. Es ist gleich, was war. In dieser Zeit, in diesem Augenblick ist es nicht wichtig. Sicher, sie begleiten mich. Beide. Das werden sie immer tun. Doch nie hat mich jemand gerettet und vor mir selbst bewahrt, so wie du es getan hast. Denn nur du hast mir bewusst gemacht, dass ich mir selbst vergeben muss, dass ich es selbst bin, der alles ändern muss. Nur ich selbst kann dem entfliehen. Und mit deiner Hilfe werde ich es vielleicht auch endlich schaffen können.“ Ich hielt die Augen geschlossen. Wieder rannen Tränen über mein Gesicht. Seine Worte berührten mich bis ins Innerste meiner Seele. Ja. Vielleicht konnte ich das so akzeptieren, ohne vor Eifersucht wahnsinnig zu werden. Tomoe und Kaoru waren Vergangenheit. WIR… wir waren die Gegenwart. Und wenn es uns vergönnt war auch die Zukunft. „Ich liebe dich…“ Ich weinte, drehte mich und vergrub mein Gesicht an seiner Brust. Er schloss die Arme um mich. Ich verspürte eine verzweifelte, unglaublich tiefe Liebe zu diesem Mann, der eigentlich gar nicht in diese Zeit gehörte. „Wie kann ich dir helfen? Wie dein Leid lindern?“, flüsterte ich nah an seiner Haut. „Ich habe noch nie… jemanden so leiden sehen wie dich. Es tut weh. Wann immer ich es sehe. Vor meinem geistigen Auge, im Traum, habe ich den Regen aus Blut gesehen. Es tut so weh! Es ist so abgrundtief! Ich kann es FÜHLEN, als wäre ich du. Als wären wir mal eins gewesen und als hätte man uns getrennt, irgendwann, auf dem Weg durch die Zeiten…“ „Glaube mir, du HAST mir schon geholfen.“, flüsterte er. „Lass mich dir etwas zeigen.“ Sanft löste er sich von mir und erhob sich. Aus tränenverschleierten Augen beobachtete ich, wie er auf den niedrigen Tisch zuging, auf dem er auch der Tuschstein lag. Er hatte lediglich die weite, bequeme Hakama wieder angezogen. Sein nackter Oberkörper glänzte nach wie vor matt aufgrund der feinen Schweißperlen, die ihn überzogen. Fasziniert beobachtete ich das Spiel der Schatten auf seinem Rücken und in seinem Haar, das ihm nun offen und lang über die Schultern fiel. Er schob ein paar Pergamente zur Seite und kam dann mit einem Blatt Papier zum Feuer zurück, das die Größe meines Zeichenblockes hatte… Er setzte sich neben mich und hielt es mir hin. Es war meine Zeichnung. Meine Zeichnung von ihm an jenem Tag, als der blutige Regen fiel. Ich war nur milde erstaunt. Irgendwie… hatte ich es gespürt, dass das Bild nie fort gewesen war, sondern immer in meiner Nähe. „Du hast…“ „Ja.“, unterbrach er mich leise. „Ich habe es an mich genommen an jenem Tag, an dem Enishi…“ Er schwieg wieder, senkte den Kopf. Ein bitterer Zug zeigte sich um seine schmalen Lippen. Ich streckte die Hand nach der Zeichnung aus. Auch jetzt noch zog sich in mir alles zusammen, als ich diesen Ausdruck vollkommenen Entsetzens in den noch so kindlichen Zügen gewahrte. Ich zögerte. „Warum?“ Er wusste, was ich meinte. „Zu jenem Zeitpunkt… wollte ich einfach nicht, dass du noch mehr über mich weißt. Ich ahnte, als ich das sah, dass du schon sehr tief darin verwickelt gewesen sein musstest. Aber ich wollte unbedingt vermeiden, dass dir etwas zustößt. Deshalb nahm ich es an mich. Zudem… HASSE ich diesen Ausdruck. Du hast das sehr genau getroffen. In diesem Bild überschneiden sich Vergangenheit und Gegenwart. Hier wird das was war plötzlich greifbar. Das machte mir Angst. Und wenn es MIR schon Angst machte… Ich wollte unbedingt vermeiden, dass du…“ „Es war schon zu spät, glaub mir.“, sagte ich nun ganz ruhig. „Es war schon in jenem Moment zu spät, als ich dich zum ersten Mal sah, damals, in der Mensa.“ Ich sah ihm mit einem sehr leisen, zärtlichen Lächeln in die Augen. ‚Ich hatte Recht…’, dachte ich. ‚Wie die Motte in das Licht. Es GING gar nicht anders. Aber ich bereue nichts.’ Ich nahm ihm aus einem Impuls heraus das Bild ab und warf es in die Flammen. Etwas, das so viel Schmerz verursachte, sollte nicht weiter existieren – auch wenn ich sehr wohl wusste, dass ich die Erinnerung an diesen Augenblick weder aus seinen, noch nun auch aus meinen Gedanken je verbannen konnte. Ich blickte in sein Gesicht und Zärtlichkeit überrollte mich wie eine warme, große Woge. Er beobachtete, wie das Papier sich im Feuer wölbte und krümmte, wie seine schreckgeweiteten, gezeichneten Augen zu Asche zerfielen. Ich hob die Hand und strich sanft über seine Wange, ließ die Finger über seine Lippen gleiten. „Ich bete, dass dein Leid bald ein Ende hat. Was ich dazu tun kann, werde ich tun. Kenshin…“ Ich genoss es, seinen Namen auszusprechen. Es fühlte sich gut und richtig an, vertraut und sehr innig. Ich lehnte mich wieder an ihn. „Magst du mir von Enishi erzählen? Wer ist er?“, meine Frage klang beiläufig, war es aber natürlich nicht. Wenn dieser Mann Kenshin etwas Böses wollte, dann war er auch mein Feind. Ich musste es wissen. Ich spürte, wie er sich versteifte. Sein Atem stockte einen Moment lang, dann atmete er schwer aus. Er schien zu dem Schluss zu kommen, dass er mir das wohl nicht verheimlichen konnte. „Enishi…“, seufzte er. „Enishi… ist der Bruder von Tomoe gewesen. Er hatte damals mit ansehen müssen, wie ich… wie sie in meinen Armen starb. Er hat mir das niemals verziehen.“ „So ist auch er an diesen ewigen Kreislauf aus Wiederkehr und neuem Leben gebunden?“, fragte ich ungläubig. „So scheint es. Er ist neben mir der einzige aus meiner Vergangenheit, der wirklich und unzweifelhaft jedes Mal wieder auftaucht, um mich meiner Bestimmung zuzuführen.“ „Deiner Bestimmung?“, ich stutzte. „Meinst du damit, dass es dir bestimmt war, jedes Mal wieder zu töten? Den Menschen, den du am meisten liebst?“ Er nickte leicht. „Ja. Es liegt in seinem Interesse, dass das niemals aufhört. Er möchte, dass ich für alle Zeit dasselbe durchleide.“ Ich krümmte mich. „Was für ein Unmensch. Ist ihm nicht klar, dass er selbst dann auch dazu verdammt ist immer wiederzukehren?“ „Das ist ihm gleich. Du hättest ihn erleben sollen, Madoka. Er ist grausam und fanatisch. Letzteres wiegt beinahe noch schwerer. Sein Fanatismus bringt ihn dazu alles andere zu vergessen. Es ist ihm gleich, dass er selbst leidet. Er ist sich dessen vielleicht nicht einmal wirklich bewusst. Alles was er sieht ist Rache und das über Generationen hinweg. Er will, dass ich leide und weidet sich jedes Mal an diesem Anblick. Es lässt ihn durchhalten.“ Ich schwieg. Dann fügte er leise uns sehr bitter hinzu: „Dennoch kann ich ihn nicht einmal hassen…“ Nach einer ganzen Weile fragte ich leise, mehr an mich selbst gewandt, als dass ich wirklich eine Antwort erwartete: „Wo mag das hinführen? Du sagst zwar, dieses Mal sei es anders. Ich verkörpere ganz eindeutig NICHT seine Schwester. Aber… „ „Ich weiß es nicht.“, antwortete er dennoch leise. „Wollte er mich deshalb vielleicht schützen?“, murmelte ich. Kenshin neigte den Kopf zur Seite. „Dich schützen?“ Ich berichtete ihm kurz von dem Zusammentreffen mit Enishi im Wald, kurz bevor ich ihm begegnete. Kenshins Züge zeigten tiefe Besorgnis – und Nachdenklichkeit. „Ja, das passt zu ihm. Er sagt dir, dass du vor mir fliehen sollst… Wie… paradox…“ Ich runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?“ „Nun ja, es liegt in Enishis Interesse, dass du mich AUF JEDEN FALL aufsuchst. Nur so kann er sicher sein - wenn er davon überzeugt ist, dass du seine Schwester bist – nur so kann er sicher sein, dass sich alles wiederholt und ich dich töten werde um erneut und weiterhin zu leiden. Er scheint einen inneren Konflikt durchzumachen. Er liebt seine Schwester sehr. Immer noch. Auch wenn er weiß, dass er sie jedes Mal opfern muss, um mir weh zu tun, so kann er doch nicht über seinen Schatten springen und will sie zugleich schützen. Das ist interessant.“ Ich fand es alles anderes als das. Es erschreckte und verwirrte mich. „Du redest… über das Leben von Menschen, als wäre… es nichts. Als würde ihr Tod nur ein kleiner Teil im Rad des Schicksals und im Grunde unvermeidbar, vielleicht auch nicht wichtig sein. Ich…“ „Dies ist nicht MEINE Ansicht der Dinge. Es ist SEINE. Enishi denkt so. Zumindest vermute ich das. Vielleicht ist das seine Schwachstelle. Denn du hingegen scheinst ihm nicht egal zu sein.“ Ich zitterte. „Wird er dich erneut fordern?“ Er nickte. Sehr ernst und ruhig. Die Schatten um seine Augen schienen sich zu vertiefen, die ständig präsente Aura der Traurigkeit um ihn zu verstärken. „Ja, das wird er.“ Ich schlang die Arme um seinen Hals. „Kämpfe nicht mehr. Bitte. Es ist zu gefährlich. Ich… will dich nicht verlieren.“ „Madoka…“, er legte mich mit sanftem Druck zurück auf die Decke, glitt geschmeidig und warm an meine Seite, dann zwischen meine Schenkel. „Du wirst mich nicht verlieren. Nie mehr…“ Nachdem wir uns erneut und noch sehr viel länger geliebt hatten lag ich noch einige Zeit wach. Kenshin war in einen leichten Schlaf hinübergeglitten. Zärtlich beobachtete ich seine Gesichtszüge und die Schatten, die von den flackernden Flammen darauf geworfen wurden. Ich betrachtete verliebt den Schwung seines Nackens, die sanfte Wölbung seiner Muskeln unter der Haut, die beinahe matt golden schimmerte im Feuerschein. Seine schmale Brust hob und senkte sich unter seinen regelmäßigen, tiefen Atemzügen. Ich sah die Narbe auf seiner Wange, ganz schwach nur auszumachen, wie ein Hauch. Vorsichtig beugte ich mich über ihn, mein langes Haar strich wie ein leichter Vorhag über seine Brust. Ich küsste die Wange. Ganz sacht und zärtlich. „Diese Narbe… lass sie von nun an auch meine sein. Ich will deinen Schmerz, alles mit dir teilen. Ich…“ Ein seltsames Echo aus ferner Vergangenheit schien mich zu streifen. Ja, ich wusste, diese Worte wurden ihm nicht zum ersten Mal gesagt. Doch hier und jetzt waren sie ohne jene Bitterkeit, welche damals in ihnen mitgeschwungen war. Ich hob den Blick und bemerkte ohne Überraschung, dass es bereits tagte. Durch eines der Fenster glitt sanftes Morgenlicht zu uns herein. Ich schmiegte mich an Kenshins Seite. Mir war es gleich. Zumindest im Augenblick. Sollte der Morgen nur kommen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)