Minoru von lightnik (Seltsame Krankheit) ================================================================================ Kapitel 18: Ankunft am Reisberg ------------------------------- Das warme Licht der Abendsonne und die Schatten der Blätter malten marmor-artige Muster auf den Waldboden. „Wir sind gleich da.“, verkündete Kasumi mit einem Lächeln. Ein frischer Wind wirbelte einige Blätter auf und trug sie wispernd davon, so als wolle er die Ankunft des kleinen Trupps ankündigen. Minoru bemerkte, dass sich der Wald allmählich lichtete. Yumis Augen funkelten neugierig auf und suchten gespannt nach den ersten Ausläufern des Reisberges und des großen Fuchslagers. Bald offenbarten die letzten Bäume den Ausblick auf ihr Ziel: Riesige Grasflächen wogen sich im Wind und verwandelten sich in ein Meer aus Gold, als die untergehende Sonne sie in ihr Licht tauchte. Das Landschaftsbild war ansonsten hauptsächlich von Hügeln geprägt, die nach Norden hin an Höhe zunahmen und allesamt auf ein großes Hügelplateau zuliefen – dies musste der Reisberg sein. In vielen Hängen entdeckte Minoru Öffnungen, die auf Höhlen hinwiesen, auch kleine Holz- und Strohhütten schmiegten sich an die Hügel an und waren aufgrund ihrer Form – sie sahen ebenfalls aus wie flachere Hänge – fast unsichtbar für den flüchtigen Betrachter. Nicht wenige Kitsune waren draußen und betrachteten die Ankömmlinge mit gemischten Gesichtsausdrücken; manche schienen misstrauisch, einige neugierig und ein paar winkten den Ankommenden sogar zu. Kasumi erwiderte jene Geste lächelnd und beschleunigte unbewusst ihre Schritte. Jetzt sah Minoru auch die anderen Kitsune zum ersten Mal wirklich lächeln. Minoru und Kazuya tauschten einen vielsagenden Blick aus und hielten sich nahe bei Kasumi. Yumi tat es ihnen gleich, verharrte jedoch manchmal für einen Augenblick und bestaunte ihre Umgebung. Mittlerweile hatte sich eine recht große Gruppe von Kitsune angesammelt und erwartete die Rückkehrer nun. Kurz darauf löste sich eine Gestalt aus der Versammlung und eilte im Laufschritt auf Kasumi zu. Minoru bemerkte, wie Kasumis Augen freudig aufleuchteten. „Mei!“, rief Kasumi erfreut und breitete die Arme aus, um die Ankommende Person – eine hübsche Kitsune mit rotbraunem Haar und braungelben Augen, die in einen schneeweißen Kimono gekleidet war – zu begrüßen. Mei tat dasselbe und strahlte beinahe vor Wiedersehensfreude. Der Rest des Trupps blieb nun stehen. „Schön, dich wieder zu sehen! Dein Bruder hat uns bereits gestern von den Ereignissen berichtet und als ich erfuhr, dass ihr nun ankommen würdet, habe ich sofort alles Notwendige vorbereitet! Sowohl Schlafplätze, als auch Essen und frische Kleidung stehen bereit.“, berichtete Mei und fuhr sich mit der Hand durchs fuchsrote Haar. „Ich freue mich ebenfalls! Danke, dass du dich um alles gekümmert hast. Unsere Gäste brauchen sicherlich Ruhe nach der Aufregung der Vergangenen Tage.“, entgegnete Kasumi. Mei nickte und musterte nun die drei Menschenkinder. Sie lächelte und verneigte sich tief. „Willkommen! Ich bin Mei, angehende Schamanin und außerdem eine gute Freundin Kasumis.“, Mei wurde von Kasumi unterbrochen: „Beste Freundin!“ Mei nickte verlegen. „Beste Freundin. In den nächsten Tagen werde ich mich um euch kümmern, wenn ihr etwas braucht, stehe ich euch jeder Zeit zur Verfügung. Ich freue mich sehr, euch endlich kennenzulernen, Kazuya, Minoru und Yumi!“ Minoru war nicht sehr verwundert, dass Mei ihre Namen wusste, wahrscheinlich war das für keinen der Kitsune mehr ein Geheimnis. „Freut uns ebenfalls!“, sagte Yumi und verneigte sich nun auch. „Nun gut, wir sollten vielleicht erstmal weitergehen, damit ich meinen Vater über die Neuigkeiten unterrichten kann.“, warf Kasumi ein und setzte ihren Weg fort. Der Andrang an Kitsune teile sich in zwei Hälften, um der hübschen Dämonin den Weg freizumachen. Ausnahmslos alle verneigten sich kurz und bezeugten ihre Freude über die Rückkehr Kasumis. Als Mei, Minoru und der Rest der Gruppe kurz darauf nachkamen, folgten ihnen – besonders den drei Menschenkindern – aufmerksame, neugierige, aber auch teils misstrauische Blicke, doch nicht wenige Kitsune hießen die Neuankömmlinge sogar herzlich willkommen. Anschließend zerstoben die Kitsune wieder in alle Richtungen, verschwanden in Hütten oder Höhlen. Auch die Krieger, die in den letzten Tagen zu Kasumis Trupp gehört hatten, verabschiedeten sich nun und kehrten zu ihren Behausungen zurück, wo sie oft schon sehnsüchtig von Familien und Freunden erwartet wurden. Minoru, Kazuya und Yumi, die sich alle drei noch immer neugierig umsahen und ihre Umgebung bestaunten, wurden von Mei aus ihren Gedanken gerissen: „Ich werde euch nun zu euren vorläufigen Unterkünften begleiten.“, sagte sie knapp und lächelnd. Dort angekommen fanden sich Minoru, Kazuya und Yumi in einer geräumigen Hütte wieder. Minoru erkannte nun, dass die Bauten Ähnlichkeit mit Vogelnestern hatten, was ihn irgendwie erstaunte. Es gab eine grobe Konstruktion aus Holz, die die Form vorgab und offensichtlich anschließend mit Gras und Stroh ausgekleidet worden war. „Natürlich, deshalb kann man die Hütten von außen so schlecht sehen, sie sind komplett mit Gras bedeckt. Da hätte ich ja nun wirklich auch gleich drauf kommen können!“, dachte Minoru und sah sich weiter um: Die Einrichtung war eher spärlich, es gab einen flachen Tisch, um den vier strohbefüllte Stoffsäcke – Sitzkissen – angeordnet waren, ein kleines Schälchen mit Tierfett und Docht, das offensichtlich als Kerze diente, einen kleinen Bereich, in dem sich Schalen und Wasserkrüge befanden – anscheinend für den Fall, dass man sich schnell frisch machen wollte – und zu guter letzt zwei Schlafplätze aus Stroh, welche zusätzlich mit Tierfellen gepolstert waren. All dies befand sich in einem, runden Raum. Minoru hob skeptisch eine Augenbraue, als ihn der Gedanke beschlich, keinen richtigen Waschraum zu haben. Mei, die Minorus musternden Blick durch den Raum verfolgt hatte, grinste leicht. „Seit unbesorgt, waschen könnt ihr euch am Bach hier ganz in der Nähe. Wenn ihr wollt, kann ich euch später dorthin führen.“, merkte Mei an und schien dabei Minorus Gedanken gelesen zu haben. „He, warte! Da sind aber nur zwei Schlafplätze.“, beschwerte sich Yumi und kräuselte die Stirn. „Der Raum bietet nicht mehr Platz, außerdem bestand Yukiko-san darauf, dass ich euch getrennte Unterkünfte zuweise. Wenn du willst, teile ich aber meine Hütte mit dir, ich würde mich auch unwohl fühlen, allein an einem fremden Ort.“, entgegnete Mei. Bevor Yumi etwas darauf antworten konnte, erhob Kazuya, der bis dahin eher schweigsam gewesen war, das Wort: „Wer ist Yukiko?“ Ein Lächeln breitete sich auf Meis Lippen aus. „Sie ist die weiseste und begabteste Schamanin des Stammes! Einige sagen ihr nach, sie wäre Inaris Botin persönlich. Ihr werdet sie sicher bald kennenlernen, spätestens bei der Versammlung des Rates, denn sie ist eines der Ratsmitglieder.“, erklärte Mei. „Ah, der Rat. Davon hat uns Kasumi schon erzählt. Wann soll diese Versammlung denn stattfinden?“, wollte Kazuya wissen. „Voraussichtlich morgen Abend.“, antwortete Mei. Plötzlich ertönte ein Räuspern vom Eingang der Hütte. Minoru, Yumi und Kazuya drehten sich um und erblickten einen breitschultrigen, großen und vor allem muskulösen Kitsune mit kurzem, zottigem, rostrotem Schopf und Mandelaugen. „Ah, Takeru, wie schön!“, sagte Mei und drehte sich erst anschließend um, so als müsse sie nicht einmal hinsehen, um zu wissen, wer eingetreten war. Minoru versuchte das Alter des Dämons zu schätzen, kam aber nur zu einem vagen Ergebnis von „irgendwas zwischen 18 und 25 Sommern“. Kazuya hob anerkennend beide Augenbrauen, als Takeru einen zögerlichen Schritt weiter in den Raum hinein tat und man nun seine komplette Statur ermessen konnte: er füllte den kompletten Eingang aus! „Verzeiht, ich hoffe, ich komme nicht ungelegen.“, eröffnete der Kitsune mit tiefer, aber irgendwie sanfter Stimme. Mei schüttelte den Kopf. „Nein. Ich hatte Minoru und Kazuya nur ihre Unterkunft gezeigt. Yumi, Kazuya, Minoru? Darf ich euch Takeru vorstellen? Er ist mein Bruder.“, meinte Mei lächelnd. Takeru kratzte sich verlegen am Hinterkopf und verzog die Lippen zu einem schüchternen Lächeln. Die drei Angesprochenen blickten verdutzt zwischen Mei und Takeru hin und her. „Dein…Bruder?“, vergewisserte sich Minoru. Mei nickte. Es war erstaunlich, denn die beiden schienen abgesehen von Haar- und Augenfarbe – die jedoch bei fast allen Kitsune ähnlich oder gar gleich zu sein schienen – absolut nichts gemeinsam zu haben: Mei war schlank, zierlich und eher klein, ganz im Gegensatz zu Takeru, der ein wahrer muskelbepackter Riese zu sein schien! Aber beim zweiten Vergleich ließ sich doch eine Verwandtschaft zwischen den beiden feststellen: obwohl Takeru bis jetzt nicht viel gesagt hatte, schien er doch ein ebenso sanftmütiges und freundlich Wesen zu haben wie seine Schwester. Yumi war die erste, die sich aus der Erstaunung reißen konnte. „Freut mich sehr, Takeru! Ich bin Yumi und die beiden da, das sind Minoru und Kazuya.“, sagte sie und deutete dann jeweils auf die betreffende Person. Takeru nickte begrüßend und wandte sich dann seiner Schwester zu. „Eigentlich wollte ich dir nur mitteilen, dass das Essen nun fertig ist. Außerdem hat Yukiko-san mich beauftragt, dir mitzuteilen, dass der Rat beabsichtigt die Versammlung morgen Abend abzuhalten. Du sollst morgenfrüh aber noch mal zu ihr gehen, weil sie noch einiges vorbereiten will und deine Hilfe benötigt.“, berichtete er. Mei nickte. „Danke, das werd ich tun. Ich werde dann jetzt Yumi zu ihrer Unterkunft bringen. Würdest du dich bitte um unsere anderen Gäste kümmern?“ „Klar. Ich soll sowieso n der Nähe bleiben, falls sie irgendwas benötigen.“, entgegnete Takeru. „Gut, dann wendet euch bitte an meinen Bruder, falls ich gerade sich zugegen sein soll.“, bat Mei Minoru und Kazuya. Die beiden nickten. „Hm…Also…Wenn das Angebot noch steht, werde ich in deiner Hütte übernachten.“, warf Yumi dazwischen. Mei lächelte erneut. „Schön! Dann lass uns gehen.“, sagte sie und huschte an ihrem Bruder, der schnell einen ausweichenden Schritt zur Seite tat, vorbei und hinaus. Yumi winkte Minoru und Kazuya noch ein Mal zu und folgte dann der Fuchsdämonin. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)