Minoru von lightnik (Seltsame Krankheit) ================================================================================ Kapitel 12: Spuren ------------------ „Hast du alles?“, fragte Minoru und schnürte den Reisebeutel zu, in den er in aller Eile das Nötigste an Kleidung, Lebensmitteln und anderen Dingen, die vielleicht von Nutzen sein konnten, hineingestopft hatte. Auch den vollen Köcher hatte er geschultert, den großen Bogen hielt er in der Hand. Kazuya nickte, sein Blick wanderte hinüber zu dem Schwert seines Vaters, das dort die Wand schmückte. „Du willst Vaters Schwert mitnehmen.“, es war keine Frage, sondern eine Feststellung Minorus. Kazuya nickte erneut. „Er schmiedete es zu jenen Zeiten des Krieges, doch er hoffte, dass es niemals in einer solch blutigen Schlacht zum Einsatz kommen würde. Nun brauchen wir es auf unserer Reise, um den Frieden zu wahren und zu verhindern, dass es jemals wieder einen Krieg wie damals geben wird. Vater hätte gewollt, dass wir es mitnehmen!“, entgegnete Kazuya und nahm das Schwert von der Wand. Seine Hand strich liebevoll über das dunkle Leder der Schwertscheide. „Ich will dich ja nur ungern stören, aber die Zeit wird knapp. Je eher wir loskommen, desto besser. Chiyoko hat gesagt, dass Yumi heut Morgen aufgebrochen ist, wir müssen sie so schnell es geht einholen.“, bemerkte Minoru. Wortlos befestigte Kazuya die Schwertscheide an seinem Gürtel, schob sein rotes Stirnband zurecht und eilte hinaus. „Hoffentlich klappt alles so, wie wir es mit Chiyoko besprochen haben!“, meinte Minoru, während sie so unauffällig wie möglich das Dorf Richtung Westen verließen. „Chiyoko wird das schon regeln. Wenn sich jemand wundert, dass wir weg sind, erzählt sie einfach, wir seien auf einer Lehrreise in ein anderes Dorf, um dort für einige Zeit bei einem andern Schmied zu lernen. Klingt doch glaubwürdig! Ansonsten können wir wohl nur hoffen, dass die Götter uns beistehen…“, murmelte Kazuya. Schließlich hatten sie das Dorf verlassen und schlugen sich nun durch das dichte Unterholz des Waldes. Zu hören war nur das Zwitschern der Vögel und ab und an das Knacken eines Zweiges, wenn ein Tier durch das Dickicht huschte. Kazuya und Minoru sahen sich aufmerksam um, doch sie konnten keine Spuren entdecken. Das war allerdings auch nicht verwunderlich, schließlich war es unwahrscheinlich, dass Yumi exakt denselben Weg genommen hatte. Minoru seufzte. „Hoffentlich finden wir sie bald.“, sagte er. Kazuya blieb zu Minorus Verwirrung stehen und gab ihm zu Verstehen, leise zu sein und zu lauschen. „Hörst du das?“, fragte er. Minoru horchte angestrengt auf die Geräusche des Waldes. „Oh, das muss der Fluss sein!“, entgegnete er und setzte den Weg fort. In der Tat waren sie kaum hundert Schritt vom Seitenarm des Mizureis entfernt. Der Fluss, vor dem Minoru und Kazuya nun standen, war viel breiter, als es auf der Karte den Anschein hatte. Doch das überraschte die Brüder nicht, schließlich waren sie nicht zum ersten Mal dort. Der etwa hundert Fuß breite Strom wand sich sprudelnd durch den Wald und schlug hier und da eine Kurve ein. Das Ufer war von Moosflechten und Farn gesäumt und der Boden war leicht feucht. Wachsam suchte Kazuya den Boden nach Spuren ab, Minoru tat es ihm gleich. „Hier drüben, komm mal her!“, rief Kazuya seinem Bruder zu und hockte sich hin. Minoru hob eine Augenbraue, als Minoru auf eine Reihe von Spuren deutete, die sich deutlich im feuchten Moos abzeichneten. „Ich glaub nicht, dass die von Yumi stammen. Das sind mindestens zwei oder drei Personen gewesen. Wahrscheinlich waren es Männer, sonst wären die Spuren nicht so tief.“, erklärte Kazuya nachdenklich. Minoru verfolgte die Richtung, in die die Spuren führten, mit den Augen – sie verliefen eine Weile parallel zum Ufer und verschwanden dann wieder im Wald. „Hm…Muss ja nichts heißen, ich glaub nicht, dass sie jemand gesehen oder gar verfolgt hat. Wer hätte denn schon Grund dazu?“, bemerkte Minoru und schien dabei Kazuyas Gedanken und Sorgen genau zu kennen. „Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Ich sollte mir nicht immer so viele Sorgen machen.“, seufzte Kazuya und stand auf. „Komm, gehen wir weiter. Ich schlag vor, wir gehen nach rechts.“, bestimmte Kazuya. Kurze Zeit später entdeckten die Beiden weitere Spuren auf dem Boden – dieses Mal eindeutig von einer Frau beziehungsweise von einem Mädchen, denn die Abdrücke waren viel kleiner und auch nicht so tief wie die vorigen. „Scheint, als wäre sie hier gewesen.“, vermutete Minoru und wiegte nachdenklich mit dem Kopf hin und her, als er das verwirrende Muster der Spuren betrachtete. Nachdem Yumi den Wald verlassen hatte, war sie offensichtlich zunächst ein kleines Stück nach links gegangen, war anschließend wieder umgekehrt und schließlich hatte sie ihren Weg nach rechts fortgesetzt. „Sieht so als, als wüsste sie nicht, wo sie langgehen sollte.“, murmelte Minoru und musste aus irgendeinem Grund grinsen. „Wäre ja typisch für sie.“, fügte er hinzu. „Lass sie uns lieber weitersuchen, anstatt über ihr Orientiervermögen zu spekulieren.“, sagte Kazuya und warf seinem Bruder ein flüchtiges Lächeln zu. Plötzlich schallte ein schrilles „Ahhhh!“ durch den Wald und ließ Kazuya und Minoru sofort hochschrecken. „Yumi!“, riefen beide gleichzeitig und stürmten augenblicklich los. Kazuya rannte voran und ignorierte die Büsche und tiefhängenden Zweige, die ihm ins Gesicht schlugen und seine Arme zerkratzten. Minoru versuchte geschickt, den Zweigen, die hinter seinem Bruder zurückschnellte, auszuweichen und mit Kazuya mitzuhalten, ohne über seine eigenen Füße zu stolpern. Schließlich erreichten die beiden eine kleine Lichtung und fanden die auf dem Boden kniende Yumi vor. „Yumi! Ist die was passiert?“, fragte Kazuya besorgt und außer Atem und ließ sich neben das Mädchen auf die Knie fallen. Yumi starrte ihn und Minoru nur abwechselnd verblüfft an. „Kazuya? Minoru? Was macht ihr hier?“, wollte sie wissen, anstatt zu antworten. „Was wir hier machen? Dich suchen natürlich! Was hast du denn gedacht, dass wir das nicht rausfinden oder dich allein hier rumlaufen lassen?“, entgegnete Minoru empört. „Ist alles in Ordnung bei dir?“, wiederholte Kazuya und musterte Yumi besorgt. Yumi sah verlegen zu Boden. „Ja, alles klar. Ich bin nur…na ja…gestolpert. Ich habe so angestrengt den richtigen Weg gesucht, dass ich nicht darauf geachtet habe, wo ich hinge und bin prompt an einer Wurzel hängen geblieben“, murmelte sie. Minoru stöhnte auf und Kazuya ließ sich erleichtert zurück sinken. „Tut mir leid, falls ihr euch Sorgen gemacht habt. Der Fuß tut ein bisschen weh, aber das ist gleich vorüber. Es ist wirklich allen in Ordnung!“, versicherte Yumi. „Aber das wird es nicht mehr lange sein!“, grollte eine tiefe Männerstimme hinter ihr. Kazuya und Minoru rissen den Kopf hoch und sahen in das düstere Gesicht des Mannes, vor dem sie Yumi bereits schon ein Mal gerettet hatten – einer der Wilderer. Er hielt eine Armbrust in den Händen, die genau auf Yumi gerichtet war. Yumi saß wie zu Stein erstarrt da und sah nur ungläubig zu, wie auch die beiden anderen Männer aus dem Dickicht hervortraten. Der eine hatte sein Schwert gezückt und richtete die blutbefleckte Klinge auf Minoru. Minoru hoffte, dass das getrocknete Blut wenigstens nicht von einem Menschen stammte, sonst sah es ziemlich schlecht für sie alle aus. Der Dritte war ebenfalls mit einer Armbrust bewaffnet und visierte Kazuya an. „Waffen weg!“, brüllte der Erste noch mal. Kazuya drehte leicht den Kopf, um Minoru, der hinter ihm stand, zuzunicken. Widerwillig ließ Minoru Bogen und Köcher fallen, Kazuya zog langsam das Schwert und warf es dem Zweiten vor die Füße. Der Anführer lachte kurz auf, während die beiden anderen die Waffen aufhoben, die Minoru und Kazuya abgelegt hatten. „Das habt ihr nun davon, euch in unsere Angelegenheiten einzumischen!“, lachte der Erste. „Dann waren das eure Spuren.“, stellte Kazuya düster fest. Der zweite zuckte mit den Schultern. „Wir haben euch beobachtet. Als Die Kleine aufgebrochen ist, sind wir ihr gefolgt, aber dass ihr hier auch noch auftaucht, hätten wir nicht vermutet. Aber schön, dass ihr uns nun alle drei ins Netz gegangen seid! Wir mögen keine Schnüffler!“, meinte er. „Genug gelabert! Aufstehen! Los!“, dröhnte der Erste und machte eine entsprechende Bewegung mit der Armbrust. Kazuya erhob sich, doch Yumi blieb wie angewurzelt sitzen. „Aufstehen, sag ich!“, befahl der Erste wieder. „Ganz ruhig, alles wird gut.“, flüsterte Kazuya Yumi zu und reicht ihr die Hand. Als Yumi zu ihm aufsah, standen ihr die Tränen in den Augen, aber sie nickte und ließ sich von Kazuya aufhelfen. „Wo bringt ihr uns hin?“, wollte Minoru wissen. „Halt die Klappe und geh!“, zischte der dritte mit rauer Stimme und gab ihm einen Stoß, sodass er beinahe gestolpert wäre. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)