Faith von Ryusei (You have to believe me - I won't kill you) ================================================================================ Faith ----- Vorwort: „Hier fehlt doch etwas…“ fragen sich sicherlich einige. Richtig. Das ist kein normales Vorwort, so, wie ich es sonst schreibe. Den Grund erfahrt ihr entweder am Ende im Nachwort oder ihr kommt noch beim Lesen darauf, warum hier Genre, Serie und andere sonstige Vorwort-Angaben fehlen. Stattdessen werde ich diese freien Spalten hier nutzen, um einige Worte an Leute zu richten, denen ich danken möchte. Da wären zum einen meine lieben Kommentatoren und Leser. Ich bin euch wirklich sehr dankbar, es tut gut so liebe, positive Resonanz zu bekommen. Da macht das Schreiben doch gleich mehr Spaß. Anmerken kann ich jedoch, dass Doppelabsätze wie sonst auch immer einen deutlichen Sprung in der Zeit oder im Ort kennzeichnen. „…“ steht für Reden, ‚…’ für Denken. Faith „Dir wird wohl nichts anderes übrig bleiben“, sagte der Shinigami leise und sah Raito dabei fest in die Augen. „Die einzige Möglichkeit, an Ls richtigen Namen heranzukommen, ist, ihn dazu zu bringen, sich in dich zu verlieben.“ Raito starrte mit nachdenklichem Blick an die gegenüberliegende Schrankwand. In seinem Inneren ekelte es ihn an, sich dem aufdringlichen und unfreundlichen Detektiv auf eine so intime Art nähern zu müssen. Aber er konnte nicht verleugnen, dass Ryuk in dem Punkt Recht hatte. Raito war schon früh aufgefallen, dass L von Gefühlen, engeren Gefühlen wie Liebe, keine Ahnung hatte. Sie waren bisher die einzige Schwachstelle, von der Raito wusste. Aber es wäre auch auffällig, wenn Raito sich dem jungen Mann gnadenlos an den Hals werfen würde. Er musste es sachte angehen, um Ls Vertrauen nicht von Anfang an zu zerschlagen. „Wie kommst du darauf, Ryuk?“ Raito drehte seinen Bürostuhl zu dem Ungetüm um und legte die Ellenbogen auf die Kante seines Schreibtisches. „Fällt dir etwas anderes ein?“ Der Shinigami biss in einen Apfel. „Außerdem… finde ich es amüsant, zu beobachten, wie du um sein Vertrauen ringst.“ Ryuks Wangen hoben sich einige Zentimeter und verzogen seinen obskuren Mund zu einem grausamen Lächeln. Raito wusste, dass seine Dreistigkeit gegenüber dem Todesgott eines Tages seine Rache finden würde. Ryuk war bewusst, was er da von Raito, der sich in seinem Leben noch nichts aus Beziehungen gemacht hatte, verlangte. Doch wenn Ryuks Plan aufging, konnte Raito L endlich aus dem Verkehr ziehen. Der Ermittler saß Raito gegenüber und betrachtete das Stück Kuchen, das er auf seiner Gabel aufgespießt hatte. Raito schlug die Beine übereinander und sortierte seine Gedanken. Seit er unter L in der Sonderkommission arbeitete, waren die beiden nicht mehr hier gewesen, doch angesichts seiner Mission war es der beste Ort, um L unauffällig in ein etwas anderes Gespräch zu verwickeln. „Danke für die Einladung, Yagami-kun…“, sagte L bestimmt und aß das Kuchenstück endlich auf. Die Erdbeere, die bis vor kurzem auf dem Sahnehäubchen auf der Erdbeercreme gethront hatte, lag neben dem Kuchen auf dem Teller. Raito kannte den Ermittler mittlerweile gut genug um zu wissen, dass L sie sich bis zum Schluss aufhob. „Sag mal… Ryuzaki?“ L hob den Kopf nur wenige Millimeter und ließ seinen Kuchen dabei nicht aus den Augen. Doch Raito wartete eine Bestätigung auf seine Frage gar nicht erst ab. „Entschuldige, diese Frage ist vielleicht etwas privat… Aber… warst du schon mal verliebt?“ „Nein.“ Ls Antwort kam direkt und ohne Verzögerung. Er sah auf und hielt sich innerlich an Raitos Augen fest. „Wie kommst du darauf, Yagami-kun?“ „Einfach nur so… Wir haben schon über so viel geredet…“ „Na ja. Es sind keine Fragen, die dir helfen würden, meine Identität herauszufinden. Also… Frag ruhig.“ „Ist es dir peinlich, auf so etwas zu antworten?“ L schüttelte langsam den Kopf und bohrte die spitzen, silbernen Zinken der Gabel in das tiefrote Fleisch der Erdbeere. „Hast du überhaupt je einen Gedanken an eine Beziehung verschwendet?“ Ls Finger kreisten auf der hellen Tischplatte zwischen ihnen. Raito konnte hören, wie L seine Zehen unter dem Tisch unablässig bewegte. Die Frage schien ihn zu verunsichern und ihn in Verlegenheit zu bringen. Er wandte den Kopf zur Seite und fixierte einen Punkt an der Wand, der deutlich außerhalb von Raitos Sichtbereich lag. „Nein…“, begann der junge Mann langsam und lenkte seine dunkeln Augen wieder in Raitos Richtung. „Ehrlich gesagt… würde es mich nur stören. In einer Situation wie dieser, wo mich jeder kleine Fehler das Leben kosten könnte, kann ich mir so etwas nicht erlauben. Vielleicht… wenn ich nicht mehr L bin.“ „Ich verstehe…“, begann Raito zaghaft und überlegte hastig, wie er das Gespräch unauffällig weiterführen konnte. Doch ehe er einen klaren Gedanken fassen konnte, war L ihm zuvor gekommen. „Und was ist mit dir?“ Die kalte Leere von Ls Augen klammerte sich regelrecht an Raitos Körper fest. Raito musste den jungen Mann nicht ansehen um zu wissen, dass L versuchte sein Innerstes mit seinem Übelkeit erregenden Blick zu erforschen. Der Student schluckte seine eigene Abneigung hinunter und legte ein falsches Lächeln auf. „Nun ja… Zwischen all der Lernerei habe ich für so etwas eigentlich keine Zeit.“ „Ich habe gehört, dass solche…“ L drehte seine Gabel zwischen den schmalen Fingern, fast so, als wäre er sich nicht sicher ob er das Wort, das ihm auf der Zunge lag, wirklich aussprechen sollte. „…Workaholics wie du so oder so schlechte Chancen in punkto Beziehungen haben.“ Raito stutzte. Dieser Satz war so ehrlich, so unverschämt, so dreist, dass eine Woge Hass in dem Schüler aufwallte. Am Liebsten wäre er aufgestanden und hätte seinem Gegenüber einfach eine verpasst, einen Faustschlag in dieses helle, blasse Gesicht vor ihm. Doch Raito zügelte sich und zwang seiner Miene ein Lachen auf. „Könnte schon möglich sein. Aber in dem Punkt stehen wir uns ja in nichts nach, nicht wahr, Ryuzaki?“ Der Seitenhieb saß. Ls Augen verengten sich um wenige Millimeter, aber diese winzige Regung war das Einzige, was deutlich machte, dass er die Retourkutsche von Raito verstanden hatte. „Da gibt es noch ein anderes Problem… Nicht mit dir, versteht sich.“ Ls Gabel fuhr geräuschvoll über das Porzellan. „Die meisten Menschen sind… Nun ja… Ich möchte nicht sagen ‚dumm’, aber leider fällt mir kein anderes Wort ein. Also…“ Er rang nach Worten, um Raito etwas deutlich zu machen, was dieser längst verstanden hatte. „Es fällt mir schwer mit… beispielsweise deinem Vater… eine Unterhaltung zu führen. Er versteht so langsam. Ich kann es nicht so sagen, wie ich es denke…“ Raito sah diesem Schauspiel vergnügt zu. Dass L so zögerlich und kindisch seine Worte auswählte kam selten vor. „Ich muss alles vereinfachen. Ich habe Theorien und bin immer wieder entsetzt darüber, dass sie nicht selbst darauf kommen.“ Der zerzauste, schwarze Kopf senkte sich auf den rauen Jeansstoff, als L sich auf seinen angezogenen Beinen abstützte und weiter in seinem Reservoir nach brauchbaren Worten kramte. Raito war nicht so gnädig und entließ ihn dieser Quälerei. Jeder noch so winzige Hinweis auf eine Schwachstelle in Ls perfektem System war für ihn mehr wert als ein Diamant. Der braunhaarige Student hielt seinen Blick fest auf Ls schlanke Züge gerichtet und beobachtete die schmalen Lippen, als dieser den Mund öffnete und weiter sprach. „Wenn ich also einen Partner finden wollen würde… müsste dieser gedanklich mit mir mithalten können. Du wärst so ein Partner, Yagami-kun.“ Der letzte Satz schwang in Raitos Ohren umher. Eine kurze Welle der Euphorie tobte durch Raitos Körper, dann legte sie sich wieder nieder und ließ den jungen Schüler das Wort ergreifen. „Ich?“ Raito war bemüht seiner Stimme einen fraglichen Unterton zu geben und schien damit Erfolg zu haben. Ls Augen glänzten. „Ja. Du bist der Erste, bei dem ich reden kann ohne meine Worte umformen zu müssen. Teilweise… führst du sogar meine Gedanken weiter. Das… macht mich auf eine gewisse Art glücklich.“ Ohne es selbst zu merken hatte L sich ein Stück weit seinem Gegenüber geöffnet. Raito nutzte diesen Schlupfwinkel und hielt an der Öffnung fest, knüpfte seine Worte in einem fälschlichen Lob direkt an Ls Worte an: „So? Darüber war ich mir nicht im Klaren. Also… dass ich so denke, wie der großartige L, den die Welt als Retter feiert. Ich fühle mich geehrt, wirklich. Ryuzaki. Ich danke dir für diese ehrliche Unterhaltung.“ Noch während er sie aussprach, wusste Raito, dass seine Lobpreisungen bei L keine Reaktion erzielen würden. Vielmehr waren es leere, tote Worte, die über den jungen Mann auf der anderen Seite des Tisches plätscherten und ihn nicht annähernd erreichten. Was ihn aber erreichte, war der ehrliche und aufrichtige Klang, den Raito bewusst in seine Stimme gelegt hatte. Ls Lippen verzogen sich zu einem schrägen und ungewohnten Lächeln. „Retter der Welt? Das klingt furchtbar kitschig, Yagami-kun. So gesehen… erledige ich nur meine Arbeit und gehe meinen eigenen Interessen nach. Es ist für mich wichtig Kira zu stellen und ihn endlich seiner gerechten Strafe zu überführen. Ich möchte ihn auf dem Schafott sehen.“ Raito horchte auf. Dass L abschätzig über Kira sprach und ihn im gleichen Atemzug lobte, ließ ihn innerlich auflachen. Seine Prozentzahl schien gesunken zu sein. „Nun…“ L drückte seinen dürren Körper hoch und schlüpfte in seine unter dem Tisch abgestellten Schuhe. „Ich danke für die Einladung. Führen wir diese Unterhaltung morgen fort?“ Raito nickte langsam. „Sicher. Nach Schulschluss komme ich ins Hotel.“ „Gut…“ L sah ihn kurz an. „Und beim nächsten Mal lade ich dich ein.“ „Das hat er Sie gefragt?“, sagte Watari leise und goss dem Ermittler, der mit angezogenen Beinen und den Augen auf dem Bildschirm auf dem Sofa saß und Akten abglich, Tee ein. „Ja. Es war ungewöhnlich. Ehrlich gesagt hätte ich so eine Frage bei ihm nicht erwartet. Allerdings hilft sie ihm auch kaum weiter. Ich kann nicht sagen, worauf er hinaus will.“ „Das klingt fast so, als habe Yagami-san wirklich Interesse an Ihrer Person, Ryuzaki-san.“ L schüttelte bedächtig den Kopf. „Das passt nicht zu ihm. Allerdings… empfinde ich seine Gegenwart als sehr angenehm. Es ist nichts, was ich nun unbedingt beenden wollen würde. Vorerst spiele ich sein Spiel mit. Wenn er wirklich Kira ist… Wer weiß. Vielleicht finde ich so einen Beweis gegen ihn.“ „Seien Sie nur vorsichtig, Ryuzaki-san.“ L schnaubte. Durch diesen Fall war er zu jeder Sekunde in Gefahr, warum warnte ihn Watari immer und immer wieder? Machte er sich wirklich Sorgen um ihn oder war es die antrainierte Freundlichkeit des Butlers? L konnte es nicht genau sagen. In Sachen „Gefühle“ verließ er sich meist auf seine Intuition und bisher hatte sie ihn nicht enttäuscht. Er konnte von sich aus nicht bestimmen, ob die Gefühle einer Person ehrlich waren oder nicht, wenn diese in der Lage war, Mimik, Gestik und Aussprache zu beherrschen. Er hatte es nicht oft erlebt, dass eine Person lügen konnte, ohne, dass er es bemerkte. Aber bei Yagami Raito und auch bei Watari schaffte es L nicht so einfach durch die Fassade zu blicken. Er tat sich schwer beide einzuschätzen. L stand vom Sofa auf und schritt durch das Chaos, das über den Boden hereingefallen war. Er hatte heute Mittag nach dem Gespräch in dem Café eine ausführliche Recherche gestartet und auf dem Boden verteilt lagen Ausdrucke und Papiere über Gefühle, Kiras letzte Morde, inhaftierte Verbrecher, Törtchenrezepte für Watari – eher gesagt für ihn, aber Watari würde sie backen -, noch nicht inhaftierte Verbrecher, Moderatoren, die in den letzten 24 Wochen etwas gegen Kira gesagt hatten und das Wetter für den morgigen Tag. Die Hälfte des Blattberges waren amtliche, wichtige Dokumente, auf die L achtlos trat. Genau genommen brauchte er all diese Papiere nicht mehr – außer den Rezepten -, denn er hatte deren Inhalt schon im Kopf. Er würde sie wegräumen müssen, wenn Yagami Raito heute Abend noch vorbeikam. Die Hotelzimmertür öffnete sich mit einem leisen Quietschen und ließ außer Raito noch eine Welle warmer Luft aus dem Hotelflur hinein. In dem abgedunkelten, kahlen Zimmer war es unangenehm kalt. Raito ließ seine Jacke aus diesem Grund an und trat ohne zu zögern hinter den krummbeinigen, mit einem gestreiften Muster versehenen Stuhl. Von dem Mann, der darauf saß, war erst ab Brustmitte etwas erkennbar. Raito fokussierte seinen Blick auf den schmalen Schulterblättern, die durch das nach vorne Beugen des Oberkörpers deutlich unter dem schneeweißen Stoff seines Pullovers hervortraten. Wenn L seine Anwesenheit bemerkt hatte - und das hatte er ganz sicherlich - dann ließ er sich jetzt nichts anmerken. Er richtete weder ein Wort noch eine Gestik der Aufmerksamkeit an den 8 Jahre Jüngeren hinter ihm und starrte weiterhin gebannt auf eine Videoüberwachung, deren Ort Raito erst nach einigen Minuten ausmachen konnte. L beobachtete seine Universität. Raito war froh, dass er sich an seiner Schule nie einen Fehler erlaubt und sich in den weiß getünchten Wänden stets vorbildlich benommen hatte. „Setz dich doch.“ Raito musste genau hinhören um Ls leise Stimme überhaupt wahrzunehmen. Ohne eine großartige Entgegnung ging er dem Befehl nach und ließ sich neben dem Älteren auf einem der ungemütlichen Plastikstühle nieder. Sein Blick blieb an Ls Profil hängen. Nur langsam drehten sich Ls Pupillen in seine Richtung und tasteten sich nahezu nachdenklich über Raitos Gesichtszüge, ehe sie sich postwendend wieder den flimmernden Bildschirmen zuwandten. Noch während dieser kurzen Inspektion wunderte sich Raito, dass Ls Augen nicht tränten. Der Ermittler saß so nah vor den Monitoren, dass es weh tun musste und trotzdem hielt er seinen dunklen Blick stur darauf gerichtet als wolle er jede Bewegung, die sich auf den flimmernden Geräten abzeichnete, in sich aufsaugen und festhalten. Raitos braune Haare bewegten sich über seine Stirn, als er den Kopf schüttelte und das Wort ergriff. „Du wolltest unsere Unterhaltung fortführen, Ryuzaki.“ „Ja, allerdings…“ Der gestreifte Stuhl unter ihm knarrte, als L sein Gewicht verlagerte und sich gänzlich zu Raito umdrehte. „Ich habe mich gestern Nacht nach unserem Gespräch noch informiert und war überrascht wie vielfältig so eine simple Körperlichkeit wie der Koitus sein kann.“ L stützte nachdenklich seinen Kopf auf seine Hand und sah Raito an. „Wusstest du das nicht?“ „Nein. Ich habe mir darüber keinerlei Gedanken gemacht, wie ich gestern schon sagte. Weder über Beziehungen selbst noch über Dinge, die dazu gehören.“ „Das bedeutet, du hast noch nie Jemanden geküsst.“ „So könnte man es ausdrücken, Yagami-kun.“ Raito lachte leise auf und versuchte seinem Blick etwas Mitleidiges zu geben. „Wie alt bist du?“ L schwieg. Damit hatte Raito gerechnet. Anders als bei simplen Fragen über Beziehungen konnte ein Alter schon verräterisch sein. „Na ja… Ist ja auch egal. Aber selbst ich habe schon mal Jemanden geküsst. Soll ich es dir zeigen?“ Die Offenheit dieser Frage erreichte Ryuzaki. Seine Reaktion darauf war nicht mehr versteckt, sondern so klar, dass sie Raito wie eine Ohrfeige traf. Die Augen des jungen Mannes weiteten sich, bis er aussah wie eine erschrockene Eule. Seine Finger, die auf den Armlehnen des Stuhles ruhten, gruben sich tiefer in den hellen, gestreiften Stoff. Über seine Lippen kam ein Laut, der weder Lachen, noch Schreien, noch Stöhnen war, so undefinierbar und für Raito so klar, dass er sich in seinen Ohren fest brannte. Raito konnte sich das Grinsen nicht mehr verkneifen. Er hatte L an einem wunden Punkt getroffen und nun genoss er es mit seinen Fingern weiter in dieser Wunde zu bohren. Regelrecht entsetzt hielt sich Ls Blick an ihm fest, fuhr Hilfe suchend über seinen Körper und klammerte sich schließlich wie ein verzweifelter Aufschrei an seinem Handgelenk fest. L wagte es nicht mehr Raito in die Augen zu sehen. Dieser kleine Triumph begrub den Ekel, den der bloße Gedanke an einen Kuss mit dem Detektiv mit sich brachte, für einen kurzen Augenblick. Raito wusste, dass L so oder so nicht zusagen würde, aber seine Aussage hatte ihm einen Sprung in den negativen Prozentbereich gebracht, dessen war sich Raito sicher. Aus Ls Sicht würde Kira niemals auf so intimen Kontakt mit seinem Feind eingehen. Langsam schlichen Ls Augen wieder nach oben und suchten sich einen Punkt an Raitos Hals. Seine Lippen öffneten sich einen kleinen Spalt, schlossen sich wieder und öffneten sich erneut. Raito fühlte sich an einen Fisch erinnert, der an der Wasseroberfläche nach Luft schnappte. War L in dieser Situation wirklich so hilflos oder suchte er einfach nur wieder nach Worten? Raito sah ihn abwartend an, verfolgte, wie seine braunen Augen sich endlich wieder in den tiefschwarzen Pupillen Ls widerspiegelten. „Ja“, kam ein leiser, geflüsterter und sacht dahin geworfener Laut aus Ls Mund. Raito konnte sein Entsetzen wesentlich besser verbergen als L. In seinem Inneren tobte alles, seine Gedärme rangen, sein Blut kochte und ein dumpfes Dröhnen hämmerte in seinem Schädel. Abneigung und pure Übelkeit umkreisten sein Denken, alles in ihm sträubte sich dagegen sich diesem Mann vor ihm noch weiter zu nähern. Doch Raito konnte sein unfreiwillig angenommenes Angebot nicht wieder zurückziehen und diese Tat brachte ihn ein großes Stück voran in dem ungleichen Kampf um Ls richtigen Namen. Scheu beugte sich Raito nach vorne und versuchte den Blick in Ls Augen zu halten, obwohl er sich fühlte, als blickte er in zwei tiefe, abgründige Schluchten. Allerdings war es nicht das erste Mal, dass Raito einen Menschen ohne ein Gefühl küsste. Warum sollte das nicht auch bei L funktionieren? Raito versuchte den Gedanken zu verdrängen, dass es L war, den er da vor sich hatte und senkte seine Lippen langsam auf den leicht geöffneten Mund des Ermittlers. L schmeckte süß. Er überfiel Raito mit einer unschuldigen, erforschenden, kindlichen Art. Seine Lippen tasteten sich Millimeter um Millimeter über Raitos Haut, nahmen seinen Geschmack auf. Raito fühlte die feuchte Nässe von Ls Zunge, als er diese nach vorne stieß, nur um an Raitos Zähnen ihre Grenze zu finden. Der Kuss war kurz und dauerte zeitgleich unendlich lang. Als Raito seine Lippen von L löste, spürte er ein kurzes Schwindelgefühl in sich aufsteigen und er ließ sich auf seinen Stuhl zurücksinken. Beschämte Röte glänzte auf Ls Wangen und er fixierte sich wieder auf die Monitore. „Und?“ Raito ließ nicht locker und grub sich wieder in diese Wunde, die L ihm so ahnungslos offenbart hatte. „Hmmm…“ Ls Finger trommelten auf der Stuhllehne. „Es war… angenehm.“ „Nur angenehm?“ Raito legte bewusst einen sehr enttäuschten Unterton in seine Stimme und sah L von unten herauf an. „Hm. Ja. Angenehm. Warm… und irgendwie interessant. Ich glaube… ich möchte mehr davon.“ Ryuk hörte nicht auf zu lachen, als Raito ihm von den Vorgängen im Hotelzimmer erzählte. Der Shinigami hielt sich bereits den Bauch und trotzdem hallte sein amüsiertes Gackern noch immer durch den Raum. Raito blätterte in seinem Schulbuch und wartete bis Ryuk sich wieder soweit beruhigt hatte, dass Raito eine gesittete Unterhaltung mit ihm führen konnte. „Du hast ihn also wirklich geküsst?“ „Ja, Ryuk. Wie oft noch? So gesehen… habe ich ihn im Moment genau da, wo ich ihn haben - Nein. Eher da wo du ihn haben wolltest. Wenn er wirklich mehr will… dann gebe ich ihm mehr.“ „Du heimtückisches Biest. Es hat dir doch selbst gefallen!“ Und in diesem Punkt hatte Ryuk Recht. Jeder Kuss bisher war nichts weiter als eine bloße Gestik um einen Menschen abzuwürgen, der ihn anödete. Doch dieser Kuss mit L war… anders. Raito erinnerte sich an den süßen Geschmack, der ihn überfallen hatte, als er erstmals diese rauen Lippen unter sich gespürt hatte. Diesem Kuss lag eine besondere Bedeutung inne. Raito war innerlich stolz darauf. L hatte ihn so nah an sich heran gelassen, es würde ein Kinderspiel sein sich ihm noch weiter zu nähern. Vertraute er ihm wirklich so, dass er irgendwann nicht nur seinen Körper sondern auch seine Seele öffnen würde? Raito musste es ausprobieren. Und immerhin hatte er noch eine Einladung bei Ryuzaki offen. „Er hat Sie geküsst?“ „Ja, das hat er wohl.“ L hielt sich das Dokument in seinen Fingern näher vor das schmale Gesicht und musterte die Unterschrift. „Gefälscht“, gab er ruhig zu und ließ das Papier achtlos auf den Boden fallen, ehe er sich das Nächste griff. „Sind Sie sicher, dass Sie das Richtige tun?“ „Watari“, begann L und senkte das Blatt, das er sich gerade ansehen wollte. „In diesem Fall gibt es kein richtig und kein falsch. Ich handele so, wie ich es für richtig halte. Ob das richtig ist, ist eine andere Frage. Was ich richtig finde, könnten andere als falsch ansehen. Und umgekehrt. Durch Koitus kann man niemanden umbringen.“ „Verstehen Sie doch…“ Watari kniete sich zu L herunter und sah den jungen Mann über die kleinen Gläser seiner Brille hinweg an. „Ich mache mir Sorgen um Sie. Ich fühle, dass dieser Junge – Yagami Raito – kein guter Umgang für Sie i-“ „Watari, wir sind nicht mehr in „The Wammys House“. Es tut mir leid, Sie daran erinnern zu müssen, aber Sie sind jetzt mein Butler, nicht mehr mein Mentor.“ Watari schluckte leicht. Aber L hatte Recht. Die Zeiten, in denen der eigensinnige Schwarzhaarige auf ihn gehört hatte, waren schon lange vorbei. Dennoch erwischte sich Watari noch oft genug dabei, wie er in L – Ryuzaki, Ryuga – immer noch den Jungen sah, der sich in eine Ecke zurück zog und an seinem Daumen kaute. Allerdings hätte er nicht gedacht, dass L eines Tages in Lebensgefahr sein könnte. „Ich schulde Yagami Raito noch eine Einladung“, fuhr L ruhig fort und nahm seine angefangene Arbeit wieder auf. „Gefälscht. Er wollte noch mal in das Café. Das wäre dann also das dritte… Wie sagen Paare dazu? Date? Echt. Irgendwie ist es merkwürdig. Ich gehe mit dem aus, den ich für Kira halte. Gefälscht. Hat sich der Mann gemeldet?“ „Ja, das hat er. Es wird so ablaufen, wie Sie es geplant haben. Die falschen Personalien sind bereits auf den Personalausweis abgedruckt. „Thomas Winchester“, sagten Sie?“ „Meintest du das letztens ernst, Ryuzaki?“, fragte Raito scheinheilig und nippte an seinem Tee. „Was?“ Ls Auge starrte Raito durch das Loch des Donuts in der schmalen Hand des Ermittlers an. „Dass du mehr davon möchtest.“ Raito ärgerte sich, dass er nie geübt hatte, Gefühle bewusst zu erzwingen. Rote Wangen hätten seine Situation deutlich glaubhafter gemacht. Doch auch hier wurde ihm Ls Ahnungslosigkeit bezüglich Gefühlen zu einer echten Hilfe, denn selbst ohne Rötung seiner Haut schien L Raitos Frage als seriöse Antwortfindung zu sehen. Er nickte und biss ein großes Stück aus seinem Donut heraus. „Ja. Ich… möchte gerne nachholen, was ich all die Jahre versäumt habe.“ „So? Und… darf ich fragen mit wem du das nachholen möchtest, Ryuzaki?“ „Mit einer Person, die mich versteht und nicht vor mir zurückscheut, nur weil ich L bin“, sagte er leise und halbierte seinen Donut. Raito wusste genau, dass er mit dieser Beschreibung gemeint war und doch zog er es vor diese Antwort selbst aus Ryuzaki heraus zu kitzeln. Er nuschelte in seine Kaffeetasse und blickte L über deren Rand hinweg an. Wieder saß er da, nervös und verloren, suchte in seinem Kopf nach Worten und wagte es nicht ihn anzusehen. Raito genoss es seinen Feind so in Verlegenheit zu sehen. Fast konnte man seinen Anblick als ‚niedlich’ bezeichnen. „Genau genommen… gibt es nur eine Person, die auf diese Beschreibung zutrifft. Und das… bist du Raito.“ „Ich weiß…“, sagte Raito und schleuderte dem eh schon angerissenen jungen Mann seine Überlegenheit ins Gesicht. L rutschte auf der Bank nervös einige Schritte nach hinten und drückte seinen Rücken fest gegen das knarrende, rote Leder hinter ihm. Seine Finger suchten sich ihren Weg über seine Lippen, Raito konnte beobachten wie sich Ls Mund leicht öffnete und er seine Zähne kaum merklich in seine Haut grub. Er biss sich auf die Finger. Raito genoss diesen Anblick. Er siegte gerade über L und L war sich dessen bewusst. Schon das zweite Mal bat der Ermittler Raito um Hilfe und Raito nahm diese Hilferufe bewusst auf, griff nach seiner Hand und zog ihn zu sich, auf seine Seite, lockte ihn mit seinen Worten in eine gut gebaute Falle. Er würde L zu Fall bringen und wenn er ihn über die emotionale Ebene erreichen konnte, so würde Raito diese Brücke nutzen. Das Wichtige war nicht der Weg sondern das Ziel selbst. Und sein Ziel würde erreicht sein, wenn er mit schwarzen Lettern Ls Namen in sein Death Note schreiben konnte. Es klimperte, als L mit spitzen Fingern Münzen auf den Tisch fallen ließ und unter dem Tisch seine Schuhe suchte. „Ist dir nicht kalt, wenn du so nach draußen gehst?“, fragte Raito fürsorglich und warf einen Seitenblick auf Ls dünnen, grauen Mantel, der ihn in dieser kalten Jahreszeit unmöglich wärmen konnte. „Es geht. Aber in dickeren Jacken fühle ich mich unwohl“, antwortete L ehrlich und zog seinen Mantel über. Angezogen umspielte der Saum seine Kniekehlen. Raito trat nach vorne und legte seinen Schal sanft um den bleichen Hals seines Gegenübers. L schrak zurück, als er die schwarze Wolle an seiner Haut spürte. „Ich will nur nicht, dass du dich erkältest…“ Raitos Blick war besorgt und aufrichtig. „Danke…“, murmelte L verlegen und fasste mit den Fingern nach dem Schal. „Ich gebe ihn dir bei nächster Gelegenheit zurück.“ „Nein“ Raito schüttelte den Kopf. „Behalte ihn ruhig. Ich schenke ihn dir.“ Der Schal hing arglos über der Rückenlehne des Sofas, das L in Beschlag genommen hatte. Er lag auf dem Rücken, die Beine angewinkelt in der Luft und starrte interessiert auf die von ihm selbst angefertigten Unterlagen. „Sie wissen Bescheid?“, fragte er ruhig und widmete dem im Raum Befindlichen keinen Augenblick der Aufmerksamkeit. „Ich denke schon…“ „Sie sollen so oder so nur im Bewachungsbereich zu sehen sein. Mehr verlange ich von Ihnen nicht. Dafür wird Ihre Haftstrafe um ein Jahr gekürzt.“ „Sterben kann ich dabei nicht?“ „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ja oder Nein. Beides wäre möglich.“ L setzte sich auf und reichte dem schlecht rasierten Mann auf der anderen Seite des Tisches die Unterlagen. Es machte keinen Unterschied ob Kira ihn umbrachte oder nicht. Er – Kyle Wingolds – würde so oder so sterben. L wusste von der bevorstehenden Verhandlung. Eine Verhandlung, die im Fernsehen übertragen wurde. „Die Überwachung Ihrer Person erfolgt durch mich persönlich. Zusätzlich werden sich Polizisten in Ihrer Nähe aufhalten, natürlich so, dass sie die Kameras nicht aufnehmen können. An Ihrer Stelle würde ich das Spiel mitspielen. Ein Jahr weniger ist doch besser, als vor laufender Kamera auf der Straße zu verbluten, oder nicht?“ In dem Zimmer war es stockdunkel. Die einzige Lichtquelle kam von den unzähligen Bildschirmen, die im Raum verteilt aufgestellt waren und ihre Züge makaber erscheinen ließen. Das fahle Licht der Monitore ließ die Schatten unter Ls Augen noch schwärzer wirken, sein Gesicht ähnelte fast dem Schädel eines Toten. Raito hatte die Hände auf die zerbrechlichen Schultern des Mannes unter ihm gelegt und sah an seinem Kopf vorbei auf die Videoüberwachung vor ihm. Schon seit Tagen beobachteten sie einen Mann, von dem L überzeugt war, dass es Kira sein könnte, ohne zu merken, dass sich Kira gerade auf ihm abstützte und ihm so nah war, dass es L, wenn er es gewusst hätte, in blanke Angst versetzt hätte. Raito gab sich alle Mühe ihn in seinem Glauben zu bestätigen und bejahte seine Aussagen und Theorien mit vorsichtiger Regelmäßigkeit. „Sein Verhalten ist merkwürdig“, nuschelte L über seinen Daumen hinweg. „Wenn er Kira ist, habe ich bisher noch keinen Anhaltspunkt über seine Tötungsmethode gefunden.“ Ls Haare kitzelten Raitos Wangen, als der Ermittler langsam den Kopf schüttelte. „Wir können die Überwachung wohl abbrechen. Es ist ausgeschlossen, dass Thomas Winchester Kira ist.“ L streckte seine Hand aus und schaltete die Monitore ab. Blinzelnd gewöhnten sich Raitos Augen an die plötzliche Dunkelheit, die nur noch von dem hellen Schein des weißen PowerBook G4 hinter ihnen durchbrochen wurde. Er hörte, wie sich L bewegte und aufstand, nicht ohne dabei Raitos Körper zu streifen und sich an ihm festzuhalten. Die Füße des jungen Mannes schlurften durch den Raum, irgendwo klimperte eine Tasse und ein Löffel fiel geräuschvoll erst auf den kleinen Beistelltisch und dann zu Boden. Jede Regung war spürbar geworden, Raito fühlte wie sein Herz unaufhaltsam gegen seine Brust pochte. Diese Dunkelheit, die sie umgab, war eine perfekte Tarnung für einen weiteren Übergriff auf Ls Emotionsebene. Raito setzte sich langsam in Bewegung, achtete darauf nirgendwo anzuecken und stoppte seine Schritte erst, als er direkt hinter dem jungen Mann stand, der in der Finsternis nach seinem Löffel tastete. Raito streckte die Arme aus und umarmte ihn. Ls Körper versteifte sich, seine Arme hingen widerstandslos an seiner Seite herab. Raito nahm den zuckrigen Geruch des jungen Mannes auf, grub seine Nase in seine dichten, dunklen Haare und schloss die Finger um Ls zartes Handgelenk. „Yagami-kun!“, zischte L mit bösartigem Unterton und versuchte seinen Kopf nach hinten zu drehen. „Sagtest du nicht selbst, dass du mehr willst?“, säuselte Raito leise und fuhr mit den Lippen über Ls Ohr, das er zwischen seinen dichten Haaren heraus erobert hatte. Die Reaktion kam prompt und heftig. Ls Körper spannte sich noch stärker an als zuvor. Raito erstaunte es, dass schlichte Zärtlichkeiten bei einem Menschen, der noch nie zuvor einen Menschen an sich heran gelassen hatte, so stark zuschlugen. Ein Schaudern fuhr dem jungen Mann über den Rücken, seine Hände umschlossen Raitos Arme und er löste sich aus der Umarmung, in die Raito ihn gezwungen hatte. Nervös beugte er sich nach unten und hob seinen Löffel von dem weichen Teppich auf. „Geht dir das zu schnell?“, fragte Raito unschuldig und schob die Hände in seine Hosentaschen. „Ich weiß es nicht. Ist das… bei Paaren denn normal?“ „Natürlich“, versicherte Raito und ging in der Dunkelheit wieder auf den Ermittler zu. Seine unschuldige und naive Art mit Gefühlen umzugehen zog Raito an. Seine Reaktionen auf sein Handeln waren interessant und unberechenbar. Raito amüsierte dieses neue Spiel mit seinem Feind. Er konnte L lenken, ihn in die Richtung steuern, in der er ihn haben wollte. Diese seltene Macht über den Detektiv erregte ihn. „Kyle… Wingolds?“, las Raito vorsichtig von dem Bildschirm seines Fernseher ab. „Vorbestrafter Sexualstraftäter in acht bekannten Fällen. Zweite Verhandlung beginnt heute. Das Gesicht kenn ich doch…“ Natürlich kannte er es. Raito hatte es die letzten vier Stunden auf flackernden Bildschirmen beobachtet. Das war der Mann, den L „Thomas Winchester“ genannt hatte. Wusste L davon? Raito ballte die Hände zu Fäusten. Er musste davon wissen. Es gab keine andere Erklärung dafür. Aber wenn er davon wusste, dann war das vielleicht eine Falle. Jetzt, wo Raito den richtigen Namen und das Gesicht kannte, war es ein Leichtes den Mann hinzurichten. Aber plante L, dass Kira ihn tötete? Wollte L, dass Kira Kyle Wingolds hinrichtete? Oder würde es Raito verraten, wenn er ihn umbrachte? Raito biss sich auf die Unterlippe. Dieser verfluchte L. Was sollte er tun? Raito zog die Schublade neben sich auf und starrte auf das Tagebuch, das auf dem doppelten Boden lag. Er würde ihn töten. Wenn er ihn verschonte, nur weil L ihn beobachtet, ja vielleicht sogar engagiert hatte, würde der Verdacht eher zunehmen, als wenn er ihn tötete. Raito drehte eine Miene aus seinem Kugelschreiber, schob sie von unten in ein kleines Loch im Schubladenboden und drückte das Tagebuch mitsamt der dünnen Platte, auf der es lag, nach oben. Zwischen winzigen Kabeln ruhte sein Death Note. Raito griff es heraus und schlug es auf. Die Miene, die er zum Öffnen seines Verstecks genutzt hatte, schmierte, aber das war egal. „Kyle Wingolds“ stand in der oberen rechten Ecke. Raito seufzte leise und sah wieder auf den Fernsehbildschirm. In 40 Sekunden würde es mit Ls Spielball vorbei sein. „Mister Wingolds, Sie sind angeklagt der sexuellen Nötigung an acht Frauen und Mädchen. Sie wurden im vergangenen Jahr bereits zu zweimal 15 Jahren Haft verurteilt, nun forderte die Staatsanwaltschaft Revision. Möchten Sie sich äußern?“ Doch noch ehe Kyle Wingolds den Mund öffnen konnte, zog sich seine Brust schmerzhaft zusammen. Er würgte und klammerte sich in aufkommender Panik an der Eichenholzplatte des Tisches vor ihm fest. Seine rauen Fingernägel hinterließen tiefe Spuren auf dem makellosen Holz. Speichel trat über seine Lippen und sammelte sich zu einer kleinen Pfütze, ehe der hagere Mann nach vorne kippte und reglos auf dem Tisch liegen blieb. „Kira hat ihn also hingerichtet.“ „Ja. Damit hatte ich gerechnet. Er spielt genau so, wie ich es will. Noch Tee, bitte.“ „Sehen Sie das nicht zu locker, Ryuzaki?“, fragte Yagami Soichiro besorgt. Die Ermittlungsmethoden des Schwarzhaarigen waren nicht immer nach seinem Geschmack und das war bereits der zweite Verbrecher, den L für seine Zwecke opferte. „Keineswegs, Yagami-san. Warum fragen Sie?“ „Nichts weiter. Ich kann mit Ihnen in manchen Punkten nur nicht übereinstimmen.“ „Zum Beispiel in dem Punkt, dass ich Ihren Sohn für Kira halte?“ L beobachtete die erzeugte Reaktion mit Genugtuung. Hatte Yagami Soichiro gehofft mit dem gefälschten Kira in Form von Kyle Wingolds wäre der Verdacht von seinem Sohn gefallen? Der Mann war nur ein Test gewesen. Nichts weiter als ein für ihn nützlicher Test. L konnte nicht verstehen, wie Yagami Soichiro das Unausweichliche so verdrängen konnte. Yagami Raito erfüllte die Theorien zu Kira für L eine Spur zu gut. Und doch… Der Detektiv konnte nicht sagen warum er sich in der Gegenwart des Studenten trotzdem so wohl fühlte. L trug den Schal regelmäßig, das war Raito aufgefallen. Wann immer sie sich außerhalb des Hotelzimmers trafen, erkannte Raito die dichte, schwarze Wolle um den Hals des Mannes und er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. L kam ihm vor wie ein erstmals verliebtes Mädchen. Raito legte den Arm um Ls Schultern und zog ihn näher zu sich. Eine leichte Gänsehaut schlich sich über Ls Haut und ließ ihn schaudern. Elegant duckte er sich unter Raitos Arm hinweg und ging vor ihm her. „Nicht. Nicht in der Öffentlichkeit.“ Wieder eine Öffnung zu seinem Inneren. Raito trat näher zu ihm und lief auf gleicher Höhe neben ihm her. „Ryuzaki?“ „Hm?“ „Darf ich dich… etwas… Persönliches fragen?“ Raito schaffte es seinen Körper zum Zittern zu bringen. „Fragen kannst du Alles. Ob ich dir allerdings antworte sei dahingestellt.“ „Vertraust du mir?“ Raito zog seinen Blick in Ls Augen. Die Antwort des Ermittlers zog sich. Obwohl er schwieg, konnte Raito beobachten, wie er Theorien und Aussagen sorgsam in seinem Kopf abwog, wie er nach einer befriedigenden Antwort suchte um ihm diese dann zu unterbreiten. Seine Finger rutschten über seine Lippen, sanken Sekunden später leblos an seinem Oberkörper herunter während er den Kopf wieder hob und Raito ansah. „Ja. Ich vertraue dir, Raito.“ Warum hatte er das gesagt? Im Nachhinein hätte L diese Frage nicht mehr beantworten können. Er wusste, dass es wahr war. Er vertraute Yagami Raito. Er vertraute… Kira? Ein erschreckender Gedanke. L legte die Hände auf seine Knie und lauschte den leisen Geräuschen, die aus der Küche drangen, in der Watari ein neues Rezept ausprobierte. Konnte er Yagami Raito trauen? Aber er hatte seinen Namen nicht. Kira war niemand, der eigenhändig tötete. L nippte an seinem Tee und rührte nachdenklich mit dem Zeigefinger der linken Hand in der Tasse herum. Konnte er dieses Spiel weiterspielen ohne zu verlieren? Er war sich fast sicher. So lange Yagami Raito von seinem Namen nichts wusste, würde er nicht verlieren können. Ein Sieg. Ein so verdammt einfacher Sieg. Raito lachte und lachte, bekam sich nicht mehr und schnappte nach Luft. „Er vertraut mir…“, würgte er hervor und sah zu Ryuk hoch. „Gott, wie einfach das war. Er ist so naiv, so unheimlich dumm, so…“ „Niedlich?“, grinste Ryuk und traf Raito damit an einer empfindlichen Stelle. Der Junge drehte dem Shinigami den Rücken zu und stützte seinen Kopf auf seine Arme. „Ich liebe ihn nicht“, zischte Raito leise und starrte auf seinen zugeklappten Laptop. „Und wem willst du das weismachen?“ Ryuk nervte ihn. Nicht, weil er Lügen erzählte, sondern weil der vorlaute Shinigami Recht hatte. Raito hatte es nicht wahr haben wollen, dass sich seine Gefühle für L geändert hatten. Tatsächlich war da kein tiefer Hass mehr, fast schon empfand er Sympathie für diesen verrückten jungen Mann. Er wollte ihn näher kennen lernen, diesen für ihn befremdlichen Körper erforschen, erkunden, in ihn eindringen, in seine Seele und in seinen Leib. Raito bebte und öffnete die Schublade, in der er sorgsam sein Death Note aufbewahrt hielt. „Willst du ihn immer noch töten?“ „Natürlich, Ryuk.“ Doch Raito war sich gar nicht mehr so sicher. Wollte er L töten? Oder wollte er etwas ganz anderes von seinem Feind? L schlief. Seine Augen waren geöffnet, starrten in das hell erleuchtete Zimmer, aber Raito wusste, dass er nicht wach war. Er reagierte nicht und das war selten, denn L nahm jede Regung in seinem Umfeld stets wahr und agierte auf sie wie ein Tier, das gereizt wurde. Raito ergriff die orangefarbene Decke, die neben L auf dem Sofa lag und legte sie dem Schlafenden sanft um die schmächtigen Schultern. L schnaufte leise und schloss seine Augen, sein Kopf sank auf seine Knie. Seine Aussage bezüglich des Vertrauens entsprach wohl der Wahrheit. L wusste genau, dass Raito heute Abend noch in das Hotelzimmer kommen würde und trotzdem saß er schlafend vor ihm, wachte nicht einmal auf, als Raito um das Sofa herumging und vor ihm stehen blieb. Er redete im Schlaf, wisperte leise, zusammenhanglose Worte, von denen die meisten wie ‚Kira’ klangen und zuckte im Schlaf immer wieder leicht. Raito fragte sich welche Träume ihn plagten. Er beugte sich nach vorne, stützte seine Arme neben Ls verloren wirkendem Körper ab und bewegte seinen Kopf bis auf wenige Zentimeter an Ls Gesicht heran. Warmer Atem streichelte seine Haut, er erkannte die deutlichen, dunklen Schatten, die stets unter Ls Augen wohnten, sah die strähnigen, rabenschwarzen Haare, die aus der Nähe betrachtet unendlich weich wirkten. Seine Augenlider flatterten leicht, öffneten sich aber nicht. Er wandte den Kopf zur Seite, entblößte seinen Mund und schenkte Raito ein schwaches Lächeln. Er wimmerte im Schlaf, umschloss mit den Fingern die Decke und hauchte Raito seinen eigenen Namen entgegen. „Jetzt denkst du schon im Schlaf an mich…?“, fragte Raito den Schlafenden vor sich und überbrückte die wenigen Zentimeter, die sie noch trennten. Ls Lippen waren so weich, so warm wie bei ihrem ersten Kuss. Raito versank in ihnen, sein Arm umschloss den dürren Leib des Ermittlers vor ihm, er fühlte, wie L seine Umarmung erwiderte und sich langsam, mit kindlicher Neugier, an ihn drückte. Langsam schob sich Raito zu L auf das Sofa, drückte ihn noch näher an sich und liebkoste mit den Fingern seinen Nacken. Ls Augen öffneten sich kurz nur um sich Sekunden später wieder zu schließen. Dieses Mal war es Raito, der seine Zunge auf Erkundungstour schickte. Sie lösten sich voneinander, unterbrachen somit den innigen Kontakt ihrer Lippen und sahen sich mit halbgeöffneten Augen an. Die Spannung der letzten Sekunden lag noch greifbar im Raum, als beide stumm nebeneinander saßen, einer so verlegen wie der andere, und es nicht mehr wagten, sich noch einmal anzusehen. Raito hörte wie L in leichten Stößen Luft holte. Der Ermittler lehnte sich nach hinten, an Raitos Rücken, und griff nach seiner Hand. „Das geht schnell…“ „Entschuldige. Magst du es nicht?“ „Doch. Es verunsichert mich nur.“ „Was?“ „Ich hätte nicht gedacht, dass ich an so etwas überhaupt einmal einen Gedanken verschwenden würde. Bisher war es immer so fern.“ Raito lachte leise und fuhr mit dem Daumen über die kalte Handfläche des jungen Mannes. „Du hast zu lange alleine gelebt.“ „Hm, könnte möglich sein. Ich hatte es nie vermisst. Aber seit ich dich kenne… seit ich dich so kenne… freue ich mich irgendwie darauf, dich wieder zu sehen.“ „Das freut mich, Ryuzaki.“ Raito drehte den Kopf zur Seite und hauchte dem erschöpften Mann hinter sich einen Kuss auf die Stirn. Er war ihm so vertraut geworden. Seine Nähe, die stets kleine Wellen aus Wut und Furcht durch seinen Körper geschickt hatte, löste jetzt ein angenehmes, warmes Kribbeln in ihm aus. Konnte das sein? Verliebte er sich gerade in Ryuzaki – in L? Raito schüttelte über sich selbst den Kopf und schloss die Arme um seinen – ehemaligen? – Feind. „Darf dein Vater davon wissen?“ „Wovon?“ „Dass… wir „zusammen“ sind.“ Raito grinste leicht. „Zusammen? Das hast du gesagt.“ „Der Definition nach sind wir zusammen“, gab L arglos zu und zuckte mit den Schultern. „Ja, da hast du Recht. Aber ein Zusammensein braucht Zeit.“ „Ich weiß.“ „Ich wusste, dass es du es weißt. Du hast in den letzten Tagen auch genug darüber gelesen.“ „Lesen ist die zweitbeste Möglichkeit an Informationen zu gelangen“, sagte L ruhig und drehte sich zu Raito um. „Und was ist die beste?“ „Es auszuprobieren.“ „Raito. Ryuzaki will dich heute Abend noch sehen“, sagte Yagami Soichiro, als er gerade von einer Sitzung mit L kam. Yagami Sachiko hatte das Essen gerade auf den Tisch gestellt, als sie die Worte ihres Mannes hörte. „Schon wieder? Er verlangt ihn in letzter Zeit oft.“ „Vielleicht läuft da mehr“, lachte Yagami Sayu und drehte sich auf ihrem Stuhl. „Sayu! So etwas sagt man nicht! Ryuzaki und dein Bruder arbeiten nur zusammen.“ Raito nickte angespannt. Er wollte ihn sehen? Davon hatte er am Vortag nichts gesagt. Wenn L so plötzlich nach ihm verlangte, hieß das in der Regel nichts Gutes. Das letzte Mal, dass er nach ihm verlangt hatte, hatte er ihm eröffnet, dass er Kira geschnappt habe. Und dann war es nur Thomas Winchester, der arglos vor einer Kamera umherlief und falscher Mann spielte. Aber die beiden hatten mittlerweile eine so innige Bindung. Würde L ihn wirklich noch stellen wollen? Wollte er L wirklich noch töten? Raito konnte es nicht sagen. Er zog seine Jacke, die er gerade ausgezogen hatte, wieder an und aß hastig ein paar Bissen im Stehen, ungeachtet der Protestschreie seiner Mutter. „Ich bin… irgendwann… wieder zu Hause. Ich rufe an!“ Und mit diesen Worten verließ Raito die Wohnung, trat hinaus in den eisigen Wind und bereute es erstmals L seinen Schal überlassen zu haben. Als er das Hotel erreichte, sah er an dem hohen Gebäude hoch. In den meisten Räumen brannte noch Licht, doch nur in einem Fenster erkannte Raito eine schmale, schwarze Silhouette. L hatte also auf ihn gewartet. Der Junge lachte kurz auf und stieg die wenigen Treppen zu dem Eingang hinauf, betrat den Aufzug und lehnte sich an die Wand. Was wollte L? Diese Frage hatte er sich auf dem Weg hierher immer wieder gestellt. Er würde die Antwort hoffentlich gleich erfahren. Raito strauchelte, als der Aufzug zum Halten kam. Er ging den Gang entlang, las die Nummern an den Zimmertüren gedanklich mit und stoppte vor Nummer 218. Gerade als er die Hand heben und anklopfen wollte, öffnete L von innen die Tür. Ein schwaches Lächeln lag auf seinen Lippen. „Yagami-kun. Komm doch rein.“ Das Zimmer war dunkel und Raito nahm den leichten Geruch von erloschenen Kerzen war. Eine dünne Rauchfahne hing noch in der Luft, tauchte die einzigen Lichtquellen, das weiße PowerBook G4 und eine kleine Lampe auf einem Beistelltisch, in mattes Licht. „Warum wolltest du mich sehen?“, fragte Raito leise und mit einem bewussten Ton der Unsicherheit in seiner Stimme. L zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich wollte dich gerne hier haben.“ Raito konnte seine Verwunderung nicht mehr verbergen. Diese Ehrlichkeit in Ls Stimme irritierte ihn. War das auch nur wieder ein Trick? Raito erinnerte sich an eine Situation, die schon etwas weiter zurücklag. Er hatte ihn zu sich bestellt. Raito hatte kein gutes Gefühl gehabt, als er das stickige Zimmer betrat. Am Vortag noch hatte L ihm erläutert, dass er ihn für Kira hielt und ihm eine steigende Wahrscheinlichkeitspotenz immer wieder vor Augen geführt. Der Junge hatte sich hinter dem Stuhl postiert, auf dem der Ermittler saß und langsam Donuts aß. „Wenn Yagami-kun Kira wäre, wäre ich sehr verwirrt“, hatte er gesagt und dabei über den mehligen Teig des Donuts in seinen Händen geleckt. Raito konnte sich erinnern, wie sehr ihm das Herz bis zum Halse geschlagen hatte, nachdem L mit dem ersten Teil seines Satzes zu Ende gewesen war. Ihm hatte ein „Warum?“ auf der Zunge gelegen, doch noch ehe er es aussprechen konnte, hatte L seinen Satz zu Ende geführt. „Denn Yagami-kun ist der einzige Freund, den ich je hatte.“ Sie lagen nebeneinander auf dem Sofa und redeten. Das hieß: Raito saß und L ruhte mit dem Kopf auf seinem Schoß. „Du hast mir immer noch nicht gesagt warum ich herkommen sollte, L.“ „Ich sagte doch, ich weiß es nicht. Es wirkte so leer auf mich, als du nicht hier warst. Und ich wollte dich gerne sehen. Ist das etwa falsch?“ „Nein, keineswegs“, versicherte Raito leise und strich dem Älteren über die Wange. „Es freut mich sogar etwas.“ „Dann ist gut.“ Raito schmiegte das Gesicht in die Haare des Älteren. Seine Finger schoben sich durch den Kragen unter sein Shirt und mit leichtem Schaudern berührte er die kalte Haut seines Feindes. L wandte den Kopf zur Seite, grub die Zähne leicht in Raitos Hals, tastete sich zögerlich nach oben und berührte mit den Lippen wieder Raitos Mund. Ls Inneres war heiß, so unglaublich heiß, dass Raito glaubte zu verbrennen, als er seine Zunge tiefer in Ls Mundhöhle schob und ein leises Keuchen des Ermittlers als Antwort erntete. So hilflos, so dominierend hielt sich L an ihm fest, umschloss seinen Körper mit seinen knochigen Armen, fast so, als kralle er sich an seinem Leben fest. Er wimmerte, umspielte seine Zunge mit inniger Gelassenheit und drängte sich an ihn heran. Raito schob seine Hände tief unter den weißen, weichen Stoff, der L umhüllte, liebkoste die warme Haut darunter und war erstaunt, wie leicht sich L seinen Berührungen hingab, wie sehr er sie erwiderte, ja nahezu erwartete. Waren es aufrichtige Gefühle, die der junge Mann Raito entgegen brachte oder war es lediglich seine ungeduldige Neugier, mit der er eine Seite in seinem Leben erforschte, an die er vorher keine Zeit verschwendet hatte? Ls Lippen glitten an Raitos Hals entlang, hinterließen leichte Spuren einer nicht unangenehmen Nässe und forderten Raito dazu auf, seine Zunge wieder tief in Ls Mund zu versenken. Befehlend drängte sich Raito zwischen seine Beine, öffnete sie wie die Arme einer Schere und schob sich dazwischen. L sah ihn an, ein Blick der flehend und ängstlich zugleich erschien und Raito den letzten Rest Verstand raubte, den er sich zurückgehalten hatte. Seine Berührungen waren innig, tief, verlangend und einnehmend. Ihre Kleidung lag zerknüllt und unachtsam auf dem Boden verteilt. Raito rieb seinen Körper an Ls Haut, trieb seinen Unterleib enger an den des jungen Ermittlers, suchte in seinen dunklen Augen nach einer Antwort auf eine einzige, gedachte Frage, die sich in Raitos Schädel festgefressen hatte und ihn nicht mehr losließ: ‚Darf ich?’ Doch L wandte den Kopf stets zur Seite, ließ sich von ihm berühren, streicheln, Raito fühlte seine Ekstase an seinem Bauch und dennoch erlaubte er Raito nicht sich zu nehmen, was er wollte. Die Ungeduld in seinem Inneren tobte, sagte ihm, er solle ihn einfach zwingen, doch Raito wusste, dass so eine Tat das Vertrauen zu ihm endgültig zerbrechen würde. Instinktiv suchte er weiter nach Ls Blick, richtete seine Augen nach oben, als er den jungen Mann erneut küsste und fand schließlich das stille ‚Ja’ in den tiefen Abgründen. Das Licht über ihnen spiegelte sich in dieser schwarzen Leere nicht wider, als Raito tief in L eindrang. Er besaß ihn, spürte seinen Körper unter sich, genoss die Hitze, die ihn umschloss und ihn wahnsinnig zu machen schien. Raito hörte das helle Stöhnen an seinem Ohr, konnte seine Nägel fühlen, wie sie sich unaufhaltsam ihren Weg über Raitos Rücken bahnten und dabei tiefrote Striemen hinterließen. L schlang die Arme um ihn, drückte ihn noch tiefer in sich hinein und hauchte ihm leise seinen Namen ins Ohr. Ein süßes Gefühl der Zweisamkeit überkam Raito, der Hass, der ihn stets übermannt hatte, wenn er in Ls Gesicht gesehen hatte, war verschwunden. Unendliche Befriedigung erfüllte ihn, als L sich unter ihm anspannte und sich weiße Flecken undeutlich auf seinem flachen Bauch verteilten. Raito blieb auf ihm liegen, nahm den warmen, duftenden Atem Ls unter sich an seinem Ohr wahr, lauschte dem regelmäßig pochenden Herzen unter der schneeweißen Haut. Ls Augen waren geschlossen, eine Hand an seiner Schulter, die andere auf Raitos Rücken. Erschöpft war er eingeschlafen, nicht ohne Raito zu fragen, ob sie jetzt ein Paar waren. Eine Frage, die Raito mit einem Lächeln auf den Lippen beantwortet hatte. Erstmals hatte er Ls Augen funkeln sehen, ein befriedigendes und sicheres Glänzen, eine kurze Freude in seinem unmenschlichen Leben. „Ich wusste gar nicht, dass man sich nach etwas sehnen kann, was man nie zuvor kannte…“, hatte er leise gesagt und dabei seinen Kopf an Raitos Hals gedrückt. „Man kann, wie du siehst…“, war Raitos Antwort gewesen und er hatte ihm durch die weichen Haare gestrichen. Raito richtete seinen Blick wieder auf die schlafenden Züge des jungen Mannes, so glücklich und friedlich wie er da lag, war es beinahe herzzerreißend. Der Braunhaarige richtete sich auf, stützte den Kopf nachdenklich auf seine Hand und dachte nach. Es hatte sich so vieles geändert. Raito konnte die Veränderungen immer noch nicht ganz nachvollziehen. Wann hatte er aufgehört L zu hassen? Er konnte es nicht mehr genau sagen. Irgendwo zwischen Kuchen und Küssen hatte Raito es vergessen. Aber war es nicht auch egal? Er streichelte dem Eingeschlafenen langsam über den Bauch. Dass ihm L einmal so vertraute, hätte er nicht erwartet. Der junge Schüler grinste leicht, beugte seinen Oberkörper nach unten und suchte zwischen dem angenehm kalten Stoff seiner Kleidung nach seinem Hemd. Ihn fröstelte, als er den weißen Stoff zu sich zog und langsam die blutrote Krawatte von dem Kragen löste. „Es war wirklich angenehm mit dir…“, flüsterte Raito mit gesenkter Stimme um den Schlafenden vor sich nicht zu wecken. Ls Haut war immer noch erhitzt, als Raito die Krawatte um den Hals des zierlichen Mannes legte und mit aller Kraft zuzog. Die schwarzen Augen öffneten sich, drehten sich entsetzt nach oben und flehten nach einer Antwort. Seine Finger tasteten über den Stoff um seinen Hals, versuchten ihn von seiner Haut zu ziehen. L hustete, schnappte panisch nach Luft. „R… Raito…!“ In seiner Stimme lag nackte Angst. „Du hast mir vertraut, L. Das war dein Fehler. Du hast dich mir hingegeben, dich mir geöffnet und gar nicht gemerkt wie nah die Antwort auf alle deine Fragen stets hinter dir stand.“ Ls Wangen verfärbten sich, der Sauerstoffmangel ließ sie bläulich erscheinen, seine Augäpfel drehten sich unruhig und nach einer Fluchtmöglichkeit suchend in ihren Höhlen. „Wie fühlt es sich an zu sterben, Ryuzaki?“ L liefen Tränen über die Wangen, sie verfingen sich in seinen schwarzen Haaren, bahnten sich ihren Weg über die ergraute Haut und tropften auf das Leder unter ihnen. Raito konnte fühlen, wie die Anspannung in dem Körper unter ihm nachließ, wie seine Haut mit jedem Moment, der sie des Luftmangels ausgesetzt war, kälter wurde. „Du hattest von Anfang an Recht gehabt. Ich weiß nicht, warum du von deinen anfänglichen Vermutungen abgelassen hast, wo sie doch so richtig waren.“ Ein vernichtender Sarkasmus schwang in Raitos Stimme wider als er L die Wahrheit, die Antwort auf alle Fragen, so ins Gesicht schleuderte, ihn verbal ohrfeigte und ihm seine eigene Schwäche nur zu deutlich aufzeigte. „Du hattest Recht gehabt. Ich bin Kira!“ Das Entsetzen in den kohlengleichen, toten Augen versiegte. L fixierte einen Punkt irgendwo über seinem schneeweißen Laptop, auf dessen Bildschirm eine geöffnete Akte über Raito Yagami prangte. Raito löste seine Krawatte von dem leblosen Hals und band sie sich um. Er hauchte L einen letzten, trockenen Kuss auf die noch warmen Lippen und erhob sich. „Sayonara, Ryuzaki.“ Das Schloss der Hotelzimmertür hinterließ ein schwingendes, klirrendes Geräusch, wie ein zugefrorener See, auf den man langsam trat, wie Knochen, die mit einem makaberen Aufschrei zerbrachen. „Du hattest so Recht gehabt.“ Nachwort: Serie: Death Note Pairing: Raito x L Charaktere: Raito & L Genre: Death, Sad, Lime, Romantik, Darkfic Disclaimer: Leider nicht mir, sonst hätten Raito und L eine andere Beziehung Erklärung: So. Richtig. Diese Angaben fehlen im Vorwort, weil sie das überraschende Ende vornweg genommen hätten. Ich wollte Ls Tod wie eine Ohrfeige auf den Leser einwirken lassen und ich hoffe, das ist mir gelungen. Nonsens: Thomas Winchester ist Niemand, ein toter Name, den ich einfach für die Fanfic brauchte. Hm. Ich kann den OOC-Gehalt nicht einschätzen. L lässt nie wirklich Gefühle zu, zeigt sie kaum nach außen und besonders was Liebe angeht ist er ahnungsloser als ein Neugeborenes. Hier ist er leider eine Spur zu naiv. Schande über mich *in Ecke stell und schämen geh* Nachtrag: „Faith“ wuchs um 5 Seiten. Es sind Teile aus Ls Sicht eingeflossen, ich bin näher auf „Thomas Winchester“ eingegangen und hoffe, der OOC-Gehalt, beziehungsweise Ls naive Art, ist nun ein wenig besser erklärt. Die Absätze reden ziemlich aneinander vorbei, das liegt daran, dass ein Teil rein aus Raitos Sicht, also wie er die Situation aufnimmt und der andere Teil komplett aus Ls Sicht ist. Das ist Absicht, damit man beide Eindrücke nachvollziehen und beobachten kann, das Hauptaugenmerk liegt dabei aber natürlich weiterhin auf Raito. Viele haben gefragt, wie Raito aus dieser Affäre rauskommen soll. Hier wird es erklärt. Dieser Teil gehört nicht mehr explizit zu „Faith“. Es ist 23:58 Uhr. Raito legt den Kopf langsam auf seinen Schreibtisch und wirft erneut einen Blick auf die beschriebenen Seiten des Death Notes vor ihm. Seit 6 Stunden ist L tot. Raito weiß, dass er es war, der diesem zerbrechlichen Körper das Leben geraubt hat. Er war es, der dem Ermittler, dem Feind, dem Geliebten, die Krawatte um den Hals gelegt und zugezogen hat. Wieder liest sich Raito die handgeschriebenen Zeilen durch: „Watsuki, Hideaki Selbstmord Verstirbt am 28.02.200X um 22:21 Uhr in Folge von Strangulation. Geht am selben Tag nach der Universität um 19:00 Uhr in das Hotel „Polar Star“ und betritt dort Zimmer Nummer 218. Legt der dort befindlichen Leiche seine Krawatte um den Hals und zieht zu. Wird gegen 20:00 von der Sonderkommission festgenommen und befragt. Gesteht den Mord aus Neid an der im Raum befindlichen Leiche und wird inhaftiert.“ Er erinnert sich. Es war kurz vor 19:00 Uhr, als Raito das Hotelzimmer verlassen hat. Er hat gewusst, dass in den Fluren Überwachungskameras hingen, hat gewusst, dass diese Kameras ihn sowohl beim Betreten als auch beim Verlassen des Zimmers gefilmt haben mussten. Aber das war kein Hindernis gewesen. Direkt nach der Tat hat er sich mit dem Bus auf dem Weg nach Hause gemacht und noch während der Fahrt den Eintrag verfasst. Das Opfer war ein Mitstudent an der Universität gewesen, kein guter Schüler und sein Neid auf ihn und Ryuuga war kein Geheimnis gewesen. Natürlich hat sein Vater ihm geglaubt, als er ihn verheult und zitternd von seinem Handy aus anrief. Natürlich wird niemand den herausragenden Yagami Raito, den Freund von L, als Mörder verdächtigen. Natürlich wird er wieder nicht gestellt werden können. Raito lehnt sich langsam zurück, verschränkt die Arme hinter seinem Kopf und sieht auf die rote Krawatte, die auf dem Bett liegt. Neben ihr liegt der schwarze Schal. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)