Summer in Konoha von abgemeldet (NejiTen, ShikaIno, NaruHina) ================================================================================ Kapitel 13: Mit dem Kopf durch die Wand --------------------------------------- "Du sollst heiraten. Hiashi-sama hat ein miai für Anfang des nächsten Monats vereinbart." Hinata schnappte nach Luft. Ihre Kehle schnürte sich zu, und ihre Sicht verschwamm. Nächsten Monat schon? Das waren gerade mal zweieinhalb Wochen! Und wenn das miai bereits geplant war, konnte sie ihrem Vater Naruto nicht mehr vorstellen! Ihre gesamten Zukunftshoffnungen stürzten unter lautem Klirren in sich zusammen. Hinata atmete zitternd durch. Durch den Tränenschleier konnte sie Neji kaum erkennen und glaubte für einen Sekundenbruchteil, seinen Onkel vor sich zu haben. Wie konnte er ihr das antun? Wie konnte er so grausam sein, ihr soziales Leben quasi jetzt schon zu beenden? Warum hatte er es ihr nicht mal persönlich gesagt, sondern kurzerhand Neji damit beauftragt? Wortlos drehte sie sich um und stürmte in den Wald. Ihre antrainierten Fähigkeiten bewahrten sie davor, mit irgendetwas zu kollidieren, denn ihre Augen waren praktisch blind. In einem irrwitzigen Tempo rannte sie weiter, die Hände vor den Mund gepresst. Sie hatte gerade Anschluss ans Leben gefunden, hatte sich mühsam das aufgebaut, mit dem andere Menschen von Geburt an gesegnet waren, und Hiashi... machte ihr das einfach kaputt, indem er ein miai einleitete, ohne ihr ein Wort davon mitzuteilen! "Neji Hyuga, wie kannst du es wagen?!" Tenten sah gefährlich aus. Genaugenommen wie jemand kurz vor einem Mord. Naruto konnte den Kodex der Kunoichi nicht kennen (wahrscheinlich hatte nicht mal ein Musterschüler wie Sasuke sich die Mühe gemacht, sich die Regeln eines weiblichen Wesens einzuprägen), und ein besonders wichtiger Paragraph lautete: Lege nie alle deine Waffen ab. Wenn man nicht über Bluterbe oder Kekkai Genkai verfügte, nahm man sich das besonders zu Herzen. Und da die Aussicht Tenten nicht behagte, sich auf einen Nahkampf mit Neji einzulassen (um ihre Tenketsu zu versiegeln, brauchte er immer noch Körperkontakt), verlieh ihr das besonderen Enthusiasmus. Mit einer Hand versicherte sie sich, dass ihr Handtuch keinen Millimeter verrutschte, mit der anderen langte sie hinter ihren Rücken. Es war keine Überraschung, was jetzt kam. Mit was auch immer sie nach ihm werfen würde, es würde sehr, sehr schmerzhaft werden. Und damit würde er höchstwahrscheinlich auffliegen. Woher konnte er ahnen, dass sie selbst auf Neji so losging?! Ino und ihre dämlichen Theorien! Strategischer Rückzug. Sofort. Sonst würde er gleich einem nicht zu verachtenden Hagel von Stiletten ausgesetzt sein, die er sicherlich nicht abblocken konnte. Er schenkte Tenten die Andeutung eines herablassenden Lächelns und katapultierte sich in einer Wolke aus lavendelfarbenem Rauch in die Baumkronen. Dort löste er erleichtert die Verwandlung. Er, Naruto, hatte diese Furie überlebt! Und das ohne einen Kratzer, das hätte nicht mal Sasuke geschafft. Schade, dass er darüber Stillschweigen bewahren musste. Kichernd über seinen gelungenen Streich machte Naruto sich auf den Rückweg. Irgendwo musste Hinata schließlich sein. Tenten hielt es für besser, Neji nicht zu verfolgen. Diesmal hatte er keine Auffälligkeiten gezeigt... Was es nicht besser machte. Wofür hielt der sich?! Und vor allem, wofür hielt er sie?! Nachdem sich der erste Zorn abgekühlt hatte, zog sie sich wieder an und steckte ihre nassen Haare auf. Ob ihre Kleidung klamm wurde, war ihr dabei völlig egal. Es wurde Zeit, Grenzen zu setzen. Neji bildete sich tatsächlich etwas darauf ein, dass sie seinen Sonnenbrand versorgt hatte, und fand nun, er könnte sich ihr gegenüber alles herausnehmen. Da würde er eines Besseren belehrt werden müssen, und das so schnell wie möglich! Hastig packte sie ihre Sachen zusammen. Mit dem Bambuseimer unter dem Arm setzte sie sich in Bewegung. Ganz ruhig, keine unnötige Energie verschwenden. Die würde sie noch brauchen. Neji, dieser billige Playboy! Der konnte etwas erleben! Der Meinung war Inoichi ebenfalls, wenn auch mehr auf Shikamaru Nara bezogen. Seine Erscheinung schien die Sonne zu verdunkeln, obwohl er nur wenig größer als der Durchschnitt war. Diese paar Zentimeter machten plötzlich eine ganze Menge aus. "Oh... Papa (englische Anredesuffixe im ersten Kapitel, also macht das hier auch keinen Unterschied mehr)!" Inoichi beachtete seine Tochter gar nicht. "Shikamaru Nara, wie kannst du es wagen, ein unschuldiges Mädchen so auszunutzen?!" Shikamaru hätte fast gelacht. Zum ersten Mal war er froh, dass seine Gesichtsmuskeln unter dieser Creme erstarrt waren, denn Inoichi hätte das sicherlich nicht gut aufgenommen. Shikamaru war sehr intelligent, doch selbst in einem Intelligenzquotient von über 200 fand sich nichts, was man bei verdrehten Tatsachen einem zornentbrannten, schutzbesessenen Vater entgegenzusetzen hatte. Ganz davon ab, dass Inoichi ihm nie abkaufen würde, das alles wären Inos Ränke. Und er bezweifelte, dass sie selbstlos genug war, um ihn vor dem besagten Vater zu retten und sich damit diverse Wochen Hausarrest einzuhandeln. 'Unschuldiges Mädchen ausnutzen'... Hatte dieser Mann immer noch nicht begriffen, dass das für Ino keine Beschreibung war?! "Ich hatte nicht vor, sie in irgendeiner Weise-" "Du hast eine Minute für eine bessere Ausrede. Ino-chan, was ist das für ein... fürchterlicher Aufzug?!" Mit gewissem Erstaunen bemerkte Shikamaru, dass Ino verschämt ihren Ausschnitt hochzog, der beim Vorbeugen ein Stück heruntergerutscht war. Und er hatte gedacht, der Mann, der Ino wegen ihrer freizügigen Mode in Verlegenheit bringen konnte, erst noch geboren werden müsste. "Das ist nicht... also... es ist ein Geschenk von-" "Unsinn, deine Mutter würde das niemals tragen und erstrecht nicht dich dazu ermutigen, dich so zu kleiden!" Inos Brauen spannten sich ärgerlich, trotzdem erwiderte sie nichts. Inoichi sah sie damit als zurechtgewiesen an und konzentrierte sich wieder auf Shikamaru, der sich inzwischen aufgesetzt hatte. "So... Und nun noch einmal. Was gedachtest du hier mit meiner Tochter zu tun?" Das Oberhaupt der Yamanaka hatte sich vom schlimmsten Schock erholt. Es bestand eine gewisse Chance, ihn mit Vernunft überzeugen zu können, dass er gar nichts mit Ino vorgehabt hatte, dass er außer Schlafen eigentlich gar nichts vorhatte und dass wenn irgendjemand etwas vorhatte, war es Ino. Ob mit ihm oder einem unsäglichen Sasuke Uchiha, war dabei relativ unerheblich. Die Argumentation wäre einfacher gewesen, wenn Ino ihn nicht überredet hätte, sein Oberteil auszuziehen. Den Fehler würde er nie wieder machen. "Ino hatte die brillante Idee, den altersgemäßen Verfall meiner Haut aufhalten zu wollen. Und ursprünglich hätte sie ein Zelt für sich gehabt, deshalb..." Inoichis entsetzter Blick klärte ihn nachträglich darüber auf, dass es dämlich gewesen war, seinen Zorn auf Ino abmindern zu wollen. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, ihm davon zu erzählen, dass hier pubertierende Teenager zusammen in Zelte gestopft wurden. Großartig, Verhandlungen aufgrund eines Ausrutschers des Diplomaten gescheitert. Einige Sekunden passierte nichts, denn in diesem Zeitraum strengte Inoichi sein präzises Erinnerungsvermögen an. Spezifisch, wen von Inos Bekannten er in den letzten Tagen gesehen hatte und wen nicht. Und dem Glück nach, das Shikamaru in letzter Zeit hatte, gehörte Sasuke zufällig nicht dazu. "Ino-chan, du trittst die Ehre unseres Clans mit Füßen..." "Ich trete niemandem irgendwohin! Ich helfe der Sache auf die Sprünge!" Ino sprang auf und warf sich energisch ihr Haar über die Schulter. Es hatte nicht gut gehen können... Dieses unverbesserliche Yamanaka-Gen schien bei jedem Clanangehörigen vorhanden zu sein. "Hinata liebt Naruto, was ist demnach falsch daran, ihr einen Schubs in die richtige Richtung zu geben?!" Vor Inoichis Augen entstand das Bild der schüchternen, wohlerzogenen Hinata. Da war eine ganze Menge falsch! Das arme Mädchen hatte keinen verdient, dessen Ruf im ganzen Dorf dermaßen schlecht war! "Und Neji und Tenten bringen sich bald gegenseitig um, wenn niemand etwas unternimmt." Neji, das Genie des Hyuga-Clans, und ein fremdes Mädchen, dessen Vater nicht mal offiziell bestimmt war und dessen Mutter die meiste Zeit eh nicht zu Hause war (die Informationen hatte er von seiner Frau, weil Tentens Mutter keinen Hehl daraus machte). Nur, weil die Herkünfte so verschieden waren, gab es keinen Grund, warum Ino ausgerechnet die beiden zusammenbringen wollte. "Und Shikamaru und ich... Das ist eine lange Geschichte." Ino zuckte mit den Schultern und klopfte sich das Gras von der Kleidung. Inoichi atmete tief ein. "Und ich will sie nicht hören. Auf nach Hause, junge Dame." "Das kannst du nicht machen!", fauchte seine Tochter prompt. In ihrer Stimme klangen gleichermaßen Erschrecken und Wut mit. Das Ganze artete in einen Streit zwischen väterlicher Autorität und töchterlicher Rebellion aus, und Shikamaru war nicht scharf darauf, Linienrichter dabei zu sein. Die beiden Yamanaka funkelten sich unnachgiebig an, nicht willens, von ihren Forderungen im geringsten abzuweichen. Na klasse. In Ermangelung eines anderen wurde der Diplomat zurück ins Leben gerufen. "Ich denke nicht, dass hier irgendeinem von uns etwas angetan wird, das er nicht will... Und das Camping wird sich nicht mehr lange hinziehen. Wir können schließlich nicht ewig hier bleiben." Das Erste war eine hoffnungsfrohe These, denn es gab keine Garantie, dass Neji und Tenten nicht tatsächlich bald aufeinander losgingen, obwohl sie heute noch keine extremen Trainingseinheiten hinter sich gebracht hatten. Das Zweite war eine Tatsache, denn besonders ihn würde Tsunade am Kragen zurück in den Dienst schleifen. Und keine Mission dieser Welt konnte mühsamer sein als Ino. Ebenfalls eine Tatsache. "Oh... Bitte, Papa! So bald sehe ich die anderen nicht mehr zusammen, und wenn du sie besser kennen würdest, wärst du auch nicht so kritisch." Gott sei Dank hatte Ino begriffen, dass sie mit ihrem Dickkopf nicht gegen den ihres Vaters ankam. Dafür schlug die Nummer mit seiner geliebten, einzigen Tochter mit ihren flehenden blauen Augen umso besser an. Anbei war Inoichi ohnehin davon überzeugt, dass Hinata ein tadelloses Mädchen war, das keine Kritik verdient hatte. Inoichi seufzte und beäugte sie nachsichtig. "Alles, was du bisher angeschleppt hast, hat nicht gehalten." Oder Sasuke und Sakura, denn Ino war zwar beliebt, hatte aber aufgehört, sich auf innigere Freundschaften einzulassen. Sein Misstrauen war Inoichi nicht zu verübeln. Ino nickte niedergeschlagen, und diesmal war Shikamaru sicher, dass es nicht mehr gespielt war. "Das werde ich nicht wieder erlauben." Erneutes Nicken. "Versprichst du mir, dass du damit nicht weitermachst, wenn du wiederkommst?" Drittes Nicken. Inoichi maß seine Tochter mit einem langen Blick und tätschelte ihr die Wange. "In Ordnung... Noch für ein paar Tage. Mach' deiner Mutter keine Schande." Viertes Nicken. Einen Sekundenbruchteil später war Inoichi verschwunden, und Ino starrte verdrossen auf das plattgetretene Gras. Shikamaru hatte das Bedürfnis, irgendetwas Tröstendes zu sagen, ohne zu wissen, warum sie jetzt Trost brauchen sollte. Ihr Vater hatte ihr verboten, mit Jungen zu flirten, weil er vermutlich davon ausging, dass sie ihm nicht die volle Anwesendenzahl genannt hatte. Und es war nicht so, als hätte er sie bei etwas gestört. Nicht wirklich... Inos Tiefphase hielt nicht lange an. Sie schnappte sich ihre Utensilien und pustete sich ihre Ponysträhne aus der Stirn. "Und nun musst du das abwaschen. Du hast fünf Minuten... Und wehe, du kommst zu spät zum Frühstück!" Damit stapfte sie durch das feuchte Gras und summte beschwingt vor sich hin. Shikamaru kratzte sich gedankenverloren an der wachsartigen Cremeschicht über seiner Nase. Gütiger Himmel, sie benahm sich, als wären sie verheiratet... Exakt sieben Minuten später hatte Ino alle außer Hinata zusammengetrommelt. Naruto hatte ausnehmend gute Laune, Tenten war unheimlich still, und Neji wirkte ein wenig bedrückt. Daraufhin brach Tenten bereitwillig ihr Schweigen. "Was ist los, Hyuga, ein schlechtes Horoskop für heute?" Ihr schnippisch-lauernder Unterton brachte ihr von allen außer Neji einen mehr oder weniger erstaunten Blick ein – aus verschiedenen Gründen. Ino hatte Decken ausgelegt und Tee gekocht, und sie saßen um einen provisorischen Tisch herum. Tenten saß neben Neji und beobachtete ihn finster aus den Augenwinkeln. Neji beachtete sie gar nicht. "Ich rede mit dir, oder hörst du nicht zu, weil du schon alles hast, was du wolltest?" Mit der Ungeduld eines genervten Ehemanns drehte Neji ihr den Kopf zu, um ihr zu veranschaulichen, wie gleichgültig ihm ihre weiblichen Stimmungsschwankungen waren. Zumindest empfand Shikamaru das so. Er sollte endlich aufhören, ständig Ehegleichnisse aufzufahren. Inos Schuld, sie färbte auf ihn ab. Neji war in der Tat ungeduldig, scherte sich jedoch nicht um Tentens Laune. Hinata konnte Dummheiten anstellen, wenn sie allein war, und gleichzeitig wollte er nicht, dass sich die anderen nochmals in Familienangelegenheiten einmischten. "Wo ist Hinata?" Ino überging Tentens streitsuchende Fragen und sah Naruto prüfend an. Wenn er ihr Gutenachtgeschichten von ihm, Sakura und dem bösen Drachen Sasuke erzählt hatte, würde sie es nicht bei einem Tritt ins Gebüsch bewenden lassen. "Keine Ahnung. Sie war schon weg..." "Dann suche ich sie. Ich hab keinen Hunger." Den letzten Satz betonte Tenten scharf und erhob sich, wobei sie sich übertrieben ihre Sachen abklopfte. Hunger hatte sie zwar schon, da sie gestern das Abendessen gewissermaßen ausgelassen hatte, aber genau wie ihre Waffenausrüstung hatte sie auch Hyorogan bei sich. Das Essen neben Neji konnte sie sich also ersparen. "Nein." Genannter war mit einem Satz auf den Beinen, und sein Einwand war verglichen mit seiner sonstigen, unerschütterlichen Ruhe viel zu hastig. Tenten zog eine verächtliche Grimasse. "Wir sind nicht im Dienst, Hyuga, folglich ist mir völlig egal, was dir nicht passt." Damit marschierte sie auf den Waldrand zu. Neji wartete mit versteinerter Miene, bis sie außer Hörweite war, und holte ohne erkennbare Anstrengung auf. Es fehlte ihm gerade noch, dass Ino sich mit ihren Liebesweisheiten einmischte und Naruto die Szene mit seinem dümmlich-schadenfrohen Gekicher untermalte. Was war schon wieder in dieses Mädchen gefahren, sich so aufzuführen?! Neji packte die Braunhaarige am Oberarm und hinderte sie so daran, ihren Weg fortzusetzen. Tenten wirbelte herum und funkelte ihn wütend an. "Was willst du noch?!" "Du gehst nicht." Sie schnaubte und versuchte, sich aus seinem Griff zu winden. "Hast du es noch nicht kapiert?! Deine Meinung interessiert mich einen Dreck!" Neji sog leise die Luft durch die zusammengebissenen Zähne ein. Dieses unmögliche Biest... "Es geht mir gerade wirklich nicht um dich." Logisch müsste sie daraus schließen, dass er sich um Hinata Sorgen machte. Zu so viel rationalem Denken war sie für gewöhnlich fähig. Heute schien das anders zu sein. Sie starrte ihn für einen Moment an, als hätte er etwas ganz und gar Undenkbares gesagt. Der Zustand hielt nicht lange an. Ihre Wangen röteten sich vor Zorn, und ihre Kiefer knirschten mahlend aufeinander. "Natürlich geht es nicht um mich, denn für dich geht es nie um mich, Neji Hyuga. Und nachdem du deinen pubertierenden Ego befriedigt hast, ist ja wieder alles in bester Ordnung." Sie riss erneut an ihrem Arm und zwang ihn so dazu, noch fester zuzufassen. "Und außerdem tust du mir weh, lass mich los!" Wovon faselte sie da?! Es war Tentens Art, ihrem Missfallen an Ort und Stelle Luft zu machen, nicht irgendwann später, was sie heute Morgen nicht getan hatte. Darüber hinaus hatte sie seit ihrer gesamten Teamzeit nie zugegeben, dass er ihr wehtat. Lieber hätte sie sich die Zunge abgebissen. Wenn sie in Rage war, schaltete sie erfahrungsgemäß die Ohren auf Durchzug. Da war nichts zu wollen, und Neji wollte sowieso nichts. Kommentarlos löste er seine Finger von den roten Druckstellen und aktivierte sein Byakugan. Je weniger Zeit er verlor, seine Cousine zu finden, desto weniger ungeahnte Unfälle konnten ihr geschehen. Außerdem hatte er das Bedürfnis, im Training zu bleiben. Und sei es, statt Singvögeln herzgebrochene Mädchen zu orten. "Hey, ich bin nicht fertig!" Tenten schloss mit weit ausgreifenden Schritten auf und baute sich vor ihm auf. Ihre Herzfrequenz war unnatürlich hoch, und außer ihrer Mimik deutete auch das auf starke emotionale Erregung hin. Sie fing an, ihn zu nerven. Jede noch so mittelklassige Kunoichi sollte begreifen, wann sie seine Zeit mit privaten Gesprächen verschwenden konnte und wann nicht. Tentens Kinn zitterte leicht, sie spuckte ihre Worte förmlich aus. "Entschuldige... Entschuldige dich wenigstens!" Ihr brüchiger Ton ließ vermuten, dass sie gerade dabei war, allen Glauben in ihn zu verlieren. Nur war Neji nicht in der Stimmung, zugunsten der Teamharmonie auf ihr sinnloses Geplänkel einzugehen. "Ich wüsste nicht, wofür.", sagte er gereizt. Das Zittern breitete sich tiefer auf Tentens Schultern aus. "Du findest das nicht weiter wichtig, und du hast keine Ahnung, was es für ein Mädchen bedeutet... so behandelt zu werden!" Bei ihrer Lautstärke würden die anderen sie womöglich noch hören. Zeit, an ihre Vernunft zu appellieren. Neji kannte sich mit der menschlichen Psyche aus, doch in keinem Lehrbuch stand geschrieben, dass es in diesem speziellen Fall das denkbar und in jeder Hinsicht Schlechteste war, das er tun konnte. "Nein, ich habe keine Ahnung und keine Zeit obendrein. Warum lädst du dein Trauma nicht auf ein Mädchen ab, wenn das die bessere Alternative ist?" Ein absolut plausibler Satz. Ohne die gewünschte Wirkung. Tenten packte ihn vorne am T-Shirt, ohne weitere Angriffsmaßnahmen zu treffen oder ihn wegzustoßen. Ihr Arm zitterte unter der Anspannung jedes Muskels. Sie starrte ihn unverwandt an und schien auf etwas zu warten. Nejis Bewusstsein weigerte sich dagegen. Er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen, und eine Entschuldigung würde alles bloß schlimmer machen. Schließlich hatte er nichts getan. Mit diesen Argumenten tötete sein rationaler Geist unerbittlich die Versuchung ab, ihrer Aufforderung wirklich nachzukommen. Hiashi hatte sich auch bei ihm entschuldigt, und das auf Knien. Obwohl er keine Schuld daran trug, dass er einen Zwillingsbruder hatte, der nicht dieselben Rechte wie er besaß und sterben musste. Er hätte ewig so weitermachen können und er hatte es nicht. Tentens flehende Augen hatten eine unheimliche Ähnlichkeit mit damals. "Es hat dich heute Morgen also nicht gekümmert, weil du dachtest, ich könnte zurückgehen und eine solche Demütigung einfach... abladen?" Sie sprach tonlos, ihre Stimme bebte. Demütigung? Heute Morgen? Welcher Art von Halluzination war sie zum Opfer gefallen?! "Aber Neji-san war heute Morgen nicht weg." Hinata tauchte zwischen den Bäumen auf. Sie war weiß im Gesicht, wirkte jedoch eigenartig gesammelt und ruhig. Tenten sah sie an und aus den Augenwinkeln zu Neji. Ihre Hand löste sich langsam und fiel zurück an ihre Seite. Beide Gliedmaßen pendelten hilflos umher. Neji hatte noch nie erlebt, dass Tenten so mit den Tränen kämpfte. Sicher, es kam hin und wieder, dass ihr etwas in die Augen fiel oder ein bestimmtes Schmerzempfinden Tränenfluss auslöste. Und es war nicht so, als hätte sie noch nie mit schwierigen Situationen zu kämpfen gehabt. Andere Mädchen mit dem ähnlichen Enthusiasmus fingen schon mal an zu weinen, wenn ihr Meister sie nicht beim ersten Mal nur Chu-nin-Prüfung zuließ. Tenten hatte das unter Kontrolle. Normalerweise. Mit den ungeschickten Bewegungen einer neuen Marionette ging sie an ihm vorbei, zurück zu den anderen. Selbst jetzt dämpfte sie ihre Impulse und rannte nicht wie eine Besessene davon. Neji spürte ein uncharakteristisches Maß an Respekt. Mehr noch. Es war ihm fast unangenehm, sie so zu sehen. Nicht auf die Art unangenehm, dass es ihm peinlich gewesen wäre, wie sehr sie sich verrannt hatte. Mehr so, dass ihrer fassungslosen Miene eine gewisse Trauer innewohnte, die ihn mehr berührte als dieser legendäre Kniefall. "Hinata!" Mit offenkundiger Begeisterung sprang Naruto auf und brachte Ino damit dazu, beinahe die Teekanne fallen zu lassen. Shikamarus schneller Reaktion war es zu verdanken, dass das heiße Tongefäß ihr nicht in den Schoß fiel. Shikamaru seufzte und stellte sie zurück auf den provisorischen Tisch. "Du bist eine hoffnungslose Hausfrau." "Die Bezeichnung 'Hausfrau' ist der erste Schritt zur völligen Entemanzipierung und somit zur modernen Leibeigenschaft." Ino grinste und nahm dabei missbilligend zur Kenntnis, dass Naruto um Hinata herumsprang wie ein junger Hund. Wenn Liebe keine Berge versetzen könnte, würde Naruto wohl nie eine Freundin abkriegen. Tenten kam neben ihr zum Stehen. Ihre Fingernägel schnitten kleine Halbmonde in ihre Handinnenfläche. Shikamaru brauchte kein Feingefühl, um ihren katastrophalen inneren Zustand zu umreißen. Gut, das Frauengespräch war Inos Sache und er hielt sich nur allzu bereitwillig da raus. "Morgen, Tenten. Setz dich!" Tat sie lediglich so oder waren ihr diese unmissverständlichen Anzeichen äußerster Aufgewühltheit entgangen? Tenten reagierte jedenfalls nicht darauf. "Tut mir leid. Ich gehe. Sofort." Ino sah sie verständnislos an. Aus heiterem Himmel wurden solche Töne angeschlagen? Dabei war alles gerade in bester Ordnung... Tenten hatte offenbar nicht die Absicht, sich Fragen stellen zu lassen. Mit einer Entgültigkeit, die nicht mal mit einer Feuerwand aufzuhalten war, kehrte sie zu ihrem Zelt zurück. Und was sie damit tun würde, war nicht allzu schwer zu erraten. Naruto war nicht allzu interessiert an Nejis möglicherweise nicht existenter Liebe zu seiner Kameradin, doch Hinata war die Bestürzung anzusehen, darüber hinaus waren ihre Augenränder verräterisch rot. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihm ihr Herz ausschüttete, rangierte irgendwo neben der, dass gleich die kleine Waldfee Sasuke auftauchte und mit einem Schwung ihres Zauberstabs alles ins Lot brachte (Gott sei Dank bin ich kein Profi, da kann ich mir Ausrutscher leisten). Keine Chance, das musste Tenten sein. Zur Not Ino, doch auch die schien eine ganze Menge Enthusiasmus zu verlieren, da ihre Freundin das Camping plötzlich abbrach. Und er war Schuld. Er konnte zwei Dinge tun. Sich heroisch Tenten entgegenwerfen und alles gestehen. Sie würde ihn in der Luft zerreißen und gehen. Diese Möglichkeit wollte er lieber nicht in Betracht ziehen. Oder er konnte Neji dazu bringen, die Initiative zu ergreifen, das rettete die Situation vielleicht noch... und ihn, Naruto, gleich mit. Naruto musste sich das nicht lange überlegen. Ring frei für die kleine Waldfee Neji. Mit der Miene eines unbeteiligten Beobachters schlenderte er zu Neji herüber, der ausdruckslos Hinata beobachtete. Naruto schob sich diskret zwischen die zukünftige Waldfee und seine/ihre Cousine. "Was ist'n mit der?", fragte er unbefangen und tat, als würde er Tenten meinen. Eigentlich hielt er das bei Hinata für dringender, denn Tenten und er hatten kaum miteinander zu tun. Na ja, konnte noch alles werden. "Unerheblich." Welch elegante Alternative zum 'Weiß ich nicht'. Wahrhaft Neji. Naruto verschränkte lässig die Arme hinter dem Kopf und betrachtete mit gespielter Beiläufigkeit das Gras. "Oh, du hast Glück, dass ich es weiß..." Das grimmige Funkeln ignorierte er gekonnt. Sasuke härtete gegen Derartiges ab. "Sagen wir mal – habe ich vor kurzem von jemandem gehört – dass sie heute früh Baden war und dabei... nicht so ganz allein war..." Neji musterte jetzt ebenfalls das Gras, als gäbe es nichts Erstaunlicheres. "Dieser Jemand hat sie wohl für ein anderes Mädchen gehalten... Nicht, dass das verwunderlich wäre, die beiden sehen sich zum Verwechseln ähnlich, und mal ehrlich, man kann sie aus dieser Distanz beim besten Willen nicht unterscheiden..." "Komm zum Punkt." Es hätte Naruto nicht überrascht, wenn das Gras gleich unter Nejis intensiven Blicken errötete. "Oh, nun ja, er wollte natürlich gehen – gehört sich schließlich nicht, badende Mädchen zu bespannen – und als sie ihn entdeckte..." Er rieb sich den Nacken und legte eine Künstlerpause ein. Welch erhebendes Gefühl, dass Neji ihn geradezu anflehen würde, weiter zu erzählen... Wenn er selbst nicht gleich darum flehen musste, nicht gemeuchelt zu werden, denn bei näherem Überlegen war seine Strategie nicht ganz so genial und ein ganz kleines bisschen abgedroschen. Half alles nichts mehr. Eins, zwei, drei, Oberkörper frei... oder so ähnlich. "Tja, er wollte noch etwas weiterleben und hat sich da in dich verwandelt, weil du... äh, weil sie so wahnsinnig in dich verschossen ist, was man in letzter Zeit besonders merkte... Weil dieser Jemand nichts von ihr wollte, war sie allerdings sehr enttäuscht, und deshalb ist sie nicht so gut auf dich zu sprechen..." Anstatt diese Begründung mit einer tiefpsychologischen These zu widerlegen, ließ Neji das Gras nicht aus den Augen, als stände da seine Zukunft geschrieben. Herrje, Naruto hatte diese Esoterik-Freaks nie gemocht, und bevor Neji gleich seine Tarotkarten auspackte oder die nächstbeste Blume in ihre Einzelteile zerlegte, verpasste er ihm einen kumpelhaften Schubs in die richtige Richtung. Mehr oder weniger kumpelhaft, denn solange niemand Nejis alteingesessene Prinzipien lahm legte, wollte Naruto nicht näher mit ihm bekannt werden. "Tu's für Hinata-chan..." Neji belohnte ihn mit einem warnenden Blick, die zukünftige Stammhalterin nicht so vertraulich zu nennen. Der Ausdruck verschwand wieder, von dem Naruto nicht wissen konnte, dass es ein Zugeständnis an die wenige Zeit war, die Hinata noch blieb, um so etwas wie ein normales Leben zu führen. Dann wandte Neji sich ab und fing hoffentlich an, seine wahre Berufung anzunehmen... Was auch immer sie war. Unaufhörlich murmelte Tenten ein Mantra lästerlicher Flüche vor sich hin, die selbst einen gestandenen Seemann verlegen gemacht hätten. Nur leider floss ihre Wut viel zu langsam ab, und selbst, wenn diese verraucht war – bittere Gefühle würden auf jeden Fall zurückbleiben. Wie ironisch. Sie hatte soeben entdeckt, dass sie Nejis kühle Antworten nicht mal zum Anstoß brauchte, um unter ihm zu leiden – dass war so, als würde sie in ein fremdes Messer fassen, ganz einfach, weil sie vergessen hatte, dass es scharf war. Und durch den beißenden Spott sah sie bemerkenswert klar. Sie war nicht über Neji 'hinweg', war es nie gewesen, und was sie ihm gegenüber empfand, das war nicht simpler Teamgeist, Bewunderung oder Respekt, das war die wahre Liebe, wie sie leibte und lebte. Also die schlimmste Mixtur aus alledem. Sie hatte ihre Zeit quasi damit verschwendet, dieser Tatsache auszuweichen. Wenn man sich selbst für ambitioniert und zäh hielt, war es natürlich leicht. Wenn sie so stark wie die legendäre Tsunade war, würde Neji zu ihr aufschauen. Wenn sie als Kunoichi Karriere machte, vielleicht sogar bis in die Anbu, würde sie mit Neji zusammenbleiben können. Und wenn sie die Sterne beobachtete und merkte, dass zufällig eine Sternschnuppe übers Firmament schoss oder die Venus bei Vollmond besonders gut zu sehen war, würde Neji sich irgendwann in sie verlieben, weil das so war. Schön unkompliziert. Und niederschmetternd, wie sehr alles von Neji abhing. Hätte sie ihm wirklich die kalte Schulter zeigen wollen, wäre sie nicht zu diesem Camping aufgekreuzt. Stattdessen hatte sie gehofft, dass er kam. Damit er ihre neuerwachte Selbstsicherheit sah. Wie primitiv. Tenten grinste freudlos. Verdammt, sie war doch vor Stolz fast geplatzt, als sie Neji auf der Suche nach Hinata zum ersten Mal klar überlegen war. Und aus dem einen ergab sich das andere. Hastig rieb sie sich die Augen und hielt inne, ihre Kleidungsstücke in ihre Tasche zu stopfen. Kleidungsstücke, von denen sie gehofft hatte, Neji würde ihre weibliche Seite erkennen. Hah, sie hatte wahrscheinlich nur darauf gewartet, dass er sie beim Baden beobachtete! Sie wischte ihre Hand an der Hose ab. Vielleicht würde es gar nicht so schwer sein, damit zu leben. Das hatte etwas Romantisches. Sollte sie auch anfangen, ein Medaillon mit ihrem Teamfoto um den Hals zu tragen? Ihm eine Haarsträhne abschneiden? Stalkerqualitäten entwickeln? Selbstironie war der erste Weg zur Besserung. Ein Schatten fiel über sie. Stilecht und pünktlich, Neji. Mit den Händen in den Taschen und ohne Rosenstrauß hinter dem Rücken, aber immerhin. Willkommen. "Wie galant, möchtest du mir beim Packen helfen?", fragte Tenten lakonisch und strich ihren Pony zur Seite. Neji fixierte geringschätzig ihr Gepäck. "Lächerlich." Sie lachte kurz trocken auf. "Spezifier' das bitte, sonst weiß ich ja gar nicht, was an mir alles lächerlich ist – undenkbar..." Seine Mundwinkel zuckten tatsächlich. Wenn er glaubte, sie hätte es nötig, wie Sakura Haruno ständig in Tränen auszubrechen, war er bei ihr an der falschen Adresse. Neji ging in die Hocke, stützte sich dabei mit den Ellbogen auf den Oberschenkeln ab. Tenten erwiderte den Blickkontakt – wozu musste sie sich jetzt noch genieren? "Von einer durchschnittlichen Kunoichi erwartet man keine Kapitulation." "Ich bin unter dem Durchschnitt, mein Freund. Oder ich habe andere Maßstäbe." Sie zog eine Grimasse und ließ sich dabei seine Worte durch den Kopf gehen. Hatte er sie gerade... ermuntert, nicht aufzugeben? "Wie ich meinte, lächerlich." "Sag' es nicht... Ein derart niedriger Durchschnitt ist nicht existent?" "Ein derart niedriger Durchschnitt nennt sich nicht Kunoichi." Wie aufbauend. Manchmal hasste sie Nejis Haarspalterei. "Ganz reizend, Neji, ich liebe dich auch." Das nannte sich wohl 'Mut der Verzweifelung'. Sie war ehrlich gewesen, und mit etwas Glück nahm Neji sie nicht ernst. "Wenn du mich so liebst, könntest du es mir ersparen, dich für deine Kurzatmigkeit zu bemitleiden." Das war tatsächlich eine Art Grinsen. Selbstverständlich eins dieser überlegenen Neji-Grinsen, doch normalerweise waren die für Herausforderungen reserviert. Und sie gehörte nicht zu dieser Rubrik. Tenten schnaubte und lockerte ihre Muskeln. Sollte er erst mal erfahren, auf welche Art von Herausforderung er sich hier einließ. Mit einer fließenden Bewegung zog sie den Halsausschnitt ihres Oberteils hoch und legte ihn über ihre Lippen. Oh, sie wette tausend zu eins, dass Neji noch nie durch ein Stück Mädchenkleidung geküsst worden war. Mehr als die Fälschung eines ersten Kusses war es ihr nicht wert. Noch nicht. Der letzte Teil ist nicht ausreichend probegelesen, und auch nicht so lang, weil die Wochen vor den Herbstferien ein besonderes Vergnügen sind. In diesem Sinne noch Dank an Neversorry. Ohne sie wäre dieses Kapitel erheblich später veröffentlicht worden – kreatives Tief. Ich mache keine ENS-Benachrichtigung. EDIT miai: förmliches erstes Treffen bei einer arrangierten Heirat. Ein miai bedeutet noch nicht zwangsweise eine Heirat, sondern entscheidet über den ersten Eindruck. Beide Familien schließen Kontakte, das eigentliche Brautpaar hat wenig zu sagen. Ein guter Bekannter (meist des Bräutigams) tritt als Vermittler zwischen den Parteien auf (auch bei Verhandlungen über die Mitgift). Entnommen aus der japanischen Historik, wie sie mehr oder weniger immer noch präsent ist. Hosted by Animexx e.V. 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