Ai No Kiseki von Emma_Frost (Wunder der Liebe) ================================================================================ Kapitel 13: Der Osterball ------------------------- Der Osterball am Karfreitag war das Ereignis an der Mugen Gakuen Schule, und alle diskutierten nur noch darüber. Haruka konnte nur den Kopf schütteln, wenn sie auf den Tischen der Cafeteria liegengebliebene Modemagazine entdeckte oder im Unterricht mitbekam, wie ihre Mitschülerinnen über Kleidung, Schmuck, Frisuren und Schminke tuschelten. „Also kommst du?“ fragte Michiru, als sie am Tag vor dem Ball mit Haruka in deren Cabriolet von der Schule nach Hause fuhr. „Klar. Bei dem Kleid kann ich einfach nicht nein sagen“, grinste Haruka. „Außerdem beflügelt mich die Aussicht auf die zwei Wochen Osterferien danach.“ Michiru lachte. „Das stimmt“, gab sie zu. Als Haruka am Abend das Haus verlassen wollte, kam ihre Tante gerade die Kellertreppe hoch. Sie starrte Haruka an. „Du... du siehst irgendwie verändert aus“, stellte sie verwirrt fest. „Klar“, antwortete Haruka, die solche dämlichen Fragen nicht ausstehen konnte, gereizt. „Ich hab ja auch ein Kleid an. Wiedersehen, Tante Himeko.“ Sie öffnete die Haustür. „Ich wünsche dir einen schönen Abend“, sagte die Tante überraschenderweise, und in der Wohnung bellte wie auf Kommando Fiffi. Haruka war erstaunt. Was war in die Tante gefahren? Sie murmelte etwas wie „dir auch, Tante“ und machte, daß sie wegkam. Der Parkplatz auf dem Campus der Mugen Gakuen Schule war total überfüllt. Haruka parkte – verbotenerweise – auf dem Lehrerparkplatz und hoffte nur, daß es a) nicht gerade der Parkplatz von Mrs. Ishigama oder Dr. Tomoe war und b) daß die Lehrkräfte es an einem Tag wie diesem nicht ganz so genau nehmen würden mit der Schulordnung. Der Ball fand in der riesigen Turnhalle statt, die auf dem Geländer der Mugen Gakuen Schule lag und gleichzeitig als Festhalle benutzt wurde. Jetzt hingen dort riesige Kronleuchter mit vielen brennenden Kerzen an der Decke, und an einer Seitenwand war ein langes Büfett aufgestellt. In einer Ecke stand eine große Anlage, und überall hingen Lautsprecherboxen. Es gab eine richtige Bar mit Theke und Barhockern. Haruka fühlte sich unbehaglich. Sie spürte, daß alle, an denen sie vorüber ging, zu ihr hin schauten. Sie hatten wohl nicht damit gerechnet, sie hier zu sehen – und dann noch in einem Kleid. „Schau mal“, hörte sie jemanden in ihrer Nähe flüstern, „ist das nicht Tenô Haruka? Du weißt schon, die, die sich immer so unmöglich benimmt und mehr ein Mann als ne Frau ist. Sie trägt normalerweise immer die Jungenschuluniform.“ „Ach, die...“, lautete die gedehnte Antwort. „Ist das nicht die, die so ein As im Basketball ist? Sie soll Autorennen und Motorradrennen fahren und immer Männerklamotten tragen.“ „Man gibt sich besser nicht mit ihr ab. Mit so einer! Die ist so anders!“ „Hätte nicht gedacht, daß sie kommt! Schau mal, in einem Kleid! Sieht sie nicht süüüüß aus?“ Die beiden Mädchen fingen an zu kichern. Haruka ging mit steinernem Gesicht weiter. Nur nicht aufregen, sagte sie sich. Sonst haben diese dummen Hühner noch mehr zum Gackern. „Ruka, hi!“ Auf einmal tauchte Michiru von irgendwo auf. Haruka starrte sie an. Sie sah einfach toll aus! Ihr türkisfarbenes Kleid reichte ihr bis an die Knöchel und hatte einen langen Schlitz hinten. Oben war es ebenfalls sehr eng geschnitten. Es hatte keine Ärmel und war rückenfrei. Der Ansatz ihrer Brüste schimmerte im Mondlicht, das durch ein Fenster hereinflutete. Um den Hals trug sie ein weißes Band, an dem ein tropfenförmiger Aquamarin hing. „Was gibt’s da zu schauen?“ lächelte Michiru. „Ich weiß, daß ich gut aussehe. Das haben mir heute mindestens schon fünf Leute gesagt, einschließlich Nerissa.“ Haruka grinste. „Dann muß ich es dir ja nicht noch mal sagen. Wo ist Nerissa übrigens?“ „Nachdem wir zwei-, dreimal getanzt haben, ist sie raus gegangen, zum Rauchen.“ „Sie raucht?“ Haruka staunte nicht schlecht. Gut, sie selbst hatte auch schon mal hin und wieder geraucht, um vor irgendwelchen Typen in irgendwelchen anrüchigen Bars „cool“ zu wirken, aber Nerissa mit ihrer Modelfigur und ihrer langen Mähne hatte das doch bestimmt nicht nötig. „Das ist eine ihrer schlechten Angewohnheiten, die ihr leider nicht abzugewöhnen ist“, seufzte Michiru. Dann hellte sich ihr Gesicht auf. „Da kommt sie!“ Nerissa Goku hatte sich ihre Haare aufgesteckt. Sie trug ein schlichtes rosa Kleid und ihr einziges Schmuckstück war ein goldener Armreif. Offenbar war sie doch nicht ganz so affektiert, wie Haruka gedacht hatte. „Ach ne“, sagte sie und zog eine Augenbraue hoch, als sie Haruka neben Michiru stehen sah. Sie wollte noch mehr sagen, als aus den Lautsprecherboxen romantische Walzerklänge erklangen. „Laß uns tanzen, Neri-Chan“, rief Michiru und nahm ihren Arm. Nerissas blaue Augen funkelten, sie nickte und ging Arm in Arm mit ihrer Freundin zur Tanzfläche. An einem Tag wie diesem kam das keinem irgendwie sonderbar vor. Trotzdem konnte Haruka nicht verstehen, warum die beiden so offen miteinander tanzten, wenn ihre Beziehung geheim bleiben sollte. Das macht wohl die Liebe, dachte sie, als sie den verzückten Ausdruck auf Michirus Gesicht bemerkte. Sie kam sich dämlich vor, am Rand der Tanzfläche zu stehen und ging zur Bar. „Was darf es sein?“ fragte das Mädchen dort geschäftig. Haruka kannte sie vom Sehen. Sie hieß Saori und war die Vorsitzende des Debatierclubs der Mugen Gakuen. „Ein Glas Sekt vielleicht?“ schlug Saori hilfreich vor, als Haruka nicht gleich antwortete. „Oder eine Coke? Wir haben auch Wein und Limo. Und Mineralwasser. Und...“ „Ein Bier“, fiel ihr Haruka ungeduldig ins Wort. Saori starrte sie an. „Wie? Ein Bier? Jetzt?“ „Natürlich, wann denn sonst?“ Ungeduldig wartete sie, bis das Mädchen sich am Zapfhahn zu schaffen machte und ihr schließlich einen Bierkrug vor die Nase stellte. Sie bezahlte und nahm einen großen Schluck, als sie angesprochen wurde. Der pickelige Jüngling, der vor ihr stand, war mindestens zwei Köpfe kleiner als sie, trug eine dicke Nickelbrille und sein Smoking sah aus, als wäre es mindestens zwei Nummern zu groß. Sein Gesicht war knallrot. „Äh... äh... äh...“, stammelte er, offenbar außerstande, einen vernünftigen Ton hervorzubringen. „Äh“, erwiderte Haruka höflich, aber um ihre Mundwinkel zuckte es verräterisch. Der Jüngling faßte sich ans Herz und trat einen Schritt vor. Er hatte Mundgeruch und sein After Shave roch bzw. stank gräßlich. „Ähem, Miss Tenô, Verehrteste, würden Sie mir die Ehre... äh... äh... erwiesen, h, erweisen, mit mir zu tanzen... äh, ja, hm.“ Haruka hätte fast laut losgelacht. „Verzieh dich, Pickelgesicht“, sagte sie in ihrem übellaunigsten Ton, „oder muß ich dir dabei helfen?“ „Aber... aber...“, stotterte der Jüngling verlegen und wußte nicht, wohin er schauen sollte, so peinlich war ihm das. „Hau ab, oder ich verpaß dir nen Fußtritt in deinen Allerwertesten!“ schnauzte Haruka ihn an. Er starrte sie ganz entsetzt an, drehte sich um und ergriff die Flucht, wobei er mit mehreren Leuten zusammenstieß, die ihm wütend hinterherschimpften. „Miss Tenô, ich will mich ja nicht einmischen, aber hätten Sie das dem armen Gendo nicht schonender beibringen können?“ warf Saori ein. „Ich meine, er ist vielleicht nicht gerade der Typ, auf den die Frauen abfahren, aber dafür kann er doch nicht, und...“ Genervt drehte Haruka sich um. „Und du solltest auch besser die Klappe halten, sonst blüht dir nämlich das Gleiche“, fauchte sie. Beleidigt drehte sich Saori um und fing an, ein paar Gläser zu polieren. Ein paar muskulöse Typen in Lederjacken kamen an die Theke und verlangten grölend ein paar Gläser Schnaps von „Saori-Mausi“, wie sie Saori nannten. Aus den Augenwinkeln konnte Haruka beobachten, wie Saori sich zu den Typen hinüberbeugte und mit ihnen flüsterte. Dann sahen alle wie auf Kommando zu Haruka hinüber und lachten schallend. „Ist wohl zu schüchtern, die Kleine“, sagte einer so laut, daß Haruka es deutlich hören konnte. Sie ballte die Fäuste. Es fehlte nicht viel, und sie hätte sich auf die Typen gestürzt und sie alle samt verprügelt. Aber da legte sich ihr eine Hand auf die Schulter, und als sie sich umwandte, blickte sie in Michirus meerblaue Augen. „Hast du Lust, mit mir zu tanzen?“ fragte Michiru, nahm ihrer Freundin den Bierkrug aus der Hand und trank einen kräftigen Schluck. „Ach?“ fragte Haruka spöttisch. „Macht Miss Nerissa wieder ihre Raucherpause oder was?“ Michiru lachte. „So kann man´s sagen. Es dauert bei ihr immer ewig. Komm, laß uns tanzen, ich bin gerade so richtig in der Stimmung dafür.“ Haruka warf den Typen am Tresen und „Saori-Mausi“ noch einen letzten Blick zu, bevor sie dann zu Michiru sagte: „Einverstanden. Wenn ich länger hier bleibe, gibt’s noch ein paar Verletzte.“ „Oh, du meinst die Rocker?“ fragte Michiru. „Na, um die ist’s nicht sehr schade. Aber jetzt komm, bevor Nerissa wiederkommt und hier Stunk macht. Sie ist ziemlich besitzergreifend, weißt du.“ Die beiden Mädchen gingen zusammen auf die Tanzfläche. Haruka seufzte. „Ich bin nicht gerade die beste Tänzerin, mußt du wissen“, gestand sie. „Mach einfach, was ich mache“, riet Michiru. „Es wird schon gehen. Sicher hast du im Internat tanzen gelernt, oder?“ „Das schon.“ Tatsächlich ging es leichter, als Haruka gedacht hatte. Sie paßte sich Michirus Rhythmus und ihren Schritten an, und bald schon schwebten die beiden über die Tanzfläche. „Na also“, lächelte Michiru. „Das ist doch gar nicht schlecht, oder?“ Die Musik verklang, und eine neue CD wurde eingelegt. Es war ein sehr langsames Lied, das enges Tanzen erforderlich machte. Haruka wollte sich von der Tanzfläche verdrücken, aber Michiru hielt sie fest. „Ach, bitte noch der eine Tanz!“ bettelte sie. Ergeben blieb Haruka stehen. Michiru umfaßte sie und zog sie zu sich heran. Es war ein merkwürdiges Gefühl, fand Haruka, so eng mit ihr zu tanzen. Sie roch angenehm nach Ambergris. Plötzlich aber fühlte Haruka noch etwas anderes. Sie konnte selbst nicht so genau sagen, was es war. Es war wie so eine Art seltsamer Beklemmung. Aber warum? fragte sie sich. Was ist denn auf einmal los? Lag es daran, daß sie so eng mit einem Mädchen tanzte? Nein, sicher nicht. Aber was hatte das zu bedeuten? Haruka sah auf, direkt in Michirus meerblaue Augen. Michiru erwiderte ihren Blick, und ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie zog Haruka enger zu sich heran und gab sich ganz dem Tanzen hin. Haruka sah in diese wunderschönen, ausdrucksvollen meerblauen Augen und mußte sich zusammennehmen. Sie glaubte fast, in diesen Augen zu ertrinken. Irgend etwas war los, irgend etwas hatte sich verändert – aber was? Auf einmal fühlte Haruka, daß sie es nicht länger aushielt, in diese Augen zu sehen. Sie glaubte, die Kontrolle über sich zu verlieren. Ihre Gefühle waren in Bewegung geraten und steuerten auf das totale Chaos zu. Aber sie konnte den Blick einfach nicht abwenden. Diese Augen zogen sie unweigerlich mehr und mehr in ihren Bann. Das leuchtende Meergrün schimmerte und funkelte in dem matten Licht, das in der Halle herrschte. Doch Haruka hielt es nicht mehr aus. Sie fragte sich, ob auch Michiru wie sie empfand, und ob auch sie diese Spannung zwischen ihnen spürte. Verdammt, dachte sie, wenn ich noch länger mit ihr tanze, habe ich bald keine Kontrolle mehr über mich. Was ist das nur? Ich halt das nicht aus! Haruka haßte es, wenn sie die Dinge nicht mehr kontrollieren konnte. Es verunsicherte sie, wenn ihre Gefühle verrückt spielten. Mit einem Ruck riß sie sich von Michiru los und stürzte zwischen den tanzenden Paaren hindurch zu der gläsernen Schiebetür, die in den Park führte. Im Park war es stockdunkel. Am Himmel blinkten vereinzelte Sterne, und eine schmale Mondsichel beleuchtete die Umgebung. Haruka atmete tief durch. Die Luft war frisch und kühlte ihr erhitztes Gesicht. Es ging ihr wieder besser. Sie hatte sich wieder vollkommen unter Kontrolle. Langsam schlenderte sie ein wenig auf und ab, bevor sie sich dann auf eine Bank setzte. Was war nur eben mit mir los? fragte sie sich. Wie konnte ich so reagieren? Ich habe mich gefühlt, als hätte jemand anderes die Kontrolle über mich gewonnen. Es hat mir Angst gemacht. Schritte näherten sich. Jemand blieb zögernd stehen. Ohne aufzusehen wußte Haruka, daß es Michiru war. Sie wirkte verwirrt. „Haruka“, fing sie zögernd an, „was ist los? Hab ich was falsch gemacht? Oder war es dir unangenehm, so eng mit mir zu tanzen?“ „Laß mich in Ruhe!“ fauchte Haruka, aber im gleichen Augenblick tat es ihr leid, die Freundin so angeschrien zu haben. Erstens konnte Michiru nichts dafür, und zweitens hatte sie es nur gut gemeint. Michiru stand hilflos neben der Bank und schien nicht so recht zu wissen, was sie jetzt tun sollte. Haruka sah auf. „Hat irgend jemand gesagt, daß du stehenbleiben mußt?“ fragte sie und deutete auf den Platz neben sich. Michiru setzte sich gehorsam, sagte aber immer noch nichts. „Tut mir leid wegen eben“, seufzte Haruka. „Ich weiß auch nicht... mir wurde auf einmal schwindelig.“ Das war eine Lüge, aber wenn Haruka selbst nicht einmal wußte, was losgewesen war, wie sollte sie es dann Michiru erklären? „Ach so“, murmelte Michiru. „Geht’s dir jetzt wieder besser?“ „Schon, aber ich glaube, ich gehe lieber nach Hause“, sagte Haruka schnell. Michiru sah sie aufmerksam an. „Und es lag wirklich nicht an mir oder am Tanzen?“ fragte sie. „Nein“, sagte Haruka ungeduldig. „Wahrscheinlich war die Luft da drinnen einfach zu schlecht.“ Sie stand auf. „Ich sollte jetzt besser gehen.“ Michiru nickte, sie sah traurig aus. „Schade“, meinte sie leise. „Mir hat das Tanzen mit dir Spaß gemacht.“ „Mir auch“, gab Haruka zu, und das entsprach der Wahrheit. „Hoffentlich geht es dir bald wieder besser“, sagte Michiru besorgt. „Ich will nicht, daß es dir schlecht geht. Du bist doch meine beste, meine allerbeste Freundin, Ruka!“ „Ach?“ bemerkte Haruka. „Ich dachte, das wäre Nerissa.“ „Nein“, antwortete Michiru fröhlich. „Nerissa ist meine Geliebte. Du bist meine allerbeste Freundin. Und da gibt’s einen Unterschied.“ Haruka lachte und verabschiedete sich von Michiru. Sie ging zu ihrem Wagen und fuhr nach Hause. Während sie die Haustür aufschloß, hoffte sie, daß ihre Tante schon schlafen gegangen war. Sie wollte auf keinen Fall unangenehme Fragen wegen ihrer frühen Rückkehr beantworten müssen. Aber Fiffi, dieses kleine Ungetüm, machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Als sie am Schlafzimmer ihrer Tante vorbei schlich, kläffte der Spitz in den höchsten Tönen los, und wenig später öffnete sich die Schlafzimmertür und Mrs. Tenô erschien in ihrem langen seidenen Morgenmantel auf der Schwelle. Selbst um diese Tages- oder vielmehr Nachtzeit saß ihre Frisur tadellos. „Ach, du bist es“, sagte sie erleichtert. „Ich dachte schon, es sei ein Einbrecher. Warum bist du denn schon zurück?“ Gereizt ging Haruka zu der Tür, die in ihre Wohnung führte. „Mir ist nicht gut“, fauchte sie und knallte die Tür hinter sich zu. In ihrem Schlafzimmer warf sich Haruka ohne sich umzuziehen auf ihr Bett und versuchte nachzudenken. Sie wollte unbedingt wissen, was vorhin mit ihr losgewesen war. Was war das nur für ein merkwürdiges Gefühl gewesen! Aber noch während sie darüber nachdachte, schlief sie ein. 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