Shikon No Tama von MorgainePendragon ================================================================================ Kapitel 1: Der knochenfressende Brunnen --------------------------------------- Hallo, allerseits!^^ endlich! Endlich kam ich mal dazu das erste Kapi meiner neuen FF zu überarbeiten. Ich wünsch euch - hoffentlich - viel Spaß daran. Hab mir ja einiges vorgenommen. Hoffe, ich komme mit den Zeiten nicht durcheinander... Und SEHR viele Charaktere gibts dieses Mal... Außer Kyo/Kyoshiro, Madoka und Inuyasha sollen auch noch die drei Hauptcharas aus "Samurai Champloo" mitmischen (Mugen, Jin und Fuu), sowie ein Charakter, den ich "Shinta" nennen werde, und der Kenshins Ururururgroßvater in der Epoche der kriegerischen Staaten sein wird. Wem wird wohl Madoka ihr Herz schenken? O.o Und vor allem: Es wird sicher köstlich zu sehen, wie Kyo und Yasha aneinandergeraten in Bezug auf den Juwel. BEIDE haben einen ganz schönen Dickschädel... Dann muss ich natürlich sehen, wie ich Kagome und Co. evtl. noch einflechte. Oder ob ich das überhaupt tue. Und wie das mit Naraku ist - ob er noch lebt? Auf jeden Fall soll Kikyo vorkommen. Na, mal sehen. Ich hoffe auf viele Kommies! Freu mich IMMER über konstruktive Meinungen - und natürlich am meisten, wenns gefällt.^^ Bis denne! Mado-chan^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Edo Zeit des Tokugawa Shogunats 1610 n. Chr. Ihr Vater hatte ihn den "knochenfressenden Brunnen" genannt. Madoka stand vor dem mit einer hölzernen Brüstung umspannten Erdloch und konnte sich lebhaft vorstellen, woher dieser Begriff gekommen war. Beugte sie sich vor und warf einen Blick in die unbestimmbare, bodenlose Tiefe hinab und versuchte herauszufinden , was dort unten war (ganz gewiss schon seit langer Zeit nicht mehr das, was man in einem Brunnen vielleicht vermuten mochte, nämlich Wasser), dann spürte sie einen eiskalten Hauch aus der Dunkelheit emporsteigen und die feinen Haare in ihrem Nacken stellten sich unwillkürlich auf. Schon so lange sie denken konnte war ihr Vater, oberster Daimyo in Tensho, einem kleinen Distrikt unweit von Tokyos Stadtkern, mit der Familie Higurashi befreundet. Madoka hatte beinahe ihre komplette Kindheit hier, in der Nähe des heiligen Schreins verbracht, dessen Wächter die Higurashis seit Generationen waren. Takeru, der Sohn des alten Higurashi, war mit Madoka eng befreundet und sie hatten früher viel gemeinsam unternommen. Doch seit sie beide erwachsen geworden waren, hatte sich ihr Verhältnis ein wenig geändert. Sie mochte ihn nach wie vor sehr, aber der gutaussehende, lebhafte junge Mann hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er mehr als nur Freundschaft von ihr wollte. Madoka jedoch war nicht in ihn verliebt. Er war ein sehr guter Freund für sie. Ein Mensch, mit dem sie über alles reden konnte - aber ganz gewiss nicht mehr. Sie wollte Takeru nicht vor den Kopf stoßen und begnügte sich bislang damit, sich seinen Avancen geschickt zu entziehen, indem sie immer etwas anderes, wichtiges zu tun zu haben vorgab. Takeru war es auch gewesen, der ab und zu, als sie noch klein waren, des nachts mit ihr hierher geschlichen war, zu jenem seltsamen Brunnen, der - so hatte Takerus Vater ihnen einmal erzählt - schon dort gewesen war lange bevor der Schrein hier erbaut worden war. Und sie hatten hier auf dem Rand gesessen und Takeru hatte sich einen Spaß daraus gemacht eine Schauermär nach der anderen zum Besten zu geben - wohlwissend, dass dieser Brunnen, der klagend sang und raunte sobald der Wind hineinfuhr, die beste Kulisse für Dämonen- und Geistergeschichten abgab. Madoka fand diese Nächte gruselig, aber sie ängstigte sich längst nicht in dem Maße, wie Takeru es wohl gern gesehen hätte - er hörte nicht auf hinterher den großmütigen Helden heraushängen zu lassen und andauernd zu betonen, dass er sie schon beschützen würde, sollte eines Tages ein Dämon erscheinen und sie verschlingen wollen. Und wo war Takeru heute? Jetzt? Sie verdrängte den Gedanken. Madoka, nun eine junge Frau von 28 Jahren, stand immer noch in genau derselben Haltung da wie zuvor und schaute hinab in das scheinbar bodenlose Erdloch. Ihre Gedanken spielten nicht nur um die Vergangenheit, sie dachte auch an das Jetzt und Hier, daran, dass sie nun eine Ausbildung zur Miko begonnen hatte und selbst im Schrein der Higurashis arbeitete, und daran, dass die Zeit unter der anbrechenden Regentschaft des Shogun Tokugawa eine sehr blutige und kriegerische war, denn nie waren mehr Hungernde und verletzte Reisende, Obdachlose und sogar Kinder so sehr auf die Gastfreundschaft und die Unterstützung der Geistlichen angewiesen. Und sie selbst, inmitten des ganzen Chaos, ertappte sich dabei sich zu wünschen, dass sie zu einer anderen Zeit geboren worden war. Madoka schreckte aus ihren Gedanken auf als mit einem Mal der Wind auffrischte, durch die Zweige der uralten Bäume auf dem Grundstück fuhr und ein seltsames Wispern und Raunen erzeugte, dass sie beinahe noch mehr frösteln ließ, als es die Kälte des Brunnenschachtes gerade eben noch getan hatte. Sie sah auf und gewahrte stirnrunzelnd eine dunkle Wolkenwand am östlichen Himmel, die deutlich sichtbar auf sie zuhielt und kalte Temperaturen, vielleicht sogar ein Unwetter versprach. Erneut fauchte eine Böe durch die Baumwipfel und Madoka zog ihren Kimono enger um die Schultern. Es war seltsam. Dies war gewiss nicht der erste Sturm, der in ihrem Leben drohte, aber... sie konnte den Gedanken einfach nicht in Worte fassen. Etwas bedrohliches lag plötzlich in der Luft. Etwas KAM. Und sie hatte das deutliche Gefühl, dass es nichts gutes sein konnte. Wind, ja auch Sturm, das bedeutete in diesem Land schon seit Alters her vor allem eines: Veränderung. Etwas kam auf sie zu und es würde sie selbst, vielleicht sogar ihr gesamtes zukünftiges Leben verändern. Beinahe hätte die junge Frau gelacht – auch wenn es vielleicht nur das Lachen eines sehr nervösen, verängstigten Menschen gewesen wäre, ähnlich dem Pfeifen einer Person, die auf keinen Fall Argwohn erregen wollte und es mit dieser Geste erst Recht tat. Was gingen da für Gedanken durch ihren Kopf? Nie war sie abergläubig gewesen. Ihr Glaube hatte sie gelehrt, dass man selbst sein eigens Leben formen und nach Gutem streben solle, um so nach dem Tod die nächste Stufe des Lebens zu erreichen, so lange, bis man irgendwann ins Nirvana einging. Eine höhere Macht hatte nur bedingt Einfluss auf ihr Handeln, war mehr Vorbild, als dass man es anbeten könne. Und Madoka war dennoch immer offen für andere Auslegungen des Glaubens gewesen. Sie interessierte sich für alle möglichen Dinge, Dinge, die man schon als okkult bezeichnen konnte, Dinge, für die es nicht immer gleich auf den ersten Blick eine Erklärung gab. Astrologie beispielsweise fand sie spannend. Und ein Faible für alte Sagen und Mythen hatte sie auch. Aber abergläubig? Nein. Sie wusste, wo sie im Leben stand und was sie wollte. Nie gab sie etwas auf das Geschwätz der Alten aus dem Dorf, wenn sie davon redeten, dass schlechtes Wetter den Zorn des Erleuchteten wiederspiegelte und ihnen Krankheiten und Seuchen bringen würde. Das Wetter, so wusste Madoka, war auch vom Erleuchteten nicht beeinflussbar. Es war die Natur, die ebenso lebte und strebte, wie es die Menschen nach seinem Vorbild tun sollten und die durch nichts in ihrem Verlauf aufgehalten werden konnte. Seuchen wurden durch Dreck und dadurch entstehende Krankheitserreger hervorgerufen, oder sie wurden von Tieren übertragen, manches Mal sogar von Menschen. Aber der Zorn des Erleuchteten? Niemals. Madoka stand hier, am Rande des Brunnens, und zweifelte mit einem Mal an ihrer Standhaftigkeit. Vielleicht hatte sie sich etwas vorgemacht, wenn sie nun DIESE Gewitterfront so leicht beunruhigen konnte. Zuckten dort nicht die ersten Blitze aus der dräuenden, tief über dem Land dahinjagenden Wolkendecke? Das Wispern in den Zweigen hatte sich zu einem Rauschen gesteigert und Madoka glaubte tausende Stimmen zu hören, die böse zischend Worte flüsterten, die schon lange kein Mensch mehr gehört haben mochte – oder die bereits VOR den Menschen existiert hatten, und die niemand mehr verstehen KONNTE. Schluss! Was war sie für eine Novizin, wenn sie sich so leicht ängstigen ließ? Sie warf einen letzten Blick hinunter in den Brunnen und wollte sich herumdrehen. Es wartete noch eine Menge Arbeit auf sie. Sie sollte die Wäsche von den Stangen draußen im Hof holen, bevor der Regen kam. Doch plötzlich hörte sie lautes Stimmengewirr vom Tor des Schreins herüberwehen. Sie hob den Kopf und versuchte auszumachen, was vor sich ging, erkannte jedoch nur, dass ein Paar Männer in eine hitzige Diskussion verwickelt waren. Sie zog ihre neue Robe zurecht, die sie in den weiß-dunkelblauen Farben als angehende, noch nicht voll ausgebildete Miko auswies, und machte sich auf den Weg, um nachzusehen ob sie helfen konnte. Im nächsten Moment FÜHLTE sie, mehr als das sie es sah, einen Schatten auf sich zujagen und nur den Bruchteil einer Sekunde später spürte sie den eiskalten, blanken Stahl einer Schwertklinge an ihrer Kehle. Die Männer am Tor, die sie nun als Lehrlinge des Hauses erkannte, drehten sich herum und hielten erschrocken inne. Ihre Augen waren weit aufgerissen und auf Madoka gerichtet – und auf den Eindringling, der sie mit dem Schwert bedrohte. Täuschte die junge Frau sich, oder wurde es mit einem Mal wirklich deutlich kälter hier auf dem Hof? Sie war vor Schreck wie gelähmt, dennoch drang das erste, ferne Donnergrollen an ihr Ohr und schien einmal mehr nichts Gutes zu verheißen. „Ich warne euch!“, hörte Madoka eine tiefe, nicht unangenehme, jedoch durchaus drohende Stimme an ihrem Ohr. „Keiner bewegt sich, oder das Mädchen ist tot!“ Madoka war viel zu verwirrt um wirklich ängstlich zu sein. Sie selbst fühlte nur gelinde Überraschung, dass dies alles hier wirklich gerade passieren sollte. Einer der Mönche machte einen vorsichtigen Schritt in ihre Richtung, streckte beschwichtigend die Hand aus – doch der Druck des Stahls an ihrer Kehle verstärkte sich und Madoka wurde schlagartig klar, dass dies hier DURCHAUS Realität war. Und sie war mitten drin im Geschehen! Die ersten, schweren Regentropfen fielen. Dieses Unwetter war wirklich schnell herangekommen. „Was...?“, brachte sie mühsam hervor. „Kein Wort, Süße, oder ich schneide dir die Kehle durch!“, behauptete die für sie noch immer gesichtslose Stimme kalt. „Hey! Ich warte immer noch! Sagt mir, wo es ist! Sofort!“ Die angesprochenen, jungen Mönche sahen sich ängstlich an. „Ich wiederhole mich ungern! Glaubt ihr, ich mache Spaß? Ich habe schon viele Frauen getötet. Ich werde bei dieser hier gewiss nicht anfangen Ausnahmen zu machen! Also: WO ist es!“ Noch immer sagten die jungen Lehrlinge nichts. Aber sie wurden auch davon erlöst antworten zu müssen, denn in diesem Augenblick sagte eine nicht minder tiefe, aber sehr freundliche, wenn auch traurige Stimme hinter ihnen: „Ich wusste, dass du kommst, Kyoshiro...“ Mit einem wütenden Zischen fuhr ihr Geiselnehmer herum und riss sie einfach mit sich. „Mein Name ist KYO, alter Mann! Solltest du das vergessen haben?“ Zum ersten Mal erhaschte Madoka von der Seite einen Blick auf das Profil des Mannes an ihrer Seite. Und sie erschrak... Was sie sah... war beinahe nicht mehr als menschlich zu bezeichnen. Natürlich stand neben ihr ein Mensch, ein junger Mann, vielleicht in ihrem Alter, etwas größer als sie, von schlanker Gestalt und mit breiten Schultern. Soweit sie fühlen konnte auch mit stahlharten Muskeln... Dennoch wirkte er nicht wie ein Kraftprotz, eher wie ein Athlet – wie ein Samurai. Sein Haar war kurzgeschnitten, schwarz und stand wild in alle Richtungen ab. Er hatte ein durchaus ansehnliches Gesicht, bei dem so manche Frau ins Schwärmen geraten konnte... wäre da nicht dieses infernalische, rote... Toben und Brennen in seinen Augen gewesen. Sein Blick glühte regelrecht und die beinahe schwarz wirkenden Pupillen schienen in einem Meer aus geronnenem Blut zu schwimmen. Ein böses, eiskaltes Lächeln verzerrte sein Gesicht zu einer Maske des Zorns und des absoluten Hasses. DIESER Mann, so begriff Madoka entsetzt, hatte nicht gelogen, als er behauptet hatte, bereits viele Menschen getötet zu haben... Und er würde auch sie töten. Ein eisiger Schrecken durchfuhr sie. Jetzt.... Viel zu spät. Ihre Ausbildung zur Miko hatte es sie gelehrt, in JEDEM Menschen und sei es ein gesuchter Verbrecher, das Gute zu sehen und sich dafür einzusetzen, dass auch der vermeintlich schlechteste Mensch noch eine Chance erhielt sein Leben in den Griff zu bekommen. Aber dieser Mann hier... war verloren... Der alte Higurashi trat von den Stufen des Hauptgebäudes hinunter und kam mit einem unsagbar traurigen Ausdruck in den Augen näher. Mittlerweile hatte es zu regnen begonnen und es wurde nicht nur wirklich merklich kühler, sondern auch dunkler. Die Wolken waren heran. Doch solche Wolken hatte Madoka noch nie gesehen. Eine brodelnde, schwarze, beinahe flüssig wirkende Masse zog sich über ihrer aller Köpfe zusammen. Und drohende Blitze teilten schon jetzt, bevor das eigentliche Toben des Sturmes losbrach, stroboskopartig die Szenerie in Bereiche aus scherenschnittartigen Schatten und strahlendem Licht auf. „Lass sie los, Kyoshiro.“, sagte Higurashi sehr leise, ignorierte ganz bewusst die vorigen Worte des Angreifers. „Lass sie gehen.“ „Dann gib mir das Juwel heraus! Ich WEIß, dass es hier ist.“ Die Augen des jungen Samurai versprühten Blitze. „Ich bring sie um, wenn du es nicht tust!“ Der alte Mann schüttelte den Kopf und seufzte abgrundtief. „Das Juwel der Vier Seelen? Hai, es war hier.“ „Willst du mich auf den Arm nehmen, Alter? Versuchs erst gar nicht!“, sagte Kyo(shiro) böse und der Druck auf Madokas Kehle verstärkte sich plötzlich um ein weiteres Stück, sodass sie nun nicht mehr nur erschrocken, sondern auch vor Schmerz keuchte. Ein dünnes Rinnsal warmen Blutes ergoss sich ihre Kehle hinab in ihren Kragen, als die Klinge ihre Haut ritzte. Sie bog den Kopf so weit in den Nacken wie es ihr möglich war. Immer heftiger werdender Regen strömte über ihr Gesicht. „Nein! Bitte...“, keuchte sie. „Er sagt... die Wahrheit! Das Juwel... verschwand eines Tages...“ Mit einem harten Ruck zog er sie ganz nah an sich heran. Sein Gesicht, die dämonischen Augen, waren nur noch Zentimeter von ihren eigenen entfernt. Regen rauschte um Sie her nieder. Die Szene wirkte unwirklich. Das Licht der Blitze spiegelte sich auf den Wangen ihres Gegenübers und ließen es beinahe wie eine verzerrte Noh-Maske aussehen, die Madoka zu verhöhnen schien. „Wieso nur glaube ich, dass du lügst?“, flüsterte er lauernd. Dann legte er den Kopf zur Seite und lächelte plötzlich anzüglich, jedoch nicht minder böse. „Es wäre schade um dich, Süße.“, meinte er nun kalt. „Du hast richtig gut Holz vor der Hütte... Auf so was steh ich total...“ Er beugte sich jäh nach vorn und im nächsten Moment spürte sie ungläubig, wie seine Zunge über ihre Kehle hinauf bis zu ihrem Ohr glitt! Der Schauer, der sie nun ergriff, entstand nicht nur aufgrund von Abscheu, die sie zwar zweifellos auch empfand. Da war auch noch etwas anderes in ihr, dass sehr wohl auf die Berührung reagierte. Etwas, wovon sie überhaupt nicht sicher war, ob es ihr gefiel... Sie hasste sich dafür. Die jungen Priester hinter ihr sogen erschrocken die Luft ein. Einer wollte sogar loslaufen, doch Higurashi machte eine knappe Geste, die ihn so abrupt zum Stillstand brachte, als hätte ein Puppenspieler bei seiner Marionette die Fäden durchschnitten. Kyo(shiro) blickte nun wieder zu dem alten Mann hinüber. „Wo ist es?“, wiederholte er einfach nur leise. „Es ist, wie sie sagt, mein Junge. Es ist nicht mehr hier. Was sie NICHT weiß ist, dass... wir es in Sicherheit gebracht haben...“ „Was soll das heißen? Sag was du weißt, Alter, oder...“ „Schon gut, schon gut. Ich sehe, du bist immer noch von einem Dämon besessen, mein lieber Junge. Das bekümmert mich, denn ich weiß, wie du als kleiner Junge warst. Dein Hass und deine Wut haben dich dazu gebracht, einen Pakt mit einer sehr alten, sehr bösen Macht einzugehen, die dich nun kontrolliert. Diese Macht ist es, die das Juwel zu besitzen wünscht, nicht du. Komm zu dir, Kyoshiro!“ Er hob die Hände und Madoka erkannte die charakteristischen, kleinen Bannzettel einen Sekundenbruchteil, bevor er sie warf. Und sobald sie seine Hand verlassen hatten nahmen sie die Konsistenz und Schnelligkeit von eisernen Schrapnellen an, die Kyo(shiro) neben Madoka vollkommen überraschend trafen. Der junge Mann keuchte und taumelte wie unter einem Schwerthieb zurück. Der Druck um ihre Kehle ließ für kurze Zeit nach und Madoka handelte sofort und ohne nachzudenken. Schnell drehte sie sich herum, ergriff das Schwert des jungen Samurai und entwandt es ihm, dann war sie mit ein paar schnellen Schritten aus seiner Reichweite. Beinahe unbewusst richtete sie nun die Klinge schweratmend gegen ihn selbst. Ihre Hände zitterten so stark, dass sich die Bewegung sichtbar an der makellosen Schneide fortsetzte. Regen perlte an der Klinge entlang. Madoka und auch alle anderen waren bereits bis auf die Haut durchnässt. Das Donnergrollen war mittlerweile ohrenbetäubend laut. Kyo(shiro) hatte sich schon wenige Sekunden später wieder in der Gewalt. Die Bannzettel, normalerweise mächtig genug einen Dämon zu lähmen, hatten ihn lediglich für kurze Zeit geschwächt. Überrascht – aber auch sehr, sehr ungehalten, blickte er nun das Schwert in Madokas Händen an. „Mit so etwas sollten kleine Mädchen nicht spielen, Süße!“ meinte er nur und das kalte Lächeln kehrte bereits wieder zurück. Mit einer Bewegung, die Madoka nicht einmal SAH, war er heran und schlug sie zu Boden. Madoka fühlte erneut warmes Blut, diesmal jedoch aus ihrer aufgeplatzten Unterlippe über ihr Kinn laufen. „Dafür bringe ich dich um!“, ertönte plötzlich ein hysterischer, gellender Schrei direkt hinter ihnen – und mit einem Mal war es Kyo(shiro) der mit einem unterdrückten Schmerzlaut in die Knie ging, sich gleich darauf mit einem wilden Schrei jedoch wieder aufrappelte, noch in der Hocke herumfuhr, um seinem Gegner das wieder zurück gewonnene Schwert mit voller Wucht zwischen die Rippen zu rammen! Madoka schrie. Durch einen Regen von dunklem Blut sah sie wie in Zeitlupe und hundert Mal verlangsamt den Körper des jungen Mannes fallen, der sie hatte beschützen wollen. Es war Takeru... Als hätte des Unwetter nur auf diesen einen, schrecklichen Augenblick gewartet, brach es nun mit seiner ganzen fürchterlichen Wucht los. Aus Regen wurde ein erbarmungslos hernieder prasselnder, schmerzhafter Hagelschauer. Der Wind schien seine ganze Wut ob des schrecklichen Verbrechens zusammenzuballen und heulte und schrie in einem Maße, wie Madoka es noch nie zuvor gehört hatte. Blitze zuckten nun so schnell herab, dass man kaum mehr als das Licht wahrnehmen konnte und alle Schatten verschwanden. Der Donner war einem unaufhörlichen, ohrenbetäubendem Grollen gewichen, dass selbst die Erde erzittern ließ. Dies war alles – nur kein gewöhnlicher Sturm. „Takeru...“, es hatte ein Schrei werden sollen, in Wahrheit war es ein Schluchzen, das sich Madokas Kehle entrang. Sie fühlte sich mit einem Schlag wie leergefegt und betäubt. Etwas in ihr war zerbrochen, gestorben in dem Moment, in dem Takerus Körper, für sie fast wie in Zeitlupe, auf dem Boden aufschlug. Sie wollte um sich schlagen, schreien und weinen, alles zugleich ob dieser Ungerechtigkeit und der erschreckenden Erkenntnis, die sie nun erst richtig anzunehmen schien, jetzt, wo es zu spät war: Sie hatte Takeru wie einen Bruder geliebt! Mit einem Wutschrei und vollkommen ohne über die Konsequenzen nachzudenken wollte sie sich auf den Samurai mit den Dämonenaugen stürzen. Doch diesmal war es der alte Higurashi selbst, der sich ihr in den Weg stellte und ohne die geringste Scheu in das dämonische Antlitz seines ehemaligen Schülers hinaufschaute. Ungeachtet des Größenunterschiedes hielt er dem brennenden Blick stand. Kyo(shiros) Gesicht war nun mit Spritzern dunklen Blutes überzogen, die sich sofort mit Regenwasser mischten und seine Kleidung benetzten. Er leckte sich scheinbar genüsslich die Lippen. Dieser Mann WAR ein Dämon. Er war nicht nur besessen. Er VERKÖRPERTE einen Dämon. Sollte dieses... Ding... jemals an die Macht des Juwels der Vier Seelen geraten.... Sie wagte es nicht, den Gedanken zu vollenden. Mit klopfendem Herzen sah sie die beiden so ungleichen Gegner an. Eine von Blitzen erhellte Szenerie in scharlachrot und dunkelgrau, verschleiert durch den niedergehenden Hagelschauer. Hatte Higurashi überhaupt eine Chance? Der dämonenäugige Samurai hob die Klinge. Die Spitze seines fünf Shaku langen Schwertes, das um einiges länger als ein herkömmliches Katana war, kam zitternd direkt vor dem Gesicht des alten Mannes zum Stillstand. „Wo hast du es hingebracht, Alter? Ich zögere nicht, auch dich zu töten.“ „Mein Leben ist ohnehin zu Ende.“ sagte Higurashi ruhig. „Ich werde es auch ohne deine Hilfe herausfinden!“, sagte Kyo(shiro) böse. „Wenn ich mit dir fertig bin, werde ich mich dem Mädchen zuwenden. Also, entweder, du sagst es mir jetzt gleich, oder ich prügele es aus der Kleinen heraus!“ Er würde es tun. Daran zweifelte Madoka keine Sekunde lang. Sie zitterte. Und dann geschah etwas scheinbar wirklich Unglaubliches. Der alte Higurashi gab nach. Seine Schultern sanken nach vorn und er schien binnen Sekunden um Jahre gealtert. Er seufzte erneut. Sehr tief. „Ich kann nicht aufhalten, was nun geschieht. Verzeih mir, Erleuchteter. Ich habe getan was in meiner Macht stand...“ „Was faselst du denn da?“, fauchte Kyo(shiro) ungehalten. „Das Juwel, nachdem der Dämon in dir verlangt, wurde durch die Zeit zurückgeschickt. Es ist nun in den Händen einer sehr mächtigen Miko.“, sagte Higurashi leise. „Wie bitte? In der Zeit...?“ „... zurückgeschickt, ja.“, vollendete Higurashi den Satz – und dann glitt sein Blick hinüber zu dem uralten Brunnen, den es schon hier gegeben hatte, bevor der erste Mensch einen Fuß auf diesen Flecken Erde gesetzt hatte. Madokas Atem stockte. Konnte es sein... War der Brunnen das Tor zu einer anderen Zeit? Kyo(shiro) blickte konzentriert hinüber zu dem Brunnen. „Ein Portal...“, flüsterte er leise, beinahe ehrfürchtig. Es war überhaupt das erste Mal, dass sie einen anderen Ausdruck als Zorn in seinen Worten hörte. „Es gibt sie also wirklich!“ Und dann... begann die Erde zu beben. Es begann sehr leicht und kaum merklich, eher wie ein unangenehmes Gefühl, eine Ahnung drohender, herannahender Gefahr. Madoka, die stille Tränen weinend neben dem Leichnam Takerus in die Knie gegangen war, eine zitternde Hand auf seiner bleichen Stirn, schaute ängstlich auf. Ihre Furcht und der Argwohn von vorhin bekamen schlagartig Nahrung und wurden zur Gewissheit. ETWAS kam. Dann, ebenso plötzlich wie es begonnen hatte, wurde es sehr still. Der Hagel hatte aufgehört. Selbst der Sturm schien in seinem Toben inne zu halten. Es war ein unheimlicher Anblick. Ihr Blick fiel wieder auf Kyo(shiros) Gesicht. Und dieses hatte schlagartig alle Farbe verloren. Die verbliebenen Spritzer von Takerus Blut zeichneten sich wie tiefe, dunkle Narben auf seiner bleichen Haut ab. Wenn der dämonenäugige Samurai Angst hatte.... Was mochte da auf sie zukommen? Und dann, urplötzlich, hob sich die Erde unter ihnen, um dann gleich darauf ins scheinbar Bodenlose abzusinken. Es geschah rasend schnell. Madoka sprang erschrocken auf. Die Erde riss auseinander und spie dunkle, formlose Gestalten aus, die geradewegs der Hölle entsprungen zu sein schienen und in wahren Heerscharen über die Menschen und Gebäude des Schreins herfielen. Dämonen! Es waren Dämonen, die dort aus den tiefsten Tiefen der Erde heraufkamen. Überall wurden panische Schreie laut, Gebäude erzitterten und wurden durch die schiere Übermacht der albtraumhaften und widerlich verunstalteten Spottgeburten einfach hinweggefegt, innerhalb eines Wimpernschlages zerstört, als hätte es sie niemals gegeben. Die jungen Priester suchten schreiend ihr Heil in der Flucht. Doch in all der Panik konnte Madoka, die nun damit beschäftigt war auf den Beinen zu bleiben, dennoch den Ausdruck auf dem Gesicht des alten Higurashi erkennen - er schien nicht im Mindesten überrascht. Sein Blick suchte den Kyo(shiros), der immer noch wie versteinert dastand. Der schien auch keine Angst zu haben, wusste aber allem Anschein nicht, was er tun sollte. Der Blick seiner roten Augen schien zu flackern. Täuschte sich Madoka, oder war da... noch etwas anderes in ihm... etwas Menschlicheres? Etwas, das Madoka niemals bei ihm zu finden erwartet hätte... „Kyoshiro!“, das war Higurashis laute Stimme. „Die Zeit dieses Tores ist vorbei. Es wird sich heute für alle Zeiten schließen. Nutze die Chance jetzt und finde den Weg zurück durch die Zeit. Finde das Juwel! Und werde wieder der Kyoshiro, der du einst warst. Ich flehe dich an! Kämpfe gegen deinen inneren Dämon an! Du kannst es schaffen! Das weiß ich!“ Ein gänzlich anderer Dämon, ein unglaublich scheußliches, rötlich schimmerndes Wesen mit zwei Köpfen und acht Armen tauchte hinter ihm auf, packte ihn – und riss ihn so mühelos entzwei, als würde es sich um eine Strohpuppe handeln! Madoka war starr vor Schreck. Sie stand da und schaute ihrem Tod ins Gesicht. Eine Gestalt trat hoch aufgerichtet vor sie hin und nahm breitbeinig Aufstellung. Sie konnte nicht glauben, was sie da sah! Konnte es wirklich sein... „Kyoshiro...?“, hauchte sie ungläubig. Ohne sich zu ihr umzublicken sagte der junge Samurai kalt: „Kyo. Mein Name ist Kyo. Merk ihn dir lieber, oder ich schneide dir beim nächsten Mal, wenn du dies vergisst, die Zunge heraus, Süße!“ Sie blinzelte perplex. Wieso half er ihr? (Ganz im Gegensatz zu seinen groben Worten...) „Aber... warum...“ „Ich habe doch gesagt, dass es schade um dich wäre, Kleine. Eine glatte Verschwendung. Kein Dämon legt Hand an dich, bevor ICH dich nicht hatte.“ Er lachte böse – und dann erlebte sie das erste Mal die unglaubliche Brillianz der Kampfkunst von „Dämonenauge Kyo“: Mumiyo Jinpu Ryo. Mit einer unglaublich kraftvollen Bewegung stieß sich der junge Samurai vom Boden ab. Er beherrschte die Kunst der Illusion perfekt, denn er teilte seine Gestalt in der Luft und ließ seine geistigen Ebenbilder wie blitzschnelle Schatten unter die umgebenden Dämonen fahren, während er sich selbst geschickt mit wirbelnder Klinge über seinem Kontrahenten in der Luft drehte und wie ein Blitz von oben auf den überraschten Gegner hinabstieß. Er spaltete ihn glatt in zwei Hälften. Madoka konnte nicht anders als weiterhin vollkommen regungslos dazustehen und zuzusehen, wie Kyo einen Dämon nach dem anderen hinrichtete. Anders konnte man das nicht nennen. Es war ein einziges Gemetzel. Und dennoch... waren es einfach zu viele Gegner. Immer neue Dämonen spie die immer noch zitternde Erde aus. Der Hof und alle Gebäude glichen mittlerweile einem Schlachtfeld, das stellenweise sogar in helllodernden Flammen stand. Madoka hustete. Rauch wehte quer über den Hof. „Wenn du leben willst, dann folge mir!“, brüllte Kyo, den sie nur noch als fliehenden Schatten innerhalb schwarzer Qualmwolken ausmachen konnte. Er gestikulierte wild. Madoka war ein weiteres Mal einfach zu überrascht um sich zu rühren. Was hatte er da gerade gesagt? Noch vor wenigen Minuten hatte er ihr Leben bedroht und – vor allem – ihren besten Freund kaltblütig ermordet! Jetzt wollte er sie schützen??? Dieser Mann schien eine multiple Persönlichkeit entwickelt zu haben. Als ihm klar zu werden schien, dass sie sich nicht von sich aus in Bewegung setzen würde, überwand er mit einem derben Fluch auf den Lippen die Distanz zwischen sich und dem Mädchen mit ein paar gewaltigen Sprüngen, packte sie grob am Arm und zerrte sie einfach mit sich – auf den Brunnen und den bodenlosen Abgrund zu! „Was hast du vor?“, schrie sie und gewahrte aus den Augenwinkeln, dass eine Übermacht an dunklen, missgestalteten Dämonen, die mit seltsam abgehackt wirkenden, schnellen Bewegungen vorankroch, einen unüberwindlichen Ring um sie und den Brunnen geschlossen hatte. Und sie kamen näher. „Was glaubst du wohl!“, brüllte Kyo über den Lärm hinweg. "Ich tue, was der Alte gesagt hat und nutze mein Chance!“ Und mit einem großen Sprung setzte der junge Samurai über die Umrandung des Brunnens und zog die stolpernde junge Frau einfach hinter sich her, hinab in den Schacht, der sie wie ein zuschnappendes Maul aufzunehmen schien. Madoka fiel vornüber hinter Kyo in den Brunnen, und nur Sekundenbruchteile später schlug die schwarze, brodelnde Masse aus Dämonen über dem nun immer schneller kleiner werdenden Ring aus Tageslicht über dem Rand des Schachtes zusammen, verschlang auch noch das letzte bisschen Licht. Und dann wusste sie gar nichts mehr. Kapitel 2: Gefangen im goldenen Käfig ------------------------------------- Hallo!^^ Diesmal möchte ich nur kurz vorab ein kleies Dankeschön loswerden für diejenigen, die sich tatsächlich dazu bewogen fühlten diese FF zu lesen und mir schon Kommies gegeben haben. Vielen Dank! Das freut mich riesig! Außerdem möchte ich noch kurz zur Information sagen, dass meine FF VOR den Ereignissen der InuYasha-Serie angesiedelt ist, also während der Epoche der kriegerischen Staaten, jedoch unmittelbar bevor InuYasha von Kikyo mit einem Pfeil gebannt wird. Meine Story wird daher sowohl lediglich InuYasha selbst, als auch Kikyo und eben Onigumo/Naraku aus dem InuYasha-Versum beinhalten und ich versuche dort anzukommen, wo es dann bei der Serie startet. Doch eigentlich ist diese ganze Geschichte nur am Rande wichtig. Denn die eigentliche FF wird sich vornehmlich mit Kyo, Madoka und Shinta Himura befassen. Und jetzt dauerts auch net mehr lange, bis Fans von "Samurai Champloo" auf ihre Kosten kommen werden^^. Ich wünsch euch (hoffentlich) viel Spaß! Bleibt mir gewogen und schreibt bitte Kommies.^^ Ihr seids meine Muse!^^ Ich bin mir nämlich noch nicht ganz so im Klaren darüber, wo mich die Story nun eigentlich hinführen wird...^^ Na denn, jetzt geht's nach langer Pause erstamal weiter. An dieser Stelle noch ein weiteres Dankeschön. Diesmal an Rogue-chan, die mich dazu inspiriert hat, trotz eines fehlenden roten Fadens dennoch weiterzuschreiben. Ich lass mich von der Story treiben. Mal sehen, wos mich hinführt^^. Okay, hier kommt Kapi Nummer 2!^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Edo Zeit der „kämpfenden Länder“ / Sengoku-Ära 1500 n. Chr. Es war kalt. Sehr kalt. Die Kälte kroch auf dünnen Spinnenbeinen über ihren zitternden Körper hinweg und langsam, aber beständig auch in ihr Innerstes hinein, drohte sie zu lähmen und ihren Herzschlag zu verlangsamen. Sie hörte ein seltsam seidiges Rauschen um sich herum. Ein leises Plätschern drang gedämpft an ihr Ohr. Von fern glaubte sie Stimmen zu vernehmen, aber sie selbst war noch zu weit weg, noch zu sehr gefangen genommen von der Umarmung der gnädigen Bewusstlosigkeit, in der sie sich befunden hatte, um es mit Sicherheit sagen zu können. Ganz, ganz langsam kam mit ihren bewussten Empfindungen auch die Erinnerung zurück. Es war ein wirklich mühseliger und beinahe sogar schmerzhafter Prozess. Denn mit der Erinnerung kamen der Schrecken und die Fassungslosigkeit zu ihr zurück über das, was sie in den letzten Stunden erlebt hatte. Oder war es schon länger her gewesen, dass sie den Tod ihres besten Freundes mit hatte ansehen müssen, dass vor ihren Augen ihr alter, gütiger Lehrmeister von einer Horde schrecklicher Dämonen umgebracht worden war und dass sie mit einem gesuchten Mörder in den lichtlosen Schacht des knochenfressenden Brunnens gesprungen war? Sie konnte weder genau benennen wie viel Zeit seit den schrecklichen Ereignissen auf dem Anwesen der Higurashis vergangen war, noch genau den Ort, an dem sie sich nun befand. Die Umstände von Takerus Tod waren schon beinahe absurd. Der Auftritt von Dämonenauge Kyo, das Erscheinen der fürchterlichen Monster aus den Tiefen der Erde, wo sie schon seit Urzeiten womöglich auf genau diesen Tag gewartet hatten - das alles konnte kein Zufall sein, war zugleich aber auch so unglaublich, dass jemand wie sie, Madoka, an ihrem Verstand zu zweifeln begann. Hatte sie das alles wirklich erlebt? Gab es Dämonen also wirklich? Diese entsetzlichen Kreaturen, welche direkt aus der Hölle zu stammen schienen, waren also nicht nur eine Erfindung der Ältesten, um die junge Generation einzuschüchtern und gegebenenfalls Gehorsam dadurch zu erzwingen, indem man damit drohte, dass "böse Geister" sie des Nachts holten, sollten sie nicht artig sein? Sie erschauerte. Angst? Momentan hatte sie die nicht. Sie war vollkommen verwirrt, fühlte sich verletzt und desorientiert. Aber Angst...? Es war ein zu großes Durcheinander in ihrem Kopf, um ein solches Gefühl überhaupt aufkommen zu lassen. Während sie sich unendlich langsam und mühevoll in die Wirklichkeit zurückkämpfte arbeitete ihr Kopf bereits auf Hochtouren, versuchte das Geschehene zu verarbeiten. So vieles war in so kurzer Zeit geschehen, so viel Unglaubliches auf sie eingestürmt, dass Madoka im Geiste buchstäblich kapitulierte und ganz bewusst lediglich nur noch einen einzigen Gedanken, ein einziges Gefühl zuließ: Wut. Schicksal oder nicht, Zufall oder nicht - warum auch immer dieser Mann in ihr Leben getreten war - sie würde dem "Mörder von Tausenden" niemals vergeben können was er ihrem Freund angetan hatte. Alles was WIRKLICH zählte war ihr Schmerz, ihre Trauer und eben ihre Wut. Kalte Wut. Ein Zorn, der beinahe so eisig daherkam, wie es die sie umgebende Kälte tat. Ihr Hände gruben sich, zu Fäusten geballt, in etwas, dass sich anfühlte wie Schlamm oder Erde. Warum hatte er das getan? Warum hatte er Takeru umbringen müssen? Sie konnte sich die Frage gleich selbst beantworten: Ein "Mörder von Tausenden" kannte das Wort Gnade wahrscheinlich nicht einmal... Sie schluckte den bitteren Kloß in ihrer Kehle hinunter - zumindest versuchte sie es. Sie wollte die Augen öffnen, merkte jedoch, dass sie von den eigenen, getrockneten Tränen so verklebt waren, dass dies im ersten Moment nicht möglich war. Wann hatte sie geweint? Sie wusste es nicht mehr. Sie wusste jedoch sehr wohl, dass der Zorn, den sie nun empfand sie nur noch mehr abwandte von ihrem Glauben, dass er sie gefährlich weit in jene Richtung zog, in der die Dämonen ihre Bosheit zelebrierten und in welcher der jedes menschliche Gefühl verhöhnende Hass wohnte. Und plötzlich, so schnell wie sie nach ihrem Erwachen gekommen war, verrauchte die Wut wieder. Als hätte der letzte Gedanke den Ausschlag gegeben, so spürte sie nun nichts anderes mehr als eine quälende Trauer und Resignation. Doch sie wusste auch, dass sie nun niemals mehr eine Miko werden konnte. Denn mit dem Auftauchen der Dämonen in ihrer Welt war etwas in ihr gestorben. Sie wusste nicht was es war, aber es war wichtig gewesen. Wichtig für den Glauben, den sie nun nicht mehr guten Gewissens repräsentieren konnte. Sie war nun nichts weiter mehr als eine junge Frau. Allein, ohne Glauben und ohne Hoffnung. Es war erstaunlich, wie schnell sich ein Leben unwiderruflich und endgültig ändern konnte. Vielleicht hatte es das Schicksal oder eine wie auch immer geartete Macht so gewollt. Vielleicht SOLLTE sie keine Miko werden. Vielleicht hatte man etwas anderes mit ihr vor... Bloß WAS? Und die noch viel beängstigendere Frage lautete: Wer oder was war MAN...? Wieder versuchte sie ihren Körper aus der Bewegungslosigkeit, der Lähmung zu lösen, zu befreien. Mit bewusster Kraftanstrengung versuchte sie, die Hände aufzustützen, sich aufzusetzen, doch sie war noch zu schwach dazu, atmete schwer schon ob des Versuchs. Sie hörte wieder Stimmen, oder glaubte es zumindest. Dann Schritte. Doch das alles drang wie von weiter Ferne zu ihr herüber, betraf sie noch nicht wirklich. Für einen Moment gestattete sie es sich, der Trauer und dem beinahe grenzenlosen Schmerz in sich nachzugeben. Sie fror erbärmlich, aber die innere Qual überwog momentan bei weitem. Sie hatte das Gefühl, eine eiskalte Hand würde sich um ihr Herz legen und unbarmherzig zudrücken. Obwohl ihre Augen nach wie vor geschlossen waren und ihr Körper sich noch weigerte, der warmen, tröstenden Geborgenheit der Besinnungslosigkeit vollends zu entfliehen, konnte sie mit einem Mal eine benahe heiß zu nennende Berührung auf ihren Wangen spüren. Mit beinahe wissenschaftlichem Interesse registrierte sie, dass sie offenbar erneut ihrer Trauer mit Tränen Ausdruck verlieh, hatte aber keinen direkten Einfluss darauf, diese Tränen zu stoppen. Unaufhörlich glitt die salzige Flüssigkeit unter ihren geschlossenen Lidern hervor. Sie konnte es nicht verhindern. Und wo sie sonst immer Trost in der Lehre des Erleuchteten fand, spürte sie nur Verzweiflung, Verwirrung und Trauer in einem solchen Maße, wie sie es noch nie zuvor erfahren hatte. Ihr war klar, dass sie ihren Glauben womöglich für immer verloren hatte - vielleicht in jener einen, schrecklichen Sekunde, in der Takeru starb, vielleicht aber auch schon in dem Moment, als sie zum ersten Mal in die Augen eines Dämons mit dem Namen Kyo geblickt hatte. Ein solches Wesen - der Erleuchtete sei gelobt für die Artenvielfalt, der er das Leben vergönnte -, ein solch abgrundtief böses Wesen KONNTE nicht von ihm gewollt sein. Und auch nicht geduldet. Dieser Mann, Kyo Mibu. Das war kein Mensch. Nicht im eigentlichen Sinne dieses Wortes. Er sah vielleicht AUS wie ein Mensch, aber sein Herz (wenn er denn überhaupt eines hatte) war so hart wie Stein. Das Wort "Gefühle" musste für ihn ein Fremdwort sein. Vor ihrem inneren Auge blickte sie erneut in sein zu allem entschlossenes Gesicht, in seine lodernden Augen und der eisige Griff um ihrem Herzen nahm noch zu. Dieser unbändige, alles umschließende HASS, der ihr aus diesem Blick entgegengeschlagen war, mochte so gar nicht zu der Tatsache passen, dass er sie anscheinend vor dem sicheren Tod gerettet hatte, indem er sie in den Brunnen mitriss. Wie passte das alles zusammen? Wie konnte er scheinbar willkürlich Menschen töten und einen anderen dafür retten? Oder versprach er sich am Ende irgendeinen Nutzen von ihr? Nur... welcher Art von Nutzen konnte sie einem gesuchten Mörder schon sein... Ekel überkam sie, als sie an seinen anzüglichen Blick dachte, mit dem er sie bedacht hatte. Ekel... aber auch noch etwas anderes. War alles an ihm sehr dämonisch, beinahe übermächtig stark gewesen, sein Zorn, seine Kraft, sein Wille, so war doch DIESE Geste eindeutig die eines Menschen gewesen, eines MANNES, um genau zu sein. Hatte der alte Higurashi den gesuchten Mörder nicht anders genannt, als dieser sich selbst? Kyoshiro? War dieser Mann, Kyoshiro, am Ende... krank? Madoka zuckte zusammen, als etwas in ihrer Nähe lautstark polterte. Es hörte sich an, als wäre eine Tür zugeschlagen worden. Eine raue Stimme brüllte irgendwelche Befehle. Doch Madoka lag noch immer da wie gelähmt, konnte ihre Gedanken nicht daran hindern weiter fieberhaft zu kreisen, während ihr Leib scheinbar zur Untätigkeit verdammt war. Eine Krankheit… Es GAB solche Fälle. Sie hatte davon gehört. Ein Körper, den sich zwei oder noch mehr Seelen zu teilen schienen. Menschen mit dieser Erkrankung galten als besessen. Als unheilbar. Und als unberechenbar. Und wenn ein Wort auf diesen leibhaftigen Dämon in Persona zutraf, dann wohl dieses: Unberechenbar. Und dennoch... Da war etwas gewesen... Etwas, das er gesagt hatte, vielleicht auch etwas, dass er NICHT gesagt und was sie dennoch irgendwie... gespürt hatte. Sie konnte es partout nicht benennen und im Grunde war sie auch viel zu wütend auf ihn, um ihm irgendeine Art von entschuldigendem Argument zu seinen Gunsten zuzugestehen. Aber sie konnte nicht umhin, dass es sie verwunderte, dass er sie gerettet hatte. Dies widersprach dem Bild des furchtbaren Mörders so grundlegend, dass allein DIES schon ausreichte, sie verwirrt darüber nachdenken zu lassen, warum er so gehandelt hatte. Wahrscheinlich durfte man bei einer derart kranken Persönlichkeit keinen tieferen Sinn in dessen Handlungen erwarten. Aber... Erneut sah sie Takeru in einem Regen von Blut niedergehen. Der Unglaube in seinem Blick hatte sie wie ein Pfeil durchdrungen. Nein. Sie konnte, sie würde diesem Bastard, dieser Missgeburt von einem Mörder, NIEMALS vergeben können was er getan hatte. Krankheit hin oder her - es gab keinerlei Entschuldigung für solche, scheinbar sinnlose, Mordlust. Takeru.... Es tat so weh. Er war wie ein Bruder für sie gewesen. Immer da, wenn sie ihn brauchte und jemand, mit dem sie alles teilen, viel gemeinsam lachen konnte. Higurashi hatte nicht nur seinen Sohn, sondern auch sie selbst wie sein eigenes Kind aufgezogen. Sie weinte nun heftiger. Doch sie konnte außer den Spuren ihrer Tränen nun auch noch eine andere, unangenehmere Feuchtigkeit auf ihrer Haut spüren, denn, wenn auch sehr langsam, es kehrte nun mehr und mehr auch endlich das Leben in ihren Körper zurück, dem ihr Geist schon weit vorausgeeilt war. Die Kälte wurde schneidend und tat nun beinahe weh. Sie MUSSTE die Augen öffnen. Egal was für ein furchtbarer Anblick sich ihr auch bieten mochte. Sie konnte nicht ewig die Augen vor der Welt verschließen. Oder doch? Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Mit einem Mal waren die Schritte, die sie zuvor schon vernommen hatte, heran. Sie bekam einen brutalen Tritt in den Unterleib. Es tat entsetzlich weh, klärte jedoch ihre Gedanken völlig. Eine derbe Stimme schrie: "Wach auf, kleine Hure! Kannst du mir mal verraten was du da unten im Dreck treibst? Steh sofort auf, verdammt noch Mal!" Madoka bewegte sich. Ganz vorsichtig öffnete sie die Augen, erkannte zunächst nur Schemen, Umrisse, alles grau in grau. "Heh, kannst du nicht hören, was ich gesagt habe? Steh AUF, du dreckige kleine Schlampe! Neu oder nicht: Ihr Pomeranzen vom Lande wisst wohl WIRKLICH nicht wie man sich in einem anständigen Bordell in der Stadt verhalten muss!" Der Tritt wurde wiederholt. Madoka krümmte sich zusammen. „Verdammt FROH sein solltest du, dass du ein Dach über dem Kopf und genug zu Essen hast!“ Doch bevor ihr Peiniger noch ein weiteres Mal zutreten konnte erhob sie sich mühsam auf die Ellenbogen. Denn zu ihrer eigenen, grenzenlosen Überraschung erkannte sie nun, dass die am Boden gelegen hatte. Genauer gesagt, mitten in einer Pfütze, im Schlamm, auf einem zwielichtigen Hinterhof, auf den der kalte Regen nur so niederströmte. Sie war vollkommen durchnässt. Deshalb also diese entsetzliche Kälte. Madoka blickte vollkommen verwirrt um sich. Wo war sie zum Teufel? Wie war das nur möglich? Wenn sie wirklich in diesen Schacht gestürzt waren, wieso... Warum lebte sie noch? (Die Schmerzen, die sie nun, einmal bei Bewusstsein, sehr deutlich am ganzen Leib spüren konnte und auch die Kälte schienen ein weiteres, eindeutiges Indiz dafür zu sein, dass sie NICHT tot war, wie sie anfangs mit einem kleinen Teil ihres Bewusstseins angenommen, sogar irgendwie GEHOFFT hatte...) Die Gestalt vor ihr, die sie erst jetzt einer näheren Betrachtung unterzog (ein grobschlächtiger, dicker Kerl, mit ungepflegter, vor Fett glänzender Tonsur, jedoch mit einem kleinen, spießigen Pferdeschwanz im Nacken und mit winzigen, bösartigen Augen in einem dafür viel zu großen und feisten Gesicht) machte sich nun daran, mit Händen, die beinahe so groß wie ihr Kopf waren, zu ihr hinzufassen - oder sie zu schlagen, so genau konnte sie die Fuchtelei in die er verfiel nicht ergründen. "Mach schon! Die ersten Gäste sind in zwei Stunden hier! Steh auf, oder ich werde dich lehren..." Er holte nun tatsächlich aus. Die Ohrfeige hätte ihr ganz ohne Zweifel erneut das Bewusstsein geraubt, aber Madoka war einfach noch viel zu verstört um zu reagieren. Da sprang ein schlanker, kleiner Schatten zwischen sie und den Mann. Madoka erhaschte einen flüchtigen Blick auf sehr teure Stoffe, einen Kimono zweifellos, und auf ein paar ihres Erachtens viel zu dünne Beine für eine Geisha. Das junge Mädchen baute sich schützend vor Madoka auf und schob kampfeslustig das Kinn vor. "Was soll das, Tomasu?“, fauchte es böse. „Du weißt doch ganz genau was der Herr mit dir macht, wenn du seine Mädchen verprügelst! Ihr Wert sinkt, wenn du ihnen Verletzungen zufügst! Der Meister wird SEHR ungehalten sein!“ Der riesige Kerl hielt tatsächlich mitten in der Bewegung inne und starrte für ein paar Sekunden beinahe einfältig in das Gesicht seines Gegenübers. „Ja, ganz genau, du ungehobelter Holzklotz!“, fuhr das vor Wut schäumende Mädchen fort. „Ich werde dem Herrn mitteilen, wie du mit Neuzugängen so umzugehen pflegst. Ich denke, dann kannst du dir das kleine gratis Schäferstündchen mit Yukari-san, dem du jeden Morgen nachgehst, in deine fettigen Haare schmieren! Scher dich gefälligst weg! Ich kümmere mich schon um sie!“ Vollkommen erstaunt beobachtete Madoka, wie sich der um einiges größere und selbstverständlich auch sehr viel stärkere Tomasu von dem Ausbruch der jungen Frau scheinbar vollkommen eingeschüchtert herumdrehte und über den Hof hinweg trollte. Das Mädchen drehte sich herum und ließ sich in einer einzigen, fließenden Bewegung zu ihr in die Hocke sinken. Madoka fühlte einen Arm um ihren Schultern, als die junge Frau sie besorgt stützte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie leise. „Es tut mir so Leid. Tomasu ist... dumm, aber leider mit etwas zuviel Muskelkraft gesegnet. Kannst du aufstehen? Wir müssen ins Haus. Tomasu ist bloß dämlich, aber sollte dich einer der anderen Männer des Herrn hier so antreffen, kann ich dich nicht weiter schützen, fürchte ich...“ Madoka schaute sie ungeachtet ihrer Worte einfach nur verwirrt an. „Wer... wer bist du? Und wo... bin ich... hier?“ „Später.“, sagte das Mädchen, nun eindeutig mit einem leicht nervösen Unterton in der Stimme. „Mir ist klar, dass du nicht von hier sein kannst. Und Neuzugänge pflegen nicht auf dem Hof im Dreck zu liegen. Aber du solltest einfach tun was ich dir sage, ja? Wenn du nicht erst einmal so tust, als wärst du eine von uns, dann wird man dir unangenehme Fragen stellen – im besten Fall...“ ‚Eine von uns...’, dachte Madoka. Wie meinte sie das nur? Dennoch war da etwas in der Stimme der jungen Frau, das sie alarmierte und was sie dazu bewog, sich nun doch von ihr aufhelfen zu lassen. Es ging besser als sie geglaubt hatte. Zwar taten ihr buchstäblich sämtliche Knochen im Leib weh, so als wäre sie tatsächlich aus großer Höhe irgendwo hinunter gefallen (hier machte der Knochenfressende Brunnen seinem Namen wohl alle Ehre...), aber sie konnte sich mit Hilfe des Mädchens langsam aufrichten und sich schließlich sogar von ihr in das Haus führen lassen. Das erste was ihr auffiel, war die angenehme Wärme, die sie nach der Kälte im Regen draußen wie eine warme Umarmung zu empfangen schien. Das zweite gleich darauf der Geruch. Er war... fremdartig. Aber nicht unangenehm. Es roch ein wenig nach den Räucherstäbchen, die sie immer im Schrein entzündet hatte. Aber da war auch noch ein sehr süßer, sehr viel... schwererer Duft in der umgebenden Luft, den sie erst sehr viel später als Moschus erkannte. Moschus... Irgendetwas sollte ihr diese Tatsache wohl sagen, aber sie wusste es nicht mehr. Es war in diesem Moment auch nicht weiter wichtig, denn nun kamen sie über einen Hintereingang durch eine Art Lagerraum und sie erkannte in der samtenen Dunkelheit hier drinnen die Umrisse von nicht wenigen Ständern, auf denen prachtvolle Kimonos ausgebreitet hingen, die in ihrem Prunk teilweise verirrte Lichtstrahlen von draußen oder aus dem inneren des Hauses auffingen und glitzernd zurückwarfen. Die Kimonos mussten reich bestickt mit allerhand Kostbarkeiten sein. Wo zum Teufel WAR sie hier, dachte sie erneut. Oder sollte sie eher fragen: WANN? Denn zur Zeit des kriegerischen Tokugawa-Shogunats war das Land arm gewesen und selbst in Geisha-Häusern fiel die ansonsten sehr auffällige Kleidung eher schlichter aus. Ein Geisha-Haus? Irgendetwas schlug auf diesen Gedanken hin in Madoka an. Aber auch für diesen Gedanken hatte sie nicht mehr Zeit, als ihn flüchtig zur Kenntnis zu nehmen. Denn nun betraten sie anscheinend und unübersehbar die Diele des Hauses, obwohl dieser Ausdruck dem Aussehen des riesenhaften Raumes, den sie nun betraten, eindeutig nicht gerecht wurde. Der Haupteingang lag nun tatsächlich gegenüber von ihnen, das war aber auch schon alles, was dieser... Saal mit einer „Diele“ gemein hatte. Der Raum war gigantisch. Das Haus musste einer kleinen Burg gleichkommen, wenn schon der Eingangsbereich so groß angelegt worden war. Staunend sah sich Madoka mit großen Augen um. Es war ein Prachtbau. Anders konnte man das hier nicht nennen. Buchstäblich ALLES hier war aus Holz. Mächtige dunkle Balken aus Taek stützten eine Decke, die beinahe zwanzig Meter über ihren Köpfen schwebte. Der Raum war mit großen, sauberen Tatami ausgelegt, die Wände allesamt mit prachtvoll bemalten Wandschirmen überzogen. Hier und da unterteilte ein geschmackvoll eingesetzter Paravent den Saal in kleinere Bereiche, die mit farbigen, sehr weich aussehenden Sitzkissen ausgestattet waren und zum verweilen einluden. In der Mitte des Raumes gab es einen Zierbrunnen, der mit großen, wunderschönen Kois benahe zum Bersten gefüllt war. Rechts und links gab es jeweils Durchgänge zu anderen Teilen des Hauses und jeweils zu beiden Seiten auch eine Treppe, die mit ihren reich verzierten Geländern auf eine Galerie hinaufführten, die den Raum zur Gänze umspannte. Als Madoka den Kopf in den Nacken legte erkannte sie, das auch dort etliche Durchgänge abzweigten, teilweise von wunderschön bemalten, papiernen Türen verschlossen. Überall standen Schalen mit Obst oder anderen Köstlichkeiten herum und farbige seidig-leichte Tücher hingen von der Galerie hinunter, gaben dem Raum etwas beinahe Orientalisches und Unwirkliches. Und Madokas Staunen fand noch kein Ende. Denn die Sitzgelegenheiten waren teilweise durchaus besetzt... Madoka blieb stehen, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. Schlagartig verlor der Raum für sie sämtlichen Charme. Alles was sie zuvor wunderschön und beeindruckend gefunden hatte wirkte mit einem Male eher... aufgebläht und übertrieben auf sie. Alles war ein kleines bisschen ZU kitschig. Alles ein kleines bisschen ZU überladen und zu aufdringlich, seien es nun die Farben, die Verzierungen oder sogar die Gerüche, die ihre Sinne zu vernebeln und sie einzulullen schienen. Madoka starrte vollkommen perplex auf die jungen Frauen und Mädchen die sich halbnackt (teilweise auch durchaus nackt) auf den Kissen oder am Boden räkelten. Und sie waren nicht allein. Natürlich sah Madoka so etwas nicht zum ersten Mal. Aber es erschreckte sie doch einigermaßen, dass hier gleich mehrere Pärchen der Liebe frönten. Sie war zwar innerlich abgestoßen und entsetzt, musste aber dennoch hinsehen – und hasste sich beinahe für den Voyeur, der scheinbar an ihr verlorengegangen war. Zwar waren die Männer und Frauen äußerst beschäftigt miteinander, den eigentlichen Liebesakt sah sie jedoch nirgends, wie sie mit einem Anflug von Erleichterung registrierte. Das junge Mädchen, das sie führte, zog sie weiter mit sich und steuerte eine der Treppen an, die zu ihrer Rechten. „Mach dir nichts draus. Das ist hier so üblich, weißt du? Sie gehen hier vorne nie... zum Äußersten. DAFÜR müssten sie nämlich bezahlen, die werten Herren.“ Das klang herablassend. „DAS HIER ist nur... der Appetitanreger...“ Täuschte sich Madoka oder war aus der Stimme des Mädchens mit einem Mal auch noch etwas anderes herauszuhören? Resignation? Traurigkeit? Madoka schüttelte den Gedanken ab und folgte der jungen Frau die Treppe hinauf und einen der von der Galerie abzweigenden Gänge hinunter. Das Mädchen öffnete am Ende des Ganges eine der papiernen Türen und bugsierte Madoka in einen behaglichen, jedoch sehr einfach eingerichteten Raum. Sie sah noch einmal kurz hinaus und zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren und schien zu lauschen. Dann schloss sie die Tür hinter sich. Sie kam zu Madoka zurück und drückte sie auf einen der beiden Futons hinunter die in dem Zimmer rechts und links einer kleinen Feuerstelle lagen. Kleine papierne Laternen, die am Boden in den Ecken des Raumes standen spendeten ein warmes, gelbes Licht. Das Mädchen ging zu einer Wand und zog sie beiseite. Dahinter kam eine Art geräumiger Schrank zum Vorschein, aus dem sie zwei Handtücher hervorkramte und sie Madoka zuwarf. „Hier.“, meinte sie ohne große Erklärungen. „Du bist ja völlig durchnässt.“ Madoka nahm die Handtücher dankbar an und begann vorsichtig, ihren Yukata auszuziehen, den sie über der Miko-Kleidung trug. Das Mädchen sah ihr eine Weile mit schräg gehaltenem Kopf zu und lächelte plötzlich leicht. „Also... ich hätte nicht gedacht, dass ich noch jemandem begegnen würde, dem es genauso besch... eiden ging wie mir damals.“ Madoka wurde nicht schlau aus diesen Worten. Sie blickte nur fragend auf, während sie ihre Haare hochnahm und zu einem Turban drehte. Das Madchen setze sich ihr gegenüber auf den anderen Futon. „Mein Name ist Fuu. Wie heißt du? Und woher kommst du? Bist du... auch durch die Zeit gereist?“ Jetzt war Madoka so perplex, dass sie mitten in der Bewegung innehielt und Fuu aus großen Augen anstarrte. „Wie... woher...?“ „Ach, das kann man doch sofort sehen.“, meinte das junge Mädchen arglos. „Ach, ja... Kann man das...?“ Madoka flüsterte bloß. Die ganze Situation kam ihr ... vollkommen absurd vor. Wer war dieses kleine, kesse Mädchen überhaupt? Fuu seufzte. „Oh, ich seh schon. Wir müssen da weiter ausholen.“ Sie schwieg einen Moment und legte auf eine seltsam spitzbübisch wirkende Art den Kopf auf die Seite. „Mmm, ich glaube, hier sind wir erst einmal ungestört. Es ist ja auch noch ein bisschen Zeit, bis wir offiziell öffnen. Also, was hältst du davon, wenn du dich erstmal komplett ausziehst und abtrocknest? Ich kümmere mich um ein bisschen Tee. Und dann werden wir mal sehen, wo wir dich am besten unterbringen.“ Als sie ohne Umschweife das Zimmer verlassen wollte hielt sie Madoka noch einmal zurück. „Fuu?“ Das Mädchen blieb stehen, sah über die Schulter zurück. „Ist das hier... ein... ein...“, sie hatte Mühe das Wort auszusprechen. Als angehende Miko hatte sie zwar von solchen Häusern gehört, war aber nie in einem gewesen. „Ein Bordell? Ein Hurenhaus? Jep, ganz Recht, mein Schatz. Und DU bist nun eine von uns. Wenn dir dein Leben lieb ist, dann wirst du dich wohl anpassen müssen. Wenn du als Frau einmal hier bist, kommst du lebendig hier nicht mehr heraus. Es sei denn, jemand kauft dich frei. Aber das ist in den 3 Monaten die ich nun hier bin zumindest noch nie vorgekommen..., also...“, sie lächelte ungeachtet ihrer verstörenden Worte aufmunternd. „Aber mach dir nichts draus. Ich werde nämlich sicher bald gerettet, weißt du? Und dann kannst du mit mir kommen, wenn du magst.“ Ohne ihre Worte weiter zu erklären verließ Fuu das Zimmer endgültig und schloss die Tür hinter sich. Und Madoka war wieder allein. Allein mit ihren Gedanken, allein in ihrer Verlorenheit und grenzenlosen Verwirrung und Trauer. Und das erste was sie tat, als Fuu gegangen war, war sich vollkommen erschöpft in die Decke auf dem Futon einzurollen und zu weinen. Sie weinte, wie sie wohl noch nie in ihrem Leben geweint hatte. Bis sie schließlich ein traumloser, tiefer Schlaf von ihren momentanen Qualen erlöste. Als Madoka erwachte stand vor ihrem Futon ein Tablett mit Tee und eine kleine Schale mit geschnittenem Obst. Erst bei diesem Anblick merkte die junge Frau, dass sie tatsächlich Hunger hatte. Sogar einen sehr beträchtlichen, den das Obst ohnehin nicht zu stillen vermochte. Aber sie nahm an, was ihr gegeben wurde und begann beinahe gierig zu essen. Sie wurde jedoch immer langsamer als sie sich erstens der Tatsache bewusst wurde, dass sie hier sorglos etwas aß, während vor kurzem erst ihr geliebter Mentor und ihr bester Freund ermordet worden waren, und zum anderen, weil sie sich der Blicke Fuus ausgesetzt sah, die ihr wieder gegenüber saß und sie besorgt anschaute. Madoka starrte zurück, hatte vergessen zu kauen. „Du kannst ruhig weiteressen.“, meinte Fuu wieder in diesem für diesen Ort so unpassenden, irritierend fröhlichen Ton. „Ich denke nicht, dass der Tod deines Freundes dich daran hindern sollte weiterzuleben wie bisher. Also ISS.“ Madokas Augen wurden größer. “Woher… weißt du...?” „Oh, du hast im Schlaf geredet. Um nicht zu sagen geschrieen. Takeru hieß er, nicht wahr? Und er wurde kürzlich getötet. Soviel konnte ich deinen Worten schon entnehmen.“ Plötzlich wurde sie übergangslos sehr ernst. So ernst, dass man ihr nun wiederum DIESEN Gesichtausdruck AUCH wieder nicht abnehmen wollte, da ihr Gesicht beinahe noch kindlich und arglos wirkte. „Du hast vieles erleiden müssen, nicht wahr? Erzähl mir alles. Ich kann gut zuhören. Und niemand wird etwas erfahren, das verspreche ich dir. Vielleicht... bin ich hier deine einzige Verbündete.“ Madoka sah sie an, kaute nun aber langsam weiter und schluckte. „Und wieso... hilfst du mir?“ Fuu blinzelte: „Tut man das denn in eurer Zeit nicht auch?“ Dann schüttelte sie jedoch den Kopf. „Vielleicht helfe ich dir nur aus dem Grund, weil ich weiß wie es ist, wenn man hierher kommt und einem eben NICHT geholfen wird und man ganz allein zurechtkommen muss. Glaube mir, ich weiß wovon ich rede.“ Madoka sah sie bestürzt an. „Also, um dir einen Vertrauensbeweis zu liefern... äh... Wie ist eigentlich dein Name? Den hast du in deinem Traum leider nicht erwähnt.“ „Madoka...“, flüsterte die junge Frau leise. „Ich heiße Madoka...“ „Nun ja, Mado-chan. Dann werd ich dir mal erzählen, wie WIR hier hergekommen sind.“ „Ihr?“, fragte Madoka verwirrt und auch ein kleines bisschen verdutzt, da Fuu sie sofort mit Kosenamen angesprochen hatte. Aber das Mädchen schien darüber gar nicht groß nachzudenken. „Jep, WIR. Mugen, Jin und ich.“ Und im Folgenden begann Fuu zu erzählen, dass sie zuvor während der Tokugawa-Zeit mit einem jungen Samurai namens Jin und einem liebenswerten Chaoten und Tagedieb namens Mugen gemeinsam durch Japan gezogen war, um diverse Abenteuer zu erleben. „Weißt du, nachdem wir den Mann, der nach Sonnenblumen duftete endlich gefunden hatten (ich will dir hier die Details ersparen, aber herrjeh, ich sage dir, DAS war eine Geschichte.. Also wenn der Mugen nicht gewesen wäre, und wenn Jin nicht... Naja, ich erzähl dir das mal, wenn wir mehr Zeit dafür haben^^...), jedenfalls, als wir diese Sache mit dem Sonnenblumen-Kerl endlich geklärt hatten und Mugen und Jin auch IHRE Meinungsverschiedenheit endlich zum Abschluss gebracht hatten, beschlossen wir auch weiterhin gemeinsam zu reisen. Einfach so. Wir sind nämlich schon irgendwie Freunde geworden... ahh... eh, na ja, das langweilt dich sicherlich...“ Fuu kratzte sich am Kopf. „Nun ja, um auf diesen merkwürdigen Zwischenfall mit der Zeitreise zurückzukommen.... Mugen, Jin und ich übernachteten in einer Art verlassenem Tempel am Tokaido in der Nähe der Shinsa-Berge. Und urplötzlich gab es da ein Erdbeben. Ich weiß auch nicht, woher dann auch noch plötzlich dieses schreckliche Unwetter kam. Aber dann... waren da mit einem Mal... ganz furchtbare... Wesen. Geschöpfe. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen... Es war furchtbar.“ Fuu, ob ihrer eigenen Worte und der Erinnerung, die diese mit sich brachten, sichtlich erschüttert hielt kurz inne. „Dämonen.“, sagte Madoka leise. Fuu hob den Kopf. Ihre Augen waren weit aufgerissen. „Du... weißt...?“ „Ja. Bei mir war es ähnlich. Erzähle bitte weiter.“ Fuu nahm sich sichtlich zusammen und fuhr schließlich fort. „Sie haben uns angegriffen. Genauer gesagt ging es ihnen glaube ich um etwas, das in dem alten Schrein verborgen war. Die haben das ganze, alte Gebäude auseinandergenommen. Wir waren wohl nur zufällig im Weg. Lästig halt. Und somit leichte Beute. DACHTEN sie... Wenn sie überhaupt denken können, meine ich... Aber...“, ihre Augen begannen plötzlich wieder zu leuchten, „...aber sie kannten Mugen und Jin nicht! Die lassen sich nicht so leicht umbringen, weißt du? Wir haben gekämpft wie die Raubkatzen... Naja, SIE haben gekämpft, ich hab mich zu dem Zeitpunkt... um... den Proviant gekümmert. Der musste schließlich auch gerettet werden. Wenn du wüsstest, wie wenig zu Essen wir immer auf unseren Reisen...“ Madoka verdrehte leicht die Augen. Fuu besann sich dann auch gleich wieder. „Naja, und dann tat sich plötzlich der Boden auf und wir sind hineingefallen. Dann waren wir plötzlich hier.“ Stille. Madoka blinzelte. DAS ging ihr nun doch ein wenig ZU schnell. „Moment. Du sagst, der Boden hätte sich aufgetan?“, fragte sie. „Ja, ich weiß auch nicht. Vielleicht lag es ja an dem Beben. Jedenfalls fielen wir drei in diese... bodenlose Schwärze. Und ich wachte hier wieder auf. Genau wie du. Im Hinterhof dieser... dieses Hauses... Naja... und...“ „Und du weißt nicht, wo deine Freunde jetzt sind, richtig?“, schloss Madoka. Fuu nickte bedrückt. „Behauptest aber, dass du bald gerettet wirst? Wie kannst du denn wissen, ob...?“ „Ich WEIß es eben!“, unterbrach sie Fuu aufbrausend. „Wenn wir bei unserer Reise durch die Zeiten getrennt wurden und sie ebenfalls hier sind, dann werden sie mich finden und mich hier herausholen. Das WEIß ich einfach!“ Es klang trotzig. Und Madoka wusste nicht, was sie mehr überraschte: Die kindliche Naivität, mit der das Mädchen scheinbar an eine Rettung glaubte, die so gut wie unmöglich schien, oder die tiefe Loyalität und Freundschaft, die sie mit diesen zwei Fremden verband. Sie schwieg kurz. Dann sagte sie: „Also, seid ihr auch getrennt worden...“ Fuu sah sie an. „Du bist auch... nicht allein gekommen?“, fragte sie schüchtern. Madoka schüttelte ganz leicht den Kopf. Dann begann sie zu erzählen. Sie berichtete Fuu kurz von ihrem früheren Leben und schließlich von dem Überfall auf den Schrein. Sie erwähnte Kyo und die schrecklichen Dämonen. Aber sie sagte kein Wort über den Juwel der Vier Seelen. Sie wusste selbst nicht genau warum. Aber vielleicht wusste sie instinktiv, dass es besser war, nicht noch mehr Unschuldige in diese Auseinandersetzung mit hineinzuziehen. Sie erwähnte auch nicht, dass sie nicht halb so unglücklich war bei dem Sturz in eine andere Zeit von Kyo getrennt worden zu sein, wie es Fuu scheinbar aufgrund der Trennung von ihren Freunden war... Madoka versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging. Dass sie durch die Zeiten geflohen waren und Kyo gezielt nach den Shikon no Tama suchen wollte ergab ja noch irgendwie einen Sinn. Aber warum... Wieso wurden drei so unbedarfte Menschen wie Fuu und ihre Freunde ebenfalls durch die Zeit zurückgeschickt? Oder waren sie einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen? Nun ja, sie sollte sich lieber über ihre eigene Situation Gedanken machen, als über die Vergangenheit zu grübeln. Fuu hatte wieder den Kopf fragend auf die Seite gelegt, wie ein kleiner Hund, der aufmerksam auf die nächsten Worte seines Herrens wartete. Madoka schüttelte diesen lächerlichen Vergleich so schnell ab, wie er aufgekommen war. Dieses Mädchen war unglaublich stark und tapfer, wenn sie in einer Welt wie dieser hier, einem Freudenhaus, allein so lange zurechtkam – und sie dann auch noch unter ihre Fittiche nahm. „Weißt du denn, in welcher Zeit wir uns nun befinden?“, fragte Madoka schließlich. „Späterhin nennt man sie wohl die Sengoku-Ära. Alle möglichen Clans kämpfen gegeneinander. Das ist echt unschön. Man hört dauernd von irgendwelchen Kämpfen und Auseinandersetzungen, von Verletzten und Unmengen von Toten.“ Sie stieß ein kurzes, beinahe verächtlich klingendes Geräusch aus. „Wie ich Mugen kenne, verliert er nur soviel Zeit dabei mich zu finden, weil er hier und da noch einen dieser Kämpfe mitnehmen will. Erst DANN blüht er richtig auf.“ Sie hielt inne und blickte auf ihre Hände hinunter. „Er ist halt... ein unverbesserlicher Draufgänger...“ Madoka sah sie lange an. Dann sagte sie leise: „Er bedeutet dir sehr viel, nicht wahr? Dieser... Mugen.“ Fuu hob mit einem Ruck den Kopf. „Nein! Ich meine.... ah... ja, natürlich! Wir... sind halt Freunde! Und Jin... mag ich ja auch sehr gern!“ Madoka lächelte leicht. Es war überhaupt das erste Mal, dass sie es bewusst tat seit sie hier, in dieser Zeit, gestrandet war, einer Zeit, die WEIT vor der des Tokugawa-Shogunats lag. Finsterstes Mittelalter sozusagen. Sie hatte wahrhaftig wenig zu lachen. Und doch vermochte es dieses junge Mädchen, ihre Trauer etwas zu lindern, den Schmerz zu mildern und ihr ein Lächeln zu entlocken, einfach indem sie da war und ihr zuhörte – und eine unnachahmlich aufmunternde und leichte Art an sich hatte, trotz der Schwierigkeiten in denen sie stecken mochte. Sie sollte sich ein Beispiel an diesem Mädchen nehmen. Sie war wirklich sehr stark. Plötzlich wurden polternde Schritte unten in der Halle laut. Stimmen waren zu hören. „Oh, es ist wohl soweit. Wir haben geöffnet.“ Madoka blickte leicht verängstigt zur Tür. „Mach dir bitte keine Sorgen. Zunächst einmal werd ich dafür sorgen, dass du ein Bad und frische Kleidung bekommst. Du musst dich leider möglichst bald dem Herrn vorstellen. Jede Neue muss das.“ „Nein.“, sagte Madoka, zwar mit einem erneuten, ängstlichen Blick in Richtung Tür, allerdings mit fester Stimme. „Ich bleibe nicht hier. Eher sterbe ich, als dass..“ Fuu kam zu ihr und legte ihr eine Hand beruhigend auf den Arm. „Sei unbesorgt. Es gibt... ein Paar Tricks, die ich dir beibringen kann, sodass es nie dazu kommt, dass dich ein Mann berührt.“ Sie lächelte wieder dieses aufmunternde Lächeln. „Madoka.“, sagte sie. „Ich bin sehr froh, dass ich nun nicht mehr allein bin.“ Kapitel 3: Onigumo ------------------ Und WEITER geht's!^^ Nochamal BESTEN Dank euch allen, die ihr mich so lieb mit Feedback versorgt! Das ist so süß von euch und ich freu mich immer sehr darüber! Arigato! *verbeug* So hab ich doch einen Ansporn weiterzuschreiben^^. In diesem Kapi wird nun der "Haupt-Bösewicht" eingeführt werden. Wie gesagt: Die FF spielt in der Zeit VOR den Ereignissen der InuYasha-TV-Serie. "Oni" ist also noch ganz er selbst^^ (aber nicht weniger böse^^). Lest selbst! Und ENDLICH *schleck* kann ich mich auch wieder "meinem" Kyo widmen. *lach* Viel Spaß beim Lesen^^. Mado^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Edo Sengoku-Ära Während sie von Fuu hinab ins Badehaus geführt wurde erklärte ihr die junge Frau, wie sie es geschafft hatte, sich bislang den Männern zu entziehen. „Es ist schwierig.“, sagte sie schließlich, als sie zusammen im heißen Onsen badeten. Madoka entspannte sich tatsächlich, obwohl sie niemals geglaubt hätte, dass sie dies hier, an diesem beängstigenden und fremden Ort tun könnte. Über sich war das Dach offen und sie konnte den langsam dunkelnden, samtfarbenen Abendhimmel sehen. „Man muss beim Herrn nach wie vor den Eindruck vermitteln, dass man begehrt und wichtig für die Kunden ist. Wenn auch nur ein Sterbenswörtchen darüber dem Herrn zu Ohren kommt, dass ich zum Beispiel noch nicht ein einziges Mal mit einem Mann, der meistbietend für mich gezahlt hat, geschlafen habe, bin ich so gut wie tot. Man muss es geschickt machen. So, dass der Mann sich für seine eigene... Unzulänglichkeit und Impotenz schämt und nicht darüber sprechen will. Also, am allermeisten greife ich auf den guten alten Sake zurück.“ Madoka blinzelte sie überrascht an. Fuu grinste unverhohlen frech zurück. „Nun ja, ich bin recht trinkfest. Das hat mir wohl Mugen beigebracht...“ Sie hielt kurz inne, schien sich erneut an diesen Mugen zu erinnern und ein, diesmal ehrliches, Lächeln huschte kurz über ihre Züge. „Jedenfalls...,“ fuhr sie in betonter Unbeschwertheit fort, „... macht es mir keine Mühe einen durchschnittlichen Mann so unter den Tisch zu trinken, dass er sich nachher nicht einmal mehr an den Namen seiner verehrten Frau Mutter erinnert, geschweige denn daran, ob er nun Sex gehabt hatte oder nicht.“ Sie lachte leise. Madoka war einmal mehr erstaunt über dieses junge Mädchen. Sie hatte es wahrhaftig faustdick hinter den Ohren. Wer waren dieser Mugen und dieser Jin bloß? „Aber dir würde ich etwas anderes raten.“, fuhr Fuu nun fort. „Drogen vielleicht. Sie haben hier eine Menge davon musst du wissen und es dürfte nicht schwer für mich sein, dir welche davon zu beschaffen. Die haben eine ganz ähnliche Wirkung wie Alkohol. Ich...“ Sie brach erschrocken ab, als die Tür zum Onsen rigoros aufgestoßen wurde und zwei Männer hereinstürmten. Einer davon war der Kerl, den Madoka als Tomasu kennen gelernt hatte und dem sie die nachhaltigen Unterleibsschmerzen zu verdanken hatte, die nach wie vor in Abständen ihren Körper heimsuchten. Fuu hatte sich sehr viel schneller wieder von dem Schrecken erholt als Madoka. Sie verschränkte die Arme vor ihrer fast noch kindlichen Brust und stand wütend auf. „Was erdreistet ihr euch! Verschwindet auf der Stelle, oder ich sage dem Meister...“ „Der MEISTER ist es, der uns schickt, Mädchen.“, fiel ihr Tomasu mit einem süffisanten Lächeln und einem unverhohlen neugierigen Blick auf ihren Körper ins Wort. „Der Herr Onigumo möchte liebend gern HEUTE ABEND noch unseren Neuzugang sehen. Jetzt sofort, um genau zu sein.“ Er gab dem ihn begleitenden Mann, ebenfalls ein Riese mit etwas zu viel Muskeln um noch gut auszusehen, einen Wink und dieser trat einfach hinter Madoka an den Beckenrand und ergriff sie unter den Achseln, um sie fast schon brutal aus dem Wasser zu zerren. „Also... Moment einmal! Ich darf doch wohl...!“ brauste Fuu auf. Madoka wehrte sich nach Kräften, aber der Typ war erstens einfach viel zu stark für sie und zweitens machte ihr der Umstand ihrer Nacktheit doch sehr zu schaffen. Beinahe augenblicklich schoss ihr die Schamesröte ins Gesicht, als sie nun Tomasus anzüglichen Blick auf ihren Körper bemerkte. Schließlich erbarmte sich jedoch der andere Mann und warf ihr eines der Handtücher zu, die am Beckenrand lagen. Madoka konnte Fuu nur noch einen letzten, bestürzten Blick zuwerfen, bevor sie von den beiden Kerlen hinausbugsiert und quer durch das Haus einige Treppen hinauf, durch mehrere sinnverwirrend abzweigende Gänge in einen relativ großen Raum gebracht wurde, der sichtlich für den Aufenthalt einer bedeutenden Persönlichkeit ausgestattet war. Das Zimmer war beinahe noch prachtvoller eingerichtet als die Eingangshalle. Und inmitten des Raumes, auf einem niedrigen und äußerst filigran geschnitzten Stuhl, die Beine locker im Schneidersitz, thronte ein Mann. Er war nicht einmal besonders auffällig gekleidet und auch sein Aussehen selbst war eher durchschnittlich. Er schien nicht sonderlich groß zu sein, hatte schwarzes, in seinem Nacken zusammengebundenes und hochgestecktes Haar und ein Gesicht, dass von tiefen Narben nur so gezeichnet war. Was sie jedoch beinahe augenblicklich und bis ins Mark erschütterte, waren die Augen dieses Mannes. Es waren kalte, unerbittliche, beinahe schwarz wirkende Augen. Als sie in Kyos dämonische Augen geblickt hatte, war etwas in ihr zu Eis erstarrt ob dieses Hasses und der Mordlust, die sie darin gesehen hatte. HIER jedoch... DIESE Augen wirkten... tot. Vollkommen emotionslos. Absolut kalt und leer. Sie fragte sich, was schlimmer war... „Komm näher.“, befahl der Mann, den sie Onigumo nannten, nun mit einer tiefen und irgendwie unangenehm rauen Stimme. Madoka wurde von den beiden Männern bis vor den vermeintlichen Thron geschleift, wobei sie eine Spur von Wasser hinter sich herzog. Onigumo hatte keinen Blick für diese Belanglosigkeit. Er erhob sich und kam zu ihnen. Die beiden Männer hielten Madoka auf den Beinen und zwangen sie, ihn anzusehen sonst hätte sie sich wohl herumgedreht und wäre schreiend davongelaufen. Irgendetwas in diesem Blick war so schrecklich, so FREMDARTIG, dass ihre Seele sich krümmte und wie ein getretener Wurm wand. Dieser Blick... Wer oder was war er? Er sollte nicht hier sein. Er DURFTE nicht hier sein. Seine Existenz spottete allem Guten und Positiven in dieser Welt und strafte es Lügen. Ein ganz leichtes und abfälliges Lächeln umspielte die Lippen des Mannes, der nun, da er vor ihr stand, überraschenderweise doch um einiges größer war als sie geglaubt hatte. Die wandte das Gesicht ab, wimmerte leise. „Ein Neuzugang also.“, sagte Onigumo nun ruhig, beinahe lauernd. „Dann wollen wir doch mal sehen, ob sie meinen Ansprüchen gerecht wird.“ Er hob die Arme und riss ihr übergangslos das Handtuch vom Leib. Madoka keuchte erschrocken. Vollkommen entsetzt starrte sie ihn an. Onigumos Gesicht zeigte nicht die kleinste Regung, als er ihren zitternden Körper mit seinem unerbittlichen Blick einer intensiven Untersuchung unterzog. Wieder schoss ihr heiß die Schamesröte in die Wangen. Sie schloss die Augen. „Sie ist einiges wert.", sagte er schließlich leise. "Sie ist noch unberührt.“ Woher zum Teufel konnte der Kerl das wissen? Madoka wurde wütend. Aber nur für den Moment den sie brauchte, um die Augen wieder zu öffnen, um ihn zornig anzufunkeln. Es blieb bei dem Versuch. Sie schluckte – und senkte den Blick wieder. „Herr, ich denke, sie wird einen guten Preis erzielen.“, sagte Tomasu nun unterwürfig an ihrer Seite. Onigumo neigte leicht den Kopf, um ihm zuzustimmen. „Wir ziehen diese Nacht in einen Kampf und ich weiß noch nicht, wann wir wieder hier sein werden. Bereitet sie für das kommende Ende der Woche vor. Dann erwarten wir sehr einflussreiche Gäste, die sich eine solche Gelegenheit sicher nicht entgehen lassen werden. Sie soll ganz vorn hingesetzt werden.“ Er drehte sich herum und nahm wieder auf seinem „Thron“ Platz. „Ihr könnt gehen.“ Tomasu nickte, wollte sich herumdrehen. „Ach, und Tomasu?“ Der Angesprochene blieb wie versteinert stehen und drehte sich erneut zu seinem Herren herum. Er hatte die Drehung noch nicht ganz vollendet, als sich die Klinge eines wuchtig geworfenen Dolches in seine Kehle grub und einen feinen Regen aus Blutstropfen über Madoka und dem anderen Mann niedergehen ließ. Tomasu starrte die ausgestreckte Hand seines Herren noch ein paar Sekunden ungläubig an, bevor er röchelnd in die Knie sank und schließlich vornüber und begeleitet von einem dumpfen Geräusch auf den Boden fiel. „Ich wünsche nicht, dass meine Frauen berührt werden, bevor ich es nicht erlaubt habe.“, sagte Onigumo ruhig. „Tomasu, ich weiß sehr wohl, dass du in dieser Beziehung meinen Befehlen nicht gehorchst. Ich hoffe, ich habe mich hiermit klar ausgedrückt.“ Seine Augen fixierten nun den anderen Mann, der Madoka mit zitternder Hand am Arm festhielt und nicht minder entsetzt zu seinem toten Kameraden hinabblickte als die junge Frau es in diesem Moment tat. „H... Hai...“, antwortet der Mann an ihrer Seite nun mit einiger Verspätung und verneigte sich tief. „Ich habe verstanden. Und ich werde... es weitergeben...“ „Geh.“, sagte Onigumo. “Und sorge dafür, dass dieser Dreck entfernt wird.“ Eisiges Entsetzen lähmte Madokas Herz und ließ sie dem Mann, der sie hinausführte, wie eine willenlose Puppe folgen. ~~~oOo~~~ Die nächsten Tage kamen und gingen. Madoka lebte wie in einer Art Trancezustand. Ein oder zwei Mal hatte sie anfangs wirklich versucht zu fliehen, doch es war genau so, wie Fuu gesagt hatte: Es war unmöglich zu entkommen. Obwohl der Hausherr mit den meisten seiner Männer unterwegs war, hatte er doch genug von seinen Leuten zurückgelassen, um sein Freudenhaus zu bewachen und auch die Mädchen daran zu hindern, das Haus zu verlassen. Madoka wurde jedes Mal wieder eingefangen, kaum dass sie einen Fuß aus der Tür gesetzt hatte. Man strafte sie zwar nicht, verdoppelte und verdreifachte jedoch schließlich die Wachen vor ihrem Zimmer. Sie musste ja wirklich ein lukratives Geschäft darstellen, wenn sie Onigumo so bewachen ließ. Andererseits... Er tat das nicht nur bei ihr. Auch vor anderen Zimmern entdeckte sie Wachen, wenn sie mal ins Badehaus ging oder zum Abtritt. Es war ihr peinlich, aber selbst DORTHIN wurde sie immer von einer Wache begleitet. Sie kam sich vor wie in einem luxuriösen Gefängnis. Fuu sah sie leider nur selten. Und das Ende der Woche – und damit ihre Schonfrist, wie sie sehr wohl wusste – rückte immer näher. Madoka dachte nicht darüber nach. Noch nicht. Wenn sie ehrlich sein sollte, interessierte sie das alles auch gar nicht so sehr. Sollte doch kommen was wolle. Sie wusste ohnehin nicht, ob sie jemals wieder glücklich in ihrem Leben sein würde. Im Grunde hatte ihr Leben zu dem Zeitpunkt geendet, als sie mit Kyo in diesen vermaledeiten Brunnen gesprungen war. Kyo. Wo er wohl war? Madoka schüttelte diesen Gedanken schnell wieder ab. Was dachte sie denn da? Sollte er doch bleiben, wo der Pfeffer wuchs. Was ging es sie an? Sollte sie doch froh sein, dass er nicht hier war. Er würde sich über ihre Situation wahrscheinlich prächtig amüsieren... Ungewollt erschien ein Bild vor ihrem geistigen Auge. Kyo, mit ausgestreckter Hand inmitten von Dämonen. Und das, was er gesagt hatte, nein, geschrieen hatte: „Wenn du leben willst, dann folge mir!“ Wieso... hatte er das gesagt? Wieso hatte er sie gerettet? Immer wieder dieselbe Frage. Und immer wieder schalt sie sich einen Narren, dass sie überhaupt darüber nachdachte. Dieser... Idiot. Wieso musste sie dauernd an ihn denken? Sie hasste ihn. Sie würde ihn IMMER hassen. Er war es gewesen, der ihr Leben zerstört hatte. Dann kam das Wochenende. Sie hatte mittlerweile in Erfahrung bringen können, dass sie sich zwar noch immer in Edo aufhielt, allerdings war es noch längst nicht die große Stadt, die sie aus ihrer Zeit kannte. Ein Freudenviertel gab es jedoch hier wie zu ihrer Zeit und sie hatte von anderen Frauen im Haus erfahren, das ihres zu den reichsten und zugleich schmutzigsten seiner Zunft gehörte. Schmutzig insofern, als dass Onigumo und seine räuberische Bande vor einigen Jahren gewaltsam die Führung dieses Hauses übernommen hatten und von hier aus auch ungestört ihre Raubzüge und Plünderungen planen konnten. Niemand schien sich darum zu kümmern und die Aufseher in der Stadt hatte Onigumo wahrscheinlich längst bestochen und unter seiner Kontrolle. Obwohl das Haus diesen schlechten Ruf hatte (oder gerade WEIL es diesen Ruf hatte) kamen viele einflussreiche Herren jener Zeit vorbei, um hier ihren dunkelsten Gelüsten zu frönen. Denn, wie Madoka ebenfalls erfuhr, so gab es in den Kellergewölben des Hauses auch durchaus sehr ansprechende Folterinstrumente, die das Herz eines jeden Sadisten erfreuen würden. Madoka hatte sich zunächst nicht viel Gedanken um das nahende Ende der Woche gemacht. Sie war in einigen Dingen, die die Etikette und das Verhalten der Mädchen in diesem Haus betrafen, unterwiesen worden. Und sie wurde grenzenlos ausstaffiert, geschminkt und in die feisten Gewänder gehüllt, um sie auf den „großen Tag“ vorzubereiten. Sie hatte sich in einer Art Trance befunden, in der die Bilder aus der Vergangenheit einfach nicht weichen wollten. Doch nun, wo der Tag, besser gesagt der Abend, gekommen war, wo man sie erstmals dem zahlenden Publikum zeigen würde, da bekam sie es doch mit der Angst zu tun. Sie hatte nicht mehr mit Fuu reden können. Sie hatte keine Ahnung, wie sie einen Mann, wenn denn einer für sie zahlen sollte, daran hindern konnte sie zu schänden - außer vielleicht mit einem gezielten Tritt in die Lenden, was sehr wahrscheinlich ihren Tod zur Folge haben würde. Eine der anderen Frauen hatte ihr sogar berichtet, dass sie sich beim ersten Mal so gewehrt habe, dass sogar zwei von Onigumos Männern dem Akt beigewohnt hätten um sie festzuhalten, während der verärgerte Kunde über sie hergefallen sei. Madoka sah sich in einer schier ausweglosen Situation. Und sie hatte weder die Drogen, von denen Fuu ihr gesagt hatte ihr welche beschaffen zu können, noch traute sie es sich zu die Sorglose spielen und ihren Freier mit Sake unter den Tisch trinken zu können. Dann war es soweit und sie wurde mit den anderen Frauen nach vorn zur Straße gebracht. Es gab dort hölzerne Verschläge, eine Art von Käfig, hinter deren rot angemalten Gitterstäben die Mädchen saßen und wo die vorbeigehenden Passanten ungeniert einen Blick auf die Frauen werfen konnten. Madoka hatte Fuu einmal gefragt, warum es ihr erspart blieb sich Abend für Abend dieser Demütigung zu unterziehen. Fuu hatte gegrinst und geantwortet, dass wenn sie ebenfalls dafür sorgte dass man zwar für sie zahlte, sie jedoch durch „gewisse Umstände“ (zweifellos spielte sie hier auf den Sake an...) nicht die erste Wahl blieb, durchaus die Chance hatte, dass sie NICHT mehr nach vorn an die Straße musste. Hin und wieder käme ein etwas ärmerer Schlucker auch ins Haus und fragte nach günstigerem Vergnügen. Und DAS waren dann die Kerle, die Fuu mit Leichtigkeit um ihren kleinen Finger wickeln konnte. Madoka sah sich momentan jedoch außerstande, sich solch einen Ruf zu erarbeiten. Sie war zumindest am heutigen Abend eindeutig „die Neue“ und eine Attraktion. Sie wurde von Onigumos Männern ganz nach vorn an die Straße gesetzt. Und als Madoka dort hockte, in sündhaft teure Stoffe gekleidet, angetüncht mit blendend weißer Gesichtsfarbe und mit diamatenbesetzten Kämmen im aufgesteckten Haar, als sie sich der ersten Blicke von Passanten bewusst wurde, die ihren absichtlich weit heruntergezogenen Ausschnitt begutachteten, als sie dort saß, im Schein der roten, im leichten Wind pendelnden Laternen, da zerbrach das letzte bisschen Selbstbeherrschung in ihr endgültig und sie begann lautlos, nichtsdestotrotz jedoch sehr heftig zu weinen. Oh Gott, wie sie sich für diese Tränen doch hasste. Aber sie konnte nichts dagegen tun. Die Schminke verlief augenblicklich. Aber auch dies war ihr gleich. Einer von Onigumos Männern, die draußen vor dem Schaukäfig patrouillierten, blieb stehen und schlug so hart mit seinem Knüppel gegen die Stäbe, dass nicht nur Madoka, sondern auch die Mädchen hinter ihr erschrocken zusammenfuhren. „Hör auf zu heulen, verdammt noch Mal! Das ist ja nicht zum Aushalten. Ist es so schlimm die Beine breit zu machen? Wirst schon sehen, vielleicht gefällt’s dir ja sogar.“ Er wandte den Kopf. „He, du da! Sorg dafür, dass sie aufhört, oder ICH sorge dafür, dass deine Haare geschoren werden, kleine Schlampe!“ Erschrocken stand das angesprochene Mädchen hinter Madoka auf und setzte sich neben sie, versuchte sie zu beruhigen. Sie holte ein Tuch hervor, mit dem sie vorsichtig Madokas Gesicht abtupfte. „Hör bitte auf!“, flüsterte die junge Frau mit zitternder Stimme, jedoch in durchaus wütendem Tonfall. „Du bringst uns nur alle in Schwierigkeiten, hörst du? Außerdem verläuft deine Schminke.“ Sie war ganz schnell wieder in den Schatten hinter Madoka verschwunden. Auch der Mann vor dem Käfig ging nun weiter. Madoka senkte den Kopf. Sie bekämpfte ihre Trauer und ihren hilflosen Zorn. Sie wollte nicht, dass die Mädchen ihretwegen Schwierigkeiten bekamen. Sie musste sich zusammenreißen! Und sei es eben nur der anderen Frauen wegen. Plötzlich gewahrte sie Schritte. Sie hörte wie jemand mit Onigumos Krieger sprach und dann vor ihr in die Hocke ging. „Die ist neu hier.“, sagte Onigumos Mann gerade. „Aber wie sie sehen können erste Wahl.“ „Oh, ja durchaus, das kann ich sehen.“, sagte eine Madoka fremde Stimme und dann streckte der Mann die Hand durch das Gitter, um ihren Kopf anzuheben. „Ich bin durchaus in der Stimmung, heute Abend etwas mehr Geld auszugeben wenn die Ware stimmt.“, fuhr der Mann nun fort und besah sich Madoka sehr genau. Sie kam sich vor wie ein Stück Vieh auf dem Bauernmarkt. Nie zuvor hatte sie sich so erniedrigt gefühlt. Anhand der Kleidung des Mannes, der bereits in sehr fortgeschrittenem Alter zu sein schien, wie sein graues, schütteres Haar und diverse Falten in seinem Gesicht verrieten, konnte Madoka jedoch auch sehen, dass er sehr wohlhabend sein musste. Bei der Vorstellung, dass dieser Mann sie wie ein Tier besteigen könnte... Sie zog ihr Gesicht zurück und blickte beinahe trotzig wieder in ihren Schoß hinunter. „Oho, ein kleines, stures Mädchen.“, sagte der Fremde nun. „Es wird mir Spaß machen, sie zu zähmen. Komm schon. Lass mich doch mal sehen, was du noch zu bieten hast.“ Sein Arm langte erneut durch die Gitterstäbe wie ein glitschiger, ekelerregender Aal auf der Suche nach lohnender Beute, und seine Hand glitt in ihren Ausschnitt, zog ihn noch weiter auf und schloss sich um eine ihrer Brüste. Madoka wollte die Hand augenblicklich beiseite schlagen, als der Fremde plötzlich wie versteinert mitten in der Bewegung verharrte. Vollkommen irritiert bemerkte Madoka, wie ein dünnes Rinnsal dunklen Blutes an dem Arm des Mannes herab in ihre Richtung lief und seinen Kimono benetzte. Ihr Blick folgte der Spur des Blutes und blieb schließlich an der blanken Schwertklinge haften, die an der Kehle des Fremden lag. Der Mann, der diese Klinge führte, war nur als Schatten jenseits des Laternenlichtes auszumachen. Dennoch kam ihr etwas an diesem Schatten... vage bekannt vor. Aus ihrer Ahnung wurde schlagartig vollkommen überraschte Gewissheit, als niemand anderes als Kyo Mibu näher heran und neben den Mann trat. „Nimm deine dreckigen Pfoten von ihr. Dieses Mädchen gehört mir. Hast du mich verstanden?“ Seine Stimme klang düster und drohend, jedoch sehr leise, beinahe lauernd. „Los, aufstehen!“ Der Mann war so perplex, dass er einfach tat, was ihm gesagt wurde. Erst als er aufrecht stand breitete sich ein empörter Gesichtsausdruck auf dem Gesicht des Fremden aus. „Was... erlauben sie sich, Mann! Ich war zuerst hier!“ Und mit einem abschätzenden Blick auf Kyos zerlotterten, nachtschwarzen Kimono fügte er überheblich hinzu: „Und ich kann mit Sicherheit mehr zahlen als sie.“ Die Spitze von Kyos fünf Shaku langem Schwert war getreulich jeder Bewegung des Mannes gefolgt und nach wie vor auf dessen Kehle gerichtet. „Das glaube ich weniger.“, antwortete Kyo leise. „Hier!“, er warf dem vollkommen verdutzten Mann Onigumos einen kleinen Beutel vor die Füße, in dem es verräterisch nach Geld klang, als er zu Boden fiel. Nach VIEL Geld. „Ich denke, dass reicht für die ganze Nacht, oder? Korrigiere mich bitte, wenn ich mich täuschen sollte.“ Onigumos Krieger bückte sich und seine Augen wurden rund vor Staunen und Gier, als er den Inhalt des Beutels in Augenschein nahm. Kyo lächelte böse und sehr zufrieden. „Also, dann zieh Leine, alter Mann. Du hättest es der Kleinen ohnehin nicht halb so gut besorgt wie ich das tun werde.“ Der Fremde war immer noch viel zu überrascht, um wirklich RICHTIG wütend zu werden. Aber die Klinge des Schwertes, die immer noch auf ihn gerichtet war, gab wohl den endgültigen Ausschlag. Der Mann fuhr auf dem Absatz herum und stürmte davon, irgendetwas von „Das wird nicht ohne Folgen bleiben...“ murmelnd. Madoka konnte nicht anders. Sie starrte den Mann, der nun vor ihr stand, der ihr Leben innerhalb weniger Augenblicke zerstört und ihr alles genommen hatte was ihr bis dato wichtig war, und der ihr nun scheinbar ERNEUT den Hals gerettet hatte, einfach nur aus weit aufgerissenen Augen an. Oder... War er tatsächlich nur gekommen, um... Sie blinzelte und erwachte so aus ihrer Starre. Wenn er sie auch nur berührte, würde sie ihm die Augen auskratzen. Woher hatte er eigentlich so viel Geld? Kyo redete gerade mit Onigumos Mann. „Selbstverständlich, mein Herr. Wir bereiten ein Zimmer vor. Kommen sie bitte mit. Das Mädchen wird gleich zu ihnen geführt.“ Bevor Kyo aus ihrem Blickfeld verschwand und in das Haus trat sah er Madoka noch einmal direkt an. Den Ausdruck seiner Augen vermochte sie auf die Entfernung hin schwer zu deuten. Aber... bildete sie sich das nur ein, oder war da neben all der Bosheit und der Häme auch noch etwas anderes zu sehen gewesen? Erleichterung? Nein. Niemals. Das war absurd. Doch mit einem Mal war sich Madoka nicht mehr sicher. Es war wie während des Kampfes vor dem Schrein der Higurashis. Für einen winzigen Moment hatte sie das Gefühl den MENSCHEN in Kyo Mibu gesehen zu haben. Einen Menschen, der wie jeder andere auch einmal Angst hatte und Erleichterung zeigte. War der Mann, der sie gerettet hatte am Ende nicht Kyo gewesen, sondern Kyoshiro Mibu? Jener Mann, den der alte Higurashi so eindringlich gebeten hatte gegen seinen inneren Dämon anzukämpfen? Sie wusste es nicht. Und sie fühlte sich vollkommen leer und kraftlos, als sie nun von einem der Männer ins Innere des Hauses, eine Treppe hinauf und in ein Zimmer gebracht wurde, in dem ein einziger Futon schon bereitlag für das, wofür man für sie gezahlt hatte. Es war auch der Futon, nicht Kyo, auf den ihr Blick als erstes fiel. Als man die Tür hinter ihr zuschob, da war dieses Geräusch so laut wie das eines gewaltigen Portals, das mit aller Gewalt ins Schloss geworfen wurde und ihr Schicksal zu besiegeln schien. Und sie war allein, allein mit dem Mörder von Tausenden. Mit dem Mörder ihres Freundes. Mit dem Mann, der ihr Leben zerstört hatte. Kapitel 4: The demon within me... --------------------------------- Ohaio! *verbeug* Seid gegrüßt, ihr Lieben! Weiter geht's! Übrigens, ich bin sehr dankbar dass es den Duden gibt^^. "DAS" oder "DER" Juwel? Geht BEIDES - laut Duden!^^ Na, dann hab ich ja nix falsch gemacht, eh? So, nun wünsch ich euch viel Vergnügen. Jetzt kommt mein zweiter persönlicher Favo ins Spiel. Shinta... *träum* Und ihr werdet etwas von Kyo(shiros) Vergangenheit erfahren! Also: Dran bleiben! Ich freu mich über jeden noch so kleinen Kommie!^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Edo Sengoku-Ära Onigumos Anwesen Madoka stand einfach nur da und starrte wie paralysiert hinüber zu dem Mann, der ihren besten Freund kaltblütig ermordet hatte. Immer wieder nur dieser eine, furchtbare Gedanke. Immer wieder diese Worte und Bilder in ihrem Kopf, wie ein unbarmherziges Mantra, das zu wiederholen sie gezwungen war. Er saß im Fenster, hatte den hölzernen Laden zur Seite geschoben, jedoch war sein Gesicht von ihr abgewandt und lag im Schatten. Er schien nach draußen zu blicken. Madoka spürte jeden einzelnen ihrer harten, beinahe schmerzhaften Herzschläge bis hinein in die Fingerspitzen. Sie zitterte. Nicht vor Angst. Nein. Vor mühsam zurückgehaltenem Zorn. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie den verhassten Mörder von Tausenden an, war unfähig klar zu denken und wusste dennoch instinktiv, dass ein Angriff (ob nun verbal oder gar handgreiflich) unweigerlich mit ihrer eigenen Niederlage enden musste. So etwas geschah nun einmal, wenn ein Kaninchen den Wolf angriff. Dennoch... Sie KONNTE dieser Intuition nun nicht die Beachtung schenken, die sie ihr eigentlich zu zollen hatte. Sie KONNTE nicht denken. Denn sie brannte. Ihr ganzer Körper stand in Flammen. Und selbst ihre Tränen schienen wie brennende Säure, als sie letztendlich, ohne dass es ihr selbst bewusst war, in ihr emporstiegen, ihren Blick verschleierten und schließlich heiße Spuren auf ihren Wangen hinterließen. Ohne ein Wort, ohne auch nur WIRKLICH darüber nachzudenken, was sie zu tun im Begriff war, lief sie los. Mit zwei, drei Sätzen durchquerte sie das vergleichsweise kleine Zimmer und sprang ihn an - eben jenes im Grunde verstörte und verängstigte Kaninchen, ein Opfer im Angesicht des Feindes, das noch einmal ALLES auf eine Karte setzte. Sie schrie und begann wie wild mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen. Wild flog ihr langes Haar, als sich ihr Knoten löste und die teuren Kämme herausfielen, und sie versuchte mit ihren langen Nägeln sein Gesicht zu treffen. Dämonenauge Kyo nahm jeden einzelnen dieser Hiebe klaglos hin. Er sagte nichts, wich auch nicht aus. Er versuchte lediglich seine Augen vor ihren Nägeln zu schützen, indem er den Kopf zur Seite wegdrehte. "Warum?! WARUM, verdammt noch mal!", schluchzte Madoka, unablässig weiter auf ihn einschlagend. Jedoch hatten ihre Schläge bereits zu dem Zeitpunkt ihre größte Wucht verloren, als sie merkte, dass er sich (merkwürdigerweise)nicht wehrte. "Du hast ihn UMGEBRACHT! Du hast ihn... einfach so... Warum nur?! Wieso..." Nun strömten die Tränen nur so über ihr Gesicht. "Du bist das verabscheuungswürdigste Wesen, dem ich je begegnet bin.“, zischte sie, wollte wütend klingen, klang aber in Wahrheit jedoch nur verzweifelt. „Ich HASSE dich! NIEMALS werde ich das vergessen! Niemals! Und ich wünschte ich... ich hätte die Kraft dich zu töten und Takeru zu rächen!“ Sie hielt in ihrem Toben kurz inne und schwer atmend seinem brennenden Blick aus dunklen Augen stand. „Ich weiß, dass ich zu schwach bin um es zu tun. Doch was ICH nicht schaffe, das schafft vielleicht ein anderer. Söldner gibt es ja auch hier sicher genug. Ich werde dafür sorgen, dass...“ Er schlug sie. Hart, kurz und quer über den Mund. Ihr Kopf flog zurück, sie taumelte und landete schließlich vollkommen überrascht auf ihrem Hintern. Sie hatte sogar vergessen zu weinen, als sie nun zu ihm aufsah, sein Gesicht nur als dunkle Silhouette vor dem nur geringfügig helleren Hintergrund der Nacht draußen zu erkennen. Doch sie glaubte das dunkle, böse Rot in seinen Augen ausmachen zu können, Augen, die sie musterten, wie die eines Wissenschaftlers ein Insekt unter dem Mikroskop betrachten würden. Oder wie besagtes Raubtier sein Opfer... Interessiert und aufmerksam. Wachsam. Madoka hob die Hand an die Lippen. Warmes Blut benetzte ihr Kinn, das aus ihrer aufgeplatzten Unterlippe floss. Kyos Blick folgte auch dieser Bewegung sehr genau. "Bist du jetzt bereit mir zuzuhören, Kleine?", fragte er mit seltsam rauer Stimme. Sein brennender Blick glitt ihren Körper hinab und blieb an dem aufklaffenden Kimono hängen, der, durch den Sturz verrutscht, mehr von ihrer Brust zeigte als verhüllte. Wütend raffte Madoka den Stoff zusammen und funkelte ihn an. "Warum sollte ich einem Mörder zuhören?" "Zum Beispiel weil du keine Wahl hast, Süße.", antwortete er ruhig. Wider Willen ließ ihr seine tiefe, dunkle Stimme einen Schauer über den Rücken jagen. Sie zitterte unwillkürlich. "Was glaubst du wird passieren, wenn du da rausläufst?" Er deutete mit dem Kopf zur Tür. "Sie werden dich dem nächstbesten Kunden vorführen der hier vorbeikommt. Und dann wird jemand daneben sitzen und zuschauen, um bezeugen zu können, dass du deinen Pflichten als Hure auch wirklich nachkommst. Im besten Fall." Er hielt inne und wartete anscheinend auf eine Reaktion von ihrer Seite. Als diese ausblieb fuhr er fort. "Im schlimmsten Fall prügeln sie dich tot. Denn ein Maul durchfüttern zu müssen, das kein Geld einbringt, ist einfach zu kostspielig." Madokas Hände krallten sich in den Stoff ihres Kimonos. "Das ist mir egal.“ Ihre Wut war so schnell verraucht, wie sie begonnen hatte. Sie fühlte plötzlich, dass es die Wahrheit war; was sie gesagt hatte stimmte: Es war ihr gleichgültig, was mit ihr geschah. Takeru... Sie erhob sich und machte Anstalten, tatsächlich das Zimmer zu verlassen. „Ich habe nichts mehr zu verlieren. Sollen sie mich doch umbringen. Lieber sterbe ich, als... " "Nicht so schnell, Süße.", unterbrach sie Kyo, trat endlich vom Fenster zurück in den Lichtkreis der Laterne, die am Boden stehend ihr mildes Licht verströmte, und griff nach ihrem Arm. "Du solltest dankbar sein, dass ich dir den alten Bock vom Hals geschafft habe." Endlich sah sie sein Gesicht deutlich vor sich. Und... war verwirrt... Es gab keinen Zweifel, dass es Dämonenauge Kyo war, derselbe Mann der Takeru Higurashi niedergestochen hatte. Aber er wirkte... anders. Seine Augen loderten in dem gewohnten, düsteren Rot und verströmten pure Bosheit und abgrundtiefen Hass auf alles, das lebte. Doch da war noch etwas anderes an ihm. Sie konnte es nicht in Worte fassen. Doch seine gesamte Haltung wirkte weniger bedrohlich, als noch an dem Tag, wo sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte. Sie stutzte. Kyo sah auf sie hinab, aber sie bildete sich ein, plötzlich so etwas wie Sorge in diesen furchtbaren Augen aufblitzen zu sehen, als sein Blick auf das Blut an ihren Lippen fiel. Einen winzigen Sekundenbruchteil lang. Dann wurde er wieder der selbstgefällige, arrogante und rüpelhafte Mann, den sie als „Dämonenauge“ kennengelernt hatte. Madoka blinzelte. Hatte sie sich das nur eingebildet? Nun ja... Es war auch gleich wer oder was er nun war. Er war der Mörder von Takeru. Er war ein Mörder von TAUSENDEN. Wie konnte sie auch nur im Entferntesten erwarten, dass dieses... Wesen da vor IHR Halt machen, geschweigedenn SORGE empfinden würde. Sie schaute hinab auf seine Hand, die ihren Unterarm umfasst hielt und fühlte endgültig, wie all ihr gerechter Zorn nun in eine Woge der Hilflosigkeit und des Schmerzes umschlug. Sie würde Takerus Tod wohl nie wirklich überwinden können. "Warum...", flüsterte sie nur noch. "Sag mir nur warum." Nun blickte sie auf und begegnete plötzlich unerschrocken seinem Blick. Ihre Tränen waren indes noch nicht versiegt. "Ich hasse dich." Absolute Kälte und Tonlosigkeit sprachen aus ihrer Stimme. "Mag sein, dass dir das nichts bedeutet. Dass es dir vollkommen gleich ist ob ein weiterer Mensch auf Erden dich verabscheut oder nicht. Doch du solltest wissen, dass ich dich mit allem was ich bin und sein wollte, verfluche und verabscheue.“ Sie hielt inne und versuchte in seinem Blick zu lesen. Es gelang ihr nicht. Seine Augen waren unergründlich. Doch zumindest verspottete er sie nicht. „Ich bin nicht so ganz machtlos, wie du vielleicht glaubst. Ich habe viel von Meister Higurashi gelernt. Ich verfluche dich und ich werde dich verfolgen, in deinen Träumen, in deinen Gedanken und bei jedem Schritt, den du fortan tust.“ Kyo begann nun sehr dünn und sehr böse zu lächeln. Soviel dazu, dass er ihrer nicht spottete... “Auch ein Dämon wird einmal schlafen müssen.“, fuhr sie ungerührt fort. „Und dann bin ich dort. Die Miko, die ich werden sollte. Verlass dich darauf, dass ich dann bei dir sein werde um dich zu töten und Takeru zu rächen. Ich – oder jemand der es für mich tun wird." Kyo lachte. Leise. Abgrundtief böse. Etwas in ihr erstarrte zu Eis, als sie dieses Lachen vernahm. "DU? Du willst den Mörder von Tausenden töten?“, er hatte aufgehört zu lachen, klang nun lauernd. „Mich, einen der furchtbarsten Krieger der Schlacht von Sekigahara? Du weißt ja nicht, was du redest, Mädchen. Wenn ich dich so ansehe, dann fürchte ich, dass du nicht einmal einer dreckigen Schabe etwas antun könntest!" Madoka fauchte: "Wer weiß? Vielleicht braucht es ein Mädchen um das zu vollbringen, was viele hundert Männer umsonst versucht haben." Sie wurde bereits wieder wütend. Erstaunlich. Dieser Mann ließ sie die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle durchleben. "Du bist verrückt...", setzte Kyo abfällig an. Doch Madoka unterbrach ihn: "Oh ja, und vielleicht muss dieses Mädchen verrückt genug sein, genau dies zu wagen." Sie trat jetzt ganz nah auf ihn zu. Seine Hand ließ sie los und sein Arm fiel hinab. "Ich habe keine Angst vor dir.", behauptete sie nun. Ihre Stimme blieb sogar recht fest dabei, was sie selbst ein wenig wunderte, denn sie war sich ihrer Worte längst nicht so sicher wie sie es gern gewesen wäre. Sie HATTE Angst. Doch irgendetwas sagte ihr, dass sie diese vor ihm nie zeigen durfte - dann hätte sie schon verloren. Sie fuhr fort und kam mit einem falschen Lächeln auf den Lippen näher. "Wieso hättest du herkommen, wieso hättest du mich retten sollen, wenn dir nicht IRGENDETWAS an mir wichtig zu sein scheint? Warum solltest du mich dann töten?“ "Wie kommst du darauf, dass ich dich umbringen will, kleine Miko?", fragte Kyo in gespielt überraschtem Tonfall. Er trat nun seinerseits einen Schritt auf sie zu, sodass ihre Gesichter nunmehr nur noch eine Handbreite voneinander entfernt waren. "Schätzchen, es gibt noch ganz andere Dinge, die ein Mann mit einer Frau tun kann." Madokas Atem stockte. Doch ihr Gesicht blieb ausdruckslos. "Warum tust du es dann nicht?", zischte sie wütend – und scheinbar ohne Verstand. "Warum tust du dann nicht wofür du hergekommen bist? Wofür du gezahlt hast?" Sie musste vorsichtig sein. Wenn sie zu dick auftrug würde er durchschauen, dass sie im Grunde vor Angst zitterte. Was tat sie hier überhaupt? Sie provozierte ihn. Und warum? Nun, vielleicht fand sie so den WAHREN Grund heraus, aus dem er sie bislang verschont hatte. Oder sie würde bald merken, dass er tatsächlich nur mit ihr gespielt hatte... Sie musste es riskieren. "Du widerst mich an. Eiskalter Killer? Dass ich nicht lache. Du bist nicht einmal an Mann. Du bist ein Monster..." Es ging schneller als sie überhaupt noch ein Wort sagen, geschweigedenn DENKEN konnte. Kyos Arme schossen vor und sie wurde erneut zu Boden gestoßen. Diesmal setzte er ihr jedoch nach. Grob ergriff er sie am Arm und zerrte sie auf den Futon. Dann war er über ihr. Mit groben, heftigen Bewegungen riss er ihren Kimono auseinander. "Du hast mich wütend gemacht, Süße. Ist es das was du wolltest? Ja? Wolltest du so angefasst werden? Entschuldige, dann hatte ich dich tatsächlich falsch eingeschätzt. Stille Wasser sind ja wirklich manchmal recht tief..." Er fuhr fort damit ihr die Kleider vom Leib zu reißen, während sich Madoka nach Kräften wehrte - jedoch ohne Erfolg. Er hatte sich mit gespreizten Beinen auf sie gesetzt und nagelte sie so an den Boden. "Du bist also tatsächlich nichts anderes als eine billige Hure. Wenn das so ist hättest du das auch gleich sagen sollen. Ich hätte dich schon viel früher haben können, kleine Schlampe!" Madoka gab keinen Laut von sich, wehrte sich jedoch weiterhin verbissen, versuchte nach seinem Gesicht zu schlagen. Sie hätte damit rechnen müssen, dass dies geschah. Sie war einfach zu dumm. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Hatte sie wirklich geglaubt, wenn er wütend wurde würde er schon REDEN? Nein, die Art von Mensch war er einfach nicht. "Wieso...", keuchte sie heftig. "Wieso schonst du mich?" Plötzlich und ganz unvermittelt, aber heftiger als vorher, begann sie zu weinen. "WARUM TÖTEST DU MICH NICHT EINFACH? Warum? Mein Leben ist sowieso zu Ende!", schluchzte sie und erkannte, dass dies genau das war, was sie wollte: Nicht mehr leben. Wozu auch? Und die Lehren des Erleuchteten, die ihr momentan so fern waren wie noch nie, hatten ihr zumindest eines genommen: Die Angst vor dem Tod. Aber nicht die Angst vor dem Sterben... Sie erschauerte. "Töte mich! So wie du Takeru getötet hast. Warum schonst du mich? Warum tust du das? Ich... Ich HASSE dich!" Und sie hasste SICH! Sich selbst. Für ihre Schwäche. Ihre Tränen. Und für das Verlangen, dass mit einem Mal unverkennbar aufgrund seiner Nähe von ihr Besitz ergriff. Sie schloss angewidert vor sich selbst die Augen. Sie konnte ihn deutlich spüren. Seine Hüften, die pulsierende Härte, die sich gegen ihren Unterleib drängte. Seine Hände, heiß und fordernd auf ihrer kühlen Haut. Doch Kyo hatte inne gehalten. Aus weit aufgerissenen Augen schaute er das halbnackte Mädchen an, das zitternd und mit aufgelöstem Haar unter ihm lag. Er brauchte nur zugreifen! Er war so nah dran. Er brauchte sie sich nur noch zu nehmen. Er spürte das beinahe schmerzhafte Pochen in seinen Lenden als sein Blick über ihre vollen Brüste glitt. Aber dann glitt eben dieser Blick hinauf zu ihrem Gesicht - und zu ihren Tränen. Und wenn er je jemanden gesehen hatte, in dessen Augen Todessehnsucht vorherrschte, dann jetzt im Blick dieses Mädchens. Und... etwas geschah. Kyo spürte ihn kommen, doch dieses Mal war er einfach zu überrascht, vielleicht auch nur zu abgelenkt, um rechtzeitig zu reagieren und den Impuls zu unterdrücken. Als Kyoshiro kam, da geschah dies lautlos und für Außenstehende zunächst vollkommen unbemerkt, doch für Kyo war es einmal mehr die Hölle. Er WOLLTE nicht gehen! Er wollte dieses Mädchen nehmen, sie stöhnen und schreien hören. Doch Kyoshiro war in diesem einen, zeitlosen Augenblick einfach stärker. Sein MITLEID, war stärker. Kyo verschwand tobend und um sich schlagend in den hintersten Winkel seiner Seele, als Kyoshiro erschien. Und mit seinem Kommen verlosch das glühende Rot seiner Augen und wich einem tiefen, dunklen Blau, das der Farbe von Kornblumen im Sonnenlicht glich, und das so komplett ANDERS war als das hasserfüllte Rot, dass Madoka nicht umhin konnte ihn unverwandt und vollkommen überrascht anzusehen. Sie hörte auf sich zu wehren. Sekunden später traf Kyoshiro die Erkenntnis, was er hier gerade tat – was KYO gerade im Begriff war zu tun! - wie ein Schlag in die Magengrube. Kyoshiro krümmte sich. Nach wie vor fassungslos sah Madoka den Mann über sich an. Und in diesem Moment schien ihn die Kraft zu verlassen. Er sank nach vorn, sein Körper fiel gegen ihren und sein Kopf sank auf ihre nackte Brust. Madoka hielt sie Luft an. Was ging hier nur vor sich? Sie wagte es nicht, ihn anzusehen. Wie erstarrt waren ihre Augen jetzt auf die Decke über sich gerichtet. Es war ihr peinlich, dass er so auf ihr lag. Und dennoch... Sie meinte zu fühlen, dass das wilde Verlangen in ihm erloschen war. Er würde ihr nichts mehr tun. Jetzt nicht mehr. „Er ist nicht tot...“, flüsterte er plötzlich leise und sie konnte den Hauch seines Atems, der diese Worte begleitete, warm auf ihrer Brust spüren. Ein Schauer jagte ihren Körper hinab. Was hatte er da gesagt? Sie verstand sehr wohl die Worte, nicht aber ihren Sinn. „Er... ist nicht tot, glaube mir, Madoka...“ Woher kannte er ihren Namen? Und warum klang seine Stimme auf einmal so ganz anders? Und WEN ZUM TEUFEL MEINTE.... Sie erschrak! Ganz weit riss sie die Augen auf und wagte es nun doch, den Kopf zu heben, um auf sein rabenschwarzes, seidiges Haar hinabzublicken. „Was... sagst du da?“, murmelte sie heiser und völlig verstört. „Meinst du... Soll das heißen...“ „Dein Freund lebt noch, ja.“, sagte er nun und seine Stimme wurde fester. Sie klang nach wie vor tief und sehr angenehm. Allerdings fehlte ihr die wilde Rauheit der Stimme Kyos. „Sieh mich an und sag das noch mal!“, verlangte sie schwach, schon wieder nahe daran zu weinen. „Sieh mich bitte an und wiederhole das!“ Am Rande, scheinbar in einer ganz anderen Realität, bekam sie nun mit, dass unten in der Eingangshalle des Hauses lautes Getöse und Lärm losbrachen. Gedämpft waren die Geräusche bis hier hinauf zu hören. Aber sie verschob den Gedanken daran auf später. Und Kyoshiro Mibu hob den Kopf und erwiderte ihren Blick. Madoka starrte ihn an und konnte ihren Blick nicht von ihm wenden. Sein Gesicht... Es hatte sich verändert! Nein... Nicht wirklich. Da waren noch immer die hohen Wangenknochen und die kühn geschwungenen Augenbrauen, die vollen Lippen und die gerade Nase. Aber... seine Augen... „Mein... Gott...“, hauchte sie. „Kyo... shiro?“, flüsterte sie ungläubig. Erst jetzt schien sie WIRKLICH zu begreifen. Sie wusste nicht einmal, warum sie dies tat, aber aus einem Impuls heraus hob sie die Hand und wollte sein durchaus hübsches Gesicht berühren, hielt jedoch Millimeter vor seiner Haut inne, als hätte sie Angst davor, dass er verschwand, wenn sie zu sehr zweifelte. „Ja, ich bin es. Und es tut mir so... furchtbar Leid, Madoka-chan.“, er senkte den Kopf, gequält von der dämonischen Seele in seinem Inneren und der Erkenntnis, was diese getan hatte. „Dein Freund lebt. Ich konnte das Schwert Kyos ablenken. Er wird die Verletzung überleben.“ Madoka durfte eigentlich keine Tränen mehr haben, aber unaufhörlich trat die salzige Flüssigkeit aus ihren Augen. „Verzeih mir...“, flüsterte er. Madoka konnte ihn vor lauter Tränen kaum noch sehen. Aber sie musste plötzlich lächeln. „Takeru... lebt? Ich...“ Sie schloss für einen Moment die Augen und genoss die warme Freude, die sie auszufüllen begann. Da gab es immer noch Higurashis Tod zu beklagen. Aber für diesen war nicht der Mann vor ihr verantwortlich gewesen. Auch nicht für die Verletzung Takerus... „Ich wüsste nicht, warum ich dir vergeben sollte, Kyoshiro.“, sagte sie leise und konnte nicht aufhören unter Tränen zu lächeln. Sie berührte ihn nun doch und strich ihm beinahe sanft eine lange, schwarze Haarsträhne aus den Augen. „DU warst es nicht, der Takeru verletzt hat...“ „Nein.“, sagte er und griff nach ihrer Hand. Er ließ sie nicht los. Madoka spürte ein merkwürdiges... Ziehen in ihrer Brust und fühlte, wie unpassenderweise ihr Herz schneller zu schlagen begann. Diese Augen... Sie konnte sich nicht satt sehen an seinen Augen. „Nein, es war Kyo.“ Kyoshiro stützte sich auf einen Ellenbogen und schaute ihr unverwandt ins Gesicht. „Ich war schwach, Madoka. Der alte Higurashi hat auch MICH viel gelehrt, weißt du?“ Er schien plötzlich auf irgendetwas zu lauschen. Auch Madoka hörte nun, dass der Lärm, den sie schon vorher vernommen hatte, plötzlich um einiges lauter, präsenter wirkte. Was zur Hölle ging denn unten im Haus vor? Doch eine andere Frage interessierte sie momentan noch mehr. „Du kanntest den Meister?“, fragte sie. Sie hatte so etwas ähnliches jedoch erwartet. Schließlich hatte sie gehört, wie der Meister ihn angesprochen und über was sie geredet hatten. Aber er musste VOR ihrer Zeit als Miko dort gewesen sein. „Ja. Ich bin bei ihm aufgewachsen.“ Madoka blinzelte. Erstaunlich. Dieser Mann wies tatsächlich so einige Ähnlichkeiten in seinem Lebenslauf mit ihr auf. „Doch ich habe mich... verführen lassen. Es gab da... einen Mann. Einen Wanderprediger. Böse Gerüchte waren über ihn in Umlauf. Doch ich beachtete sie nicht und suchte seine Nähe. Ich schätze, das Böse hat schon immer eine unheilvolle Anziehungskraft auf mich ausgeübt.“ Er seufzte. „Dieser... Mann, versprach mir, dass er einen wahren Krieger, einen unbesiegbaren Schwertkämpfer aus mir machen würde, wenn ich etwas für ihn tun würde. Ich war jung. Sehr jung. Und er schmeichelte mir. Ich ließ mich hinreißen. Ich tötete einige Männer für ihn, die ihm im Wege standen – bei welchen Geschäften auch immer. Ich habe mich nie näher damit befasst. Als ich von ihm dann meinen Lohn verlangte, da sagte er mir, ich solle mit ihm im Wald übernachten und am nächsten Morgen, wenn ich aufwachen würde, sei ich ein ganz neuer Mensch. Ein wahrer Krieger.“ Kyoshiros Stimme wurde bitter. „Oh, das stimmte durchaus. Die Seele Dämonenauge Kyos hatte in jener Nacht einen neuen Körper bekommen. Ich wurde stark – stärker als alle anderen. Doch ich bezahlte mit meiner Seele dafür. Verdorben, schwarz und lauernd, wie eine giftige Spinne, hockt seine Präsenz in meinem Geist und in meiner Seele und verlangt nach ihrem Recht auf falsche Ehre und blutigen Kampf. Ich... wurde schwächer. Der... Dämon drängt mich zurück. Ohne den Juwel der Vier Seelen wird er mich nie aus meinem Körper treiben können, aber ich werde irgendwann hilflos zusehen müssen, was er in meiner Gestalt für schreckliche Dinge tut. Das tue ich zwar auch jetzt. Aber DANN ist das ein endgültiger, dauerhafter Zustand fürchte ich...“ Madoka hatte ihm mit weit aufgerissenen Augen gelauscht. Ungläubig und so abgelenkt, dass sie vergessen hatte, dass er noch immer auf ihrem nackten Körper lag. Selbst sein Gewicht schien sie nicht zu spüren. „Und wenn das geschieht...“, hauchte sie jetzt. „Wenn das geschieht gibt es nur noch Dämonenauge Kyo. Ich werde verschwunden sein.“ „Nein!“, entfuhr es der jungen Frau. Kyoshiro gestattete sich ein mildes, trauriges Lächeln. „Es gibt nur eine Möglichkeit, wie ich Kyo ein für alle Mal loswerden kann. Shikon No Tama, den Juwel der Vier Seelen. Mit seiner Hilfe kann es mir gelingen, den Dämon zu bannen und aus meinem Körper und meinem Geist zu vertreiben.“ „Genau dasselbe hat Kyo...“ „Ja.“, unterbrach sie Kyoshiro traurig. „Auch Kyo verlangt nach dem Juwel. Denn auch ER trachtet danach, mich vollkommen zu vernichten und ein vollwertiger Dämon zu werden. Die Folgen wären...“ er sprach nicht weiter. Aber das musste er auch gar nicht. Madoka schauderte. „Dieser... „Wanderprediger“...“, sagte sie und betonte das Wort sehr merkwürdig. „Er muss ein sehr mächtiger Magier gewesen sein.“ „Ich weiß bis heute nicht wie er das gemacht hat. Oder zu welchem Zweck.“, meinte Kyoshiro nachdenklich. „Ich kannte nicht einmal seinen Namen. Ich...“ er verstummte. Etwas fiel lautstark in einem Zimmer direkt unter ihnen um. Sie vernahmen wilde Schreie und laute, polternde Schritte. Doch für Madoka schien der Moment zeitlos. Alles um sie herum wirkte... unwirklich. So als würde es nur sie selbst, Kyoshiro und ihre Unterhaltung geben. Madoka hob die Hand und zwang ihn, sie anzusehen. „Aber du warst doch noch ein Kind. Das hast du doch gesagt. Kinder sind leichtgläubig. Mach dir keine Vorwürfe.“ Doch sie erkannte in seinen Augen, dass er sich diese sehr wohl machte. Und egal was sie sagen würde: Er würde sich wahrscheinlich sein ganzes Leben lang für seine damalige Schwäche hassen. „Ich schätze, das alles beantwortet nun auch deine Frage, warum Kyo dich am Leben ließ. Durch dich erhofft er sich, genau wie ich selbst, den Shikon No Tama zu finden. Nachdem wir durch die Zeit gereist sind bist du sein.... MEIN letzter Anhaltspunkt.“ Er sah auf und ihr erneut direkt in die Augen. „Du warst eine Zeit lang die Hüterin des Juwels.“ Madoka schüttelte stumm den Kopf. „Es ist wahr, dass das Juwel im Schrein der Higurashi-Familie verborgen wurde. In unserer Zeit zumindest... Aber ich selbst habe das Schmuckstück nie gesehen. Higurashi hat ihn vor allen Blicken verborgen. Es kann sogar sein...“ Madoka überlegte. „Was?“, wollte Kyoshiro beunruhigt wissen. „Nun ja, der Meister hat im Hinblick auf den Juwel auch uns Miko verschwiegen, dass er durch die Zeit gereist war. Das habe ich auch erst erfahren, als du aufgetaucht bist...“, sie hielt kurz inne und verbesserte sich dann hastig, als sie sein Gesicht sah, „Ich meine, als Kyo aufgetaucht ist. Es könnte also sein, dass der Juwel schon lange nicht mehr in der Tokugawa-Zeit war. Allerdings KÖNNTE es auch so gewesen sein, dass Higurashi-sensei gelogen hat. Um den Juwel zu schützen. Denn ebenso gut könnte der Stein den Schrein auch nie verlassen haben.“ „Das würde ja bedeuten...“ „..., dass wir umsonst durch die Zeit zurückgereist sind.“, vollendete sie leise. „Ich behaupte ja nicht, dass es so gewesen sein muss. Aber ich KENNE Higurashi. Eine solche Lüge würde er tatsächlich aussprechen, um uns alle in die Irre zu führen, jedoch vor allem, um Dämonenauge Kyo auf eine falsche Fährte zu locken. Damit der Juwel in Sicherheit bleiben kann.“ „Wenn DAS wahr sein sollte... Dann werde ich hier sterben. Denn ich werde es nicht zulassen, dass Kyo meinen Körper übernimmt. Dann sterben wir wohl BEIDE hier. In einer völlig fremden Zeit.“ Madoka schaute entsetzt zu ihm hinauf. „Ich... Kyoshiro.“ Sie wartete, bis er sie wieder anschaute. „Ich helfe dir. Wenn der Juwel hier ist, dann werden wir ihn finden. Ich werde dir helfen. Immerhin sollte ich eine Miko werden...“ Sie lächelte schief. „Und wie gesagt, so EINIGES habe ich doch von Higurashi gelernt. Wenn es diese mächtige Miko hier gibt, von der der sensei gesprochen hat, dann werden wir sie ausfindig machen und sie um den Juwel bitten.“ Kyoshiro war sprachlos. Ein ganz leichtes, hoffnungsvolles Lächeln stahl sich auf seine Züge. Seine Augen schienen aufzuleuchten. Er hob den Arm, legte die Hand auf ihre Brust und schob sich ganz nah an sie heran: „Du bist unglaublich, kleine Miko. Du kennst mich nicht einmal und doch... willst du mir helfen.“, sagte er leise. Sekundenlang konnte sie den Hauch seines Atems über ihre Lippen streichen fühlen. Wenn er sie nun küssen wollte... Nun... Sie würde sich nicht wehren. Doch Kyoshiro gab sich einen sichtlichen Ruck und wollte sich ohne Umschweife erheben – als er plötzlich merkte, WO er seine Hand hingelegt hatte. Es war erstaunlich, wie schnell der junge Mann rot anlief. Sein Gesicht glühte regelrecht und er zog die Hand so schnell von ihrer Brust zurück, als hätte er sich verbrannt. „Entschuldige...“, murmelte er verlegen. Madoka raffte ihren Kimono um die Schultern. Auch sie spürte das Blut in ihre Wangen schießen. „Nicht schlimm...“, antwortete sie beinahe unhörbar und versuchte Ordnung in ihre lange Mähne (und in ihre Gedanken) zu bringen, registrierte beiläufig, dass der Lärm nun draußen auch auf ihrem Korridor näher kam. Kyoshiro streckte plötzlich den Arm aus und pflückte eine kleine Feder aus ihrem Haar. Madokas Blick folgte wie paralysiert jeder seiner Bewegungen - als plötzlich mit einem ohrenbetäubenden Krach die Schiebetür zum Flur aufgerissen wurde und zwei, drei Männer in den Raum stürmten. Sie alle trugen zum Dreieck geschlagene, dunkle Tücher über Nase und Mund, sodass man lediglich die Augen von ihrem Gesicht sehen konnte. Madokas erster Gedanke war, dass es Ninja sein mussten. Aber dazu war ihre restliche Kleidung einfach zu traditionell: Schlichte dunkle Hakama und dazu passende Suikan. Zwei der Männer beachteten den Mann und die junge Frau jedoch gar nicht und stürmten ohne anzuhalten zum Fenster. Sie schauten hinunter und brüllten etwas hinaus, dass Madoka nicht verstand. „Herr, hier ist es vielleicht am einfachsten. Ich hole ein Seil, dann können wir die Frauen retten.“ Einer der Männer verließ auf dem Absatz das Zimmer, der andere sah, am Fenster stehend, zu dem dritten Mann zurück, der direkt nach dem Eintreten wie erstarrt stehen geblieben war. Er blickte sie an. Genauer gesagt, er starrte Madoka an. Sekundenlang geschah gar nichts. Es war, als würden alle Geräusche um sie herum ausgeblendet und sie konnte ihren eigenen Herzschlag überdeutlich spüren. Sie erwiderte den Blick aus den weit aufgerissenen, vollkommen fassungslosen Augen ihres Gegenübers und fühlte einen seltsamen Schauer ihren Rücken hinunterjagen. Dann war der Moment vorbei, der Blick des Mannes richtete sich auf Kyoshiro - und wenn dies überhaupt noch möglich war, so weiteten sich seine Augen in diesem Augenblick noch ein Stück mehr. Madoka war... fasziniert. Eine bessere Beschreibung für das, was sie momentan empfand, ließ sich einfach nicht finden. Selbst als der Blick des Mannes sie losgelassen hatte konnte sie ihn noch immer beinahe körperlich spüren, als hätte dieser eine, zeitlose Moment sich in sie eingebrannt, etwas in ihr zum Klingen gebracht, von dessen Anwesenheit sie bislang überhaupt nicht gewusst hatte. Sie war verwirrt. War sie so leicht zu beeinflussen? Anscheinend war dem so. Sie war allzu wohlbehütet aufgewachsen in dem Shinto-Schrein mit seinen besonnenen und freundlichen Mönchen. Schwertkämpfer hatten daher wohl eine beinahe magische Anziehungskraft auf sie... Sie schüttelte den Kopf, als würde sie den Gedanken so loswerden können. Dennoch... Sie MUSSTE ihn erneut ansehen. Etwas... ZWANG sie dazu. Der Mann war nicht einmal besonders groß, aber wahrscheinlich immer noch so groß wie sie selbst. Im Vergleich zu Kyoshiros war sein Körper weniger muskulös, dafür athletischer, und verriet in seiner schlanken, geschmeidigen Form seine Wendigkeit und Zähigkeit. Wenn Madoka je einem Samurai gegenüber gestanden hatte, dann jetzt. Und er war wohl der auffälligste von den Männern, die hereingekommen waren. Er mochte sein Gesicht verbergen können – doch die lange, dunkelrot schimmernde Haarpracht, die er in einem hohen Zopf gebändigt trug, weniger... Die Augen des jungen Samurai, überdies von einer bemerkenswert dunkelblauen Farbe, waren auf Kyoshiro gerichtet – und plötzlich wurde sein Blick dunkel vor Zorn. „DU!?“, zischte er wütend. Langsam hob er sein Schwert, ein formvollendetes, im Kerzenlicht gleißendes Katana. Er richtete es direkt auf Kyoshiros Gesicht. „Du!“ Diesmal klang es eindeutig nach einer Feststellung. „Du verdammter, dreckiger Bastard! Stiehlst mein Geld und verprasst es im nächstbesten Hurenhaus der Stadt – ja, ganz genau SO hab ich dich auch eingeschätzt! STEH AUF!“ Kyoshiro erinnerte sich. Madoka konnte förmlich SEHEN, wie sein Gesicht sich vor Schrecken verzerrte. Sein Gegenüber würde, nein KONNTE, ihm gar nicht glauben, dass es ein anderer Mann gewesen war, der sein Geld gestohlen hatte. `Kyo...`, dachte Madoka. Dieser... Er hatte also das Geld gestohlen, mit dem er sie gekauft hatte. Nun, wieso überraschte sie das eigentlich noch? Der Rothaarige kam näher. Sein Blick glitt kurz hinüber zu Madoka, taxierte sie abschätzend, registrierten ihre Tränen und die verlaufene Schminke. Und sein Blick schien regelrecht zu explodieren. „Was hast du mit dem Mädchen gemacht, du verdammter...?“ Er wartete jedoch eine Antwort gar nicht erst ab. Unvermittelt trat er an Kyoshiro heran und schlug ihn. Kyoshiros Kopf flog nach hinten, er landete unsanft auf den Tatami. Madoka keuchte erschrocken. „Nein! Hör auf! Er hat nicht...“ Der Rothaarige schien sie nicht zu hören. Er griff Kyoshiro ins Haar und zerrte ihn wieder hoch, zwang ihn, ihn anzusehen. „Damit das klar ist! Ich werde mein Geld auf JEDEN Fall zurückbekommen!“ Mit einem erstaunlich kräftigen Tritt beförderte er Kyoshiro erneut zu Boden. Und dieses Mal war der Aufprall so hart, das Kyoshiro benommen liegen blieb. Madoka wurde wütend. Sie sprang auf und stellte sich schützend vor den am Boden liegenden jungen Mann. „Hör auf ihn zu schlagen! Was soll das?! So bekommst du dein Geld auch nicht wieder zurück!“, rief sie. Der Blick des Rothaarigen wirkte mit einem Mal erschrocken, dann irgendwie... verlegen. Ihr Blick folgte dem seinen auf ihren Körper. Sie stieß einen erstickten Schrei aus. Der Kimono hing in Fetzen. Sie war de facto beinahe vollkommen nackt. Nun, das nahm ihren Worten eindeutig die Schärfe. Hastig bedeckte sie Ihre Brüste notdürftig mit einem Arm und hielt die andere Hand über ihren Schritt. Sie wurde rot. So ein Mist. Der Rothaarige war aber zumindest insoweit ein Gentleman, als dass er hastig seinen Blick wieder abwandte und Kyoshiro ansah. Er wirkte erschrocken. Erst jetzt schien ihm zu dämmern, was er da getan hatte. „Oh mein... Ich... habe die Beherrschung verloren...“ Er bückte sich, wie um nach Kyoshiro zu sehen oder ihm aufzuhelfen, streckte eine Hand nach ihm aus. Doch plötzlich wurde sein Arm zur Seite geschlagen. Kyoshiro (?) erhob sich, sehr langsam und ohne sich indes zu ihnen herumzudrehen. Er lachte. Leise. Und sehr böse. Madoka KANNTE dieses Lachen... „Kleiner Bastard. Glaubst du, so etwas haut mich um?“ Mit einem Ruck drehte er den Kopf. Rote Augen fixierten den jungen Samurai mit unverhohlenem Hass und blankem Zorn. „Im Gegenteil! Du hast mich ziemlich nett unterhalten, muss ich sagen. Die kleine Schlampe da...“, er nickte kurz abfällig in Madokas Richtung, und sie zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen, „...war nicht wirklich befriedigend. Und da lieferst du mir ja direkt nen Vorwand für eine kleine, nette Prügelei. Was meinst du? Bist du dabei?“ Er grinste breit und falsch. "Oder...", er taxierte sein Gegenüber lauernd. Sein Blick würde anzüglich. "Vielleicht möchtest du lieber, dass ich mich um DICH kümmere, Kleiner? Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du mit der Mähne und dem Körper glatt als Weib durchgehen könntest?" Er machte eine obszöne Geste. "Du siehst jedenfalls wie jemand aus, der es mal richtig gebrauchen könnte." Madoka starrte Kyo entgeistert an. Und auch der Rothaarige beging den Fehler und schaute ihn geschlagene fünf Sekunden vollkommen fassungslos und verwirrt an. Der Kinnhaken traf ihn also vollkommen überraschend, aber so heftig, dass Madoka einen Knochen (oder Zähne) knacken hören konnte. Der Samurai wurde mit solcher Macht zu Boden geworfen, dass dieser merklich zitterte. Das Tuch, welches sein Gesicht bislang zur Hälfte verborgen hatte, löste sich und fiel herab, gab den Blick auf vor Schmerz fest zusammengepresste Lippen frei. Und wieder war es an Madoka erschrocken zu keuchen und dem Hilflosen zur Seite zu eilen. Nur, dass sie sich DIESES Mal für den Samurai einsetzte... „Kyo, hör auf! Bitte! Lass ihn! Lass uns verschwinden! Ich helfe dir, hörst du? Ich helfe dir den Juwel zu finden! Nur lass und gehen, ja? JETZT!“ Kyo tat das, was er am besten konnte: Er lachte. Böse und dunkel. „Du gestattest wohl, dass ich dem kleinen Volltrottel hier noch einmal gehörig den Kopf wasche, bevor wir gehen.“ Er fegte sie mit einer beiläufigen Geste beiseite, packte den Rothaarigen am Kragen und hob ihn scheinbar mühelos an, bis sich ihre Gesichter beinahe berührten. Der Samurai stöhnte unterdrückt. „Was? Ich kann dich nicht hören.“, feixte Kyo. „Keine... Zeit mehr...“, keuchte der Rothaarige unter enormer Anstrengung. „Wie bitte? Oh, ich glaube doch, dass genug Zeit bleibt, um sich zu amüsieren. Was hälst du davon, erst prügeln, dann f..cken wir die Kleine? Das GANZE HAUS ist voll von willigen, kleinen... Oder nein, warte. Ich besorge es DIR, was meinst...“ Der Schlag traf Kyo seitlich am Kopf. Er hatte die Faust des jungen Samurai nicht einmal KOMMEN sehen, so schnell hatte er sich bewegt. Das Heft des Schwertes, dass er nach wie vor in der Hand trug, traf ihn mit voller Wucht dicht über der Schläfe. Kyo ging schwer zu Boden, stützte sich keuchend mit einer Hand ab. Auch der junge Samurai ging erneut in die Knie, rang nach Atem. „Du Idiot!“, zischte er wütend. „Dieses Haus brennt! Wir sollten zusehen, dass wir hier rauskommen, wenn wir überleben wollen!“ Und Madoka, die dem Kampf mit schreckgeweiteten Augen gefolgt war, erkannte, dass er Recht hatte. Von draußen drangen nicht nur hysterische, aufgeregte Stimmen, das charakteristische Geklirr von aufeinanderprallenden Schwertklingen und polternde Schritte herein, sondern auch beißender Rauch und penetranter Brandgeruch. Noch sehr leicht zwar, aber dennoch deutlich. Das Haus brannte. Mehrere Männer kamen jetzt mir schreienden, weinenden Frauen im Schlepptau zur Tür herein und binnen Kurzem war der Raum hoffnungslos überfüllt. Einer der Männer eilte an die Seite seines Herren, half ihm auf die Füße. „Beeilt euch!“, rief der Samurai und versuchte, den Lärm zu übertönen. „Bringt die Frauen in Sicherheit. Um Onigumo werde ich mich persönlich kümmern...“ Ein grimmiger Ausdruck erschien in seinem Blick, während die Männer die Frauen zum Fenster bugsierten und ihnen dort halfen, an einem Seil hinunter zur Straße zu gelangen. „Mein Herr, der Haupteingang steht in Flammen. Wenn ihr hier raus wollt, dann geht das nur noch auf diesem Weg hier.“ Der Rothaarige erwiderte den Blick des jungen, ihm untergebenen Mannes entschlossen. „Geh, Yotaro. Ich werde schon eine Ausweg finden. Aber ich MUSS Onigumo stellen. Sonst war alles umsonst.“ Er schaute sich hastig um. Sein Blick fiel auf Madoka. Er stürmte auf sie zu und ergriff sie am Arm, zog sie in Richtung Fenster. „Du musst auch fliehen. Schnell!“ Madoka musste ihm folgen, ob sie wollte oder nicht. Sie wurde einfach mitgezerrt. Kapitel 5: Feuer ---------------- Hallo, allerseits!^^ Gleich vorneweg: Es tut mir sehr Leid, dass ich so selten zum Schreiben komme. Gomennasai. Aber der Job... Dann sind auch noch so viele Dinge in meinem Privatleben passiert... *haare rauf* Ich sag euch, des alles wirkt sich auch und gerade aufs Schreiben aus... O.o Jedenfalls: Ich freu mich, dass ihr (wieder) vorbeischaut, danke für eure unerschütterliche Treue und wünsch euch nun viel Spaß mit dem neuen Kapi, von dem ich die Grundzüge (die Mitte^^) schon lange stehen hatte, aber eben noch vier Stunden lang etwas daraus gemacht habe - zumindest hab ichs versucht, urteilt bitte selbst^^. JETZT kommen gleich ein PAAR neue Charas hinzu. Fans von "Samurai Champloo" kommen endlich auch mal auf ihre Kosten^^. Ich liebe diese schrägen Charas und MUSSTE sie einfach mal in eine FF von mir einbauen. Ich weiß, ich weiß, ich hab mir ne Selbstgeißelung auferlegt, indem ich erbarmungslose Komik mit einem ungemein traurigen und tiefen Plot zusammenzubringen versuche. Aber vielleicht habt ihr ja trotzdem Spaß dran? *hoffnungvoller blick* Spaß ist, was wir draus machen, gell? Freu mich immer über Kommies!^^x Und hier gehts los: ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Edo Sengoku-Ära Onigumos Anwesen Es war unglaublich, welche Ähnlichkeit diese junge Frau auf den ersten Blick mit ihr hatte. Mit IHR. Hanako... Der Schmerz raubte ihm einige endlose Herzschläge lang beinahe den Verstand. Shinta Himura war bis ins Mark erschüttert. Der junge rothaarige Samurai war beim Eintreten in das kleine Zimmer wie erstarrt stehen geblieben, konnte kaum atmen, als sein Blick auf eine junge Frau fiel, die zitternd und mit vor Schreck geweiteten Augen, sowie mit aufgelöstem, langem, dunklem Haar mitten im Raum stand, scheinbar soeben einer versuchten Vergewaltigung entronnen. Er war mit seinen Männern heute hierher gekommen, um die verbrecherische Bande um Onigumo endgültig in ihre Schranken zu weisen, sie zu zerreiben und auszulöschen – und um Onigumo selbst zu töten. Nie im Leben hätte er damit gerechnet, dass er sich so bald und so intensiv mit seiner Vergangenheit konfrontiert sehen sollte. Hanako... Es tat weh. Viel mehr als es nach all der Zeit eigentlich sollte. Aber DIESER Schmerz würde ihn wohl niemals mehr verlassen. Er war ihm vertraut und ein Teil von ihm geworden. Etwas, das ihn nun auch ausmachte. Was in jenen Bruchteilen von Sekunden, in denen er hinter seinen Männern den Raum betrat und stehen blieb, in dem jungen Mann vorging ließ sich kaum mit Worten beschreiben. Hanako. Seine geliebte Frau. Sie war ein so sanftmütiger, freundlicher Mensch gewesen. Warum hatte man sie so früh aus dem Leben gerissen? Plötzlicher Hass stieg in ihm auf, überrollte ihn wie eine schwarze, alles verschlingende Woge. Er sah vor seinem geistigen Auge wieder Onigumos böses, kaltes Lächeln. Er sah die Hand, welche das Schwert hielt. Es blitzte im Kerzenschein. Erneut spürte er sich gegen seine unsichtbaren Fesseln stemmen, versuchte sich zu befreien, zu ihr zu eilen. Vergeblich. Ihre Augen! Nie würde er Hanakos Augen im Moment ihres Todes vergessen können. Sie verfolgten ihn. Bei Tag und bei Nacht, im Schlaf und beim Wachen. Entsetzen. Pures Entsetzen las er in ihrem Blick. Angst. Aber auch eine unendlich tiefe, verzweifelte Liebe zu ihm, Shinta. Als Onigumo Hanako vor den Augen ihres Mannes die Kehle durchschnitt, das dunkle Blut wie ein bizarrer Wasserfall zäh und absurd langsam über ihren gewölbten Leib zu rinnen begann, da endete nicht nur das Leben von Himuras junger Frau, sondern auch das seines Erben. Seines ungeborenen Kindes. Es war wie ein doppelter Aufschrei in seiner Seele gewesen, dessen Nachhall ihn bis heute verfolgte. Gewaltsam entriss man ihm das Herz, zertrat es und warf es achtlos fort. Onigumo. Der Mann, der auch seinen Vater getötet hatte. Der seine Frau und sein Kind umgebracht hatte. Onigumo. Keinen Namen auf der Welt hasste Shinta Himura mehr als diesen. Er war hier, um sich zu rächen. Da mochte es noch so edle, andere Gründe geben, das Verbrechersyndikat zu zerstören. ER war nur aus diesem einen Grund hier. Rache würde es nicht besser machen, ihm die geliebten Menschen nicht wieder zurückbringen. Das wusste er. Aber es verschaffte Genugtuung. Und sei es nur für den Moment. All das strömte in Sekundenbruchteilen durch seine Gedanken, als er SIE sah. Er wusste sehr wohl und auch gleich beim Eintreten, dass es NICHT Hanako war, dass sie es einfach nicht sein KONNTE, die dort zitternd und halbnackt stand. Aber sie sah ihr so ähnlich... Der verletzliche Ausdruck, die Angst, ihre nicht zu verleugnende Weiblichkeit und ihr eindringlicher Blick... All das ließ ihn innerlich erstarren und etwas in ihm krümmte sich wie ein getretener Wurm bei den Erinnerungen, die ihr Anblick heraufbeschwor. Doch es war nicht Hanako. Er musste sich besinnen. Er war hier um eine Aufgabe zu erfüllen. Und so umfasste er sein Katana fester, entließ die junge, unbekannte Frau endlich aus seinem klammernden, forschenden Blick - und sah den Mann, der neben ihr stand. Er erkannte in ihm den Mann, der ihn kurz zuvor auf der Straße angegriffen und ihm sein Geld gestohlen hatte. Eine ganz andere Wut, eine Art von entnervtem, ungeduldigem Zorn, flackerte in ihm auf. Dies war so unnötig! Und momentan auch wirklich nicht wichtig. Aber... der Mann schien sich an dem Mädchen vergriffen zu haben - und ihre verlaufene Wimperntusche verriet ihm, dass sie geweint, sich wohl gewehrt haben musste. Daher hatte er nun ZWEI gute Gründe, diesem dahergelaufenen, abgerissen wirkenden und unverschämten Kerl eine Lektion zu erteilen. Nur aus diesen Gründen hatte Shinta sich eingemischt - und feststellen müssen, dass sein Gegner unberechenbar, bösartig und sehr stark war. Dieser Mann war gefährlich. Auch seine ironischen, scheinbar flapsigen Bemerkungen konnten dies nicht verbergen. Und auch nicht den Blick aus seinen flammend roten, düsteren Augen. Er musste wachsam bleiben und durfte ihn nicht unterschätzen. Dies war nicht nur ein Taschendieb. Und jetzt... Lag Shinta Himuras rechte Hand wie ein Schraubstock um dem Handgelenk des Mädchens. Er fühlte ihren raschen Puls unter seinen Fingern heftig schlagen und versuchte das irritierende, Schwindel erregende Gefühl zu ignorieren, welches diese Empfindung nun wieder auslöste. ‚Mein Gott, Hanako. Ich vermisse dich... Ich brauche dich...’ Während er die junge Frau in Richtung Fenster hinter sich her zog schüttelte er unwillig den Kopf, seine lange Mähne folgte der Bewegung getreulich, als wollte er diesen Gedanken loswerden. Der Kinnhaken des Fremden hatte ihm eine heftig blutende Wunde an der Innenseite seiner Wange beigebracht. Sein Schädel dröhnte immer noch. Nun, der Kerl würde dafür bezahlen. Und für alles andere auch. Doch momentan war ihm die Sicherheit dieser jungen Frau wichtiger. Warum? Nur weil sie aussah wie Hanako? Ja, lautete die schlichte Antwort. Im Moment war es einfach so. Er kannte dieses Mädchen nicht. Aber er würde ihr helfen. Ihr und auch den anderen Frauen durfte kein Leid geschehen. Verdammt! Wie hatte es nur dazu kommen können, dass ein Brand ausbrach? Oder war er gelegt worden? Er und seine Männer hatten am frühen Abend beobachtet, wie Onigumo von einem Streifzug zurückgekehrt war. Sie hatten den Moment abgepasst, in dem die Männer endlich alle in dem Innenhof des Hauses verschwunden waren und das Durcheinander, welches sie durch die geöffneten Tore sehen konnten, perfekt schien, perfekt für einen Überraschungsangriff. Onigumos Männer waren wohl auf Beutezug gewesen. Leute der Dienerschaft liefen wie aufgescheuchte Hühner hin und her und entluden die Karren und Pferde. Es war ein einziges lautes Chaos aus schwitzenden, herumlaufenden Menschen, die sich gegenseitig etwas zubrüllten, ihre Beute ins Haus trugen und von wiehernden, steigenden Pferden, die man verzweifelt versuchte im Zaum zu halten. Es schien wirklich alles perfekt. Aber Onigumo… schien nicht überrascht. Seine Männer hatten unsagbar schnell reagiert, als Himuras Männer von allen Seiten in das Haus eindrangen, die Wachen überwältigten, und sogar über das Dach in den Innenhof sprangen. War es vielleicht Onigumos Wille gewesen, die Eindringlinge im eigenen Haus auszuräuchern? Nun ja. Irgendwie passte dies in das Bild, das er sich von Onigumo hatte machen können. Dieser Mann hatte UNZÄHLIGE Häuser in der Stadt unter seiner Kontrolle. Er konnte jederzeit auch an einem anderen Ort untertauchen. Das hatte nicht nur Shinta selbst, sondern auch sein Vater, als er noch gelebt und die Miliz gegen das Verbrechersyndikat angeführt hatte, bereits oft zur Kenntnis nehmen müssen. Shinta hatte dieses Freudenhaus einige Male verkleidet als vermeintlicher Kunde aufgesucht, um zu spionieren. Und er war in seinem Verdacht bestätigt worden. Hier war der Hauptsitz des Syndikats. Hier musste er Onigumo schnell und sehr hart treffen. Und was war geschehen? Er war selbst scheinbar in eine Falle getappt. Blind vor Hass und Zorn. Wie hatte das nur passieren können? Er hielt die Antwort fest mit seinen Fingern umschlungen. Vielleicht war SIE der Grund, warum er hier war. SIE – und auch Hanako. Vielleicht hatte ihm das Schicksal eine neue Aufgabe auferlegt. Er wusste es nicht. Aber er würde es herausfinden. Er würde so oder so seine Rache bekommen. Er würde Onigumo dieses Mal stellen. Aber nicht, bevor SIE nicht in Sicherheit war. Der Brandgeruch wurde stärker, der Qualm dichter. Madoka hustete. Der Griff des jungen Samurai um ihrem Handgelenk tat beinahe weh. Rücksichtslos drängte er sich zwischen die sich windenden Leiber am Fenster, versuchte, Madoka nach vorn zu schieben, als plötzlich das charakteristische Sirren gespannter Bogensehnen zu ihnen heraufdrang. Madoka ahnte, was nun folgen würde und eine eiskalte Hand schien nach ihr zu greifen. Man konnte hören, die die Sehnen mit peitschendem Knall, der beinahe wie ein einziger klang, losgelassen wurden und mit einem Mal war die Luft voll von ängstlichen Rufen und Schreien und nachtschwarzen Pfeilen, die durch das offene Fenster zu ihnen eindrangen und sich federnd in den Rahmen oder den Boden und die Wände des Raumes bohrten. Einige dieser Pfeile brannten… Zwei oder drei der Krieger, welche den Frauen aus dem Fenster geholfen hatten, verschwanden getroffen schreiend in der Tiefe. Das Seil riss. Erschrockene und schmerzerfüllte Laute drangen von unten zu ihnen hinauf. "Verdammt!" Der junge Samurai schaute mit weit aufgerissenen Augen aus dem Fenster. "Er will uns hier tatsächlich ausräuchern! Ist es ihm gleich, dass seine eigenen Männer noch hier drin sind?" Die Frage war unnötig und richtete sich auch an niemand Bestimmten. Er wusste, wie kalt und berechnend Onigumo war. Wenn es seinem Ziel dienlich war, so würde er auch die eigenen Männer opfern. Was die Frauen anging, die in diesem Etablissement arbeiteten, so bedeuteten sie ihm wahrscheinlich noch weniger. Weniger als der Dreck, der unter seinen Schuhen klebte. Grimmig presste der junge Mann die Lippen aufeinander und fuhr herum. Madoka half einer jungen Frau auf die Füße, die auf der Flucht zurück vom Fenster gestolpert und gefallen war. Die Frau sah sie mit weit aufgerissenen Augen an - und floh dann auf den raucherfüllten Flur tiefer ins Haus hinein. Der Rothaarige fluchte. "Wir müssen hier raus! Du, Mädchen!", er lief auf Madoka zu und ergriff sie erneut grob am Arm. "Weißt du, ob es hier noch einen anderen Ausweg gibt? Einen Hinterausgang? Wir müssen euch hier rausbringen!" Madoka versuchte angestrengt sich zu erinnern. Ihr Atem und ihr Puls rasten. Sie hatte Angst. "Idioten.", sagte Kyo nun. Er hatte dem Treiben mit verschränkten Armen allenfalls mäßig interessiert und scheinbar ein wenig amüsiert zugesehen. Jetzt schob er sich an ihnen beiden vorbei, ebenfalls hinaus auf den Flur. Ein unheilvolles Lächeln umspielte seine schmalen Lippen. "Wenn ihr da noch lange herumsteht erübrigt sich jede weitere Diskussion." Madoka beachtete ihn nicht. Sie versuchte es zumindest… "Ich glaube, es gibt einen Weg durch die Großküche nach hinten raus. Wenn der Weg durch die Eingangshalle noch passierbar ist..." "Los!", rief der junge Mann und begann damit, sie wieder hinter sich herzuzerren, als er mit großen Sätzen hinter Kyo durch den Flur stürmte. Sie kamen an mehreren Räumen vorbei, in denen ein ähnliches Chaos ausgebrochen war wie in ihrem Zimmer. Zu ihrem Erschrecken erkannte Madoka selbst im Vorbeilaufen, dass es nicht wenige Opfer unter dem erbarmungslosen Pfeilhagel gegeben hatte. Es brannte hier und da. Die Flammen breiteten sich schnell aus. Es roch nach verschmortem Fleisch und sie gewahrte Blut. Viel Blut. Es tränkte die Tatami, es verunzierte die wunderschön bemalten papiernen Wände… Sie liefen weiter. Madoka wurde übel. Sie kämpfte gegen den Brechreiz und taumelte. Hätte der junge Samurai sie nicht ohnehin festgehalten, wäre sie gestürzt. Aber er nahm kaum Rücksicht und zog sie unbarmherzig weiter. Wer war dieser Mann überhaupt, der so abrupt in ihr Leben getreten war und sich nun anmaßte, ihr vorschreiben zu können was sie tun sollte? Sie kämpfte ihre Übelkeit nieder, versuchte sie durch gerechten Zorn zu ersetzen. Was DACHTE sich dieser Kerl? Sekundenlang spielte sie mit dem Gedanken sich loszureißen, doch sie sah ein, dass dies nur eine kostbare Zeitverschwendung gewesen wäre. Sie mussten aus diesem Haus heraus! Sie würde ihn später zur Rede stellen – wenn sie dann noch die Gelegenheit dazu hatte. Doch wer waren all diese Männer? Sie konnte nicht aufhören sich zu wundern. Während sie die Gänge kreuzten trafen sie auf dutzende dieser Gestalten, die wie Ninja gekleidet waren. Ungewollt saugte sich ihr Blick an der langen, dunkelrot schimmernden Mähne fest, die vor ihr herwogte. Er wirkte so schlank und zierlich – und doch schien er eine unbändige Kraft in sich zu beherbergen. Er war so anders als Kyo. Und doch schätzte sie, dass er nicht weniger mächtig im Kampf war, als dieser. Sie verschob den Gedanken. Was tat sie hier überhaupt? Um sie her starben MENSCHEN! Und sie machte sich Gedanken darum, wer sie nun aus was auch immer für Gründen retten wollte. Dankbar sollte sie sein. Sie fühlte sich plötzlich einfach nur noch schlecht. Schlecht, klein und mies. Aber sie war nicht allein. Das war ein kleiner Trost. Madoka versuchte mit ihrer freien Hand das bisschen Kleidung, das sie noch am Leib trug, zusammenzuraffen und irgendwie zu verknoten. Es blieb bei dem Versuch. Nun ja, falsche Scham hatte hier momentan wirklich GAR NICHTS mehr zu suchen... Sie konzentrierte sich jetzt darauf, mit dem jungen Mann Schritt zu halten, ohne weiter darüber nachzudenken, was hier eigentlich gerade geschah. Jetzt kamen sie an einem Raum vorbei, in dem anscheinend lautstark ein verbaler Streit ausgetragen wurde. In vollem Lauf erhaschte Madoka den Blick auf zwei Männer und eine junge Frau, die... "FUU!", schrie sie plötzlich erschrocken und blieb so abrupt stehen, dass sie damit den jungen Samurai vollkommen überraschte. Er stieß einen unterdrückten Fluch aus und wollte sich noch mit einem ungeschickten Ausfallschritt nach hinten vor einem unsanften Sturz bewahren. Es blieb bei dem Versuch. Er drehte sich und fiel, fing sich halb an der Wand und mit einer Hand am Boden ab, landete hart auf den Knien. Madoka war schon längst mit ein paar wenigen Sätzen zurück zur Tür und schaute in das Zimmer hinein. Fuu war dort. Und noch zwei weitere, sehr seltsam anzuschauende (jedoch eindeutig männliche) Gestalten. "DU wolltest doch unbedingt hierher und dich amüsieren! Es war nie die Rede davon, dass es MEINE Idee war.", sagte der eine nun mit aufreizender, aufgesetzter Ruhe und verschränkte die Arme vor der Brust. Er war hoch gewachsen, sehr schlank und hatte eine ähnliche Statur wie der junge Samurai mit dem roten Haar, der sich soeben umständlich hinter Madoka wieder aufrappelte. Er hatte schwarzes, glattes, recht langes Haar, das er zu einem Zopf gebunden trug und ein seltsames Gestell auf der Nase, durch dessen zwei runde Löcher seine Augen schauen konnten. Madoka hatte so etwas noch nie zuvor gesehen. Vielleicht war es eines dieser „Zauberdinge“, die mit den Ausländern vom Kontinent manchmal unter der Hand hierzulande verkauft wurden. Die Kleidung des jungen Mannes, traditionell japanisch mit Yukata und Hakama, war staubig und zerschlissen, als wäre er schon lange Zeit auf Wanderschaft. Und auch DIESER Mann war ein Schwertkämpfer. Davon zeugte das recht beeindruckende, lange Katana, dass in einer schwarzen Scheide an seiner Seite hing. "Ach ja, natürlich. Jetzt bin ich mal wieder Schuld. Wie bequem.", maulte der andere Mann und versuchte, sein scheinbar gleichgültiges Gegenüber regelrecht mit Blicken aufzuspießen. Er schien das genaue Gegenteil des Samurai mit dem schwarzen Haar zu sein. Auch er war recht groß, wirkte jedoch um einiges ungepflegter und geradezu schlaksig. Die Haare, dunkelbraun wie Madokas eigene, waren kurz geschnitten und standen wild in alle Himmelsrichtungen ab. Sein Gesicht zeigte, um das Maß voll zu machen, einen ungleichmäßigen Drei-Tage-Bart. Seine Kleidung war überdies sehr merkwürdig. Wüsste sie es nicht besser, so würde sie sagen, dass auch diese Kleidungsstücke irgendwann aus dem Festland (über den Schwarzmarkt?) hier herüber gekommen waren. Japanische Kleidung war das jedenfalls nicht... Jin und Mugen. Die Männer, von denen ihr Fuu erzählt hatte. Sie MUSSTEN es sein. Lange zu überlegen, wer nun WER von den beiden war, musste sie erst gar nicht... "DU hast doch gesagt, wenn wir nun einmal hier sind, können wir auch gleich..." "... nach Fuu suchen. DAS habe ich gesagt.", unterbrach Jin den anderen ungehalten. "Und jetzt dreh mir nicht die Worte im Mund herum. Ich hatte keine andere Absicht hier abzusteigen, als Fuu zu suchen." "Natürlich. Jin, der Held in strahlender Rüstung.", schoss Mugen wütend zurück. "Na, schön. Dann war es eben so, dass DU die Kleine suchen wolltest. ICH wollte Spaß haben. Diese Welt... oder meinetwegen auch Zeit ist so abstrus und so... ANDERS, dass ich mich halt gern mal ablenken wollte." "Aber oberste Priorität hatte nun mal..." "... das wir schleunigst versuchen das Haus zu verlassen!", schrie Fuu nun fassungslos dazwischen. "Jungs! Jetzt kommt mal wieder runter! Hallo? Ich bin doch hier! Also: Gehen wir! Das Haus brennt. Falls es euch entgangen sein sollte." Sie hustete. Wie aufs Stichwort hin wurde der Qualm auch hier nun dichter. "Fuu!", rief Madoka nun von der Tür her und winkte der Freundin hektisch. "Hierher! Schnell! Wir fliehen!" Irgendwo unten im Haus krachte es ganz gewaltig. Madoka verband das Geräusch mit dem Zusammensturz der Galerie in der Haupthalle. Oder gleich mit dem von einem Teil des gesamten Gebäudes. Ganz leicht zitterte der Boden unter ihren Füßen. Madoka beschlich eine namenlose, flüsternde Furcht. Wenn sie nun nicht mehr hier herauskamen? Sie mussten sich beeilen! Sollte das mit der Galerie stimmen hatten sie allerdings ein Problem das obere Stockwerk zu verlassen... Fuu setzte sich in Bewegung und zerrte die zwei Männer mit erstaunlicher Kraft hinter sich her. Mugen schaute Madoka irritiert an. "Und wer ist DAS nun wieder?", fragte er scheinbar gelangweilt. Madoka fand ihn mehr als seltsam. Er schien den Ernst der Lage überhaupt nicht richtig zu erfassen. "Nicht jetzt!", erwiderte Fuu auch prompt. Jin hingegen schaute den jungen, rothaarigen Samurai an, der hinter Madoka stand und zum Aufbruch drängte. "Sieh an. Himura, richtig?" Sowohl Madoka, als auch Fuu sagten gleichzeitig und ungläubig: "Ihr kennt euch?" Die Mädchen sahen sich noch verwirrter an. "Dafür ist jetzt keine ZEIT.", sagte der junge Samurai mit Namen Himura betont. "Später." Er ergriff Madoka bereits wieder am Arm und drehte sich herum um zu gehen. Jin glitt an seine Seite. Geschmeidig, lautlos, schnell und wie ein Schatten. Spätestens JETZT wusste Madoka: Dieser Mann war genauso mit Leib und Seele Schwertkämpfer, wie der Rothaarige es sein musste. "Also, wenn dies der "geplante" Angriff sein soll, von dem du erzählt hast, dann - verzeih, wenn ich das anmerke - wirkt er auf mich doch reichlich... unkoordiniert...", sagte Jin nun, während sie sich alle bereits wieder im Laufschritt in Richtung Halle bewegten. Madoka sah schwarze, fettige Rauchwolken von dort in den Gang hereinwehen. Auch die Schreie und eindeutig so etwas wie Kampflärm wurden nun sehr schnell lauter. Sie hatte ein ganz schlechtes Gefühl. Um es vorsichtig auszudrücken. Himura musste es auch bemerkt haben - genau wie sie alle. Er schürzte ungehalten sie Lippen und sparte es sich, Jin direkt zu antworten. "Sie haben uns überrumpelt. Ich... hatte nicht damit gerechnet, dass sie so schnell nach ihrer Rückkehr zum Kampf rüsten können. Verdammt!“ Sie erreichten endlich die Halle und stolperten hustend auf die Galerie hinaus, um dann hinabzublicken. Madoka hatte Recht gehabt und sah nun ihr ungutes Gefühl bestätigt. Die gegenüberliegende Seite der Halle bestand aus einer lohenden Flammenwand. Die Galerie dort war komplett zusammengebrochen und brannte nun als gigantischer Scheiterhaufen am Fuße der Treppe, die beinahe grotesk und trotzig aus den Trümmern in die Höhe zu ragen schien, unversehrt, aber ins Nichts führend. Auch der Haupteingang war dicht. Eine Feuerwand versperrte den Ausweg. Flammen züngelten an den Säulen auch zu ihrem Teil der Galerie hinauf. Madoka hatte plötzlich das Gefühl flüssige Lava zu atmen. Es tat WEH! Großer Gott! Während sie hinabblickte zu dem Teil der Halle, der noch verschont geblieben war von den Flammen, und die dort kämpfenden Männer sah (die einen in derselben Ninja-Tracht, wie die Männer, mit denen Himura zu ihnen ins Zimmer gekommen war, die anderen unverkennbar unter Onigumos Wappen), schien es ihr endgültig klar zu werden. Dies war kein Traum. Dies war bittere Realität. Alles war wahr. Ihre absurde Reise zurück durch die Zeit. Ihre noch merkwürdigere Gefangenschaft durch Onigumo, einen Mann, der ihr einen kalten Schauer auch nur bei der Erwähnung seines Namens über den Rücken laufen ließ. Kyo.... Sie hatte sich bislang noch einreden können… Doch jetzt… Sie blinzelte. "Wo ist Kyo?" "Wer ist...?", wollte Mugen fragen, doch er unterbrach sich, als Himura mit einem Mal scharf die Luft einsog. Madoka wandte den Blick – und erschrak bis ins Mark. Vollkommen fassungslos schaute sie den jungen Samurai von der Seite her an. Was sie nun in seinen tiefblauen Augen gewahrte, ließ sie zurückschrecken wie die Hand vor dem Feuer. Der unendliche Hass und die Wut die aus ihnen sprachen waren allenfalls vergleichbar mit dem, was sie in den Augen des Mörders von Tausenden gesehen hatte. Vergleichbar – und doch anders. Himuras Zorn schien ihr auf eine merkwürdige und nicht in Worte zu fassende Weise… realer. Greifbarer. Dieser Mann hasste nicht nur um des Hassens Willen. Dieser Mann hasste, weil er gar keine andere Wahl hatte, weil ein unendlich böses Schicksal es von ihm verlangte. Sein Hass hatte ein Ziel und richtete sich nicht gegen alles und die ganze Welt, wie es bei Kyo bisweilen zu sein schien. Nein. Dieser Mann… Sie folgte seinem Blick hinunter zum anderen Ende der Halle. Und dort, von den hoch lodernden Flammen hinter ihm in unheimliches, rotes Licht getaucht, stand er. Onigumo. Er sah zu ihnen hinauf. Und er sah Himura an. Auch auf die Entfernung hin glaubte Madoka zu spüren, wie eine eiskalte Hand ihre Seele berührte, als sie diesen Blick gewahrte. Himura schien das nicht zu merken – oder er ignorierte es. Entschlossen griff der junge Schwertkämpfer nach der Brüstung der Galerie und flankte mit einem Satz hinüber, sprang die vielleicht knapp vier Meter in die Halle hinab. Fuu schrie erschrocken auf und Jin trat vor, wollte ihn zurückhalten, doch Himura war schon verschwunden. Madoka war mit einem Satz an der Brüstung und starrte hinunter in das Kampfgetümmel. Im ersten Moment sah sie ihn nicht einmal. Doch da, die Rauchschwaden zerrissen und gaben den Blick auf den jungen Samurai frei, der tatsächlich unversehrt schien und mit einem markerschütternden Kampfschrei auf den Lippen durch die Halle stürmte, rücksichtslos Freund oder Feind nieder rennend und nur ein Ziel vor Augen. Onigumo erwartete ihn scheinbar ganz ruhig, als hätte er dort schon geraume Zeit gestanden und nur auf diesen einen Moment gewartet. Madokas Hände krampften sich unbewusst um das hölzerne Geländer. Wo zum Teufel war Kyo? Mugen machte sich an den Abstieg der Treppe. „Also, ich weiß ja nicht wie’s euch geht, Kinder. Aber mir wird das hier ein bisschen zu heiß. Draußen können wir von mir aus dann gern weiterkämpfen. Ich hab überhaupt nichts gegen eine ordentliche Rangelei. Aber das Ambiente hier sagt mir zur Zeit nicht sonderlich zu.“ Madoka blinzelte gegen den Rauch an. Sie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Wie konnte dieser Mann jetzt nur so sarkastisch sein? Jin legte ihr eine Hand auf die Schulter und versuchte, auch sie zum Abstieg der Galerie zu bewegen. „Er ist so. Achte nicht darauf. Lass uns gehen. Fuu sagt, sie weiß, wo es einen hinteren Ausgang gibt.“ Aber Madoka hatte längst wieder den Kopf gewandt und starrte gebannt auf den bizarren Zweikampf hinab, der zwischen Onigumo und Himura entbrannt war. Zwei vom Feuer rot beleuchtete, verzerrte Schatten, die wie in einem irren Tanz umeinander kreisten und Schlagabtausch auf Schlagabtausch austauschten. Madoka merkte kaum, wie sie von Fuu die Treppe hinunterbugsiert wurde, stolperte ein paar Mal, hielt sich geistesgegenwärtig am Geländer fest, und konnte doch nicht den Blick von diesem Kampf lösen. Sie hatte noch nie solch einen Kampf gesehen. Himura war unglaublich. Sie hatte zwar nur wenig Ahnung vom japanischen Schwertkampf, hatte sie doch lediglich ein paar Mal zusehen dürfen, wenn im Dojo gegenüber des Higurashi-Schreins trainiert wurde. Doch solche Bewegungen, solch eine Geschmeidigkeit, ja solch eine… furchtbare SCHÖNHEIT im Kampf hatte sie noch nie gesehen. Dieser Mann war für das Schwert geboren worden. Dieser Mann WAR das Schwert! Unglaublich schnell, präzise und absolut tödlich – für jeden anderen Gegner, außer für Onigumo… Sie sah nicht genau, was geschah, aber Onigumo… TAT irgendetwas. Sie konnte seine Stimme, jedoch nicht die Worte über den Lärm in der Halle hinweg verstehen, und sah, dass er einige komplizierte Bewegungen mit der Hand ausführte. Doch sie hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Sie sah nur, dass der junge Samurai plötzlich scheinbar mitten im Sprung auf ein unsichtbares Hindernis zu prallen schien, herum- und zu Boden gerissen wurde. Madoka erwachte aus ihrer Starre. Sie entwand sich Fuus Griff und wollte zu Himura eilen, ihm aufhelfen. Doch jetzt war es plötzlich Mugen, der sie abfing. Sie wandt sich in seinem Arm. „Nein! Lass mich los! Ich muss…!“ „Was denn?“, fragte Mugen spöttisch. Er roch nach Sake und billigem Frauen-Parfume. „Dich selbst heldenhaft opfern? Was willst du denn tun? Unbewaffnet und halbnackt?“ Madoka ignorierte ihn. Sie verspürte plötzlich das große Bedürfnis, diesem Besserwisser mit ihren Nägeln das Gesicht zu zerkratzen. „Ich muss ihm helfen!“, rief sie, versuchte immer noch sich loszureißen. „Hör auf dich wie ein Kleinkind zu benehmen, Mädchen! Glaubst du, du hilfst ihm wenn du dich selbst in Gefahr begibst?“ Mugen klang nun tatsächlich einmal ungehalten. Madoka hatte nur Augen für Himura. Er regte sich, am Boden liegend, und stemmte sich mühsam wieder hoch. Er schien Schmerzen zu haben – und etwas in Madoka litt mit ihm. Wieso fühlte sie so? Was war nur mit ihr los? Und wieso war Kyo nie da, wenn man ihn vielleicht doch mal brauchte? In diesem Moment griff Himura erneut an. Und es war einfach erstaunlich. Er schrie den Namen seines Angriffs laut heraus, gewann daraus scheinbar sowohl Schnelligkeit als auch wieder neue Kraft! Beinahe spielerisch umkreiste er den Gegner, ging beinahe unmerklich in die Knie - und sprang plötzlich mit einem gewaltigen Satz über seinen Gegner hinweg, schlug einen Salto und zielte mit dem im Licht des Feuers gleißenden Katana von oben auf Onigumos ungeschützten Kopf. Er KONNTE ihn gar nicht verfehlen. Doch sein Schwert sollte nie sein Ziel erreichen. Die Klinge wurde ihm plötzlich heftig aus der Hand geprellt, als auch sie nun auf einen unsichtbaren Widerstand zu prallen schien. Und wieder schien Onigumo nur die Hand zu heben, etwas zu sagen, und Himura wurde von einer Urgewalt erfasst und quer durch den Raum zu Boden geschleudert, wo er sich mehrmals überschlagend gefährlich nahe am Feuer zum Liegen kam. Onigumo trat vor und hob das Katana des jungen Mannes auf. Er kam mit langsamen Schritten auf ihn zu. Jetzt verstand Madoka auch die Worte, die gesprochen wurden. „Himura.“, sagte Onigumo mit dieser irritierend tiefen und rauen Stimme. „Ich hätte dich schon damals töten sollen. Doch du warst so wundervoll in deinem Leid, dass ich es nicht über mich brachte.“ Er lachte leise und kalt. „Wie passend, nicht wahr? Dass ich dich nun mit eben jener Klinge ins Jenseits befördere, mit der ich schon die Mutter deines ungeborenen Kindes tötete…“ Madoka ertarrte. Sie hörte Fuu hinter sich aufstöhnen. ‚Mein Gott… Ist das wahr?’ Ja es war so. Sie wusste nun, woher dieser verzweifelte, abgrundtiefe Hass in Himuras Augen stammte. Sie erkannte die Wahrheit in seinem Blick, als er nun den Kopf hob und seine Wut laut herausschrie! Tränen rannen über sein Gesicht. Das Licht des Feuers fing sich in ihnen. Er versuchte sich zu erheben, doch er schien nun doch ernsthafter verletzt zu sein und schaffte es nicht gleich. „Du verdammter… Bastard! Ich töte dich! Ich bringe dich um!“ Blut lief aus seiner aufgeplatzten Lippe und der linke Arm hing wie leblos herab, als er sich mit gewaltiger Kraftanstrengung hocharbeitete. Das schweißnasse, dunkelrote Haar fiel in langen Strähnen über sein tränenüberströmtes Gesicht. Madokas Herz krampfte sich zusammen. Onigumo hob das Schwert. „Sprich dein letztes Gebet, denn DU bist es, der hier sterben wird. Jetzt!“ Er holte aus. Himura schloss die Augen. „Hanako… Ich habe… versagt…“ flüsterte er. Madoka schrie. Jin wollte losstürmen. Doch dann, beinahe lautlos und wie ein Schatten, der das Licht schluckt, war er plötzlich da. Er. Kyo. Mit seinem fünf Shaku langen Schwert fing er Onigumos Schlag mühelos ab, die lange Schneide vibrierte und gab einen hohen, beinahe sphärischen Ton von sich, einen Klang, ein Geräusch, dass noch lange Sekunden nachhallte und sämtlichen anderen Lärm zu übertönen schien. Alle standen wie erstarrt. Selbst die Männer, die in unmittelbarer Nähe gefochten hatten, waren in der Bewegung verharrt und starrten den Mörder von Tausenden an. Shinta hatte die Augen geöffnet. Er blickte fassungslos. Ungläubig. „Wie… so…?“, hauchte er. „Bilde dir nichts ein, Kleiner.“, sagte Kyo nun und Madoka hatte das Gefühl, dass seine Stimme noch tiefer, noch voller, noch durchdringender klang als sonst. Sie erschauerte. Das Licht der flackernden Flammen schien sein schwarzes Haar geradezu zu liebkosen, spiegelte sich in seinen roten Augen und verstärkte ihr Glühen zu einem infernalischen Toben. Dieser Blick war, während er sprach, unverwandt auf Onigumo gerichtet. Täuschte sich Madoka, oder war da… noch etwas anderes im Blick des jungen Mannes, während er Onigumo musterte? Etwas… Lauerndes? Forschendes? Nein. Das war wohl nur ihre Einbildung. In diesem Moment und mit ohrenbetäubendem Lärm stürzte nun die gesamte Hausfassade zur Straße hin ein. Die Erde bebte. Trümmer und Funken flogen in alle Richtungen davon. Kämpfer beider Seiten wurden unbarmherzig unter Schutt und Asche begraben. Schreie wurden laut. Und plötzlich konnte Madoka den Himmel sehen. Die Sterne. Es war tiefschwarze Nacht. Das Feuer bekam durch den Sauerstoff nun zusätzlich Nahrung und begann sich noch schneller auszubreiten. Doch unberührt standen Onigumo und Kyo noch immer voreinander. „Verschwindet von hier. Na los! Ich werde das hier übernehmen.“ Kyo begann auf die übliche Art böse zu lächeln. „Ich habe nämlich gerade Lust dazu.“ Shinta erhob sich schwankend. „Gib ihm sein Katana zurück. Du brauchst doch solche Waffen nicht, oder?“, richtete Kyo nun seine Worte an Onigumo. Wieder dieses… Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht, doch Madoka konnte es nicht benennen. Onigumo schien nach wie vor unglaublich ruhig. Den Ausdruck seiner dunklen Augen vermochte niemand zu deuten. Und… das Unglaubliche geschah! Onigumo ließ das Katana fallen und beförderte es mit einem Tritt, der es über den Boden schlittern ließ, auf Himura zu. Dieser schaute nun noch viel fassungsloser drein, als noch vor wenigen Sekunden. Onigumo… tat was dieser… Fremde von ihm wollte? Irgendetwas ging hier vor sich, von dem Shinta keine Ahnung hatte. Und er war nicht sicher, ob das nicht vielleicht auch besser so war. „Komm, Madoka! Lass uns endlich gehen!“ Fuu zog an ihrem Arm. Doch Madoka streifte ihn ab, ging zu Himura hinüber und legte sich wortlos seinen Arm über die Schultern, stützte ihn beim Gehen. Ihr Blick begegnete beinahe scheu dem seinen, als er sie dankbar durch sein dichtes Haar hinweg ansah. Rasch senkte er die Lider. ‚Es ist nicht Hanako!’, hämmerte es in seinen Gedanken. ‚Sie ist es nicht! Du tust dem Mädchen Unrecht. Vergleiche sie nicht! Erwarte nichts!’ Madoka blickte zu Kyo hinüber. „Sei vorsichtig…“ Kyo schnaubte abfällig. „Seht zu, dass ihr Land gewinnt. Mit dem hier werde ich spielend fertig.“ Madoka wollte noch etwas sagen, doch er unterbrach sie, wandte das erste Mal überhaupt seit seinem Eingreifen in den Kampf den Kopf und seinen Blick von Onigumo ab, sah sie an, durchdringend, eindringlich. „Und um deiner nächsten Frage zuvorzukommen, Süße. Ich hab seinen Kampfstil genau beobachtet, als er mit dem Rotschopf da am Gange war. Ich weiß worauf ich mich einlasse.“ Er drehte sich wieder herum, erwiderte Onigumos scheinbar teilnahmslosen Blick. „Auf Magie.“, endete er leise. Diese Worte… rührten etwas ganz tief in Madoka an. Sie konnte es nicht beim Namen nennen, sie konnte es nicht greifen. Aber… Magie… Magie und Dämonen. Wenn es Dämonen gab. Warum nicht auch Magie? Aber das hier… war schwarze, dunkle Magie. Onigumo war durch und durch böse. Sie spürte es mit jeder Faser ihres Seins. Er würde so etwas wie Magie nur dazu nutzen, um Leid zu verursachen. „Geh!“, schnappte Kyo nun ungehalten in ihre Richtung. „Verschwindet! Alle!“ Und endlich drehte sich Madoka herum und verließ gemeinsam mit den anderen und den letzten überlebenden Kämpfern das, was noch von dem Haus übrig geblieben war. Doch eine anhaltende, nagende Furcht schien sich in ihrer Brust eingenistet zu haben. Etwas war nicht so, wie es sein sollte. Etwas, das ihr Gefühl ihr sagte. Oder die berühmte weibliche Intuition. Etwas, das mit Kyo zusammenhing. Und auch mit Onigumo. Sie hörte Himura leise an ihrer Seite stöhnen. Vorsichtig half sie ihm einen Schritt vor den anderen zu setzen. Sein linker Arm schien gebrochen. Er blutete aus unzähligen Schrammen und einer größeren Platzwunde an der Schläfe. Und erneut war es, als würde sich ihr Herz zusammendrücken. Dieser Mann neben ihr… Warum lebte er noch? Er hatte alles verloren. Und doch kämpfte er weiter. Für die Rache? Ja, so musste es wohl sein. Sie bewunderte seine Entschlossenheit. Denn wenn er Onigumo schon so lange kannte, wie sie vermutete, dann musste er wissen, dass ein Schwertkämpfer kaum etwas gegen die unsichtbare Macht Onigumos auszurichten vermochte. Tollkühn? Oder doch mutig? Vielleicht musste man beides sein, um einen übermächtigen Feind angreifen zu können. Vielleicht musste man beides sein, um zu überleben. Kapitel 6: Möge das Spiel beginnen... ------------------------------------- Hallihallo, meine Lieben!^^ Freut mich ungemein, dass ihr wieder vorbeischaut und mir treu bleibt *ggg* - und das, obwohl ich eure Geduld ja nun wirklich immer auf die Probe stelle. Hat so zwei Monate oder was gedauert, bis ich das hier nun on stellen konnte. SRY! Ich hoffe aber, dass es euch dafür ein wenig Spaß macht weiterzulesen. Hab mein Bestes gegeben um Spannung aufzubauen.^^ Oder es zumindest versucht... Na, urteilt selbst.^^ Der Titel... Nun... Für Kyo ist irgendwie ja ALLES ein Spiel. Auch und gerade der Kampf auf Leben und Tod gegen einen ebenbürtigen Feind. Dass der Onigumo unbesiegbar zu sein scheint (schon JETZT), dass ist für IHN nur eine weitere Herausforderung von vielen, nicht wirklich ein Problem. Aber ich denke, da wird der Gute sich noch umsehen. Wenn Onigumo sich nämlich erstmal mit Dämonen vereinigt... Im nächsten Kapi wird wohl dann auch Kikyou erstmalig die Bühne betreten^^. Und nun wünsch ich euch ganz viel Spaß beim Weiterlesen^^. Freu mich immer über eure Kommies und Meinungen! Ganz liebe Grüße, Mado-chan^^x Und weiter geht's: ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Edo Sengoku-Ära Onigumos Anwesen Ganz still standen sie da. Auge in Auge. Dämon und Mensch. Wie zwei in flüssiges Blei gegossene Statuen vor dem orangeroten Leuchten des Feuers. Nichts war zu hören außer dem Knistern und Prasseln der Flammen. Irgendwo ächzte und knarrte das Haus. Die Hitze war beinahe unerträglich geworden. Doch das schienen die zwei Gestalten nicht zu merken - oder sie ignorierten es. "So hast du den Weg durch die Zeit gefunden." Onigumos Stimme war ruhig, kündete von keinerlei Emotion. Ein dünnes, kaltes Lächeln umspielte die Lippen des Dämons. "Überrascht?", Kyo bewegte sich leicht. "Du warst es doch, der mir den Weg geebnet hat." Onigumo gestattete sich ein mildes Lächeln. "Und Kyoshiro?" Der Dämon in Kyoshiro Mibus Körper vollzog eine abfällige Geste. "Er weiß nichts von dir und unserer... Abmachung. Er wird verschwinden, sobald der Juwel mein ist. Ich werde ihn vernichten." Er trat näher. "Du weißt wo er sich befindet?" "Ja, ich weiß es." Hinter und über ihnen gab in diesem Moment ein Teil des Daches nach und stürzte nach innen. Es gab einen gewaltigen Krach. Doch beide Schatten schienen davon gänzlich unberührt. Milde glimmende Funken umtanzten sie. "Der alte Mann, Higurashi, sagte etwas von einer Miko-Priesterin. Sie soll den Juwel geläutert haben und beschützt ihn jetzt.", fuhr Kyo fort. Onigumo neigte leicht den Kopf. "Hai. So ist es. Sie lebt in den Wäldern dieser Stadt. Gar nicht weit von hier" Kyos Lächeln wurde triumphierend. "Dann dauert es nicht mehr lange. Ich werde mit Hilfe des Juwels allmächtig werden. Ich werde der stärkste Krieger sein und werde die Welt beherrschen. Das Chaos wird regieren. Und wenn ich Lust dazu hätte, würde ich so jemanden wie dich zu meinem Statthalter unter den Menschen machen..." Seine Augen leuchteten in infernalischem Rot - und flackerten plötzlich. Sein Lächeln verschwand. "Doch irgendwie.... HABE ich keine Lust dazu...“, fuhr Kyo nun leise, beinahe lauernd fort. „Du hast mir sehr geholfen, kleiner Zauberer. Jetzt...", ganz langsam hob er sein langes Schwert. "... habe ich leider keinerlei Verwendung mehr für dich. Jemanden mit deinen Kräften an meiner Seite zu haben ist mir zu riskant. Ich werde dich töten." Das war er. Genau so war er: Der Mörder von Tausenden. Er hob die Klinge an die Lippen. Seine Zunge glitt hervor, lautlos. Kurz, provozierend und beinahe zärtlich ließ er sie über die Schneide gleiten. "Und es wird mir ein Vergnügen sein." Onigumo... wirkte nicht überrascht. Auch jetzt nicht. Auch auf seinen Zügen begann sich nun ein kaum minder böses Lächeln auszubreiten. "Glaubst du wirklich, dass du mich so einfach besiegen kannst? Mit dieser... schwachen Seele in dir?" Onigumos Stimme war leise und lauernd, troff jedoch vor Verachtung. Nichts deutete darauf hin, dass ihn die Worte des Dämons auf irgendeine Weise beeindruckten. Die Schatten, die um seine Augen lagen und das Licht, welches das Feuer auf seine Züge warf, ließen ihn um Jahre älter aussehen – und auch sehr gefährlich. Unberechenbar. Kyo achtete nicht darauf. Wozu sollte er sich von diesem kleinen Möchtegern-Zauberer weiterhin solche Worte gefallen lassen? Er würde ihn zerquetschen, niedermähen wie eine Sense das Korn. Er holte mit mächtigem Schwung aus, hob die Klinge, um seinen Worten endlich Taten folgen zu lassen - doch er verharrte mitten in der Bewegung. Ein überraschter, unwilliger Ausdruck breitete sich auf den Zügen des Dämons aus. Sein Blick fiel auf etwas hinter Onigumo. Auf jemanden... ~~~oOo~~~ Sie waren ein Stück weit vor dem brennenden Haus zurückgewichen, bis an das befestigte Ufer eines kleinen Kanals, der in unmittelbarer Nähe von einer breiten Brücke überspannt wurde. Der Funkenschauer wurde vom seichten Wind auch bis hierher geweht, doch die Hitze war bei weitem nicht mehr so stark zu spüren. Madoka entließ mit einem kleinen Seufzer der Erleichterung den jungen Samurai aus ihrem Griff und ließ ihn zu Boden gleiten. Fuu war bereits am Wasser. Sie hatte sich auf die Knie niedergelassen und tränkte den Stoff ihres Obi mit dem kühlen Nass, kam dann zurückgelaufen. Madoka bugsierte den jungen Mann in eine halb sitzende, halb liegenden Position. Er lehnte mit dem Rücken an einem Brückenpfeiler. Fuu hockte sich neben sie und begann damit, ruhig und beinahe schon routiniert sein Gesicht und seine ärgsten Verletzungen zu behandeln - so gut es eben ging. Dass Himura Schmerzen hatte war unübersehbar. Sein linker Arm lag in beinahe unnatürlichem Winkel in seinem Schoß. Auch Madoka entledigte sich ihres Obis. Sie nutzte die einfache Kordel, die den Obi sonst zusammenhielt, um ihre Kleidung - oder das, was von ihr übrig war - notdürftig zusammengerafft zu halten. Ebenso wortlos wie Fuu machte sie sich daran, eine improvisierte Armschlinge aus dem Stoff zu wickeln. Als sie sie Himura um den Hals legte, ganz vorsichtig sein langes Haar durch die Schlinge zog, und dann seinen Arm anheben wollte, sog er scharf die Luft zwischen den Zähnen ein, griff mit der unversehrten Hand fast schon schmerzhaft nach ihrem Arm. "Ich... mach das selbst...", presste er mühsam hervor. Und unter enormer Willensanstrengung und unsäglichen Schmerzen schob er seinen Arm langsam in die von ihr bereitgehaltene Schlinge. "Wir sollten von hier verschwinden.", vernahmen sie nun Mugens unwillige, beinahe quengelige Stimme. Er und Jin waren hinter ihnen herangetreten. Ihre Umrisse zeichneten sich wie schwarze Scherenschnitte vor dem brennenden Haus hinter ihnen ab. "Ich habe keine Lust hier rumzuhängen und am Ende noch die Schuld an dem Feuer in die Schuhe geschoben zu bekommen." Er ignorierte Jins schrägen Blick, setzte jedoch hinzu: "Ich war nur zufällig da. Ist nicht meine Schuld." Er verschränkte die Arme vor der Brust. "Dieser Mann hier kann noch nicht aufstehen! Er ist schwer verletzt!", entrüstete sich Fuu. Doch wie um ihre Worte Lügen zu strafen stemmte sich der junge Samurai, sich selbst mit einer Hand am Brückenpfeiler hochziehend, langsam wieder auf die Füße. Madoka eilte an seine Seite, doch er wehrte sie halbherzig ab. "N... nicht! Ich... ich muss... meine Männer!" Er wollte sich auf das brennende Haus zu in Bewegung setzen. "Herrje. Er hat den Verstand verloren..." kommentierte Mugen bissig. "Du kannst nicht zurück.", sagte Jin nun. "Wenn deine Männer noch leben, dann werden sie uns finden. Der Rest... ist verloren. Da kommt niemand mehr lebend heraus." Ihrer aller Blicke wanderten hinüber du dem Haus, das mittlerweile wie ein böses Fanal gegen den schwarzen Nachthimmel loderte, ein gigantischer Scheiterhaufen für Onigumo. Und für... Madoka verspürte einen tiefen, schmerzhaften Stich in ihrer Brust. Kyo war noch dort drinnen. Es irritierte sie. Wieso dachte sie an Kyo? Warum sollte es sie kümmern, was mit ihm geschah? Kyo war... abstoßend. Alles an ihm widerte sie an. Er benahm sich unmöglich, nicht nur ihr selbst gegenüber und er machte seinem Namen alle Ehre, denn er war wahrhaftig dämonisch in seiner Brutalität und Gefühlskälte. Dennoch... Dachte sie an seine tiefe, raue Stimme, so war ihr, als würde sie in sich selbst ein seltsames Echo vernehmen. Etwas, das in ihr darauf antwortete. Sie wollte es vielleicht nicht bewusst. Aber sie konnte es nicht verhindern. Er hatte sie geschlagen. Er wollte sie vergewaltigen. Und es war seine feste Absicht gewesen Takeru zu töten - wenn Kyoshiro in ihm es nicht verhindert hätte. Und doch war es nicht Kyoshiro Mibu, dem ihre Gedanken, ihre Sorgen, nun galten… Sie fühlte sich unerbittlich angezogen von der geheimnisvollen, undurchdringlichen Dunkelheit, die „Dämonenauge“ Kyo umgab. Abgründe taten sich da auf, um welche sie besser einen weiten Bogen machen sollte. Doch im Augenblick verspürte sie tatsächlich und unglaublicherweise das Bedürfnis in diesen Abgrund zu springen... Als hätte Jin ihre Gedanken gelesen sagte er nun leise an ihrer Seite: "Es ist zu spät. Er wird es nicht schaffen." "Wer sagt das?", fauchte sie plötzlich - und schlug dann in einer beinahe entsetzt anmutenden Geste die Hand vor den Mund. Was war nur in sie gefahren? Rasch rettete sie sich in ein entschuldigendes, verlegenes Lächeln, bevor sie dem Blick aus Jins dunklen Augen begegnete. "Ich meine, wir… wissen es nicht. Ich werde..." "Auf jeden Fall wirst du nicht dorthin zurückgehen.", unterbrach sie Fuu bestimmt. Mugen seufzte genervt. Man sah ihm an, dass er einfach nur fort wollte. Auf einmal hörten sie ein merkwürdig seidiges, weiches und dennoch irgendwie durchdringendes Geräusch hinter sich. Sie sahen alle gerade noch rechtzeitig zum Haus hinüber, um einen Teil des Daches beinahe schon behäbig einsinken zu sehen. Sekundenbruchteile später sackte es vollends nach innen. Das Geräusch steigerte sich zu einem donnernden Krach, als das Dach in einem wahren Funkenregen und aufsteigenden Aschewolken im Inneren auf der Erde aufschlug. Und Madoka dachte nicht mehr nach. Sie fuhr auf dem Absatz herum und lief zurück zum Haus. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte. Sie wusste in diesem Moment nicht einmal WIRKLICH was geschah. Sie hörte Himuras Stimme laut hinter sich aufschreien (war das tatsächlich ein Fluch?), nicht aber die Worte selbst. Wut, aber auch Angst sprachen aus ihr. Irgendjemand setzte ihr nach. Sie hörte die Schritte hinter sich schnell näher kommen und verdoppelte ihre Anstrengungen. Was TAT sie hier überhaupt? Hatte sie den Verstand verloren? Sie erkannte sich selbst nicht wieder. Und trotzdem trugen sie ihre Füße schnell zurück zum Haus. Glühende Hitze schlug ihr entgegen. Ihr Haar wurde angesengt, als sie durch eine Bresche in der Wand in die Ruine eindrang. Eine brüllende Flammenwand nahm sie auf. Ein Inferno. Sie konnte nicht atmen. Ihre Augen tränten. Und doch... SAH sie... Sie sah Kyo und Onigumo. Sie standen dicht voreinander. Sie redeten miteinander. Madoka blinzelte. Schweiß bildete sich in feinen Perlen auf ihrer Haut, verdunstete aber schon nach wenigen Sekunden wieder. Konnte das wirklich sein? Kyo und Onigumo? Wieso... Warum REDETEN sie miteinander? Inmitten dieses Chaos, als wäre es ganz natürlich und alltäglich sich inmitten eines Großbrands zu unterhalten. Und überhaupt... Sie hatte angenommen, die beiden in einem erbarmungslosen Gefecht vorzufinden - schlimmstenfalls, dass einer von beiden oder gar beide bereits tot waren. Doch nicht... DAS. Mit weit aufgerissenen Augen stand sie da. Flammen leckten nach ihrer Kleidung, ihrem Haar. Sie spürte es kaum. Ihr ungutes Gefühl, dass sie vorhin schon verspürt hatte, als sie Kyo und Onigumo zusammen gesehen hatte, verstärkte sich schlagartig und wurde zu einer dunklen Gewissheit, die sie noch verleugnete und nicht wahrhaben wollte, die sich jedoch spürbar hartnäckig und wie sie ahnte auf Dauer in ihr festsetzte, um ihre Gedanken zu vergiften. Was ging hier nur vor? Sie spürte eine Hand auf ihrem Arm und wusste, ohne sich umdrehen zu müssen, dass ER ihr gefolgt war. Shinta Himura schaute genauso entgeistert auf die Szenerie, wie sie sich fühlte. Doch dann hob Kyo plötzlich das Schwert, wie um Onigumo anzugreifen und Madokas Befürchtungen zu zerschlagen - und verharrte, starrte sie an. Er starrte Madoka an. Sekundenlang geschah gar nichts. Dann... Der Schrei kam unvermittelt und marterte ihre Trommelfelle mit einer Gewalt, die sie beide, Madoka und Himura, bis ins tiefste ihrer Seele zu erschüttern schien. Kyoshiro Mibu schrie. Er bäumte sich auf, kämpfte gegen die seelischen Fesseln an, die ihn im tiefsten Inneren seines eigenen Körpers gefangen hielten. Er versuchte mit aller Gewalt Kyo zu verdrängen. SIE war hier. Das Mädchen. Er wollte nicht, dass sie Kyo so sah - nein, dass sie IHN so sah! Nicht als Mörder! Und auch nicht als einen Mann, der mit dem Bösen paktierte... Auch wenn es nicht SEIN Wille war, der sich mit diesem Magier abgab, so musste es für sie dennoch so ausgesehen haben. Mit unglaublich tiefem Schrecken hatte Kyoshiro Mibu in Onigumo jenen vermeintlichen Wanderprediger wieder erkannt, der ihm damals den Geist des Dämons offenbarte, der ihn - auf welche Weise auch immer - zur Hälfte zu diesem Dämon hatte werden lassen. Das, was sie gesagt hatten, was die beiden, der Dämon in ihm selbst und Onigumo, eben besprochen hatten, machte ihm überdeutlich und zum allerersten Mal wirklich klar, WAS die Beweggründe gewesen sein mussten, aus dem nun zwei Seelen in seinem Leib wohnten. Der Dämon hatte einen Körper gebraucht! Einen Körper, um selbst nach dem Juwel suchen und durch die Zeit reisen zu können - um wieder "auferstehen“ zu können. Hierzu hatte er Onigumo scheinbar nur benutzt... Doch... vielleicht sollten weder er noch Kyo diesen Magier, oder was auch immer er nun wirklich war, unterschätzen. Er hatte eine schlimme Vorahnung. Und umso mehr kämpfte Kyoshiro nun gegen seine Gefangenschaft im eigenen Körper. Er würde das nicht zulassen! Weder, dass Kyo vor den Augen Madokas mordete, noch dass dieser Dämon weiterhin seinen größenwahnsinnigen Plänen nachging. Warum dieses Mädchen, das er kaum kannte, ihm plötzlich so wichtig war hinterfragte er nicht. Er hätte es wahrscheinlich nicht beantworten können. Noch nicht. "Bastard! Lass mich in Ruhe! Verschwinde!", fauchte Kyo. In der Welt, wo sie beide, Kyo und Kyoshiro, sich einen Raum teilten (vielmehr, wo sie dazu GEZWUNGEN waren), in dem Raum zwischen den Räumen und der Zeit zwischen den Zeiten, in jenem Körper, der einstmals allein Kyoshiro Mibu gehört hatte, standen sich die beiden so ähnlich aussehenden Männer Auge in Auge inmitten unendlicher Schwärze gegenüber. Der einzige sichtbare Unterschied war, dass Kyoshiros schwarzes Haar sehr viel länger war als das von seinem bösen Pendant und zu einem hohen Zopf gebunden war. Hier im Inneren ihrer Seele, wo sie sich trafen, war nichts Weltliches wirklich von Bedeutung. So war es nicht verwunderlich das beide nackt und unbewaffnet waren. Beide schienen es zu ignorieren. Es war nicht wichtig. "Ich KANN nicht verschwinden und das weißt du. DU bist es, der sich in meinen Körper eingeschlichen hat.", sagte Kyoshiro mit Nachdruck und blickte sein Gegenüber unverwandt an. „Hör auf! Töte ihn nicht! Nicht vor IHR!“ Kyo schnaubte wütend. "Halt dich aus diesem Kampf raus! Ich werde den Mann sowieso töten. Heute, morgen, wann immer ich es will kann und werde ich es tun!" Kyoshiro sah ihn an und merkwürdigerweise verschwand sein Zorn so schnell wie er gekommen war. Er sah… resignierend aus. Mit einem beinahe schmerzhaften Ausdruck in den Augen sagte er leise: "Kyo, du bist ich und ich bin du. Jetzt und hier sind wir eins. So verschieden SIND wir gar nicht. Du willst ihn doch auch nicht vor IHREN Augen töten, hab ich Recht? DU warst es doch, der bei ihrem Eintreten gezögert hat." Kyo presste wütend die Lippen aufeinander. Sie, sie… Er hörte immer nur noch SIE! Verflucht sollte sie sein, diese kleine Miko-Schlampe, die ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte – obwohl er diese Tatsache meisterhaft verdrängte. "Was geht dich das an." (Oder auch nicht…) "Sehr viel.", lächelte Kyoshiro wissend. "Ich fühle was du fühlst, schon vergessen? Ein ziemlich mieses Schicksal. Ich wundere mich, dass du diesen Umstand in Kauf genommen hast, als du einen menschlichen Körper auswähltest. Damit hättest du rechnen müssen, Dämon." Kyo knurrte böse. "Ich werde dich vernichten. Und wenn es das Letzte ist, was ich tue. Du wirst dein Leben lang im hintersten, schmutzigsten Winkel deiner prüden, kleinen, ach so freundlichen Seele verbringen, eingesperrt, verbannt, dazu gezwungen hilflos mit anzusehen, wie ich die Welt ins Chaos stürze und die Menschen, die du liebst, umbringe! Einen nach dem anderen!" Kyoshiro verzog keine Miene. Der Tag der Entscheidung würde kommen, ja. Aber wenn es so weit war würde er kämpfen. "Rette sie.", sagte er. Sein Bild verblasste, seine Stimme wurde schwächer. "Ich weiß, dass du das Mädchen gern hast. Du furchtbar böser und schrecklicher Dämon, Mörder von tausend Mann. Ich weiß es. Sie wird vielleicht das einzig wirklich Gute in deinem Leben sein, Kyo. Deine Gefühle für sie werden dich menschlicher machen als du jetzt noch glauben kannst." Kyo verzog den Mund. Und beinahe schon unhörbar flüsterte Kyoshiro in seinen Gedanken: "Und sie wird dein Tod sein, wenn du nicht von deinen Plänen ablässt. Glaube mir." Kyoshiro verschwand. Und Kyo hatte wieder die Oberhand über seinen Körper. Und es war ihm egal, was IRGENDJEMAND von ihm hielt. ‚Bastard…“, dachte er… … und führte die begonnene Bewegung zu Ende, ließ das erhobene Schwert niedersausen. Blitzschnell. Unerwartet. Zu schnell. Selbst für einen Mann wie Onigumo. Der Magier hatte eine Hand erhoben, hatte ungeachtet des Zögerns seines Gegners damit begonnen, eine Art Zauber zu weben, magische Worte zu sprechen in einer uralten, gutturalen Sprache, die Madoka auch auf die Entfernung hin die Haare zu Berge stehen ließen, als sie an ihr Ohr drangen. Sie fühlte Himura neben sich erschauern. Der Ausdruck auf Onigumos Gesicht wirkte konzentriert, er hatte die Lider halb gesenkt. Doch jetzt riss er die Augen mit einem Ruck auf: Schwarze Pupillen, nein, beide Augen waren komplett schwarz, ein Meer aus Finsternis, das alles Licht um sich herum aufzunehmen und zu schlucken schien. Doch sein Zauber, die nun laut hervorgestoßenen Worte, kamen um eine Winzigkeit zu spät. Kyos Schwert sauste herab. Onigumo musste sehen, dass er nicht mehr ausweichen konnte, versuchte es natürlich trotzdem. Mit einem erstaunlich kräftigen Sprung… Madoka glaubte kaum was sie da sah. Anstatt auszuweichen, sich zurückfallen zu lassen, sprang er Kyos Klinge sogar noch ENTGEGEN! Blitzschnell, schneller, als es Madoka je für möglich gehalten hätte, zog er nun seinerseits noch im Sprung einen kleinen Dolch aus seinem Gürtel. Tief drang das schimmernde Schwert Kyos in seine Schulter ein. Onigumo verzog das Gesicht vor Hass und Schmerz – ließ aber nicht einen Laut hören. Sein Dolch traf Kyo in den Bauch. Blut spritzte zu Boden, tränkte ihre Kleidung. Beide Gegner taumelten in einer Art absurden Umarmung aneinandergeklammert zurück. Dann hob Onigumo rasch seine blutbesudelte Hand, um Kyo mit Zeige- und Mittelfinger die lodernden Augen auszustechen. „So leicht kannst du dich meiner nicht entledigen, Dämon!“ Kyo fing die Hand mit seiner Linken ab und grinste den Gegner gehässig an. Er schien den Schmerz ebenso wenig zu spüren wie sein Gegenüber. „SO, mein Freund, kämpfen nur Weiber.“ Er lachte, wild und böse. Dann, mit ungeheurer Kraft, drehte er sich um die eigene Achse und schleuderte Onigumo von sich. Der Körper des Magiers glitt mit einem Ruck von der Klinge, flog ein kurzes Stück weit durch die Luft und fiel zu Boden. Mitten ins Feuer hinein… Madoka hielt den Atem an. Himura neben ihr sagte etwas, aber sie war zu sehr gefangen genommen von dem, was sie sah, als dass sie ihn hätte verstehen können. Onigumo wandt sich einige Sekunden lang wie zu erwarten in den Flammen, die so hell loderten, dass das Licht Madoka in den Augen schmerzte und sie nur Umrisse erkennen konnte, da Tränen ihren Blick verschleierten. Jetzt konnte sie Himura plötzlich hören. Laut und deutlich. „Herrgott, noch mal, Mädchen, wir müssen hier RAUS! Der Rückweg ist gleich dicht! Das Feuer ist beinahe überall!“ Er wollte sie am Arm zurückziehen, doch Madoka stand wie angewurzelt da und schaute ebenso unverwandt in die Flammen, wie es Kyo auch tat, der noch immer hoch aufgerichtet und mit erhobener Klinge dastand. Blut tropfe zähflüssig aus seiner Kleidung, bildete eine kleine Lache zu seinen Füßen. Onigumos sich windender Körper lag plötzlich still. Und dann, zu ihrer aller grenzenlosem Entsetzen, erhob er sich. Langsam. Schwerfällig wankend. Immer noch war kein Laut zu hören außer dem Prasseln der Flammen. Kein Schrei. Nichts. Nur diese unheimliche… Stille. Und in dieser Stille erhob sich das, was einmal Onigumo, der Mensch gewesen war. Inmitten einer lohenden Wand aus Flammen stand er hoch aufgerichtet, erhobenen Hauptes und schwarz vor den Flammen da wie ein Rachegott, der der Hölle entstiegen war. Es war UNMÖGLICH. Und doch SPRACH dieses Wesen nun zu ihnen! Es war so ein… WIDERLICHER Laut, dass Madoka mit einem Mal das Bedürfnis verspürte, sich auf der Stelle zu übergeben. Sie war jedoch zu entsetzt und wie gelähmt. Wimmernd sah sie das Schauspiel weiterhin an, das sich ihr bot – und selbst Himura hatte es aufgegeben an ihrem Arm zu zerren. Fassungslos starrte er den Mann an, den er als seinen schlimmsten Feind bezeichnete. Er brannte! Lichterloh! Er MUSSTE doch leiden! WARUM lebte er noch? Shinta hasste ihn abgrundtief, diesen Mann, der ihm ALLES genommen hatte. Jedoch so einen Tod… Niemandem würde er solch einen Tod wünschen. Und doch… Vielleicht war auch etwas in IHM abgrundtief böse. Denn genau dies war das Schicksal, dass er ihm insgeheim gewünscht hatte. Qualen, unendliche Pein! Und jetzt schien Onigumo nichts dergleichen zu verspüren. Das war… unheimlich. Wer oder was WAR dieser Mann, von dem er immer geglaubt hatte ihn durchschauen zu können? Den er so sehr gehasst hatte, dass er ihm beinahe schon auf abstruse und verdrehte Weise vertraut war? Nein. Er hatte diesen Mann nie wirklich gekannt. Und sich furchtbar in ihm getäuscht. Himura zitterte ohne es zu merken. Die Worte des Wesens im Feuer waren wie Peitschenhiebe und holten ihn aus seinen wirbelnden Gedanken zurück. „Dämonenauge! Du wirst mich nicht töten. Nicht du. Nicht jetzt!“ Auf absurde Weise verzerrt, trocken, flach und sehr rau, wie sehr grobes Sandpapier, das man aneinander rieb, klang seine Stimme; ein ständiges Knacken und Knistern begleitete sie, als würde selbst diese Stimme bereits vor Hitze vibrieren. „Ich sterbe nicht. Ich kehre zurück. Und werde mich rächen. An dir. An jedem der es wagt mich zu unterschätzen. Und du, Verräter, stirbst zuerst! Der Juwel ist MEIN! Ich werde nicht zulassen, dass du die Welt beherrschst! Nicht DU!“ Anklagend hob die verkohlte Gestalt im Feuer einen Arm, deutete auf seinen Gegner. Kyo senkte sein Schwert. „Du bist bei weitem nicht der erste, Alter, der mir das sagt. Und würde ich hier stehen, wenn auch nur einer von ihnen hätte umsetzen können was er behauptet hat?“ Er lachte leise. "Ich will und werde der Stärkste werden. Die Weltherrschaft ist... nicht mein wirkliches Ziel, kleiner Zauberer. Aber sie wird damit wohl einhergehen und somit ebenfalls mein sein." „Unterschätze meine Macht nicht.“, flüsterte die raue Stimme beinahe milde. „Ich werde größer, stärker sein, als du es auch nur zu träumen wagst. Und dann wirst DU es sein, der kriecht und sich vor mir windet! Du warst es, der mich gerufen hat. Jetzt musst du die Folgen tragen.“ Etwas krachte laut und vernehmlich hinter Madoka. Himura fuhr herum. Trotz der Schmerzen, die er haben musste, achtete er nun wirklich nicht mehr auf Madokas Proteste und zerrte sie grob hinter ich her, jagte mit Riesensätzen auf die Bresche in der Mauer zu, die soeben von Flammen eingeschlossen wurde! Sachte, beinahe schon behäbig, senkte sich der Dachbalken, das einzige, was überhaupt noch von dem Dach übrig geblieben war, mit einem mächtigen Stöhnen nieder und riss dabei mit sich, was noch von der inneren Galerie übrig war. Jeden Moment konnte der letzte Ausweg ein und für alle Mal verschüttet werden! Trotzdem wandte Madoka noch im Laufen den Kopf. Sie sah weder Kyo noch Onigumo mehr in der Hölle, die hinter ihnen losgebrochen war. Die letzten Schritte liefen sie buchstäblich schon durch das Feuer. Es tat unglaublich weh! Doch Himura zog sie unerbittlich weiter. Madoka begann zu schreien. Ihre Kleidung fing Feuer. Mit letzter Kraft warfen sie sich beide durch die Bresche in der Mauer nach draußen – bevor alles, was noch vom Haus übrig war, wie ein Kartenhaus in sich zusammenzubrechen begann. Der Lärm war unglaublich. Die Hitze noch mehr… Madoka glaubte sterben zu müssen. Noch nie hatte sie solche Schmerzen gehabt! Großer Gott! Ihr ganzer Körper stand in Flammen, sie ATMETE Feuer! „Oh, mein Gott!“, hörte sie jemanden schreien. Dann wurde sie taumelnd erneut auf die Füße gerissen, und auch wenn sie mehr gezogen wurde, als dass sie wirklich ging, so fühlte sie doch, dass sie sich vom Brandherd entfernten, da es merklich kühler wurde. Es wurde sogar kalt – als man sie kurzerhand in das Wasser des Kanals hineinbeförderte! Die Kälte traf sie wie eine Faust. Es war ein Schock. Himmel, sie bekam immer noch keine Luft! Jemand packte sie an der Schulter, holte ihr Gesicht aus dem Wasser. „Atme!“, schrie Himura immer wieder. „Los, ATME, Mädchen!“ Er schüttelte sie wie einer, der den Verstand verloren hatte. Vielleicht hatte er das ja auch – auf die eine oder andere Weise. Er hatte an diesem Abend einfach schon zu viel gesehen, was einem den Verstand rauben konnte. Doch SIE würde er nicht verlieren. „Hanako! Bitte! Komm zu dir! HANAKO!“ Fuu trat neben ihm ins Wasser und versuchte ihn zu beruhigen. ‚Er weiß nicht mehr, was er redet.’, dachte sie ängstlich. „Komm, lass mich sie halten.“ Behutsam entnahm sie Madoka seinem bebenden Griff… und verabreichte der jungen Frau links und rechts ein paar gehörige Ohrfeigen! Himura blinzelte vollkommen perplex. Doch Madoka… begann zu husten. Heftig. Dann erbrach sie sich unvermittelt ins Wasser. Aber sie lebte. Sie atmete. Erst jetzt meldete sich auch SEIN Schmerz wieder zu Wort. Dies jedoch mit so viel Nachdruck, dass er schlicht das Bewusstsein verlor und ins Wasser sank. Er bekam schon nicht mehr mit, dass Jin ebenfalls ins Wasser gesprungen war, um ihn vor dem Ertrinken zu bewahren. ~~~oOo~~~ Kyo Mibu stand auf einem Hügel unweit des Brandherdes. Seine Kleidung schwelte. Blut und Schweiß ließen sie feucht und schwer an ihm kleben. Sie bestand nur noch aus Fetzen. Das Feuer spiegelte sich in seinen Augen. Mit einem bösen Lächeln sah er hinunter zu dem Scheiterhaufen, der einmal Onigumos Anwesen gewesen war. „Onigumo. Ich habe dich gebraucht um einen Körper zu finden und durch die Zeit zu reisen. Du bist ein fähiger Mann. Aber glaube nicht, dass du meine Pläne ungestraft durchkreuzen kannst. Unbesiegbar oder nicht, ich werde dich vernichten. Ganz egal was geschieht, die Schlacht am Ende wird kommen. Doch die Entscheidung wird nur zwischen uns beiden fallen. Mach dich auf deine endgültige Niederlage gefasst. Der stärkste Kämpfer. Das werde nur ich sein. Sonst niemand. Und der Juwel wird mein sein.“ Und sein Lächeln wurde breiter, als er eine schwarz verkohlte Gestalt, wie einen gebückten Schatten, unbeholfen, torkelnd und nach wie vor an einigen Stellen brennend vom Feuer aus in Richtung Wald verschwinden sah. Kyo umfasste den Griff seines Schwertes Tenrou fester. „Möge das Spiel beginnen.“ Kapitel 7: Naraku ----------------- Hallo, meine Lieben!^^ Freut mich sehr, dass ihr wieder vorbeischaut und trotz der laaaangen Zeit, in der ich an einem neuen Kapitel gebastelt habe, noch immer treu durchhaltet^^. *verbeug* Das ist sehr lieb von euch.^^ *freu* Hatte mit diesem Kapi eigentlich schon lange vor meiner Sehnenscheidenentzündung angefangen, bin aber jetzt erst dazu gekommen, es nochmal querzulesen und einige Stellen "auszubessern". Ich hoffe, dass ihr wieder viel Vergnügen beim Lesen haben werdet, auch wenn dies ein sehr düsterer Abschnitt der Story ist. Und ACHTUNG! Dies ist meine EIGENE Version der "Geburt von Naraku"! (Klar. FanFICTION, wie gesagt^^.) Da dies eine Crossover-Story ist und die Geschichte von InuYasha (zumindest die VORgeschichte davon) nur die Grundlage für meine eigene Story ist, deckt sich das sicher kaum mit der Vorstellung, die ihr euch von Narakus/Onigumos Vergangenheit gemacht habt. Aber ich hoffe doch sehr, dass euch das net so arg stört. Es steht ja jedem frei das hier zu lesen^^. Ich freu mich über eure Kommentare und Meinungen, immer, aber ich bitte euch diese Dinge vorab zu berücksichtigen. Auch Kikyo könnte anders dargestellt sein, als ihr euch das von ihrer Vergangenheit gedacht habt. Aber genug der Worte. War net so einfach, dass alles mit "Demoneyes Kyo" zu verbinden. Viel Spaß trotz (oder gerade wegen?^^) allem, eure Mado^^x Und hier geht's auch schon weiter: Wälder um Edo Sengoku-Ära Als er zu Bewusstsein kam war das erste was er spürte Schmerz. Einen unglaublichen Schmerz, der seinen gesamten Körper einhüllte, in ihm wütete und ihn beinahe zerriss. Es tat so weh, dass er die Gewissheit hatte, nicht aus einem Schlaf, sondern aus einer Art Bewusstlosigkeit erwacht zu sein. Nein. Solche Schmerzen ließen es einem Menschen unmöglich werden zu schlafen. Zugleich war ihm so heiß, dass er innerlich glaubte zu verglühen. Etwas bedeckte sein ganzes Gesicht, seinen Mund, einfach ALLES an seinem Körper. Es spannte und scheuerte, schnürte ihn ein. Und er spürte, wie ob der Pein sein Geist erneut der wohltuenden Schwärze einer Ohnmacht entgegen trieb. Alles was ihn daran hinderte war eine Stimme. Und obwohl er dem Tode in dieser Stunde näher war als dem Leben erkannte er diese Stimme wieder. Er hätte sie unter tausenden wieder erkannt. Auch wenn das, was ihm den Kopf und Körper bedeckte auch über seinen Ohren lag, so konnte er ihre gedämpfte Stimme zart und beruhigend auf ihn einreden hören. Er wollte die Augen öffnen, um auch ihr zeitlos schönes Gesicht zu sehen, das sie zweifellos noch immer besaß. Aber er konnte es nicht. Er wollte den Kopf heben, mit aller Macht wollte er seine geschundenen Stimmbänder dazu bringen, Worte zu formen. Es ging nicht. Es war, als wäre er nicht mehr Herr über seinen eigenen Leib. „Still. Ganz ruhig. Hab keine Angst.“ Ihre Stimme. Ganz nah an seinem Ohr. „Dein Körper ist von oben bis unten bandagiert, deshalb kannst du nichts sehen und nicht sprechen. Aber ich werde dir zu trinken geben. Hier.“ Eine Hand schob sich vorsichtig unter seinen Kopf. Die Berührung allein jagte ihm eine erneute, unvorstellbare Welle des Schmerzes durch den Leib. Aber er gab keinen Laut von sich. Denn sie war hier. Bei ihm. Sie stützte seinen Kopf und setzte einen dünnen Bambushalm an seine Lippen. „Trink! Du musst viel trinken, hörst du? Du hast… dein Körper hat sehr viel Flüssigkeit verloren.“ Onigumo saugte an dem Halm und spürte schon sehr bald, dass sie Recht hatte. Er leerte den Becher, den ihre zarten Hände halten mochten, in einem Zug und verlangte nach mehr Wasser. Erst nach zwei weiteren Schalen ließ er sich mit einem erleichterten Seufzen zurück auf sein Lager sinken. Und endlich war er in der Lage leise Worte hervorzubringen. „Wo… wo bin ich? Was ist passiert?“ Seine Stimme war nur ein Hauch. Doch sie hatte ihn verstanden. Das hatte sie immer schon getan. „In einer Höhle unweit der Stadt.“, antwortete sie leise. „Du warst… am ganzen Körper verbrannt, als ich dich fand. Das du noch lebst gleicht einem Wunder.“ Und die Erinnerung darüber, was mit ihm geschehen war kehrte mit solcher Wucht zu ihm zurück, dass Onigumo sich stöhnend krümmte. Zumindest wollte er dies tun. Doch der Schmerz, der auch schon bei der kleinsten Bewegung seine Nervenbahnen versengte, ließ ihn erschrocken innehalten und einen erstickten Schrei ausstoßen. „Nicht!“, sagte sie. „Du darfst dich nicht bewegen, Fremder! Es wird heilen, aber es wird dauern. Hab Geduld.“ Fremder? Ja, natürlich. Sie konnte ihn in seinem Zustand nicht als den erkannt haben, der er war und den sie kannte. Unmöglich. Er musste vollkommen entstellt sein – für den Rest seines ganzen Lebens. Und dies war SEINE Schuld. Die Schuld dieses Dämons. „Schlafe, Fremder. Schlafe.“, er spürte die Kühle ihrer Hand leicht wie eine Feder durch den Verband an seiner Stirn. „Ich habe lindernde Kräuter in dem Wasser gelöst, dass du zu dir genommen hast. Sie werden das Fieber senken und dir die Ruhe ermöglichen, die du so dringend brauchst. Schlafe. Und danke dem Erleuchteten für seine Gnade, dass du noch am Leben bist.“ Gnade? Wie konnte solche Höllenqual GNADE bedeuten? Welche Gottheit quälte seine Gläubigen auf diese grausame Weise? Aber Onigumo hatte seinen Glauben schon lange verloren, bevor er ihr begegnete. Er hatte keinen Gott, zu dem er beten konnte. Und er wollte es auch nicht. Denn nur der Zorn hatte ihn in seinem Leben so stark gemacht, wie er es immer hatte sein wollen. Er brauchte keine Gottheit. Er brauchte nur sich selbst. Und sie… Doch sie hatte ihm das Herz aus dem Leib gerissen und es im Staub zertreten, ohne es zu bemerken. Sie. „Kikyo…“, flüsterte er beinahe unhörbar und glitt erneut hinüber in eine Art Wachtraum. Er döste. Glitt durch einen Nebel der Erinnerungen und der Pein. Bilder aus seiner Vergangenheit tauchten auf und glitten vor seinem inneren Auge vorbei, wie zersprungenes Glas oder wie Reflexionen auf der Oberfläche eines Sees, die von Wellen immer wieder auseinandergetrieben wurden. Er sah sich selbst als Kind. In der Gosse aufgewachsen, das Kind einer Prostituierten. Sein Vater, ein brutaler, gesetzloser Mann mit riesigen Händen und einer entsetzlichen Narbe, die quer über sein ganzes Gesicht verlief. Er konnte sich kaum an das Gesicht seiner Mutter erinnern, aber an das seines Vaters sehr wohl. Niemals würde er vergessen können, wie dieser Mann ihn geschlagen, erniedrigt und bis auf den Grund seiner Seele beschmutzt und gedemütigt hatte, dabei lachte er wie ein wahnsinniger Gott, der es liebte, sein Geschöpf zu misshandeln. Onigumo versuchte die Erinnerungen zu verdrängen, doch die Bilder drangen nun immer schneller auf ihn ein, wie ein Kaleidoskop in einem grausigen Horrorkabinett. Seine Mutter starb an Syphilis. Und nach ihrem Tod wurde alles noch viel schlimmer. Sein Vater missbrauchte ihn. Immer wieder. Und Onigumo begann Angst vor der Nacht, vor der Dunkelheit zu haben. Denn darin lauerte größte Qual und Erniedrigung. Er hörte sich schreien und weinen, um Hilfe flehen, die ihm niemand gewähren konnte. Und er spürte den Schmerz, der durch seinen zarten, kleinen Kinderleib tobte, als dieser grausame Mann, der sich sein Vater nannte, in ihn eindrang und zerriss. In jenem Augenblick hatte Onigumo seinen Glauben verloren. Er sollte ihn niemals wieder finden. Ungefähr zu dieser Zeit seines jungen Lebens trat der Dämon erstmals mit ihm in Verbindung. Zuerst dachte Onigumo, dass es sich nur um eine Stimme seines Inneren und seines Geistes handelte, hervorgerufen durch die Pein, die er durchlebte. Denn obwohl er ein Kind von Geächteten war und fortan von seinem Vater gezwungen wurde, als Stricherjunge sein Geld zu verdienen, hatte der Zehnjährige einen durchaus scharfen Verstand und ahnte, dass es womöglich nur die Stimme seines eigenen Hasses war, die er da vernahm. Denn möglich war so etwas allemal. Doch der Dämon versicherte ihm, dass er wirklich da war. Und wenn er dies wünschte nun für immer an seiner Seite bleiben würde. Der Dämon, uralt und grausam, hatte in dem kleinen, hasserfüllten Kind ein so böses und abgrundtief verdorbenes Potential erkannt, dass er den Jungen von nun an nicht mehr aus den Augen ließ. Unsichtbar, ein körperloser, in jenem Augenblick noch recht schwacher Geist, umgab er Onigumo unablässig, umschmeichelte ihn und verführte das Kind schließlich dazu, sich mit schwarzer Magie einzulassen. Vieles brachte sich der schlaue Junge auf Anweisung des Dämons selbst bei. Willig und voller Hass auf seine Herkunft und Vergangenheit gab Onigumo sich der dunklen Macht hin und erlernte die Worte des Bösen. Der Dämon versprach ihm Einfluss und Reichtum. Und Onigumo WOLLTE mehr Macht. Denn Macht bedeutete Stärke. Und Überlegenheit. Niemals wieder würde man ihn so erniedrigen. Der erste Mord den er beging war der an seinem Vater. Grausam und blutig rächte er sich für all das, was dieser Mann ihm angetan hatte. Zum Schluss schnitt er ihm sein Geschlecht ab und ließ ihn daran ersticken. Die Augen, die dieser Tat mit Kälte und Bosheit zusahen, waren nicht mehr die eines Kindes, obgleich Onigumos Körper mit seinen mittlerweile dreizehn Jahren noch immer zartgliedrig und kindlich war. Mit fünfzehn gründete er ein Syndikat, scharte Männer, vor allem Gesetzlose und Söldner um sich, die bereit waren, dem mittlerweile sagenumwobenen Kind mit seinen geheimnisvollen Kräften zu folgen. Sie kämpften in den folgenden Jahren schließlich offen gegen den Kaiser, wurden immer mehr und mehr. Mittlerweile hatten sie auch sehr viel Geld erbeutet und Onigumo war es möglich, selbst Leute der Regierung in seine Dienste zu stellen – oder zu zwingen. Er lernte schnell, dass mit genügend Geld einfach JEDER käuflich war. So kam es, dass eine Miliz des Kaisers unter der Führung eines gewissen Kenji Himura, aufgestellt wurde und in der Hauptstadt gegen ihn vorzugehen versuchte. Natürlich war Onigumo klar gewesen, dass er früher oder später auf größeren Widerstand stoßen würde. Und in Kenji Himura fand er einen Gegner, der weder käuflich noch sonst in irgendeiner Form bestechlich war, der jedoch unglaublich stark war und von einer Vielzahl an loyalen Männern unterstützt wurde. Es kam nie zu offenen, großen Kämpfen, allerdings vermehrt zu kleinen, brutalen Scharmützeln. Mal gewann die eine Seite, mal die andere. Doch Onigumo ließ sich nicht einschüchtern und führte sein Syndikat weiterhin unter der Nase der Regierung im Untergrund der Stadt Edo. Auf einem seiner Streifzüge durch die Wälder rund um die Hauptstadt, bei dem ein Kampf zwischen ihnen und einer Gruppe reicher Kaufleute und ihrer Garde stattgefunden hatte, begegnete Onigumo zum erstem Mal der jungen Miko Kikyo. Sie bewirtschaftete einen kleinen, bescheidenen Shinto-Schrein in der Nähe eines winzigen Dorfes in den Wäldern. Und sie war unglaublich schön. Ihre Haut war so weiß wie der Schnee, der die Spitze des Fujiyama bedeckte. Ihre Augen groß und dunkel, so tief, dass man sich in ihnen verlieren konnte. Und ihr Haar so tiefschwarz und lang, dass es beinahe bläulich schimmerte, wenn Licht darauf fiel. Onigumo zwang sie, sie bei sich aufzunehmen und seine verwundeten Männer zu pflegen und zu versorgen. Und die junge Miko tat es ohne ein Wort der Klage. Denn vor den Augen des Erleuchteten waren alle Menschen gleich und die Miko machte keinen sichtbaren Unterschied zwischen Freund und Feind, obwohl sie sehr wohl sehen und wissen musste, was für eine Art von Männern sie waren. Dies wiederum beeindruckte Onigumo sehr. Und er verliebte sich in die junge Frau, ohne es sich indes eingestehen zu wollen. Onigumo, inzwischen zu einem stattlichen und gut aussehenden jungen Mann herangereift, hoch gewachsen mit schwarzem, langem Haar, dass er straff zu einem Knoten gebunden trug und einem Körper, der seine erstaunlichen Fähigkeiten im Kampf erahnen ließ, hatte bereits viele Frauen gehabt. Doch diese eine war etwas Besonderes. Etwas… Anderes. Das, was er für sie empfand, hatte er noch für keinen anderen Menschen empfunden. Fortan kamen er und seine Männer nun öfter am Schrein vorbei. Vorzugsweise wenn es wieder einmal Verletzte oder Tote gegeben hatte. Denn die junge Priesterin verstand sich sehr auf die Heilkunst, aber auch auf die Riten der Begräbnisse unter dem Shinto-Glauben. Und Onigumo hatte immer einen Vorwand, die schöne Frau wieder zu sehen. Wenn sie ihn berührte und seine Wunden versorgte, verspürte er ein solch tiefes Verlangen sie zu besitzen, dass es ihn fast schwindelte. Und doch konnte er sie nicht anrühren. Für ihn war sie… etwas Heiliges und Reines. Er konnte sie nicht besudeln. Er konnte ihr nicht noch mehr abverlangen, als er es schon tat. Denn er bemerkte sehr wohl, dass die Leute aus dem kleinen Dorf den Schrein zu meiden begannen. Gerüchte machten die Runde. Man zerriss sich also das Maul über seine wunderschöne, kleine Priesterin, weil sie ihm und seinen Leuten Obdach gewährte, so wie sie es für jeden anderen Menschen auch tat. Kalte Wut ließ Onigumo nicht denken, sondern handeln. Er flehte den Dämon in ihm an, ihm Kraft zu verleihen und meuchelte all jene Menschen im Dorf, die der Miko Böses nachsagten. Er sorgte dafür, dass Kikyo es nicht erfuhr. Für sie wurde die Geschichte erfunden, dass eine Seuche die vielen Menschen in der Nähe dahingerafft hatte. Sie mochte sich ihren Teil dazu denken, denn sie war wahrhaftig nicht dumm oder einfältig. Aber sie schwieg auch hierzu. Schon bald musste Onigumo jedoch feststellen, dass seine Begegnung mit der jungen Miko sein Schicksal war. Denn in ihrem Haus, mal auf einem Altar im Hauptgebäude, mal an einer Kette um ihrem schlanken Hals, sah er ihn das erste Mal. Shikon No Tama. Den Juwel der Vier Seelen. Der Dämon in ihm frohlockte. Er berichtete ihm von der Macht dieses Juwels, der die Kraft eines Dämons ins Unermessliche steigern konnte. Wenn er diesen Juwel besaß, wäre er unbesiegbar! „Stiehl ihn für mich! Für UNS, Onigumo! Wir werden die Welt beherrschen! Niemand wird dir je wieder etwas antun, nie wird dir jemand etwas vorschreiben können! Stiehl ihn! Und unsere Macht wird grenzenlos sein!“ Doch zunächst brauchte der Dämon einen Wirt, einen neuen Körper, in dem er auferstehen konnte. Als Geist wäre es ihm nicht möglich Macht über den Juwel zu gewinnen. Onigumo zögerte anfangs, die schöne Priesterin zu bestehlen. Er liebte sie. Oder bildete sich dies zumindest ein. Doch immer wenn er der Miko seine Gefühle eingestehen wollte, lächelte sie ihn einfach nur an, erwiderte nichts und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie machte ihn rasend! Gut, er fand nicht immer die richtigen Worte – und der Tonfall war sicher auch nicht immer der beste gewesen, um ihr zu sagen, dass sie für ihn bestimmt sei. Aber wieso ignorierte sie ihn so vollkommen? Nachdem ein paar Jahre vergangen waren, in denen er in vielen Kämpfen viele Narben davongetragen hatte, die seine Schönheit entstellten, und in denen sie sich wieder und wieder gesehen hatten wurde ihm endlich klar, dass er für sie nur einer von Vielen war. Er bedeutete ihr nicht mehr als jeder seiner Männer – oder jeder andere Mensch, dem sie aufgrund ihres Glaubens half und Obdach gewährte. Das machte ihn NOCH rasender. Er wurde sehr wütend und verbittert. Konnte jedoch nicht umhin sie weiterhin zu begehren. Das tat erstaunlich weh. Eine ganz neue Erfahrung für den jungen Verbrecherfürsten. Der Dämon indes, sich der Gefühle seines Schützlings wohl bewusst, versprach Onigumo die junge Kikyo, wenn dieser für ihn einen neuen Körper beschaffen würde, der ihm eine Wiederauferstehung ermöglichen würde. Onigumo gab nach. Alles was er wollte, war Kikyo zu besitzen. Sie sollte ihm gehören. Ihm allein. Dafür war er bereit seine Seele zu verkaufen. Eine lange Zeit der Suche für einen geeigneten Körper begann. Doch als sie in jener Zeit nicht fündig wurden, da verhalf ihm der Dämon durch ein so genanntes magisches Tor in eine andere, wo Onigumo die Suche unablässig fortsetzte. Als Wanderprediger verkleidet traf er zu Zeiten des Shogun Tokugawa auf einen jungen Mann namens Kyoshiro Mibu. Er traf ihn eines Tages ganz zufällig in der Nähe eines Schreins, wo er vor den Toren übereifrig mit dem Bambusschwert trainierte. Blitzende blaue Augen und tiefschwarzes, zu einem hohen Zopf gebundenes, schweißnasses Haar. Der Körper noch biegsam und geschmeidig jung, wie ein Weidenzweig. Geschickt und sehr schnell bewegte sich der Junge, vollkommen in seinem Training aufgehend. Und Onigumo setzte sich an den Wegesrand, schaute ihm schweigend zu und hörte die Stimme des Dämons in ihm. „Dieser Junge ist außergewöhnlich. Seine Aura… Ich habe selten solch eine Aura verspürt. Und er wird einmal sehr stark sein. Lass ihn uns eine Zeit lang beobachten.“ Kyoshiros Blick fiel auf den Wanderprediger, der ihm interessiert zugesehen hatte. Er wirkte alt und sonnengebräunt. Aber er war nie gut im Einschätzen vom Alter eines Menschen gewesen, daher konnte er sich auch täuschen, und der Prediger war noch gar nicht so alt. Der junge Schwertkämpfer kam zu dem Wanderer herüber und lud ihn in den Schrein ein. Er könne sich bei den Higurashis ausruhen und weiterziehen, wann es ihm beliebe. Und so nahm Onigumo das Angebot an, blieb ein paar Tage im Higurashi-Schrein zu Gast. Der alte Higurashi schwärmte dem fremden Wanderer von Kyoshiro vor, er sei ein mustergültiger Schüler und ein lieber Ziehsohn. Higurashi hatte auch einen eigenen Sohn, Takeru, der allerdings im Augenblick bei seiner Mutter in Kyoto weilte. All das interessierte Onigumo jedoch nicht wirklich. Doch wenn der alte Mann redete, so erfuhr er auch mehr über Kyoshiro. Also ließ er ihn gewähren. Tag für Tag sah Onigumo Kyoshiro beim Training zu, dem er mit Hingabe jedes Mal nach der Shinto-Schule nachging. Ein wenig erinnerte ihn der Junge an sich selbst in seiner Jugend. Und verbittert dachte er, dass er vielleicht selbst so unbeschwert herangewachsen wäre, wenn sein Leben nicht schon im Kleinkindalter zerstört worden wäre. Und dann sah er Kyoshiro plötzlich mit anderen, neidvollen Augen an. Und hatte keine Skrupel mehr, als er dem Jungen behutsam den Weg zur dunklen Magie ebnete. Er gab vor, Kyoshiros Zukunft sehen zu können. In dieser würde er einer der mächtigsten und stärksten Krieger aller Zeiten werden. Der Junge war Feuer und Flamme. Nichts wollte er lieber sein, als ein bekannter und heldenhafter Samurai, der mächtige Schlachten schlug und die schönsten Frauen des Landes um sich scharte. Er war so naiv. Das war nun einmal das Vorrecht, vielleicht auch das Schicksal der Jugend. Mit schmeichelnden Worten voller Versprechungen verleitete Onigumo mit Hilfe des Dämons in ihm den Jungen dazu vom Schrein wegzulaufen und sich eines Nachts mit ihm im Wald zu treffen. Dort, bei einem Lagerfeuer inmitten der Wildnis und Dunkelheit, saßen sie voreinander, der Wanderprediger und der Junge. Onigumo sah noch immer das Strahlen in dem hübschen Gesicht des Jungen. So vertrauensselig, so wissbegierig darauf mehr über seine Zukunft hören zu können – eine Zukunft, die ihm in jener Nacht genommen wurde. Während Onigumo sich im Fieberwahn in jener Höhle in Höllenqualen wandt erlebte er den Moment noch einmal, der in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort einen Dämon aus Kyoshiro Mibu gemacht hatte. Jenen zeitlosen Augenblick, als der Dämon mit Hilfe schwärzester Magie und uralten, über Jahrhunderte gehüteten und verborgenen Worten, den Weg in diesen jungen, unschuldigen Körper fand. Onigumo konnte bis heute nicht genau sagen WIE es vonstatten ging. Er hatte die Augen geschlossen, und SPÜRTE es einfach. Die Magie war dunkel und beinahe greifbar, wie ein tiefschwarzer, erstickender Mantel schien sie die Lichtung zu umhüllen. Und während die Verwandlung stattfand fragte sich Onigumo nicht zum ersten Mal, aus welchem Grund der Dämon nicht ihn selbst als Wirt erwählt hatte. Er hatte nie gewagt danach zu fragen. Doch später, sehr viel später, auf einem Lager aus Blättern und Fichtennadeln, tief im Wald in einer Höhle, von Fieberträumen geschüttelt, glaubte Onigumo endlich zu verstehen. Der Dämon brauchte eine reine Seele, in die er fahren konnte. Die seine war bereits verloren gewesen. Der Dämon hatte ihn nur benutzt. Wieso war ihm das damals nicht klar gewesen? Er war blind gewesen. Hatte nur den einen Wunsch, Kikyo zu besitzen, und hatte nicht über die Folgen nachgedacht, Narr der er war. Der Dämon, Kyo, war in Kyoshiros Körper erwacht, verhalf Onigumo zurück in seine eigene Zeit. Durch eine Narbe, ein Mal auf Kyos Schulter in Form einer Schlange, waren beide auch durch die Zeit miteinander verbunden und Onigumo beobachtete durch diese geistige Verbindung die Entwicklung des jungen Mannes in der Tokugawa-Zeit, geduldig wartend, denn er glaubte noch immer daran, dass ihm der Dämon bei seiner Rückkehr, wenn Kyo ein Mann geworden war, endlich Kikyo geben würde. Bis zuletzt hatte er gehofft. Bis heute. Onigumo hatte Kyo die Dämonen zurück durch die Zeit geschickt. Auch ohne den Dämon an seiner Seite hatte er mittlerweile genügend Macht über diese niederen Wesen. Mittlerweile war er des Wartens so müde und verbittert, dass es ihm gleich war, ob die Dämonen Kyo töteten, oder es tatsächlich schafften ihm den Weg zurück durch die Zeiten zu ebnen. Zudem wusste er, dass sich Kyo eine solche Chance nicht entgehen lassen würde. Schließlich wartete auf ihn noch immer der Juwel der Vier Seelen, von dem Onigumo wusste, dass Kyo ihn besitzen wollte. Also WÜRDE er zurückkehren. Und dann würde Kikyo endlich sein werden. Auch er war naiv gewesen. Seine Liebe, sein Verlangen hatte ihn blind werden lassen. Kyo WAR zurückgekehrt in die Sengoku-Ära. Aber er hatte nun keine Verwendung mehr für Onigumo, den kleinen Jungen, dem er wieder einen Lebenssinn gegeben hatte, auch wenn dieser nur aus Hass und Rache bestanden hatte, keine Verwendung mehr für den jungen Mann, der gegen das Kaiserreich aufbegehrt hatte, den fähigen Magier, der er geworden war. Er war nutzlos für ihn, jetzt, wo er einen eigenen, kraftvollen Körper besaß, mit dem er seine Macht endlich auch wieder selbst und in vollem Umfang ausüben konnte. Oder halt, nicht in VOLLEM Umfang. Onigumo hatte es gesehen. Und noch jetzt, während der Schmerz der Brandwunden ihn fast in den Wahnsinn trieb, konnte er sich ein schwaches Gefühl der Genugtuung nicht verwehren. Kyo hatte nicht uneingeschränkt Gewalt über seinen neuen Körper. Er WAR stark, kein Zweifel. Sonst hätte er ihn, Onigumo, nicht in einem unaufmerksamen Moment überrumpeln und besiegen können. Aber da war immer noch etwas von dem jungen Kyoshiro Mibu in ihm. Die beiden fochten ein stummes, unablässiges Duell um diesen Körper aus. Und solange dies so war konnte Kyo niemals seine wahre Macht entfalten, das wusste Onigumo einfach. Nun gut. Wenn das so war, dann war klar, warum Kyo den Shikon No Tama nun noch mehr brauchte als je zuvor. Er würde sich Kyoshiros entledigen wollen. Onigumo spürte kalte Wut in sich aufkommen. Kalten, berechnenden Zorn gepaart mit grimmiger Freude. Jetzt wusste er, warum er noch lebte. Jetzt wusste er, aus welchem Grund die dunkle Magie ihn am Leben erhalten hatte. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Er würde Kyo aufhalten. Er würde den Juwel VOR ihm besitzen. Und mächtiger werden, als dieser es sich auch nur erträumen mochte. Er würde den Juwel verderben, ihn besudeln und dafür sorgen, dass er selbst mächtiger wurde als jeder Dämon der je gelebt hatte. Er war Abfall für Kyo? Nun gut, sollte der Dämon ihn ruhig unterschätzen. Sollte er ihn ruhig wie Dreck behandeln. Das war Onigumo nicht neu. Und wenn sie sich das nächste Mal gegenüberstehen würden, dann würde er ihn quälen und schließlich langsam töten – genauso, wie er es mit seinem Vater getan hatte und mit jedem anderen, der ihm im Weg gestanden hatte. Kyo mochte vielleicht diesen einen Kampf gewonnen haben. Aber nicht den Krieg. Er würde ihn vernichten. Als er diesen Entschluss gefasst hatte schlief Onigumo endlich ruhiger. Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verging, ob er Tage, Wochen, vielleicht sogar Monate in dieser Höhle verbrachte, ständig dazu verdammt, Kikyos süße Stimme zu hören und sie weiter von sich entfernt zu wissen denn je. Und er war sich immerzu der Tatsache bewusst, dass Kyo da draußen war und nach dem Juwel trachtete. Er musste schnellstens gesund werden, mächtiger! Und in seinem Zorn und seiner Wut ging er einen Pakt mit Dämonen ein. Er rief sie an, er schrie nach ihnen. Er rief sie von überall her zu sich und vereinigte sich mit ihnen, nahm sie in sich auf, erzählte ihnen von seinem Vorhaben, mit Hilfe des Shikon No Tama der mächtigste aller Dämonen zu werden. Und sie kamen. Von überall her kamen sie zu der keinen Höhle im Wald, ließen sich von seinen schmeichelnden Worten locken, drangen in ihn und seinen Geist ein, stärkten seinen Körper und ließen ihn gesunden. In diesem Augenblick starb alles was Onigumo ausgemacht hatte in ihm. Er wurde zu einem anderen Wesen. Doch die Liebe, das Verlangen nach Kikiyo, der jungen Miko, sollte ihn wie ein Fluch auch in seinem neuen Leben verfolgen und niemals verlöschen. Er war zu verbittert um erkennen zu können, dass genau dies das stärkste, mächtigste und auch reinste Gefühl sein sollte, zu dem er jemals fähig sein würde es zu empfinden. Und er hatte sich in diesem Moment selbst die letzte Hoffnung darauf zerstört, ihre Liebe jemals für sich gewinnen zu können. Unerfülltes Verlangen. Gab es einen größeren Fluch auf Erden? Doch er erkannte dies nicht. Alles was er in diesem Augenblick spürte war die Macht hunderter Dämonen in sich, die ihn zu einem der stärksten und mächtigsten Magier machten, der jemals gelebt hatte. Nackt und geschmeidig erhob sich Naraku von seinem Lager. Die Bandagen fielen von seinem wieder makellosen Körper ab wie die Haut einer Schlange. Sein langes, schwarzes, glänzendes Haar war wieder voll und floss lang seinen Rücken hinab, verbarg die einzige Narbe, die er von dem Brand zurückbehielt und die seinen Pakt mir den Dämonen besiegelte: Eine riesige Spinne. Eine Narbe, die wie ein Ödem seinen gesamten Rücken bedeckte. Doch alle anderen Narben waren verschwunden, sein Gesicht wieder das des makellos schönen jungen Mannes, der er einst gewesen war. Die Augen ausdrucksstark und tiefschwarz wie Kohlen, unergründlich. Ein böses Lächeln umspielte seine Züge. „Du hat Recht Kyo…“, flüsterte er leise und strich sacht mit seinen schlanken Fingern über eine Stelle an seiner Schulter, die Stelle, an der auf Kyos Körper das Schlangenmal von ihrem Pakt kündete, den Kyo so erbärmlich verraten hatte. „Möge das Spiel…“, und er betonte dieses Wort sehr seltsam, „…beginnen.“ Nackt wie Satan ihn schuf stieg er aus der Höhle und verschwand hinein in das Dunkel des Waldes. Und als Kikyo am nächsten Morgen zu der Höhle kam fand sie sie verwaist. Eine dunkle, böse Aura umgab den Platz und das Lager, auf dem der gebranntmarkte Körper gelegen hatte, war welk und verfault. Es stank bestialisch. Kikyo schreckte nicht vor dem Geruch zurück. Sie schreckten die Bilder die sie nicht sah und doch fühlte. Hier war etwas Dunkles, etwas Verbotenes geschehen. Und sie ahnte, dass dies für sie alle noch sehr weit reichende Folgen haben würde. Sie wusste nun wer er war, oder wer er gewesen war, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Sie hatte es im Grunde ihrer Seele eigentlich schon die ganze Zeit über geahnt. „Onigumo…“, flüsterte sie. „Was hast du getan?“ Kapitel 8: Erkenntnisse und Geheimnisse --------------------------------------- Hallöchen allerseits! Dieses Mal hat es wirklich SEHR lange gedauert, bis ich mal zum Weiterschreiben gekommen bin, hierfür ein riesengroßes Sorry! Es ist so viel passiert und viele die mir nahe stehen wissen das auch. Mein ganzes Leben hat sich geändert in den letzten 1 1/2 Jahren. Und irgendwie hatte ich nicht die nötige innere Ruhe, um diese Geschichte weiterspinnen zu können. Dies hat nun hoffentlich ein Ende. Auch wenn es Job-bedingt wohl immer noch größere Abstände zwischen den einzelnen Kapis geben wird, so hoffe ich doch sehr, dass ihr, meine Leser, mir weiterhin treu bleibt und mir hin und wieder eure ehrliche Meinung zu dieser Story sagt.^^ Ich würde mich so freuen! So und nun viel Spaß beim Weiterlesen! Es treten nun zwei weitere Charaktere auf, ohne die diese Geschichte auch eigentlich nicht das wäre, was sie sein soll. Zwei meiner Lieblingscharas.^^ Ein Geschwisterpaar... Nun denn, see ya beim nächsten Kapi!? Eure Mado-chan ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Wälder rund um Edo Sengoku-Ära Es regnete. Schon wieder. Es war das Erste was sie hörte, spürte und schmeckte, als sie ganz langsam wieder zurückfand in das, was sie für die Wirklichkeit hielt. Zumindest im Augenblick. Es musste die Wirklichkeit sein. Denn sie war kalt und abweisend und rauh. Dinge, die sie in der gnadenvollen Umarmung einer Bewusstlosigkeit, in der sie sich scheinbar wieder befunden hatte, mit Sicherheit nicht zu erdulden brauchte. Und sie begann sich genau dorthin zurückzuwünschen, als die Tropfen hart und schwer auf ihr Gesicht schlugen und ihre Lippen benetzten, ihre Kleider durchweichten und sie bis auf das Mark frieren ließen. Zudem… spürte sie, dass sie schwebte. Oder nein, anders. Vielmehr fühlte es sich an, wie hilflos von einer Barke auf hoher See transportiert zu werden. Es schaukelte und wankte so rasch in Folge, dass ihr noch in horizontaler Lage schwindelte und übel wurde. Wo zum Teufel war sie? Sie konzentrierte sich auf sich selbst und ihr vollständiges Erwachen. Ihre Haut brannte. Und das hatte nichts mit dem Regen an sich zu tun. Es gab wunde Stellen an ihrem Körper, die sie momentan nur erahnen konnte. Sie brannten bei der Berührung mit dem kühlen Nass wie Feuer. Feuer… Da war eine schmerzhafte, schemenhafte Erinnerung. An Hitze. An Schmerz. Und an… Mit einem Ruck schlug sie die Augen auf… … und starrte hinauf in vom Regen schwer herabhängendes Laubwerk von unzähligen Bäumen, die an ihr vorüberflogen wie Schatten. Sie spürte immer noch dieses Schaukeln und Schwanken und jetzt passte auch das Bild dazu, das sich ihren weit aufgerissenen Augen bot, die immer und immer wieder von Regentropfen dazu gezwungen wurden, sich zu schließen. Rauschend prasselte das kalte Wasser wie in Sturzbächen vom Himmel, nur gedämpft durch das immerwährende Dach des Waldes über ihrem Kopf und dadurch an das Rauschen der Brandung eines entfernten Meeres erinnernd. Es schwankte nicht nur. Nein. Immer wieder wurde sie leicht auf und niedergehoben, wurde leicht hochgeworfen, fiel zurück und wurde von starken Armen immer wieder aufgefangen und weitergetragen. Nicht gerade die sanfteste Art, jemanden zu tragen, aber wahrscheinlich die schnellste. Schritte, schnelle Schritte, in deren Rhythmus sie hilflos auf- auf und ab und hin- und herschaukelte, wie ein Kleinkind in den Armen eines neckenden Vaters. Moment… Starke Arme? Wer…? In einer ziemlichen Kraftanstrengung versuchte Madoka langsam und unter ständigem Schwanken und Schaukeln den Kopf zu heben, um einen Blick auf ihren Retter zu werfen. Wenn man ihn denn so nennen wollte. Sie blinzelte. Nun ja. Sie schien doch immer noch der Bewusstlosigkeit näher zu sein als ihr klar war, denn was sie erblickte KONNTE einfach nicht wahr sein. Eine Fantasie geboren aus ihrer Angst und der Erschöpfung. Sie erinnerte sich wieder. An das Feuer, an Onigumo, an Kyo. Und an Himura… Aber das Wesen, das sie hier auf seinen Armen in rasendem Tempo durch den Wald trug kannte sie definitiv NICHT. Panik drohte in schweren, schwarzen Wogen über sie hinwegzurollen. Doch dann gewahrte sie einen Schatten, der dicht neben ihr und ihrem geheimnisvollen Träger dahinlief. Nicht halb so elegant, aber auch nicht weniger schnell – zumindest für den Moment. Sie erkannte Fuu. Das Mädchen hatte im Laufen den Kopf gedreht und warf ihr ein völlig widersinniges, unpassendes aber aufmunterndes Lächeln zu. Dann nickte sie Madokas Retter zu und verschwand wieder, fiel hinter ihnen zurück, da dieser noch an Tempo zuzulegen schien. Vorsichtig lugte Madoka erneut hinauf in das Gesicht des Fremden, der sie trug. Wenn Fuu keine Angst vor ihm hatte, dann sollte sie vielleicht wenigstens versuchen… Ihr Herz pochte zum Zerspringen, als sie erneut die Ohren des Fremden anstarrte, die aus einer Pracht von weißem, unbändig langem Haar hervorstachen wie die Ohren eines Fuchses oder Hundes. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. Doch instinktiv spürte sie, dass dieses Wesen ihr auch nichts Böses wollte. Täte es dies, so wäre sie wahrscheinlich nicht mehr am Leben und würde von ihm getragen werden. Sie war immer noch ein wenig verängstigt und ungläubig, als der Fremde plötzlich langsamer wurde und auf eine Art große Lichtung hinaustrat. Der Regen schüttete nun ungehindert auf sie hernieder und Madoka verschlug es deshalb zunächst den Atem. Sie hustete. Zum ersten Mal blickte der Fremde auf sie hinab und seine seltsam animalisch anmutenden Augen, die in dunklem Bernsteingelb glommen, sahen sie an. Madoka erschauerte. „Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?“ Eine angenehme Stimme, ruhig und bestimmt. Madoka horchte automatisch in sich hinein und schüttelte zaghaft den Kopf. „Ich glaube nicht. Nein.“ Der Fremde glitt in die Hocke und setzte sie ins feuchte Gras. Er seufzte tief, als er sich wieder aufrichtete. Ungeniert und vollkommen sprachlos sah Madoka an ihrem Retter hinauf. Sie hatte Geschichten über Wesen wie ihn gelesen. Aber das waren eben bloß auch Geschichten gewesen. Hatte sie jedenfalls geglaubt. Bis heute. Vor ihr stand ein wirklicher, leibhaftiger Hanyou, ein Halbdämon. Dass er durchaus Menschliches an sich hatte ließ sich nicht leugnen, aber ebensowenig ließ sich die animalische Wildheit leugnen, die sie tief in seinem Blick gesehen hatte. Seine Ohren… Immer wieder saugte sich ihr Blick an diesen merkwürdigen Ohren fest – und einmal mehr drängte sich ihr der Vergleich mit einem Hund auf als sie beobachtete, wie der Fremde sich plötzlich ob der kalten Nässe unwillig schüttelte, wie es eben nur Hunde taten. Unwillkürlich stahl sich ein leichtes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie konnte nicht anders. Wie hatte sie je Angst vor diesem Wesen haben können? Und doch war da etwas… das sie vorsichtig sein ließ. Besser er sah ihr Lächeln nicht. Und schnell wurde sie wieder ernst. Sie setzte sich auf, doch bevor sie ein Frage stellen konnte in Bezug auf diesen Ort, drangen Schritte aus dem Unterholz des nahen Waldrandes, aus dem sie selbst gerade gekommen waren, hervor. Und dann kamen sie. Jin, der junge schwarzhaarige Schwertkämpfer, der auf seinen Armen einen leblosen Himura trug, an seiner Seite Fuu und Mugen, alle schwer atmend und vollkommen durchnässt. Madoka hatte das Gefühl, dass etwas Wichtiges fehlte. Jemand… Aber bevor sie auch nur die Stimme erheben konnte war Fuu neben ihr am Boden und stützte sie. „Mein Gott, ich bin so froh, dass du wieder wach bist! Das Feuer… deine Wunden…“, sie hatte ihre schmalen Hände erhoben, verharrte jedoch zitternd über Madokas Haut an Armen und Beinen. Erst jetzt blickte Madoka an sich hinab – und erschrak. Es war ihr wegen des kalten Regens nicht ganz so bewusst gewesen, aber ihre Haut war übersät mit Brandwunden. Wo die Haut nicht gerötet und aufgeworfen war, starrte sie nur so vor blauen Flecken und Schrammen. Die Haut brannte ganz leicht. „Oh..“, war alles was sie beinahe tonlos sagen konnte. Doch dann irrte ihr Blick zurück zu den anderen. Jin stöhnte leise. Er hatte sich vollkommen erschöpft ins Gras sinken lassen und Himura abgelegt. Der junge, rothaarige Samurai war noch immer nicht bei Bewusstsein. Madoka richtete sich mühsam auf und kroch zu ihm hinüber. Fuu wollte etwas sagen, doch Mugen legte ihr eine Hand auf die Schulter. Als das Mädchen den Blick hob sah sie einen Gefährten, so erschöpft und niedergeschlagen, wie sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Sein Haar hing ganz entgegen seiner Natur glatt und lang über seine Augen. Fuu begnügte sich damit, wieder zu Madoka hinüberzusehen. Sie konnte sich selbst kaum nocht rühren, so müde war sie. Madoka hatte den jungen Samurai indessen erreicht. Sie blickte lange und konzentriert in sein schmales, geschundenes Gesicht hinunter. Gott sei Dank hatter der Regen das Blut fortgewaschen. Doch das Gesicht in das sie blickte war beängstigend blaß, die Lippen zwei schmale, blutleere Striche, wie eine Narbe in seinem Gesicht. „Himura?“, sie berührte vorsichtig seine Wange, verspürte plötzlich so etwas wie einen schmerzhaften Stich tief in ihrer Brust bei dem Gedanken, er könnte nie wieder diese tiefblauen Augen aufschlagen oder ein Wort mit ihr reden. Ihre Hand glitt hinab, ergriff ihn an der Schulter und begann ihn zu rütteln. „Himura! Bitte wach auf!“ Eine Hand legte sich mit einem Mal warm über ihre. Eine Hand mit Nägeln, die wie Klauen wirkten. Madoka erschrak nicht einmal. Sie rüttelte weiter an Himuras Schulter, nahm gar nicht wahr, dass ihre Stimme begonnen hatte sich zu überschlagen. „Himura!“ Die krallenbewährte Hand umfasste die ihre ohne ersichtliche Mühe und hob sie von der Schulter des jungen Mannes. Als sie ihre Wut nun auf den entladen wollte, der sie zurückhielt Himura aufzuwecken, erstarrte Madoka und blickte unversehens in das Gesicht des Hanyou. Verständnis und Geduld sprachen aus dem Blick der unheimlichen Bernsteinaugen, aber auch eine Stärke und Unbeirrbareit, die sie in ihre Schranken verwies. „Er wird nicht wieder lebendig wenn du ihn anschreist, Mädchen.“, sagte der Halbdämon ruhig. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er ist nur bewusstlos. Kikyo wird sich um ihn kümmern.“ Kikyo. Irgendetwas klang bei diesem Wort in ihrere Seele nach. Sie konnte es nicht festhalten und benennen, aber sie hatte das untrügliche Gefühl, diesen Namen schon einmal in irgendeinem Zusammenhang gehört zu haben. „Wartet hier.“, der Halbdämon hatte sich erhoben, schüttelte erneut unwillig seine lange, weiße Mähne. Die große Pluderhose und die Yukata, die er trug, waren beide so rot wie Blut und klebten schwer an seinem muskulösen, wenn auch noch jugendlich anmutenden Leib, der sich darunter abzeichnete. „Ich werde einen Karren besorgen und Kikyo Bescheid geben.“ Dann war er verschwunden. Sie hatte die Bewegung nicht einmal GESEHEN mit der er gegangen war. Entgeistert starrte sie auf den Ort, wo er gerade noch gestanden hatte. Mugen stand so reglos, dass die Regentropfen beständig von seiner Nase fielen. Es kümmerte ihn nicht. Erstaunlicherweise hatte er einmal keine spitze Bemerkung parat. Sein Blick war verschleiert, gerichtet auf Dinge, die in der Vergangenheit geschehen waren, zu grausam, um sie auszusprechen. Alle anderen hatten sich ins Gras niedergelassen und obwohl es kalt und nass war, schien sich niemand daran zu stören oder beklagte sich. Madoka schaute wieder auf Himura hinab. Sie wünschte sich, das alles wäre nie passiert. Ohne die Frage an jemand bestimmten zu adressieren fragte sie leise: „Wo sind wir? Und was geschieht jetzt mit uns?“ Lange Zeit war das Rauschen des Regens auf dem tiefgrünen Bätterdach des Waldes hinter ihnen nach wie vor die einzige Antwort die sie hörten. Doch dann hob Jin den Kopf und sah sie an. Auch sein Blick wirkte seltsam trüb. „Wir haben dich und Himura aus dem Wasser des Kanals geborgen und sind so schnell es ging geflohen.“ Seine Stimme klang rauh, er flüsterte beinahe. „Der Hanyou fand uns, als wir uns zum Wald zurückgezogen hatten. Wir wissen nicht, ob es Überlebende von Onigumos Leuten gab – und wollten es auch nicht herausfinden.“ „Der Hanyou brachte uns hierher. Wir hatten Angst…“, fuhr Fuu fort, handelte sich einen leicht ungehaltenen Blick Mugens ein und verbesserte sich: „… ICH hatte Angst und die anderen wollten ihn unverzüglich angreifen, aber er versicherte uns, er wolle nur helfen. Eine Miko würde ihn schicken.“ Eine Miko? Kikyo… Wieder war es, als würde etwas in ihr nachhallen, wenn sie den Namen in Gedanken formulierte. „Wo genau wir hier sind, weiß ich nicht.“, sagte Mugen nun und ein für ihn untypischer, bitterer Ton schwang in seinen Worten mit. „Aber um ehrlich zu sein habe ich seit wir in diese verdammte Zeit geraten sind ohnehin keine Ahnung mehr, wo genau wir sind oder wie wir hier wieder verschwinden könnten.“ Er kratzte sich an seinem Drei-Tage-Bart. „Immerhin haben wir uns wiedergefunden.“, meinte Jin müde. „Das ist mehr als wir zu hoffen gewagt haben.“ Madoka sagte nichts. Ihr war klar, dass sie aufgrund ihrer Bewusslosigkeit nach dem Feuer nichts von dem, was ihre Gefährten sagten, mitbekommen hatte. Dies alles war so unwirklich und merkwürdig, dass ein Teil von ihr immer noch beharrlich an dem Glauben festhielt, dass sie fantasierte. Dies war beinahe tröstlich. So müsste sie nicht glauben, dass Himura wirklich ernst verletzt war. Oder dass es Halbdämonen wirklich gab, geschweigedenn RICHTIGE Dämonen… Ihr gesamtes Weltbild war in den letzten Tagen und Wochen so leise, aber nachhaltig erschüttert worden, dass die Erkenntnis sie nur ganz, ganz langsam einholte und zu überrollen drohte. Als ihr Leben und ihr Leib in der Gefangenschaft Onigumos in konkreter Gefahr gewesen waren, hatte sie keine Zeit mehr gehabt darüber auch nur nachzudenken. Aber sie war nicht verrückt. Sie war wach. Und sie erlebte all dies wirklich. Nur wenn dies so war, wie hatte sie je an den Erleuchteten glauben können? Wie hatte sie je glauben können Dämonen würde es nicht geben? Und warum war dieser eine hier, mit seinen seltsamen Hundeohren, nicht wie alle anderen Dämonen aus den Sagen? Warum half er ihnen? War auch er eines von Buddhas Geschöpfen auf Erden? Gewollt und erschaffen , wie sie alle? Wenn dies so war, so hatte sie sich endgültig von der Welt aus Schwarz und Weiß zu trennen, nach der sie bislang gelebt hatte. Denn hier ließ sich nichts mehr in Schwarz oder Weiß einteilen, in Gut oder Böse. Hier gab es nur Grauzonen. Und keinen Glauben mehr. Nicht nach dem, was sie in der letzten Zeit erlebt hatte. Sie hob den Kopf gen Himmel. Die Wolken hingen fahlgrau und schwer dort oben, schienen die Baumwipfel des Waldes fast zu berühren und verschlangen in nebligen Schwaden alles was weiter weg als ein paar hundert Schritte war. Die Tropfen prasselten auf ihr Gesicht, wuschen Tränen fort, von denen sie nicht einmal gemerkt hatte, dass sie sie weinte. Alles, ALLES war anders geworden. Und nichts davon erschien ihr gut in diesem einen, dunkelgrauen, regennassen Moment, in dem sie alle zerschlagen und verfolgt am Boden kauerten, frierend und allein, gefangen in einer Welt oder Zeit, in die sie nicht gehörten. Und sie beschloss keine Miko mehr zu sein. Sie würde keine Priesterin werden. In einer Welt in der es vor Sklavenhändlern, Räuberbanden und Dämonen zu wimmeln schien wollte die junge Frau nur noch eines: Ihrer eigenen Angst endlich Herr werden und kämpfen. Sie wollte, dass Himura wieder gesund würde und er ihr das Kämpfen beibrachte. Oder sie wollte mit Jin und Mugen zusammen üben, wie man sich zumindest selbst verteidigte. Sie wollte stärker werden, sich nicht mehr nur hinter Shinto-Regeln verstecken, die ihr in einer harschen Welt wie dieser ohnehin nicht viel weiterhelfen konnten, und nur noch sich selbst vertrauen, nur noch an sich selbst glauben. Und sie wollte ihren eigenen Weg finden. Ob dieser nun zurückführen würde, hinaus aus dieser und wieder in ihre eigene Zeit, wusste sie nicht. Aber sie war froh und dankbar, dass sie diesen Weg nicht allein beschreiten musste. Sie ließ den Blick nun über ihre Gefährten gleiten. Und erstarrte. Kyo. Wie hatte sie es nur vergessen können? „Wo ist Kyo?“, entfuhr es ihr und aller Augen richteten sich auf sie. Was sie in den Gesichtern ihrer Gefährten las konnte unterschiedlicher kaum sein. Mugen sah einfach nur unwillig aus. Jins Augen hatten sich verengt, sein Blick beinahe lauernd. Und Fuu kochte vor Wut. „Dieser Idiot?“ Fuu schäumte. „Was fragst du überhaupt? Bei dem, was er dir antun wollte? Hat sich aus dem Staub gemacht. Natürlich. Wie konnten wir auch etwas anderes erwarten.“ Das war merkwürdig. Madoka selbst hatte ihn nicht aus dem brennenden Gebäude fliehen sehen. „Was macht dich so sicher, dass er noch lebt.“, fragte Madoka mit kalten Lippen. „Weil ich ihn gesehen habe, als er floh.“, behauptete Jin nun mit kühler Stimme. „Ich weiß nicht, ob auch Onigumo entkam, aber wenn nicht, haben wir ein Problem weniger.“ „Wobei Kyo als Problem ausreichen dürfte, denke ich.“, schloss Mugen. „Mann, was gäbe ich jetzt für ein Fass frischen Sake…“ „Und ihr habt keine Ahnung wo er jetzt ist?“, fragte Madoka unbeirrt. „Nein. Und es ist mir auch egal.“, erwiderte Fuu böse. „Und dir sollte es auch egal sein.“ Madoka sah ihre Freundin nachdenklich an. „Er hat uns immerhin geholfen zu fliehen.“, meinte sie und fragte sich im selben Moment, warum sie diesen Mann verteidigte. Sie erinnerte sich an die Worte, die Kyo mit Onigumo in dem brennenden Haus gewechselt hatte. War es nicht so, dass er gemeinsame Sache mit dem Verbrecherfürsten gemacht hatte? Dass sie unter einer Decke steckten? Auch wenn er gegen Onigumo gekämpft hatte, hatte Madoka dennoch den Eindruck, dass ihn etwas gänzlich anderes als wahre Nächstenliebe dazu bewogen hatte in den Kampf einzugreifen. Sie musste plötzlich an Kyoshiro denken, der im Körper Dämonenauges eingeschlossen war. Fuu sagte auch nichts mehr weiter. Sie gab nur eine leises, resigniertes Seufzen von sich. Der Hanyou kam ebenso plötzlich zurück wie er verschwunden war. Er hatte einen hölzernen Karren bei sich, an dessen Deichsel er das Gefährt zog. Als er bei ihnen anlangte kletterte eine junge Frau von der Ladefläche. Die trug einen breiten, kegelförmigen, flachen Hut aus Reisstroh, der den Regen von ihrem elfenbeinfarbenen Gesicht und ihrem vollen, dunklen Haar fernhielt. Zudem war sie gekleidet wie eine Miko in dieser Zeit: Rote Hakama und weiße Yukata. Sie trug einen Weidenkorb bei sich, der durchdringend nach Kräutern roch. Mit wenigen schnellen Schritten war sie bei dem bewusstlosen Himura. Nach einer kurzen, eingehenden Untersuchung bat sie den Hanyou, den Leblosen auf den Wagen zu laden. „Nicht hier, Inuyasha. Bring ihn in meine Hütte.“ Dann drehte die junge Frau sich zu den anderen herum. Sie lächelte freundlich und entschuldigend. „Es tut mir Leid, aber ich musste mich zuerst um den Verletzten kümmern. Aber wie ich sehe habt auch ihr alle mehr oder minder große Blessuren davongetragen, um die ich mich kümmern werde. Mein Name ist Kikyo.“ Sie machte eine einladende Geste in die Richtung, in welche der Halbdämon bereits wieder gegangen war. „Bitte kommt mit in unser Dorf. Ihr seid meine Gäste. Ich werde mich um eure Wunden kümmern.“ Fuu lächelte strahlend bei dem Gedanken an ein wärmendes Feuer und Essen. „Vielen Dank, Kikyo.“ Sie verbeugte sich linkisch. „Mein Name ist Fuu. Und das sind meine Reisegefährten Mugen und Jin.“, sie deutete nacheinander auf ihre Freunde. „Ich heiße Madoka.“, sagte Madoka nun auch leise, beinahe zögernd. Kikyo… hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Etwas, das sie gleichzeitig wie magisch anzog, wie auch abstieß, sie warnte. Es war ein ganz merkwürdiges, kaum in Worte zu fassendes Gefühl. Es gemahnte sie zur Vorsicht. Diese zart aussehende, schöne Priesterin war stärker, als sie zu sein vorgab. Vielleicht konnte auch nur sie es spüren, weil sie demselben spirituellen Glaubenskreis angehörte – nun ja, angehört hatte. Aber etwas an Kikyo wirke… beinahe gefährlich. Und dann… fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Eine sehr starke Miko. Etwa DIE Miko? Jene Miko die Kyoshiro in seinen Erzählungen erwähnte? Konnte das sein? Und das würde bedeuten…, dass der Shikon No Tama nicht fern sein konnte. Sie begann zu zittern. Unmerklich und ohne es beeinflussen zu können. Unversehens hatte es das Schicksal vielleicht doch einmal für sie vorgesehen, einen ganzen Schritt weiterzukommen. Sie sollte sich nicht zu früh freuen. Mikos gab es viele. Und jeder einzelnen mochte man eine gewisse spirituelle Kraft nachsagen. Aber wenn sie diese eine war. Jene eine, die den Juwel hüten sollte… Vielleicht gab es den Erleuchteten ja doch. Seine Wege waren nur manchmal wahrhaft unergründlich. Sie folgten Kikyo in ihr Dorf. Doch Madoka blickte sich immer wieder um, schien den Waldrand mit Blicken abzusuchen nach etwas, das nicht da war. Nach jemandem. Sie konnte nicht wissen, dass ihr Blick durchaus erwidert wurde. ~~~oOo~~~ Wie ein Schatten, vollkommen bewegungslos, stand der Dämon unter den Bäumen des Waldrandes. Er hatte es nicht nötig sich zu verbergen. Wer ihn sehen sollte, der sah ihn. Und wenn er nicht wünschte gesehen zu werden, dann sah man ihn auch nicht, ganz gleich ob er sich nun verbarg oder nicht. Er war der mächtigste zu dieser Zeit lebende Dämon. Und wie es beihnahe schien auch der Einzige in einem Umkreis von mehreren hundert Meilen. Es war in den letzten Tagen so gewesen, dass alle Dämonen vor ihm oder IRGENDETWAS das Weite gesucht hatten und verschwunden waren. Oder etwas hatte sie vernichtet, so allumfassend, so nachhaltig, dass selbst ein Daiyoukai wie er aufhorchte. Welches Schicksal mochte sie ereilt haben? Und noch etwas anderes interessierte ihn… Er war hierhergekommen. Weil er einer interessanten Spur gefolgt war. Diese Spur war in der Nähe der Menschenstadt abgerissen. Und der Dämon legte keinerlei Wert darauf mit wertlosen Menschen in Kontakt zu treten. Daher wartete er und witterte, suchte und spürte der Spur nach, die irgendwo wieder in den Wald eingetaucht sein musste, als das Feuer den Stadtrand verheerte. Für gewöhnlich folgte der Daiyoukai keiner Spur, sondern wartete einfach, bis diese seinen Weg kreuzte. Früher oder später war dies meistens so, wenn es sich um eine andere starke Aura handelte wie in diesem Fall. Wahrscheinlich war es auch jetzt nicht anders. Bevor er sich zum Gehen wandte, blickte er noch einmal in die Richtung, in welcher die Miko und die anderen Menschen verschwunden waren. Auch hier war er einer merkwürdigen, jedoch nicht unbekannten Aura begegnet, die ihn aber nur mäßig bis gar nicht interessierte. Einer Aura, die er in dieser Welt schon lange nicht mehr gespürt hatte. Shikon No Tama. Inuyasha musste dies aufgefallen sein. Natürlich. Würde er sonst Fremden helfen? Nun ja, man konnte nicht wissen, was in dem Herzen eines lächerlichen Hanyou vorging. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, interessierte es ihn auch nicht. Allein der Gedanke daran, dass sie beide miteinander verwandt waren, ließ eine eiskalte Wut in ihm entstehen. Aber Sesshoumaru wusste sehr genau, dass er auf solcherlei Gedanken am Besten keine Energien verschwendete. Das gehörte leider zu den Dingen, die sich zumindest in absehbarer Zeit nicht mehr ändern ließen. Aber irgendwann… würde er sich seines unwürdigen „Bruders“ schon noch entledigen. Er hatte Zeit. Alle Zeit der Welt. Und langsam wandte sich der hochgewachsene Daiyoukai um, verschwand mit langen, geschmeidigen Schritten im Wald. Man hörte nicht ein Geräusch. Nur das Rauschen des Regens war unverändert. ~~~oOo~~~ Die Nacht war klar, der Regen, der mehrere Tage unablässig vom Himmel gekommen war, schon längst fortgezogen. An seiner Stelle war es kalt geworden, empfindlich kalt. So kalt, dass man seinen eingenen Atem als kondensierenden Dampf im fahlen Mondlicht aufsteigen sehen konnte. Kyo hatte keine Ahnung wie lange er der Spur Onigumos gefolgt war. Aber irgendwann war sie einfach abgerissen. Es war merkwürdig, denn niemand konnte sich so einfach in Luft auflösen. Aber er konnte auch nicht genau sagen, was Onigumo nun war: Mensch oder doch Dämon. Er war einmal ein Mensch gewesen. Ein leichtgläubiges, geschundenes, machtgieriges Wesen, das sich nur allzu leicht manipulieren ließ. Nun, es wäre auch zu einfach gewesen, ihn loszuwerden indem man ihn einfach tötete. Anscheindend reichte dies nicht aus. Nicht mehr. Onigumo war auf dem Weg, etwas Anderes zu werden. Etwas Dunkles. Etwas sehr Starkes – auch wenn Kyo in seiner Überheblichkeit auf keinen Fall und nicht eine Sekunde lang daran glauben mochte, dass er ihm jemals das Wasser reichen würde. Es war nicht beunruhigend, sondern einfach nur LÄSTIG. Kyo wollte die Sache mit Onigumo so schnell wie möglich aus der Welt schaffen, um endlich das zu tun, wofür er hierher gekommen war: Mit Hilfe des Shikon No Tama so mächtig zu werden, dass alle anderen Dämonen und Menschen seinem Willen Folge zu leisten hatten, einfach der Stärkste zu werden. Er konnte es spüren. Er war nicht mehr fern. Jener Moment… Jener Tag… Jener Tag, in dem er Kyoshiro endlich töten und frei sein würde. Kyo trat auf eine kleine Lichtung inmitten des Waldes hinaus – und erstarrte. Das leise Tropfen des Wassers, das sich nach dem Regen in den Blättern über ihm gesammelt hatte, war das einzige Geräusch, das er hören konnte – und doch war da etwas Anderes, etwas, das er nur unterschwellig spüren konnte, dafür aber mit einer Intensität, die ihn erstaunt innehalten ließ. Es war eine Macht, eine Aura, so gänzlich anders als die Onigumos, so ganz und gar FREMDARTIG und stark, dass er innerlich erschauerte. Nicht vor Angst, sondern vor freudiger Erwartung. Es schien hier einen Dämon zu geben, der seiner ebenbürtig war. Und er war nicht mehr fern. Und dann sah er ihn. Einen erhabenen Schatten vor sich, auf der anderen Seite der kleinen Lichtung. Er stand vollkommen reglos da, genau wie Kyo es tat. Nur der leichte, nun aufkommende Wind spielte mit langem, silberweißem Haar, das im Mondlicht kurz aufzuleuchten schien. Sekundenlang hatte Kyo den Eindruck eines wunderschönen und eiskalten Antlitzes, von Augen, deren Blick sich direkt in seine Seele bohren wollte um sie zu Eis erstarren zu lassen. Ganz unwillkürlich war auch der Dämon Kyo wie erstarrt vor Erfurcht. Immer noch ohne Angst hielt er dem Blick des anderen jedoch stand, richtete sich dann sogar langsam zu seiner vollen, dunklen Größe auf. Seine Augen glommen glutrot in der schwarzen Nacht. Der Wind frischte auf und die Sterne schienen sich einen Augenblick zu verhüllen, als beide Auren mit einer Macht aufeinanderprallten, die ihresgleichen suchte. So etwas hatte Kyo noch nie zuvor erlebt. Es war kein Kampf, eher ein neugieriges Kräftemessen – aber in einem Ausmaß, das für andere, niedere Dämonen schon längst den Tod bedeutet hätte. Erstaunt und mit böser Freude gewahrte er, dass der andere, ein wirklicher Daiyoukai, ganz ähnlich veranlagt war wie er selbst. Die Stärke anderer Youkai machte ihn neugierig. Er maß sich gern mit denen, die ihm seiner Meinung nach die Mühe wert waren, und tötete sie nach Belieben. Es war nicht wichtig. Nichts Lebendes war wichtig. Nur Stärke und Macht zählten. Doch im Gegensatz zu Kyo kümmerte den Daiyoukai nicht einmal die hohe Stellung, die mit irdischer Macht einhergehen mochte und auch kein Besitz. Nicht einmal der… Kyo riss die Augen auf. Er trat zurück, unterbrach die geistige Verbindung, das unsichbare Ringen. „Du… du weißt wo es ist.“, sagte er leise und lauernd. Er wusste ganz genau, dass dem anderen klar war worauf er hinauswollte. Sesshoumaru blickte Kyo kalt und abweisend an. Er hatte geglaubt, dass dieser Dämon, diese Aura die Mühe wert sein würde, dass es interessant sein könnte, ihn zu besiegen. Stattdessen war er auf einen habgierigen, noch nicht ganz erwachten Geist gestoßen, der in einem zweigeteilten Körper wohnte. Wie hatte ihn sein Instinkt nur so in die Irre führen können? Dieses Wesen war Abschaum, der Dreck, der unter seinen Füßen klebte. Mehr nicht. Der Daiyoukai schüttelte er den Kopf, als wolle er diesen Gedanken endgültig abschütteln. Langsam drehte er sich um. „Warte, Dämon! Sag mir, wo der Juwel der Vier Seelen ist! Du weißt es!“ Sesshoumaru schloss ergeben die Augen. Nun vielleicht sollte er ihn gleich hier töten? Auf der Stelle? Wer wusste schon, wie viel Ärger er noch anrichten mochte, wenn er ersteinmal den Juwel sein Eigen nannte. Aber im Grunde… interessierte ihn auch das nicht wirklich. Er tat einen Schritt – und wurde von einer starken Hand am Arm ergriffen. „Behandle mich nicht wie den letzten Hund, Daiyoukai. Ich bin von deiner Art.“ Nicht einmal einen Sekundenbruchteil später fand sich Kyo am Boden wieder, der mächtige Daiyoukai über ihm, die rechte Hand wie zum Schlag erhoben. Die Klauen dieser Hand troffen von einem schleimigen Sekret, dass unheimlich und dunkelgrün von innen heraus zu leuchten schien. Wo es zur Erde tropfe, dicht neben Kyos Arm, verdorrte das Gras, versengte die Erde. „Wage es nicht mich mit Abschaum wie dir zu verleichen du kleine, dreckige Made! Wie kannst du es nur wagen! Nichts an dir ist vollständig, nichts an dir ist auch nur halb so stark wie ich es war, als ich gerade geboren wurde! Ich sollte dich hier und jetzt und auf der Stelle töten. Nenn mir nur einen Grund warum ich es nicht tun sollte! Und er muss gut sein.“ Aus Sesshoumarus nun grellroten Augen schossen Blitze. Sein sonst so edles Gesicht war wutverzerrt. Ein tiefes, machtvolles Grollen schien sich seiner Brust zu entringen. Doch auch jetzt hatte Kyo keinerlei Angst. Im Gegenteil. So widersinnig es auch schien: Er lachte leise. Er lachte. Sein leises, böses, hässliches Lachen, das er so gerne hören ließ. „Ja, töte mich, Daiyoukai. Töte mich und ich werde mächtiger werden, als du es dir auch nur vorstellen kannst. Denn wenn du mich tötest, werde ich eins mit dir werden.“ Sesshoumaru zögerte. War das möglich? Die Aura des anderen wirkte nicht sonderlich stark, da zweigeteilt, das stimmte. Aber sie war auch derart fremd und anders, dass er sich ein Urteil vielleicht nicht vorschnell erlauben durfte. Merkwürdig. Konnte es sein… konnte es wirklich sein, dass er sich andere Dämonen, die ihn vermeintlich besiegten, einverleiben konnte um so an Macht zu gewinnen? Oder war das nur ein Bluff, ein ganz besonderer, ersponnener Trick. Wut kochte in dem Daiyoukai hoch wie Lava in einem Vulkan. Wie konnte er es wagen mit ihm Spielchen zu spielen? Ein Dämon der es vorzog ihn nicht ernst zu nehmen, war es seiner Meinung nach auch nicht wert, dass er sich mit ihm abgab. Sollte er doch in seiner Suche nach dem Juwel aufgehen und verrotten. Er würde ihn sowieso niemals… Sesshoumaru trat zurück und entließ Kyo aus seinem Griff. Das hatte nichts mit Feigheit zu tun, das wusste auch Kyo, denn was er nun in dem brodelnden Blick des Daiyoukai lesen konnte, ließ in erschauern. Nicht vor Angst, sondern voller Erwartung. In Sesshoumarus Blick war plötzlich eine bösartige Erkenntnis aufgeglommen. Der Shikon No Tama. Er war wieder hier. Das hatte Sesshoumaru vorhin bereits gespürt, als er die Fremdlinge beobachtet hatte, welche die junge Miko bei sich aufgenommen hatte. Der Juwel war hier. Nicht fern. Und wahrscheinlich wieder in der Obhut der Miko. Was wiederum bedeutete…, dass sein unsäglicher Halbbruder der Miko nicht von der Seite weichen würde, lauerte doch auch er darauf, den Juwel sein Eigen nennen zu können. Wenn dieser Dämon, stark oder nicht, die junge Miko angreifen würde um den Juwel zu bekommen, dann würde Inuyasha sie verteidigen, sie und den Juwel. Und entweder starb bei diesem Versuch jener merkwürdige zweigeteilte Geist in dem Körper vor ihm, oder aber sein Bruder. BEIDES käme Sesshoumaru nicht ungelegen. Nein, wahrhaftig nicht. „Ich werde dir sagen, wo sich der Shikon No Tama zur Zeit befindet, Kreatur.“, sagte Sesshoumaru nun leise und sehr kalt. Kyo horchte auf. So einfach? Warum dann diese heftige Reaktion zuletzt? Er lächelte in boshafter Vorfreude, blieb aber auf der Hut, den Blick unablässig auf die Giftklaue des Daiyoukai gerichtet. „Warum auf einmal?“ Sesshoumaru wusste sehr wohl was der andere meinte, hielt sich aber nicht mit langen, völlig unnützen Erklärungen auf. Sollte er doch in eine Falle laufen. Falls er tatsächlich in den Besitz des Juwels gelangen und Inuyasha töten konnte, würde er endlich den ebenbürtigen Gegener finden, den er brauchte, um das Ansehen seines Vaters Inu No Taishou noch zu überflügeln und endlich aus dem Schatten seiner Familie herauszutreten. „Finde die Miko Kikyo und du wirst auch den Juwel finden. Es ist ein Dorf mit einem Shinto-Schrein. Etwa eine Tagesreise von hier gen Norden im Wald.“ Kyo wollte noch etwas fragen, doch Sesshoumaru hatte genug von unfertigen Möchtegern-Youkai, die es nicht einmal selbst spüren konnten, wenn eine machtvolle Aura wie die des Juwel der Vier Seelen so verhältnismäßig nahe war. Er wandte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand im Dickicht. Dieser Dämon, so schwach er derzeit auch wirkte, hatte ihm nicht sein wahres Wesen gezeigt. Geschickt hatt er etwas vor Sesshoumaru verborgen, etwas, vor dem der mächtige Daiyoukai zwar keine Angst hatte, das ihn jedoch gewarnt sein ließ. Er hatte nicht den Eindruck, dass er sich in seinem Erscheinungsbild und in seiner Aura so getäuscht haben konnte. Er spürte einfach, dass das nicht alles war, was der dunkle Geist zu bieten hatte. Vielleicht sollte er ihn im Augen behalten. So oder so. Es würde interessant werden. Das immerhin. Sekunden später tobte ein plapperndes, plärrendes grünes Äffchen über die Lichtung, dem Daiyoukai auf den Fersen. „Aber Sesshoumaru-sama! Ihr habt mich schon wieder vergessen, Sesshoumaru-sama! Bitte sagt mir doch Bescheid wenn ihr geht! Habe ich euch denn je Anlass zu Unmut gegeben, Herr? Warum seid ihr nur immer so gemein zu mir! Sesshoumaru-samaaaa!“ Kyo blinzelte. Doch der Gnom war schon im Unterholz verschwunden, bevor er auch nur einen Schritt tun konnte. Merkwürdig. Aber unwichtig. „Sesshoumaru…“, flüsterte Kyo langsam. Also ein Daiyoukai, einer der mächtigsten Dämonen überhaupt. Das konnte noch interessant werden. Kyo glaubte jedoch, dass der Daiyoukai die Macht des Juwels komplett falsch einschätzte. Würde er diesen ersteinmal besitzen, so war sein nächstes Ziel nun schon sicher. „Sesshoumaru. Du wirst mir gehorchen oder sterben, für das, was du gesagt hast. Ich werde der Erste sein, der dich in deine Schranken weist. Und es wird mir eine Freude sein. Unterschätze nie die Macht, des verdorbenen Juwels. Niemals…“ Er lächelte kalt. Und auch wenn er wusste, dass Sesshoumaru seine Gründe haben mochte, warum er ihm den Juwel in die Hand spielte und so bereitwillig Auskunft gab, so glaubte Kyo keinesfalls, dass sie sich heute zum letzten Mal gesehen hatten. Und beinahe lautlos, wie ein vom Wind auseinandergetriebener Schatten, verschwand Kyo von der kleinen Lichtung. Nur das kalte Auge des Mondes blickte nach wie vor unbeteiligt auf das kleine Fleckchen Gras inmitten der wogenden Schwärze der mächtigen, uralten Bäume hinab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)