Shikon No Tama von MorgainePendragon ================================================================================ Kapitel 8: Erkenntnisse und Geheimnisse --------------------------------------- Hallöchen allerseits! Dieses Mal hat es wirklich SEHR lange gedauert, bis ich mal zum Weiterschreiben gekommen bin, hierfür ein riesengroßes Sorry! Es ist so viel passiert und viele die mir nahe stehen wissen das auch. Mein ganzes Leben hat sich geändert in den letzten 1 1/2 Jahren. Und irgendwie hatte ich nicht die nötige innere Ruhe, um diese Geschichte weiterspinnen zu können. Dies hat nun hoffentlich ein Ende. Auch wenn es Job-bedingt wohl immer noch größere Abstände zwischen den einzelnen Kapis geben wird, so hoffe ich doch sehr, dass ihr, meine Leser, mir weiterhin treu bleibt und mir hin und wieder eure ehrliche Meinung zu dieser Story sagt.^^ Ich würde mich so freuen! So und nun viel Spaß beim Weiterlesen! Es treten nun zwei weitere Charaktere auf, ohne die diese Geschichte auch eigentlich nicht das wäre, was sie sein soll. Zwei meiner Lieblingscharas.^^ Ein Geschwisterpaar... Nun denn, see ya beim nächsten Kapi!? Eure Mado-chan ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Wälder rund um Edo Sengoku-Ära Es regnete. Schon wieder. Es war das Erste was sie hörte, spürte und schmeckte, als sie ganz langsam wieder zurückfand in das, was sie für die Wirklichkeit hielt. Zumindest im Augenblick. Es musste die Wirklichkeit sein. Denn sie war kalt und abweisend und rauh. Dinge, die sie in der gnadenvollen Umarmung einer Bewusstlosigkeit, in der sie sich scheinbar wieder befunden hatte, mit Sicherheit nicht zu erdulden brauchte. Und sie begann sich genau dorthin zurückzuwünschen, als die Tropfen hart und schwer auf ihr Gesicht schlugen und ihre Lippen benetzten, ihre Kleider durchweichten und sie bis auf das Mark frieren ließen. Zudem… spürte sie, dass sie schwebte. Oder nein, anders. Vielmehr fühlte es sich an, wie hilflos von einer Barke auf hoher See transportiert zu werden. Es schaukelte und wankte so rasch in Folge, dass ihr noch in horizontaler Lage schwindelte und übel wurde. Wo zum Teufel war sie? Sie konzentrierte sich auf sich selbst und ihr vollständiges Erwachen. Ihre Haut brannte. Und das hatte nichts mit dem Regen an sich zu tun. Es gab wunde Stellen an ihrem Körper, die sie momentan nur erahnen konnte. Sie brannten bei der Berührung mit dem kühlen Nass wie Feuer. Feuer… Da war eine schmerzhafte, schemenhafte Erinnerung. An Hitze. An Schmerz. Und an… Mit einem Ruck schlug sie die Augen auf… … und starrte hinauf in vom Regen schwer herabhängendes Laubwerk von unzähligen Bäumen, die an ihr vorüberflogen wie Schatten. Sie spürte immer noch dieses Schaukeln und Schwanken und jetzt passte auch das Bild dazu, das sich ihren weit aufgerissenen Augen bot, die immer und immer wieder von Regentropfen dazu gezwungen wurden, sich zu schließen. Rauschend prasselte das kalte Wasser wie in Sturzbächen vom Himmel, nur gedämpft durch das immerwährende Dach des Waldes über ihrem Kopf und dadurch an das Rauschen der Brandung eines entfernten Meeres erinnernd. Es schwankte nicht nur. Nein. Immer wieder wurde sie leicht auf und niedergehoben, wurde leicht hochgeworfen, fiel zurück und wurde von starken Armen immer wieder aufgefangen und weitergetragen. Nicht gerade die sanfteste Art, jemanden zu tragen, aber wahrscheinlich die schnellste. Schritte, schnelle Schritte, in deren Rhythmus sie hilflos auf- auf und ab und hin- und herschaukelte, wie ein Kleinkind in den Armen eines neckenden Vaters. Moment… Starke Arme? Wer…? In einer ziemlichen Kraftanstrengung versuchte Madoka langsam und unter ständigem Schwanken und Schaukeln den Kopf zu heben, um einen Blick auf ihren Retter zu werfen. Wenn man ihn denn so nennen wollte. Sie blinzelte. Nun ja. Sie schien doch immer noch der Bewusstlosigkeit näher zu sein als ihr klar war, denn was sie erblickte KONNTE einfach nicht wahr sein. Eine Fantasie geboren aus ihrer Angst und der Erschöpfung. Sie erinnerte sich wieder. An das Feuer, an Onigumo, an Kyo. Und an Himura… Aber das Wesen, das sie hier auf seinen Armen in rasendem Tempo durch den Wald trug kannte sie definitiv NICHT. Panik drohte in schweren, schwarzen Wogen über sie hinwegzurollen. Doch dann gewahrte sie einen Schatten, der dicht neben ihr und ihrem geheimnisvollen Träger dahinlief. Nicht halb so elegant, aber auch nicht weniger schnell – zumindest für den Moment. Sie erkannte Fuu. Das Mädchen hatte im Laufen den Kopf gedreht und warf ihr ein völlig widersinniges, unpassendes aber aufmunterndes Lächeln zu. Dann nickte sie Madokas Retter zu und verschwand wieder, fiel hinter ihnen zurück, da dieser noch an Tempo zuzulegen schien. Vorsichtig lugte Madoka erneut hinauf in das Gesicht des Fremden, der sie trug. Wenn Fuu keine Angst vor ihm hatte, dann sollte sie vielleicht wenigstens versuchen… Ihr Herz pochte zum Zerspringen, als sie erneut die Ohren des Fremden anstarrte, die aus einer Pracht von weißem, unbändig langem Haar hervorstachen wie die Ohren eines Fuchses oder Hundes. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gesehen. Doch instinktiv spürte sie, dass dieses Wesen ihr auch nichts Böses wollte. Täte es dies, so wäre sie wahrscheinlich nicht mehr am Leben und würde von ihm getragen werden. Sie war immer noch ein wenig verängstigt und ungläubig, als der Fremde plötzlich langsamer wurde und auf eine Art große Lichtung hinaustrat. Der Regen schüttete nun ungehindert auf sie hernieder und Madoka verschlug es deshalb zunächst den Atem. Sie hustete. Zum ersten Mal blickte der Fremde auf sie hinab und seine seltsam animalisch anmutenden Augen, die in dunklem Bernsteingelb glommen, sahen sie an. Madoka erschauerte. „Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?“ Eine angenehme Stimme, ruhig und bestimmt. Madoka horchte automatisch in sich hinein und schüttelte zaghaft den Kopf. „Ich glaube nicht. Nein.“ Der Fremde glitt in die Hocke und setzte sie ins feuchte Gras. Er seufzte tief, als er sich wieder aufrichtete. Ungeniert und vollkommen sprachlos sah Madoka an ihrem Retter hinauf. Sie hatte Geschichten über Wesen wie ihn gelesen. Aber das waren eben bloß auch Geschichten gewesen. Hatte sie jedenfalls geglaubt. Bis heute. Vor ihr stand ein wirklicher, leibhaftiger Hanyou, ein Halbdämon. Dass er durchaus Menschliches an sich hatte ließ sich nicht leugnen, aber ebensowenig ließ sich die animalische Wildheit leugnen, die sie tief in seinem Blick gesehen hatte. Seine Ohren… Immer wieder saugte sich ihr Blick an diesen merkwürdigen Ohren fest – und einmal mehr drängte sich ihr der Vergleich mit einem Hund auf als sie beobachtete, wie der Fremde sich plötzlich ob der kalten Nässe unwillig schüttelte, wie es eben nur Hunde taten. Unwillkürlich stahl sich ein leichtes Lächeln auf ihr Gesicht. Sie konnte nicht anders. Wie hatte sie je Angst vor diesem Wesen haben können? Und doch war da etwas… das sie vorsichtig sein ließ. Besser er sah ihr Lächeln nicht. Und schnell wurde sie wieder ernst. Sie setzte sich auf, doch bevor sie ein Frage stellen konnte in Bezug auf diesen Ort, drangen Schritte aus dem Unterholz des nahen Waldrandes, aus dem sie selbst gerade gekommen waren, hervor. Und dann kamen sie. Jin, der junge schwarzhaarige Schwertkämpfer, der auf seinen Armen einen leblosen Himura trug, an seiner Seite Fuu und Mugen, alle schwer atmend und vollkommen durchnässt. Madoka hatte das Gefühl, dass etwas Wichtiges fehlte. Jemand… Aber bevor sie auch nur die Stimme erheben konnte war Fuu neben ihr am Boden und stützte sie. „Mein Gott, ich bin so froh, dass du wieder wach bist! Das Feuer… deine Wunden…“, sie hatte ihre schmalen Hände erhoben, verharrte jedoch zitternd über Madokas Haut an Armen und Beinen. Erst jetzt blickte Madoka an sich hinab – und erschrak. Es war ihr wegen des kalten Regens nicht ganz so bewusst gewesen, aber ihre Haut war übersät mit Brandwunden. Wo die Haut nicht gerötet und aufgeworfen war, starrte sie nur so vor blauen Flecken und Schrammen. Die Haut brannte ganz leicht. „Oh..“, war alles was sie beinahe tonlos sagen konnte. Doch dann irrte ihr Blick zurück zu den anderen. Jin stöhnte leise. Er hatte sich vollkommen erschöpft ins Gras sinken lassen und Himura abgelegt. Der junge, rothaarige Samurai war noch immer nicht bei Bewusstsein. Madoka richtete sich mühsam auf und kroch zu ihm hinüber. Fuu wollte etwas sagen, doch Mugen legte ihr eine Hand auf die Schulter. Als das Mädchen den Blick hob sah sie einen Gefährten, so erschöpft und niedergeschlagen, wie sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Sein Haar hing ganz entgegen seiner Natur glatt und lang über seine Augen. Fuu begnügte sich damit, wieder zu Madoka hinüberzusehen. Sie konnte sich selbst kaum nocht rühren, so müde war sie. Madoka hatte den jungen Samurai indessen erreicht. Sie blickte lange und konzentriert in sein schmales, geschundenes Gesicht hinunter. Gott sei Dank hatter der Regen das Blut fortgewaschen. Doch das Gesicht in das sie blickte war beängstigend blaß, die Lippen zwei schmale, blutleere Striche, wie eine Narbe in seinem Gesicht. „Himura?“, sie berührte vorsichtig seine Wange, verspürte plötzlich so etwas wie einen schmerzhaften Stich tief in ihrer Brust bei dem Gedanken, er könnte nie wieder diese tiefblauen Augen aufschlagen oder ein Wort mit ihr reden. Ihre Hand glitt hinab, ergriff ihn an der Schulter und begann ihn zu rütteln. „Himura! Bitte wach auf!“ Eine Hand legte sich mit einem Mal warm über ihre. Eine Hand mit Nägeln, die wie Klauen wirkten. Madoka erschrak nicht einmal. Sie rüttelte weiter an Himuras Schulter, nahm gar nicht wahr, dass ihre Stimme begonnen hatte sich zu überschlagen. „Himura!“ Die krallenbewährte Hand umfasste die ihre ohne ersichtliche Mühe und hob sie von der Schulter des jungen Mannes. Als sie ihre Wut nun auf den entladen wollte, der sie zurückhielt Himura aufzuwecken, erstarrte Madoka und blickte unversehens in das Gesicht des Hanyou. Verständnis und Geduld sprachen aus dem Blick der unheimlichen Bernsteinaugen, aber auch eine Stärke und Unbeirrbareit, die sie in ihre Schranken verwies. „Er wird nicht wieder lebendig wenn du ihn anschreist, Mädchen.“, sagte der Halbdämon ruhig. „Es geht ihm den Umständen entsprechend gut. Er ist nur bewusstlos. Kikyo wird sich um ihn kümmern.“ Kikyo. Irgendetwas klang bei diesem Wort in ihrere Seele nach. Sie konnte es nicht festhalten und benennen, aber sie hatte das untrügliche Gefühl, diesen Namen schon einmal in irgendeinem Zusammenhang gehört zu haben. „Wartet hier.“, der Halbdämon hatte sich erhoben, schüttelte erneut unwillig seine lange, weiße Mähne. Die große Pluderhose und die Yukata, die er trug, waren beide so rot wie Blut und klebten schwer an seinem muskulösen, wenn auch noch jugendlich anmutenden Leib, der sich darunter abzeichnete. „Ich werde einen Karren besorgen und Kikyo Bescheid geben.“ Dann war er verschwunden. Sie hatte die Bewegung nicht einmal GESEHEN mit der er gegangen war. Entgeistert starrte sie auf den Ort, wo er gerade noch gestanden hatte. Mugen stand so reglos, dass die Regentropfen beständig von seiner Nase fielen. Es kümmerte ihn nicht. Erstaunlicherweise hatte er einmal keine spitze Bemerkung parat. Sein Blick war verschleiert, gerichtet auf Dinge, die in der Vergangenheit geschehen waren, zu grausam, um sie auszusprechen. Alle anderen hatten sich ins Gras niedergelassen und obwohl es kalt und nass war, schien sich niemand daran zu stören oder beklagte sich. Madoka schaute wieder auf Himura hinab. Sie wünschte sich, das alles wäre nie passiert. Ohne die Frage an jemand bestimmten zu adressieren fragte sie leise: „Wo sind wir? Und was geschieht jetzt mit uns?“ Lange Zeit war das Rauschen des Regens auf dem tiefgrünen Bätterdach des Waldes hinter ihnen nach wie vor die einzige Antwort die sie hörten. Doch dann hob Jin den Kopf und sah sie an. Auch sein Blick wirkte seltsam trüb. „Wir haben dich und Himura aus dem Wasser des Kanals geborgen und sind so schnell es ging geflohen.“ Seine Stimme klang rauh, er flüsterte beinahe. „Der Hanyou fand uns, als wir uns zum Wald zurückgezogen hatten. Wir wissen nicht, ob es Überlebende von Onigumos Leuten gab – und wollten es auch nicht herausfinden.“ „Der Hanyou brachte uns hierher. Wir hatten Angst…“, fuhr Fuu fort, handelte sich einen leicht ungehaltenen Blick Mugens ein und verbesserte sich: „… ICH hatte Angst und die anderen wollten ihn unverzüglich angreifen, aber er versicherte uns, er wolle nur helfen. Eine Miko würde ihn schicken.“ Eine Miko? Kikyo… Wieder war es, als würde etwas in ihr nachhallen, wenn sie den Namen in Gedanken formulierte. „Wo genau wir hier sind, weiß ich nicht.“, sagte Mugen nun und ein für ihn untypischer, bitterer Ton schwang in seinen Worten mit. „Aber um ehrlich zu sein habe ich seit wir in diese verdammte Zeit geraten sind ohnehin keine Ahnung mehr, wo genau wir sind oder wie wir hier wieder verschwinden könnten.“ Er kratzte sich an seinem Drei-Tage-Bart. „Immerhin haben wir uns wiedergefunden.“, meinte Jin müde. „Das ist mehr als wir zu hoffen gewagt haben.“ Madoka sagte nichts. Ihr war klar, dass sie aufgrund ihrer Bewusslosigkeit nach dem Feuer nichts von dem, was ihre Gefährten sagten, mitbekommen hatte. Dies alles war so unwirklich und merkwürdig, dass ein Teil von ihr immer noch beharrlich an dem Glauben festhielt, dass sie fantasierte. Dies war beinahe tröstlich. So müsste sie nicht glauben, dass Himura wirklich ernst verletzt war. Oder dass es Halbdämonen wirklich gab, geschweigedenn RICHTIGE Dämonen… Ihr gesamtes Weltbild war in den letzten Tagen und Wochen so leise, aber nachhaltig erschüttert worden, dass die Erkenntnis sie nur ganz, ganz langsam einholte und zu überrollen drohte. Als ihr Leben und ihr Leib in der Gefangenschaft Onigumos in konkreter Gefahr gewesen waren, hatte sie keine Zeit mehr gehabt darüber auch nur nachzudenken. Aber sie war nicht verrückt. Sie war wach. Und sie erlebte all dies wirklich. Nur wenn dies so war, wie hatte sie je an den Erleuchteten glauben können? Wie hatte sie je glauben können Dämonen würde es nicht geben? Und warum war dieser eine hier, mit seinen seltsamen Hundeohren, nicht wie alle anderen Dämonen aus den Sagen? Warum half er ihnen? War auch er eines von Buddhas Geschöpfen auf Erden? Gewollt und erschaffen , wie sie alle? Wenn dies so war, so hatte sie sich endgültig von der Welt aus Schwarz und Weiß zu trennen, nach der sie bislang gelebt hatte. Denn hier ließ sich nichts mehr in Schwarz oder Weiß einteilen, in Gut oder Böse. Hier gab es nur Grauzonen. Und keinen Glauben mehr. Nicht nach dem, was sie in der letzten Zeit erlebt hatte. Sie hob den Kopf gen Himmel. Die Wolken hingen fahlgrau und schwer dort oben, schienen die Baumwipfel des Waldes fast zu berühren und verschlangen in nebligen Schwaden alles was weiter weg als ein paar hundert Schritte war. Die Tropfen prasselten auf ihr Gesicht, wuschen Tränen fort, von denen sie nicht einmal gemerkt hatte, dass sie sie weinte. Alles, ALLES war anders geworden. Und nichts davon erschien ihr gut in diesem einen, dunkelgrauen, regennassen Moment, in dem sie alle zerschlagen und verfolgt am Boden kauerten, frierend und allein, gefangen in einer Welt oder Zeit, in die sie nicht gehörten. Und sie beschloss keine Miko mehr zu sein. Sie würde keine Priesterin werden. In einer Welt in der es vor Sklavenhändlern, Räuberbanden und Dämonen zu wimmeln schien wollte die junge Frau nur noch eines: Ihrer eigenen Angst endlich Herr werden und kämpfen. Sie wollte, dass Himura wieder gesund würde und er ihr das Kämpfen beibrachte. Oder sie wollte mit Jin und Mugen zusammen üben, wie man sich zumindest selbst verteidigte. Sie wollte stärker werden, sich nicht mehr nur hinter Shinto-Regeln verstecken, die ihr in einer harschen Welt wie dieser ohnehin nicht viel weiterhelfen konnten, und nur noch sich selbst vertrauen, nur noch an sich selbst glauben. Und sie wollte ihren eigenen Weg finden. Ob dieser nun zurückführen würde, hinaus aus dieser und wieder in ihre eigene Zeit, wusste sie nicht. Aber sie war froh und dankbar, dass sie diesen Weg nicht allein beschreiten musste. Sie ließ den Blick nun über ihre Gefährten gleiten. Und erstarrte. Kyo. Wie hatte sie es nur vergessen können? „Wo ist Kyo?“, entfuhr es ihr und aller Augen richteten sich auf sie. Was sie in den Gesichtern ihrer Gefährten las konnte unterschiedlicher kaum sein. Mugen sah einfach nur unwillig aus. Jins Augen hatten sich verengt, sein Blick beinahe lauernd. Und Fuu kochte vor Wut. „Dieser Idiot?“ Fuu schäumte. „Was fragst du überhaupt? Bei dem, was er dir antun wollte? Hat sich aus dem Staub gemacht. Natürlich. Wie konnten wir auch etwas anderes erwarten.“ Das war merkwürdig. Madoka selbst hatte ihn nicht aus dem brennenden Gebäude fliehen sehen. „Was macht dich so sicher, dass er noch lebt.“, fragte Madoka mit kalten Lippen. „Weil ich ihn gesehen habe, als er floh.“, behauptete Jin nun mit kühler Stimme. „Ich weiß nicht, ob auch Onigumo entkam, aber wenn nicht, haben wir ein Problem weniger.“ „Wobei Kyo als Problem ausreichen dürfte, denke ich.“, schloss Mugen. „Mann, was gäbe ich jetzt für ein Fass frischen Sake…“ „Und ihr habt keine Ahnung wo er jetzt ist?“, fragte Madoka unbeirrt. „Nein. Und es ist mir auch egal.“, erwiderte Fuu böse. „Und dir sollte es auch egal sein.“ Madoka sah ihre Freundin nachdenklich an. „Er hat uns immerhin geholfen zu fliehen.“, meinte sie und fragte sich im selben Moment, warum sie diesen Mann verteidigte. Sie erinnerte sich an die Worte, die Kyo mit Onigumo in dem brennenden Haus gewechselt hatte. War es nicht so, dass er gemeinsame Sache mit dem Verbrecherfürsten gemacht hatte? Dass sie unter einer Decke steckten? Auch wenn er gegen Onigumo gekämpft hatte, hatte Madoka dennoch den Eindruck, dass ihn etwas gänzlich anderes als wahre Nächstenliebe dazu bewogen hatte in den Kampf einzugreifen. Sie musste plötzlich an Kyoshiro denken, der im Körper Dämonenauges eingeschlossen war. Fuu sagte auch nichts mehr weiter. Sie gab nur eine leises, resigniertes Seufzen von sich. Der Hanyou kam ebenso plötzlich zurück wie er verschwunden war. Er hatte einen hölzernen Karren bei sich, an dessen Deichsel er das Gefährt zog. Als er bei ihnen anlangte kletterte eine junge Frau von der Ladefläche. Die trug einen breiten, kegelförmigen, flachen Hut aus Reisstroh, der den Regen von ihrem elfenbeinfarbenen Gesicht und ihrem vollen, dunklen Haar fernhielt. Zudem war sie gekleidet wie eine Miko in dieser Zeit: Rote Hakama und weiße Yukata. Sie trug einen Weidenkorb bei sich, der durchdringend nach Kräutern roch. Mit wenigen schnellen Schritten war sie bei dem bewusstlosen Himura. Nach einer kurzen, eingehenden Untersuchung bat sie den Hanyou, den Leblosen auf den Wagen zu laden. „Nicht hier, Inuyasha. Bring ihn in meine Hütte.“ Dann drehte die junge Frau sich zu den anderen herum. Sie lächelte freundlich und entschuldigend. „Es tut mir Leid, aber ich musste mich zuerst um den Verletzten kümmern. Aber wie ich sehe habt auch ihr alle mehr oder minder große Blessuren davongetragen, um die ich mich kümmern werde. Mein Name ist Kikyo.“ Sie machte eine einladende Geste in die Richtung, in welche der Halbdämon bereits wieder gegangen war. „Bitte kommt mit in unser Dorf. Ihr seid meine Gäste. Ich werde mich um eure Wunden kümmern.“ Fuu lächelte strahlend bei dem Gedanken an ein wärmendes Feuer und Essen. „Vielen Dank, Kikyo.“ Sie verbeugte sich linkisch. „Mein Name ist Fuu. Und das sind meine Reisegefährten Mugen und Jin.“, sie deutete nacheinander auf ihre Freunde. „Ich heiße Madoka.“, sagte Madoka nun auch leise, beinahe zögernd. Kikyo… hatte etwas Geheimnisvolles an sich. Etwas, das sie gleichzeitig wie magisch anzog, wie auch abstieß, sie warnte. Es war ein ganz merkwürdiges, kaum in Worte zu fassendes Gefühl. Es gemahnte sie zur Vorsicht. Diese zart aussehende, schöne Priesterin war stärker, als sie zu sein vorgab. Vielleicht konnte auch nur sie es spüren, weil sie demselben spirituellen Glaubenskreis angehörte – nun ja, angehört hatte. Aber etwas an Kikyo wirke… beinahe gefährlich. Und dann… fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Eine sehr starke Miko. Etwa DIE Miko? Jene Miko die Kyoshiro in seinen Erzählungen erwähnte? Konnte das sein? Und das würde bedeuten…, dass der Shikon No Tama nicht fern sein konnte. Sie begann zu zittern. Unmerklich und ohne es beeinflussen zu können. Unversehens hatte es das Schicksal vielleicht doch einmal für sie vorgesehen, einen ganzen Schritt weiterzukommen. Sie sollte sich nicht zu früh freuen. Mikos gab es viele. Und jeder einzelnen mochte man eine gewisse spirituelle Kraft nachsagen. Aber wenn sie diese eine war. Jene eine, die den Juwel hüten sollte… Vielleicht gab es den Erleuchteten ja doch. Seine Wege waren nur manchmal wahrhaft unergründlich. Sie folgten Kikyo in ihr Dorf. Doch Madoka blickte sich immer wieder um, schien den Waldrand mit Blicken abzusuchen nach etwas, das nicht da war. Nach jemandem. Sie konnte nicht wissen, dass ihr Blick durchaus erwidert wurde. ~~~oOo~~~ Wie ein Schatten, vollkommen bewegungslos, stand der Dämon unter den Bäumen des Waldrandes. Er hatte es nicht nötig sich zu verbergen. Wer ihn sehen sollte, der sah ihn. Und wenn er nicht wünschte gesehen zu werden, dann sah man ihn auch nicht, ganz gleich ob er sich nun verbarg oder nicht. Er war der mächtigste zu dieser Zeit lebende Dämon. Und wie es beihnahe schien auch der Einzige in einem Umkreis von mehreren hundert Meilen. Es war in den letzten Tagen so gewesen, dass alle Dämonen vor ihm oder IRGENDETWAS das Weite gesucht hatten und verschwunden waren. Oder etwas hatte sie vernichtet, so allumfassend, so nachhaltig, dass selbst ein Daiyoukai wie er aufhorchte. Welches Schicksal mochte sie ereilt haben? Und noch etwas anderes interessierte ihn… Er war hierhergekommen. Weil er einer interessanten Spur gefolgt war. Diese Spur war in der Nähe der Menschenstadt abgerissen. Und der Dämon legte keinerlei Wert darauf mit wertlosen Menschen in Kontakt zu treten. Daher wartete er und witterte, suchte und spürte der Spur nach, die irgendwo wieder in den Wald eingetaucht sein musste, als das Feuer den Stadtrand verheerte. Für gewöhnlich folgte der Daiyoukai keiner Spur, sondern wartete einfach, bis diese seinen Weg kreuzte. Früher oder später war dies meistens so, wenn es sich um eine andere starke Aura handelte wie in diesem Fall. Wahrscheinlich war es auch jetzt nicht anders. Bevor er sich zum Gehen wandte, blickte er noch einmal in die Richtung, in welcher die Miko und die anderen Menschen verschwunden waren. Auch hier war er einer merkwürdigen, jedoch nicht unbekannten Aura begegnet, die ihn aber nur mäßig bis gar nicht interessierte. Einer Aura, die er in dieser Welt schon lange nicht mehr gespürt hatte. Shikon No Tama. Inuyasha musste dies aufgefallen sein. Natürlich. Würde er sonst Fremden helfen? Nun ja, man konnte nicht wissen, was in dem Herzen eines lächerlichen Hanyou vorging. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, interessierte es ihn auch nicht. Allein der Gedanke daran, dass sie beide miteinander verwandt waren, ließ eine eiskalte Wut in ihm entstehen. Aber Sesshoumaru wusste sehr genau, dass er auf solcherlei Gedanken am Besten keine Energien verschwendete. Das gehörte leider zu den Dingen, die sich zumindest in absehbarer Zeit nicht mehr ändern ließen. Aber irgendwann… würde er sich seines unwürdigen „Bruders“ schon noch entledigen. Er hatte Zeit. Alle Zeit der Welt. Und langsam wandte sich der hochgewachsene Daiyoukai um, verschwand mit langen, geschmeidigen Schritten im Wald. Man hörte nicht ein Geräusch. Nur das Rauschen des Regens war unverändert. ~~~oOo~~~ Die Nacht war klar, der Regen, der mehrere Tage unablässig vom Himmel gekommen war, schon längst fortgezogen. An seiner Stelle war es kalt geworden, empfindlich kalt. So kalt, dass man seinen eingenen Atem als kondensierenden Dampf im fahlen Mondlicht aufsteigen sehen konnte. Kyo hatte keine Ahnung wie lange er der Spur Onigumos gefolgt war. Aber irgendwann war sie einfach abgerissen. Es war merkwürdig, denn niemand konnte sich so einfach in Luft auflösen. Aber er konnte auch nicht genau sagen, was Onigumo nun war: Mensch oder doch Dämon. Er war einmal ein Mensch gewesen. Ein leichtgläubiges, geschundenes, machtgieriges Wesen, das sich nur allzu leicht manipulieren ließ. Nun, es wäre auch zu einfach gewesen, ihn loszuwerden indem man ihn einfach tötete. Anscheindend reichte dies nicht aus. Nicht mehr. Onigumo war auf dem Weg, etwas Anderes zu werden. Etwas Dunkles. Etwas sehr Starkes – auch wenn Kyo in seiner Überheblichkeit auf keinen Fall und nicht eine Sekunde lang daran glauben mochte, dass er ihm jemals das Wasser reichen würde. Es war nicht beunruhigend, sondern einfach nur LÄSTIG. Kyo wollte die Sache mit Onigumo so schnell wie möglich aus der Welt schaffen, um endlich das zu tun, wofür er hierher gekommen war: Mit Hilfe des Shikon No Tama so mächtig zu werden, dass alle anderen Dämonen und Menschen seinem Willen Folge zu leisten hatten, einfach der Stärkste zu werden. Er konnte es spüren. Er war nicht mehr fern. Jener Moment… Jener Tag… Jener Tag, in dem er Kyoshiro endlich töten und frei sein würde. Kyo trat auf eine kleine Lichtung inmitten des Waldes hinaus – und erstarrte. Das leise Tropfen des Wassers, das sich nach dem Regen in den Blättern über ihm gesammelt hatte, war das einzige Geräusch, das er hören konnte – und doch war da etwas Anderes, etwas, das er nur unterschwellig spüren konnte, dafür aber mit einer Intensität, die ihn erstaunt innehalten ließ. Es war eine Macht, eine Aura, so gänzlich anders als die Onigumos, so ganz und gar FREMDARTIG und stark, dass er innerlich erschauerte. Nicht vor Angst, sondern vor freudiger Erwartung. Es schien hier einen Dämon zu geben, der seiner ebenbürtig war. Und er war nicht mehr fern. Und dann sah er ihn. Einen erhabenen Schatten vor sich, auf der anderen Seite der kleinen Lichtung. Er stand vollkommen reglos da, genau wie Kyo es tat. Nur der leichte, nun aufkommende Wind spielte mit langem, silberweißem Haar, das im Mondlicht kurz aufzuleuchten schien. Sekundenlang hatte Kyo den Eindruck eines wunderschönen und eiskalten Antlitzes, von Augen, deren Blick sich direkt in seine Seele bohren wollte um sie zu Eis erstarren zu lassen. Ganz unwillkürlich war auch der Dämon Kyo wie erstarrt vor Erfurcht. Immer noch ohne Angst hielt er dem Blick des anderen jedoch stand, richtete sich dann sogar langsam zu seiner vollen, dunklen Größe auf. Seine Augen glommen glutrot in der schwarzen Nacht. Der Wind frischte auf und die Sterne schienen sich einen Augenblick zu verhüllen, als beide Auren mit einer Macht aufeinanderprallten, die ihresgleichen suchte. So etwas hatte Kyo noch nie zuvor erlebt. Es war kein Kampf, eher ein neugieriges Kräftemessen – aber in einem Ausmaß, das für andere, niedere Dämonen schon längst den Tod bedeutet hätte. Erstaunt und mit böser Freude gewahrte er, dass der andere, ein wirklicher Daiyoukai, ganz ähnlich veranlagt war wie er selbst. Die Stärke anderer Youkai machte ihn neugierig. Er maß sich gern mit denen, die ihm seiner Meinung nach die Mühe wert waren, und tötete sie nach Belieben. Es war nicht wichtig. Nichts Lebendes war wichtig. Nur Stärke und Macht zählten. Doch im Gegensatz zu Kyo kümmerte den Daiyoukai nicht einmal die hohe Stellung, die mit irdischer Macht einhergehen mochte und auch kein Besitz. Nicht einmal der… Kyo riss die Augen auf. Er trat zurück, unterbrach die geistige Verbindung, das unsichbare Ringen. „Du… du weißt wo es ist.“, sagte er leise und lauernd. Er wusste ganz genau, dass dem anderen klar war worauf er hinauswollte. Sesshoumaru blickte Kyo kalt und abweisend an. Er hatte geglaubt, dass dieser Dämon, diese Aura die Mühe wert sein würde, dass es interessant sein könnte, ihn zu besiegen. Stattdessen war er auf einen habgierigen, noch nicht ganz erwachten Geist gestoßen, der in einem zweigeteilten Körper wohnte. Wie hatte ihn sein Instinkt nur so in die Irre führen können? Dieses Wesen war Abschaum, der Dreck, der unter seinen Füßen klebte. Mehr nicht. Der Daiyoukai schüttelte er den Kopf, als wolle er diesen Gedanken endgültig abschütteln. Langsam drehte er sich um. „Warte, Dämon! Sag mir, wo der Juwel der Vier Seelen ist! Du weißt es!“ Sesshoumaru schloss ergeben die Augen. Nun vielleicht sollte er ihn gleich hier töten? Auf der Stelle? Wer wusste schon, wie viel Ärger er noch anrichten mochte, wenn er ersteinmal den Juwel sein Eigen nannte. Aber im Grunde… interessierte ihn auch das nicht wirklich. Er tat einen Schritt – und wurde von einer starken Hand am Arm ergriffen. „Behandle mich nicht wie den letzten Hund, Daiyoukai. Ich bin von deiner Art.“ Nicht einmal einen Sekundenbruchteil später fand sich Kyo am Boden wieder, der mächtige Daiyoukai über ihm, die rechte Hand wie zum Schlag erhoben. Die Klauen dieser Hand troffen von einem schleimigen Sekret, dass unheimlich und dunkelgrün von innen heraus zu leuchten schien. Wo es zur Erde tropfe, dicht neben Kyos Arm, verdorrte das Gras, versengte die Erde. „Wage es nicht mich mit Abschaum wie dir zu verleichen du kleine, dreckige Made! Wie kannst du es nur wagen! Nichts an dir ist vollständig, nichts an dir ist auch nur halb so stark wie ich es war, als ich gerade geboren wurde! Ich sollte dich hier und jetzt und auf der Stelle töten. Nenn mir nur einen Grund warum ich es nicht tun sollte! Und er muss gut sein.“ Aus Sesshoumarus nun grellroten Augen schossen Blitze. Sein sonst so edles Gesicht war wutverzerrt. Ein tiefes, machtvolles Grollen schien sich seiner Brust zu entringen. Doch auch jetzt hatte Kyo keinerlei Angst. Im Gegenteil. So widersinnig es auch schien: Er lachte leise. Er lachte. Sein leises, böses, hässliches Lachen, das er so gerne hören ließ. „Ja, töte mich, Daiyoukai. Töte mich und ich werde mächtiger werden, als du es dir auch nur vorstellen kannst. Denn wenn du mich tötest, werde ich eins mit dir werden.“ Sesshoumaru zögerte. War das möglich? Die Aura des anderen wirkte nicht sonderlich stark, da zweigeteilt, das stimmte. Aber sie war auch derart fremd und anders, dass er sich ein Urteil vielleicht nicht vorschnell erlauben durfte. Merkwürdig. Konnte es sein… konnte es wirklich sein, dass er sich andere Dämonen, die ihn vermeintlich besiegten, einverleiben konnte um so an Macht zu gewinnen? Oder war das nur ein Bluff, ein ganz besonderer, ersponnener Trick. Wut kochte in dem Daiyoukai hoch wie Lava in einem Vulkan. Wie konnte er es wagen mit ihm Spielchen zu spielen? Ein Dämon der es vorzog ihn nicht ernst zu nehmen, war es seiner Meinung nach auch nicht wert, dass er sich mit ihm abgab. Sollte er doch in seiner Suche nach dem Juwel aufgehen und verrotten. Er würde ihn sowieso niemals… Sesshoumaru trat zurück und entließ Kyo aus seinem Griff. Das hatte nichts mit Feigheit zu tun, das wusste auch Kyo, denn was er nun in dem brodelnden Blick des Daiyoukai lesen konnte, ließ in erschauern. Nicht vor Angst, sondern voller Erwartung. In Sesshoumarus Blick war plötzlich eine bösartige Erkenntnis aufgeglommen. Der Shikon No Tama. Er war wieder hier. Das hatte Sesshoumaru vorhin bereits gespürt, als er die Fremdlinge beobachtet hatte, welche die junge Miko bei sich aufgenommen hatte. Der Juwel war hier. Nicht fern. Und wahrscheinlich wieder in der Obhut der Miko. Was wiederum bedeutete…, dass sein unsäglicher Halbbruder der Miko nicht von der Seite weichen würde, lauerte doch auch er darauf, den Juwel sein Eigen nennen zu können. Wenn dieser Dämon, stark oder nicht, die junge Miko angreifen würde um den Juwel zu bekommen, dann würde Inuyasha sie verteidigen, sie und den Juwel. Und entweder starb bei diesem Versuch jener merkwürdige zweigeteilte Geist in dem Körper vor ihm, oder aber sein Bruder. BEIDES käme Sesshoumaru nicht ungelegen. Nein, wahrhaftig nicht. „Ich werde dir sagen, wo sich der Shikon No Tama zur Zeit befindet, Kreatur.“, sagte Sesshoumaru nun leise und sehr kalt. Kyo horchte auf. So einfach? Warum dann diese heftige Reaktion zuletzt? Er lächelte in boshafter Vorfreude, blieb aber auf der Hut, den Blick unablässig auf die Giftklaue des Daiyoukai gerichtet. „Warum auf einmal?“ Sesshoumaru wusste sehr wohl was der andere meinte, hielt sich aber nicht mit langen, völlig unnützen Erklärungen auf. Sollte er doch in eine Falle laufen. Falls er tatsächlich in den Besitz des Juwels gelangen und Inuyasha töten konnte, würde er endlich den ebenbürtigen Gegener finden, den er brauchte, um das Ansehen seines Vaters Inu No Taishou noch zu überflügeln und endlich aus dem Schatten seiner Familie herauszutreten. „Finde die Miko Kikyo und du wirst auch den Juwel finden. Es ist ein Dorf mit einem Shinto-Schrein. Etwa eine Tagesreise von hier gen Norden im Wald.“ Kyo wollte noch etwas fragen, doch Sesshoumaru hatte genug von unfertigen Möchtegern-Youkai, die es nicht einmal selbst spüren konnten, wenn eine machtvolle Aura wie die des Juwel der Vier Seelen so verhältnismäßig nahe war. Er wandte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand im Dickicht. Dieser Dämon, so schwach er derzeit auch wirkte, hatte ihm nicht sein wahres Wesen gezeigt. Geschickt hatt er etwas vor Sesshoumaru verborgen, etwas, vor dem der mächtige Daiyoukai zwar keine Angst hatte, das ihn jedoch gewarnt sein ließ. Er hatte nicht den Eindruck, dass er sich in seinem Erscheinungsbild und in seiner Aura so getäuscht haben konnte. Er spürte einfach, dass das nicht alles war, was der dunkle Geist zu bieten hatte. Vielleicht sollte er ihn im Augen behalten. So oder so. Es würde interessant werden. Das immerhin. Sekunden später tobte ein plapperndes, plärrendes grünes Äffchen über die Lichtung, dem Daiyoukai auf den Fersen. „Aber Sesshoumaru-sama! Ihr habt mich schon wieder vergessen, Sesshoumaru-sama! Bitte sagt mir doch Bescheid wenn ihr geht! Habe ich euch denn je Anlass zu Unmut gegeben, Herr? Warum seid ihr nur immer so gemein zu mir! Sesshoumaru-samaaaa!“ Kyo blinzelte. Doch der Gnom war schon im Unterholz verschwunden, bevor er auch nur einen Schritt tun konnte. Merkwürdig. Aber unwichtig. „Sesshoumaru…“, flüsterte Kyo langsam. Also ein Daiyoukai, einer der mächtigsten Dämonen überhaupt. Das konnte noch interessant werden. Kyo glaubte jedoch, dass der Daiyoukai die Macht des Juwels komplett falsch einschätzte. Würde er diesen ersteinmal besitzen, so war sein nächstes Ziel nun schon sicher. „Sesshoumaru. Du wirst mir gehorchen oder sterben, für das, was du gesagt hast. Ich werde der Erste sein, der dich in deine Schranken weist. Und es wird mir eine Freude sein. Unterschätze nie die Macht, des verdorbenen Juwels. Niemals…“ Er lächelte kalt. Und auch wenn er wusste, dass Sesshoumaru seine Gründe haben mochte, warum er ihm den Juwel in die Hand spielte und so bereitwillig Auskunft gab, so glaubte Kyo keinesfalls, dass sie sich heute zum letzten Mal gesehen hatten. Und beinahe lautlos, wie ein vom Wind auseinandergetriebener Schatten, verschwand Kyo von der kleinen Lichtung. Nur das kalte Auge des Mondes blickte nach wie vor unbeteiligt auf das kleine Fleckchen Gras inmitten der wogenden Schwärze der mächtigen, uralten Bäume hinab. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)