Shikon No Tama von MorgainePendragon ================================================================================ Kapitel 7: Naraku ----------------- Hallo, meine Lieben!^^ Freut mich sehr, dass ihr wieder vorbeischaut und trotz der laaaangen Zeit, in der ich an einem neuen Kapitel gebastelt habe, noch immer treu durchhaltet^^. *verbeug* Das ist sehr lieb von euch.^^ *freu* Hatte mit diesem Kapi eigentlich schon lange vor meiner Sehnenscheidenentzündung angefangen, bin aber jetzt erst dazu gekommen, es nochmal querzulesen und einige Stellen "auszubessern". Ich hoffe, dass ihr wieder viel Vergnügen beim Lesen haben werdet, auch wenn dies ein sehr düsterer Abschnitt der Story ist. Und ACHTUNG! Dies ist meine EIGENE Version der "Geburt von Naraku"! (Klar. FanFICTION, wie gesagt^^.) Da dies eine Crossover-Story ist und die Geschichte von InuYasha (zumindest die VORgeschichte davon) nur die Grundlage für meine eigene Story ist, deckt sich das sicher kaum mit der Vorstellung, die ihr euch von Narakus/Onigumos Vergangenheit gemacht habt. Aber ich hoffe doch sehr, dass euch das net so arg stört. Es steht ja jedem frei das hier zu lesen^^. Ich freu mich über eure Kommentare und Meinungen, immer, aber ich bitte euch diese Dinge vorab zu berücksichtigen. Auch Kikyo könnte anders dargestellt sein, als ihr euch das von ihrer Vergangenheit gedacht habt. Aber genug der Worte. War net so einfach, dass alles mit "Demoneyes Kyo" zu verbinden. Viel Spaß trotz (oder gerade wegen?^^) allem, eure Mado^^x Und hier geht's auch schon weiter: Wälder um Edo Sengoku-Ära Als er zu Bewusstsein kam war das erste was er spürte Schmerz. Einen unglaublichen Schmerz, der seinen gesamten Körper einhüllte, in ihm wütete und ihn beinahe zerriss. Es tat so weh, dass er die Gewissheit hatte, nicht aus einem Schlaf, sondern aus einer Art Bewusstlosigkeit erwacht zu sein. Nein. Solche Schmerzen ließen es einem Menschen unmöglich werden zu schlafen. Zugleich war ihm so heiß, dass er innerlich glaubte zu verglühen. Etwas bedeckte sein ganzes Gesicht, seinen Mund, einfach ALLES an seinem Körper. Es spannte und scheuerte, schnürte ihn ein. Und er spürte, wie ob der Pein sein Geist erneut der wohltuenden Schwärze einer Ohnmacht entgegen trieb. Alles was ihn daran hinderte war eine Stimme. Und obwohl er dem Tode in dieser Stunde näher war als dem Leben erkannte er diese Stimme wieder. Er hätte sie unter tausenden wieder erkannt. Auch wenn das, was ihm den Kopf und Körper bedeckte auch über seinen Ohren lag, so konnte er ihre gedämpfte Stimme zart und beruhigend auf ihn einreden hören. Er wollte die Augen öffnen, um auch ihr zeitlos schönes Gesicht zu sehen, das sie zweifellos noch immer besaß. Aber er konnte es nicht. Er wollte den Kopf heben, mit aller Macht wollte er seine geschundenen Stimmbänder dazu bringen, Worte zu formen. Es ging nicht. Es war, als wäre er nicht mehr Herr über seinen eigenen Leib. „Still. Ganz ruhig. Hab keine Angst.“ Ihre Stimme. Ganz nah an seinem Ohr. „Dein Körper ist von oben bis unten bandagiert, deshalb kannst du nichts sehen und nicht sprechen. Aber ich werde dir zu trinken geben. Hier.“ Eine Hand schob sich vorsichtig unter seinen Kopf. Die Berührung allein jagte ihm eine erneute, unvorstellbare Welle des Schmerzes durch den Leib. Aber er gab keinen Laut von sich. Denn sie war hier. Bei ihm. Sie stützte seinen Kopf und setzte einen dünnen Bambushalm an seine Lippen. „Trink! Du musst viel trinken, hörst du? Du hast… dein Körper hat sehr viel Flüssigkeit verloren.“ Onigumo saugte an dem Halm und spürte schon sehr bald, dass sie Recht hatte. Er leerte den Becher, den ihre zarten Hände halten mochten, in einem Zug und verlangte nach mehr Wasser. Erst nach zwei weiteren Schalen ließ er sich mit einem erleichterten Seufzen zurück auf sein Lager sinken. Und endlich war er in der Lage leise Worte hervorzubringen. „Wo… wo bin ich? Was ist passiert?“ Seine Stimme war nur ein Hauch. Doch sie hatte ihn verstanden. Das hatte sie immer schon getan. „In einer Höhle unweit der Stadt.“, antwortete sie leise. „Du warst… am ganzen Körper verbrannt, als ich dich fand. Das du noch lebst gleicht einem Wunder.“ Und die Erinnerung darüber, was mit ihm geschehen war kehrte mit solcher Wucht zu ihm zurück, dass Onigumo sich stöhnend krümmte. Zumindest wollte er dies tun. Doch der Schmerz, der auch schon bei der kleinsten Bewegung seine Nervenbahnen versengte, ließ ihn erschrocken innehalten und einen erstickten Schrei ausstoßen. „Nicht!“, sagte sie. „Du darfst dich nicht bewegen, Fremder! Es wird heilen, aber es wird dauern. Hab Geduld.“ Fremder? Ja, natürlich. Sie konnte ihn in seinem Zustand nicht als den erkannt haben, der er war und den sie kannte. Unmöglich. Er musste vollkommen entstellt sein – für den Rest seines ganzen Lebens. Und dies war SEINE Schuld. Die Schuld dieses Dämons. „Schlafe, Fremder. Schlafe.“, er spürte die Kühle ihrer Hand leicht wie eine Feder durch den Verband an seiner Stirn. „Ich habe lindernde Kräuter in dem Wasser gelöst, dass du zu dir genommen hast. Sie werden das Fieber senken und dir die Ruhe ermöglichen, die du so dringend brauchst. Schlafe. Und danke dem Erleuchteten für seine Gnade, dass du noch am Leben bist.“ Gnade? Wie konnte solche Höllenqual GNADE bedeuten? Welche Gottheit quälte seine Gläubigen auf diese grausame Weise? Aber Onigumo hatte seinen Glauben schon lange verloren, bevor er ihr begegnete. Er hatte keinen Gott, zu dem er beten konnte. Und er wollte es auch nicht. Denn nur der Zorn hatte ihn in seinem Leben so stark gemacht, wie er es immer hatte sein wollen. Er brauchte keine Gottheit. Er brauchte nur sich selbst. Und sie… Doch sie hatte ihm das Herz aus dem Leib gerissen und es im Staub zertreten, ohne es zu bemerken. Sie. „Kikyo…“, flüsterte er beinahe unhörbar und glitt erneut hinüber in eine Art Wachtraum. Er döste. Glitt durch einen Nebel der Erinnerungen und der Pein. Bilder aus seiner Vergangenheit tauchten auf und glitten vor seinem inneren Auge vorbei, wie zersprungenes Glas oder wie Reflexionen auf der Oberfläche eines Sees, die von Wellen immer wieder auseinandergetrieben wurden. Er sah sich selbst als Kind. In der Gosse aufgewachsen, das Kind einer Prostituierten. Sein Vater, ein brutaler, gesetzloser Mann mit riesigen Händen und einer entsetzlichen Narbe, die quer über sein ganzes Gesicht verlief. Er konnte sich kaum an das Gesicht seiner Mutter erinnern, aber an das seines Vaters sehr wohl. Niemals würde er vergessen können, wie dieser Mann ihn geschlagen, erniedrigt und bis auf den Grund seiner Seele beschmutzt und gedemütigt hatte, dabei lachte er wie ein wahnsinniger Gott, der es liebte, sein Geschöpf zu misshandeln. Onigumo versuchte die Erinnerungen zu verdrängen, doch die Bilder drangen nun immer schneller auf ihn ein, wie ein Kaleidoskop in einem grausigen Horrorkabinett. Seine Mutter starb an Syphilis. Und nach ihrem Tod wurde alles noch viel schlimmer. Sein Vater missbrauchte ihn. Immer wieder. Und Onigumo begann Angst vor der Nacht, vor der Dunkelheit zu haben. Denn darin lauerte größte Qual und Erniedrigung. Er hörte sich schreien und weinen, um Hilfe flehen, die ihm niemand gewähren konnte. Und er spürte den Schmerz, der durch seinen zarten, kleinen Kinderleib tobte, als dieser grausame Mann, der sich sein Vater nannte, in ihn eindrang und zerriss. In jenem Augenblick hatte Onigumo seinen Glauben verloren. Er sollte ihn niemals wieder finden. Ungefähr zu dieser Zeit seines jungen Lebens trat der Dämon erstmals mit ihm in Verbindung. Zuerst dachte Onigumo, dass es sich nur um eine Stimme seines Inneren und seines Geistes handelte, hervorgerufen durch die Pein, die er durchlebte. Denn obwohl er ein Kind von Geächteten war und fortan von seinem Vater gezwungen wurde, als Stricherjunge sein Geld zu verdienen, hatte der Zehnjährige einen durchaus scharfen Verstand und ahnte, dass es womöglich nur die Stimme seines eigenen Hasses war, die er da vernahm. Denn möglich war so etwas allemal. Doch der Dämon versicherte ihm, dass er wirklich da war. Und wenn er dies wünschte nun für immer an seiner Seite bleiben würde. Der Dämon, uralt und grausam, hatte in dem kleinen, hasserfüllten Kind ein so böses und abgrundtief verdorbenes Potential erkannt, dass er den Jungen von nun an nicht mehr aus den Augen ließ. Unsichtbar, ein körperloser, in jenem Augenblick noch recht schwacher Geist, umgab er Onigumo unablässig, umschmeichelte ihn und verführte das Kind schließlich dazu, sich mit schwarzer Magie einzulassen. Vieles brachte sich der schlaue Junge auf Anweisung des Dämons selbst bei. Willig und voller Hass auf seine Herkunft und Vergangenheit gab Onigumo sich der dunklen Macht hin und erlernte die Worte des Bösen. Der Dämon versprach ihm Einfluss und Reichtum. Und Onigumo WOLLTE mehr Macht. Denn Macht bedeutete Stärke. Und Überlegenheit. Niemals wieder würde man ihn so erniedrigen. Der erste Mord den er beging war der an seinem Vater. Grausam und blutig rächte er sich für all das, was dieser Mann ihm angetan hatte. Zum Schluss schnitt er ihm sein Geschlecht ab und ließ ihn daran ersticken. Die Augen, die dieser Tat mit Kälte und Bosheit zusahen, waren nicht mehr die eines Kindes, obgleich Onigumos Körper mit seinen mittlerweile dreizehn Jahren noch immer zartgliedrig und kindlich war. Mit fünfzehn gründete er ein Syndikat, scharte Männer, vor allem Gesetzlose und Söldner um sich, die bereit waren, dem mittlerweile sagenumwobenen Kind mit seinen geheimnisvollen Kräften zu folgen. Sie kämpften in den folgenden Jahren schließlich offen gegen den Kaiser, wurden immer mehr und mehr. Mittlerweile hatten sie auch sehr viel Geld erbeutet und Onigumo war es möglich, selbst Leute der Regierung in seine Dienste zu stellen – oder zu zwingen. Er lernte schnell, dass mit genügend Geld einfach JEDER käuflich war. So kam es, dass eine Miliz des Kaisers unter der Führung eines gewissen Kenji Himura, aufgestellt wurde und in der Hauptstadt gegen ihn vorzugehen versuchte. Natürlich war Onigumo klar gewesen, dass er früher oder später auf größeren Widerstand stoßen würde. Und in Kenji Himura fand er einen Gegner, der weder käuflich noch sonst in irgendeiner Form bestechlich war, der jedoch unglaublich stark war und von einer Vielzahl an loyalen Männern unterstützt wurde. Es kam nie zu offenen, großen Kämpfen, allerdings vermehrt zu kleinen, brutalen Scharmützeln. Mal gewann die eine Seite, mal die andere. Doch Onigumo ließ sich nicht einschüchtern und führte sein Syndikat weiterhin unter der Nase der Regierung im Untergrund der Stadt Edo. Auf einem seiner Streifzüge durch die Wälder rund um die Hauptstadt, bei dem ein Kampf zwischen ihnen und einer Gruppe reicher Kaufleute und ihrer Garde stattgefunden hatte, begegnete Onigumo zum erstem Mal der jungen Miko Kikyo. Sie bewirtschaftete einen kleinen, bescheidenen Shinto-Schrein in der Nähe eines winzigen Dorfes in den Wäldern. Und sie war unglaublich schön. Ihre Haut war so weiß wie der Schnee, der die Spitze des Fujiyama bedeckte. Ihre Augen groß und dunkel, so tief, dass man sich in ihnen verlieren konnte. Und ihr Haar so tiefschwarz und lang, dass es beinahe bläulich schimmerte, wenn Licht darauf fiel. Onigumo zwang sie, sie bei sich aufzunehmen und seine verwundeten Männer zu pflegen und zu versorgen. Und die junge Miko tat es ohne ein Wort der Klage. Denn vor den Augen des Erleuchteten waren alle Menschen gleich und die Miko machte keinen sichtbaren Unterschied zwischen Freund und Feind, obwohl sie sehr wohl sehen und wissen musste, was für eine Art von Männern sie waren. Dies wiederum beeindruckte Onigumo sehr. Und er verliebte sich in die junge Frau, ohne es sich indes eingestehen zu wollen. Onigumo, inzwischen zu einem stattlichen und gut aussehenden jungen Mann herangereift, hoch gewachsen mit schwarzem, langem Haar, dass er straff zu einem Knoten gebunden trug und einem Körper, der seine erstaunlichen Fähigkeiten im Kampf erahnen ließ, hatte bereits viele Frauen gehabt. Doch diese eine war etwas Besonderes. Etwas… Anderes. Das, was er für sie empfand, hatte er noch für keinen anderen Menschen empfunden. Fortan kamen er und seine Männer nun öfter am Schrein vorbei. Vorzugsweise wenn es wieder einmal Verletzte oder Tote gegeben hatte. Denn die junge Priesterin verstand sich sehr auf die Heilkunst, aber auch auf die Riten der Begräbnisse unter dem Shinto-Glauben. Und Onigumo hatte immer einen Vorwand, die schöne Frau wieder zu sehen. Wenn sie ihn berührte und seine Wunden versorgte, verspürte er ein solch tiefes Verlangen sie zu besitzen, dass es ihn fast schwindelte. Und doch konnte er sie nicht anrühren. Für ihn war sie… etwas Heiliges und Reines. Er konnte sie nicht besudeln. Er konnte ihr nicht noch mehr abverlangen, als er es schon tat. Denn er bemerkte sehr wohl, dass die Leute aus dem kleinen Dorf den Schrein zu meiden begannen. Gerüchte machten die Runde. Man zerriss sich also das Maul über seine wunderschöne, kleine Priesterin, weil sie ihm und seinen Leuten Obdach gewährte, so wie sie es für jeden anderen Menschen auch tat. Kalte Wut ließ Onigumo nicht denken, sondern handeln. Er flehte den Dämon in ihm an, ihm Kraft zu verleihen und meuchelte all jene Menschen im Dorf, die der Miko Böses nachsagten. Er sorgte dafür, dass Kikyo es nicht erfuhr. Für sie wurde die Geschichte erfunden, dass eine Seuche die vielen Menschen in der Nähe dahingerafft hatte. Sie mochte sich ihren Teil dazu denken, denn sie war wahrhaftig nicht dumm oder einfältig. Aber sie schwieg auch hierzu. Schon bald musste Onigumo jedoch feststellen, dass seine Begegnung mit der jungen Miko sein Schicksal war. Denn in ihrem Haus, mal auf einem Altar im Hauptgebäude, mal an einer Kette um ihrem schlanken Hals, sah er ihn das erste Mal. Shikon No Tama. Den Juwel der Vier Seelen. Der Dämon in ihm frohlockte. Er berichtete ihm von der Macht dieses Juwels, der die Kraft eines Dämons ins Unermessliche steigern konnte. Wenn er diesen Juwel besaß, wäre er unbesiegbar! „Stiehl ihn für mich! Für UNS, Onigumo! Wir werden die Welt beherrschen! Niemand wird dir je wieder etwas antun, nie wird dir jemand etwas vorschreiben können! Stiehl ihn! Und unsere Macht wird grenzenlos sein!“ Doch zunächst brauchte der Dämon einen Wirt, einen neuen Körper, in dem er auferstehen konnte. Als Geist wäre es ihm nicht möglich Macht über den Juwel zu gewinnen. Onigumo zögerte anfangs, die schöne Priesterin zu bestehlen. Er liebte sie. Oder bildete sich dies zumindest ein. Doch immer wenn er der Miko seine Gefühle eingestehen wollte, lächelte sie ihn einfach nur an, erwiderte nichts und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie machte ihn rasend! Gut, er fand nicht immer die richtigen Worte – und der Tonfall war sicher auch nicht immer der beste gewesen, um ihr zu sagen, dass sie für ihn bestimmt sei. Aber wieso ignorierte sie ihn so vollkommen? Nachdem ein paar Jahre vergangen waren, in denen er in vielen Kämpfen viele Narben davongetragen hatte, die seine Schönheit entstellten, und in denen sie sich wieder und wieder gesehen hatten wurde ihm endlich klar, dass er für sie nur einer von Vielen war. Er bedeutete ihr nicht mehr als jeder seiner Männer – oder jeder andere Mensch, dem sie aufgrund ihres Glaubens half und Obdach gewährte. Das machte ihn NOCH rasender. Er wurde sehr wütend und verbittert. Konnte jedoch nicht umhin sie weiterhin zu begehren. Das tat erstaunlich weh. Eine ganz neue Erfahrung für den jungen Verbrecherfürsten. Der Dämon indes, sich der Gefühle seines Schützlings wohl bewusst, versprach Onigumo die junge Kikyo, wenn dieser für ihn einen neuen Körper beschaffen würde, der ihm eine Wiederauferstehung ermöglichen würde. Onigumo gab nach. Alles was er wollte, war Kikyo zu besitzen. Sie sollte ihm gehören. Ihm allein. Dafür war er bereit seine Seele zu verkaufen. Eine lange Zeit der Suche für einen geeigneten Körper begann. Doch als sie in jener Zeit nicht fündig wurden, da verhalf ihm der Dämon durch ein so genanntes magisches Tor in eine andere, wo Onigumo die Suche unablässig fortsetzte. Als Wanderprediger verkleidet traf er zu Zeiten des Shogun Tokugawa auf einen jungen Mann namens Kyoshiro Mibu. Er traf ihn eines Tages ganz zufällig in der Nähe eines Schreins, wo er vor den Toren übereifrig mit dem Bambusschwert trainierte. Blitzende blaue Augen und tiefschwarzes, zu einem hohen Zopf gebundenes, schweißnasses Haar. Der Körper noch biegsam und geschmeidig jung, wie ein Weidenzweig. Geschickt und sehr schnell bewegte sich der Junge, vollkommen in seinem Training aufgehend. Und Onigumo setzte sich an den Wegesrand, schaute ihm schweigend zu und hörte die Stimme des Dämons in ihm. „Dieser Junge ist außergewöhnlich. Seine Aura… Ich habe selten solch eine Aura verspürt. Und er wird einmal sehr stark sein. Lass ihn uns eine Zeit lang beobachten.“ Kyoshiros Blick fiel auf den Wanderprediger, der ihm interessiert zugesehen hatte. Er wirkte alt und sonnengebräunt. Aber er war nie gut im Einschätzen vom Alter eines Menschen gewesen, daher konnte er sich auch täuschen, und der Prediger war noch gar nicht so alt. Der junge Schwertkämpfer kam zu dem Wanderer herüber und lud ihn in den Schrein ein. Er könne sich bei den Higurashis ausruhen und weiterziehen, wann es ihm beliebe. Und so nahm Onigumo das Angebot an, blieb ein paar Tage im Higurashi-Schrein zu Gast. Der alte Higurashi schwärmte dem fremden Wanderer von Kyoshiro vor, er sei ein mustergültiger Schüler und ein lieber Ziehsohn. Higurashi hatte auch einen eigenen Sohn, Takeru, der allerdings im Augenblick bei seiner Mutter in Kyoto weilte. All das interessierte Onigumo jedoch nicht wirklich. Doch wenn der alte Mann redete, so erfuhr er auch mehr über Kyoshiro. Also ließ er ihn gewähren. Tag für Tag sah Onigumo Kyoshiro beim Training zu, dem er mit Hingabe jedes Mal nach der Shinto-Schule nachging. Ein wenig erinnerte ihn der Junge an sich selbst in seiner Jugend. Und verbittert dachte er, dass er vielleicht selbst so unbeschwert herangewachsen wäre, wenn sein Leben nicht schon im Kleinkindalter zerstört worden wäre. Und dann sah er Kyoshiro plötzlich mit anderen, neidvollen Augen an. Und hatte keine Skrupel mehr, als er dem Jungen behutsam den Weg zur dunklen Magie ebnete. Er gab vor, Kyoshiros Zukunft sehen zu können. In dieser würde er einer der mächtigsten und stärksten Krieger aller Zeiten werden. Der Junge war Feuer und Flamme. Nichts wollte er lieber sein, als ein bekannter und heldenhafter Samurai, der mächtige Schlachten schlug und die schönsten Frauen des Landes um sich scharte. Er war so naiv. Das war nun einmal das Vorrecht, vielleicht auch das Schicksal der Jugend. Mit schmeichelnden Worten voller Versprechungen verleitete Onigumo mit Hilfe des Dämons in ihm den Jungen dazu vom Schrein wegzulaufen und sich eines Nachts mit ihm im Wald zu treffen. Dort, bei einem Lagerfeuer inmitten der Wildnis und Dunkelheit, saßen sie voreinander, der Wanderprediger und der Junge. Onigumo sah noch immer das Strahlen in dem hübschen Gesicht des Jungen. So vertrauensselig, so wissbegierig darauf mehr über seine Zukunft hören zu können – eine Zukunft, die ihm in jener Nacht genommen wurde. Während Onigumo sich im Fieberwahn in jener Höhle in Höllenqualen wandt erlebte er den Moment noch einmal, der in einer anderen Zeit und an einem anderen Ort einen Dämon aus Kyoshiro Mibu gemacht hatte. Jenen zeitlosen Augenblick, als der Dämon mit Hilfe schwärzester Magie und uralten, über Jahrhunderte gehüteten und verborgenen Worten, den Weg in diesen jungen, unschuldigen Körper fand. Onigumo konnte bis heute nicht genau sagen WIE es vonstatten ging. Er hatte die Augen geschlossen, und SPÜRTE es einfach. Die Magie war dunkel und beinahe greifbar, wie ein tiefschwarzer, erstickender Mantel schien sie die Lichtung zu umhüllen. Und während die Verwandlung stattfand fragte sich Onigumo nicht zum ersten Mal, aus welchem Grund der Dämon nicht ihn selbst als Wirt erwählt hatte. Er hatte nie gewagt danach zu fragen. Doch später, sehr viel später, auf einem Lager aus Blättern und Fichtennadeln, tief im Wald in einer Höhle, von Fieberträumen geschüttelt, glaubte Onigumo endlich zu verstehen. Der Dämon brauchte eine reine Seele, in die er fahren konnte. Die seine war bereits verloren gewesen. Der Dämon hatte ihn nur benutzt. Wieso war ihm das damals nicht klar gewesen? Er war blind gewesen. Hatte nur den einen Wunsch, Kikyo zu besitzen, und hatte nicht über die Folgen nachgedacht, Narr der er war. Der Dämon, Kyo, war in Kyoshiros Körper erwacht, verhalf Onigumo zurück in seine eigene Zeit. Durch eine Narbe, ein Mal auf Kyos Schulter in Form einer Schlange, waren beide auch durch die Zeit miteinander verbunden und Onigumo beobachtete durch diese geistige Verbindung die Entwicklung des jungen Mannes in der Tokugawa-Zeit, geduldig wartend, denn er glaubte noch immer daran, dass ihm der Dämon bei seiner Rückkehr, wenn Kyo ein Mann geworden war, endlich Kikyo geben würde. Bis zuletzt hatte er gehofft. Bis heute. Onigumo hatte Kyo die Dämonen zurück durch die Zeit geschickt. Auch ohne den Dämon an seiner Seite hatte er mittlerweile genügend Macht über diese niederen Wesen. Mittlerweile war er des Wartens so müde und verbittert, dass es ihm gleich war, ob die Dämonen Kyo töteten, oder es tatsächlich schafften ihm den Weg zurück durch die Zeiten zu ebnen. Zudem wusste er, dass sich Kyo eine solche Chance nicht entgehen lassen würde. Schließlich wartete auf ihn noch immer der Juwel der Vier Seelen, von dem Onigumo wusste, dass Kyo ihn besitzen wollte. Also WÜRDE er zurückkehren. Und dann würde Kikyo endlich sein werden. Auch er war naiv gewesen. Seine Liebe, sein Verlangen hatte ihn blind werden lassen. Kyo WAR zurückgekehrt in die Sengoku-Ära. Aber er hatte nun keine Verwendung mehr für Onigumo, den kleinen Jungen, dem er wieder einen Lebenssinn gegeben hatte, auch wenn dieser nur aus Hass und Rache bestanden hatte, keine Verwendung mehr für den jungen Mann, der gegen das Kaiserreich aufbegehrt hatte, den fähigen Magier, der er geworden war. Er war nutzlos für ihn, jetzt, wo er einen eigenen, kraftvollen Körper besaß, mit dem er seine Macht endlich auch wieder selbst und in vollem Umfang ausüben konnte. Oder halt, nicht in VOLLEM Umfang. Onigumo hatte es gesehen. Und noch jetzt, während der Schmerz der Brandwunden ihn fast in den Wahnsinn trieb, konnte er sich ein schwaches Gefühl der Genugtuung nicht verwehren. Kyo hatte nicht uneingeschränkt Gewalt über seinen neuen Körper. Er WAR stark, kein Zweifel. Sonst hätte er ihn, Onigumo, nicht in einem unaufmerksamen Moment überrumpeln und besiegen können. Aber da war immer noch etwas von dem jungen Kyoshiro Mibu in ihm. Die beiden fochten ein stummes, unablässiges Duell um diesen Körper aus. Und solange dies so war konnte Kyo niemals seine wahre Macht entfalten, das wusste Onigumo einfach. Nun gut. Wenn das so war, dann war klar, warum Kyo den Shikon No Tama nun noch mehr brauchte als je zuvor. Er würde sich Kyoshiros entledigen wollen. Onigumo spürte kalte Wut in sich aufkommen. Kalten, berechnenden Zorn gepaart mit grimmiger Freude. Jetzt wusste er, warum er noch lebte. Jetzt wusste er, aus welchem Grund die dunkle Magie ihn am Leben erhalten hatte. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Er würde Kyo aufhalten. Er würde den Juwel VOR ihm besitzen. Und mächtiger werden, als dieser es sich auch nur erträumen mochte. Er würde den Juwel verderben, ihn besudeln und dafür sorgen, dass er selbst mächtiger wurde als jeder Dämon der je gelebt hatte. Er war Abfall für Kyo? Nun gut, sollte der Dämon ihn ruhig unterschätzen. Sollte er ihn ruhig wie Dreck behandeln. Das war Onigumo nicht neu. Und wenn sie sich das nächste Mal gegenüberstehen würden, dann würde er ihn quälen und schließlich langsam töten – genauso, wie er es mit seinem Vater getan hatte und mit jedem anderen, der ihm im Weg gestanden hatte. Kyo mochte vielleicht diesen einen Kampf gewonnen haben. Aber nicht den Krieg. Er würde ihn vernichten. Als er diesen Entschluss gefasst hatte schlief Onigumo endlich ruhiger. Er hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verging, ob er Tage, Wochen, vielleicht sogar Monate in dieser Höhle verbrachte, ständig dazu verdammt, Kikyos süße Stimme zu hören und sie weiter von sich entfernt zu wissen denn je. Und er war sich immerzu der Tatsache bewusst, dass Kyo da draußen war und nach dem Juwel trachtete. Er musste schnellstens gesund werden, mächtiger! Und in seinem Zorn und seiner Wut ging er einen Pakt mit Dämonen ein. Er rief sie an, er schrie nach ihnen. Er rief sie von überall her zu sich und vereinigte sich mit ihnen, nahm sie in sich auf, erzählte ihnen von seinem Vorhaben, mit Hilfe des Shikon No Tama der mächtigste aller Dämonen zu werden. Und sie kamen. Von überall her kamen sie zu der keinen Höhle im Wald, ließen sich von seinen schmeichelnden Worten locken, drangen in ihn und seinen Geist ein, stärkten seinen Körper und ließen ihn gesunden. In diesem Augenblick starb alles was Onigumo ausgemacht hatte in ihm. Er wurde zu einem anderen Wesen. Doch die Liebe, das Verlangen nach Kikiyo, der jungen Miko, sollte ihn wie ein Fluch auch in seinem neuen Leben verfolgen und niemals verlöschen. Er war zu verbittert um erkennen zu können, dass genau dies das stärkste, mächtigste und auch reinste Gefühl sein sollte, zu dem er jemals fähig sein würde es zu empfinden. Und er hatte sich in diesem Moment selbst die letzte Hoffnung darauf zerstört, ihre Liebe jemals für sich gewinnen zu können. Unerfülltes Verlangen. Gab es einen größeren Fluch auf Erden? Doch er erkannte dies nicht. Alles was er in diesem Augenblick spürte war die Macht hunderter Dämonen in sich, die ihn zu einem der stärksten und mächtigsten Magier machten, der jemals gelebt hatte. Nackt und geschmeidig erhob sich Naraku von seinem Lager. Die Bandagen fielen von seinem wieder makellosen Körper ab wie die Haut einer Schlange. Sein langes, schwarzes, glänzendes Haar war wieder voll und floss lang seinen Rücken hinab, verbarg die einzige Narbe, die er von dem Brand zurückbehielt und die seinen Pakt mir den Dämonen besiegelte: Eine riesige Spinne. Eine Narbe, die wie ein Ödem seinen gesamten Rücken bedeckte. Doch alle anderen Narben waren verschwunden, sein Gesicht wieder das des makellos schönen jungen Mannes, der er einst gewesen war. Die Augen ausdrucksstark und tiefschwarz wie Kohlen, unergründlich. Ein böses Lächeln umspielte seine Züge. „Du hat Recht Kyo…“, flüsterte er leise und strich sacht mit seinen schlanken Fingern über eine Stelle an seiner Schulter, die Stelle, an der auf Kyos Körper das Schlangenmal von ihrem Pakt kündete, den Kyo so erbärmlich verraten hatte. „Möge das Spiel…“, und er betonte dieses Wort sehr seltsam, „…beginnen.“ Nackt wie Satan ihn schuf stieg er aus der Höhle und verschwand hinein in das Dunkel des Waldes. Und als Kikyo am nächsten Morgen zu der Höhle kam fand sie sie verwaist. Eine dunkle, böse Aura umgab den Platz und das Lager, auf dem der gebranntmarkte Körper gelegen hatte, war welk und verfault. Es stank bestialisch. Kikyo schreckte nicht vor dem Geruch zurück. Sie schreckten die Bilder die sie nicht sah und doch fühlte. Hier war etwas Dunkles, etwas Verbotenes geschehen. Und sie ahnte, dass dies für sie alle noch sehr weit reichende Folgen haben würde. Sie wusste nun wer er war, oder wer er gewesen war, als sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Sie hatte es im Grunde ihrer Seele eigentlich schon die ganze Zeit über geahnt. „Onigumo…“, flüsterte sie. „Was hast du getan?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)