Shikon No Tama von MorgainePendragon ================================================================================ Kapitel 2: Gefangen im goldenen Käfig ------------------------------------- Hallo!^^ Diesmal möchte ich nur kurz vorab ein kleies Dankeschön loswerden für diejenigen, die sich tatsächlich dazu bewogen fühlten diese FF zu lesen und mir schon Kommies gegeben haben. Vielen Dank! Das freut mich riesig! Außerdem möchte ich noch kurz zur Information sagen, dass meine FF VOR den Ereignissen der InuYasha-Serie angesiedelt ist, also während der Epoche der kriegerischen Staaten, jedoch unmittelbar bevor InuYasha von Kikyo mit einem Pfeil gebannt wird. Meine Story wird daher sowohl lediglich InuYasha selbst, als auch Kikyo und eben Onigumo/Naraku aus dem InuYasha-Versum beinhalten und ich versuche dort anzukommen, wo es dann bei der Serie startet. Doch eigentlich ist diese ganze Geschichte nur am Rande wichtig. Denn die eigentliche FF wird sich vornehmlich mit Kyo, Madoka und Shinta Himura befassen. Und jetzt dauerts auch net mehr lange, bis Fans von "Samurai Champloo" auf ihre Kosten kommen werden^^. Ich wünsch euch (hoffentlich) viel Spaß! Bleibt mir gewogen und schreibt bitte Kommies.^^ Ihr seids meine Muse!^^ Ich bin mir nämlich noch nicht ganz so im Klaren darüber, wo mich die Story nun eigentlich hinführen wird...^^ Na denn, jetzt geht's nach langer Pause erstamal weiter. An dieser Stelle noch ein weiteres Dankeschön. Diesmal an Rogue-chan, die mich dazu inspiriert hat, trotz eines fehlenden roten Fadens dennoch weiterzuschreiben. Ich lass mich von der Story treiben. Mal sehen, wos mich hinführt^^. Okay, hier kommt Kapi Nummer 2!^^ ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Edo Zeit der „kämpfenden Länder“ / Sengoku-Ära 1500 n. Chr. Es war kalt. Sehr kalt. Die Kälte kroch auf dünnen Spinnenbeinen über ihren zitternden Körper hinweg und langsam, aber beständig auch in ihr Innerstes hinein, drohte sie zu lähmen und ihren Herzschlag zu verlangsamen. Sie hörte ein seltsam seidiges Rauschen um sich herum. Ein leises Plätschern drang gedämpft an ihr Ohr. Von fern glaubte sie Stimmen zu vernehmen, aber sie selbst war noch zu weit weg, noch zu sehr gefangen genommen von der Umarmung der gnädigen Bewusstlosigkeit, in der sie sich befunden hatte, um es mit Sicherheit sagen zu können. Ganz, ganz langsam kam mit ihren bewussten Empfindungen auch die Erinnerung zurück. Es war ein wirklich mühseliger und beinahe sogar schmerzhafter Prozess. Denn mit der Erinnerung kamen der Schrecken und die Fassungslosigkeit zu ihr zurück über das, was sie in den letzten Stunden erlebt hatte. Oder war es schon länger her gewesen, dass sie den Tod ihres besten Freundes mit hatte ansehen müssen, dass vor ihren Augen ihr alter, gütiger Lehrmeister von einer Horde schrecklicher Dämonen umgebracht worden war und dass sie mit einem gesuchten Mörder in den lichtlosen Schacht des knochenfressenden Brunnens gesprungen war? Sie konnte weder genau benennen wie viel Zeit seit den schrecklichen Ereignissen auf dem Anwesen der Higurashis vergangen war, noch genau den Ort, an dem sie sich nun befand. Die Umstände von Takerus Tod waren schon beinahe absurd. Der Auftritt von Dämonenauge Kyo, das Erscheinen der fürchterlichen Monster aus den Tiefen der Erde, wo sie schon seit Urzeiten womöglich auf genau diesen Tag gewartet hatten - das alles konnte kein Zufall sein, war zugleich aber auch so unglaublich, dass jemand wie sie, Madoka, an ihrem Verstand zu zweifeln begann. Hatte sie das alles wirklich erlebt? Gab es Dämonen also wirklich? Diese entsetzlichen Kreaturen, welche direkt aus der Hölle zu stammen schienen, waren also nicht nur eine Erfindung der Ältesten, um die junge Generation einzuschüchtern und gegebenenfalls Gehorsam dadurch zu erzwingen, indem man damit drohte, dass "böse Geister" sie des Nachts holten, sollten sie nicht artig sein? Sie erschauerte. Angst? Momentan hatte sie die nicht. Sie war vollkommen verwirrt, fühlte sich verletzt und desorientiert. Aber Angst...? Es war ein zu großes Durcheinander in ihrem Kopf, um ein solches Gefühl überhaupt aufkommen zu lassen. Während sie sich unendlich langsam und mühevoll in die Wirklichkeit zurückkämpfte arbeitete ihr Kopf bereits auf Hochtouren, versuchte das Geschehene zu verarbeiten. So vieles war in so kurzer Zeit geschehen, so viel Unglaubliches auf sie eingestürmt, dass Madoka im Geiste buchstäblich kapitulierte und ganz bewusst lediglich nur noch einen einzigen Gedanken, ein einziges Gefühl zuließ: Wut. Schicksal oder nicht, Zufall oder nicht - warum auch immer dieser Mann in ihr Leben getreten war - sie würde dem "Mörder von Tausenden" niemals vergeben können was er ihrem Freund angetan hatte. Alles was WIRKLICH zählte war ihr Schmerz, ihre Trauer und eben ihre Wut. Kalte Wut. Ein Zorn, der beinahe so eisig daherkam, wie es die sie umgebende Kälte tat. Ihr Hände gruben sich, zu Fäusten geballt, in etwas, dass sich anfühlte wie Schlamm oder Erde. Warum hatte er das getan? Warum hatte er Takeru umbringen müssen? Sie konnte sich die Frage gleich selbst beantworten: Ein "Mörder von Tausenden" kannte das Wort Gnade wahrscheinlich nicht einmal... Sie schluckte den bitteren Kloß in ihrer Kehle hinunter - zumindest versuchte sie es. Sie wollte die Augen öffnen, merkte jedoch, dass sie von den eigenen, getrockneten Tränen so verklebt waren, dass dies im ersten Moment nicht möglich war. Wann hatte sie geweint? Sie wusste es nicht mehr. Sie wusste jedoch sehr wohl, dass der Zorn, den sie nun empfand sie nur noch mehr abwandte von ihrem Glauben, dass er sie gefährlich weit in jene Richtung zog, in der die Dämonen ihre Bosheit zelebrierten und in welcher der jedes menschliche Gefühl verhöhnende Hass wohnte. Und plötzlich, so schnell wie sie nach ihrem Erwachen gekommen war, verrauchte die Wut wieder. Als hätte der letzte Gedanke den Ausschlag gegeben, so spürte sie nun nichts anderes mehr als eine quälende Trauer und Resignation. Doch sie wusste auch, dass sie nun niemals mehr eine Miko werden konnte. Denn mit dem Auftauchen der Dämonen in ihrer Welt war etwas in ihr gestorben. Sie wusste nicht was es war, aber es war wichtig gewesen. Wichtig für den Glauben, den sie nun nicht mehr guten Gewissens repräsentieren konnte. Sie war nun nichts weiter mehr als eine junge Frau. Allein, ohne Glauben und ohne Hoffnung. Es war erstaunlich, wie schnell sich ein Leben unwiderruflich und endgültig ändern konnte. Vielleicht hatte es das Schicksal oder eine wie auch immer geartete Macht so gewollt. Vielleicht SOLLTE sie keine Miko werden. Vielleicht hatte man etwas anderes mit ihr vor... Bloß WAS? Und die noch viel beängstigendere Frage lautete: Wer oder was war MAN...? Wieder versuchte sie ihren Körper aus der Bewegungslosigkeit, der Lähmung zu lösen, zu befreien. Mit bewusster Kraftanstrengung versuchte sie, die Hände aufzustützen, sich aufzusetzen, doch sie war noch zu schwach dazu, atmete schwer schon ob des Versuchs. Sie hörte wieder Stimmen, oder glaubte es zumindest. Dann Schritte. Doch das alles drang wie von weiter Ferne zu ihr herüber, betraf sie noch nicht wirklich. Für einen Moment gestattete sie es sich, der Trauer und dem beinahe grenzenlosen Schmerz in sich nachzugeben. Sie fror erbärmlich, aber die innere Qual überwog momentan bei weitem. Sie hatte das Gefühl, eine eiskalte Hand würde sich um ihr Herz legen und unbarmherzig zudrücken. Obwohl ihre Augen nach wie vor geschlossen waren und ihr Körper sich noch weigerte, der warmen, tröstenden Geborgenheit der Besinnungslosigkeit vollends zu entfliehen, konnte sie mit einem Mal eine benahe heiß zu nennende Berührung auf ihren Wangen spüren. Mit beinahe wissenschaftlichem Interesse registrierte sie, dass sie offenbar erneut ihrer Trauer mit Tränen Ausdruck verlieh, hatte aber keinen direkten Einfluss darauf, diese Tränen zu stoppen. Unaufhörlich glitt die salzige Flüssigkeit unter ihren geschlossenen Lidern hervor. Sie konnte es nicht verhindern. Und wo sie sonst immer Trost in der Lehre des Erleuchteten fand, spürte sie nur Verzweiflung, Verwirrung und Trauer in einem solchen Maße, wie sie es noch nie zuvor erfahren hatte. Ihr war klar, dass sie ihren Glauben womöglich für immer verloren hatte - vielleicht in jener einen, schrecklichen Sekunde, in der Takeru starb, vielleicht aber auch schon in dem Moment, als sie zum ersten Mal in die Augen eines Dämons mit dem Namen Kyo geblickt hatte. Ein solches Wesen - der Erleuchtete sei gelobt für die Artenvielfalt, der er das Leben vergönnte -, ein solch abgrundtief böses Wesen KONNTE nicht von ihm gewollt sein. Und auch nicht geduldet. Dieser Mann, Kyo Mibu. Das war kein Mensch. Nicht im eigentlichen Sinne dieses Wortes. Er sah vielleicht AUS wie ein Mensch, aber sein Herz (wenn er denn überhaupt eines hatte) war so hart wie Stein. Das Wort "Gefühle" musste für ihn ein Fremdwort sein. Vor ihrem inneren Auge blickte sie erneut in sein zu allem entschlossenes Gesicht, in seine lodernden Augen und der eisige Griff um ihrem Herzen nahm noch zu. Dieser unbändige, alles umschließende HASS, der ihr aus diesem Blick entgegengeschlagen war, mochte so gar nicht zu der Tatsache passen, dass er sie anscheinend vor dem sicheren Tod gerettet hatte, indem er sie in den Brunnen mitriss. Wie passte das alles zusammen? Wie konnte er scheinbar willkürlich Menschen töten und einen anderen dafür retten? Oder versprach er sich am Ende irgendeinen Nutzen von ihr? Nur... welcher Art von Nutzen konnte sie einem gesuchten Mörder schon sein... Ekel überkam sie, als sie an seinen anzüglichen Blick dachte, mit dem er sie bedacht hatte. Ekel... aber auch noch etwas anderes. War alles an ihm sehr dämonisch, beinahe übermächtig stark gewesen, sein Zorn, seine Kraft, sein Wille, so war doch DIESE Geste eindeutig die eines Menschen gewesen, eines MANNES, um genau zu sein. Hatte der alte Higurashi den gesuchten Mörder nicht anders genannt, als dieser sich selbst? Kyoshiro? War dieser Mann, Kyoshiro, am Ende... krank? Madoka zuckte zusammen, als etwas in ihrer Nähe lautstark polterte. Es hörte sich an, als wäre eine Tür zugeschlagen worden. Eine raue Stimme brüllte irgendwelche Befehle. Doch Madoka lag noch immer da wie gelähmt, konnte ihre Gedanken nicht daran hindern weiter fieberhaft zu kreisen, während ihr Leib scheinbar zur Untätigkeit verdammt war. Eine Krankheit… Es GAB solche Fälle. Sie hatte davon gehört. Ein Körper, den sich zwei oder noch mehr Seelen zu teilen schienen. Menschen mit dieser Erkrankung galten als besessen. Als unheilbar. Und als unberechenbar. Und wenn ein Wort auf diesen leibhaftigen Dämon in Persona zutraf, dann wohl dieses: Unberechenbar. Und dennoch... Da war etwas gewesen... Etwas, das er gesagt hatte, vielleicht auch etwas, dass er NICHT gesagt und was sie dennoch irgendwie... gespürt hatte. Sie konnte es partout nicht benennen und im Grunde war sie auch viel zu wütend auf ihn, um ihm irgendeine Art von entschuldigendem Argument zu seinen Gunsten zuzugestehen. Aber sie konnte nicht umhin, dass es sie verwunderte, dass er sie gerettet hatte. Dies widersprach dem Bild des furchtbaren Mörders so grundlegend, dass allein DIES schon ausreichte, sie verwirrt darüber nachdenken zu lassen, warum er so gehandelt hatte. Wahrscheinlich durfte man bei einer derart kranken Persönlichkeit keinen tieferen Sinn in dessen Handlungen erwarten. Aber... Erneut sah sie Takeru in einem Regen von Blut niedergehen. Der Unglaube in seinem Blick hatte sie wie ein Pfeil durchdrungen. Nein. Sie konnte, sie würde diesem Bastard, dieser Missgeburt von einem Mörder, NIEMALS vergeben können was er getan hatte. Krankheit hin oder her - es gab keinerlei Entschuldigung für solche, scheinbar sinnlose, Mordlust. Takeru.... Es tat so weh. Er war wie ein Bruder für sie gewesen. Immer da, wenn sie ihn brauchte und jemand, mit dem sie alles teilen, viel gemeinsam lachen konnte. Higurashi hatte nicht nur seinen Sohn, sondern auch sie selbst wie sein eigenes Kind aufgezogen. Sie weinte nun heftiger. Doch sie konnte außer den Spuren ihrer Tränen nun auch noch eine andere, unangenehmere Feuchtigkeit auf ihrer Haut spüren, denn, wenn auch sehr langsam, es kehrte nun mehr und mehr auch endlich das Leben in ihren Körper zurück, dem ihr Geist schon weit vorausgeeilt war. Die Kälte wurde schneidend und tat nun beinahe weh. Sie MUSSTE die Augen öffnen. Egal was für ein furchtbarer Anblick sich ihr auch bieten mochte. Sie konnte nicht ewig die Augen vor der Welt verschließen. Oder doch? Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Mit einem Mal waren die Schritte, die sie zuvor schon vernommen hatte, heran. Sie bekam einen brutalen Tritt in den Unterleib. Es tat entsetzlich weh, klärte jedoch ihre Gedanken völlig. Eine derbe Stimme schrie: "Wach auf, kleine Hure! Kannst du mir mal verraten was du da unten im Dreck treibst? Steh sofort auf, verdammt noch Mal!" Madoka bewegte sich. Ganz vorsichtig öffnete sie die Augen, erkannte zunächst nur Schemen, Umrisse, alles grau in grau. "Heh, kannst du nicht hören, was ich gesagt habe? Steh AUF, du dreckige kleine Schlampe! Neu oder nicht: Ihr Pomeranzen vom Lande wisst wohl WIRKLICH nicht wie man sich in einem anständigen Bordell in der Stadt verhalten muss!" Der Tritt wurde wiederholt. Madoka krümmte sich zusammen. „Verdammt FROH sein solltest du, dass du ein Dach über dem Kopf und genug zu Essen hast!“ Doch bevor ihr Peiniger noch ein weiteres Mal zutreten konnte erhob sie sich mühsam auf die Ellenbogen. Denn zu ihrer eigenen, grenzenlosen Überraschung erkannte sie nun, dass die am Boden gelegen hatte. Genauer gesagt, mitten in einer Pfütze, im Schlamm, auf einem zwielichtigen Hinterhof, auf den der kalte Regen nur so niederströmte. Sie war vollkommen durchnässt. Deshalb also diese entsetzliche Kälte. Madoka blickte vollkommen verwirrt um sich. Wo war sie zum Teufel? Wie war das nur möglich? Wenn sie wirklich in diesen Schacht gestürzt waren, wieso... Warum lebte sie noch? (Die Schmerzen, die sie nun, einmal bei Bewusstsein, sehr deutlich am ganzen Leib spüren konnte und auch die Kälte schienen ein weiteres, eindeutiges Indiz dafür zu sein, dass sie NICHT tot war, wie sie anfangs mit einem kleinen Teil ihres Bewusstseins angenommen, sogar irgendwie GEHOFFT hatte...) Die Gestalt vor ihr, die sie erst jetzt einer näheren Betrachtung unterzog (ein grobschlächtiger, dicker Kerl, mit ungepflegter, vor Fett glänzender Tonsur, jedoch mit einem kleinen, spießigen Pferdeschwanz im Nacken und mit winzigen, bösartigen Augen in einem dafür viel zu großen und feisten Gesicht) machte sich nun daran, mit Händen, die beinahe so groß wie ihr Kopf waren, zu ihr hinzufassen - oder sie zu schlagen, so genau konnte sie die Fuchtelei in die er verfiel nicht ergründen. "Mach schon! Die ersten Gäste sind in zwei Stunden hier! Steh auf, oder ich werde dich lehren..." Er holte nun tatsächlich aus. Die Ohrfeige hätte ihr ganz ohne Zweifel erneut das Bewusstsein geraubt, aber Madoka war einfach noch viel zu verstört um zu reagieren. Da sprang ein schlanker, kleiner Schatten zwischen sie und den Mann. Madoka erhaschte einen flüchtigen Blick auf sehr teure Stoffe, einen Kimono zweifellos, und auf ein paar ihres Erachtens viel zu dünne Beine für eine Geisha. Das junge Mädchen baute sich schützend vor Madoka auf und schob kampfeslustig das Kinn vor. "Was soll das, Tomasu?“, fauchte es böse. „Du weißt doch ganz genau was der Herr mit dir macht, wenn du seine Mädchen verprügelst! Ihr Wert sinkt, wenn du ihnen Verletzungen zufügst! Der Meister wird SEHR ungehalten sein!“ Der riesige Kerl hielt tatsächlich mitten in der Bewegung inne und starrte für ein paar Sekunden beinahe einfältig in das Gesicht seines Gegenübers. „Ja, ganz genau, du ungehobelter Holzklotz!“, fuhr das vor Wut schäumende Mädchen fort. „Ich werde dem Herrn mitteilen, wie du mit Neuzugängen so umzugehen pflegst. Ich denke, dann kannst du dir das kleine gratis Schäferstündchen mit Yukari-san, dem du jeden Morgen nachgehst, in deine fettigen Haare schmieren! Scher dich gefälligst weg! Ich kümmere mich schon um sie!“ Vollkommen erstaunt beobachtete Madoka, wie sich der um einiges größere und selbstverständlich auch sehr viel stärkere Tomasu von dem Ausbruch der jungen Frau scheinbar vollkommen eingeschüchtert herumdrehte und über den Hof hinweg trollte. Das Mädchen drehte sich herum und ließ sich in einer einzigen, fließenden Bewegung zu ihr in die Hocke sinken. Madoka fühlte einen Arm um ihren Schultern, als die junge Frau sie besorgt stützte. „Ist alles in Ordnung?“, fragte sie leise. „Es tut mir so Leid. Tomasu ist... dumm, aber leider mit etwas zuviel Muskelkraft gesegnet. Kannst du aufstehen? Wir müssen ins Haus. Tomasu ist bloß dämlich, aber sollte dich einer der anderen Männer des Herrn hier so antreffen, kann ich dich nicht weiter schützen, fürchte ich...“ Madoka schaute sie ungeachtet ihrer Worte einfach nur verwirrt an. „Wer... wer bist du? Und wo... bin ich... hier?“ „Später.“, sagte das Mädchen, nun eindeutig mit einem leicht nervösen Unterton in der Stimme. „Mir ist klar, dass du nicht von hier sein kannst. Und Neuzugänge pflegen nicht auf dem Hof im Dreck zu liegen. Aber du solltest einfach tun was ich dir sage, ja? Wenn du nicht erst einmal so tust, als wärst du eine von uns, dann wird man dir unangenehme Fragen stellen – im besten Fall...“ ‚Eine von uns...’, dachte Madoka. Wie meinte sie das nur? Dennoch war da etwas in der Stimme der jungen Frau, das sie alarmierte und was sie dazu bewog, sich nun doch von ihr aufhelfen zu lassen. Es ging besser als sie geglaubt hatte. Zwar taten ihr buchstäblich sämtliche Knochen im Leib weh, so als wäre sie tatsächlich aus großer Höhe irgendwo hinunter gefallen (hier machte der Knochenfressende Brunnen seinem Namen wohl alle Ehre...), aber sie konnte sich mit Hilfe des Mädchens langsam aufrichten und sich schließlich sogar von ihr in das Haus führen lassen. Das erste was ihr auffiel, war die angenehme Wärme, die sie nach der Kälte im Regen draußen wie eine warme Umarmung zu empfangen schien. Das zweite gleich darauf der Geruch. Er war... fremdartig. Aber nicht unangenehm. Es roch ein wenig nach den Räucherstäbchen, die sie immer im Schrein entzündet hatte. Aber da war auch noch ein sehr süßer, sehr viel... schwererer Duft in der umgebenden Luft, den sie erst sehr viel später als Moschus erkannte. Moschus... Irgendetwas sollte ihr diese Tatsache wohl sagen, aber sie wusste es nicht mehr. Es war in diesem Moment auch nicht weiter wichtig, denn nun kamen sie über einen Hintereingang durch eine Art Lagerraum und sie erkannte in der samtenen Dunkelheit hier drinnen die Umrisse von nicht wenigen Ständern, auf denen prachtvolle Kimonos ausgebreitet hingen, die in ihrem Prunk teilweise verirrte Lichtstrahlen von draußen oder aus dem inneren des Hauses auffingen und glitzernd zurückwarfen. Die Kimonos mussten reich bestickt mit allerhand Kostbarkeiten sein. Wo zum Teufel WAR sie hier, dachte sie erneut. Oder sollte sie eher fragen: WANN? Denn zur Zeit des kriegerischen Tokugawa-Shogunats war das Land arm gewesen und selbst in Geisha-Häusern fiel die ansonsten sehr auffällige Kleidung eher schlichter aus. Ein Geisha-Haus? Irgendetwas schlug auf diesen Gedanken hin in Madoka an. Aber auch für diesen Gedanken hatte sie nicht mehr Zeit, als ihn flüchtig zur Kenntnis zu nehmen. Denn nun betraten sie anscheinend und unübersehbar die Diele des Hauses, obwohl dieser Ausdruck dem Aussehen des riesenhaften Raumes, den sie nun betraten, eindeutig nicht gerecht wurde. Der Haupteingang lag nun tatsächlich gegenüber von ihnen, das war aber auch schon alles, was dieser... Saal mit einer „Diele“ gemein hatte. Der Raum war gigantisch. Das Haus musste einer kleinen Burg gleichkommen, wenn schon der Eingangsbereich so groß angelegt worden war. Staunend sah sich Madoka mit großen Augen um. Es war ein Prachtbau. Anders konnte man das hier nicht nennen. Buchstäblich ALLES hier war aus Holz. Mächtige dunkle Balken aus Taek stützten eine Decke, die beinahe zwanzig Meter über ihren Köpfen schwebte. Der Raum war mit großen, sauberen Tatami ausgelegt, die Wände allesamt mit prachtvoll bemalten Wandschirmen überzogen. Hier und da unterteilte ein geschmackvoll eingesetzter Paravent den Saal in kleinere Bereiche, die mit farbigen, sehr weich aussehenden Sitzkissen ausgestattet waren und zum verweilen einluden. In der Mitte des Raumes gab es einen Zierbrunnen, der mit großen, wunderschönen Kois benahe zum Bersten gefüllt war. Rechts und links gab es jeweils Durchgänge zu anderen Teilen des Hauses und jeweils zu beiden Seiten auch eine Treppe, die mit ihren reich verzierten Geländern auf eine Galerie hinaufführten, die den Raum zur Gänze umspannte. Als Madoka den Kopf in den Nacken legte erkannte sie, das auch dort etliche Durchgänge abzweigten, teilweise von wunderschön bemalten, papiernen Türen verschlossen. Überall standen Schalen mit Obst oder anderen Köstlichkeiten herum und farbige seidig-leichte Tücher hingen von der Galerie hinunter, gaben dem Raum etwas beinahe Orientalisches und Unwirkliches. Und Madokas Staunen fand noch kein Ende. Denn die Sitzgelegenheiten waren teilweise durchaus besetzt... Madoka blieb stehen, als wäre sie vor eine Wand gelaufen. Schlagartig verlor der Raum für sie sämtlichen Charme. Alles was sie zuvor wunderschön und beeindruckend gefunden hatte wirkte mit einem Male eher... aufgebläht und übertrieben auf sie. Alles war ein kleines bisschen ZU kitschig. Alles ein kleines bisschen ZU überladen und zu aufdringlich, seien es nun die Farben, die Verzierungen oder sogar die Gerüche, die ihre Sinne zu vernebeln und sie einzulullen schienen. Madoka starrte vollkommen perplex auf die jungen Frauen und Mädchen die sich halbnackt (teilweise auch durchaus nackt) auf den Kissen oder am Boden räkelten. Und sie waren nicht allein. Natürlich sah Madoka so etwas nicht zum ersten Mal. Aber es erschreckte sie doch einigermaßen, dass hier gleich mehrere Pärchen der Liebe frönten. Sie war zwar innerlich abgestoßen und entsetzt, musste aber dennoch hinsehen – und hasste sich beinahe für den Voyeur, der scheinbar an ihr verlorengegangen war. Zwar waren die Männer und Frauen äußerst beschäftigt miteinander, den eigentlichen Liebesakt sah sie jedoch nirgends, wie sie mit einem Anflug von Erleichterung registrierte. Das junge Mädchen, das sie führte, zog sie weiter mit sich und steuerte eine der Treppen an, die zu ihrer Rechten. „Mach dir nichts draus. Das ist hier so üblich, weißt du? Sie gehen hier vorne nie... zum Äußersten. DAFÜR müssten sie nämlich bezahlen, die werten Herren.“ Das klang herablassend. „DAS HIER ist nur... der Appetitanreger...“ Täuschte sich Madoka oder war aus der Stimme des Mädchens mit einem Mal auch noch etwas anderes herauszuhören? Resignation? Traurigkeit? Madoka schüttelte den Gedanken ab und folgte der jungen Frau die Treppe hinauf und einen der von der Galerie abzweigenden Gänge hinunter. Das Mädchen öffnete am Ende des Ganges eine der papiernen Türen und bugsierte Madoka in einen behaglichen, jedoch sehr einfach eingerichteten Raum. Sie sah noch einmal kurz hinaus und zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren und schien zu lauschen. Dann schloss sie die Tür hinter sich. Sie kam zu Madoka zurück und drückte sie auf einen der beiden Futons hinunter die in dem Zimmer rechts und links einer kleinen Feuerstelle lagen. Kleine papierne Laternen, die am Boden in den Ecken des Raumes standen spendeten ein warmes, gelbes Licht. Das Mädchen ging zu einer Wand und zog sie beiseite. Dahinter kam eine Art geräumiger Schrank zum Vorschein, aus dem sie zwei Handtücher hervorkramte und sie Madoka zuwarf. „Hier.“, meinte sie ohne große Erklärungen. „Du bist ja völlig durchnässt.“ Madoka nahm die Handtücher dankbar an und begann vorsichtig, ihren Yukata auszuziehen, den sie über der Miko-Kleidung trug. Das Mädchen sah ihr eine Weile mit schräg gehaltenem Kopf zu und lächelte plötzlich leicht. „Also... ich hätte nicht gedacht, dass ich noch jemandem begegnen würde, dem es genauso besch... eiden ging wie mir damals.“ Madoka wurde nicht schlau aus diesen Worten. Sie blickte nur fragend auf, während sie ihre Haare hochnahm und zu einem Turban drehte. Das Madchen setze sich ihr gegenüber auf den anderen Futon. „Mein Name ist Fuu. Wie heißt du? Und woher kommst du? Bist du... auch durch die Zeit gereist?“ Jetzt war Madoka so perplex, dass sie mitten in der Bewegung innehielt und Fuu aus großen Augen anstarrte. „Wie... woher...?“ „Ach, das kann man doch sofort sehen.“, meinte das junge Mädchen arglos. „Ach, ja... Kann man das...?“ Madoka flüsterte bloß. Die ganze Situation kam ihr ... vollkommen absurd vor. Wer war dieses kleine, kesse Mädchen überhaupt? Fuu seufzte. „Oh, ich seh schon. Wir müssen da weiter ausholen.“ Sie schwieg einen Moment und legte auf eine seltsam spitzbübisch wirkende Art den Kopf auf die Seite. „Mmm, ich glaube, hier sind wir erst einmal ungestört. Es ist ja auch noch ein bisschen Zeit, bis wir offiziell öffnen. Also, was hältst du davon, wenn du dich erstmal komplett ausziehst und abtrocknest? Ich kümmere mich um ein bisschen Tee. Und dann werden wir mal sehen, wo wir dich am besten unterbringen.“ Als sie ohne Umschweife das Zimmer verlassen wollte hielt sie Madoka noch einmal zurück. „Fuu?“ Das Mädchen blieb stehen, sah über die Schulter zurück. „Ist das hier... ein... ein...“, sie hatte Mühe das Wort auszusprechen. Als angehende Miko hatte sie zwar von solchen Häusern gehört, war aber nie in einem gewesen. „Ein Bordell? Ein Hurenhaus? Jep, ganz Recht, mein Schatz. Und DU bist nun eine von uns. Wenn dir dein Leben lieb ist, dann wirst du dich wohl anpassen müssen. Wenn du als Frau einmal hier bist, kommst du lebendig hier nicht mehr heraus. Es sei denn, jemand kauft dich frei. Aber das ist in den 3 Monaten die ich nun hier bin zumindest noch nie vorgekommen..., also...“, sie lächelte ungeachtet ihrer verstörenden Worte aufmunternd. „Aber mach dir nichts draus. Ich werde nämlich sicher bald gerettet, weißt du? Und dann kannst du mit mir kommen, wenn du magst.“ Ohne ihre Worte weiter zu erklären verließ Fuu das Zimmer endgültig und schloss die Tür hinter sich. Und Madoka war wieder allein. Allein mit ihren Gedanken, allein in ihrer Verlorenheit und grenzenlosen Verwirrung und Trauer. Und das erste was sie tat, als Fuu gegangen war, war sich vollkommen erschöpft in die Decke auf dem Futon einzurollen und zu weinen. Sie weinte, wie sie wohl noch nie in ihrem Leben geweint hatte. Bis sie schließlich ein traumloser, tiefer Schlaf von ihren momentanen Qualen erlöste. Als Madoka erwachte stand vor ihrem Futon ein Tablett mit Tee und eine kleine Schale mit geschnittenem Obst. Erst bei diesem Anblick merkte die junge Frau, dass sie tatsächlich Hunger hatte. Sogar einen sehr beträchtlichen, den das Obst ohnehin nicht zu stillen vermochte. Aber sie nahm an, was ihr gegeben wurde und begann beinahe gierig zu essen. Sie wurde jedoch immer langsamer als sie sich erstens der Tatsache bewusst wurde, dass sie hier sorglos etwas aß, während vor kurzem erst ihr geliebter Mentor und ihr bester Freund ermordet worden waren, und zum anderen, weil sie sich der Blicke Fuus ausgesetzt sah, die ihr wieder gegenüber saß und sie besorgt anschaute. Madoka starrte zurück, hatte vergessen zu kauen. „Du kannst ruhig weiteressen.“, meinte Fuu wieder in diesem für diesen Ort so unpassenden, irritierend fröhlichen Ton. „Ich denke nicht, dass der Tod deines Freundes dich daran hindern sollte weiterzuleben wie bisher. Also ISS.“ Madokas Augen wurden größer. “Woher… weißt du...?” „Oh, du hast im Schlaf geredet. Um nicht zu sagen geschrieen. Takeru hieß er, nicht wahr? Und er wurde kürzlich getötet. Soviel konnte ich deinen Worten schon entnehmen.“ Plötzlich wurde sie übergangslos sehr ernst. So ernst, dass man ihr nun wiederum DIESEN Gesichtausdruck AUCH wieder nicht abnehmen wollte, da ihr Gesicht beinahe noch kindlich und arglos wirkte. „Du hast vieles erleiden müssen, nicht wahr? Erzähl mir alles. Ich kann gut zuhören. Und niemand wird etwas erfahren, das verspreche ich dir. Vielleicht... bin ich hier deine einzige Verbündete.“ Madoka sah sie an, kaute nun aber langsam weiter und schluckte. „Und wieso... hilfst du mir?“ Fuu blinzelte: „Tut man das denn in eurer Zeit nicht auch?“ Dann schüttelte sie jedoch den Kopf. „Vielleicht helfe ich dir nur aus dem Grund, weil ich weiß wie es ist, wenn man hierher kommt und einem eben NICHT geholfen wird und man ganz allein zurechtkommen muss. Glaube mir, ich weiß wovon ich rede.“ Madoka sah sie bestürzt an. „Also, um dir einen Vertrauensbeweis zu liefern... äh... Wie ist eigentlich dein Name? Den hast du in deinem Traum leider nicht erwähnt.“ „Madoka...“, flüsterte die junge Frau leise. „Ich heiße Madoka...“ „Nun ja, Mado-chan. Dann werd ich dir mal erzählen, wie WIR hier hergekommen sind.“ „Ihr?“, fragte Madoka verwirrt und auch ein kleines bisschen verdutzt, da Fuu sie sofort mit Kosenamen angesprochen hatte. Aber das Mädchen schien darüber gar nicht groß nachzudenken. „Jep, WIR. Mugen, Jin und ich.“ Und im Folgenden begann Fuu zu erzählen, dass sie zuvor während der Tokugawa-Zeit mit einem jungen Samurai namens Jin und einem liebenswerten Chaoten und Tagedieb namens Mugen gemeinsam durch Japan gezogen war, um diverse Abenteuer zu erleben. „Weißt du, nachdem wir den Mann, der nach Sonnenblumen duftete endlich gefunden hatten (ich will dir hier die Details ersparen, aber herrjeh, ich sage dir, DAS war eine Geschichte.. Also wenn der Mugen nicht gewesen wäre, und wenn Jin nicht... Naja, ich erzähl dir das mal, wenn wir mehr Zeit dafür haben^^...), jedenfalls, als wir diese Sache mit dem Sonnenblumen-Kerl endlich geklärt hatten und Mugen und Jin auch IHRE Meinungsverschiedenheit endlich zum Abschluss gebracht hatten, beschlossen wir auch weiterhin gemeinsam zu reisen. Einfach so. Wir sind nämlich schon irgendwie Freunde geworden... ahh... eh, na ja, das langweilt dich sicherlich...“ Fuu kratzte sich am Kopf. „Nun ja, um auf diesen merkwürdigen Zwischenfall mit der Zeitreise zurückzukommen.... Mugen, Jin und ich übernachteten in einer Art verlassenem Tempel am Tokaido in der Nähe der Shinsa-Berge. Und urplötzlich gab es da ein Erdbeben. Ich weiß auch nicht, woher dann auch noch plötzlich dieses schreckliche Unwetter kam. Aber dann... waren da mit einem Mal... ganz furchtbare... Wesen. Geschöpfe. So etwas habe ich noch nie zuvor gesehen... Es war furchtbar.“ Fuu, ob ihrer eigenen Worte und der Erinnerung, die diese mit sich brachten, sichtlich erschüttert hielt kurz inne. „Dämonen.“, sagte Madoka leise. Fuu hob den Kopf. Ihre Augen waren weit aufgerissen. „Du... weißt...?“ „Ja. Bei mir war es ähnlich. Erzähle bitte weiter.“ Fuu nahm sich sichtlich zusammen und fuhr schließlich fort. „Sie haben uns angegriffen. Genauer gesagt ging es ihnen glaube ich um etwas, das in dem alten Schrein verborgen war. Die haben das ganze, alte Gebäude auseinandergenommen. Wir waren wohl nur zufällig im Weg. Lästig halt. Und somit leichte Beute. DACHTEN sie... Wenn sie überhaupt denken können, meine ich... Aber...“, ihre Augen begannen plötzlich wieder zu leuchten, „...aber sie kannten Mugen und Jin nicht! Die lassen sich nicht so leicht umbringen, weißt du? Wir haben gekämpft wie die Raubkatzen... Naja, SIE haben gekämpft, ich hab mich zu dem Zeitpunkt... um... den Proviant gekümmert. Der musste schließlich auch gerettet werden. Wenn du wüsstest, wie wenig zu Essen wir immer auf unseren Reisen...“ Madoka verdrehte leicht die Augen. Fuu besann sich dann auch gleich wieder. „Naja, und dann tat sich plötzlich der Boden auf und wir sind hineingefallen. Dann waren wir plötzlich hier.“ Stille. Madoka blinzelte. DAS ging ihr nun doch ein wenig ZU schnell. „Moment. Du sagst, der Boden hätte sich aufgetan?“, fragte sie. „Ja, ich weiß auch nicht. Vielleicht lag es ja an dem Beben. Jedenfalls fielen wir drei in diese... bodenlose Schwärze. Und ich wachte hier wieder auf. Genau wie du. Im Hinterhof dieser... dieses Hauses... Naja... und...“ „Und du weißt nicht, wo deine Freunde jetzt sind, richtig?“, schloss Madoka. Fuu nickte bedrückt. „Behauptest aber, dass du bald gerettet wirst? Wie kannst du denn wissen, ob...?“ „Ich WEIß es eben!“, unterbrach sie Fuu aufbrausend. „Wenn wir bei unserer Reise durch die Zeiten getrennt wurden und sie ebenfalls hier sind, dann werden sie mich finden und mich hier herausholen. Das WEIß ich einfach!“ Es klang trotzig. Und Madoka wusste nicht, was sie mehr überraschte: Die kindliche Naivität, mit der das Mädchen scheinbar an eine Rettung glaubte, die so gut wie unmöglich schien, oder die tiefe Loyalität und Freundschaft, die sie mit diesen zwei Fremden verband. Sie schwieg kurz. Dann sagte sie: „Also, seid ihr auch getrennt worden...“ Fuu sah sie an. „Du bist auch... nicht allein gekommen?“, fragte sie schüchtern. Madoka schüttelte ganz leicht den Kopf. Dann begann sie zu erzählen. Sie berichtete Fuu kurz von ihrem früheren Leben und schließlich von dem Überfall auf den Schrein. Sie erwähnte Kyo und die schrecklichen Dämonen. Aber sie sagte kein Wort über den Juwel der Vier Seelen. Sie wusste selbst nicht genau warum. Aber vielleicht wusste sie instinktiv, dass es besser war, nicht noch mehr Unschuldige in diese Auseinandersetzung mit hineinzuziehen. Sie erwähnte auch nicht, dass sie nicht halb so unglücklich war bei dem Sturz in eine andere Zeit von Kyo getrennt worden zu sein, wie es Fuu scheinbar aufgrund der Trennung von ihren Freunden war... Madoka versuchte zu verstehen, was hier vor sich ging. Dass sie durch die Zeiten geflohen waren und Kyo gezielt nach den Shikon no Tama suchen wollte ergab ja noch irgendwie einen Sinn. Aber warum... Wieso wurden drei so unbedarfte Menschen wie Fuu und ihre Freunde ebenfalls durch die Zeit zurückgeschickt? Oder waren sie einfach nur zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort gewesen? Nun ja, sie sollte sich lieber über ihre eigene Situation Gedanken machen, als über die Vergangenheit zu grübeln. Fuu hatte wieder den Kopf fragend auf die Seite gelegt, wie ein kleiner Hund, der aufmerksam auf die nächsten Worte seines Herrens wartete. Madoka schüttelte diesen lächerlichen Vergleich so schnell ab, wie er aufgekommen war. Dieses Mädchen war unglaublich stark und tapfer, wenn sie in einer Welt wie dieser hier, einem Freudenhaus, allein so lange zurechtkam – und sie dann auch noch unter ihre Fittiche nahm. „Weißt du denn, in welcher Zeit wir uns nun befinden?“, fragte Madoka schließlich. „Späterhin nennt man sie wohl die Sengoku-Ära. Alle möglichen Clans kämpfen gegeneinander. Das ist echt unschön. Man hört dauernd von irgendwelchen Kämpfen und Auseinandersetzungen, von Verletzten und Unmengen von Toten.“ Sie stieß ein kurzes, beinahe verächtlich klingendes Geräusch aus. „Wie ich Mugen kenne, verliert er nur soviel Zeit dabei mich zu finden, weil er hier und da noch einen dieser Kämpfe mitnehmen will. Erst DANN blüht er richtig auf.“ Sie hielt inne und blickte auf ihre Hände hinunter. „Er ist halt... ein unverbesserlicher Draufgänger...“ Madoka sah sie lange an. Dann sagte sie leise: „Er bedeutet dir sehr viel, nicht wahr? Dieser... Mugen.“ Fuu hob mit einem Ruck den Kopf. „Nein! Ich meine.... ah... ja, natürlich! Wir... sind halt Freunde! Und Jin... mag ich ja auch sehr gern!“ Madoka lächelte leicht. Es war überhaupt das erste Mal, dass sie es bewusst tat seit sie hier, in dieser Zeit, gestrandet war, einer Zeit, die WEIT vor der des Tokugawa-Shogunats lag. Finsterstes Mittelalter sozusagen. Sie hatte wahrhaftig wenig zu lachen. Und doch vermochte es dieses junge Mädchen, ihre Trauer etwas zu lindern, den Schmerz zu mildern und ihr ein Lächeln zu entlocken, einfach indem sie da war und ihr zuhörte – und eine unnachahmlich aufmunternde und leichte Art an sich hatte, trotz der Schwierigkeiten in denen sie stecken mochte. Sie sollte sich ein Beispiel an diesem Mädchen nehmen. Sie war wirklich sehr stark. Plötzlich wurden polternde Schritte unten in der Halle laut. Stimmen waren zu hören. „Oh, es ist wohl soweit. Wir haben geöffnet.“ Madoka blickte leicht verängstigt zur Tür. „Mach dir bitte keine Sorgen. Zunächst einmal werd ich dafür sorgen, dass du ein Bad und frische Kleidung bekommst. Du musst dich leider möglichst bald dem Herrn vorstellen. Jede Neue muss das.“ „Nein.“, sagte Madoka, zwar mit einem erneuten, ängstlichen Blick in Richtung Tür, allerdings mit fester Stimme. „Ich bleibe nicht hier. Eher sterbe ich, als dass..“ Fuu kam zu ihr und legte ihr eine Hand beruhigend auf den Arm. „Sei unbesorgt. Es gibt... ein Paar Tricks, die ich dir beibringen kann, sodass es nie dazu kommt, dass dich ein Mann berührt.“ Sie lächelte wieder dieses aufmunternde Lächeln. „Madoka.“, sagte sie. „Ich bin sehr froh, dass ich nun nicht mehr allein bin.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)