Another solution von -Ray- ================================================================================ Kapitel 19: Another Solution ---------------------------- Another Solution Kapitel 19: Another Solution Es sollte noch lange dauern, bis ich die Gelegenheit fand, endlich meinen Mut zusammen zu nehmen um mich dieser Situation mit Sam zu stellen. Tatsächlich hatte mein Bruder alles in die Wege geleitet, um diesen möglichst so weit wie möglich von mir fern zu halten. Trotzdem konnte er das kurze Wiedersehen, mit welchem ich bereits wenige Stunden nach meinem Erwachen, konfrontiert wurde, nicht verhindern. Doch er war zugegen, als die zwei Polizisten das Zimmer betraten, um meine Sicht der Geschehnisse von vor zwei Tagen, aufzunehmen. Als ich ihn sah, wusste ich sofort, was ich zu tun hatte. Ein kurzer Blick in seine Augen genügte voll und ganz, um endlich Klarheit zu bekommen, welchen Weg ich einschlagen sollte. In seinen Augen lagen so viele unterschiedliche Gefühle, dass ich einen Moment lang brauchte, um sie richtig zu verstehen. Schmerz, Trauer, Sehnsucht, las ich in ihnen, doch vor allem Schuld. Schuldgefühle, die ich nur auf mich und meine jetzige Situation beziehen konnte. Doch auch andere Gefühle, welche ich in der letzten Woche gerne ausgeschlossen und ignoriert hatte, las ich ebenfalls in seinen Augen. Liebe, Zuneigung und Hoffnung. Hoffnung auf ein gemeinsames Leben? Auch eine Klärung dieser Situation? Ich vermutete es. Und wünschte es mir. Plötzlich wurde ich mir bewusst, dass ich mir eigentlich nichts mehr wünschte, als ihn. An meiner Seite. Trotz der Enttäuschung, der Wut und des Gefühls Verraten worden zu sein, erkannte ich, dass ich längst entschieden hatte. Ich würde ihm eine zweite Chance geben. Er hatte mir ein neues Leben ermöglicht, mich bei sich aufgenommen und mir eine Heimat geboten. Erst jetzt erkannte ich, wie undankbar ich in den letzten Tagen gewesen war. So hatte ich nur seinen Verrat und sein fehlendes Vertrauen gesehen, doch keinen Moment lang daran gedacht, wie viel er bereits für mich getan hatte. Ich war ein Idiot. Doch auch ein blindes Huhn, findet mal ein Korn, oder? So sollte ich wohl dankbar darüber sein, dass es mir zumindest jetzt, wenn auch reichlich spät, bewusst geworden war. Ich hatte ihm ja nicht mal die Chance gegeben sich für sein Verhalten zu entschuldigen. Scham breitete ich in mir aus, ob dieser Erkenntnisse. Es war nicht gerade die schönste Seite meiner Eigenschaften, die sich hier gerade in mein Bewusstsein schlich. Trotzdem wusste ich, dass jetzt nicht der richtige Augenblick war, um das zu klären, was sich zwischen uns angestaut hatte. Jetzt ging es darum die Fragen seines Partners halbwegs sinnvoll zu beantworten. Wissend, dass der Mann am Steuer des Wagens, nichts für den Unfall konnte, nahm ich ihn in Schutz und schonte mich nicht. Ich wusste, das die Schuld an mir lag, war ich schließlich mit einem Sonnenstich und dehydriert durch die Straßen gelaufen, kaum Herr meiner Sinne. Ehrlich erzählte ich meine Version, von dem Ausflug zum Dach, bis hin zum Zusammenstoß mit dem Wagen. Rick schüttelte neben mir nur immer wieder seufzend den Kopf über mich. Ein leichtes Grinsen schlich sich über meine Lippen, als ich ihn dabei ertappte. Aus Sams Augen konnte ich in diesem Augenblick nichts lesen. Er lauschte meiner Geschichte, ohne mit der Wimper zu zucken. Schließlich hatte ich die Fragen zu Jacks Zufriedenheit beantwortet und Rick schmiss die zwei Polizisten wieder aus meinem Zimmer. Sehnsüchtig sah ich einen Moment auf die Tür, die sich hinter Sam schloss, und schlug die Augen nieder. Rick hatte das Zimmer ebenfalls verlassen. Ich seufzte leise und versuchte wieder zu schlafen, denn die Kopfschmerzen hatten sich durch das viele Reden wieder etwas verschlimmert. Trotzdem gingen mir Sams Augen in diesem Moment nicht mehr aus dem Kopf. Drei Tage später wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Rick war mir in der Zeit kaum von der Seite gewichen und nach und nach hatte sich das Band zwischen uns weiter verstärkt und wir waren uns noch näher gekommen, als in unserer Jugendzeit. Sam hatte ich jedoch seit der Vernehmung nicht mehr gesehen. Von Rick wusste ich, dass dieser bei meinem Unfall dabei gewesen war. Dass er es gewesen war, der meinen Namen rief und erste Hilfe leistete. Von Rick wusste ich auch, obwohl dieser es nur zähneknirschend zugegeben hatte, das Sam auch nach der Vernehmung öfters im Krankenhaus vorgesprochen hatte, um über meinen Gesundheitszustand informiert zu werden. Doch Rick hatte ihn jedes Mal, nachdem der Arzt ihm Auskunft gegeben hatte, rausgeschmissen. Ich wusste, dass mein Bruder mich nur schützen wollte, doch eigentlich störte es mich, dass er so über mein Leben bestimmte. Andererseits war ich auch irgendwie froh, somit einer Konfrontation im Krankenhaus zu entgehen. Es war mir lieber mit ihm auf bekannten Terrain aufeinander zu treffen, als an diesem trostlosen, kalten und sterilen Ort. Daheim bei Rick angekommen, nahm ich mir diesen endlich zur Brust und breitete vor ihm meine Erkenntnisse der letzten Tage aus. Erstaunt und auch etwas erschüttert sah er mich aus großen Augen an, als ich ihm offenbarte, dass ich Sam noch eine zweite Chance geben wollte. „Warum hast du das nicht früher gesagt? Ich hätte ihn doch niemals im Krankenhaus so behandelt, wenn ich gewusst hätte, was du vor hast.“, warf er mir vor und verschränkte mürrisch die Hände vor der Brust. Ich zuckte leicht mit den Schultern. „Ich fand es schön, wie du dich um mich gekümmert hast“, erwiderte ich grinsend und tätschelte seinen Arm. Eingeschnappt wandte er sich ab und begab sich in die Küche, um uns eine Kleinigkeit zu kochen. Ich folgte ihm in den angrenzenden Arm und legte ihm einen Arm um die Schultern. „Entschuldige, Rick. Ich wollte dich damit nicht ärgern. Aber ich war wirklich froh darüber, nicht schon im Krankenhaus mit ihm sprechen zu müssen. Denn dieser Ort ist mir nicht geheuer, das weißt du doch.“, erklärte ich leise und war erleichtert zu sehen, das Rick sich etwas entspannte. „Schon okay. Aber denk bloß nicht, dass ich ihn das nächste Mal wenn er hier auftaucht, wieder so Rüde raus schmeiße. Denn eigentlich mag ich diesen Polizisten ganz gern.“ Ich lächelte leicht und setzte mich auf einen der Küchenstühle, um ihm Gesellschaft zu leisten. Ich hätte ihm gern geholfen, doch mit meiner gegipsten Linken war das schier unmöglich. Außerdem schmerzte der Arm bei der kleinsten Bewegung und ich fühlte mich durch die Gehirnerschütterung immer noch etwas wackelig auf den Beinen. Nach dem Abendessen, wo Rick erleichtert bemerkte, dass mein Appetit wieder deutlich zugenommen hatte, auch wenn ich nicht viel aß, aß ich doch genug, machten wir es uns noch ein bisschen auf der Couch gemütlich, bis wir schließlich ins Bett gingen. Am nächsten Morgen stand ich früh auf, um mich mit einer Mülltüte bewaffnet im Badezimmer zu verschanzen. Ich wollte Duschen und hatte seit gestern morgen auch die Erlaubnis des Arztes dazu, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass mein linker Arm trocken blieb. Umständlich wickelte ich diesen in die Tüte ein und zog mich dann aus, um mich unter den heißen Wasserstrahl zu stellen. Die Seife brannte etwas in den noch nicht verheilten Schürfwunden an meiner Schulter und meinem linken Becken, doch es war auszuhalten. Nach der Dusche lieh ich mir frische Kleidung von meinem Bruder und zog mich an. Dann gesellte ich mich zu Rick in die Küche und half ihm ein bisschen beim Frühstück zubereiten, so weit wie das einhändig möglich war. „Es tut gut, dich wieder so fröhlich zu sehen.“, bekannte dieser schließlich lächelnd, als wir uns gegen über saßen. Ich trank einen Schluck von meinem Kaffee und lächelte leicht. „Wann willst du zu ihm gehen?“, fragte Rick und warf einen nachdenklichen Blick auf die Uhr. Ich folgte seinem Blick und zuckte leicht mit den Schultern. „Heute ist Sonntag und meistens hat er Sonntags frei. Ich denke nach dem Frühstück.“ Rick lächelte leicht. „Ich denke es ist gut, wenn du so bald wie möglich zu ihm gehst.“ Ich nickte. Ich wusste, Sam hatte jetzt lange genug gelitten. Nach dem Frühstück half ich meinen Bruder noch etwas Ordnung zu schaffen, verabschiedete mich dann ohne viele Worte von ihm mit einer Umarmung und nahm den Zweitschlüssel zu seiner Wohnung mit einem sanften Lächeln entgegen. Ich wusste, was er mir damit sagen wollte. Ich war jederzeit willkommen und sollte mich wie zu Hause fühlen. Dankbar umarmte ich ihn ein zweites Mal, dann verließ ich die Wohnung. Vor Sams Haus verließ mich kurzzeitig der Mut. Geschlagene zehn Minuten stand ich nur vor der Tür, starrte auf die Klingel die unsere Namen, die Betonung liegt auf: UNSERE Namen, trug und suchte in meinem Inneren verzweifelt nach dem kleinen Stimmchen, welches vor ein paar Stunden noch so überzeugt war, diese Unternehmung durchzuziehen. Es dauerte. Doch schließlich klingelte ich. Ein paar Augenblicke später vernahm ich seine Stimme. Erkannte die Müdigkeit in ihr und fragte mich, ob ich ihn wohl geweckt hatte. Ein kurzer Blick auf meine Armbanduhr, doch es war bereits nach zehn Uhr. „...Ja?“ Ich holte tief Luft, straffte einen Moment lang die Schultern und erwiderte schließlich: „Ich bins...“ Stille. Es dauerte lange, bis er sich zurück meldete. Einen kurzen Augenblick dachte ich, er hätte mich nicht gehört, doch schließlich vernahm ich seine Stimme wieder. „....Jo?“ „Ja.“ Wieder hörte ich lange nichts. Gerade in dem Moment, als ich mich umdrehen und wieder gehen wollte, ertönte schließlich der Surrer der Tür und ich stieß sie schnell auf, bevor der Mut mich verließ. Ich sah ihn im Türrahmen gelehnt stehen, als sich die Türen des Aufzuges öffneten und ich einen Schritt nach draußen trat. Er trug eine bequeme Jogginghose und ein weißes, einfaches T-Shirt. Seine muskulösen Oberarme waren vor der Brust verschränkt. Sein Blick gab seine Gedanken und Gefühle nicht preis. „Hey...“, begrüßte ich ihn leise und kam vor ihm zum stehen. Er musterte mich kurz von oben bis unten, seine Augen blieben einen Moment zu lange auf meinem gegipsten linken Arm liegen, dann stieß er sich vom Türrahmen ab, löste seine Arme und vergrub stattdessen die Hände in den Hosentaschen. „Hey...“, antwortete ebenso leise und zögerte einen Moment, dann wies auf den Flur hinter sich. „Willst du rein kommen?“, fragte er mich und ich hörte eine kleine Nuance Hoffnung in seiner Stimme. Erleichtert nickte ich bestätigend und er ließ mir den Vortritt. Unsicher wartete ich, bis er die Tür hinter sich geschlossen hatte, schlüpfte zögernd aus meinen Schuhen und folgte ihm schließlich ins Wohnzimmer. Bevor ich die Couch erreichte, sprang mich ein kleines, getigertes Fellknäuel an und ich lächelte als ich Mikey erkannte. Schnell hob ich ihn hoch, drückte ihn kurz an mich und streichelte sein weiches Fell. Er maunzte zufrieden und sah mich aus großen, braunen Katzenaugen erwartungsvoll an. Wieder schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. „Ich kann dir noch nicht versprechen, ob ich bleibe, oder nicht. Das kommt ganz auf dein Herrchen an.“, flüsterte ich ihm leise zu und setzte ihn dann auf dem Boden ab. Wissend sah er mir noch einen Augenblick in die Augen und wandte sich dann seinem Spielzeug zu, mit dem er wohl gerade gespielt hatte. Ich setzte mich zögerlich wieder in Bewegung, sah Sam bereits vor der Couch stehen und trat auf ihn zu. „Willst du was trinken?“, fragte er mich leise und sah mir wieder mit diesem undefinierbaren Blick in die Augen. Ich schüttelte leicht mit dem Kopf. „Nein...danke. Gerade nicht.“ Er nickte und wies auf die Couch. „Wollen wir uns vielleicht setzen.“ Ich sparte mir die Antwort und ließ mich in das weiche Leder sinken. Er tat es mir gleich, zog ein Knie auf die Couch und wandte sich so mit dem Körper zu mir. Schweigend betrachteten wir uns gegenseitig, keiner schien recht zu wissen, wie er das ausstehende Gespräch beginnen sollte. Schließlich nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und setzte zum Sprechen an, doch er kam mir zuvor: „Wie geht es dir?“, fragte er beinahe tonlos und betrachtete während seiner Worte meinen linken Arm. Ich zuckte mit den Schultern. „Geht so. Tut noch weh, aber ist auszuhalten. Bin schließlich selbst schuld.“, erwiderte ich und wagte ein erstes Lächeln in seine Richtung. Doch er bemerkte es nicht. Sein Blick veränderte sich und ich las Schmerz und Schuld in seinen Augen. „Nein ist es nicht...“, erwiderte er und wandte seinen Blick schließlich ab. Ich schüttelte nachdrücklich mit dem Kopf. „Doch ist es. Ich habe mich in den letzten Tagen wirklich unmöglich benommen. Mein Verhalten dir und Rick gegenüber war unter aller Kanone. Es tut mir leid, dass ich dich ignoriert und mit meinem Verhalten verletzt habe. Ich hoffe du kannst mir noch mal eine Chance geben...“ Verwundert sah er auf und unsere Augen trafen sich. „Was...spinnst du? Nicht du solltest dich bei mir entschuldigen. Das ist vollkommener Blödsinn! ICH habe dir schließlich nicht vertraut und dir vorgeworfen mich belogen zu haben. Dass du damals gegangen bist und ich dich nicht aufgehalten habe...ich kann dir nicht beschreiben, wie oft ich dies schon bereut habe in den letzten zwei Wochen.“, erwiderte er ernst und ich spürte wie mir ein warmer Schauer den Rücken herunter rann, bei seinen Worten. Erleichtert atmete ich auf. „Das heißt du vergibst mir?“, fragte ich ihn leise und traute mich etwas näher zu ihm zu rücken. „Es gibt nichts zu vergeben. Die Frage ist eher, kannst du mir noch eine zweite Chance geben?“, entgegnete er fest und wieder trafen sich unsere Augen. Ich lächelte und schob mich noch etwas näher zu ihm, bis sich unsere Knie berührten. Dann hob ich meinen unverletzten Arm, legte ihn in seinen Nacken und zog ihn etwas zu mir nach unten. Seine Lippen waren meinen ganz nah und ich atmete tief durch um ein bisschen von seinem typischen Duft einzuatmen. Er lächelte zögerlich, vergrub ebenfalls eine Hand in meinem Haar und überbrückte die letzten Zentimeter die uns trennten. Seine weichen Lippen trafen auf meine und ich hatte mühe weiter zu atmen. Langsam bewegte er seine Lippen und ich öffnete den Mund einen spalt breit. Seine Zunge wagte sich zögerlich vor und verwickelte meine in einen kleinen Kampf. Mein Herz machte einen kleinen Sprung und ich spürte die Hitze in meinem Inneren, die sich langsam ausbreitete. Warme Schauer rannen über meinen Körper, als auch seine zweite Hand aktiv wurde und langsam meine rechte Seite entlang wanderte. Sein Kuss wurde intensiver, hungriger und ich ließ es zu, dass er mich noch näher zu sich zog. Ich spürte die Sehnsucht und war in diesem Moment glücklicher als je zuvor. Schließlich, als die Luft uns beiden zu knapp wurde, löste er seine Lippen von mir und sah mich schwer atmend an. Sein Blick war voller Zärtlichkeit, voller Liebe und ich wusste, jetzt würde ihn nichts mehr davon abbringen lassen, endlich die Worte auszusprechen, die ihm seit meinem Auftauchen auf den Lippen lagen. „Ich liebe dich!“ Ich lächelte. Und wusste, dass die Strapazen der letzten Monate es wert gewesen waren, um diese Worte, von diesem Mann, hören zu dürfen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)