Another solution von -Ray- ================================================================================ Kapitel 18: Awakening --------------------- Kapitel 18: Awakening Piep…Piep…Piep… Piep…Piep…Piep… Langsam öffnete ich die Augen. Erst nach mehrmaligem Blinzeln gelang es mir den grauen Schleier vor meinem Sichtfeld zu lösen. Über mir befand sich eine weiße, trostlose Wand. Schnell schloss ich die Augen wieder. Eine weiße, trostlose Wand…das konnte nur eins bedeuten… Um meinen Verdacht zu bestätigen wagte ich einen erneuten Blick. Rechts neben mir standen ein Infusionsständer und ein Sauerstoffgerät. Links befand sich ein Überwachungsmonitor. Mehrere Linien waren darauf abgezeichnet. Es dauerte einen Moment bis mir klar wurde, dass es meine Herzfrequenz und O2-Werte waren. Ergeben ließ ich meinen Kopf zurück ins Kissen sinken. Krankenhaus. Eindeutig. So stellte ich mir das Paradies nicht vor. Das war schon eher die Hölle. Mit einem Ruck saß ich kerzengerade im Bett. Scheiße…Krankenhaus?! Ne nicht mit mir! Ich sah an mir herunter. Ich trug ein weißes T-Shirt und Boxershorts. Meine linke Hand war bis zum Ellenbogen eingegipst. Meine Rechte zierte eine dicke Nadel und ein Fingerklipp steckte an meinem Zeigefinger. Ich zupfte ihn mir, mithilfe meiner restlichen Finger der rechten Hand, runter und sofort schlug der Monitor links von mir Alarm. Ich beachtete ihn nicht. Stattdessen zog ich mir mit den Zähnen die Infusion aus dem Handrücken. Es schmerze höllisch und sofort sprudelte ein wenig Blut aus der Wunde, doch das war mir egal. Ich zog die Elektroden an meinem Oberkörper weg und schwang die Beine aus dem Bett. Dann stand ich auf. Und wäre beinahe auf dem Boden gelandet. Mit einem Mal kehrten die Schmerzen zurück. Mein Kopf fühlte sich an als würde er jeden Moment zerbersten, mein linker Arm pochte, ich spürte jeden blauen Fleck in meinem Körper und stöhnte leise auf. Verdammt…was…was hatte ich nur wieder angestellt? Ich hielt mich eisern am Nachtkästchen fest und versuchte den bodenlosen Schwindel der sich in meinem Kopf fest setzte zu ignorieren. Schließlich ebbte der Schmerz etwas ab und ich war in der Lage wieder klar zu denken. Ich griff nach dem Infusionsständer und missbrauchte ihn als Stütze. Mit wenigen Schritten war ich an der Zimmertür angekommen und öffnete sie einen Spaltbreit um zu sehen ob die Luft für meine Flucht rein war. Tatsächlich hatte ich Glück. Ich riss die Tür weiter auf und wankte auf den Flur. Die Kopfschmerzen wurden wieder schlimmer. Ich schloss für einen Moment die Augen und stützte mich mit der rechten am Geländer, doch auch das half nichts. Komm schon du Weichei. Beiß die Zähne zusammen und halte durch, dachte ich mir und kämpfte mich noch einige Schritte weiter. Doch meine Beine trugen mich nicht mehr. Meine Knie knickten ein und ich brach zusammen. Alles drehte sich, meine Sicht verschwamm und meine Akustische Wahrnehmung verschlechterte sich zusehends. Stimmen erklangen, Schritte näherten sich, ein erschrockener Aufschrei, dann war ich weg. Als ich das nächste Mal erwachte, fiel es mir noch schwerer die Augen aufzuschlagen. Durch meinen Fluchtversuch hatte sich mein Allgemeinzustand zusehends verschlechtert. Eine leichte Übelkeit und ein nachhaltiger, penetranter Kopfschmerz hinter meiner Stirn hatten sich eingenistet. Tief atmete ich durch, stemmte die Augenlieder nach oben und sah an mir herab. Man hatte meine rechte Hand verbunden und mir in der Armbeuge eine neue Nadel gelegt. Die Elektroden waren alle wieder an ihrem Platz, doch kein Sauerstoffschlauch kitzelte mich an der Nase. Ich wandte meinen Blick nach links zum Fenster und entdeckte meinen Bruder. Mit vor der Brust verschränkten Armen stand er vor der großen Glasfront und starrte nach draußen. Er trug eine weiße Hose und einen blauen Kittel. Arbeitskleidung, schätzte ich. Verwirrt ließ ich den Kopf zurück ins Kissen sinken und stöhnte leicht als der Schwindel sich durch diese Bewegung wieder verschlimmerte. Rick wandte den Blick ab und sah zu mir herüber. Seufzend schlenderte er zu mir ans Bett, machte das hochgestellte Bettgitter runter und setzte sich neben mich. „Hey…“, begrüßte er mich leise und legte mir sanft die Hand auf die bandagierte Rechte. „Hi…“, erwiderte ich heißer. „Wie geht’s dir?“ Leicht schüttelte ich mit dem Kopf, darauf bedacht, keine ruckartigen Bewegungen zu machen. „Was…ist passiert?“, fragte ich leise. Meine Stimme war belegt, ich hustete, doch schlagartig schmerzten mir die Rippen dabei. „Du bist kopflos vor ein Auto gerannt.“ „Ach ja…stimmt…“ Kurzes Schweigen breitete sich zwischen uns aus. Eine ungewohnte Spannung lag in der Luft. Ich wartete. Wappnete mich innerlich. Schließlich kam der Ausbruch. „Was sollte das Joey?! Was hast du dir dabei gedacht?“ Vorwurfsvoll sah er mich an. Nicht-Verstehen und Schmerz blitzte in seinen Augen auf. Die dunklen Augenränder und die fahle blässe auf seinen Wangen sprachen für sich. Beschämt schlug ich die Augen nieder. „Sorry…“ „Erklärs mir Joey! Was ging nur wieder in deiner hohlen Birne vor sich, dass du dich vor ein Auto stürzt?!“, fragte er. Leicht zuckte ich zusammen, als ich den bissigen Unterton in seiner Stimme hörte. „Ich verstehe es nicht! Ich verstehe wirklich nicht, warum du mir das antust! Weißt du was für Sorgen ich mir gemacht habe? Erst bist du einen Tag lang verschwunden, dann kommt ein Anruf von Sam, du lägest im Krankenhaus, weil du vor ein Auto gerannt bist! War es Absicht? War das der zweite Selbstmordversuch?!“ Erneut zuckte ich zusammen. Seine Worte waren voller Sarkasmus. „Ich…“, begann ich, doch er unterbrach mich sofort. „Ach weißt du was? Scheiß drauf! Wenn du unbedingt meinst, sterben zu müssen, dann tu es doch! Aber streng dich das nächste Mal besser an, damit ich nicht wieder tagelang um dich bangen muss!“ Wütend stand Rick vom Bett auf und trat zurück ans Fenster. Betroffen starrte ich ihn an. Mir wurde eiskalt. „Ist das…dein ernst, Rick?“ fragte ich ihn leise. Meine Stimme zitterte. Ich biss die Zähne zusammmen, um das aufkommmende Schluchzen zu verhindern, doch gegen die Tränen, die sich langsam in meinen Augenwinkeln sammelten, konnte ich nichts ausrichten. Wollte mein Bruder wirklich meinen Tod? Wollte er mich endlich los werden, um sich nicht dauernd Sorgen um mich machen zu müssen? Wäre der Tod eine Erlösung für ihn? Täte ich ihm damit einen gefallen? Das konnte und wollte ich nicht glauben. Rick wandte sich erneut zu mir um und sein Blick sprach tausend Bände. Sorge und Schmerz standen darin. Sorge um meine Gesundheit, und Schmerz bei der Vorstellung ich könnte nicht mehr hier sein… Ich schloss die Augen voller Erleichterung. Ich musste mich einen Moment lang sammeln, um den Schmerz, den seine Worte ausgelöst waren, weit aus meinem Herzen zu verdrängen. Dann sah ich ihn wieder an. „Rick…das war keine Absicht.“ Er schnaubte genervt. „Und das soll ich dir glauben?“ Schweigend sah ich ihn an. Nach wenigen Sekunden schließlich antwortete ich: „Wenn auch du mir nicht mehr vertrauen kannst Rick, dann lohnt es sich wirklich kaum, dieses Dasein weiterhin zu fristen.“ Ricks Augen weiteten sich einen Moment. Dann trat er stumm auf mich zu, setzte sich zu mir und ließ sich nach vorne gegen meine Brust sinken. Ich hob meinen gesunden, rechten Arm und legte ihn beschützend auf seinen Rücken, drückte ihn so noch etwas näher an mich. „Es tut mir leid…“, flüsterte er und schluchzte. Beruhigend strich ich ihm über den Rücken. „Schon okay…“, antwortete ich ebenso leise und schloss ruhiger werdend die Augen. „Ich wollte das nicht sagen…“ „Ich weiß…“ „Im ersten Moment habe ich wirklich gedacht du wolltest dich umbringen. Das hat mich so wütend gemacht.“ „Entschuldige.“ Rick löste sich aus meiner Umarmung und schüttelte mit dem Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen.“ „Doch. Ich habe mich in den letzten Tagen wie das Letzte benommen. Und keine Rücksicht auf dich und deine Gefühle genommen. Es tut mir leid dass ich mich so gehen ließ.“ Rick nickte leicht und ich strich ihm liebevoll über den Kopf. Kurz breitete sich angenehmes Schweigen aus. Dann sah er mir in die Augen und hob den Kopf etwas an. „Was ist passiert, Jo?“, fragte er leise. Ich seufzte leise. „Ich habe mich ziemlich idiotisch benommen. Statt spazieren zu gehen, bin ich auf das Dach gestiegen, wo ich…du weißt schon... Und dort habe ich nachgedacht. Über früher, über jetzt, über Sam… Leicht alkoholisiert wie ich war und durch das warme Wetter wurde ich müde und bin schließlich in der prallen Sonne eingeschlafen. Als ich erwachte war es Dunkel und ich hatte einen mordsmäßigen Sonnenstich, also hab ich mich hoch gequält und versucht nach Hause zu gehen. Doch dann wolle ich über die Straße und plötzlich waren da die Lichter. Jemand schrie auf, doch da war es schon zu spät. Dann hat es mich erwischt…“ Kopfschüttelnd vergrub Rick das Gesicht in den Händen und fing schließlich leise an zu kichern. Dann lachte er laut los. „Das…hahaha…das ist so typisch für dich! Hahaha…“ presste er heraus und Tränen bildeten sich in seinen Augenwinkeln. Ich grinste nur müde. Er hatte Recht. So was konnte nur mir passieren. Es verging kaum eine Woche, ohne dass ich durch mein andauerndes Pech neue Blessuren davon trug. Außer in der Zeit bei Sam…da hatte ich erstaunlich wenig schmerzauslösende Aktionen vollbracht… Schließlich beruhigte sich mein Bruder und sah mich lächelnd an. „Gut dass du nach wie vor immer Glück im Unglück hast.“ Ich lächelte ebenfalls und nickte. „Das stimmt.“ Schließlich klopfte es an der Tür und der Arzt betrat das Zimmer. „Ach da bist du ja, Rick. Die Stationsschwester sucht dich. Scheinbar hast du vergessen die Regale im Lager noch mal aufzufüllen.“ Erschrocken sprang mein Bruder auf und verabschiedete sich mit einem Winken von mir. „So ein Mist, das gibt Ärger.“, fluchte er und verschwand aus dem Raum. Lächelnd kam der Arzt näher und reichte mir die Hand. Ich schlug ein und erwiderte das Lächeln einen Moment lang. „Wie geht es Ihnen?“, fragte er und griff nach der Akte, die er auf dem Nachtkästchen abgelegt hatte und überflog die ersten zwei Seiten. „Bescheiden. Danke.“ Er lächelte erneut und sah von der Akte auf. „Sie hatten ganz schön großes Glück.“ Ich nickte leicht. „Ja…das hatte ich…“ „Bis auf die distale Radiusfraktur links haben Sie keine weiteren Brüche. Natürlich sind sowohl die Rippenprellung als auch die mittelschwere Gehirnerschütterung ernst zu nehmen doch im Großen und Ganzen hatten sie wirklich Glück.“ „Okay..“ Der Arzt wandte sich wieder seinem Klemmbrett zu und überflog die nächsten Seiten. „In ihrer Krankenakte ist ein vermerk, dass sie vor wenigen Monaten einen Drogenentzug begonnen haben. Wie steht es damit?“ „Schauen Sie bei meinen Blutwerten nach.“ Er lächelte leicht und blätterte weiter. „Gut wie es scheint. Waren sie auch medikamentenabhängig?“ Ich schüttelte mit dem Kopf. Er vermerkte das in seiner Akte und sah dann wieder auf. „Tut mir leid für diese nicht sehr taktvollen Fragen. Doch es ist wichtig, der Schmerzmedikamente wegen.“ „Ich bin froh wenn Sie diese so gering wie möglich halten.“ Er nickte. „Die Schwestern sollen Ihnen bei Bedarf etwas geben.“ Ich lächelte dankbar. Schließlich erhob er sich. „Gut, dann werde ich meinen Rundgang beenden. Übrigens…vor ihrer Tür wartet seit ihrer Einlieferung ein junger Polizist auf Nachrichten über ihren allgemeinzustand. Soll ich ihn aufklären?“ Ich zögerte kurz und nickte dann. „Ja. Und wenn sie schon dabei sind, dann zeigen Sie ihm bitte meine Blutwerte.“ Er lächelte und verabschiedete sich mit einem Winken. Dann verließ er den Raum. Seufzend drehte ich mich so gut es ging auf die linke Seite und stopfte mir ein Kissen in den Rücken. Ich sah aus dem Fenster und versuchte das Chaos in meinem Inneren in den Griff zu bekommen. Sam saß vor dem Krankenzimmer und das schon seit meiner Einlieferung. Das hieß, er saß schon seit geschlagenen 48 Stunden dort und wartete vergebens auf Nachricht. Anscheinend hatte Rick ihm keine Auskunft über meinen Zustand gegeben. Doch warum? Konnte es sein…das Rick Sam insgeheim die Schuld an dieser ganzen Miserie gab? Und das obwohl er den Polizisten zu Beginn unseres…“Zerwürfnisses“ so in den Schutz genommen hatte? Ja…das war die einzige logische Erklärung dafür, dass Rick ihm nichts gesagt hatte… Verwirrt schob ich den Gedankengang zur Seite und widmete mich dem nächsten Problem: Was tun, wenn Sam einfach ins Zimmer hereinplatzte? Ich konnte ihm schließlich kaum davonlaufen in meinem jetzigen Zustand. Wollte ich das denn überhaupt? Wollte ich ihm nicht lieber die Chance geben sich bei mir zu entschuldigen? Und dann? Wie ging es dann weiter? Einfach dort anknüpfen wo wir aufgehört hatten ging wohl kaum. Doch vielleicht wäre es eine Möglichkeit sich langsam wieder einander anzunähern. Niemand zwang mich dazu mich ihm wieder voll und ganz anzuvertrauen. Ich konnte die Sache auch einfach nur laufen lassen. Sehen was passiert. Gucken wie sich das ganze entwickelt… Doch war die Wahrscheinlichkeit viel zu groß, dass ich ihn wieder zu sehr in mein Herz lassen würde. Würde er mich dann wieder so enttäuschen, wie sollte ich dass dann noch aushalten? Wie sollte ich damit umgehen? Ich schüttelte leicht mit dem Kopf und schob auch diesen Gedanken in die hintere Ecke meines Gedächtnisses. Also…wie sollte ich auf ihn reagieren? … Vielleicht wäre es das beste, einfach nicht so viel darüber nachzudenken… Gähnend schloss ich die Augen und kuschelte mich weiter in das weiche, flauschige Krankenhauskissen. Am besten ich versuchte erst einmal ein paar Stunden zu schlafen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)