Begegnung von Otogi ================================================================================ Kapitel 5: Hin- und Hergerissen ------------------------------- Georgie ging gedankenverloren und mit sehr langsamen Schritten den Waldweg entlang. Sie überlegte, wie sie es Abel sagen sollte. Mit welchen Worten sie beginnen sollte und wie sie es so formuliert, dass es Abel verstehen wird. Doch letztendlich kam sie zu dem Schluss, dass es egal sei, wie sie es sagen würde. Der Sinn blieb der derselbe. Von weitem hörte sie das krachende Geräusch der Axt, welche gegen den Baum donnert. Sie schlich sich näher an Abel heran und beobachtete ihn sehr stolz. In diesem Moment erinnerte sie sich daran, wie sie früher einmal hier stand und ihrem Vater beim Holz hacken zugesehen hat. Nun empfand sie dasselbe Gefühl wie damals. Abel sah seinem Vater sehr ähnlich. Er war zu einem erwachsenen Mann geworden. dachte sie bei sich, während sie ihn noch immer beobachtete, ohne dass es Abel merkte. Als ihr diese Gedanken in den Sinn kamen, hatte sie plötzlich ihren Mut verloren. Den Mut, es Abel in diesem Moment zu sagen. Sie drehte sich um und wollte gerade wieder gehen, als Abel sie jedoch bemerkte und rief. "Georgie, was machst du denn hier?" Gebannt blieb Georgie stehen und sah wieder zu ihm. Er stand da, sein Oberkörper war frei und glänzend von den wenigen Schweißperlen an seiner Brust und im Gesicht. Er nahm sein Hemd und wischte sich daran ab. "Entschuldige bitte, Abel." meinte Georgie "Ich wollte dich nicht bei der Arbeit stören." Abel legte ein sanftes Lächeln auf "Aber Georgie, du störst mich doch nicht. Ich wollte sowieso gerade eine Pause machen. Gehen wir einwenig zum Fluss. Eine Abkühlung würde jetzt so gut tun." "Sehr gerne." willigte Georgie ein. Er stellte das Beil am Baum ab und gemeinsam machten sie sich auf den Weg zum Fluss. "Was macht denn dein Vater, Georgie? Bleibt er im Haus und macht uns etwas zu essen?" Abel lachte laut. Doch Georgie verstand nicht so ganz, wie er es meinte. "Äh, wie?" "Naja, wenn du gerade hier bist. Dann muss doch jemand den Haushalt machen. Oder nicht?" Abel lachte noch immer. Obwohl Georgie auch lachte, merkte Abel, dass sie irgenwie abwesend wirkte. Doch er sagte nichts weiter. Am Fluss angekommen tauchte Abel seinen Kopf ganz tief in das Wasser hinein. Kopfschüttelnd wie ein Hund schrie er zu Georgie. "Das tut gut! Das Wasser ist so herrlich!" Er lief zu Georgie und packte ihre Hand. "Komm, Georgie. Ich möchte dir etwas zeigen." Und dann rannte er los und hielt ihre Hand so stark, dass sie mit ihm mit laufen musste. Sie liefen den Fluss entlang zu ihrer Wiese, auf der so viele verschiedene Blumen wuchsen. Abel schmiss sich in das Blumenmeer hinein und riss Georgie gleich mit sich mit. "Siehst du, wie wunderschön es hier ist, Georgie? Es wachsen immer andere Blumen hier. Und eine schöner als die andere." Georgie sah sich um. Sie waren schon lange nicht mehr zusammen hier gewesen. Nur verstand sie nicht ganz, wieso Abel sie hierher brachte. "Ja. Du hast Recht, Abel. Die Blumen sind wirklich schön." sie lächelte. Sie lagen beide ruhig und still eine Zeit lang in den Blumen, bis Abel auf einmal sehr ernst wurde. "Du hast mir meine Frage gar nicht beantwortet, Georgie." Sie sah ihn fraglos an. "Welche Frage denn, Abel?" "Wieso bist du in den Wald gekommen, Georgie?" Sie senkte den Kopf und sah ganz tief in den Kopf einer violetten Blume. Schweigend. Sie überlegte sich, wie sie anfangen sollte. Denn es stimmte auch. Sie hatte ihm seine Frage nicht beantwortet. Sie war zu ihm gekommen, um ihm zu sagen, dass Lowell sie gebeten hatte, mit ihm nach London zurückzugehen. Sie war fest dazu entschlossen, es Abel zu sagen. Aber nun saß sie ratlos neben ihm und konnte kein Wort herausbringen. "Georgie.." Abel nahm ihr Kinn und drehte ihren Kopf sanft zu ihm, sodass sie ihn ansehen musste. "Ich sehe doch, dass du mir etwas Wichtiges zu erzählen hast." Abel sah ihr tief in die Augen. Wie gern würde er sie jetzt in den Arm nehmen. Sie spüren und sie berühren. Seine Leidenschaft schoss so stark in ihn. Sein Herz begann viel schneller zu pochen. Allein die kleine Berührung ihres Kinns und der Blick in ihr wunderschönes Gesicht versetzen ihn in Rage. Sie ist in den zwei Jahren noch schöner geworden. Er hatte sie auf diese Wiese gebracht, weil all die Blumen neben ihrer Schönheit verblassten. Der Anblick, wie sie in den Blumen saß, war einfach Traumhaft. "Oh, Abel.." Georgie entglitt seiner Hand und stand auf. Sie drehte sich um und spielte an der violetten Blume, die sie gepflückt hatte, herum. "Ich weis nicht, wie ich es dir sagen soll." Abel stand ebenfalls auf und legte seine Hände auf ihre Schultern. Er betrachtete ihr blondes Haar. "Du kannst mir alles sagen, Georgie." Sie drehte ihren Kopf sehr langsam zu ihm herum. Ihre Augen starrten glänzend an ihm vorbei in die Leere. Abel sah ihr an, dass sie traurig war. Doch der Anblick dieses Gesichtes lies sie wie einen Engel erscheinen. In diesem Moment war er so gebannt von ihrem Anblick, dass er das Gefühl hatte, er würde nicht ihre Schultern halten, sondern ihre Flügel. Er packte sie fester, als hätte er Angst, dass sie ihm nächsten Moment fortfliegen würde. Seine Gefühle überwältigten ihn, doch er musste sich zügeln, Georgie auf keinen Fall zu Nahe zu treten. Auch Georgie merkte, dass Abels Griff an ihre Schultern fester wurde, was ihr die nächsten Worte nicht erleichtern ließ. "Es.. Es ist wegen Lowell.." Abel schloss die Augen. Vorsichtig sprach Georgie weiter. "Er hat mich gebeten, mit ihm nach London zu gehen." Abels Herz zerbrach innerlich. In diesem Moment hätte er tausend Stiche in sein Herz bekommen können. Doch sie würden noch lange nicht so schmerzen wie dieser Augenblick. Abel wollte es nicht wahrhaben. Obwohl er sich dies hätte denken können. Um nichts auf der Welt wollte er sie gehen lassen. Sein Zorn auf Lowell stieg so stark in ihm auf. Es war so schwer für ihn, sich im Zaun zu halten, doch er bemühte sich um Georgies Willen. Er dachte daran, sie nicht unglücklich zu machen. Wie sehr er sie auch liebte, er musste ihre Entscheidung akzeptieren. Am liebsten würde er sie so stark festhalten, dass sie gar keine Chance mehr hatte, von hier fort zu gehen. Und er dachte eben an den Moment, als er sie als Engel gesehen hatte. Denn jetzt wusste er, dass dieser Engel seine Flügel ausbreiten würde, um sich bereit zu machen, davon zu fliegen. Und dass er nichts dagegen tun konnte, als hilflos dabei zu zusehen. "Und..." Abel schluckte. Er versuchte Tränen zu unterdrücken. "Und was willst du tun, Georgie?" Er hielt seine Augen fest geschlossen, damit er ihr nicht in die Augen sehen musste, wenn sie ihm ihre Entscheidung mitteilen würde. Georgie wendete ihren Kopf wieder nach vorn. Denn sie konnte den Anblick von Abel nicht ertragen. Es tat ihr so Leid. "Ich.. Ich weiß es nicht, Abel." Sie zögerte "Was wird denn dann aus der Farm? Ich weis nicht, ob du und Arthur es alleine schaffen werdet." An diesen Worten erkannte Abel sofort, dass Georgie ihre Entscheidung schon längst getroffen hatte. Er wusste, dass sie nach London gehen wollte. Und er wusste auch, dass er sie von ihrer Entscheidung nicht abhalten durfte. So schmerzlich es auch für ihn war. Er musste sie gehen lassen. Sie hatte einfach keine Liebe für ihn. Das hatte sie nie und das ist Abel klar. Nun konnte er sich nicht mehr zurück halten. Er drehe Georgie mit einem Ruck zu ihm herum. Sie schloss fest ihre Augen um Abels Gesicht nicht sehen zu müssen, denn sie konnte ihm in dem Moment einfach nicht in die Augen sehen. Einen Moment lang zögerte er, doch dann gab er ihr einen langen, zärtlichen Kuss auf den Mund. Georgie riss ihre Augen auf. Es schossen völlig kontrolllos Tränen aus ihnen heraus. Sie wollte sich davon entreißen, doch Abel hielt sie so fest, dass sie sich nicht wehren konnte. Sie weinte. Sie weinte so stark, denn sie fühlte sich in dem Moment so hilflos. Wieso tat Abel ihr so etwas an? Sie hatte ja gar nicht damit gerechnet, dass Abel so reagieren würde. Obwohl sie ihn schon so lange kannte und wusste, was er für ein Mensch war, kam dieser Kuss so unerwartet. So überraschend und er verursachte eine solch starke Angst in ihr, dass sie am ganzen Körper zu zittern begann. Sie schloss fest ihre Augen und wollte, dass dies so schnell wie möglich vorbei ging. Abel wich mit seinem Gesicht zurück. Er hielt seine Augen geschlossen. Denn auch er konnte Georgies Anblick nicht ertragen. Seine Tränen konnte er ebenfalls nicht mehr zurück halten. Auch weinte er, weil er Georgie gerade sehr wehgetan hatte. Dabei wollte er die ganze Zeit, dass dies nicht passiert. Er wollte ihr nicht wehtun, doch nun ist es doch passiert. Er konnte einfach nicht anders, er war von seinen Gefühlen so überwältigt. Dies versetzte ihn in eine gewisse Angst. Angst vor sich selbst. "Georgie, es tut mir so Leid!" schluchzte er. Noch immer mit geschlossenen Augen und mit gesenktem Kopf. "Bitte verzeih mir! Ich wollte dir nicht wehtun... Arthur und ich.." er ließ ihre Schultern los. "Wir kommen allein zu recht auf der Farm. Es ist deine Entscheidung und ich werde sie akzeptieren!" Noch im selben Augenblick wandte sich Abel von ihr ab und lief davon. Er lief so schnell er nur konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)