Destiny doesn't change things von abranka ================================================================================ Kapitel 1: I. Act ----------------- Irgendwie war irgendwann alles außer Kontrolle geraten. Ungewollt und – natürlich – ungebeten. Irgendwie schien das Schicksal doch seinen eigenen Gesetzen zu gehorchen. Es ließ sich nicht lenken, nicht bestimmen. Das bewies Van immer wieder, genauso wie dieses fremde Mädchen, Hitomi Kanzaki... Folken ging langsam die letzten Schritte durch das kalte Wasser ans Ufer. Wellen umspielten seine Stiefel und zerrten an dem langen Mantel, der ihm nass und schwer um die Schultern hin. In dicken, feuchten Strähnen lag das graue Haar in seinem Nacken. Er drehte sich um und sah zurück. Die brennenden Überreste der fliegenden Festung versanken langsam im Meer. Und wenn Naria und Eria nicht so... überzeugend gewesen wären – kurz stand ihm der jämmerliche Ausdruck auf den Gesichtern der gezeichneten Katzenfrauen vor Augen –, würde er dort mit ihnen untergehen. Langsam ließ sich der zaibacher General in den Sand sinken. Er zog die Knie an, stützte die Arme darauf und verbarg das Gesicht in den Händen. Die Katzenfrauen waren nur weitere Schachfiguren gewesen. Nichts anderes. Sie waren ihm gefolgt. Blind. Naiv. Vertrauensselig. Er schluckte hart und fuhr sich durch die Haare. So lange waren ihm Menschenleben gleich gewesen – was bedeuteten da schon zwei mehr? „Alles...“, wisperte eine Stimme in seinen Gedanken. „Alles.“ Denn sie hatten etwas verändert, was er nie für möglich gehalten hatte. Er hatte sich auf dem richtigen Weg gewähnt, auf dem einzig wahren. Doch er hatte sich getäuscht. Dornkirk hatte sich getäuscht. Das Schicksal lässt sich nicht verändern – und das Schicksal ändert nichts. Folken starrte vor sich hin. Nicht weit vom ihm entfernt stand Eriyas Guymelef, mit dem er sich aus der unrettbar zerstörten Festung gerettet hatte, in den Wellen. Alles war außer Kontrolle geraten. Alles... Folken stand am Fenster. Fassungslos sah er dem heranrasende Guymelef entgegen. Escaflowne. Sein Bruder war hier. Sein Bruder war hier und griff an. Blind, zornig, mit Urgewalt. Alles war außer Kontrolle geraten. Alles. Und das nur wegen diesem kleinen Mädchen vom Mond der Illusionen. Wegen diesem Mädchen, dessen Bedeutung Folken nicht erkannt und das er als unwichtig abgetan hatte. Das rächte sich. Es hatte sich schon vorher gerächt, aber jetzt tat es das mit aller Macht. Mit der Macht des berühmten Guymelefs von Isparno. Escaflowne tobte durch die Brücke und kam schliddernd vor Folken zu stehen. Ruhig sah der General zu ihm auf. Die Sichtluke öffnete sich und Van blickte seinem Bruder entgegen. Er war so jung. So unendlich jung... „Bruder!“ Wut lag in diesem Wort. Unermessliche Wut. „Van, warum verstehst du es nicht? Der Tag, an dem die neue Welt entstehen wird, ist so nah...“ Folkens Worte waren leise. Bittend. Noch immer sah er die Hoffnung, dass sein Bruder und er einmal Seite an Seite stehen würden. Gemeinsam für das Richtige kämpfend. Friedlich. Auf die Art, die Dornkirk ihnen gab. „Es ist unsere letzte Schlacht, Van. Es wird keine mehr geben, wenn das Schicksal erst neu geordnet wurde...“ Für einen Moment schien der Junge mit sich zu kämpfen, doch dann schloss sich die Luke so schnell, wie es sich geöffnet hatte. Escaflowne riss das Schwert hoch. Ruhig sah Folken zu der Maschine auf. Dann sollte es eben so sein. Dann würde das neue Zeitalter ohne ihn anbrechen. Spielte das eine Rolle? Er war doch nur ein winziges Zahnrad im Räderwerk der großen Maschine. Sein Tod war für die Sache verschmerzbar. Dann verlangte es eben das Schicksal, dass er für ihre Sache starb. Und was das Schicksal wollte, das sollte es auch erhalten. Doch Escaflownes Schwert sollte ihn nie erreichen. Es war Eriyas Guymelef, der sich dazwischen warf, Escaflowne von den Beinen riss und selbst quer vor Folken zum Liegen kam. Naria sprang von der Hand des Guymelefs und stellte sich zu ihrem General, während sich Eriyas Guymelef bereits wieder aufrichtete. „General Folken, überlasst ihn uns.“ Naria hielt sich nur taumelnd auf den Beinen und ihr Gesicht war gezeichnet von der Gegenreaktion des Glücksexperimentes. Dennoch war sie fest entschlossen, ihn zu verteidigen. Ihn, der ihr und ihrer Schwester das angetan hatte. Ihn. „Wag es nicht, ihn anzurühren!“ Eriyas Stimme drang aus dem Cockpit ihres Guymelefs und überschlug sich fast. „Wag es nicht!“ „Die Kriegerinnen des Glücks...“, murmelte Van leise, noch immer etwas verwirrt über das plötzliche Erscheinen der beiden Schwestern. „Er sorgt sich um dich, du Idiot! Er sorgt sich!“, schrie Eriya weiter. Angesichts dieser Worte hätte Folken zu gerne das Gesicht seines Bruders gesehen, doch der Guymelef verwehrte es ihm. Er konnte sich nur ausmalen, welche Überraschung sein Bruder gerade erlebte. Doch es stimmte... Irgendwie kümmerte er sich um Van, sorgte sich. Und wollte ihm einen Platz in dieser neuen Welt verschaffen. „Warum kapierst du das nicht?! Und ich werde nicht zulassen, dass du ihn verletzt! Ich werde nicht zulassen, dass du ihn traurig machst! Wir werden es nicht zulassen!“ Die Stimme der blonden Katzenfrau überschlug sich. Und kurz darauf auch die Ereignisse. Irgendetwas reagierte. Ob es jetzt der eigenwillige und seltsame Energiestein von Escaflowne war, ob die Gegenreaktion des Glücks endgültig einsetzte oder einfach eine der vielen elektrischen Leitungen, die Van beschädigt hatte, explodierte und eine Kettenreaktion nach sich zog, Folken wusste es nicht. Das einzige, was er wusste war, dass die Welt urplötzlich grell weiß wurde und sich Naria gegen ihn presste, ihn mit ihrem eigenen Körper schützte. Flammen schlugen durch den Boden, fraßen sich an den Wänden entlang und rissen ein gigantisches Loch in die Festungswand. Als der Rauch sich legte, war Escaflowne verschwunden. Folken war allein mit Naria und Eriya. Die beiden Katzenfrauen lehnten sich an ihn. Schwach und alt geworden, ausgezerrt von der Gegenreaktion des Glücks. Folkens Hände krampften sich um die Schultern der Kriegerinnen. Das war es nicht, was er gewollt hatte. Das war nicht vorhersehbar gewesen. Das war nicht das Schicksal! „Bitte, General Folken... Verlasst die Festung. Ihr müsst gehen...“ Die Stimmen der beiden Katzenfrauen vermischten sich zu einem gemeinsamen Singsang. „Macht Euch um uns keine Sorgen... Wir sind froh, Euch gekannt und Euch gedient zu haben...“ Langsam wurden ihre Stimmen schwächer und Folken konnte regelrecht spüren, wie das Leben aus ihnen verschwand, so wie sie auch das Glück verlassen hatte. „Wir sind glücklich zu sterben, während Ihr über uns wacht...“ In Folken zog sich alles zusammen. Das sollte nicht so sein! Innerlich schrie er auf. Doch nach außen hin brachte er keinen Ton über die Lippen. Er hatte das Gefühl, erfroren zu sein. Nichts mehr tun zu können. Nichts mehr sagen zu können. Ja, fast spürte er, dass er selbst starb. Er senkte den Kopf, vergrub ihn in den Haaren der beiden Katzenfrauen. Schmerz überflutete ihn. Schmerz, der ihm so lange unbekannt gewesen war. Plötzlich sprang hinter ihm der Bildschirm an. Das Gesicht des Imperators erschien. „Es gab eine Gegenreaktion des Glücks?“ Seine Stimme war kalt, sachlich und auf die Wissenschaft bezogen neugierig. Aber die beiden Katzenfrauen selbst, sie interessierten ihn nicht. Interessierte ihn überhaupt irgendjemand anderes? Interessierte ihn das Leben eines anderen Menschen? Folken presste die Lippen fest zusammen, damit er seinen Zorn nicht unkontrolliert hinausschrie. „Eine Reaktion des Unglücks auf das künstlich erweiterte Glück? Interessant. Das Experiment war über all meine Erwartungen hinaus erfolgreich. Ich kenne jetzt die Antwort. Ich kenne die Antwort auf die Frage, die schon immer die Menschheit bewegt hat... Das Gleichgewicht des Schicksals...“ Jedes einzelne Wort war wie ein Messer, das sich in Folkens Körper grub und immer wieder umgedreht wurde. Jede Silbe schmerzte. Genauso die Kälte in Dornkirks Stimme, die Teilnahmslosigkeit, die Konzentration auf das rein Wissenschaftliche. Folken konnte nicht mehr. Er stand auf, ließ Naria und Eriya leblose Körper behutsam zu Boden sinken und drehte sich um. „Ihr habt Euch geirrt“, sagte er leise. Dann schrie er. „Ihr habt Euch geirrt!“ Im gleichen Augenblick explodierte auch der Bildschirm und die fliegende Festung gab ihr letztes Lebenszeichen von sich. Nun war sie endgültig tot... Folken starrte vor sich hin. Die fliegende Festung war nicht mehr. Naria und Eriya waren nicht mehr. Und das Schicksal... Das hatte eindrucksvoll bewiesen, dass es sich nicht steuern ließ. Und so langsam zweifelte Folken daran, dass es überhaupt existierte. Das Schicksal lässt sich nicht verändern – und das Schicksal ändert nichts. Jetzt war es an der Zeit, dieses Ergebnis dem Imperator vorzuführen und seinen Fortschritt auf diesem Irrweg zu verhindern. Wofür? Für das, was der Kaiser immer angestrebt hatte: Für das Wohle Gaias. Und dafür brauchte er Verbündete. Verbündete auf einer Seite, die ihn niemals erwarteten. Er brauchte Van. Und er brauchte das Mädchen vom Mond der Illusionen. Und eine verdammt gute Idee, um alles in die – in seinen Augen – richtige Richtung zu lenken. 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