Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III von masamume ================================================================================ Kapitel 53: Kapitel 53 ---------------------- Kapitel 53 Seth hätte nicht sagen mögen, in der Wüste schliefe es sich bequem und entspannt, doch besser geruht, hatte er selbst dort. Die Geräusche im Tempel kamen ihm des nächtens ungewohnt ans Ohr, hinter jeder Ecke musste man einen fremden Soldaten vermuten, die Obacht musste stets wachen. Obwohl der Tempel der einzige Ort war, in welchem die fremden Soldaten keinen Zutritt hatten, so machte sich selbst dort Anspannung breit. Man musste keine Uniform tragen, um Attentäter zu werden. Und besonders Seth wurde nun unter alle Blicke genommen. Er kam sich so nutzlos vor und doch spürte er deutlich, dass das Interesse an seiner Person gestiegen war. Es war nicht zu beschreiben, doch er spürte alle Blicke auf seinem Rücken. Und als der Pharao ihn entgegen aller Hoffnung weder am Abend noch in der Nacht zu sich rief, fand sein Herz keine Ruhe mehr. Er hörte am nächsten Morgen schon früh, dass der Pharao wichtige Unterredungen führte und so brauchte es auch keinen Versuch, ihn sehen zu wollen. Wenn der König ihn zu sehen wünschte, würde er nach ihm schicken. So blieb Seth nur ein herzensschweres Seufzen, das Morgengebet und stilles Warten auf ein Zeichen. Er hatte die Wahl zwischen dem Besuch im Unterricht, dem Herrichten des Amun-Altars oder einem Spaziergang in die Stadt. Doch weder bereits erlernter Stoff, noch das Aufräumen des Tempels noch diese stechenden Blicke schienen ihm eine gute Art, seinen Schwermut zu bekämpfen. So widmete er sich einer Herzensangelegenheit und suchte den Tempelgarten auf. Dort fand er seine Pflanzen zwar gepflegt, nicht jedoch in vollster Pracht. Die Blühten seiner Kakteen waren teilweise abgefallen und hingen an den Stacheln fest, was ihnen einen traurigen Ausdruck verlieh. Und in seinem mehr als geliebten Gras fanden sich hellgelbe Brandflecken. Es war verständlich, dass sich der Gärtner nicht mit demselben Elan um den Rasen eines unteren Priesters kümmerte wie um den repräsentativen Palastgarten, aber doch hatte er sich während seiner Abwesenheit etwas mehr gewünscht. Hatte nun jedoch den Vorteil, dass ihm Beschäftigung gegeben ward. So nahm er sich die trockene Saat, hakte den dunklen Boden auf und brachte die Füllung der kahlen Stellen aus. Während seine Hände in der satten Erde arbeiteten, beruhigte sich sein Herz. Die Erinnerungen, welche dieses schlichte und doch seltene Gewächs mit sich brachte, vermochte wohl kaum jemand zu verstehen. Doch bedeutete es ihm so viel. Er sah das kräftige Grün leibhaftig vor sich, spürte die samtene Kälte an seinen Fußsohlen. Auch wenn die Gesichter seiner einstigen Familie verschwommen waren, so dachte er doch gern daran zurück, wie es war, über das gleiche Gras zu gehen. Wenn er seinen Vater in den Tempel begleitete und doch mit seinem Bruder außerhalb auf seine Rückkehr wartete. Obwohl er nicht genau wusste, ob er wirklich warten musste oder ob er extra zum Spielen mitgenommen wurde. Er erinnerte sich nur klar an das Gefühl der Ruhe und der Geborgenheit, welches von dem Tempelgras damals ausging. Die einzige Erinnerung, welche ihm geblieben war. Und geweckt durch seine erste Nacht im Palast. Als der Pharao seine Hand griff und mit ihm dieses vertraute Gefühl widerbelebte. Seth hatte geglaubt, es gäbe keine Gefühle mehr für ihn und doch hatte der Pharao sein Herz damit angefüllt. Mit diesem grünen Gewächs verband ihn so viel. Und es war auch inmitten des hohen Flussgrases, in welchem er seinen geliebten Atemu zum ersten Male küssen durfte. Als er ihn berührte, seine Lippen schmeckte und seine Haut. Als er seine süße Stimme hörte und die Hitze seines Atems kostete. Immer sah er vor sich das satte Grün und spürte seine weiche Beschaffenheit, welche sich doch so unbesiegbar stark immer wieder aufrichtete. Es waren schöne Erinnerungen mit viel Wert. Und wenn er sein Gras pflegte so fühlte er, er pflegte auch sein Herz. „Haben wir dich doch gefunden. Im Tempel versteckst du dich besser als ein Fisch im Wasser.“ Seth hob seinen Blick und sah Fatil durch die geöffnete Tür auf sich zukommen. Doch neben dem Fakt, dass er sich noch immer über sein kurz rasiertes Haar erschrak, war der Fakt seiner Begleitung wesentlich aufwühlender. Ihm an der Seite ging der Pharao und hatte ein Lächeln aufgelegt, während er knapp hinter ihm in den Garten kam. Er sah so zauberhaft aus, wenn das Sonnenlicht auf seinen lachsfarbenen Rock fiel und seinen weißen Umhang strahlen ließ. Seine erblasste Haut schimmerte und sein Körper wirkte trotz seiner mageren Statur so elegant, dass Seth sich zu keiner ebenso kecken Antwort wie Ansprache wachrufen konnte. „Du schaust, als würdest du einen Geist sehen, mein Seth.“ Der Pharao kniete sich zu ihm und lächelte ihn sanft an. Dies erst weckte den jungen Priester und ließ ihn nach der königlichen Hand greifen, um einen ergebenen Kuss daraufzusetzen. „Verzeiht. Ich vermutete Euer Erscheinen nicht“ entschuldigte er und blickte ihn überwältigt an. „Ich wünsche Euch einen guten Morgen, Majestät.“ „Den wünsche ich dir auch, mein Seth.“ Er drückte seine Hand und blickte zu Fatil zurück, als wolle er sich absichern. „Nun denn“ beschloss der und verschränkte die Arme vor der Brust, während er Seth nach alter Strenge ansah. „Ich erwarte, dass du auf den Pharao Acht gibst und dafür sorgst, dass er den Tempel heute nicht verlässt. Sollten mir Klagen kommen, werde ich mir persönlich etwas zur Rache einfallen lassen.“ „Fatil …“ Darauf wusste er nichts zu entgegnen. Er sah sich vor den Kopf gestoßen. „Lass das doch. Du bist gemein“ lachte der Pharao und schüttelte seinen Kopf. „Geh irgendwen anderes bescherzen, Fatil, und vergälle mir nicht meine Priester.“ „Wie Ihr meint, Hoheit. Ich empfehle mich. Seth.“ Er nickte auch ihm nochmals zu und drehte sich dann herum, ging fort so geschwind wie er gekommen ward. Und ließ den Pharao einfach bei Seth mitten im Tempelgarten. „Nun schau doch nicht so wie eine Kuh bei Regen“ lachte Atemu und setzte sich ganz frei neben ihn auf den Boden. „Aber Hoheit.“ Er blickte nun ihn an, seine Verwirrung unverborgen. „Verzeiht, ich weiß nicht, was ich von diesem Überfall denken soll.“ „Du kennst doch Fatils schlechten Humor. Er meinte das nicht so ernst.“ „Ich meine nicht nur seine morbiden Scherze, sondern vor allem Euer plötzliches Erscheinen.“ „Um ehrlich zu sein, ist dieses in der Tat Fatils Schuld. Er hat geschimpft mit mir.“ Er seufzte und betrachtete den aufgewühlten Boden, in welchem nun neue Saat schlief bis sie erwachen würde. „Er kam zu mir heute Morgen und sagte, er würde ab sofort keine Verantwortung mehr tragen wollen. Er drohte damit, mich aus der Stadt zu entführen und dies meinte er wahrlich ernst.“ „Dann seid Ihr hier her in den Tempel entführt?“ „Zum Teil. Ja.“ Und doch musste er lächeln. „Er machte mir nachdrücklich klar, dass er meine Gesundheit bedroht sieht und auch, dass er es als seine Pflicht ansieht, mich gesund zu erhalten. Also stellte er mir eine Wahl. Entweder würde er mich entführen und aus der Stadt bringen oder ich müsse den ganzen Tag bei dir im Tempel verweilen und mindestens einen ganzen Laib Brot essen.“ „Das hat er Euch abverlangt?“„Und die Wahl fiel mir nicht wirklich schwer“ gab er zu und schenkte ihm einen verliebten, warmen Blick. „Du kennst Fatil, er zeigt seine Gefühle nicht zu leicht. Doch als er mich heute bei Sonnenerwachen aufsuchte, da trug er dieselbe Besorgnis im Blick wie du gestern. Doch er ist mutiger als du. Er stellt mir seine Forderungen klarer vor. Heute ließ er sich nicht abwimmeln und ich musste einsehen, dass ihr vielleicht Recht habt. Ihr beide. Ich bin wahrlich müde und ich will nichts mehr, als in deinen Armen zur Ruhe kommen und mich fortträumen von hier. Es ist schändlich, aber ich … ich bin es müde, mein schweres Haupt stets hoch zu halten.“ „Ich bin erleichtert, dass Ihr dies so seht“ sprach Seth ihm sanft bei. „Ihr schröpft Eure Kräfte viel zu sehr. Doch dies hilft weder Euch noch Ägypten. Viel eher macht es Euch kaputt und lässt vielleicht unbedachte Entscheidungen verlautbaren. Ihr braucht Zeit für Euch, um neue Kraft zu schöpfen. Und wenn ich das so selbstsüchtig formuliere darf: Ich bin glücklich, dass Fatil Euch zu mir brachte. Denn meine Sehnsucht brennt wie ein Schlangenbiss in meiner Seele.“ „Solch eine Vergiftung ist nicht schön“ seufzte er und schenkte ihm einen warmen, leuchtenden Blick. „Kann denn ein Kuss von mir dir Balsam sein?“ „Ein Kuss kann Balsam sein. Doch nur viele Küsse können mich wahrlich erleichtern. Und ich weiß, dieses Gift wird wieder schmerzen, sobald mich Eure Lippen verlassen.“ „So sieht man, dass Schlangen sich gern im Gras verbergen“ lächelte er, legte seine Hand an Seths Wange und zog ihn leicht zu sich herunter. „Ich liebe dich, mein Seth.“ „Ich liebe Euch auch, Hoheit. So unsagbar liebe ich Euch.“ Er folgte seiner stillen Bitte und senkte seinen Kopf herab bis die Lippen eine Wärme trafen, welche er ewiglich spüren wollte. Er hatte ihn so vermisst und war enttäuscht, als er die gestrige Nacht allein verbrachte. Und nun saßen sie gemeinsam in der Morgensonne im Tempelgarten, umgeben von Ruhe und Heiligkeit. Mit dem Ausblick darauf, dass der Pharao seine Arbeit nun den ganzen Tag ruhen lassen würde, hüpfte sein Herz wie ein junger Vogel. Am Rande vernahmen sie den Laut der sich schließenden Türen und hatten den ruhigen Tempelgarten ganz für sich als sie sich voneinander lösten. Sie blickten sich an und mussten dann schüchtern lächeln. Man hatte sie also allein gelassen. Anscheinend nahm Fatil seine Order mit dem arbeitsfreien Tag sehr ernst und duldete keine Störung des verliebten Treibens. „Ich hätte nie geglaubt, dies zu sagen, jedoch ist Fatil ein wahrer Glücksfall für den Palast.“ „Ich hätte auch nie geglaubt, dass du das mal sagst“ schmunzelte der Pharao und griff seine schwere Krone, nahm sie von seinem Haupt und legte das glänzende Gold der Könige vorsichtig auf seinen Schoß. „Am Anfang ward ihr einander nicht sonderlich freundschaftlich gesonnen. Umso erleichterter bin ich, euch nun so einig zu sehen.“ „Ich bin auch erleichtert. Mittlerweile besitze ich mehr Verständnis für ihn und habe seine rüde Art fast gern“ seufzte Seth und half dem Pharao mit sanften Händen, sein Haupt vom weißen Umhang zu befreien und sein Haar atmen zu lassen. „Vor allem beruhigt es mich, zu sehen, wie treu er Euch ist. Ich verstehe nun Eure Worte, wenn Ihr sagt, er sei Euch wichtig. Sicher hat er seine Macken, doch wer hat keine? Ich meine, von Euch abgesehen natürlich.“ „Ich hab auch meine Macken, wie du es nennst“ lächelte er. „Nein, Ihr habt keinerlei Macken, Majestät. Nur kleine Liebenswürdigkeiten.“ „Du bist ein Schmeichler, mein Seth“ sprach er und legte erst dem Umhang zur Seite, um dann die edle Flügelkrone darauf zu betten und sie vor dem bloßen Boden geschützt ruhen zu lassen. Bei Seth durfte er Mensch sein und war von seiner Königslast ein wenig befreit. „Euch zu schmeicheln ist zu leicht.“ Er lehnte sich herüber und musste dem Drang nachgeben, die warme Halsbeuge des Pharaos zu küssen. „Ich liebe Euch, Atemu.“ „Ich liebe dich auch, mein Seth“ seufzte er verliebt und umarmte seinen Liebsten. Es würde ihm gut tun, eine Weile bei ihm zu sein. Ganz sicher. „Nur um es nochmals zu hören“ bat Seth leise. „Ihr werdet den ganzen Tag mit mir verbringen? Bis zum Morgengrauen?“ „Wenn du mich so lang ertragen magst, würde ich gern nur bei dir weilen.“ „Ich kann es nur einfach nicht glauben, dass Ihr so viel Zeit für mich erübrigt. Mit welcher Bewandtnis will Fatil dies rechtfertigen?“ „Du weißt doch, dass bald der große Feiertag auflebt“ antwortete er, rutschte ein Stück zurück und legte sich hernieder bis sein Kopf auf Seths Schoß sank. So konnte er die Augen schließen und spürte, wie sanfte Fingerspitzen sein Gesicht streichelten, seine Schultern und liebevoll sein Haar kraulten. „Ich bin hier, um mit dir über dein Volksgebet zu sprechen. Du wirst doch Vorbeter sein am großen Tage.“ „Aber … dieses Gebet muss intuitiv geführt werden. Es ist unüblich, es vorher auszuarbeiten, ja fast gotteslästerlich. Das ist es, was das Beten an diesem Tage so besonders macht. Diese Ausrede wird Euch niemand glauben.“ „Oh doch, man wird“ lächelte er ganz beruhigt. „Es ist üblich, dass der Vorbeter bei mir um eine lange Audienz ersucht, um Inspiration zu erreichen. Wir haben somit also heute ein ganz offizielles Treffen, mein Seth.“ Nun musste auch er lächeln und erfreut ein leises Lachen anstimmen. „Ihr seid ein Schlitzohr, Hoheit. Wenn ich dies so sagen darf.“ „Auch dies war Fatils Einfall. Ich beuge mich lediglich seinem Befehl.“ „So bewahrheitet sich die Sprache, der Palastvorsteher sei ein geheimer Pharao. Auch wenn ich ihn nicht gegen Euch tauschen wollte.“ „Nur würde er die Krone im Falle meines Todes ablehnen und weiterreichen. Er will den Thron nicht, das sagte er mir selbst einst. Schade, ich glaube, er wäre ein sehr guter König.“ „Sprecht nicht von Eurem Ableben. Bitte.“ Er beugte sich und küsste den Pharao auf seine warme Stirn. „Ihr müsst leben, damit ich Euch noch lang küssen kann.“ „Mir brennt noch eine Frage auf dem Herzen“ erwiderte er leise. „Sag, wie geht es meiner Familie? Du sagst, sie sind gesund, doch Abunami weinte so bitterlich als sie ging. Und meine Kinder. Sie sind noch zu jung und zu weich, um durch die Wüste zu reisen. Ich sorge mich jeden Tag um sie.“ „Eure Liebe schützt sie auf allen Wegen“ schwor Seth und durchkämmte sein weiches Haar mit den Fingern, streichelte seine Stirn. „In den ersten Tagen war Eure Königin sehr betrübt und weinte sich des abends in den Schlaf.“ „Sie liebte diesen Schufft“ seufzte er traurig. „Ich habe nie verstanden weshalb, doch sie liebte ihn. Er hat sie narren können, wie mich auch. Er ihr Herz auf dem Gewissen und es fiele mir schwer, ihm das zu vergeben.“ „Doch tröstet Euch, mein Pharao. Malt Euch das Gesicht der Königin aus, als sie Emenas erblickte.“ „Ist das so?“ Seine Mundwinkel hoben sich und eine bescheidene Freude machte sich in seinem Gesicht breit, wie auch in seiner Stimme. „Sie ist dafür bekannt, sich an schönen Männern zu erfreuen. Ein Wunder, weshalb sie Ephrab überhaupt anblickte. Dass Emenas mehr nach ihrem Geschmack wäre, lässt sich unschwer vermuten. Gegen Ephrab und jeden anderen Mann ist er wie Morgentau gegen Ochsendung.“ „Ich denke, sie mochte ihn vom ersten Blick an. Was sie in Ephrab sah, weiß wohl nur sie selbst. Doch Emenas hat sie gut empfangen und ihre Augen leuchteten ihn unverhohlen an. Auch die Kinder sind fasziniert von ihm. Sie sind mittlerweile sicher die engsten Freunde.“ „Meine Abunami“ seufzte er in sehnsüchtiger Erinnerung. „Emenas wird sie hoffentlich von ihrem gebrochenen Herzen ablenken können. Er ist ein guter Mensch und dazu noch mit großer Schönheit gesegnet. Ich stelle mir vor, wie bezaubert sie von ihm sein wird. Sein kräftiges Haar, seine mystischen Augen und sein männlicher Körper. Er nimmt die Menschen wirklich für sich ein, allein durch seine Anwesenheit. Sie wird ihre Freude mit ihm haben. Sicher.“ „Majestät?“ Seth senkte seine Stimme und stoppte seine streichelnden Hände einen Moment. „Wenn Ihr ehrlich seid, wen fändet Ihr anziehender?“ „Oh, mein Seth ist eifersüchtig?“ Er neckte ihn und öffnete seine Augen, um ihn keck anzublinzeln. „Emenas ist wahrlich verlockend. Allein seine herrschende Stimme und seine wohlgeformten Hüften. Aber er ist nicht mit dir zu vergleichen. In niemandes Armen läge ich lieber als in deinen. Wer dich erst hat, der will nie mehr einen anderen. Mein Seth. Emenas ist schön, jedoch nicht so schön wie du.“ „Dann bereut Ihr es nicht, dass ich bei Euch bin?“ „Seth …“ Nun öffnete er seine Augen ganz, um ihn verwundert anzublicken. „Woraus entwachsen sich diese Gedanken? Gab ich dir einen Grund zum Zweifeln?“ „Nein, Ihr nicht.“ Er seufzte und senkte seinen Kopf, blickte ihn aus bedrücktem Blau vorsichtig an. „Majestät, wir … wir haben nie über Treue gesprochen.“ „Glaubst du, ich hätte einen anderen?“ Er richtete sich von dem gemütlichen Schoß auf und setzte sich gerade hin. „Seth, misstraust du mir? Glaubst du, ich lasse andere in mein Bett? Dass ich dich so wenig empfing, liegt allein daran, dass …“ „Nein, es ist nur … ach, Hoheit.“ Er wand seinen Blick ab, konnte ihn nicht ansehen in seiner Schuld. „Ich muss Euch gestehen, ich … ich wusste nicht, was es zu tun galt. Ich war im Zwiespalt.“ „Im Zwiespalt“ wiederholte der König ohne eine Wertung dieser Worte. „Worüber?“ „Als ich Emenas fand und er … Majestät, ich war bereit, sein Bett zu teilen.“ Er konnte nicht verbergen, dass ihn dies verwunderte und dieses Sprechen ihn mehr als überraschte. Jedoch spürte er auch, dass Seth dies nicht angenehm zu sein schien. „Und gab es auch einen Grund für dein Handeln?“ „Ich hoffe, Ihr verzeiht mir“ flüsterte er und rang mit den nervösen Händen. „Ich bat ihn, auf Eure Familie Acht zu geben. Und er schien beleidigt darüber, dass ich ihn nur aufsuche, um einen Gefallen zu erbitten. Als er mir dann die Forderung stellte, er verlange nach einer gemeinsamen Nacht oder er würde die Königin verweisen … ich wusste nicht, wie ich handeln sollte.“ „Und da hast du sein Bett geteilt. Zum Lohn für seine Dienste“ ergänzte der Pharao mit aller Vorsicht. „Du hast deinen Körper für einen Gefallen eingetauscht.“ „Ich hätte es getan“ beichtete Seth mit abgewandtem Blick. „Nicht aus Liebe, jedoch aus Pflicht. Mein Körper ist das einzige Kapital, welches ich anbieten kann. Wie sonst hätte ich ihn für seine Dienste entlohnen sollen? Ich wollte doch nicht meinen Pharao enttäuschen. Hätte ich es getan, so wäre dies Betrug an meiner Liebe. Und hätte ich es nicht getan, wäre es Betrug an der Krone. Wie hätte ich handeln sollen? Ich wusste nicht, was Ihr von mir erwartet.“ „Dann … hast du nun sein Bett geteilt oder nicht?“ „Nein“ antwortete er leise. „Er stieß mich fort. Doch ich hätte es getan.“ „Und nun fürchtest du, ich könne erzürnt sein?“ „Euren Zorn fürchte ich nicht. Jedoch Eure Enttäuschung.“ Mit Vorsicht hob er seinen Blick und suchte die königlichen Augen. „Ich wollte Euch nicht untreu sein. Aber ich … bitte verzeiht mir.“ „Ich bin weder zornig noch enttäuscht, mein Seth.“ Er streckte seine Hand aus und legte sie warm an seine Wange, sah ihn zärtlich an. „Du hast nicht aus eigenem Antrieb sein Bett gesucht, sondern hättest dich für mein Wohl hingegeben. Wie kann ich dir böse sein, wo du doch nur gute Absichten hegst? Selbst wenn du das Bett anderer teilen würdest, selbst wenn du es freiwillig tätest, so könnte ich dich nicht weniger lieben. Meine Liebe zu dir ist unendlich wie das Wasser des Nils. Du könntest mich treten, schlagen und verwünschen und ich würde dich noch immer lieben. Seth, nie spürte mein Herz solch ein Gefühl für einen anderen Menschen. Ich muss dich lieben so wie ich atmen muss. Kannst du das verstehen?“ „Dann seid Ihr nicht enttäuscht?“ versuchte er sich dessen nochmals zu versichern. „Nein, das könnte ich nicht.“ Er legte einen sanften Ausdruck auf und strich das erdbraune Haar zurück, da der Wind es leicht in Seths schimmernden Augen wehte und ihn kitzelte. „Wünschst du dir denn eine Absprache der Treue zwischen uns?“ „Ich will Euch nicht für mich allein einnehmen. Dazu habe ich nicht das Recht“ antwortete er gedrückt. „Jedoch … mir wäre besser, Ihr sagtet, was Ihr von mir erwartet in solchen Konflikten. Und … wie Ihr selbst zu leben wünscht … es wäre gütig von Euch, mich wissen zu lassen.“ „Und ich habe befürchtet du zweifelst an mir, da wir so wenig die Liebe vollzogen.“ „Ich könnte niemals an Euch zweifeln, Majestät“ erwiderte er leise. „Und selbst wenn Ihr Euch einen anderen Mann oder eine andere Frau wünscht, so werde ich dies akzeptieren. Ich bitte nur ergeben darum, dass Ihr es mich wissen lasst. Ihr müsst es nicht … es ist nur eine persönliche Bitte.“ „Wünschst du dir denn, dass ich nur dir gehöre?“ „Ich wünsche nur, dass Ihr glücklich seid“ erwiderte er ehrlich. „Um es ehrlich zu sagen, ich wünschte mir mehr private Momente der Leidenschaft zwischen uns. Doch weiß ich, dass Ihr Eure Kräfte derzeit auf anderes verlegen müsst. Ich verstehe dies … und wenn es Euch nach anderen zieht, so will ich nur, dass Ihr glücklich seid. Ich unterstütze Euer Glück. Mir wäre nur wohl, wenn Ihr mir offenbart, wie ich Euren Wünschen entsprechen kann. Wenn Ihr Euer Liebesglück in mir allein seht, so wäre mir dies das größte Geschenk. Doch wenn Euch andere als ich reizvoll erscheinen … Majestät, ich will Euch doch nur glücklich sehen.“ „Dann wäre dir nicht unwohl, wenn ich auch andere in meinem Bett empfange? Nicht mal ein wenig?“ „Ihr seid der Pharao. Euch etwas abzuverlangen, gebührt mir nicht. Und dass ich nur Euch gehöre, ist selbstverständlich. Jedoch … würdet Ihr mich verstoßen, wenn ich unrein werde?“ „Dir geht so viel Unnötiges durch den Kopf. Ich würde dich niemals verstoßen, mein Seth“ versprach er und dämpfte seine Stimme in tiefe Zärtlichkeit. „Ich denke, wir haben eine spezielle Konstellation. Du hast Recht, ich bin der Pharao. In manchen Fällen erwartet man von mir, dass ich auch meinen Körper zum Vorteil Ägyptens setze. Doch lieben, kann ich einzig und allein nur dich. Und ich wünsche, dass du das weißt und nicht daran zweifelst.“ „Und wenn ich in erneuten Zwiespalt komme?“ wollte er leise wissen. „Wie wünscht Ihr, dass ich handle? Wenn Euch ein Schaden droht, sollte ich falschen Stolz bewahren? Wie soll ich entscheiden? Soll ich meine Liebe bewahren und Euch dadurch schaden? Oder soll ich mich aufgeben und Euch dafür zwar retten, jedoch verraten?“ „Ich denke, du grübelst zu sehr darüber nach. Sei dir deiner selbst nicht so ungewiss. Und mir ebenfalls nicht.“ Er rutschte dicht an ihn heran, nahm beide Hände, um sie an sein Herz zu drücken und in diesen himmelblauen Augen zu versinken. „Lass uns Einigkeit zwischen uns schaffen. Ich sehe, dass wir einander lieben und es uns nicht in fremde Betten treibt. Stimmst du mir zu?“ „Ja“ hauchte er beschämt. „Jedoch stehen wir im Mittelpunkt der Macht. Es kann durchaus passieren, dass wir Beziehungen durch Beischlaf pflegen müssen. In diesem Falle lass uns den Pakt schließen, dass wir einzig unserem Herzen nachgeben. Ich würde meinen Körper jederzeit für dein Wohl oder das Wohl Ägyptens geben. Wenn ich keinen anderen Weg sähe. Lass uns einander versprechen, dass wir in diesem Falle unserer Liebe zueinander gewiss sind. Willst du mir versprechen, auch dann nicht an meiner Liebe zu zweifeln, sollte ich pflichtgedrungen ein fremdes Bett besuchen?“ „Natürlich“ antwortete er ohne ein Nachdenken. „Dann werden wir uns nicht entzweien“ versprach er und drückte seine Hände. „Wir einigen uns darauf, dass wir andere Betten teilen, wenn wir sie teilen müssen. Aber nicht darauf, dass wir es wollen. Denn wollen, tun wir nur uns. Und das wir nicht leichtfertigt mit dem Herzen des anderen umgehen, das wissen wir beide. Nicht wahr?“ „Ja, mein Pharao“ flüsterte er und senkte bedrückt seinen Blick. „Ich vertraue Euch. Doch wünschte ich, ich könnte es Euch leichter machen auch mir zu vertrauen. Ich würde gern so viel mehr für Euch tun. Doch ich bin nutzlos.“ „Nein, Seth. Das ist doch nicht wahr.“ Er legte die Handflächen an seine Wangen und verlangte nach einem Blick in die blauen Augen, welche von Selbstzweifeln und Sorgen getränkt waren. „Doch kommt es mir so vor“ sprach er mit belegter Stimme. „Ich kann Euch keinen Trost spenden in der Trauer. Ihr habt den alten Fatil verloren und Eure Mutter. Und ich kann es Euch nicht nachfühlen, Euch nicht trösten. Und ich kann Euch nicht gegen Eure Feinde verteidigen, weil der Palast und der Adel mir vollkommen fremd sind. Ich bin Euch nur eine Last.“ „Es stimmt mich traurig, dich so sprechen zu hören“ erwiderte er. Doch er konnte ihn verstehen. Die Gefühle, welche Atemu empfand, dieses Pflichtgefühl und die tiefe Trauer, dies waren für Seth nur Worte. Er kannte diese Gefühle nicht und dies musste in ihm die Empfindung von Leere und Taubheit anrühren. Diesen Teil des Lebens musste er neu erlernen und dies geschah nicht durch Schriften und Gebete. Die Lehrmeister des Lebens waren andere Dinge. „Du bist nicht nutzlos für mich und du bist keine Last. Ich weiß, dass du mich stützen und aufrichten willst und allein das genügt mir. Denn solch einen Rückhalt zu wissen, ist mehr wert als ich es sagen kann. Worte, welche deinen Wert für mich ausdrücken, gibt es nicht. Bei niemandem kann ich mich so ungezwungen und frei fühlen. Du bist mir so nah wie kein anderer. Manchmal bist du mir näher als ich mir selbst. Mein Seth.“ Er blickte ihm tief in die Augen und fühlte sich von ihrer intensiven Färbung umspült wie von sanftem Wind. Warm und ziellos ergeben. „Nie sprach jemand meinen Namen so zärtlich wie du es tust. Nie küsste mich jemand so hingebungsvoll wie du es tust. Und nie sorgte sich jemand um mein Herz wie du es tust. Deinen Wert kann ich nicht mit anderen messen. Und dies macht dich unentbehrlich für mich.“ „Aber, was Ihr …“ „Seth.“ Er unterbrach ihn sanft. Weitere Selbstzweifel oder Anschuldigungen wollte er nicht hören, denn sie waren reine Unwahrheit. „Wenn du nicht wärst, mit wem sollte ich denn diesen Tag verbringen? Ich soll Kraft schöpfen und Abstand gewinnen. Stell dir vor, ich müsste den ganzen Tag mit Fatil herumsitzen. Wäre das nicht schrecklich?“ „So solltet Ihr bei allem Respekt nicht sprechen“ antwortete er ernst. „Fatil ist Euer treuester Freund.“ „An dir ist wahrlich nur eines nutzlos“ seufzte er mit einem Schmunzeln. „Und das ist dein fehlender Humor.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)