Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III von masamume ================================================================================ Kapitel 48: Kapitel 48 ---------------------- Kapitel 48 Während im Palast die Beratungen um geeignete Gegenmaßnahmen zur Abwehr von Putschisten starteten, die Wachen um den Pharao möglichst unmerklich verstärkt wurden und man sich auf die Ankunft der ausländischen Armee und der verrufenen Königin Ras Lanuf vorbereitete, so hatte die kleine Gruppe in der Wüste ganz andere Probleme. Glücklicherweise hatten die zwei als beste Männer bezeichneten, nämlich Penu und Faari, noch am selben Tag den Wagen der vermeintlichen Händler erreicht. Natürlich nicht offiziell als Palastwachen erkennbar, sondern ebenfalls getarnt, sodass sie mit Mühe und Not den Schein einer kleinen Karawane wahren konnten. In ihrem Gepäck zusätzliches Wasser, Nahrungsmittel und Decken. Und natürlich eine ganze Satteltasche voll von Schmuck und Edelsteinen. Es war auch ein Glück, dass sie so viel davon mit sich trugen, denn schon die Hälfte davon und ein Drittel ihres Proviants mussten sie einbüßen, als sie bereits kurz hinter den Stadtmauern von der ersten Räubergruppe aufgegriffen wurden. Mit Seths überzeugendem Handelsgeschick und ausreichend Schmeichelei konnte er den Räubershauptmann davon überzeugen, dass ein Wegzoll wesentlich gewinnbringender war als ein Kampf. So überstanden sie die erste Begegnung zwar ärmer, aber unbeschadet. Bei der zweiten Bande ließ sich ein Kampf leider nicht umgehen. Seth hatte es zwar versucht, aber hier waren die Gesetzlosen eher an dem Körper der Königin interessiert als an Gold und Brot. Und sie unbeschadet in Sicherheit zu bringen, war das oberste Ziel. Das Glück war wie ein Gottessegen auf ihrer Seite und so überstanden sie die Auseinandersetzung mit vergleichsweise harmlosen Wunden. Penu verdrehte sich den Arm, womit sein Schwertkampf am Ende erlahmte und er eine Stichwunde am Oberschenkel zu beklagen hatte. Faari hatte einen der Räuber mit seinem Pfeil geschossen und war kurz nach dem konzentrierten Zielen selbst vom Pferd gezogen worden. Seth war rechtzeitig da, um dem Angreifer einen Knüppel überzuziehen, jedoch trat das erschrockene Pferd auf Faaris Bein, womit er die nächsten Tage schmerzlich humpelte. Seth selbst wurde von der Peitsche eines Räubers getroffen und trug einen Striemen an der Schulter, an der Hand und eine Platzwunde am Arm davon. Jedoch hatten sie mit nur drei Männern acht Räuber in die Flucht geschlagen und feierten ihren Erfolg nicht nur mit einem Kelch Wein, sondern bekamen jeder einen Wangenkuss von der Königin und der Prinzessin, was sie wahrlich für ihre Blessuren entschädigte. Trotz ihres Glücks in den Tagen, war die Reise beschwerlich und ungewohnt für die weichen Gemüter und Körper der Königsfamilie. Der Pharao hatte sich seit seiner Kindheit an lange und strapaziöse Reisen gewöhnt und so ließ sich auch der tapfere Prinz zu keiner Jammerei hinreißen. Jedoch sah man ihm die Beschwerlichkeit an. Er trug rote Sonnenmale auf der Nase und den Unterschenkeln, welche besonders in der Mittagshitze brannten bis ihm die Tränen in die Auge stiegen. Dennoch war er zäh und quengelte nicht, er wollte dem glamourösen Vorbild seines Vaters folgen mit dessen Heldengeschichten die Männer ihn jeden Abend trösteten und ermutigten. Die Prinzessin jedoch zeigte offen wie unangenehm ihr die Wüste war. Sie hasste es, wenn sie im schattigen Wagen bleiben sollte, wo es durch die gestaute Luft brütend heiß war. Aber sie hasste es auch, auf dem Pferd zu reiten, wo wenigstens ein wenig Wind Erleichterung gab, ihre verbrannte Haut aber der Sonne aussetzte. Sie hasste den Sand, sie hasste das Feuerlager und seit sie am letzten Flusslauf von einer Ratte gebissen worden war, wollte sie den Boden gar nicht mehr betreten. Kein Wunder, sie war fast noch ein Baby und da war solch eine Reise das Schlimmste, was sie je erlebt hatte. Die Königin gab sich alle Mühe, ihre Kinder zu trösten und doch wusste sie sich selbst kaum Trost. Abends hörten die Männer ihr leises Schluchzen aus dem Wagen und kannten keine guten Worte mehr. Sie hatte ihr Lächeln verloren. Ephrab hatte ihr das Herz gebrochen und die Erinnerungen an ihre Schwester quälten sie so, als wäre sie erst gestern von ihr gegangen. Sie musste in der Wüste ausharren, ihre Kinder leiden sehen und auch ihrem Körper schadeten die Strapazen des wenigen Komforts. Selten war sie in solch einer Notlage gewesen. Selten hatte sie sich so einsam gefühlt. Seth betete jeden Morgen und jeden Abend mit ihr gemeinsam und in stillen Momenten stets für sie und ihre Kinder. Und für den Pharao, welcher auf die Rettung seiner Familie hoffte und im Herzen sicher ebenso bei ihnen war wie sie auch bei ihm. Und er betete dafür, dass die Götter ihnen bald ein Zeichen schicken würden und die schrecklichen Bedingungen zum Besseren leiteten. In den letzten Tagen hatten sie ihre Stimmung mit der Hoffnung aufgehellt, dass sie nicht mehr weit von der nächsten Oase entfernt waren. Jedenfalls wenn die Erläuterungen stimmten, welche Fatil Seth kurz vor ihrer Abreise eingebläut hatte. Doch Seth war kein ausgebildeter Wüstenführer und so konnte er nur sein Bestes versuchen, um die Gruppe sicher zu leiten. Tatsächlich sichteten sie in den frühen Abendstunden endlich die erhoffte Wasserstelle. Sie überquerten eine beschwerlich hohe Düne und wollten an deren Fuß zum Abend rasten, als sie inmitten des hellen Sandes eine grüne Stelle erblickten, welche herausstach wie der Mond am sich eindunkelnden Himmel. „Den Göttern sei Dank, wir sind richtig“ seufzte Seth erleichtert. Seine Navigation nach den Sternen war also korrekt gewesen und die gemerkte Wegbeschreibung befand sich sicher in seinem Kopf. Sie hatten endlich die rettende Oase erreicht, bevor ihre Wasservorräte aufgebraucht waren. „Dann ist die nächste Stadt auch nicht mehr weit“ lächelte Penu die Königin aufmunternd an. „Wir werden dort frische Früchte für Euch kaufen. Ihr könnt Euch schon Eure Wünsche überlegen.“ „Meine Wünsche“ seufzte sie und strich der kleinen Prinzessin über den Kopf, welcher in der abklingenden Tageshitze noch immer rot brannte. Im Augenblick konnte sie an kaum etwas Heiteres denken. Sie bemerkte durchaus wie sehr die Männer sich um sie bemühten, aber Trost fand sie in keinem Wort, keinem Gedanken. Der Gedanke an Ephrabs vorgespielte Liebe, raubte ihr jedes Lächeln. „Seth, stopp bitte“ bat Faari plötzlich und ließ den Wagen anhalten. Er blickte mit seinen zielgenauen Adleraugen in die Ferne und hielt auch sein eigenes Pferd an, um noch genauer hinsehen zu können. „An der Oase ist schon jemand.“ „Das ist doch nicht wahr“ jammerte Penu. „Nicht schon wieder Räuber.“ „Wie eine Karawane sieht mir das nicht aus. Dafür sind es zu viele Pferde und ich sehe keinen Wagen. Das sind zumindest keine Händler. Ich sehe Zelte, also werden sie nicht allzu schnell wieder gehen.“ „Dann müssen wir vorerst zurück hinter die Düne, bevor sie uns auch sehen“ beschloss Seth. „Wir sollten uns vorsehen und hoffen, dass sie bald in eine andere Richtung als stadtwärts aufbrechen. Für ein paar Tage reicht unser Wasser noch.“ Er wand den Wagen um und lenkte ihn zurück. „Gehen wir jetzt nicht baden?“ fragte der Prinz merklich enttäuscht. „Leider nicht“ lächelte Seth ihn bedauernd an. „Da sind Räuber am Wasser. Wir müssen warten bis sie weggehen. Baden können wir erst in der nächsten Stadt.“ Er blickte traurig zu Boden und atmete schwer aus. „Darf ich bitte fluchen?“ „Ja“ schmunzelte Seth. „Ihr dürft jetzt fluchen.“ „Mist“ zischte er leise und ballte seine kleinen Fäuste. Er ärgerte sich und eigentlich zeigte er seine Gefühle nach königlicher Art nicht allzu schnell. Aber wenigstens das hatte der schlechte Umgang mit den Soldaten ihm gebracht. Er fand Erleichterung, wenn er sich das Fluchen erlauben ließ. Auch wenn sich seine Schimpfworte noch auf „Mist“ und „Verzwickt“ beschränkten. Mehr würde die Königin ihm sicher auch erst mal nicht erlauben. „Seth, mach zu“ trieb Faari ihn dann leise an. „Sie haben uns bemerkt.“ Der drehte sich um und sah selbst, dass vier vermummte Reiter in schnellem Tempo die Düne hinaufkamen. „Mist“ fluchte jetzt auch er und trieb die Pferde an. Wenn möglich mussten sie eine Begegnung vermeiden. „Wenn wir schnell sind, folgen sie uns vielleicht nicht zu weit.“ „Hoffentlich ist dies keine vergebliche Hoffnung ist“ sprach die Königin, welche sich umwand und die Verfolger hinter sich beobachtete. „Ihre Pferde sind schneller als unser schwerer Wagen.“ „Müssen wir jetzt kämpfen?“ fürchtete der Prinz und hielt sich ganz unbewusst an Seths Ärmel fest. „Nein, vielleicht nicht“ versuchte seine Mutter ihn gleich zu beruhigen. „Aber wir gehen lieber rein, bevor das Wackeln uns noch vom Wagen wirft, ja?“ Sie nahm die Prinzessin auf den Arm, welche damit leidlich zu quengeln begann. Erst wackelte der Wagen so doof und dann wurde sie auch noch transportiert. Das war wirklich ein ganz blöder Tag für sie. Der Prinz ließ sich ohne Widerstand von seiner Mutter in den stoffbespannten und sichtgeschützten Wagen treiben und verpasste die Geschehnisse draußen, bevor er sich noch mehr ängstigte. „Das sieht nicht gut aus“ sprach Penu möglichst unhörbar zu Seth. „Die kommen die Düne schneller rauf als wir.“ „Aber es sind nur vier Abgesandte. Die schaffen wir, sollten sie uns einholen“ sprach Seth sich und den Soldaten Mut zu, aber trieb trotzdem die schnaufenden und vom Tag erschöpften Pferde weiter an, jagte sie im sandigen Galopp die steile Düne empor. Nur noch wenige Meter und sie hatten die Spitze erreicht. Hinunter würden sie schneller kommen als hinauf. Jedoch als sie oben ankamen, sahen sie ihren Weg abgeschnitten. Auf halber Höhe kamen ihn nochmal drei Reiter in verhüllenden Umhängen entgegen, welche den längeren Umweg um die Düne herum genommen hatten. Ein Blick zurück sagte ihnen, dass sie von hinten noch immer verfolgt wurden. Sie waren eingekesselt. Hinunter konnten sie nicht, da waren drei sichtlich bewaffnete Reiter, hinter ihnen war es dasselbe Bild. Und ihre erschöpften Tiere den Scheitel der Düne entlang zu treiben, würde den Wagen ins Schwanken bringen und höchstwahrscheinlich umkippen. Was für ein Unglück. Selbst wenn sie diese Reiter bekämpften, warteten weiter unten noch mal genauso viele an der Oase. Jetzt mussten sie handeln und hoffen. „Was machen wir jetzt?“ wollte Penu außer Atem wissen. „Wir bleiben stehen“ beschloss Seth und ließ den schweren Wagen allmählich an der Dünenspitze zum Stehen kommen. „Das ist unsere einzige Möglichkeit. Der Fluchtweg ist verstellt … hoffentlich sind das intelligente Räuber, die mit sich handeln lassen.“ Auch wenn das eine gewagte Hoffnung war. Die wenigsten Wüstenräuber waren so eingestellt wie die ersten am Anfang ihre Weges. Die meisten töteten die Männer, schändeten die Frauen und verkauften die Kinder. Sie waren nicht umsonst Ausgestoßene im Niemandsland. „Na, hoffentlich habt ihr immer brav gebetet“ versuchte Faari sich an einem verzweifelten Scherz, als die Verfolger mit gemindertem Tempo näher kamen und ihre Waffen bereithielten. Besonders ihre schweren Schwerter und die langen Pfeile machten sie zu einer ungünstigen Begegnung. „Kannst du nicht schon mal wenigstens einen abschießen?“ schlug Penu vor. „Tötest du eine Ameise, werden sich die anderen rächen.“ „Häh?“ „Ach, Penu“ seufzte Faari enttäuscht. „Lass es, du ungebildeter Haudrauf.“ „Männer, bitte“ schlichtete Seth. Keine Zeit für Scherze jetzt. Nun konnte er Fatil verstehen, wie nervös er als Führer wurde. Für alles verantwortlich zu sein und immer den Überblick zu behalten, war kein schönes Gefühl. Besonders nicht in solchen Momenten, wenn man eine Entscheidung treffen sollte. Im gingen hundert Szenarien durch den Kopf, darüber was nun folgen konnte. Er überlegte an einer Strategie, wie drei Männer gegen sieben Feinde sinnvoll angehen konnten. Er überlegte an einer Verhandlungsgrundlage, welche er ihnen anbieten konnte, um einen Kampf zu umgehen. Und er wollte nicht daran denken, was geschah, wenn die Götter ihre schützende Hand entzogen … Doch die Götter entzogen ihnen nicht die schützende Hand, sondern betteten die verlorenen Wanderer in eine zärtliche Umarmung. Beim Näherkommen erkannten sie besonders einen Räuber, welcher schrecklich zerzaust war. Ein verfilzter Bart, zerwühlte Locken, zahnloser Mund und lauter Runzeln im Gesicht. Den braunen Umhang zerknittert und sein Sattel zernagt. Dennoch verbanden sie gemeinsame Erinnerungen. „Seth!“ rief genau der erstaunt aus und ließ sein Pferd langsamer werden. „Was machst du denn schon wieder hier?“ „Rantep, den Göttern sei Dank. Ihr seid es.“ Vor Erleichterung brach er über den Knien zusammen und lachte leise. „Verdammt, was hatte ich für Befürchtungen.“ „Zu Recht. Eigentlich wollten wir euch aufgreifen“ antwortete der ganz offen und betrachtete sie verwundert, ließ auch seine Mitreiter durch ein Handzeichen anhalten. „Na, lieber uns aufgreifen als uns aufknüpfen“ lachte auch Faari erleichtert und Penu steckte friedvoll sein Schwert zurück. „Wenn wir euch aufknüpfen, kriegen wir Ärger vom Boss“ erklärte er und kam mit seiner ungepflegten Meute langsam näher heran. „Sagt mal, was hat der Pharao mit ihm gemacht?“ „Warum?“ Seth stand vom dem Wagen auf und reichte ihm die Hand. Sie umfassten den anderen am Handgelenk und schenkten sich einen freundschaftlichen Blick. „Seid ihr weg seid, verbietet er uns das Aufknüpfen“ brummte er und begrüßte auch Faari und Penu, welche schon von seinen Mitreitern eingekreist wurden. Und Seth musste doch innerlich lächeln. Emenas verbot seinen Männern das Blutvergießen? Dann war seine Hoffnung, dass der Pharao ihm den richtigen Weg zeigte, wohl doch nicht ganz vergebens gewesen. Zwar war er noch immer ein Gesetzloser, welcher die Reisenden auf ihren Wegen beraubte und ängstigte, aber mit dem Segen der Götter lernte er für sich selbst Vergebung und Reue zu suchen. Das wünschte er ihm von Herzen. „Vielleicht sollten wir euch doch ausrauben“ schlug einer der Räubersmeute scherzend vor und nickte mit seinem geschorenen Haupt auf den Wagen. Dort steckte die Königin vorsichtig ihren Kopf heraus, um zu sehen, weshalb sich die Männer so freundlich begegneten. „Wow“ grinste Rantep aus seinem fleischigen Mund. „Wem gehört das Weib denn?“ „Sprich respektvoller“ bat Seth ernst. „Sie ist die Königin.“ „Was wird das hier?“ schaute der Schurkopf ihn an. „Abenteuerreisen für Adlige zu den Räubersleuten? Dafür solltest du uns aber was geben, Priester.“ „Schnauze, Histhaph“ fluchte Rantep ihn an. „Das lassen wir mal schön den Boss entscheiden.“ Denn er ahnte, was es bedeutete, wenn man etwas gegen Seth sagte. Mit Emenas anlegen, wollte sich sicher niemand. „Habt keine Angst, Abunami“ sprach Seth ihr beruhigend zu. „Wir sind am Ziel unserer Reise.“ „Ach, wir hatten ein Ziel?“ „Penu“ blickte Faari ihn enttäuscht an. „Halt mal für den Rest des Abends die Klappe, ja? Tu es für unser aller Wohl.“ „Also doch Abenteuerreisen“ unterstellte der verfilzte Rantep skeptisch. „Na ja, dann kommt mal mit. Der Boss wird sich sicher freuen, euch zu sehen.“ „Boss?“ fragte die Königin verwirrt und blickte Seth unsicher an. „Was bitte planst du?“ „Jetzt wird alles gut“ versicherte er und setzte sich zurück, trieb die Pferde an, um doch noch zur Oase zu kommen. „Ihr werdet den Räubershauptmann mögen. Ich bin mir sicher, er wird Euch gefallen.“ Es wäre schön, wenn die Königin nach ihrer zerbrochenen Liebe ein wenig Zerstreuung finden könnte. Und wenn schöne Männer ihr Herz hüpfen ließen, so war sie hier richtig. Wobei es schon verwunderlich war, dass Ephrab sie erobert hatte, wo es doch wahrlich hübschere Exemplare gab, welche einer schönen Königin wie ihr zu Füßen lagen … Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)