Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III von masamume ================================================================================ Kapitel 32: Kapitel 32 ---------------------- Kapitel 32 „Möchtet Ihr eine Pause machen?“ Fatil spürte, wie der Pharao sich rückwärts an ihn lehnte und die Augen schloss. „Nein ... weiter“ bat er leise und schüttelte leise den Kopf. „Mir ist nur ein wenig warm.“ „Kein Wunder, Majestät“ lächelte Faari welcher neben den beiden herritt. „Ihr solltet noch etwas trinken. Nicht, dass Euch wieder schwindelig wird.“ „Hm.“ Er nahm den mit Wasser gefüllten Lederbeutel von Fatil entgegen und trank ein paar Schlücke. Er wusste auch, dass er nicht bei alter Kondition war. Er hatte viel Blut verloren und es hatte sechs Tage gedauert bis er sich eigenständig einige Stunden im Sattel halten konnte. Erst dann hatten sich seine Männer dazu bewegen lassen, aufzubrechen und den Weg zurück in den Palast fortzusetzen. Wenn es nach ihnen gegangen wäre, würde ihr König noch immer das Bett hüten, aber der wollte nichts mehr, als endlich zurück in seinen Palast, an den einzigen Ort, welcher einem Zuhause gleichkam. Dort fiel es ihm sicher leichter, Seth aus dem Wege zu gehen. Leichter jedenfalls als dies hier in der Wüste zu tun. Hier waren sie ja nur zu fünft und ihre Nachtlager waren eng zusammen. Fast zu eng. Er hörte Seth jede Nacht atmen ... Aber die Stimmung hatte sich seit dem Dolchstich geändert. Seit Seth an seinem Bett saß, war er ihm nicht mehr nahe gekommen. Sie beteten getrennt voneinander, sahen sich kaum noch an und wenn, so wandten sie schnell ihre Blicke ab. Beim Essen bewahrten sie Stillschweigen und hatten keine gemeinsamen Momente mehr. Wo sie bis vor einiger Zeit noch gemeinsam gescherzt hatten, sich des Nachts den Mond ansahen und sich Geschichten über die Sterne erzählten, da war nun nur noch Schweigen. Wahrscheinlich war Seth enttäuscht von seinem hochverehrten König. Zuerst sah er ihn, nachdem er von einem Lustsklaven Gebrauch gemacht hatte und dann fand er ihn todeswünschend in seinem Gemach. Er hatte alles verraten, woran sie einst gemeinsam geglaubt hatten. Sklavenfreiheit war ebenso Vergangenheit wie Lebenslust. Dieses Schweigen zwischen ihnen war zwar schmerzlicher als ihre Freundschaft, aber es war eindeutig der leichtere Weg. „Hoheit, wir sollten unseren Weg für heute wirklich beenden“ bat Fatil als er ihm den Wasserbeutel wieder abnahm und diesen in der Satteltasche verstaute. „Ich bin noch nicht erschöpft. Ich kann noch ein paar Stunden“ bat er und schloss den Sandschutz vor seinem Gesicht wieder. „Wir können noch ein wenig weiter.“ „Ich glaube Euch ja, aber seht doch“ zeigte er in die Ferne. „Wir sind gerade in einem kleinen Tal. Hier ist der ideale Platz für unser Lager. Vor Einbrechen der Nacht werden wir es über die nächst Düne nicht schaffen.“ „Ja, wir sollten wirklich hierbleiben“ plädierte auch Faari dafür. „Ihr wisst doch, dass es hier in der Gegend nahe dem Palastvorland vor Räubern wimmelt. Auf einer Dünenspitze zu rasten, wäre zu gefährlich.“ „Das hätte aber auch den Vorteil, dass wir von dort oben sehen können, ob sich jemand nähert“ meinte Seth, dem es auch ganz lieb wäre, sie würden eher gestern als morgen den Palast erreichen. Jeder Meter mehr am Tage war kostbar gewonnene Zeit. „Falls du es noch nicht gemerkt hast“ sprach Fatil mit einem leicht aggressiven Unterton, „es ist dunkel in der Nacht. Da werden eher die Banditen unser Feuer sehen als wir ihr Kommen. Aber du kannst ja gern alleine da hoch und rasten.“ „Fatil, lass das“ bat der Pharao seufzend. „Ich bin es satt, dass ihr ständig aufeinander rumhackt. Ich will von dir nicht einen Ton mehr hören.“ Die anderen machten ebenso große Augen wie Fatil selbst in diesem Moment. Dies war das erste Mal, dass der Pharao ihn eindeutig zurechtwies und ihm den Mund verbot. Bisher hatte er Fatils Querelen immer ertragen und höchsten mit einer kleinen Mahnung bedacht, doch das hier war eindeutig ein scharfer Verweis, auch wenn seine Stimme sich dafür kaum erhoben hatte. „Wie Ihr wünscht, mein König.“ Er nahm das zwar so hin, aber da er hinter seinem König saß, um ihn festzuhalten, sah eben der nicht, wie Seth sich von ihm einen ziemlich spitzen Blick einfing, welcher verriet, dass das sicher noch ein Nachspiel haben würde. Doch merkwürdig war es auch, dass Seth ihm einen Blick erwiderte, welcher verraten könnte, dass es ihm relativ egal war, ob er Fatil verärgert hatte. Seth schien mit seinen verschlossenen Gedanken ebenso fernab dieser Welt wie der Pharao. Sie hatten nach einigen Minuten die scheinbar tiefste Stelle im Dünental gefunden und schlugen allem voran einen Unterschlupf für ihren König auf. Ein Kissen auf dem Boden und ein Tuch an zwei Stäben darüber gespannt, damit er nicht länger der prallen Sonne ausgesetzt war. Erst als sie ihn dort mit einer Wasserflasche verstaut hatten, begannen sie, ihr Nachtlager zu errichten wie jeden Abend. Und auch alles andere betrug sich wie jeden Abend. In der Wüste war jeder Tag wie der andere und veränderte sich nicht mehr, als dass sich die Dünen vom Winde formen ließen. Doch als dann in typisch schnellem Niedergehen die Sonne ihr Antlitz vor dem Monde versteckte, das Abendmahl eingenommen war und sie bald ihr Lagerfeuer löschen wollten, da ahnten sie nicht, dass diese Nacht doch anders werden würde als es nun noch aussah. Faari erhob sich als Erster vom Kreise um das Feuer, streckte sich und gähnte. Es war ein langer, heißer Tag gewesen und da tat es gut, abends die müden Knochen zur Ruhe zu legen. „Penu macht die erste Wache“ gähnte Fatil. „Nanu?“ schaute Atemu den überrascht an, als Penu nur noch ein Mal mehr von seinem Brot abbiss. „Gar keine Widerrede? Du hasst doch die erste Nachtwache.“ „Wir hatten ein Spiel am Laufen“ lächelte Faari schalkhaft. „Penu meinte, er hat eine Frau gefunden, bevor wir ins Palastvorland einkommen. Doch morgen werden wir da sein und er ist noch immer einsam. Vorrausgesetzt, es ergibt sich heute Nacht nichts für ihn.“ „Ja ja“ murrte er launisch. „Geh schlafen, sonst hau ich dich.“ „Du findest auch noch eine gute Frau, Penu“ versprach Atemu und heiterte ihn mit seinem so unendlich gütigen, wohlsorgenden Blick auf. „Wenn wir zurück sind, gebe ich dir einige Zeit Befreiung vom Wachdienst. Im Palast gibt es viele ledige Frauen oder Väter, welche ihre Töchter vermitteln wollen. Wenn du magst, höre ich mich für dich um.“ „Das würdet Ihr tun?“ strahlte er zurück. Und wenn ein bäriger Kerl wie er zu strahlen begann, hatte es den Anschein, er würde die wahre Freude eines Kindes über ein süßes Brot zurückholen. „Natürlich“ nickte der Pharao belustigt. „Du wirst sehen, wir finden eine gute Frau für dich.“ „Aber sie muss mich auch mögen und das ...“ „Das ist ganz einfach. Glaube mir. Du bist doch ein prächtiger Kerl und dein Sold reicht für viele Kinder. Du darfst nur nicht so schüchtern sein.“ „Ich bin nicht schüchtern.“ „Nein, mit dem Schwert bist du nicht schüchtern und kannst damit umgehen“ grinste Faari. „Aber sobald dir eine Frau zulächelt, wirst du ganz klein. Schade, dass Frauen keine Schwerter sind.“ „Faari, du mieser kleiner ...!“ Doch diesen kleinen Zwist konnten sie nicht weiter austragen, da stürmten bereits neue Probleme hinter den aufgebauten Zelten hervor auf die Fünferrunde ein. In der nur mit Feuer beschienenen Dunkelheit ließ sich nicht viel erkennen, auf jeden Fall waren es auf die erste Schätzung acht Männer in langen Gewändern, welche sich von hinten angeschlichen hatten und nun zum Angriff bliesen. Natürlich griffen Penu und Faari sofort zu den Waffen, aber dieser Überraschungsangriff kam einfach viel zu schnell. Es wurde laut geschrieen, man versuchte sich gegenseitig Befehle zu geben, wer auf den Pharao aufpassen sollte, doch in dem Gewusel der Dunkelheit ... ihre kleine Chance war allzu schnell verflogen. Das hier war sicher nicht das erste Mal, dass diese Männer nachtlagernde Wanderer überfielen. Hier in der Gegend wimmelte er vor Banditen. Sie waren einen kleinen Moment unaufmerksam und nur dieser kleine Fehler rächte sich alsbald. „Sieh an, sieh an. Wen haben wir denn hier?“ Als endlich etwas Ruhe einkehrte, sah die Lage nicht gut aus. Der Pharao wurde schmerzhaft am Handgelenk festgehalten von einem Mann, welcher so viel größer war als er selbst und die Möglichkeit, sich freizustrampeln hatte er bereits vertan. Dieser große Mann mit vollem Bart, seinem langen Lockenhaar, der kräftigen Statur und dem Grinsen aus zahnlosem Munde, würde ihn sicher nicht gehen lassen. Doch auch die anderen befanden sich in keiner guten Lage. Penu war in Fesseln gelegt und trug eine blutende Wunde am Kopf. Auch Faari hatte man viel zu schnell an Armen und Beinen festgesetzt, damit zumindest die Soldaten außer Gefecht waren. Fatil war zwar kein Kämpfer, aber auch ihn hielt man mit zwei Lederfesseln um die Hände in Schacht. Seth hatte sich bis jetzt noch ganz gut verteidigt, aber er befand sich in ähnlicher Lage wie der König, nur dass er gleich von zwei kräftigen Männern gehalten wurde, welche ihn so schnell nicht gehen lassen würden und ihm schmerzhaft die Arme auf dem Rücken hielten. „Da haben wir ja wirklich mal gute Beute gemacht“ grinste der kahlköpfige Kerl, welcher soeben Fatil zurück auf den Boden zog, als er seinem Pharao in hoffnungsloser Aktion zur Hilfe kommen wollte. „Was wollt ihr von uns?“ Fatil versuchte, ruhig zu sprechen. Aber das wäre in dieser Situation sicher niemandem leicht gefallen. „Wir wollen euch zum Tanz auffordern, was denn sonst?“ Als dies jemand aus der Gruppe der Banditen antwortete, brach ein hämisches Lachen aus. In Ordnung, die Frage war wirklich ebenso absehbar wie die Antwort, aber dennoch musste man ja ins Gespräch kommen. „Sehe ich das richtig, dass wir hier den Pharao gewonnen haben?“ schaute der zahnlose Hüne auf sein königliches Opfer herab und kickte herablassend die golden funkelnde Krone weiter in den Sand, welche dem Pharao bei dem Gerangel vom Haupt gestoßen worden war. Eine Antwort bekam er nicht, aber dieses Indiz abzustreiten, wäre schwer. „Lasst ihn frei“ versuchte Fatil erneut in eine Verhandlung zu kommen. „Lasst ihn und einen unserer Soldaten frei und behaltet uns hier. Nehmt unser Gold oder tut, was ihr wollt. Aber der Pharao muss in den Palast zurückkehren.“ „Merkwürdig“ schaute der fragend zurück. „Es ist doch eher typisch, dass man Adelsleute mit ihren Priestern freihandelt, anstatt mit Soldaten.“ „Wenn der Pharao erneut in einen Angriff geraten würde, dann helfen ihm Gebete auch nicht mehr viel. Unsere Soldaten sind mehr wert als der Priester.“ „Fatil!“ schimpfte Faari leise. „Hör auf damit. Nicht jetzt.“ „So so so, wir haben also den Pharao leibhaftig hier“ stellte er nur ein Mal mehr mit Freude fest und schien nicht gewillt, ihn freihandeln zu lassen. Weshalb auch? Er hielt doch alle Trümpfe in seiner Hand. Er blickte den König an und der schaute nur ziemlich erbost zu ihm zurück. Der Kerl war fast doppelt so groß wie er selbst und doch zeigte sein Blick nicht den Hauch von Angst, nicht die Spur von Unterwerfung. Er war der Pharao und würde sich von niemandem brechen lassen! Selbst in einer so festgetrampelten Situation behielt er seinen königlichen Stolz. Anscheinend stieß ihn nicht mal der üble Atem seines Gegners ab. „Was wir mit dir alles machen können“ überlegte er erfreut. „Wir können ein Lösegeld bei der Königin aushandeln“ schlug der vermummte Mann vor, welcher schon Penu in Fesseln gelegt hatte. „Dann müssen wir ihn solange nur gut verstecken.“ „Warum verstecken?“ grinste der zahnlose Mund im bärtigen Gesicht und sah so dreckig aus in dem seichten Schein des Lagerfeuers. „Wir können ihn doch in den Satteltaschen mit uns tragen.“ „Satteltaschen? Was soll das?“ schaltete Fatil sich ein. Ihr König passte doch beim besten Willen niemals in eine Satteltasche. „Natürlich, das ist nur praktisch“ meinte der. „Wir trennen ihm den Kopf ab, die Gliedmaßen und schneiden ihn ein Mal in der Mitte durch. So bekommen wir Lösegeld für jedes Teil, was wir von ihm zur Königin senden. Sie darf ihn dann selbst wieder zusammenbasteln. Dann hat sie sogar noch was zum Spielen.“ Natürlich brach wieder gehässiges Lachen unter der Bande aus. So eine Zusammenrottung von unangenehm riechenden, dreckigen, ungebildeten, respekt- und gottlosen Männern waren eine Beleidigung für den König. So etwas war ihm unwürdig und dem ganzen Reiche Ägypten. „Ihr dürft seinen Körper nicht zerteilen!“ schrie Seth ihn über das dreckige Gelächter der Bande völlig außer sich an. „Sein Körper ist heilig! Er braucht ihn, um ins Jenseits einzugehen! Wenn ihr ihn zerteilt, wird euch der Zorn der Götter treffen!“ „Götter“ spuckte der bärtige Riese ihm vor die Füße. „Du willst mir was von Göttern erzählen? Ich sage dir was, Priester. Die Götter haben Menschen wie uns schon lange verlassen. Alles nur Aberglaube.“ Dann schaute er zurück auf den König, welcher ihn zwar drohend anblickte, aber gegen ihn so verschwindend zerbrechlich wirkte. Er warf ihn nach einem überlegen wirkenden Blickkontakt herablassend auf den Boden und sprach streng: „Zerteilt ihn.“ „NEIN!“ Das einhellige Rufen der Königsgarde blieb jedoch ungehört. Zwei Männer lösten sich aus dem Hintergrund und griffen den König an beiden Armen, drehten ihn nach vorn als sich ein dritter Mann auf den Weg machte, welcher noch im Schritt sein glänzend scharfes Schwert herausholte. „Das könnt ihr nicht tun! Wenn ihr den Pharao am Leben lasst, kann er euch viel nützlicher sein! Seid nicht dumm!“ Doch egal, was nun Fatil ihnen entgegenrief, egal, was er ihnen anbot, diese Banditen schienen nur das zu machen, was ihnen selbst in den Kram passte. Auch wenn das für sie unklug wäre. Und der Pharao selbst erbrachte nicht einen Funken Gegenwehr. Lieber schloss er die Augen und würde sich seinem Schicksal durchs Schwert hingeben. Es brachte seinen Männern die Tränen in die Augen. Ihr Pharao, ihr teurer Freund hatte mit seinem Leben bereits abgeschlossen und wenn schon sein Freitod nicht wahr wurde, so würde er eben das stolze Opfer eines Mordes werden. Und ob sein Körper nun im Jenseits ankam oder nicht ... Hauptsache, er war fort von hier. Unter den lauten Anfeuerungen seiner Kumpanen, erhob der Schwertkämpfer seine blitzende Klinge und würde dem Pharao sicher problemlos den Schädel spalten. Wenn ihm nicht die Götter beigestanden hätten und ihm doch einen verbotenen Traum schickten. In der ganzen Ablenkung, in der Aufregung des Momentes spürte Seth, wie seine Arme nicht mehr ganz so stark gehalten wurden und er nutzte die Gelegenheit sofort. Mit einem Ruck hatte er sich befreit, sprang sogleich auf den Pharao zu und riss ihn durch die Wucht seines Aufpralls aus der Gefangenschaft seiner Entführer. Das Schwert sauste nieder und traf aber nicht den Kopf des Königs, sondern Seths Fuß. Dieser schrie kurz auf vor Schmerz, aber umso enger schloss er seine Arme um den Pharao, um ihn zu schützen. „Du dreckiger ...!“ Helle Aufruhr brach unter den Banditen aus. Die beiden, welche ihn noch bis eben gehalten hatten, stürmten hinterher und versuchten den Pharao zurückzubekommen. Doch Seth kauerte sich am Boden zusammen und versuchte mit seinem Körper möglichst viel vom Pharao zu bedecken. Er schlang sich um ihm mit Armen und Beinen und würde ihn nicht freiwillig den Räubern ausliefern. Ob sein Fuß dabei blutete und schmerzte, war reinste Nebensache. Er wusste nicht, wie er Atemu hier rausholen könnte, aber er würde ihn mit allem beschützen, was er hatte. Auch mit seinem eigenen Leben. Er hatte es ihm versprochen, es ihm geschworen. Auch wenn der Pharao sein Leben nicht mehr schätzte, Seth tat es dafür umso mehr, auf dass es auch für beide reiche. „Seth ...“ Die leise Stimme des Königs zitterte ebenso wie sein Körper, als die Männer begannen, an ihnen herumzureißen und sie trennen wollten. Doch Seth ließ ihn nicht los. Er verkrampfte all seine Gliedmaßen fast schmerzlich um seinen Pharao und würde ihn nicht zurück in die Gefahr geben. Er würde ihn bis zum allerletzten Atemzug schützen. „Ich beschütze Euch, Atemu“ versprach er ihm ins Ohr, bevor die Rufe um sie herum zu laut wurden. Durch die ganzen Zerrereien an ihnen, nahmen sie kaum war, was sonst um sie herum geschah. Sie hörten Fatil rufen und auch ihre beiden Soldaten, sie hörten das Brüllen der Räuber und das Ziehen von Schwertern. Doch eigentlich nahmen sie nur noch einander war. Die Wärme, welche sich zwischen ihnen ausbreitete, wie gut es tat, sich aneinander festzuhalten, umeinander zu kämpfen in diesem Chaos und sich nicht trennen zu lassen. Wenn er schon sterben musste, so fühlte es Atemu, dann in Seths Armen. Nur am Rande hörten sie die Worte: „Dann zerteilt sie beide!“ und sahen alsgleich wie sich hohe Gestalten vor ihnen aufbauten. Sie spürten wie sie zurück zu Boden fielen und man aufhörte an ihnen zu zerren. Das war der kleine Moment Ruhe vor dem Sturm. Durch die Schatten, welche das Feuer auf den Boden warf, erkannten sich auch noch mit halb geschlossenen Augen, fühlten es an ihrem Körper, dass jetzt alle bewaffneten Männer ihre Schwerter erhoben und sie auch gemeinsam töten würden. Doch als das Geschrei von Anfeuerungsrufen, Gelächter und Freudenausbrüchen der Banditen und die flehenden Bitten und Drohungen ihrer Gefährten fast ohrenbetäubende Ausmaße annahmen, da hallte nur eine einzige Stimme durch die Dunkelheit, welche alles sofort beendete. „Was ist hier los, Rantep?“ Diese Stimme war so klar und kräftig, dass sie alles durchbrach und auch sofort das Chaos ersterben ließ. Seth und sein Pharao wurden nicht auf der Stelle zerteilt, stattdessen wurde es still. Als sie ihre Augen öffneten, sahen sie einen Mann, welcher aus der Dunkelheit auf sie zutrat und zu seinen Seiten zwei riesige Hünen mit sich führte. Im fahlen Schein des Feuers erkannte man sein langes, schwarzes Haar zu einem hochgeflochtenen Zopf verbunden, sein Gewand war so dunkelschwarz wie die Nacht, aber seine Haut war hell, sofern man sie an Gesicht und Händen erkennen konnte. Und dieser Mann sah gar nicht aus wie ein Bandit. Er war nicht schmutzig, hatte all seine Zähne und ein wunderschönes Gesicht. Große, dunkle Augen, eine fein geschwungene Nase und dünne Lippen. Und doch schien er so kräftig, dass nicht nur sein Gang imposant wirkte, sondern auch seine Stimme alles zum Einhalten gebieten konnte. „Schau mal, was wir gefangen haben!“ zeigte der Zahnlose voller Stolz auf die beiden am Boden Liegenden. „Den Pharao und sein kleines Gefolge.“ „Und was wolltet ihr mit ihnen tun? Sie zerteilen?“ „Natürlich! Wir könnten für jedes Körperteil des Pharaos einen guten Preis ...“ „Idiot“ zischte er ihn an. „So etwas entscheidest du, ohne mich gefragt zu haben? DICH sollte man zerteilen und den Geiern zum Frühstück dalassen.“ Allein an seiner Stimme hörte man seinen vollmundigen Mut, seine Macht. Nur durch sein Auftreten hörte alles auf sein Kommando. Auch wenn er auf den ersten Blick eine Augenweide war, so spürte man doch überdeutlich, dass er gefährlicher war als diese Horde wilder, ungebildeter Rüpel. Er schien nicht nur kräftig und gesund gebaut, sondern auch intelligent - das war immer eine gefährliche Mischung. „Wenn ihr uns gehen lasst, werden wir euch ...“ versuchte Fatil, doch er wurde sofort wieder von dem scheinbaren Oberhaupt dieser Horde unterbrochen. „Ich verhandle nicht“ entgegnete er tonlos und schaute unter dem Schutz seiner Männer zum Pharao und seinen Priester hinab, welche sich zwar noch immer fest umschlungen hielten, aber doch zu ihm hinaufblickten. Und es entstand für alle überraschend ein Moment des vollkommenen Schweigens. Auffällig intensiv schauten er und Seth sich an, ganz tief in die Augen ohne ein Wort zu sprechen. Und auch alles um sie herum sprach nicht. Es war als würden der Priester und der Banditenboss ihren Machtkampf nur mit Blicken austragen. Der Räuber hatte eindeutig die Oberhand mit seinen vielen Männern, den Waffen und dem Überraschungsmoment. Doch Seth war angefüllt mit dem Willen und dem Mut, seinen Pharao bis zum letzten Moment zu schützen. Egal, wie aussichtslos es war, er würde ihn nicht kampflos ausliefern. Doch dann weiteten sich Seths Augen und sein Mund öffnete sich langsam zu einem wortlosen Staunen, bevor er endlich leise hervorbrachte: „Emenas?“ „Ich wusste, du kommst mir bekannt vor“ staunte auch der Banditenkönig und beugte sich so weit herab, dass er neben Seth knien konnte. „Du bist der Junge, dem sie den Namen genommen haben. Du lebst noch ...“ Es war für die Außenstehenden nicht erkennbar weshalb, aber als der Boss dieser gesetzlosen Horde plötzlich seine Arme um Seth schlang und auch dieser einen Arm vom Pharao löste, um die Umarmung zu erwidern, da waren doch alle relativ sprachlos. Was hatten ein Bandit und der Priesters des Pharaos gemeinsam, dass sie sich begrüßten wie alte Freunde? „Du lebst noch ...“ wiederholte der schwarze Räuber atemlos und löste sich alsgleich wieder von ihm, um ihn voll des freudigen Staunens anzusehen. „Endlich kann ich dir danken.“ „Was soll denn das werden?“ schaltete sich nun der zahnlose Bart dazwischen, der dem wohl ebenso wenig folgen konnte. „Boss, was hast du mit diesen Adeligen zu schaffen?“ „Sind das deine Männer?“ zeigte der mysteriöse Emenas auf Fatil und die anderen. „Ja, bitte lass sie frei“ bat Seth ihn ruhig. „Wir wollen nur in den Palast zurückkehren.“ „Lasst die Männer frei“ befahl er und erhob sich wieder zu vollster Größe. Doch seine Männer bewegten sich kaum vom Fleck. Viel zu erstaunt waren sie. „SOFORT!“ herrschte er sie an und zeigte auf Seth. „Das ist der Mann, der mein Leben rettete. Also lasst ihn und seine Mannen auf der Stelle frei!“ Wie als wäre dies die Erklärung aller Rätsel, wurde Fatil losgelassen und auch die Fesseln der beiden Soldaten waren schneller durchtrennt als angelegt. Genauso schnell wie sie gefangengenommen wurden, waren sie auch wieder freigelassen. Sofort hatte der Bandenboss einen dünnen Mann mit weißem Bart herangewinkt, welcher sich zu Seth kniete und seinen verletzten Knöchel betrachtete. Wohl ein Arzt oder zumindest jemand, der ihm einen Verband aus der Tasche zauberte. „Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dass du noch lebst“ wiederholte Emenas nur ein Mal mehr und obwohl Seth und der Pharao sich noch immer leicht geschockt in den Armen hielten, bemerkte er den König gar nicht weiter. „Wie hast du es geschafft, ihnen zu entkommen? Bist du jetzt Priester?“ „Ähm ... ja“ antwortete Seth vorsichtig. „Emenas, bitte nicht hier. Die anderen ...“ und er senkte seine Stimme zu einem Flüstern, „... sie wissen nicht, wo ich herkomme.“ „Ich verstehe“ nickte er sofort und verstand alles. Er setzte in Gedanken die Worte hinzu, welche er in seinen blauen Augen lesen konnte: Sonst wäre ich jetzt kein Priester. „Bitte entschuldige, dass meine Männer dich angegriffen haben. Tut dein Knöchel sehr weh? Sag, ist es schlimm?“ „Nein, die Klinge hat ihn nur gestreift“ erwiderte die zittrige Stimme des alten Mannes, welcher ihm schnell einen Blutstopp bastelte. „Hab schon Schlimmeres erlebt“ meinte Seth und blickte hinunter, wo soeben der Verband an seinem Fuß verknotet wurde. „Dein Heiler ist schnell.“ „Ja, er ist alt, aber der Beste“ lächelte Emenas den dünnen, bärtigen Mann an. „Danke, Boss“ lächelte er zurück, nickte, erhob sich und war auch wieder im Hintergrund verschwunden. Er hatte erst mal nur eine fast flüssige Salbe aufgetragen und ein Stück Stoff darumgewickelt. Sicher würde er sich das später noch ein Mal ansehen wollen. „Emenas“ seufzte Seth und fasste sich etwas schwindelig an die Stirn. „Du bist ein Bandit geworden ... warum?“ „Ebenso könnte ich dich fragen, weshalb du Priester bist. Wir haben einfach zwei verschiedene Wege eingeschlagen. Umso erstaunlicher, dass wir uns so hier wiedersehen.“ Darauf konnte Seth nichts entgegnen. Langsam kam er wieder zu Bewusstsein, versuchte sein aufgeregtes Herz zu beruhigen und bemerkte dabei leicht erschrocken, dass er mit seinem anderen Arm noch immer den Pharao festkrallte. Auch der schien dies überrascht zu realisieren, dass er seinem Priester hing wie ein verschrecktes Weib und wie auf Kommando lösten beide zugleich ihren verkrampften Griff und wandten scheinbar verschüchtern die Blicke in entgegengesetzte Richtungen. „Ihr solltet euch in dieser Gegend nicht mit so wenigen Männern herumtreiben“ sprach Emenas nach einem Augenblick weiter, kam näher heran und kniete sich erneut zu Seth herab in den nachtkalten und vom Kampf aufgewühlten Sand. Den Pharao schien er dabei vollkommen zu ignorieren. Ein Fauxpas für die höfische Etikette, doch tief im Herzen war selbst Fatil erleichtert, dass das Oberhaupt dieser gesetzlosen Horde scheinbar ein freundschaftliches Band zu ihrem Priester hegte. Er war verwirrt und überrascht, aber für den ersten Moment erleichtert. „Doch dies ist der einzige Weg zurück zum Palast“ versuchte Seth zu erklären. „Eben aus diesem Grunde wimmelt es hier von Räubern. Hier ziehen die reichsten Karawanen und Wandersleute hindurch, um zum Palast zu gelangen. Warum reist ihr nicht mit großen Gefolge?“ „Ja, das ist in der Tat gewagt“ musste Seth zustimmen und hielt sich mit einem fassungsuchenden Seufzen das Haar aus der Stirn. Als der Pharao aufgebrochen war, hatte er noch ein großes Heer an seiner Seite. Die Entscheidung, sie nach Ausbruch von Krankheit zurückzusenden und allein weiterzureisen, war erst nach der Passage durch dieses Banditengebiet gefallen. Eigentlich war es Fatils Schuld, dass sie in Gefahr geraten waren. Als Wüstenführer war er ihr Taktiker. Er hätte darauf bestehen müssen, dass sie zumindest für das letzte Wegstück ein paar Söldner anheuerten, um sicher hier hindurchzugelangen. Doch die kranke Verfassung des Pharaos und sein Schwermut hatte wohl das vernünftige Denken aller Mitreisenden getrübt und die Motivation gelindert. Ein fataler Fehltritt für den er sich später persönlich zu verantworten haben müsste. „Bei uns seid ihr aber vorerst in Sicherheit“ versuchte Emenas den sichtlich orientierungslosen Seth zu beruhigen und legte ihm versöhnlich seine helle Hand auf die Schulter. „Aber Boss!“ protestierte sofort der zahnlose Bart, wohl scheinbar sein Vize. „Unser Ziel ist es, den Pharao und alle Adeligen zu ...“ „Du bist jetzt ruhig, Rantep“ gebot er ihm sofort und funkelte ihn mit einem drohenden Blick an, welcher sicher auch ganze Armeen zum Einhalten gezwungen hätte. „Widersprich mir nicht und steht hier nicht so rum. Verteilt euch und haltet Wache.“ „Aber Boss!“ Er hörte sich ja schon fast an wie ein quengelndes Kind. „Was weiter geschieht, sage ich euch, wenn ich mit dem Priester gesprochen habe. Und bis dahin rührt ihr nicht einen Finger an unsere Gäste und sprecht kein Wort mit ihnen. Falls doch, mache ich allein dich dafür verantwortlich, Rantep.“ „Aber Boss! Wenn sie nun ...?“ „Ihr sollt gern auf sie aufpassen, damit sie uns nicht auskommen“ gewährte er gütiger Weise und erhob sich aus seiner vertrauten Pose mit Seth. „Aber ich will keine weiteren Verletzungen. Keine Folter, keine Späße und keine Drangsalierungen. Und ich wiederhole mich nicht.“ „Ja, Boss.“ Irgendwie ließen alle Räuber ein wenig den Kopf hängen. Schließlich war ihnen ein Heidenspaß entgangen und ihr Plan, für jedes Körperteil eine einzelne Lösesumme auszuhandeln, war damit vereitelt. Doch ihr Anführer schien ihnen mehr Angst einzuflößen, als eine Lösesumme an Freude bringen konnte. Und irgendwie hallte wohl nicht nur ihnen, sondern auch Seths Begleitern der Satz in den Ohren ... der Mann, der mein Leben rettete ... nur, dass die Banditen diese Worte wohl zu deuten wussten und alle übrigen nicht ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)