Menschen, die auf Gras wandeln I+II+III von masamume ================================================================================ Kapitel 26: Kapitel 26 ---------------------- Kapitel 26 Seit Stunden waren sie schon unterwegs und seit Stunden hatten sie weder ein Wort, noch einen Blick gewechselt. Das Frühstück verlief wortlos. Die Unterhaltung übernahmen Penu und Faari, indem sie so taten als sei nichts geschehen. Sie mochten Seth und waren sich sicher, dass er nichts Böses im Sinn gehabt hatte. Und da ihr König betonte, es wäre nichts weiter gewesen, mussten sie ihm glauben. Oder zumindest so tun als glaubten sie ihm. Doch, dass weder er noch Fatil ein Wort mit ihrem Priester sprachen, fiel auf. Vielleicht war es auch nur ein kleiner Zwist - das kam vor zwischen Freunden. Dass der Pharao und der Priester Freundschaft geschlossen hatten, war in den letzten Wochen so eindeutig gewesen. Sie lachten gemeinsam, aßen gemeinsam, ritten nebeneinander her und unterhielten über alle möglichen und unmöglichen Sachen. Wenn eine Freundschaft so intensiv und noch ganz am Anfang war, stritt man sich nun mal auch ab und zu, ebenso wie man sich auch wieder vertrug. Dass Seth ebenso traurig blickte wie der König zeigte nur, dass es beiden auf der Seele lastete und sie würden sich sicher wieder vertragen, wenn sich die Wogen nur erst wieder geglättet hatten. Nur Fatil blickte den Priester dunkel an ... dunkler als sonst. Vielleicht war der Pharao hier auch nur zwischen die Fronten zweier ihm wichtiger Menschen geraten ... in so ein Chaos mischte sich ein intelligenter Soldat nicht ein. Nach dem Frühstück wurde das Lager zusammengepackt, die Pferde beladen und weiter ging es wie jeden Tag. Schier unendliches Wandern durch die heiße Wüste. Rundherum nur Sand, Sand, Sand und Sonne, blauer Himmel und Hitze. Ein Tag war wie der andere und auch die Gedanken drehten sich im Kreis. Jeder wollte nach Hause, zurück in den Palast zu Frau und Familie. Stunden um Stunden um Stunden vergingen, die Temperaturen stiegen und die aufregendste Aufgabe war, die Lastenpferde zu treiben oder darauf zu achten, dass ihr König genug trank. Wie jeden Tag. Doch heute schien ein Tag zu sein, welcher Abwechslung brachte. Nicht nur, dass man den ersten Zwist im Lager hatte, nein, heute gab es auch Positives. „Ein Dorf!“ Penu war außer sich vor Freude als er ins Tal der Dünen zeigte. „Fatil! Da ist ein Dorf!“ „Überraschung“ lächelte er den plötzlich so fröhlichen Soldaten an. „Und? Bist du mir noch immer böse, weil ich die Nachmittagspause gestrichen habe?“ „Warum hast du das nicht früher gesagt? Dann hätte ich bessere Laune gehabt!“ „Ich wollte euch doch überraschen“ schmunzelte er. „Was für ein Dorf ist das?“ fragte Atemu etwas ruhiger und blickte von der Düne herunter auf die ovale Sammlung von Häusern unten zwischen den Sandbergen. Umgeben war alles von einer hohen, aus hellgrauen Blöcken aufgetürmte Steinmauer, welche vor Eindringlingen und Angreifern ebenso schützte wie vor häufigen Sandstürmen in dieser Gegend. Vier große Holztore in alle Himmelsrichtungen waren weit geöffnet, aber es ging weder jemand ein noch aus. Hinten am Horizont sah man gegen den Sonnenschein einige schwarze Punkte allmählich hinter der Dünenspitze verschwinden. Wahrscheinlich eine Karawane von Händlern, welche nun ihren unermüdlichen Weg fortsetzte, nachdem sie das Dorf besucht hatte. Vielleicht war dies ein wichtiger Handelspunkt, denn dieses Dorf hatte fast die Ausmaße einer kleinen Stadt. Aus den Schornsteinen der Lehmhäuser drang schwarzer Rauch und sogar einige größere Bauten waren darunter. Man erkannte die niedrigen Hütten der Einwohner und einige höhere Gebäude mit bis zu fünf Stockwerken, wo eigentlich nur wohlhabendere Menschen leben konnten. Ein Dorf, welches mehrstöckige Häuser zeigte, hatte also mindestens einen gut gestellten Bürger. Somit war dies kein kleines Dorf, sondern ein echtes Wüstendomizil. In der Mitte erkannte man den Marktplatz und rundherum nach kurzem Zählen acht höhere Häuser und daneben gestreut viele kleinere Hütten aus hellbraunem Lehm oder, wenn jemand mehr Geld hatte, aus Stein. „Dies ist Nove Vaasa“ erklärte Fatil. „Vor etwa fünfzig Jahren ist hier eine unterirdische Wasserader entdeckt worden und nachdem sich die ersten Nomaden deshalb hier niederließen, wächst das Dorf stetig an. Der reichste Bürger hier, Abu Saphrem, hat bereits beantragt, Nove Vaasa als Stadt anzuerkennen und ihn als Stadthalter einzusetzen. Doch hierzu fehlen noch fünf mehrköpfige Familien, zumindest nach meinem letzten Stand. Es kann gut sein, dass die Kriterien auch bereits erfüllt sind und die Genehmigung erteilt wurde.“ „Ist denn das so wichtig?“ wollte Penu ungläubig wissen, als sie ihre Pferde langsam wieder in Bewegung setzten und die Düne hinab ritten. „Du hast wieder keine Ahnung von Politik“ lächelte Faari ihn neckisch an. „Wenn ein Dorf zur Stadt erklärt wird und einen Stadthalter bekommt, so erhält dieser Stadthalter für seine Dienste einen guten Lohn vom Palast. Er darf im Namen der Krone Steuern eintreiben, einen Teil für sich behalten und muss einen Teil an den Palast abtreten. Mit dem Rest des Geldes wird die junge Stadt weiter ausgebaut, was dem Stadthalter und dem Palast wieder Geld bringt und mehr Einwohner anlockt. So entstehen Städte, mein lieber Penu.“ „Das weiß ich auch“ moserte er. „Und warum fragst du dann?“ „Grm ...“ Okay, Penu verstand nun mal nicht viel von Politik. Na und? Hauptsache, er führte sein Schwert sicher. Keiner verlangte, dass er so gebildet sein musste, wie ein Adliger ... und dass Faari nicht adelig war und so etwas trotzdem wusste, war doch auch egal! „Auf jeden Fall können wir uns dort ein wenig ausruhen und neuen Proviant kaufen“ schlichtete Fatil. „Vorausgesetzt, unser Pharao ist einverstanden.“ „Natürlich“ nickte er. „Ein richtiges Bett, ein Bad und ein Mahl mit frischen Früchten wird uns sicher gut tun.“ „Wie groß ist Nove Vaasa denn überhaupt?“ wollte Seth genauer wissen. „Einen Tempel gibt es bestimmt. Kannst ja gleich da bleiben.“ „Fatil, bitte“ raunte sein König leise. „Lass das.“ „Entschuldige, Priester“ knirschte er sich notgedrungen heraus. „Versteh das nicht falsch.“ „Ich glaube, ich verstehe das ganz richtig.“ Die beiden blickten sich nicht an, aber dass zwischen ihnen eine Spannung herrschte, war schon seit dem ersten Tag zu spüren. Sobald sie im Palast waren, würden sie sich sicher aus dem Weg gehen. Und bis dahin mussten sie es eben miteinander aushalten ohne sich gegenseitig zu zerfleischen ... hoffentlich. „So? Wie hast du es denn verstanden?“ „So wie es gemeint war. Sag, Fatil, was ist dein ...?“ „Hört auf jetzt. Alle beide“ durchschnitt Atemu sofort diesen aufkeimenden Streit und blickte erst Seth, dann Fatil drohend an. „Ich wünsche nicht, dass ihr euch streitet. Ihr seid erwachsene Männer als benehmt euch auch so.“ „Euch steigt wohl die Hitze in den Kopf“ versuchte Faari ein wenig zu scherzen, um die Stimmung zu lockern. „Kloppt euch und geht dann einen Krug Wein trinken.“ „Es tut mir leid, Majestät“ sprach Seth leise, hob seinen Blick und Atemu spürte wie er ihn ansah mit seinen himmelblauen Saphiren voller Glanz. Seine Stimme klang ehrlich und dies waren nach Stunden die ersten Worte, welche er zu ihm sprach. Er meinte es ehrlich, er entschuldigte sich. Sein Ton war so bittend, so aufrichtig. Er wollte nicht streiten. Und er bat nicht um Verzeihung, dass er sich gegen Fatil wehrte, sondern um Vergebung für diesen Morgen. Vielleicht war auch er hilflos gewesen und wusste nicht, was er hätte machen sollen. Als er sich bereits erschrocken hatte, war es schon zu spät, um es noch zu ignorieren. Einfach weg zu gehen, wäre unhöflich gewesen ... letztlich war sein Handeln das einzig Richtige, um den Pharao nicht in Verlegenheit zu bringen. Dass er ihn damit wohl doch beleidigt hatte ... das tat ihm sichtlich leid. „Mir tut es auch leid, Pharao“ bat Fatil ebenso, auch wenn er wohl nur Seth das Wort abschneiden wollte. Außerdem war es leichter, sich beim König zu entschuldigen als bei einem verkleideten Sklaven. „Schon gut“ seufzte er geschlagen, blickte Fatil in seine dunklen Augen und nickte ihn verständig an ... bevor er seinen Blick auf den Priester richtete, welcher so stolz auf seinem Pferd saß, die Falten seines roten Gewandes unter der Sonne leichte Schatten warfen, seine gebräunte Haut ebenso unterstrichen wie seine schimmernden Augen. Ein Traum unter der Wüstensonne. „Beim nächsten Mal halten sich einfach beide etwas zurück“ nickte er auch ihn an. Doch er meinte damit nicht ihn und Fatil ... er meinte sich und Seth. Und der verstand ihn auch, nickte und sprach ein verständiges „Danke“. „Natürlich, mein König“ antwortete Fatil und strich sich sein schwarzes Lockenhaar aus der Stirn, welches schon langsam ganz eingesandet war, da ihr Wasser für größere Haarwäschen langsam knapp wurde. „Ich glaube, eine kleine Pause wird uns allen gut tun.“ „Endlich sagst du mal was Vernünftiges“ pflichtete Penu sogleich bei. „Und? Wisst ihr schon, was ihr in der Stadt machen wollt?“ „Ich hab meiner Frau versprochen, ich bringe ihr ein Schmuckstück mit“ antwortete Faari mit einem verliebten Lächeln im Gesicht. „Sie wünscht sich ein Armband mit grünen Steinen besetzt. Und ich wünsche mir, dass es einen Schmuckhändler im Dorf gibt.“ „Bestimmt“ meinte Fatil. „Und Penu, was ist dein Wunsch?“ „Keine Ahnung“ pustete er überlegend in die Luft. „Ich brauche erst mal ne Frau, bevor ich Geschenke kaufen kann. Vielleicht treffe ich ja eine auf dem Marktplatz.“ „Auf den Marktplatz möchte ich auch“ stimmte der Pharao zu. „Ich habe Lust, mit einem Händler zu feilschen. Aber dann unerkannt.“ „Warum denn unerkannt?“ fragte er verwundert. „Es lässt sich besser feilschen, wenn Ihr preisgebt, wer Ihr seid. Dann geht der Händler sicher mit dem Preis weit herunter.“ „Ja, so weit, dass er mir etwas schenken möchte. Und dann hat es sich mit dem Feilschen erledigt.“ „Ihr habt manchmal wirklich eigenwillige Wünsche, mein König“ schmunzelte Fatil ihn lustig an. „Dann vergesst aber nicht, Euren Geldbeutel einzustecken. Sonst müsst Ihr Euch doch beschenken lassen.“ „So schlau bin ich auch“ meinte er und fand selbst etwas überrascht ein wohltuendes Lächeln auf seinem Gesicht. „Und was hast du für Stadtwünsche, Fatil?“ „Ich werde wohl ein neues Pferd kaufen müssen“ überlegte er, drehte sich herum und nickte auf das braungescheckte Lastentier, welches sichtbar seinen rechten Hinterlauf nachzog und schwer an den großen Ledertaschen trug. „Dann lass mich doch darum feilschen!“ „Ihr geht mal lieber auf dem Marktplatz Früchte einkaufen. Das letzte Pferd, welches Ihr mitbrachtet, war eine alte Mähre zum überhöhten Preis. Man muss sich ja fast schämen für Euch.“ „Aber es hatte eine schöne Farbe!“ „Ja, das war’s dann aber auch schon an Nutzen“ lachte er. „Geht doch lieber schön gefärbte Trauben kaufen, das kostet weniger.“ „Nimm mich nicht immer auf den Arm, Fatil“ lachte er mit ihm. „Lass mich doch machen, wie ich will! Du untergräbst meine Autorität!“ „Oh Verzeihung, hoher Herr! Ich wusste nicht, dass Ihr Eure Autorität durch Feilschen erworben habt. Welche Farbe hat sie denn?“ „FATIL!“ Das war doch wirklich ein ziemlich fieser Witz und er verpasste dessen Pferd als kleine Rache einen so plötzlichen Klapps, dass es scheute und ihn fast heruntergeschubst hätte. Geschah ihm recht, wenn er den König ärgern wollte. Doch er landete ja nicht im Sand, lachte mit einem Kopfschütteln und überließ der Krone den feierlichen Triumph. Aufheiterung hatte der Arme mehr als nötig. „Und was wünschst du dir, Seth?“ Wohl aus Gedanken hervorgeholt, blickte er seinen König etwas überrascht an und suchte doch einen Augenblick zu lange, nach einer Antwort, was den eben noch erheiterten König allmählich wieder still werden ließ, das Lachen von seinem Gesicht nahm. Diese blauen Augen ... Selbst den anderen fiel auf, dass die beiden sich einen ganzen Moment wortlos ansahen, ohne erkennbare Mimik im Gesicht. Ihre Augen aufmerksam geöffnet, ihr Reiten ganz apart. Als würden sie sich nach langer Zeit wiedersehen und sich nicht sofort erkennen ... merkwürdige Blicke, welche dort zwischen ihnen schwebten. „Entschuldigt“ brach der Priester endlich das Schweigen, löste seinen Blick und damit auch die verworrene Aura in der heißen Luft. „Wie war Eure Frage?“ „Was du dir wünschst ... in der Stadt“ verbesserte er gleich. „In der Stadt. Was möchtest du dort tun? Faari wünscht sich ein Armband, Penu eine Frau und Fatil ein Pferd. Und du?“ >Was wünschst du dir?< Was hatte Atemu da nur gefragt? Als Seth niedergeschlagen im Herzen, in der Seele mehr tot als lebendig war - da hatte er ihn schon mal gefragt, was er sich wünschte. Ob diese unbedachte Formulierung ihn daran erinnerte? Ihn daran erinnerte, dass er bis vor wenigen Jahren noch ein Nichts gewesen war? Ein schmutziger Sklave, welcher seine Schande mit dem Leben bezahlen musste? Nein, das hatte er nicht gewollt. Er wollte diesen zerbrechlichen Blick nicht sehen. Er wollte Seth niemals das Gefühl geben, dass er nur ein Sklave war. Er war Priester, ein heiliger, gesegneter Mann, ein Mensch. Seth war ein Mensch. Niemals weniger als das. Und doch ... sein Blick war so furchtsam, so verletzlich. Seine Augen glänzten unter dem hellen Licht, welches den Himmel erleuchtete. Waren es Tränen, welche dort glänzten? Dass Seth nervös wurde, wusste er sicher gut zu verbergen und Atemu sah es doch. Er hatte ihn zu lange, zu intensiv beobachtet, als dass er es nicht bemerken würde. Diese wunderschönen Hände, welche nun so sauber und rein waren wie die Hände eines wahren Priesters, nicht wie die eines Sklaven. Sie kämpften miteinander darum, wer die Zügel fester halten konnte. Sein Atem ging bei längerem Blickkontakt nicht mehr so entspannt, sondern kürzer und flacher. Und seine Wangen, sie röteten sich ein wenig. War es aus innerer Aufruhr heraus oder lag es doch nur an der Sonnenhitze? Nur dieses Glänzen dieser götterblauen Saphire ... Was hatte er nur bewirkt mit dieser erinnerungsschwangeren Frage? Er wollte ihn doch nicht verletzen. Er wollte alles für ihn tun - aber ihn niemals verletzen. „Ich bin Priester, Majestät“ erwiderte er mit leerer Stimme. „Ich möchte in den Tempel gehen und sehen, wie man dort lehrt und lebt. Wenn Ihr mir die Erlaubnis dazu gebt. Mehr wünsche ich mir nicht.“ „Natürlich. Du bist ein freier Mann und kannst handeln, wie dir beliebt.“ Was war denn mit Seth los? Woher kam dieser verwundbare Blick? Diese flache Stimme? Diese steife Körperhaltung? Was lief nur gerade in seinem Kopf ab, dass es ihn vom einen auf den anderen Moment so ... unentschlossen wirken ließ? „Es beliebt mir nur, nach Eurem Belieben zu handeln. Mehr als Eure Zustimmung brauche ich nicht. Niemals würde ich Euch um etwas Unverschämtes bitten. Das schwöre ich ... denn auch Eure Güte sollte man nicht überspannen ...“ „Komm schon! Hör auf, ihm zu schmeicheln. Sonst wird er noch verlegen“ lachte Faari und klopfte dem orientierungslosen Priester auf die Schulter. „Du weißt doch, dass er mit so was nicht umgehen kann. Er mag es nicht, wenn man ihn wie einen Herren behandelt oder willst du ihn beleidigen?“ „Tue ich das?“ fragte er überrascht, drehte sich herum und sah den Pharao mit tief besorgten Augen an. „Euch beleidigen?“ „Selbst wenn“ frotzelte Faari, der diese Situation entweder nicht mitbekam, nicht verstand oder gewollt überging. „Unser Pharao ist nicht nachtragend. Wenn du dich entschuldigst, dann lächelt er und reicht dir seine Hand zum Kuss. Du musst dir schon etwas besonders Harsches einfallen lassen, um ihn dir zum Feind zu machen. Nicht wahr, Majestät? So seid Ihr doch! Oder Fatil? Penu?“ „Konzentriere dich lieber auf die Wachen dort vorn“ wies Fatil ernst an. „Nicht, dass sie uns als Bedrohung empfangen.“ „Warum wird die Stadt überhaupt so stark bewacht?“ stellte Penu fest und fragte sich zugleich nach dem Sinn. Unten am Tor, auf welches sie zuritten, waren ganze vier Wachmänner postiert. Das war ungewöhnlich viel für ein solches Dorf oder selbst eine kleine Stadt. Ein bewaffneter Mann pro Tor sollte doch eigentlich ausreichen. Doch diese Männer dort unten waren nicht nur bewaffnet mit Schwertern und Bögen, welche gängig waren, sondern mit viel schwererem Geschütz. Sie trugen Schilde und Helme aus Leder, Schleudern und Keulen. Ja, wahrscheinlich steckten selbst kleine Dolche irgendwo in ihrer Rüstung. „Ja, die Männer sind fast so schwer bewaffnet wie die Palastwachen“ meinte auch Faari. „Wozu so viel Aufwand? Oder ist in dieser Stadt etwas wichtiges, was sie verteidigen müssen? Fatil, weiß du etwas davon?“ „Nein, davon weiß ich nichts“ antwortete er bedächtig. „Aber wir werden sie fragen. Wenn es in der Stadt Unruhen gibt, werden wir dort keine Rast machen. Es wäre zu gefährlich für den Pharao. Dann werden wir unsere Identität nicht preisgeben, ihr reitet gleich weiter und ich gehe schnell das Nötigste besorgen. Wir können dann im nächsten Dorf einkehren.“ „Schade“ trauerte Penu schon jetzt. „Ich hab mich so auf den Marktplatz gefreut.“ „Vielleicht ist ja gar nichts Schlimmes dort drin und wir können doch hingehen“ baute der König ihn auf und verhüllte gleichzeitig sein Gesicht mit dem leichten Schleier aus weißem Stoff, welcher ihn sonst vor Sand und Sonne schützte und nun dazu diente, vorerst unerkannt zu bleiben. Erst wenn sie den Grund für diese erhöhte Bewachung kannten, konnten sie sich entscheiden, ob sie bleiben oder weiterziehen wollten. Als sie den Abstand zwischen sich und den Torwachen verkürzten, zeigten sie alsgleich, dass sie der Stadt nicht feindlich gesonnen waren. Einfach indem Faari und Penu von ihren Pferden abstiegen und den Rest zu Fuß weitergingen. Als Soldaten wollten sie ihren Genossen auf gleicher Höhe begegnen und zeigen, dass sie vom selben Schlag waren. Ein ganz normale Begrüßungsformalität im Reiche. Und auch Seth als Priester führte sein Pferd per pedes weiter. Als Mann der Götter würde er es sich niemals erdreisten, seinen Stand zur eigenen Erhöhung zu nutzen. Sicher war die Kaste der Priester auf gleicher Höhe mit denen der Hochadeligen, aber im Gegensatz zum Hochadel war die Heiligkeit den normalen Bürgern im Herzen näher. Und deshalb zeigte auch er als Priester, dass er in aller Höflichkeit zu ihnen trat. Nur Fatil als hochgeborener Adeliger blieb auf seinem Pferd sitzen und neben ihm selbstverständlich der Pharao, welcher für keinen Menschen im Reiche jemals sein Haupt senken musste. Zwar war seine Identität durch den leichten Schleier aus Stoff geschützt, jedoch sah man doch schon an der mehr als gut verarbeiteten Kleidung, dass er und Fatil ganz oben in der Ordnung standen. So näherten sie sich bis vors Stadttor und blieben respektvoll vor den vier schwer bewaffneten Männern stehen. „Seid gegrüßt, Wachmänner von Nove Vaasa“ sprach Fatil stark, aber auch gekonnt staatsmännisch. „Seid gegrüßt, Wandersleute“ erwiderte der Wachmann ganz links, welcher wie alle anderen unter seinem schweren Lederhelm kaum zu erkennen war. Aber an den zwei überkreuzten Speeren, welche auf seinem Schild aufgemalt waren, ließ sich erkennen, dass er der Hauptmann dieser Truppe sein musste. Er bewegte sich sogar von seinem Posten fort und stellte sich direkt in die Mitte, um mit den Gästen zu sprechen. Er verneigte sich im Namen seiner Männer tief vor den erkennbar adeligen Reitersleuten und trat danach direkt zu Seth heran, nahm seinen Helm ab und hielt sein Gesicht doch gen Boden gestreckt. Erst als ihm der Priester die Hand auf sein verschwitztes Haar legte und seine Segensworte „Die Götter mögen dich schützen, Soldat“ sprach, erhob er sich wieder und zum Vorschein kam ein recht gedrungener Ausdruck. Sein Gesicht hatte sicher schon viele Kämpfe erlebt und so war es von tiefen Narben geziert, seine Knollennase plattgedrückt und auch seine Augen waren eher zu Schlitzen verengt. Der Jüngste war er nicht mehr, aber sicher ein sehr erfahrener Krieger. Und selbst die Hitze der Wüste, welche sich heiß unter der dicken Rüstung staute, ließ ihn nicht die geringste Schwächer zeigen. „Sagt, was begehrt Ihr in Nove Vaasa?“ sprach er mit fester Stimme, aber es ließ sich nicht das geringste Misstrauen erkennen. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie einen Priester dabei hatten. Sonst mussten sie sich häufig erst zu erkennen geben, bevor man respektvoll mit ihnen sprach, aber ein heiliger Mann in ihren Reihen vereinfachte die Sache doch sofort allein durch seine Anwesenheit. Priestern misstraute man nicht, das wäre Gotteslästerung. „Ihr kommt vom Haupttempel, vermute ich. Dann habt Ihr einen langen Weg hinter Euch.“ Das musste er anhand von Seths dunkelrotem Gewand sehen, denn dies war die heilige Uniform, welche alle Priester trugen, welche aus dem roten Wüstentempel stammen. Diese dort gelehrten Priester erfreuten sich im Allgemeinen an großer Wertschätzung. „Ja, wir waren im Haupttempel zu Besuch“ nickte Fatil und übernahm damit als Gruppenführer wie selbstverständlich die Gesprächsleitung. „Sagt, weshalb wird die Stadt so schwer bewacht?“ „Verzeiht, hoher Herr“ antwortete er in allem Respekt. „Bitte beantwortet Ihr zuerst meine Frage. Was begehrt Ihr in unserer Stadt?“ „Rast und Vorräte. Wie Ihr schon feststelltet, haben wir einen langen Weg hinter uns. Unsere Tiere sind müde und wir sind es auch. Wir möchten hier Rast einlegen und unsere Brotsäcke auffüllen. Wir haben ausreichend Geld und können unser Begehren zahlen.“ „Dann seid willkommen“ nickte er freundlich. „Entschuldigt, wenn Euch meine Frage kränkt, aber wir haben Weisung, auf reichsfremde Kämpfer Acht zu geben. Aber wäret ihr ein solcher hättet ihr anders geantwortet.“ „Reichsfremde Kämpfer? Was genau bedeutet das?“ „In den letzten Wochen fallen immer wieder brutale Kämpfer in aufsteigenden Städten ein. Seit der Pharao seinen Besuch beim König von Tschad beendet hat, greifen fremde Truppen immer wieder unsere Wüstenstädte und auch Dörfer an. Aber sie sind nicht sofort als Truppen zu erkennen. Sie kommen in kleinen Gruppen von weniger als zehn Mann und stiften doch große Zerstörung. Unser Stadthalter will mit verstärkten Kontrollen verhindern, dass solche Truppen auch hier einfallen. Sagt bloß, Ihr habt noch nichts davon gehört?“ „Nein, wir sind schon sehr lang unterwegs. Nachrichten verbreiten sich zwischen den Städten wohl schneller als dass sie bis zu uns Wanderern durchhallen können.“ „Sagt mir, Hauptmann“ sprach der Pharao hinter seinem Schleier, „fallen diese Truppen auch in kleinen Dörfern ein?“ „Ja, mit Vorliebe“ erklärte der gesichtsnarbige Soldat. „Dort finden sich keine Kämpfer, welche ihnen Gegenwehr leisten und damit die Dörfer nicht zu schnell neu besiedelt werden, vergiften sie die Brunnen und brennen die Häuser ab. Bis jetzt gab es kaum Überlebende, welche von diesem Schrecken berichten konnten. Wir warten alle darauf, dass unser verehrter Pharao von seiner Reise in den Palast zurückkehrt und dem König von Tschad die Stirn bietet. Ägypten soll nicht wie Sudan oder Niger unter König Sarhs Herrschaft enden. Unser Reich will seine Götter und seinen König behalten. Wir sind bereit für den Pharao zu kämpfen, wenn er uns ruft.“ „Aber der Krieg darf niemals eine Lösung sein“ sprach der verhüllte Pharao ruhig weiter. „Dass König Sarh uns schon jetzt seine Kämpfer zur Drohung schickt, ist eine falsche Sache, welche von nicht allzu großem Gerechtigkeitssinn zeugt.“ „Genau deshalb müssen wir ihn bekämpfen!“ „JA! KÄMPFEN!“ riefen auch seine drei Männer hinter ihm. Die hatten sich wohl auch schon gegenseitig aufgestachelt ... „Ägypten darf sich nicht einschüchtern lassen!“ Der Hauptmann war eindeutig bereit, für sein Land zu kämpfen. Vielleicht hatte er schon zu viele Schlachten gesehen, als dass er noch lange Zeit hatte, sich mit Pazifismus zu umgeben. „Tschad hat schon zwei Reiche vernichtet und Ägypten wird nicht das nächste Land sein, welches ihm anheim fällt. Wir werden unser Reich und unsere Krone verteidigen.“ „Ägypten war aber von jeher friedlich“ sprach Atemu gegen ihn an. „Kriege fordern viele Opfer, berauben die Frauen ihrer Männer und die Kinder ihrer Eltern. Ich selbst habe meinen Vater im Krieg verloren und weiß welch ein Verlust das ist. Wenn Ägypten mit Gegengewalt reagiert, wird unser göttertreues Reich untergehen. Nein, Ägypten muss subtiler handeln, sich Verbündete suchen und mit stolzem Haupt den Kampf ablehnen.“ „Aber gegen ein kriegerisches Land wie Tschad hilft nur Gleiches mit Gleichem zu vergelten!“ war seine feste Meinung. „Ich habe schon im letzten Bürgerkrieg im Süden für Pharao Akanumkanon gekämpft und weiß, wie man eine Schlacht führt. Und hier sage ich: Feuer ist mit Feuer zu bekämpfen und nicht mit warmen Worten.“ „Der Bürgerkrieg zur letzten Revolution im Süden war vielleicht eine gerechte Sache, aber sicher nicht der ideale Weg“ hielt er stark dagegen. „Aber die Krone hat gegen die Rebellen gesiegt.“ „Nur zu welchem Preis?“ sprach er etwas traurig und so langsam hörte man die kriegsfeindliche Stärke in seiner Stimme beben. „Im Süden wurden tausende von Menschen im Namen der Revolution geopfert. Viele, selbst unbeteiligte, Bürger verloren ihr Leben, Kinder wurden gefangen genommen und in die Sklaverei verkauft, Felder niedergebrannt. Es ist gut, wenn die Menschen an die Krone glauben, aber andersherum muss auch die Krone an die Menschen glauben. Und deshalb ist Krieg nicht der Weg, den Ägypten beschreiten sollte.“ „Bei allem Respekt, hoher Herr“ schüttelte der Hauptmann lächelnd den Kopf. „Ich glaube nicht, dass Ihr mehr Erfahrung in Kriegsführung habt als ich. Und ich sage gegen Tschad: Feuer mit Feuer bekämpfen. DAS sollte Ägypten tun.“ „Und ich sage, Ägypten wird einen intelligenteren Weg als Krieg finden“ sprach er und setzte dem einfach ein Ende, indem er seinen Schleier löste und dem königstreuen, aber kriegsvernarrten Hauptmann sein Gesicht zeigte. Und der wurde wirklich sofort leichenblass in seinem vernarbten Gesicht, der Mund stand ihm offen und man sah deutlich den Schrecken, der ihm durch die Gebeine fuhr und ihn paralysierte, während die drei Wachmänner hinter ihm bereits in die Knie gingen und sich verneigten. „Ägypten wird keinen freiwilligen Krieg führen. Denn Feuer wollen wir nicht mit Feuer bekämpfen, sondern mit unserem göttergesegneten Wüstensand ersticken. Und auf den angehäuften Hügeln unseres Sieges werden wir Gras wachsen lassen, welches unseren Göttern ein Denkmal setzen soll für Frieden und Einigkeit zwischen den Menschen über alle Grenzen hinweg.“ „... Pharao!“ Schnell kniete er tief nieder in den Sand, senkte sein Haupt, genau wie seine drei Männer es bereits taten. Hätte er gewusst, mit wem er hier wirklich sprach, hätte er seine Worte vielleicht etwas gewählter hervorsprudeln lassen. „Es tut mir leid, ich habe Euch nicht gleich erkannt, Eure Hoheit. Bitte verzeiht meine harschen Worte. Selbstverständlich wird Ägypten den Weg beschreiten, welchen Ihr vorgebt. Eure Untertanen werden Euch folgen, was auch immer Ihr befehlt. Bitte, seid unserer Loyalität zur Krone versichert.“ „Ich weiß, bitte sei ganz beruhigt und steh auf.“ Er ließ die verunsicherten Männer erst mit ihrer schweren Rüstung auf ihre Beine zurückkommen, bevor er weitersprach. „Ich weiß, dass du der ägyptischen Königsfamilie treu und loyal bist. Ein alter, erfahrener Krieger wie du hat sicher viel zu berichten von vergangenen Schlachten. Jedoch bitte ich dich, mir so zu folgen wie du einst meinem Vater folgtest, welcher den Krieg stets so ablehnte wie ich es tue.“ „Ich folge Euch, wo auch immer Ihr Ägypten hinführt“ antwortete er und legte sich wie zu einem Schwur die Hand aufs Herz, so wie seine Männer es ihm gleichtaten und ihrem Pharao die Treue bezeugten. „Ich danke dir, Soldat. Bitte sag mir deinen Namen.“ „Ich bin Kerasheres aus der Familie der Katenen“ erbrachte er mit einer neuen Verbeugung. „Immer zu treuen Diensten, mein König.“ „Ich freue mich sehr, dich kennen zu lernen, Kerasheres“ nickte er. „Darf ich dich um einen Gefallen bitten?“ „Natürlich, Majestät! Was immer Ihr wünscht! Bitte lasst mich meine verfehlten Worte wiedergutmachen.“ „Oh, deine Worte waren nicht verfehlt“ lächelte er gutmütig. „Ich mag es, wenn man ehrlich heraus spricht. Sag nur, was du zu sagen hast, solange du auch andere Meinungen gelten lässt.“ „Nur, dass Eure Meinung stets geltungsschwerer ist, mein Pharao. Was Ihr tut, ist sicher richtig. Daran zweifle ich nicht. Bitte sagt mir, was ich für Euch tun kann.“ „Du kennst dich sicher in der Stadt aus“ bat er so freundlich wie eh und je, auch wenn ein König wie er eigentlich keine Freundlichkeit nötig hatte. „Meine Männer und ich brauchen ein Nachtlager. Gibt es in deiner Stadt eine Herberge, welche Zimmer für uns frei hat?“ „Für Euch gibt es immer einen Platz bei uns, Hoheit“ versprach er. „Ihr reist mit ... nur diesen vier Männern?“ „Diese vier Männer sind mehr als genug. Dies hier ist Fatil, mein Führer und Gesellschafter, mein Vertrauter“ wies er nach rechts auf ihn, welcher zur Begrüßung ebenso freundlich nickte. „Die beiden Soldaten sind Penu und Faari, meine Leibgarde und gute Freunde. Und unser Priester ist Seth Chuanch Amun Sanacht, er begleitet uns seit wir den Haupttempel verlassen haben.“ „Dann seit Ihr bei Chaba Djedef Re in die Lehre gegangen?“ fragte der Hauptmann ihn ganz entrückt. „Ja, er war mein Lehrer“ bestätigte er. „Warum? Kennst du ihn?“ „Jeder kennt den großen Hohepriester Chaba Djedef Re. Er ist ein beeindruckender Mann, welcher über diesen Teil der Wüste seine schützenden Hände hält. Wer ihn einst getroffen hat, wird ihn niemals mehr vergessen. Ich selbst hatte die Ehre, ihn einst ein Stück mit einer Karawane zu begleiten und seitdem habe ich ein ganz anderes Verständnis von unseren hohen Göttern. Die Priester aus dem roten Tempel sind uns stets willkommene Gäste. Unser Stadtpriester Jarha Timat Re war selbst vor Jahren sein Schüler und leitet hier nun im Namen seines Heimattempels unseren Stadttempel. Es ist eine Freude zu hören, dass einer unserer Wüstenpriester von Chaba Djedef Re in den Palast einkehren darf.“ „Du scheinst aber auch kein bürgerlicher Soldat zu sein“ stellte Fatil beobachtend fest. „Deine gewählte Ausdrucksweise passt teilweise nicht zu einem Krieger. Woher kommt die Familie der Katenen?“ „Meine Familie lebte früher als neuägyptischer Landadel an der Reichsgrenze. In dem Teil, welcher heute zu Sudan gehört. Damals fiel unser Land aufgrund der Befriedung mit dem damaligen sudanischen König an ihn. Es kam zwar zu keinem offiziellen Krieg, aber meine Eltern und Großeltern sind trotzdem bei den Kämpfen damals gestorben. Ich war neun Jahre alt und wollte kein Sudaner werden, nicht zu dem Reich gehören, welches meine Familie ausgelöscht hatte. Ich habe mich geweigert und wurde bei meiner Flucht von Zuhause von einem ägyptischen Soldaten aus dem Grenzgebiet mitgenommen und wuchs bei seiner Familie am nördlichen Nil auf. Obwohl sie mir ein gutes Heim gegeben haben, weiß ich jedoch, dass meine Wurzeln woanders liegen.“ „Ist das der Grund, weshalb du Soldat geworden bist?“ wollte Atemu interessiert wissen. Die Schicksale der Menschen interessierten ihn immer. Er wollte sich trotz der eigenen Reiseerschöpfung Zeit nehmen, um einzelne Bürger seines Volkes näher kennen zu lernen. Um aus ihren Geschichten zu lernen und ihnen das Gefühl zu geben, dass er sich um jeden einzelnen kümmern wollte. Und dieser Soldat hatte scheinbar eine bewegte Vergangenheit, aus welcher man viele Lehren ziehen konnte. „So ist es, mein Pharao“ erzählte er dankbar. „Damals habe ich mir vorgenommen, dass ich für das Land kämpfen will, für welches meine Familie gefallen ist. Ich habe niemals Anspruch auf meinen Adelstitel erhoben. Zum einen, da meine Heimat heute nicht mehr offiziell zu Ägypten gehört und zum zweiten als Dank an die bürgerliche Familie, welche mich so freizügig aufgenommen hat, obwohl sie selbst nicht viel besaßen. Ich bin wie mein Ersatzvater ein Soldat mit Leib und Seele für mein Land.“ „Und obwohl mein Großvater damals dein Land an Sudan gegeben hat, glaubst du an meine Familie?“ „Um ehrlich zu sprechen, ich war lange enttäuscht davon, dass Euer Großvater, der damalige Pharao Akinamun, nicht um das Land meiner Familie hat kämpfen lassen. Aber ich war noch ein Kind und wurde mit den Jahren eines besseren belehrt. Damals ist zwar meine Familie gestorben, aber mit dieser Befriedungsgeste ist eine gute Beziehung zum König von Sudan entstanden, welche für Jahre Frieden geschaffen hat. Und deshalb bin ich heute in meinem fortgeschrittenen Alter der Überzeugung, dass mein Weg, der Krone mit Kampfeskraft zu dienen, der richtige war. Ich bereue nichts und weiß, dass auch Ihr, unser jetziger Pharao, nur das Beste für Euer Volk wünscht. Ich vertraue auf die Götter, welche Euch ausgewählt haben, uns zu führen.“ „Ich danke dir für deine treuen Worte, Kerasheres“ erwiderte er mit einem langsamen Kopfnicken. „Ich werde deines und das Opfer deiner Familie für meinen Großvater in Ehren halten. Unser Reich braucht entschlossene und besonnene Männer wie dich.“ „Oh, mein Pharao, zu viel der Ehre“ lächelte er und wurde doch tatsächlich ein wenig rot in seinem vernarbten Gesicht. „Ich danke den Göttern dafür, dass ich Euch begegnen durfte. Nun habe ich in meinem Leben schon drei Dynastien gesehen. Den Pharao Akinamun, seinen Sohn Akanumkanon und nun Euch, seinen Enkel. Wenn ich lange genug lebe, sehe ich vielleicht ja sogar noch Euren Sohn auf dem Thron.“ „Vielleicht. Das wissen allein die Götter“ lächelte er und doch wurde ihm ein wenig traurig ums Herz. Wie würde man wohl von ihm sprechen, wenn er einst gegangen war? Die Namen der großen Pharaonen sprach man erst aus, wenn sie bereits zu Grabe getragen waren zu den Göttern gefunden hatten. Seinen Namen, den Namen Atemu, sprach man ebenso wenig aus wie den Namen seines Sohnes, des ägyptischen Prinzen und Thronfolgers Trimantep Ameramun. Ob Trimantep einst ebenso einsam leben würde wie er selbst? In stetiger Hoffnung, jemanden zu finden, aus dessen Mund man liebevoll seinen Namen hörte? Ob auch er heiraten und Kinder bekommen würde, ohne sein Glück jemals wahrlich zu finden? Ob auch er so sehr darunter leiden würde, dass nicht mal der eigene Vater den Namen aussprach? Nein, seinem eigenen Sohn wollte er so etwas nicht antun. Deshalb würde er Wege finden, noch vor Trimanteps Regentschaft die Regeln zu ändern. Beginnen würde es damit, dass er seinen Sohn beim Namen rief und enden würde es hoffentlich damit, dass man im Pharao nicht nur den auserwählten Sohn der Götter sah, sondern einen Menschen mit einem eigenen Namen. Wenn er schon sein Leben in sehnsuchtsgeplagter Einsamkeit leben musste, so sollte doch wenigstens seinem Sohn das erspart bleiben. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)