Schwarzer Drache: Geisterdrache von abranka (Schwarzer Drache IV) ================================================================================ Kapitel 75: 75. Enthüllungen ---------------------------- Die Augen sämtlicher Anwesenden richteten sich auf Alexander. Während in Tassilos bodenlosen Augen unverhohlener Hass und brodelnde Wut lagen, stand in denen von Alexanders Freunden nichts als Unverständnis. Es war Van, der als Erster – und noch vor Tassilo – seine Sprache wiederfand. „Alex?“ fragte er zögerlich, obwohl er die Antwort auf seine Frage schon erahnte. Dass das hier nicht mehr Alexander Dazéra Farnel war, verrieten die leuchtendgelben Augen. Ein kurzes, weiches Lächeln huschte über das Gesicht von Folkens Sohn. „Nein, mein Kind.“ Leichte Belustigung klang bei seinen Worten mit. Eine Belustigung, die gerade Hitomi und Van nur allzu vertraut war. „DU!“ Tassilo brüllte los und sprang die Stufen von dem Altar herunter. Sekundenbruchteile später rangen die beiden Erzfeinde miteinander. Fassungslos sahen die anderen zu. Alle, bis auf einen. Mignon hatte leise begonnen, ein Lied zu summen. Langsam füllte seine Stimme den Raum und die letzten Zeilen schrie es geradezu heraus. „Lass mich scheinen, bis ich werde lass mich scheinen, bis ich bin lass mich scheinen, bis ich werde lass mich endlich sein!“ Die Welt schien zu explodieren. Licht erfüllte den Zeremoniensaal. Regenbogen spannten sich und brachen wieder zusammen. Nach einer Ewigkeit, die nur wenige Sekunden anhielt, verging die sengende Helligkeit wieder, doch noch hatten sich die Augen der Anwesenden nicht an die relative Dunkelheit gewöhnt. Hitomi war eine der ersten, die wieder etwas sehen konnte. An Stelle des seltsamen Kindes stand nun ein erwachsener Mensch. Nun, wenigstens hatte dieses Wesen menschliche Züge. Dass es nicht menschlich war, hatte es ja gerade zu genüge bewiesen. Es trug ein weißes, bodenlanges Gewand. Sein silbriges Haar fiel bis auf den Boden und schimmerte wie der Regenbogen. Seine Haut leuchtete golden. Das Gesicht wirkte jung und alt, männlich und weiblich und nur die durchdringenden, schillernden Augen verrieten, dass es alt war. Wahrhaft alt. „Es reicht!“ Seine Stimme hallte dröhnend durch den Saal und seine Aufmerksamkeit galt allein den beiden noch immer ringenden Gestalten von Tassilo und Alexander. „Versteckt euch nicht länger in diesen menschlichen Hüllen!“ Einen Lichtblitz später standen sich Manticor und Drache in ihren altvertrauten Körpern gegenüber. Der Mann, der Tassilo di Arkadia gewesen war, sackte tot zusammen, da dieser Körper nun vollkommen leer war, hatte der Manticor doch seinen Geist vollständig vernichtet. Alexander dagegen kam wankend und noch etwas benommen auf die Beine. Das fremde Bewusstsein aus seinem Kopf war verschwunden und er besaß wieder die Kontrolle. Einen Augenblick später brach der junge Mann kraftlos und erschöpft zusammen. „Ich habe genug von euch! Seit Äonen kämpft ihr gegeneinander. Ihr, die ihr Brüder und Freunde sein solltet Ihr, die ihr für diese Welt da sein solltet!“ Manticor und Drache blickten sich mit unverhohlenem Hass an. Sie ignorierten die donnernde Stimme des androgynen Geschöpfes und sahen nur sich. Einen Lidschlag später stürzten sie sich mit lautem Gebrüll aufeinander. „Sie werden es nie lernen...“ flüsterte Hitomi leise. Grenzenlose Traurigkeit lag in ihrer Stimme und ihre Augen glitzerten verdächtig, während sie dem Kampf der beiden Giganten zusah. Verstohlen verschwanden die meisten arkadischen Soldaten und auch die Priester nutzten den Kampf, um sich ungesehen aus dem Staub zu machen. „Nein, das werden sie nicht.“ Hitomi brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass das Wesen neben ihr stand, das sie in ihrem Traum getroffen hatte und das einmal Mignon gewesen war. „Wer bist du?“ fragte Hitomi, während sie langsam den Kopf drehte und in die alten Augen blickte. „Ich bin... der Geist dieser Welt. Ich bin das, was ihr Gaia nennt.“ Gaia – das erklärte, warum ihr die Aura dieses Wesens so vertraut war. Es war diese Ausstrahlung, die der gesamte Planet besaß. Eine Ausstrahlung, die man vielleicht nur spüren konnten, wenn man nicht von diesem Planten stammte. Hitomi nickte und fragte tonlos weiter: „Und was wirst du jetzt tun?“ „Es beenden. Endgültig. Sie nahmen alle meine Warnungen nicht ernst. Dieses Mal hätten sie es tun sollen. Ich habe es ihnen deutlicher gesagt als jemals zuvor. Sie spielen mit ihren Leben – und sie haben sie gerade verspielt. Ihre Leben – und das gesamte Leben auf dieser Welt! Ich kann Leid und gewaltsamen Tod nicht mehr sehen! Wie Brüder Brüder töten, wie Freunde einander vernichten! Jeder Schwertschlag, jeder Fausthieb, jeder einzelne Biss traf meine Seele und mein Herz. Und das werde ich nicht länger dulden!“ Bevor Hitomi die Tragweite dieser Worte begreifen konnte, trat Gaia vor – direkt zwischen die beiden Kämpfenden. „ES REICHT!“ Ihre Stimme glich einem Donnerschlag. Wie gelähmt blieben die beiden Kontrahenten stehen und sahen sie an. „Ich hatte euch gewarnt! Dieses Mal ist es endgültig vorbei! Nicht nur für euch, sondern für diese gesamte Welt!“ Gaia breitete ihre Arme aus und warf den Kopf in den Nacken. „Bitte, nein...“ wimmerten Drache und Manticor gleichzeitig, doch für ihr Flehen war es längst zu spät. Dunkelrote, nahezu schwarze Flammen lösten sich von Gaias Händen und schossen Drache und Manticor direkt ins Herz. Einen Moment lang bäumten sich die beiden Giganten auf, dann brachen sie langsam zusammen. Doch noch ehe die beiden Körper den Boden berührten, lösten sie sich auf. Gaia hatte ihre Warnung wahr gemacht. Hitomi spürte einen brennenden Schmerz in ihrem Herzen und fiel auf die Knie. Erst als sie niemand zwang, auf den Beinen zu bleiben, bemerkte sie, dass Berengar längst nicht mehr da war. Er war es vorhin schon nicht mehr gewesen, als sie mit Gaia gesprochen hatte. Seltsam, was man so denkt... Hitomis Hand presste sich krampfhaft auf ihr Herz. Sie hatte das Gefühl, als wenn mit den beiden Mächtigen auch ein Teil von ihr starb. Der Teil, der sie an den schwarzen Drachen gebunden hatte. Und während Hitomi nach Luft rang, rasten die schwarzen Flammen der Zerstörung um die Welt und vernichteten jedes Leben... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)