Schwarzer Drache: Geisterdrache von abranka (Schwarzer Drache IV) ================================================================================ Kapitel 74: 74. Bedrohung ------------------------- „Tod?“ Sayuris Stimme war kaum hörbar und sie schlug die Hand vor den Mund. Grenzenloses Entsetzen stand in ihren Augen. Mignon musterte sie kurz und legte ihr dann die Hand auf den Arm. Das Mädchen sah das seltsame Kind an und flüsterte dann tonlos: „Das habe ich nicht gewollt. Das habe ich nie gewollt...“ Das Kind erwiderte nichts, sondern blickte die Braut nur unverwandt an. Sayuri hatte urplötzlich das Gefühl, dass dieses Kind nicht das war, was es zu sein schien. Es schien ungleich älter zu sein. So alt wie die Welt... In einem Schatten hielten sich Jarrow und Bayliss an die Wand gedrückt. Diese Zeremonie wollten sie sich nicht entgehen lassen. Bayliss schlug zwar das Herz bis zum Hals, aber er würde sich nicht von seiner eigenen Angst abhalten lassen. Um irgendwann einmal einen Chance gegen diesen Diktator zu haben, mussten sie wissen, was geschah. Jarrow dagegen wollte sich nichts entgehen lassen, an dem Berengar teilhatte. Es gab schließlich genug Gründe, ihm auf den Fersen zu bleiben, musste der Kommandant doch ständig mit einer heimtückischen Aktion des Elitesoldaten rechnen. Abgesehen davon trauten sie einander kein bisschen und würden entsprechend den Teufel tun, den anderen hier und jetzt allein zu lassen. Hitomi keuchte unterdrückt auf. Tassilo würde sie also alle umbringen! Tassilo? Nein, der Manticor! Das hier mochte einmal der arkadische Kaiser gewesen sein, doch nun war er nur noch die Hülle für das bösartige Wesen in seinem Inneren. Hitomi tauschte einen kurzen Blick mit Van, der sie mit schreckgeweiteten Augen ansah. Ihre Lippen formten ein Wort, das Van jedoch nicht verstand, und bevor er darüber rätseln konnte, wurde seine Aufmerksamkeit wieder von Tassilo angezogen. Die Stimme des rothaarigen Mannes dröhnte weiter durch den Raum. „Meine Lieben, ihr wart niemals würdige Gegner für mich. Zu dumm habt ihr euch angestellt. Und jedes einzelne Mal habt ihr nur so etwas wie einen ‚Sieg’ davon tragen können, weil euer intriganter Freund an eurer Seite stand. Weil er euch jedes Mal den Hals gerettet hat – weil es in seinem Interesse stand. Weil er euch benutzt hat. Jedes Mal war euer Leben gleichgültig, solange er an mich herankommen konnte. Ihr seid armselige Figuren in seinem Spiel gewesen. Jedes Mal aufs Neue. Und jedes Mal habt ihr euch darauf eingelassen. Wieder und wieder. So wie Lemminge beständig in ihren Tod zu rennen versuchen.“ Bleiche Gesichter sahen sich an. Auch wenn sie wussten, dass er log, fraßen sich seine Worte doch in ihre Seelen. Waren sie nur Spielfiguren gewesen? Laures schüttelte stumm den Kopf. Synchron tat es ihm Lauria gleich. Nein, sie hatten sich gewehrt und trugen ihr Schicksal nun in ihren eigenen Händen. Sie würden ihren Weg vollenden, ohne ihm dabei zu Diensten zu sein. Weder ihm noch dem Drachen. Keinem der beiden. Alexander gaben die Knie nach. Etwas in seinem Inneren drängte nach draußen und da er diesen Ausbruch mit aller Macht verhinderte, breitete sich unsäglicher Schmerz in seinem Inneren aus. Die Pein ließ ihn zu Boden sinken. Keuchend hielt er die Hände an die Schläfen gepresst. Sein Kopf schien ihm zu explodieren. „Alex!“ Van wollte zu seinem Neffen, stürmen, doch unbarmherzig wurde er festgehalten. Er konnte nichts weiter tun, als den Sohn seines Bruders besorgt anzustarren. Auch die anderen wurden brutal daran gehindert ihm beizustehen. Unter stummer Qual wand sich der junge Mann mit leichenblassem Gesicht auf dem Boden. Was geschah mit ihm? Tassilo beachtete den jungen Mann gar nicht, als er langsam auf die Gefangenen zutrat. Vor Auriana blieb er stehen und strich ihr zärtlich ein paar wirre, blonde Haarsträhnen aus dem Gesicht. Ihre Unterlippe zitterte leicht und nackte Panik stand in ihren Augen. „Aber, aber... Mein Kind, du wirst doch keine Angst vor mir haben.“ Tassilos Mund lächelte, doch seine Augen blieben kalt. „Warum solltest du auch Angst haben?“ Langsam schlang sich seine Hand um ihren Nacken. Urplötzlich griff er hart zu und zog ihren Kopf bei Seite. Auriana entwich ein heller Aufschrei. „Du hast mich verraten!“ zischte der Diktator. „Du hast mich verraten und dafür wirst du bezahlen! So teuer, wie du es dir jetzt noch nicht vorstellen kannst.“ Abrupt ließ er die junge Frau los und während Auriana noch um so etwas wie Fassung rang, nahm er ihr Vargas ab. Der kleine Junge blickte ihn aus großen Augen an, gab jedoch keinen Laut von sich. „Was...?“ flüsterte Hitomi erschrocken. Was wollte dieses Monster mit ihrem Kind? Mit zwei Schritten war der Kaiser bei Lauria und nahm ihr Varie ab. Die beiden Kinder im Arm trat er zu dem Altar und legte sie nieder. „Nein...“ Hitomi war fassungslos. „Nein!“ Ihre Stimme überschlug sich. Sie wollte losstürmen, doch Berengar griff in ihren Haarschopf und riss ihren Kopf in den Nacken. „Sieh zu. Schrei so viel du willst, aber du wirst nur zusehen,“ raunte ihr der Soldat ins Ohr. Er würde sie nicht loslassen. Niemals. Und es schien ihm regelrecht ein Vergnügen zu sein, die Verzweiflung und das Leid in diesem Raum zu sehen. Als Berengar seinen Griff einigermaßen gelockert hatte, warf Hitomi einen kurzen Blick zu Van hinüber. Das frische Blut, das ihm über die Unterlippe lief, war Hinweis genug, dass auch er nicht widerstandslos bereit war, anzusehen, was Tassilo ihren gemeinsamen Kindern antat. „Diese beiden werden als erstes ihr Leben lassen und ihre Kraft zu der meinen hinzufügen,“ deklamierte Tassilo, während drei der Priester die Nachkommen des farnelianischen Königspaars an den Altar banden. Noch immer waren Varie und Vargas still. Beinahe zu still. Sie konnten nur unter Schock stehen, ansonsten hätten sie längst geweint. „Ihr Blut wird das Band zwischen mir und meiner Kaiserin besiegeln!“ Sayuri riss den Kopf hoch und starrte Tassilo erschrocken an. Das Blut dieser Kinder? „Komm zu mir!“ Er streckte die Hand nach ihr aus und wie betäubt, ja, nahezu willenlos schritt sie auf ihn zu. „Lass mich frei... Vertrau mir...“ Sanft raunte die Stimme in Alexanders Gedanken. Er kannte sie und er vertraute ihr. Ganz vorsichtig wagte er es, sich zu entspannen. Augenblicklich ließ der Schmerz nach. Bevor er darüber jedoch Erleichterung verspüren konnte, verlor er die Kontrolle über seinen Körper. An den Rand des Bewusstseins gedrängt erlebte er, wie sein Körper aufstand und mit gellender Stimme aufschrie. Einer Stimme, die nicht die seine war. „Wag es nicht!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)