Schwarzer Drache: Geisterdrache von abranka (Schwarzer Drache IV) ================================================================================ Kapitel 69: 69. Einsicht ------------------------ Hitomi starrte den rothaarigen Diktator fassungslos an. Sayuri blickte noch immer verliebt zu dem Kaiser empor. Hatte dieses dumme Mädchen überhaupt begriffen, was der Manticor ihr antun würde? Was geschehen würde? Die Königin von Farnelia schüttelte den Kopf. Alles war so aussichtslos. So unglaublich aussichtslos. „Geliebter, was bedeutet das alles, was du zu Hitomi gesagt hast?“ Sayuris dünne Stimme durchschnitt die düstere Stille in dem Raum. „Nichts weiter, meine Liebe. Nichts weiter.“ Tassilo presste das Mädchen fest an sich. „Nein, das hat etwas zu bedeuten.“ Brüsk machte sie sich aus seiner Umarmung frei. „Warum kennst du sie auf einmal so gut? Du hast sie doch vorher keines Blicks gewürdigt! Was ist das für eine Rede von Drachen – und von Morden?!“ Ihre Stimme gewann einen hysterischen Klang. „Ja, genau, erklär es ihr,“ mischte sich nun auch Hitomi ein. „Sag diesem Kind, was du mit ihm vorhast! Sag ihr, was sie an deiner Seite erwartet, du Monster!“ Tassilo blickte mit einem unmenschlichen Knurren von Sayuri und dann zu Hitomi. „Was denn? Angst?“ Die Königin von Farnelia lachte spöttisch auf. „Das passt nicht zu dir, du verdammter Tyrann!“ „Halt den Mund!“ Tassilo stürzte plötzlich auf sie zu, griff sie an den Armen und schleuderte sie mit schier übermenschlicher Kraft einmal quer durch den Raum. Mit einem hellen Aufschrei prallte Hitomi gegen einen Spiegel. In einem Scherbenregen landete sie auf dem Boden. Splitter schnitten ihr in die Haut und sie bekam durch diesen heftigen Aufprall kaum Luft. „Was tust du?!“ Sayuris Stimme überschlug sich. Nackte Panik war darin zu hören. Blitzschnell wirbelte der rothaarige Mann herum und fasste sie grob an den Oberarmen. „Du hältst jetzt besser den Mund – ansonsten geht es dir wie ihr! Glaub nicht, dass ich vor dir halt machen würde!“ fauchte er zornig. Blass und ängstlich nickte Sayuri. Tränen der Angst rannen ihr über die Wangen. Keuchend richtete sich Hitomi auf. Mit einer ärgerlichen Handbewegung wischte sie sich einige Splitter von den Schultern. Als sie eine sehr lang gezogene und fast schon dolchartige Scherbe berührte, durchzuckte sie eine Idee. „Das kannst du ihm getrost glauben, Sayuri,“ höhnte sie. „Er macht vor niemandem Halt. Auch vor dir nicht. Weder jetzt noch in Zukunft. Wach auf, Schätzchen, du bist in der Hölle gelandet.“ Sayuri zuckte bei ihren Worten zusammen. Mit einem leisen Grollen stieß Tassilo das Mädchen von sich, wirbelte herum und strebte auf Hitomi zu. „Du sollst schweigen!“ brüllte er, beugte sich vor und griff nach der jungen Frau. In diesem Moment zog sie die Scherbe hervor und stieß zu. „Wie lange es wohl noch dauert?“ fragte Shid leise. Die Stimme des jungen Herzogs klang schwach. Es war unübersehbar, dass er mit seinen Kräften langsam am Ende war. Wie ein Häufchen Elend hing er in seinen Ketten. Allen sah ihn besorgt an. Seinem Sohn ging es sichtlich schlecht. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, ergriff Laures das Wort. „Es wird nicht mehr lange dauern. Halte durch.“ Seine dunkle Stimme klang seidigweich und seltsam beruhigend. „Glaubt daran, dass alles gut werden wird und dann wird es das.“ „Denkst du das wirklich?“ Van zog skeptisch eine Augenbraue hoch. Erneut zerrte er an seinen Ketten und erneut musste er einsehen, dass sein Aufbäumen nichts brachte. „Ja, das tue ich.“ Laures blickte seinen Vater aus den dunklen Augen an. „Weißt du denn nicht, wie es ausgehen wird?“ fragte Alexander plötzlich provozierend. „Du tönst doch die ganze Zeit davon, dass geschieht, was geschehen muss. Was kann denn dann so ein verdammter Glaube ändern? Du musst doch dann auch wissen, was geschehen wird.“ Dank Alexanders Worten besaß Laures nun die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Gefangenen in diesem Frachtraum. Vans Sohn lächelte wissend und schon fast etwas herablassend. „Viel davon ist nur ein Gefühl,“ erklärte er sanft. „Ein Gefühl, dass das, was geschieht, richtig ist – oder falsch. Dass es Sinn macht. Dass es unausweichlich ist. Genauso ist es jetzt. Ich weiß, dass es nicht mehr lange dauert. Alles strebt zu dem Ort, an dem das letzte Gefecht ausgetragen wird. Ich weiß nicht, wer gewinnen wird, ich weiß nur, dass ich mein Schicksal erfüllen werde. Was danach kommt...“ Ein leichtes, unergründliches Lächeln spielte um seine Lippen. „Was danach kommt, ist nach mir und für mich bedeutungslos.“ Schweigen folgte auf seine Worte. Jeder versuchte irgendwie Sinn in ihnen zu finden. „Moment mal!“ Vans Stimme überschlug sich fast. „Heißt das etwa, dass du sterben wirst?“ Hemmungsloses Entsetzen war in das Gesicht des Königs von Farnelia geschrieben. „Ach, Vater...“ Laures blickte ihn mit einem leichten Bedauern in den Augen an. „Ich sagte doch, ich weiß nicht, was geschehen wird. Vielleicht werde ich leben. Vielleicht sterben. Welche Rolle spielt das denn schon?“ „Eine verdammt große!“ knurrte Van. „Ich will nicht einen Sohn verlieren, den ich gerade erst gefunden habe. Und den ich noch nicht einmal richtig kenne!“ Verblüfft schaute Laures den jungen Krieger an. Mit solchen Worten hatte er nicht gerechnet. Niemals. In seinen Augen begann es, verdächtig zu glitzern. „Vater... Das ist... Danke,“ stammelte er und schenkte Van zum ersten Mal, seit er denken konnte, ein warmes, liebesvolles Lächeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)