Schwarzer Drache: Geisterdrache von abranka (Schwarzer Drache IV) ================================================================================ Kapitel 20: 20. Zeremonien -------------------------- Merle schritt langsam auf Louvain zu. Ihr langes Kleid raschelte leise und wogte sanft um ihre schlanke Figur. Ihre Hand krallte sich fest ins Vans Arm. Der König von Farnelia, der sie auf den improvisierten Altar zu führte, musste leicht lächeln. Merles Nervosität war schwerlich zu übersehen. Schließlich war sie neben Louvain angekommen und lächelte diesem schüchtern zu. Van zog sich an die rechte Seite Louvains zurück und grinste Hitomi zu, die links neben Merle stand. Sie beide würden die Trauzeugen für Merle und Louvain sein. Tassilo hatte seine Stellung neben dem schwarzen Opferaltar bezogen. Passend zu seinen leuchtend roten Haaren trug er eine blutrote Robe, auf die das schwarze Abbild des Manticors gestickt war. Neben ihm hatten die fünf Priester Aufstellung bezogen und summten alte Worte, die Tassilo nicht verstand und denen er auch wenig Bedeutung beimaß. Er wusste, dass letztendlich nur seine Gedanken an den Manticor, während er den Dolch in sein Opfer senkte, entscheidend für die Kraftübertragung an dieses seltsame Geschöpf waren. Die Tür zu dem heiligen Raum öffnete sich mit einem lauten Knall und zwei Soldaten trugen eine junge Frau hinein, die in ein bodenlanges, ärmelloses, weißes Gewand gehüllt war. Sie hatte kurzes, struppiges, blondes Haar mit einem leichten Grünschimmer. Ihre graugrünen Augen blickten Tassilo und den Altar entsetzt an. Sie wehrte sich gegen ihre Bewacher, doch diese vermochten es mit Leichtigkeit, die zartgebaute Frau festzuhalten. "Tassilo! Was heckt Ihr nur wieder für eine Teufelei aus?!" schrie sie mit sich überschlagender Stimme, als die Soldaten mit ihr direkt vor dem Hohepriester stehen blieben. Tassilo trat auf sie zu und lächelte sie mitleidig an. Sanft strich er ihr mit seiner bloßen Hand über die Wange. "Saiyett, füge dich einfach dem Unvermeidlichen," sagte er mit kühler Stimme. Mit einer leichten Handbewegung wies er die Soldaten an, das Mädchen auf den Altar zu legen. Nachdem die Soldaten das Mädchen rücklings auf den Altar gehoben hatten und sie festhielten, während die Priester die Arm- und Beinschnallen schlossen, hing Tassilo seinen Gedanken nach. Er hatte Saiyett aus dem Grund ausgewählt, weil sie eine Priesterin in Freyd gewesen war. Sie war in die Geheimnisse der Magie und der Götter eingeweiht, sodass er ihr mehr Energie zuschrieb als den anderen Menschen, die in den Kerkern der fliegenden Festung saßen. Außerdem war sie mit ihren sechzehn Jahren sehr jung und auch deshalb als Opfer sehr ansprechend. "Mylord," murmelte einer der Soldaten, als das Mädchen sicher verschnürt war, und die beiden Männer verließen fast fluchtartig den Raum. Sie wollten nicht mitansehen, was nun geschehen würde. Allein die Gerüchte über die blutrünstigen Zeremonien ihres Herrschers reichten, um ihnen Todesangst einzujagen. Tassilo ignorierte sie und wandte sich nun wieder dem Mädchen zu. "Tassilo! Ich verfluche dich!" schrie sie und als er sich über sie beugte, um ihr ins Gesicht zu blicken, spuckte sie ihn an. Beiläufig wischte er ihre Spucke ab und strich ihr noch einmal über die Wange. "Saiyett, mach dich bereit, den Weg zu meinem Gott zu gehen," sagte er beinahe sanft. "Möchtet Ihr, Merle, Erste Beraterin des Königs von Farnelia, den hier anwesenden Louvain, Ritter von Farnelia, zu Eurem angetrauten Ehemann nehmen, ihn lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod Euch scheidet?" fragte der Priester und blickte Merle ernst an. "Ja, ich will," erwiderte das Katzenmädchen. Sie lächelte Louvain zärtlich an und steckte ihm den einfachen Silberring an den Finger. Andere Ringe hatten sich so kurzfristig nicht finden lassen. "Und wollt Ihr, Louvain, Ritter von Farnelia, die hier anwesende Merle zu Eurer angetrauten Ehefrau nehmen, sie lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, bis dass der Tod Euch scheidet?" "Ja, ich will," lächelte der Löwenmann und steckte Merle den Ring an. "Damit ist der Bund vollendet und ich erkläre Euch zu Mann und Frau," deklarierte der Priester und breitete seine Arme für den Segen aus. "Möge Eure Ehe durch den Drachengott gesegnet sein und das Glück mit Euch sein, wohin Euch Euer Weg auch führen mag. - Auch unter diesen Umständen." Louvain beugte sich vor und hauchte Merle einen zärtlichen Kuss auf die Lippen. Mit weit ausgebreiteten Armen stand Tassilo neben dem Altar. "Manticor, nimm dieses Opfer an. Sein Blut wird in deinem Namen vergossen. Seine Kraft wird in deine Adern fließen." Damit zog der rothaarige Mann einen rubinbesetzten Dolch aus den weiten Ärmeln der Robe. Er beugte sich vor und schlitzte Saiyett die Pulsadern am linken Handgelenk auf. Sie stieß einen kurzen Schmerzensschrei aus, den er jedoch ignorierte. Mit einigen schnellen Schritten war er an ihrer rechten Seite und schnitt auch dort ihre Pulsadern auf. "Möge das Blut dieser Frau für dich vergossen sein," deklamierte Tassilo. "Nein," murmelte Saiyett schwach. "Nein..." Sie konnte spüren, wie die Kraft aus ihrem Körper wich. Das Verbluten eines menschlichen Körpers mochte zwar schnell gehen, aber nicht so schnell, wie ihre Kraft sie nun verließ. Als ihr die Augen zufielen, begriff sie, was es war, das sie so schwächte. Ihr Geist betrat die Traumwelt und dort sah sie den Manticor, der mit weitgeöffnetem Maul auf sie zusprang, um sie zu fressen und das Opfer Tassilos anzunehmen. Saiyett fiel ergeben auf die Knie und akzeptierte ihren Tod mit der Gelassenheit, die man sie in ihrer Ausbildungszeit gelehrt hatte. Sie erkannte, dass es keinen Ausweg gab... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)